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mokratie gelernt und ausgeübt, und….<br />

sind hier alle glücklich? Dieses ständige<br />

Gefühl der deutschen Überlegenheit.<br />

Das ist etwas, was ich noch vor einigen<br />

Jahren nicht so stark gefühlt habe,<br />

denn die Beziehung der Deutschen<br />

zu sich selbst war anders. Da gab es<br />

zwischen den Deutschen das Gefühl<br />

des schlechten Gewissens und das hat<br />

den Kopf der Deutschen etwas gebeugt.<br />

In den letzten Jahren hat sich in<br />

dieser Sicht sehr viel verändert, in der<br />

Selbstfindung der Deutschen. Heute<br />

hört man, dass die Deutschen auch<br />

Opfer des Krieges sind, dass sie sich als<br />

Opfer des Krieges und der Vertreibung<br />

fühlen. <strong>Vor</strong> 10, 15 Jahren hörte man das<br />

Wort „Vertreibung“ nicht. Das waren<br />

doch „Flüchtlinge“.<br />

Können nach Ihrer Ansicht die Zuwanderer<br />

aus Polen eine Brücke zwischen den<br />

beiden Völkern bilden und hat für die Veränderung<br />

im Verhältnis der Menschen der<br />

Beitritt Polens zur EU eine Rolle gespielt?<br />

Magda Ziomek-Beims Wir von agit-<br />

Polska sind das beste Beispiel für einen<br />

solchen Brückenschlag.<br />

Piotr Sudol Die Zuwanderer aus Polen<br />

spielen die Rolle einer Brücke eher<br />

nicht. Für mein Gefühl haben diese Rolle<br />

eher die Deutschen, die nach Polen<br />

gehen. Polen gab es schon immer hier.<br />

Sie haben nicht wirklich eine Brücke<br />

gebildet im Sinne von kulturellen Verbindungen<br />

oder gemeinsamen Aktivitäten.<br />

Ich glaube, dass Deutsche, die<br />

nach Polen gehen, sei es zum Arbeiten<br />

oder zum Studieren, eher eine Brücke<br />

schlagen können.<br />

Spüren Sie persönlich Diskriminierung?<br />

Urszula Wöltjen Ich habe nach Beendigung<br />

meines Studiums Arbeit im<br />

öffentlichen Dienst gesucht. Ich dachte<br />

als man über die europäische Vereinigung<br />

sprach und den Beitritt Polens zur<br />

EU, man brauche Menschen mit einer<br />

derartigen Ausbildung und Sprachkenntnissen<br />

(Südslawistische Studien<br />

in Jugoslawien <strong>Kultur</strong>geschichte Ost<br />

–Mitteleuropas, Polonistik, Soziologie<br />

an der Uni Bremen). Aber immer wieder<br />

stieß ich auf das Argument, dass ich<br />

keine deutsche Staatsangehörigkeit<br />

besitze. Wenn ich einen Antrag schrieb,<br />

habe ich immer wieder eine negative<br />

Antwort bekommen. Eine Bekannte aus<br />

diesem Bereich sagte: ‚Die Situation ist<br />

wie sie ist. Wenn wir auf den Tisch 15<br />

Bewerbungen auf eine Stelle bekommen<br />

und wenn da drei ausländische<br />

Namen sind, dann finde ich meinen<br />

Kandidaten unter den Zwölf, die anderen<br />

mach ich nicht mal auf’. Ich fühlte<br />

den Atem des Geistes, der hier in der<br />

Bremer Jutefabrik im 19 Jh. geherrscht<br />

hat, wo die Polen abgestempelt waren<br />

als Ausländer, als Wanderer, ebenso<br />

Magdalena Ziomek-Beims, 34, Kunsthistorikerin, <strong>Kultur</strong>schaffende,<br />

