Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...
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Aktuell<br />
Stern- und Blütenmotive sowie Perlenschnur- und Flechtbandelemente<br />
und Diamantierungen überreich verziert.<br />
Mit den unterschiedlichen Nutzungen und Stilepochen erfuhr<br />
das Rathaus zahlreiche Umbauten: 1749 erhielt es, wahrscheinlich<br />
infolge von witterungsbedingten<br />
Substanzschäden, eine vorgeblendete,<br />
massive Westwand mit geohrten Sandsteingewänden.<br />
Den Fachwerkaufsatz<br />
verputzte man flächig, um einen massiven<br />
Steinbau vorzugeben und versah die<br />
Fenster ebenfalls mit geohrten Holzrahmungen.<br />
Nach Aktenlage erhielten die<br />
Innenräume moderne Türen und das<br />
Dach eine neue Biberschwanzdeckung.<br />
Für das 20. Jahrhundert sind mehrere<br />
Sanierungen nachgewiesen: 1926 installierte<br />
man einen sogenannten russischen<br />
Kamin und vergrößerte die Amtsstube.<br />
1934 legte man das verputzte Fachwerk<br />
wieder frei, um diese als typisch völkisch<br />
empfundene Konstruktion zu zeigen.<br />
Zwei Jahre später ließ die Verwaltung<br />
das Obergeschoss in kleine Büroräume<br />
unterteilen. Die Gemeinde fügte 1965<br />
einen Erweiterungsbau im Norden an,<br />
dem bedauerlicherweise zwei Gaden weichen mussten. In<br />
diesem Zusammenhang wurde auch die bis dahin erhaltene<br />
Schwarzküche im Obergeschoss entfernt. 1971 erfolgte eine<br />
grundlegende statische Sanierung des Dachwerks.<br />
An der Ostfassade des Rathauses ist das<br />
Gochsheimer Wappen eingelassen, das einen<br />
Adler über zinnenbewehrter Mauer darstellt<br />
(Foto: BLfD, Eberhard Lantz 2012)<br />
Befunduntersuchung und Restaurierung<br />
Nachdem die Rathausverwaltung 2001 ein neues Gebäude<br />
bezogen hatte, konnten zur Vorbereitung der notwendigen<br />
Renovierung des Historischen Rathauses sorgfältige Untersuchungen<br />
vorgenommen werden. Der aus Gochsheim<br />
stammende Kirchenmaler und Restaurator Harald Spitzner<br />
erarbeitete eine bauhistorische Analyse und erfasste im<br />
Obergeschoss den Bestand mit vielfältigen Um- und Einbauten.<br />
Zahlreiche Befunde gaben Aufschluss über die frühere<br />
Ausgestaltung der Ratssäle: An der Westwand ließen<br />
sich ursprünglich breit gelagerte Fenster nachweisen, die<br />
1749 verkleinert wurden. Eine aufgemalte Scheinarchitektur<br />
rahmte die Renaissancefenster, Pfeiler mit Gesims und<br />
Kugelaufsatz flankierten die Öffnungen,<br />
in Voluten auslaufende Flechtbänder<br />
begleiteten die segmentbogigen<br />
Stürze. Die Fachwerkwand zur Geheimen<br />
Ratsstube wurde mit einer dünnen<br />
Putzhaut überzogen, auf der die Hölzer<br />
nochmals in Rot mit einem schwarzen<br />
Begleitstrich aufgemalt waren. Möglicherweise<br />
diente die Putzschicht der<br />
Schall isolierung, da sich in der Geheimen<br />
Ratsstube die politischen Würdenträger<br />
zur Beratung trafen. Bereits eine<br />
Generation später erhielten die Räume<br />
eine zweite, aufwendigere Fassung, die<br />
durch die mehrmals angebrachte Jahreszahl<br />
„1599“ datiert ist. Während die<br />
Fensterstürze mit Blättern und Rüben<br />
dekoriert wurden, prangt vom zentralen<br />
Gefach über dem Haupteingang<br />
eine große runde Zwiebel, flankiert<br />
von je zwei saftigen gelben Rüben.<br />
Darüber steht die Jahreszahl „1599“, die auch auf einem<br />
Feld der Fachwerkwand zur Geheimen Ratsstube überliefert<br />
ist. Auf demselben Gefach sind die Initialen „SIH“ sowie<br />
ein Tonkrug und ein schwarzer Hahn abgebildet. Bezüge zu<br />
den Grafen von Henneberg konnten bisher nicht hergestellt<br />
werden; diese tragen zwar ebenfalls einen schwarzen Hahn<br />
in ihrem Wappen, aber von 1575 bis 1649 stand das Dorf<br />
unter der Herrschaft der Würzburger Fürstbischöfe. Es ist<br />
vielmehr zu vermuten, dass das für einen Ratssaal ungewöhnliche<br />
Bildprogramm auf die Landwirtschaft Bezug<br />
nimmt, die den zentralen ökonomischen Faktor für das vor<br />
den Toren der Freien Reichsstadt Schweinfurt gelegene Dorf<br />
darstellte. Zugehörig zu diesen beiden ersten Fassungssystemen<br />
belegt die Untersuchung eine ungewöhnlich bunte<br />
Der Große Ratssaal nach Abschluss der Restaurierung in dem wiedergewonnenen<br />
Erscheinungsbild der Renaissance (Foto: BLfD, Eberhard<br />
Lantz 2012)<br />
Die zentrale Stütze des Großen Ratssaales war farbenfroh mit Bleimennige<br />
gefasst, im Hintergrund die Fachwerkwand zum Geheimen Ratssaal und<br />
die Fensterumrahmung der Bauzeit (Foto: BLfD, Eberhard Lantz 2012)<br />
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