21.11.2014 Aufrufe

Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...

Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...

Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Denkmalgeschützte Theater<br />

Schon Lochbihler hatte angedacht, die Holzdecke zum<br />

Lagerraum im Erdgeschoss zu durchbrechen, um den<br />

Zuschauerraum und die Bühne zu vergrößern – erst in<br />

den 1850er Jahren wurde dies verwirklicht. In diese Zeit<br />

fallen auch die Umbauten zu einer zusätzlichen Galerie im<br />

Zuschauerraum, welche von nackten Karyatiden getragen<br />

wurde. Die Galeriebegrenzung schmückte man mit Fabelwesen.<br />

Die Außenfassade und der Haupteingang bekamen<br />

bis 1860 ein neues Antlitz im neugotischen Stil. Zudem<br />

revolutionierte man die Innenbeleuchtung mit der Installierung<br />

einer Gasbeleuchtung.<br />

1859/60 hatte die Stadt Kempten einen neuen Theaterdirektor<br />

engagiert: Friedrich Spielberger. Mit ihm setzte ein strenger<br />

Ton im Ensemble-Miteinander ein: Er erließ 96 Regeln<br />

für den Theateralltag: Beispielsweise durften Hunde nicht<br />

mit an die Arbeitsstätte gebracht werden – ein im Landesamt<br />

für <strong>Denkmalpflege</strong> zum Glück undenkbarer Zustand.<br />

Krankheitsfälle waren sofort per Attest nachzuweisen, und<br />

ohne Erlaubnis durfte man sich nicht einmal über Nacht aus<br />

der Stadt entfernen. Dies galt auch an Tagen ohne Proben –<br />

und ganz wichtig: Für Nachrichten mussten die Mitarbeiter<br />

immer erreichbar bleiben.<br />

Kempten (Allgäu). Theater im alten Salzstadel (Foto: Werner Sienz 1984)<br />

Es wird hell und dann ganz dunkel<br />

Bei einer erneuten feierlichen Eröffnung des Theaters 1896<br />

konnte man nicht nur den restaurierten Lochbihler-Vorhang,<br />

sondern auch den vergrößerten Zuschauerraum mit prachtvoll<br />

erstrahlender Deckenrosette und Proszenien bestaunen. Die<br />

gründerzeitlichen Relikte waren vollkommen verschwunden,<br />

auch die nackten Karyatiden hatten weichen müssen.<br />

Dafür hatte man aber den talentierten <strong>Juli</strong>us Heydecker als<br />

Direktor gewonnen, der, selbst Schauspieler, die Geschicke<br />

des Theaters bis 1909 bestens zu lenken wusste. 1902 bekam<br />

die Spielstätte elektrisches Licht. Ab 1921 zeigte man auch<br />

Lichtspiele.<br />

Doch 1928 wurde es plötzlich zu hell: ein Brand im Projektionsraum<br />

während einer Vorstellung. Glücklicherweise<br />

wurden nur wenige Personen leicht verletzt, und der Sachschaden<br />

hielt sich in Grenzen. Viel schlimmer als jeder<br />

Brand wirkten sich aber die braunen Organisationen wie<br />

„Kraft durch Freude“ und „NS-Kulturgemeinde Ortsverband<br />

Kempten“ aus, welche das Theater und sein Programm<br />

ab 1935 fest in den Klammergriff nahmen.<br />

Nach dem Krieg<br />

Nach dem Krieg ging es alsbald mit Kleists „Der zerbrochene<br />

Krug“, „Professor Mamlock“ von Friedrich Wolf<br />

oder Schmunzelstücken wie „’s Herz in der Lederhose“<br />

weiter. Statische und andere Probleme führten unter dem<br />

federführenden Architekten Sepp Zwerch in den 1950er<br />

Jahren zur Entfernung des dritten Ranges. Stahlträger<br />

wurden eingezogen und in den Mauerkronen verankert<br />

und die Bühne verkleinert. Der Zuschauerraum wuchs,<br />

die bestehenden Proszenien band man weiter außen in<br />

das neue klassizistische Arrangement ein und verlängerte<br />

die Balkone. Es entstand ein Orchestergraben. Der zweite<br />

Rang erhielt mehr Sitzplätze, von wo aus die Zuschauer die<br />

neugestaltete und in Richtung Bühne fortgesetzte Deckenrosette<br />

bestens bestaunen konnten. Die Decke des kleinen<br />

Foyers mit seinen Sternen auf Dunkelblau entwickelte sich<br />

ebenfalls zu einem Hingucker. Und wenn es draußen kühl<br />

war, sorgten die Heizanlagen jetzt sogar in den Fluren für<br />

ein leicht bekleidetes Publikum, welches sich, wenn es die<br />

Mäntel in den zu Garderoben umgebauten oberen Proszeniumslogen<br />

abgegeben hatte, seine und die Gänsehäute der<br />

Kempten (Allgäu). Theater im alten Salzstadel (Foto: Werner Sienz 1984)<br />

vergangenen Jahrhunderte quasi wegwärmen konnte. 1964<br />

erhielt das Schauspielhaus endlich sein ersehntes Foyer im<br />

neuklassizistischen Stil mit blauen Teppichen und gelben<br />

Sitzgruppen, welches 1968 ein mit goldenen Kugeln gekröntes<br />

Vordach bekam. Weitere Baumaßnahmen folgten in den<br />

nächsten Jahrzehnten, bis 2002 wurde eine grundlegende,<br />

2007 abgeschlossene Sanierung vorgenommen.<br />

Schon von Weitem erblickt man heute den vorgelagerten,<br />

verglasten Neubau, welcher sich an den alten Foyerbau<br />

schmiegt. Die Sanierung im Inneren hat den Zuschauerraum<br />

erneut „erröten“ lassen. Die spätklassizistische und neubarock<br />

ergänzte Decke mit Rosette, die Gold- und Bronzetöne<br />

der Hängegirlanden auf den Galeriebegrenzungen: alles<br />

glänzt vor Pracht. 1964 hatte man bereits das obere Foyer<br />

als neuklassizistischen Redoutensaal gestaltet – er kann<br />

jetzt multifunktional als „TheaterOben“ genutzt werden.<br />

Nach dem Entfernen der alten Treppe befindet sich der neue<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!