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Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...

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Aktuell<br />

Das Bodendenkmal Münchner Innenstadt – Die stetige Veränderung<br />

Durch Zerstörung bewahrte Geschichte<br />

Der Blick in Münchens Untergrund ist immer lohnenswert. Er<br />

lädt Passanten in der Regel zum Stehenbleiben und Staunen<br />

ein, unabhängig ob es sich um ein schier undurchschaubares<br />

Gewirr an Kabeln und Rohren handelt oder um alte Mauerzüge,<br />

die eindrucksvoll zeigen, dass sich München immer<br />

wieder verändert hat und sich bis heute stetig den Bedürfnissen<br />

einer modernen Großstadt anpasst. Und fast immer,<br />

wenn in München in den Untergrund gegangen wird, sind<br />

die Archäologen mit in der Baugrube. Auch wenn durch den<br />

archäologischen Stadtkataster der Untergrund der Münchner<br />

Innenstadt hinsichtlich seiner Bedeutung als Bodendenkmal<br />

hinreichend definiert und für jeden Quadratmeter transparent<br />

ausgewiesen ist, bleibt ein Rest Überraschung und Forscherdrang<br />

übrig. München erlebt derzeit die wohl größte<br />

innerstädtische Um- und Neubauwelle seit dem Wiederaufbau<br />

und Olympia 1972. Die 19 000 Baustellen, die es aktuell<br />

jedes Jahr in München gibt (Münchner Merkur 24.6.2012),<br />

sind regelmäßig Thema in der Tagespresse: „Baustellen in<br />

der Altstadt, Von wegen Altstadt – Neustadt!“ (Abendzeitung<br />

29.3.<strong>2013</strong>). Neben der gehäuften Zahl von kleineren<br />

Untersuchungen bekommt es die Stadtarchäologie in der<br />

Innenstadt immer öfter mit großen Flächen- und kilometerlangen<br />

Trassengrabungen zu tun, die sonst eigentlich eher<br />

außerhalb der Stadt anzutreffen sind. Nach der Neubebauung<br />

der St.-Jakobs-Platzes (5500 qm), der Neufassung des<br />

Marstallplatzes, dem Aus- und Umbau des Fernwärmenetzes,<br />

Verlegung neuer Glasfaserkabel etc. stand eine der letzten<br />

großen, vor 1945 bebauten Freiflächen in der Innenstadt<br />

zur Untersuchung an, der Marienhof (6600 qm).<br />

Von der Ruinenlücke zum Stadtgarten<br />

Als letztes und größtes zusammenhängendes Bodendenkmal<br />

in der Innenstadt waren die Erwartungen, an dieser<br />

Stelle neue Erkenntnisse zur Stadtgeschichte Münchens zu<br />

bekommen, sehr hoch. Das ehemals dicht bebaute Viertel<br />

hinter dem heutigen Rathaus wurde in drei großen Luftangriffen<br />

(18.3.1944, 17.12.1944 und 7.1.1945) vollkommen<br />

zerstört. Ein ganzes Viertel hörte auf zu existieren. Da die<br />

meisten Häuser bereits vor dem Krieg im Besitz der Stadt<br />

waren, konnte man sich nach langen Debatten im Stadtrat<br />

entscheiden, das Areal nicht wieder zu bebauen – ein<br />

neuer Platz war inmitten der Stadt entstanden. Als 1955 die<br />

improvisierten Läden auf der freigeräumten Schuttfläche<br />

abgerissen wurden, richtete man zunächst einen Parkplatz<br />

mit 400 Stellplätzen ein. Auf dem Weg zur Olympiastadt<br />

befand sich 1966–1967 im Süden des Platzes eine Baustelle<br />

für den U-Bahnhof Marienplatz, 1971–1973 stand an der<br />

Westseite ein Olympia-Infopavillon, der von 1974–1991 die<br />

Fläche für einen improvisierten Festplatz mit Grünanlage<br />

und Parkplatz vorgab. Anlässlich der Planung einer Tiefgarage<br />

wurden 1989–1990 in der Nordwestecke archäologische<br />

Untersuchungen durchgeführt und im Anschluss die<br />

Fläche als Grünanlage mit Kinderspielplatz angelegt.<br />

Dass nach den Kriegszerstörungen der Wiederaufbau<br />

unterblieb, ist für die Forschungsgeschichte Münchens ein<br />

Glücksfall. Nur so konnte sich das flächenmäßig größte<br />

innerstädtischen Bodendenkmal nur wenige Zentimeter<br />

unter der Grasnarbe bewahren.<br />

Planung und Durchführung<br />

Während die Errichtung des U-Bahnbauwerkes 1966/67<br />

archäologisch noch unbetreut blieb, lieferten die jüngsten<br />

Bodeneingriffe (Fernwärmeleitung, Startschächte für<br />

die Bahnsteigerweiterung unter dem Rathaus, archäologische<br />

Untersuchung durch das BLfD 1989/90) bereits<br />

überraschende Erkenntnisse über die guten Erhaltungsbedingungen<br />

im Untergrund. Mit der Planung einer zweiten<br />

Stammstrecke für München sind in deren Verlauf mehrere<br />

Bodeneingriffe für Notausstiege und neue Haltepunkte im<br />

Bereich ausgewiesener Bodendenkmäler vorgesehen. Diese<br />

Eingriffe wurden im Vorfeld durch einzelne Risikoanalysen<br />

fachlich bewertet, mit prognostizierter Dauer der Grabung<br />

und Kosten belegt. Auf Seiten der Deutschen Bahn als<br />

Auftraggeber entschied man sich, die Untersuchungen im<br />

Rahmen von Baufeldfreimachungen und Spartenverlegungen<br />

vor der eigentlichen Hauptbaumaßnahme durchzuführen.<br />

Die aufwändigste Untersuchung fanden am Marienhof<br />

statt, dessen gesamte Fläche für einen neuen unterirdischen<br />

Haltepunkt vorgesehen ist. Speziell für diese Fläche wurden<br />

alle verfügbaren Planunterlagen und schriftlichen Quellen<br />

zusammengetragen. Schnell wurde deutlich, dass für eine<br />

archäologische Untersuchung außergewöhnliche Grundlagen<br />

geschaffen werden konnten, wie sie in kaum einer anderen<br />

Stadt zur Verfügung stehen.<br />

Mit dem Holzmodell der Stadt München des Drechslermeisters<br />

Jakob Sandtner aus Straubing aus der Zeit um 1570–72<br />

steht eine einzigartige bildliche und vor allem auch maßstäb-<br />

München. Untersuchungsflächen auf dem Marienhof. Die vor 1945 existierende<br />

Bebauung (gelb) konnte durch mehrere Grabungen dokumentiert<br />

werden. Der Bereich des U-Bahnbauwerkes blieb undokumentiert.<br />

Rot: Brunnen und Latrinen (Plan: Behrer, Büro für <strong>Denkmalpflege</strong>,<br />

Regensburg)<br />

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