Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...
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Denkmalgeschützte Theater<br />
Bayreuth, Festspielhaus; Links Wandpfeiler der Bühnengrube, rechts Dachtragwerk (Fotos: BLfD, Robert Pick)<br />
kann. Auch weiß der <strong>Denkmalpflege</strong>r, dass Richard Wagner<br />
in seiner Festschrift zur Grundsteinlegung wiederholt den<br />
provisorischen Charakter des Gebäudes angesprochen hat.<br />
Aber es scheint auch hier zu gelten, dass nichts so beständig<br />
ist wie ein Provisorium. Es fragt sich deshalb, wann<br />
ein Provisorium allein durch seine Dauer zumindest seine<br />
materielle Konsistenz unter Beweis gestellt hat und es sich<br />
lohnt, auch um die Substanz eines vermeintlichen Provisoriums<br />
zu ringen. Vermeintlich deshalb, weil sich auch die<br />
Gelehrten darum streiten, ob Wagner den Begriff des Provisoriums<br />
nicht kokett als Umschreibung für edle Einfachheit<br />
verwendet hat. Die Ambivalenz der Begriffe wird besonders<br />
im Zuschauerraum deutlich, da hier zwar mit „allerdürftigstem<br />
Material“ (Holz, Leinwand, Gips, Pappmaschee und<br />
Farbe) gearbeitet worden war, von „völliger Schmucklosigkeit“<br />
aber nur die Rede sein kann, wenn man „völlig“ von<br />
„Völle“ ableitet. Ob Pappmaschee oder Fachwerk: Schließlich<br />
ist es nur die Substanz, welche das Original ausmacht<br />
und das Authentische greif- und fühlbar werden lässt. Den<br />
Wert der Substanz im Falle des Bayreuther Festspielhauses<br />
brachte Markus Kiesel vor Kurzem in einem Interview auf<br />
den Punkt: „Erst einmal [ist das Original] natürlich materiell<br />
[wichtig], weil die Bayreuther Festspiele GmbH und<br />
die BF Medien GmbH mit der Authentizität des Ortes einen<br />
Mehrwert abschöpfen können.“ Aber nicht nur das Haus,<br />
auch das Erleben des Festspielgedankens sind untrennbar<br />
mit dem Original und mit Bayreuth verbunden.<br />
Wagner hat in seiner Festschrift das Haus nicht nur als provisorisch<br />
angesprochen, sondern auch benannt, was von<br />
Dauer sein soll. Ausgangspunkt der Überlegungen war, das<br />
Orchester den Blicken des Publikums zu entziehen. Von allen<br />
Plätzen sollte gleichmäßig ein freier Blick auf das Bühnengeschehen<br />
möglich sein, weshalb auf Ränge und Logen verzichtet<br />
wurde. Wie üblich steigt das Auditorium nach hinten<br />
an, die Reihen verbreitern sich aber trapezförmig von der<br />
Bühnenöffnung zur Rückwand und sind zur Bühne hin in<br />
einem Segmentbogen konvex gekrümmt. Die dadurch entstehenden<br />
„unschönen Winkelecken“ konnten nicht bestuhlt<br />
werden und wurden mit den charakteristischen „Proszeniumswänden“<br />
besetzt. Besonders wichtig war das Verhältnis<br />
1 : 2 von Bühnen- zu Technikraum. Diese zentralen Entwurfsgedanken<br />
Wagners sind, bis auf den Schnürboden, noch<br />
heute substanziell nachvollziehbar. Aus der Korrespondenz<br />
Wagners während der Bauzeit wird die besondere Bedeutung<br />
der zuletzt genannten Proportionen deutlich, da nach<br />
Wagner für die Unterbühne gar nicht tief genug gegraben<br />
werden konnte. Obgleich diese heute mit moderner Technik<br />
vollgestellt ist, sind die aus Sandsteinquadern mit Stützpfeilern<br />
gesetzten Einfassungsmauern vollständig erhalten und<br />
erlauben durch zahlreiche Balkenlöcher, Auflager etc. Rückschlüsse<br />
auf die historische Bühnentechnik.<br />
Aber auch vom Provisorium ist noch vieles erhalten geblieben,<br />
so z. B. das Dachtragwerk über dem Zuschauerraum.<br />
Zwar verstellen die massiven Aufrüstungen für die unterschiedlichen<br />
Einbauten den Blick auf die historische Konstruktion,<br />
sie ist aber noch vorhanden und wirksam. Dabei<br />
erscheint eine Bestandsaufnahme und -bewertung weniger<br />
aus denkmalfachlichen als vielmehr aus statischen Gründen<br />
als dringendes Desiderat. Wenig verwundert es auch,<br />
dass an den noch bauzeitlich erhaltenen Fassaden der beiden<br />
südlichen Flügelbauten sowie des Königsbaus zur Zeit vermehrt<br />
Schäden auftreten, da diese noch keine grundlegende<br />
Sanierung erfahren haben.<br />
Als man 2009 östlich des Festspielhauses eine zusätzliche<br />
Mehrzweckhalle mit Nebenräumen errichten wollte, regte<br />
das Landesamt für <strong>Denkmalpflege</strong> zusammen mit der Städtebauförderung<br />
bei der Regierung von Oberfranken an, die<br />
weitere Gestaltung des städtebaulichen Umfeldes in einer<br />
Gesamtschau zu betrachten und einen städtebaulichen Ideenund<br />
Realisierungswettbewerb auszuloben. Im Vordergrund<br />
stand – und steht – das Ziel, den „lieblichen Hügel“ als solchen<br />
Fortsetzung auf Seite 52<br />
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