Festivalkatalog - FilmPolska
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Kamerakunst<br />
→ Am Anfang kam Bewegung in das Bild. Dinge und Menschen erwachten, wurden auf eine Reise geschickt<br />
und gemeinsam mit ihnen die Zuschauer. Es rollte ein Zug, es strömten Arbeiter aus einer Fabrik,<br />
später bewegte sich auch die Kamera selbst. So begann die Geschichte des Kinos, dessen Wesen im<br />
bewegten Bild begründet liegt. Die visuelle Erzählung erst gibt dem Film seine Gestalt. Seit acht Jahren<br />
widmet filmPOLSKA der polnischen Kinematografie eine eigene kleine Reihe: Sławomir Idziak, Bogdan<br />
Dziworski, Artur Reinhardt und Paweł Edelman sind nur einige der großen Kamerameister, die mit ihren Filmen<br />
bereits zu Gast waren. In diesem Jahr präsentiert das Festival mit drei herausragenden, international<br />
renommierten Kameraautoren zugleich auch ein Phänomen: das der Kameramann-Familie Sobociński.<br />
Wir freuen uns sehr, einen der wichtigsten polnischen Director of Photography, Witold Sobociński, und<br />
seinen Enkel, den Regisseur und Kameramann Piotr Sobociński jr. bei filmPOLSKA begrüßen zu dürfen. Sie<br />
werden jeweils eigene Filme sowie ein Werk des 2001 verstorbenen Piotr Sobociński, des Sohnes und des<br />
Vaters, vorstellen.<br />
Witold Sobociński<br />
(*1929 in Ozorków) studierte Kamera an der berühmten Filmhochschule in Łódź. Obwohl der erste von<br />
ihm fotografierte Spielfilm, Jerzy Skolimowskis Hände Hoch/Ręce do góry, von der polnischen Zensurbehörde<br />
verboten und erst 1981 uraufgeführt wurde, war er der Grundstein für eine beispiellose Karriere<br />
als Kameramann. Witold Sobociński führte die Kamera in fast dreißig Spielfilmen. Er hat mit Regisseuren<br />
wie Andrzej Wajda (Alles zu verkaufen/Wszystko na sprzedaż, Die Hochzeit/Wesele, Das Gelobte Land/<br />
Ziemia Obiecana), Krzysztof Zanussi (Haus der Frauen, Życie rodzinne, Wege in der Nacht), Wojciech Jerzy<br />
Has (Sanatorium pod klepsydrą/Das Sanatorium zur Todesanzeige), Andrzej Żuławski (Trzecia część nocy/<br />
Ein Drittel der Nacht), Roman Polański (Die Piraten, Frantic), Jerzy Skolimowski (The Adventures of Gerard,<br />
Torrents of Spring) und vielen anderen gearbeitet. Witold Sobociński unterrichtet bis heute im Studiengang<br />
Kamera an der Filmhochschule Łódź.<br />
Piotr Sobociński<br />
(*1958 in Łódź, † 2001 in Vancouver, Kanada) war der Sohn von Witold Sobociński. Er stand bei mehr<br />
als dreißig Filmen hinter der Kamera, u.a. für Trapped/24 Stunden Angst (R: Luis Mandoki), Angel Eyes (R:<br />
Luis Mandoki), Hearts in Atlantis (R: Scott Hicks), Twilight/Im Zwielicht (R: Robert Benton), Marvin´s Room/<br />
Marvins Töchter (R: Jerry Zaks), Ransom/Kopfgeld (R: Ron Howard), Die Wildnis (R: Werner Masten), La<br />
Settima Stanza (R: Marta Meszaros), Bal na dworcu w Koluszkach (R: Filip Bajon), Szczurołap (R: Andrzej<br />
Czarnecki). Bekannt wurde Piotr Sobociński durch die lange Zusammenarbeit mit Krzysztof Kieślowski,<br />
für den er zwei Filme der Dekalog-Reihe sowie Drei Farben: Rot drehte. 1995 wurde er für Drei Farben:<br />
Rot für den Oscar (Beste Kamera) nominiert. Während der Dreharbeiten zu dem Film Trapped starb Piotr<br />
Sobociński unerwartet im Alter von nur 43 Jahren.<br />
Piotr Sobociński jr.<br />
(*1983 in Łódź) absolvierte seine Ausbildung an der renommierten Filmhochschule in Łódź. Er ist der<br />
jüngste Spross der berühmten Familie der Kameramänner. Seit 2007 drehte er mehrere Spiel- und Werbefilme.<br />
Piotr Sobociński fotografierte u.a. Filme von Wojciech Smarzowski (Róża/Rosa, Układ zamknięty),<br />
Urszula Antoniak (Strefa nagości/Nude Area), Ryszard Bugajski (Bez tajemnic), Wiesław Saniewski (Wygrany).<br />
