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Spüren Sie von Seiten der Deutschen<br />
<strong>Vor</strong>urteile oder Diskriminierung?<br />
Magda Ziomek-Beims Es ist nicht<br />
einfach nach Deutschland zu kommen,<br />
sich hier heimisch zu fühlen. Meine<br />
Anfänge waren auch eher brutal. Klar<br />
habe ich schwarz gearbeitet und habe<br />
das heilige deutsche Gesetz damit gebrochen.<br />
Aber das Gefühl, dass es nicht<br />
so viele deutschen Freiwillige gibt, die<br />
um vier Uhr morgens aufstehen um die<br />
Büros für damals 10 DM zu putzen, hat<br />
mich bis jetzt nicht verlassen.<br />
Piotr Sudol, geboren am 31.3.1976 in Szczecin (Stettin)<br />
Student der Freizeitwissenschaften, wohnt in Gröpelingen.<br />
Piotr (von den meisten Peter genannt) kam 1985 aus<br />
wirtschaftlichen Gründen nach Bremen. Seine Eltern bewirtschafteten<br />
einen kleinen Laden, im kommunistischen<br />
Staat keine einfache Sache.<br />
„Es reichte zum Leben. Aber meine Eltern wollten mir eine<br />
bessere Zukunft sichern und sahen sie eher hier als in<br />
Polen. Sie haben alles stehen lassen - den Laden konnte<br />
man nicht verkaufen - und sind erst einmal ohne mich<br />
gefahren. Ich bin ein Jahr später nachgekommen. Das<br />
war nicht so einfach. Ich bin quasi illegal über die Grenze gekommen, ohne die<br />
nötigen Papiere.“<br />
Piotrs Eltern bekamen eine Aufenthaltsgenehmigung, weil seine Großmutter<br />
lange in Nazi-Deutschland als Zwangsarbeiterin bei einem Bauern in der Nähe<br />
von Hannover gearbeitet hatte. Sie konnte immer noch etwas deutsch. Das hat<br />
die Aufenthaltsgenehmigung für seine Eltern erleichtert. „Merkwürdigerweise<br />
hat das für mich nicht geklappt. Deshalb musste ich hinten auf der Ladefläche<br />
eines LKW nach Deutschland einreisen.<br />
Urszula Wöltjen Als ich mit meiner<br />
kleinen Tochter in der Straßenbahn saß<br />
und mit ihr polnisch redete, sprachen<br />
mich öfters ältere Damen an: „Was für<br />
eine Sprache sprechen Sie?“ „Polnisch,<br />
ach so. Und sagen Sie, sind Sie schon<br />
lange hier?“ Einfach ältere Damen, die<br />
sich gerne unterhalten wollten. Und oft<br />
kam die Frage: „Sind Sie hier zufrieden<br />
oder glücklich? Haben Sie einen deutschen<br />
Mann?“ oder „Wie sehen Ihre<br />
Schwiegereltern das?“ Dann habe ich<br />
immer gedacht: was sollen die Fragen?<br />
Was soll ich antworten? Ich habe einen<br />
lieben Ehemann, eine gesunde Tochter,<br />
wir sind alle gesund, wir haben keine<br />
finanziellen Probleme, haben ein Haus,<br />
fahren in Urlaub, warum soll es mir hier<br />
schlecht gehen?<br />
Wenn sie mich in Polen gefragt hätten,<br />
wie geht es mir in Polen, wenn mein<br />
Mann arbeitslos wäre, meine Tochter<br />
krank, dann würde ich sagen: mir geht<br />
es schlecht. Also es ist nicht so, dass es<br />
mir hier gut geht, weil die Deutschen<br />
gut oder schlecht sind. Ich lebe hier<br />
zufrieden, nicht weil ich Deutschland<br />
als Land so toll empfinde, sondern weil<br />
ich privat glücklich bin.<br />
Ich bin hier zufrieden, aber das heißt<br />
nicht, dass ich nicht sehe, dass es viele<br />
