Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...
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Aktuell<br />
Die Untersuchungsfläche Marienhof mit Rathaus 2012 aus der Luft. Deutlich sichtbar ist der schräge Verlauf des überwölbten alten Stadtgrabens aus<br />
dem 12. Jahrhundert (Foto: Klaus Leidorf)<br />
liche Überlieferung zur Verfügung, deren Informationswert<br />
unschätzbar ist und einen genauen Blick in das München der<br />
Renaissancezeit zulässt. Dem Modell folgen Pläne und maßstäbliche<br />
Zeichnungen in einem Abstand von 50 bis 20 Jahren.<br />
Diese Plangrundlage wird ergänzt durch teilweise edierte<br />
Quellen zur Münchner Stadtgeschichte von 1158 bis heute,<br />
und vor allem können – und das ist das Besondere – über<br />
die Steuerbücher die einzelnen Hausbesitzer und Bewohner<br />
parzellenscharf bis um 1380, teilweise sogar bis in das frühe<br />
14. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Es besteht somit die<br />
Möglichkeit, für jedes ausgegrabene Haus, jeden Brunnen,<br />
jede Latrine nicht nur die dazugehörige Hausgeschichte zu<br />
liefern, sondern auch mit Hilfe der Funde Aussagen über die<br />
jeweiligen Besitzer und Bewohner zu bekommen. Vor dem<br />
Hintergrund dieser großen Fläche und der damit verbundenen<br />
Erwartungen wurde in einem EU-weiten Wettbewerbsverfahren<br />
ein geeignetes Team gefunden, welches diesen<br />
mannigfaltigen Aufgaben gewachsen war.<br />
Dem Münchner noch nie so nah<br />
Die Untersuchungen auf dem Marienhof lieferten für fast<br />
alle Aspekte der Stadtgeschichtsforschung neue und überraschende<br />
Ergebnisse, deren endgültige Auswertung noch<br />
längere Zeit in Anspruch nehmen wird.<br />
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte des Marienhofes ist<br />
der bauliche Zustand um 1570, bekannt durch das Sandtnersche<br />
Stadtmodell. Während der Grabungen konnten die dort<br />
dargestellten Gebäude eindeutig identifiziert werden. Ausgehend<br />
von diesem Zustand wurde die zum Großteil durch<br />
Pläne und Abbildungen bekannte Entwicklung des Viertels<br />
von 1570 bis 1945 an Hand von Befunden und Bauresten<br />
nachvollzogen und präzisiert. Eine insofern spannende<br />
Aufgabe, als sich im Detail die Entwicklung von einer<br />
renaissancezeitlichen Stadt bis zur Moderne eindrucksvoll<br />
beobachten ließ. Neben Resten des Hausinventares aller<br />
gesellschaftlichen Schichten des 17. bis 20. Jahrhunderts war<br />
es vor allem die Kontinuität der Parzellengrenzen und Reste<br />
mittelalterlicher Bausubstanz, die sogar die Neubauten des<br />
20. Jahrhunderts respektierten und im Bestand integrierten.<br />
Trotz tiefer Kelleranlagen und moderner Überbauung<br />
überraschte es, dass sich für die Phasen vor 1570 eine hohe<br />
Dichte an mittelalterlichen Befunden erhalten hat, die bis<br />
um 1300 zurückreichen und teilweise einzelnen Bewohnern<br />
zugeordnet werden können.<br />
Die Zusammensetzung der Bewohner des Marienhofes war<br />
sehr bunt gemischt. Neben reichen Patrizier- und Ratsfamilien,<br />
die ihr Geld mit Salz- und Weinhandel verdienten,<br />
lebten hier auch Handwerker, Bürger und Hofbedienstete<br />
Tür an Tür. Mindestens zwei der gefundenen Latrinen gehören<br />
der Oberschicht der Zeit um 1400 und Mitte des 15. Jahrhunderts<br />
an. Für die Zeit eher seltenes bemaltes Flachglas<br />
mit Mönchsdarstellung, Fragmente von venezianischen Flaschen<br />
mit blauer Fadenauflage, rheinisches Steinzeug, ein<br />
verzierter Messergriff aus Bein mit Tierdarstellung sowie<br />
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