Denkmalpflege Informationen Nr. 155 (Juli 2013) - Bayerisches ...
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Aktuell<br />
Junges Gemüse und schräge Vögel<br />
Zur Restaurierung des Historischen Rathauses von 1561 in Gochsheim<br />
Fünf Kilometer südöstlich von Schweinfurt liegt Gochsheim<br />
im fruchtbaren Schwemmland des Mains. Bereits<br />
seit dem Mittelalter spielten der Feld- und Gemüseanbau in<br />
der Region eine große wirtschaftliche Rolle. Das 796 erstmals<br />
urkundlich erwähnte Krongut erhielt in der Folge den<br />
Status eines Freien Reichsdorfs und war bis zur Eingliederung<br />
in das Kurfürstentum Bayern 1802 unmittelbar dem<br />
Kaiser des Heiligen Römischen Reichs unterstellt. Dadurch<br />
genoss die Ortschaft zahlreiche Privilegien: Ihre Bewohner<br />
zahlten lediglich Reichssteuern und waren weder von Leibeigenschaft<br />
noch von Frondiensten betroffen. Die Dorfgemeinschaft<br />
übte die niedere Gerichtsbarkeit aus und wählte<br />
als Bürgermeister einen Reichsschultheiß. 1561 erneuerte<br />
der Untervogt Hermann Hartlaub die bestehende Dorfordnung,<br />
und in das gleiche Jahr datiert der Rathausneubau. Im<br />
Vorfeld der jüngsten Renovierung kamen in den Ratssälen<br />
überraschende Befunde zutage, die im Folgenden vorgestellt<br />
werden.<br />
Historisches Rathaus: Geschichte und Bau<br />
Schon an der Architektur des Rathauses spiegelt sich<br />
deutlich das Repräsentationsbedürfnis des reichsunmittelbaren<br />
Dorfes. Der zweigeschossige Satteldachbau steht<br />
leicht versetzt vor dem Tor der mittelalterlichen Gadenanlage.<br />
Gleichzeitig bildet der Bau mit seiner reich verzierten<br />
Trauffassade den nördlichen Abschluss des zentralen<br />
Dorfplatzes. Auf dieser, in Gochsheim traditionell „Plan“<br />
genannten ebenen Fläche fanden alljährlich rechtliche Präsentationen<br />
und Kirchweihfeste statt. Hier liegen auch die<br />
drei rundbogigen Zugänge mit vorgelagerten Freitreppen.<br />
Drei zu sechs Fensterachsen gliedern das Gebäude. Das<br />
Erdgeschoss ist massiv aus Bruchsteinen mit einer Eck-<br />
Gochsheim, Lkr. Schweinfurt. Der Urkataster von 1833 zeigt das Rathaus<br />
südlich der Kirchgaden und als nördlichen Abschluss des zentralen Dorfplatzes,<br />
der seit alters her „Plan“ genannt wird (Kartengrundlage: Bayerische<br />
Vermessungsverwaltung)<br />
Das frisch renovierte Rathaus von Südwesten mit dem Tor der Gadenanlage;<br />
der massive Westgiebel war ursprünglich als Fachwerk konstruiert<br />
und erhielt erst 1741 eine Vormauerung (Foto: BLfD, Eberhard Lantz,<br />
2012)<br />
quaderung und Sandsteingewänden an Türen und Fenstern<br />
errichtet. An der Ostwand ist das Gochsheimer Wappen<br />
eingelassen, das einen Adler über einer zinnenbewehrten<br />
Mauer zeigt. Darunter sind die Initialen des Untervogts<br />
„HHV“ sowie die Jahreszahl „1561“ eingemeißelt. Weitere<br />
Inschriften an den Gewänden dokumentieren die Bauherren<br />
und ausführenden Handwerker. Das Obergeschoss und<br />
die Giebel sind als Fachwerkaufsatz mit Zierfassaden konstruiert.<br />
Als Besonderheit finden sich zwischen den beiden<br />
östlichen Fenstern der Südfassade zwei hochovale Öffnungen,<br />
deren Nutzung bis heute nicht abschließend geklärt ist.<br />
Die Holzrahmen, bauzeitlich in das Fachwerk eingesetzt,<br />
dienten möglicherweise als Ausguck oder zum Präsentieren<br />
von Gegenständen.<br />
Das Erdgeschoss nahm im Lauf der Jahrhunderte unterschiedlichste<br />
Nutzungen auf. Der Rat verwahrte hier die<br />
Gochsheimer Eichmaße und vermietete die Räume zeitweise<br />
an Handwerker und Händler. Für das 19. Jahrhundert<br />
sind ein Schulsaal und eine Lehrerwohnung, später ein<br />
Krankenspital belegt. Im 20. Jahrhundert waren hier die<br />
Poststelle und die Gemeindekasse untergebracht. Das Obergeschoss<br />
war dagegen immer der Gemeindeverwaltung vorbehalten.<br />
Eine Treppe in der Südostecke mündete in einen<br />
Vorplatz mit den erwähnten hochovalen Öffnungen. In dem<br />
ursprünglich dreischiffig angelegten Stockwerk befanden<br />
sich der Große und der Geheime Ratssaal und eine angeschlossene<br />
Küche. Beide Säle waren mit umlaufenden Holzbänken<br />
ausgestattet, der Geheime Ratssaal zusätzlich mit<br />
einem Regalbrett. Ein weiteres Zimmer diente möglicherweise<br />
als Archiv oder Amtsstube des Reichsschultheißen.<br />
Den Großen Ratssaal dominierte eine zentrale, reich mit<br />
Schiffskehlen und Kanneluren profilierte Stütze mit eingehälstem<br />
Sattelholz und Unterzug. Alle Holzbauteile waren<br />
ebenso wie die Bohlen-Balkendecke durch eingeschnitzte<br />
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