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Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...

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Über den Zaun<br />

Mauer in China ist die Entfernung der Verkleidungsziegel<br />

zur Wiederverwendung als Baustoff oder gar die Einebnung<br />

des Lehmkerns der Mauer oder von Türmen zur landwirtschaftlichen<br />

Nutzung der Flächen.<br />

DI: In die Große Mauer sind auch zahlreiche Türme integriert.<br />

Gibt es dort auch Bauten im Umfeld? Der Limes<br />

steht ja im Zusammenhang mit größeren und kleineren Kastellen,<br />

Wachttürmen, strategischen Straßenverbindungen;<br />

die Kastelle haben ihrerseits weitere Bauten ergänzender<br />

Infra struktur in unmittelbarer Nähe wie Kastellbäder; neuerdings<br />

werden auch Theater entdeckt oder vermutet. Wird<br />

in China auch das Terrain neben der Mauer archäologisch<br />

erforscht?<br />

Sommer: Besonders fasziniert hat mich bei diesem Chinabesuch<br />

einmal mehr die Feststellung, dass die Grundelemente<br />

am Obergermanisch-Raetischen Limes wie an der<br />

Großen Mauer in der Zeit des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr.<br />

fast identisch sind: Lineare Barriere, Überwachung mit Hilfe<br />

von Türmen – betrachtet man Tonmodelle aus dieser Zeit,<br />

möchte man meinen, sie könnten vom Limes stammen –,<br />

Kleinkastelle und größere Truppenlager. Leider konnte ich<br />

mich aber bisher nicht so intensiv mit der Großen Mauer in<br />

China beschäftigen, dass ich allzu viel über die Infrastruktur<br />

und die Verbindung zum Hinterland sagen könnte. Ich weiß<br />

jedoch, dass gerade für die dem Limes entsprechende Zeit<br />

einige Schriftquellen überliefert sind. Diese betonen das Ziel<br />

der Kaiser der Han-Zeit, die die Mauer betreuenden Soldaten<br />

– die Rede ist von etlichen 100 000 – so einzusetzen und zu<br />

integrieren, dass sie aus der betroffenen Umgebung ernährt<br />

werden konnten. Dies führte offensichtlich zu massiven Veränderungen<br />

in den regionalen Sozial- und Wirtschaftssystemen,<br />

innerhalb wie außerhalb der Mauer.<br />

DI: Gibt es einen Austausch mit China bezüglich des Umgangs<br />

mit den jeweiligen Denkmälern – bei <strong>Denkmalpflege</strong>,<br />

Forschung, Tourismus? Oder ist eine Zusammenarbeit in<br />

irgendeiner Form geplant?<br />

Zhangjiakou (nordwestlich von Beijing). Nördlichste „Große Mauer“ mit<br />

altem Dajing-Tor (erbaut 1644) Richtung Steppe, oben und hinten Restaurierungen<br />

und Rekonstruktionen, rechts oben der Lehmkern eines Turms<br />

(Foto: BLfD, C. Sebastian Sommer)<br />

Modell eines Wachtturms<br />

aus dem 2. Jh. n. Chr. an der<br />

Chinesischen Mauer (Boston,<br />

Museum of Fine Arts; Foto:<br />

BLfD, C. Sebastian Sommer)<br />

Sommer: Bisher gibt es<br />

keinen offiziellen Austausch<br />

zwischen unseren Ländern.<br />

Vor einiger Zeit gab es einen<br />

Kontakt zwischen der Deutschen<br />

Limeskommission und<br />

der „Great Wall Society of<br />

China“, einer anscheinend<br />

ausschließlich touristisch ausgerichteten<br />

Organisation zur<br />

Förderung der Großen Mauer.<br />

Ich denke aber, dass es durchaus<br />

wert ist für unsere Touristiker<br />

auch am Limes, sich<br />

um chinesische Kunden zu<br />

bemühen. Das Potenzial in<br />

China ist immens, die Reiselust<br />

dort groß und die finanziellen<br />

Mittel von immer mehr<br />

Menschen so, dass Reisen nach<br />

Europa unternommen werden.<br />

DI: Welche weiteren Erfahrungen haben Sie in China<br />

gemacht?<br />

Sommer: Eine Erfahrung, die vermutlich jeder Chinabesucher<br />

macht, war das Gefühl, nie alleine zu sein. Die<br />

schiere Masse an Mensch, deren Teil man auf den Straßen,<br />

in den Parks, an der Großen Mauer, beim Essen wird, ist<br />

manchmal überwältigend. Besonders irritierend war dies<br />

z. B. in den wunderbaren Gärten von Suzhou (teilweise<br />

ebenfalls Welterbestätten), wenn man versucht, den Geist<br />

eines „Versteckten Pavillons in Firmiana Simplex (Pflanze)<br />

und Bambus“ nachzuempfinden (Garten des Bescheidenen<br />

Beamten). Natürlich stellen sich dem <strong>Denkmalpflege</strong>r gleich<br />

wieder Fragen zur Belastung der Denkmäler dadurch.<br />

DI: Was haben Sie aus China „mitgenommen“?<br />

Sommer: Zu einem gewissen Grad war ich dankbar, nicht<br />

in China für Denkmäler verantwortlich zu sein. Der dort<br />

seit Jahren herrschende Druck auf das Land, die enormen<br />

Veränderungen wegen eines jährlich um etwa 8 % wachsenden<br />

Bruttosozialprodukts, welche auch im Einzelnen den<br />

Wunsch nach Fortschritt wecken – ein gewaltiges Gefährdungspotenzial<br />

für Boden- wie Baudenkmäler. Was nicht<br />

unmittelbar nutzbar gemacht werden kann, steht auf der<br />

Kippe. Das, was „nutzbar“ erhalten werden soll, wird oft<br />

massiv überformt oder gar „neu“ gebaut. Wie in der Diskussion<br />

nach meinem Vortrag deutlich wurde, wird dieses Vorgehen<br />

zunehmend hinterfragt. Ich meine, dass wir in unserer<br />

globalisierten Welt nicht nur mit Hightech zu punkten versuchen,<br />

sondern auch mit denkmalpflegerischer „best practice“<br />

Schule machen und Vorbild sein sollten. Wenn einmal die<br />

Grundbedürfnisse, wie Dach über dem Kopf, Bett zum<br />

Schlafen und gefüllter Magen, befriedigt sind, setzt gleich<br />

die Suche nach Werten ein. Bodendenkmäler, ganz gleich<br />

ob in Deutschland oder in China, können hierbei unseren<br />

Bürgern wie den Besuchern viel bieten.<br />

Interview: Doris Ebner<br />

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