DAS PORTRAIT von Martin Oberpriller DEUTSCHE BAHN ALS HUMOR- VOLLE STEILVORLAGE Der Leverkusener Oliver Materlik zählt zu den hoffnungsvollsten Comedians in Deutschland 10 DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 3/2005
Komik ist am besten, wenn sie unfreiwillig daherkommt. Und darum ist Oliver Materlik ein großer Fan der Deutschen Bahn AG. Nicht, dass der 35-Jährige zum Zwecke der Fortbewegung auf Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und seine Kollegen angewiesen wäre. Um Gottes Willen, an <strong>die</strong>sem Nachmittag ist der gebürtige Opladener mit einem Auto aus schwäbischer Produktion pünktlich in seiner Heimatstadt vorgefahren. Aber dennoch: Oli Materlik zählt zu den hoffnungsvollen Sternen am deutschen Comedy- Himmel und ist darum schon quasi professionell den Werktätigen des Schienenverkehrs zugeneigt. „Der Alltag schreibt meine Geschichten“, erklärt der Familienvater, der vor einigen Jahren den Sprung aus einer vermeintlich gesicherten Existenz im Entsorgungsgewerbe in <strong>die</strong> Untiefen des Showgeschäftes wagte. Das heißt, so gefährlich sind jene Untiefen gar nicht, lassen sie sich doch zumindest ab und zu mit der bundesdeutschen Eisenbahn umschiffen. Ob es nun Züge sind, <strong>die</strong> aus unerfindlichen Gründen im hiesigen Schienendschungel verschwinden und ebenso frustrierte wie verhinderte Fahrgäste am Wegesrand zurücklassen oder ob es um das alljährliche böse Erwachen bei der Bahn geht, wenn bei moderaten Minustemperaturen nicht nur <strong>die</strong> Seen und Tümpel, sondern auch <strong>die</strong> Gleise und damit <strong>die</strong> Fahrpläne hierzulande gefrieren – Pleiten, Pech und Pannen gibt´s beim ehemaligen Staatsbetrieb genug, um locker ein unterhaltsames Abendprogramm zu füllen. Die Deutsche Bahn bietet Materlik in jeder Hinsicht eine humorvolle Steilvorlage. Aber wir wollen nicht ungerecht sein. Zum einen besitzen <strong>die</strong> Bahnwerker beileibe nicht das Monopol auf unfreiwillige Komik. Wie wäre es zum Beispiel mit den Heerscharen all jener Rentner ohne Zeitmanagement, <strong>die</strong> ausgerechnet jeden Samstag in <strong>die</strong> Konsumschlachten an den Wühltischen und an der Kassenschlange bei Aldi eingreifen müssen. Und zum anderen würde man dem Komiker und Entertainer Materlik bitter unrecht tun, wollte man ihn auf Bahnwitze reduzieren. Immerhin füllt der Mann, der sich vor fünf Jahren beim Leichlinger Comedy-Cup seine ersten Ver<strong>die</strong>nste um <strong>die</strong> Lachmuskeln seiner Mitmenschen erwarb, inzwischen bei rund 150 Auftritten pro Jahr bundesweit <strong>die</strong> Hallen und Theater. Und auch schon im Fernsehen war der gelernte Industriekaufmann zu sehen. Erst vor ein paar Wochen konnte ihn das TV-Publikum bei einem Gastspiel im „Nightwash“ des WDR bewundern. Derartige Präsenz kommt natürlich nicht von selbst. Vor allem dann nicht, wenn man nicht auf <strong>die</strong> Dienste einer großen Künstleragentur zurückgreifen kann, sondern sich wie Oli Materlik als Einzelkämpfer mit eigener Agentur seinen Weg bahnen muss. DAS PORTRAIT „Ich hatte Glück, bei mir ging es bislang immer kontinuierlich aufwärts“, blickt der Vater eines fünfjährigen Sohnes auf seine bisherige Karriere zurück. Nach dem schon erwähnten Leichlinger Comedy-Cup folgte eine zweimonatige Weiterbildung an der Kölner Comedyschule, bei der <strong>die</strong> Kursteilnehmer nicht allein in <strong>die</strong> Techniken berufsmäßigen Frohsinns eingeführt, sondern darüber hinaus auch in Fächern wie Regieführung unterwiesen wurden. Ein Umstand, der immer wichtiger wird und sich auch für Materlik inzwischen bezahlt gemacht hat. Denn längst sind jene Tage Geschichte, in denen eine Handvoll von Kabarettisten und Komikern im Naturschutzgebiet des öffentlichrechtlichen Fernsehens ihrem politisch korrekten Tagwerk relativ risikofrei nachgehen konnten. Das waren noch Zeiten, als Altkanzler Helmut Kohl gleich reihenweise Anregungen für <strong>die</strong> Branche lieferte und <strong>die</strong> ziemlich schmerzfreien Verantwortlichen des <strong>Bayer</strong>ischen Rundfunks eine Scheibenwischer-Sendung von Satiriker Dieter Hildebrand kurzerhand aus dem blau-weißen Programmschema kippten. Über Kohl lacht heute kaum noch jemand, und auf bundesweite Publicity wie im Falle der humorlosen <strong>Bayer</strong>n dürfen <strong>die</strong> Kunstschaffenden inzwischen auch nicht mehr hoffen. DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 3/2005 >>>>>>>>> 11