Mitbegründerin agitPolska e.V., Tresenkraft,<br />

gelegentlich Übersetzerin, zur Zeit angestellt beim<br />

<strong>Ort</strong>samt Mitte / Östliche <strong>Vor</strong>stadt, geboren in Białogard.<br />

„Ich habe mit 26 in Posen meinen Mann kennengelernt.<br />

Er machte zusammen mit seiner Schwester in Posen Urlaub.<br />

Sie hat polnisch gesprochen, da sie mit 16 ein Jahr in<br />

Polen als Austauschschülerin verbracht hat. Ich habe mich<br />

mit ihren Bruder auf Englisch unterhalten. Das war Liebe<br />

auf den ersten Blick.<br />

Nach zwei Tagen bin ich mit den beiden nach Bremen gefahren.<br />

Es lag auf dem Weg nach Lingen, wo ich auch wegen meiner Dienstreise<br />

sein musste (ich habe für Cordes Greaf in Polen gearbeitet).<br />

Ich habe mich in Bremen auch auf den ersten Blick verliebt und entschieden hierher<br />

zurück zu kommen. Nach einem halben Jahr habe ich meine Arbeit in Polen<br />

gekündigt und bin in Bremen gelandet.“<br />

wie später die Spanier, Türken oder<br />

Griechen: einsetzbar nur für bestimmte<br />

Arbeiten, aber wenn es um etwas mehr<br />

geht, dann spielt die Staatsangehörigkeit<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Ich habe vor kurzem eine Veranstaltung<br />

gemacht, eine Veranstaltung mit<br />

einem Konzert über Arthur Rubinstein,<br />

und ein paar Monate später eine große<br />

Ausstellung über die polnische Buchkunst.<br />

Für kurzfristige Projekte, die ich<br />

selbst schaffe, bin ich schon gefragt,<br />

aber dass ich eine feste Stelle in diesem<br />

Bereich bekomme, das gibt es leider<br />

nicht.<br />

Ich habe mal gehört, wie eine deutsche<br />

Sozialarbeiterin, die in Osterholz Tenever<br />

für internationale Integrationsprojekte<br />

der hiesigen Ausländer zuständig<br />

ist, sagte, was für tolle Projekte sie dort<br />

machen. Aber als ich sie gefragt habe,<br />

wie viele Ausländer beruflich dabei<br />

tätig sind, sagte sie: keine. Wo gibt es<br />

das, dass man Projekte über Ausländer<br />

ohne Ausländer realisiert.<br />

Da sieht man, das Gerede von den deutschen<br />

Bemühungen um die Integration<br />

der Zuwanderer ist nur Rhetorik. Ich<br />

glaube daran nicht. Wenn ich komme<br />

mit meiner polnischen Herkunft und<br />

dazu meine Meinung anders ist als die<br />

deutsche Meinung - und die liegt ab<br />

und zu quer – das wird hier nie als eine<br />

Bereicherung oder Herausforderung<br />

gesehen. Wozu sollen die Ausländer die<br />

deutsche Geschichte oder die deutsche<br />

Demokratie und die deutsche Sprache<br />

lernen, wenn man sie in Wirklichkeit<br />

nicht hören möchte.<br />

Magda Ziomek-Beims Diskriminierung?<br />

Ich finde das lustig, wenn Leute<br />

enttäuscht sind, dass ich aus Polen<br />

komme. Sie finden polnische Abstammung<br />

so banal…<br />

Seit dem EU-Eintritt muss man nicht<br />

mehr mit der Ausländerbehörde was zu<br />

tun haben. Was jeder Mensch bestimmt<br />

begrüßt. Ich habe mich nie so elendig<br />

gefühlt wir dort. Mein Pass wurde von<br />

eine Beamtin auf den Fußboden geworfen<br />

usw. Ich habe mich wie Dreck gefühlt<br />

und geheult, schon, als ich wusste,<br />

dass ich dorthin musste. Werden die<br />

Leute, die in Ausländeramt arbeiten in<br />

Psychoterror geschult?<br />

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