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Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...

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Denkmalforschung<br />

Wirtschaftsbau mit Mahnmal von Nandor Glid (links) und Lagergefängnis, sog. Bunker, des ehemaligen Konzentrationslagers (rechts)<br />

(Fotos: BLfD, Ina Hofmann)<br />

nächsten Raum waren die Häftlingsduschen. Die Duschköpfe<br />

sieht man nicht mehr. In einem Bericht des ehemaligen<br />

Gefangenen Maurice Cling kann man folgende Erinnerungen<br />

an diesen Raum lesen: „Das Duschen bedeutet …<br />

kochendheißes, schlecht reguliertes Wasser, das gefürchtete<br />

Desinfizieren, es bedeutet das unendlich lange Warten mit<br />

nackten Füßen auf dem eisigen Zementboden in der Zugluft,<br />

die die feuchte und zitternde Haut zu zerbeißen scheint …“<br />

David weist mich in diesem Raum auf Verankerungen im<br />

Mauerwerk hin, es handelt sich um Aufhängungen für das<br />

sogenannte „Pfahlhängen“. Ein Prügelbock mit Ochsenzirbel<br />

ist ebenfalls ausgestellt. Wir verlassen das Gebäude und<br />

gleich wird mir wärmer, trotz Schneesturm.<br />

Jenseits des baumlosen Apellplatzes vor uns stehen zwei<br />

Baracken-Nachbauten aus dem Jahr 1964 stellvertretend<br />

für die abgebrochenen und im Grundriss später verdeutlichten<br />

Häftlingsblocks: Unzählige hölzerne Dreistockbetten,<br />

Toiletten ohne Abgrenzung, Privatsphäre war hier ein<br />

Fremdwort. Ein Teil der Baracken wurde für medizinische<br />

und pseudomedizinische Versuche an Menschen genutzt.<br />

Ärzte führten u. a. Malaria-, Sulfonamid-, Meerwasser- und<br />

Unterkühlungsexperimente durch.<br />

In der östlichen, hinteren Ecke des Häftlingslagers stand<br />

die Desinfektionsbaracke, in der Kleidung von Gefangenen<br />

durchsucht und desinfiziert werden musste. Allein im Jahr<br />

1943 kamen 50 mit Textilien vollgestopfte Waggons aus<br />

Auschwitz in Dachau an.<br />

Das Häftlingslager war in der heute bekannten Form erst<br />

1937/38 entstanden, umfasste aber nur einen kleinen Teil des<br />

insgesamt 200 Hektar großen Areals. Das SS-Lager befand<br />

sich im Westen, durch einen Graben, Stacheldraht, einen<br />

tödlichen Stromzaun, das kleine Flüsschen Würm und eine<br />

dahinterliegende Betonmauer von den Gefangenen getrennt.<br />

Schon 1936 umgebaut und von Heinrich Himmler eingeweiht,<br />

war es gleichzeitig Stützpunkt für SS-Totenkopfverbände.<br />

SS-Wachmannschaften anderer Lager wurden hier<br />

ausgebildet (sogenannte „Gewaltschule“), auch der spätere<br />

Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß. Selbst heute noch ist<br />

das ehemalige SS-Gelände für den geschichtsinteressierten<br />

Besucher gesperrt: Die Bayerische Bereitschaftspolizei<br />

hatte und hat großen Nutzungsbedarf. Auch der originale<br />

Zugang, das Jourhaus, konnte zwischen 1965 und 2004 von<br />

der Öffentlichkeit nicht genutzt werden.<br />

Theodor Eicke, Kommandant nach Wäckerle, hatte das<br />

Konzept einer idealtypischen Anlage erstellt, welche groß<br />

dimensioniert, gleichzeitig wirtschaftliche Aspekte bedachte<br />

und als „Dachauer Modell“ auch Vorlage für zukünftige<br />

KZs wurde. So befand sich außerhalb der östlichen Häftlingsmauer<br />

die heute überbaute Gärtnerei. Hier wurde unter<br />

anderem „Deutscher Pfeffer“ geerntet und in einem lagereigenen<br />

Geschäft verkauft; unter großer Gefahr konnte an<br />

dieser Stelle Post geschmuggelt werden.<br />

David führt mich hinter das Wirtschaftsgebäude. Mit wenigen<br />

Metern Abstand schließt hier ein Flachbau an: das<br />

Lagergefängnis, auch „Bunker“ genannt, Ort physischer<br />

400 m<br />

Dachau, Luftbild des KZ-Geländes; Denkmalfläche rot markiert (Kartengrundlage:<br />

© Bayerische Vermessungsverwaltung <strong>2013</strong>)<br />

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