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Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...

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Denkmalforschung<br />

Südfassade des Weberhauses nach den Rekonstruktionen von August Brandes, bez. 1904; Tempera (Staatliche Kunstsammlungen Augsburg)<br />

den Industrialisierung konnten die Weber mit den modernen<br />

Manufakturen nicht mehr konkurrieren, sodass es 1863 zur<br />

Auflösung ihrer Zunft und zum Verkauf des Gebäudes kam.<br />

Die Fassadenmalereien und ihre Bedeutung<br />

1544 hatte Clemens Jäger im Auftrag des Zunftmeisters<br />

und siebenfachen Bürgermeisters Mang Seitz im Zeichen<br />

von Stolz und Selbstverständnis eine eigene Zunftchronik<br />

verfasst, deren Inhalt sich u. a. auf den ein halbes Jahrhundert<br />

später realisierten Außenfresken widerspiegelte – wenn<br />

auch das „Goldene Jahrhundert“ der Weber bereits der Vergangenheit<br />

angehörte.<br />

Bis auf die an weitere Gebäude angrenzende Nordseite und<br />

das Parterre freskierte Kager alle Flächen des dreigeschossigen<br />

satteldachbekrönten Hauses mit figürlichen Szenen<br />

in einer Scheinarchitektur. Die zur Moritzkirche gerichtete<br />

Traufseite weist Darstellungen auf zwei horizontalen Ebenen<br />

auf: Im obersten Stockwerk lagen über den drei mittleren<br />

Butzenfenstern, hinter denen sich die Zunftstube befand, auf<br />

den beiden seitlichen Fensterstürzen die Personifikationen<br />

von Roma und Tiber; über dem hervorgehobenen zentralen<br />

Fenster saß die kapitolinische Wölfin. Die drei Figuren<br />

standen sinnbildlich für den Ursprung Roms und die Stadtgründung<br />

Augsburgs unter Kaiser Augustus – ein Verweis<br />

auf das ehrwürdige Alter, die Tradition und den damals<br />

zeitgenössischen Status einer nur dem Kaiser unterstellten<br />

Reichsstadt mit ihren Rechten und Privilegien. Die Malereien<br />

links und rechts im zweiten Obergeschoss spielten auf den<br />

Mythos der Römerin Lucrezia an, die mit ihrem Selbstmord<br />

das Ende der römischen Monarchie (510 v. Chr.) und gleichzeitig<br />

den Beginn der altrömischen Republik einleitete. Auch<br />

in der Zunftchronik fand die Legende ihren Niederschlag<br />

und wurde dort gar mit dem Beginn der Zunftregierung<br />

gleichgesetzt. Lucrezia steht im Kreise ihrer webenden und<br />

spinnenden Dienerinnen (links) und wartet auf die Ankunft<br />

ihres Mannes (rechts). Damit wird abermals auf den „republikanisch-selbstverwaltenden“<br />

bzw. reichsstädtischen Status<br />

und auf das schon lange bestehende Weberhandwerk verwiesen.<br />

Die vier Einzelfiguren (Ton-in-Ton-Malerei) zwischen<br />

den Fenstern im ersten Obergeschoss symbolisierten<br />

die vier antiken Weltreiche Babylon, Persien, Griechenland<br />

und das Imperium Romanum. Mit der Kaiserkrönung Karls<br />

des Großen im Jahre 800 wurde in der damaligen Vorstellung<br />

das nicht mehr existierende antike Imperium im Abendland<br />

durch Gottes Gnaden auf ihn und seine Nachfolger übertragen,<br />

da nach der biblischen Prophezeiung Daniels mit dem<br />

Ende des vierten Reiches die Welt untergehen werde (Dan.<br />

7). Eine im Raum vor der Zunftstube angebrachte Inschrift<br />

mit dem doppelköpfigen Reichsadler des Heiligen Römischen<br />

Reiches Deutscher Nation von 1601 korrespondiert mit den<br />

Malereien: „Das Römisch Reich war hochgeert. … Dan es<br />

drey starke reich zerstert. … Und kam den deitschen in die<br />

hent. Die habens in mit schwerdts gewalt. Got las in guetem<br />

werden alt.“ Die drei die Geschosse überlappenden Bildfelder<br />

beziehen sich konkret auf die Funktion des Weberhauses<br />

bzw. den Tuchhandel. Im linken Quadrat erwirbt ein Vene-<br />

Weberhaus mit der Fassadenmalerei von 1959–61 von Otto Michael<br />

Schmitt (Foto: Markus Prummer)<br />

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