Probleme zwischen Polen und Deutschen<br />
gibt. Ich denke, es funktioniert<br />
immer weniger. Im europäischen<br />
Kontext, laut Medien, funktioniert<br />
die Integration immer besser. Aber im<br />
deutsch-polnischen Verhältnis passieren<br />
Sachen, die wirklich nicht gut<br />
sind. Und sie werden nicht nur durch<br />
die Medien immer wieder angespitzt.<br />
Gleich was in Polen auf der deutschpolnischen<br />
Ebene passiert, wird gerne<br />
als antideutsch gesehen. Es genügt ein<br />
einziger Pressebericht, z.B. im Express,<br />
einer Zeitung, die ich nie im Leben auf<br />
die Idee käme zu kaufen, so wie hier die<br />
Bildzeitung.<br />
Spielt die schmerzliche Vergangenheit<br />
zwischen den beiden Völkern für Sie eine<br />
Rolle?<br />
Magda Ziomek-Beims Die Vergangenheit?<br />
Meinen ersten Streit mit meinem<br />
Mann hatte ich nach dem wir „Die<br />
letzten Tage der Menschheit“ gesehen<br />
haben. Ich war so wütend, als am<br />
Ende der deutsche Wehrmachtsoldat<br />
auf weißem Pferd, nackig, vor sich hin<br />
jammert: ‚Wir waren nur Soldaten, wir<br />
haben das alles nicht gewollt’. Ich hätte<br />
den erwürgen können. Mein Mann hatte<br />
aber die gleiche Meinung wie dieser<br />
Soldat. Wir haben uns vier Stunden<br />
lang nur angeschrieen.<br />
Ja, die Vergangenheit spielt weiter für<br />
uns Polen eine große Rolle<br />
Piotr Sudol Die frühere Geschichte<br />
hat für mich keine Bedeutung, für viele<br />
Polen aber immer noch eine. Die ältere<br />
Generation oder Leute vom Land hängen<br />
noch an der Vergangenheit. Aber<br />
mein Bekanntenkreis ist mit einer offenen<br />
Weltauffassung groß geworden.<br />
Urszula Wöltjen Die deutsch-polnische<br />
Geschichte ist nicht einfach<br />
gewesen und sie ist heute sehr kompliziert.<br />
Es sind von Anfang an Fragen<br />
und Probleme nicht aufgearbeitet und<br />
nicht aufgeräumt worden. In dem Kontext<br />
ist die europäische Vereinigung,<br />
EU mit der gemeinsamen Verfassung<br />
ein Kitsch, ein Versöhnungskitsch.<br />
Noch vor einigen Jahren haben die<br />
Deutschen das Gefühl gehabt oder nur<br />
die Meinung vertreten, dass sie in der<br />
Geschichte versagt haben und dass sie<br />
noch viel gutzumachen haben. Heute<br />
ist es nicht mehr so.<br />
Nach der Wende überwog das Gefühl<br />
uns bei dem EU Beitritt zu helfen.<br />
Ist auch ok. Nun, die Hilfe soll allgemein,<br />
nicht in Form der Belehrung<br />
von dem deutschen Besserwisser zu<br />
uns kommen. Als die Kaczynskis an<br />
die Regierung kamen, oder wie man<br />
es hier abwertend nannte „Kartoffel-<br />
Regierung“, habe ich oft gehört, dass<br />
wir Polen, die diese Regierung selbst<br />
gewählt haben, vor der „Zwillingsdiktatur“<br />
gerettet werden müssen, und am<br />
besten von den Deutschen. Man muss<br />
den Polen beibringen, was Demokratie<br />
ist. Warum müssen sie uns das beibringen?<br />
Wir bringen uns selbst bei, was die<br />
Demokratie ist. Wir gehen unseren polnischen<br />
demokratischen Weg. Vielleicht<br />
ist das ein Umweg und dauert etwas<br />
länger. Deutschland hat 50 Jahre De-<br />
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