Davor sammelte er berufliche Erfahrungen als Kameraschwenker bei Kamerameistern wie Krzysztof<br />
Ptak (Edi, Dom zły/Haus der Finisternis), Arthur Reinhardt (Wenecja) und Wojciech Staroń (Plac Zbawiciela).<br />
Sanatorium pod klepsydrą<br />
Das Sanatorium zur Todesanzeige<br />
PL 1973; 119 min; DCP; OmeU; R: Wojciech Jerzy Has; K: Witold Sobociński; M: Jerzy Maksymiuk; S: Janina<br />
Niedźwiecka; D: Jan Nowicki, Tadeusz Kondrat, Irena Orska, Gustaw Holubek u.a.<br />
Joseph reist in ein Sanatorium, wo sein kürzlich verstorbener Vater aufgebahrt ist.<br />
Der Zug führt ihn an einen Ort zwischen Leben und Tod, in ein Labyrinth aus Raum<br />
und Zeit, in dem er sich ähnlich wie Kafkas Helden aus Das Schloss oder Der Prozess<br />
verliert. Sanatorium pod klepsydrą ist eine waghalsige Verfilmung des gleichnamigen<br />
Erzählbandes von Bruno Schulz. Den philosophischen Kern des Films bilden die Kluft<br />
zwischen individueller und kollektiver Erinnerung und die Wahrnehmung des Todes.<br />
Vor dem Hintergrund des Holocausts, zu dessen Opfern auch Bruno Schulz gehört,<br />
ist Josephs Übernahme der Rolle des Eisenbahners am Ende des Films eine erschütternde<br />
Metapher. Die überbordende Phantasie der meisterhaft gestalteten Bilder und<br />
die surreale Erzählweise gewährten dem hoffnungslosen und melancholischen Werk<br />
von Wojciech Has Einlass in den Pantheon der Filmgeschichte.<br />
Wojciech Jerzy Has (*1925 in Kraków, † 2000 in Łódź) schuf Filme, die heute zu<br />
Klassikern des Weltkinos zählen. Zu seinen berühmtesten Werken zählen Die Handschrift<br />
von Saragossa nach Jan Potocki aus dem Jahr 1965 mit Zbigniew Cybulski,<br />
Das Sanatorium zur Todesanzeige aus dem Jahr 1973 sowie Die Puppe nach Bolesław<br />
Prus aus dem Jahr 1969. Wojciech Jerzy Has unterrichtete jahrelang an der Filmhochschule<br />
in Łódź und prägte mehrere Generationen polnischer Filmemacher.<br />
19.04. Fr 19:30 Uhr Kino Arsenal Gast: Witold Sobociński<br />
SANATORIUM POD KLEPSYDRĄ<br />
Wesele / Die Hochzeit<br />
PL 1973, 106 min, DCP; OmeU; R: Andrzej<br />
Wajda; B: Andrzej Kijowski (nach einem Drama<br />
von Stanisław Wyspiański); K: Witold Sobociński;<br />
D: Daniel Olbrychski, Ewa Zietek, Małgorzata<br />
Lorentowicz, Barbara Wrzesińska, Andrzej<br />
Łapicki, Wojciech Pszoniak, Marek Perepeczko,<br />
Maja Komorowska, Franciszek Pieczka, Marek<br />
Walczewski, Emilia Krakowska u.a.<br />
Man schreibt das Jahr 1900. Ein Dichter<br />
heiratet die Tochter eines Bauern.<br />
Eine Hochzeit wird gefeiert, bei der<br />
sich Vertreter aller Gesellschaftsschichten<br />
versammeln: Adlige, Intellektuelle,<br />
Gutsbesitzer, Bauern, Geistliche,<br />
jüdische Bürger. Aus dem Aufeinandertreffen<br />
dieser unterschiedlichen<br />
Charaktere schält sich Dank einer<br />
symbolgewaltigen Filmsprache das<br />
Bild der damaligen polnischen Gesellschaft<br />
heraus, die zwar für nationale<br />
Unabhängigkeit kämpft, aber innerlich<br />
zerstritten ist. Mittels demaskierender<br />
Schärfe, Ironie, gar satirischem<br />
Humor setzt sich Wajda mit nationalen<br />
Mythen auseinander. Für dieses in<br />
atemberaubendem Tempo inszenierte<br />
Meisterwerk leistete Witold Sobocińskis<br />
Kamera einen wesentlichen Beitrag für<br />
die Dynamik und Spannung des Geschehens.<br />
Andrzej Wajda (*1926 in Suwałki) ist<br />
Film- und Theaterregisseur, Drehbuchautor,<br />
Bühnenbildner. Wajda gilt als<br />
Mitbegründer der „polnischen Filmschule“.<br />
Mit seinem zweiten Film Der<br />
Kanal gelang ihm der internationale<br />
Durchbruch (Spezialpreis der Jury<br />
bei den Filmfestspielen von Cannes,<br />
1957). Vier seiner Filme waren für<br />
den Oscar nominiert. Wajdas Lebenswerk<br />
wurde u.a. in Venedig mit dem<br />
Goldenen Löwen (1998), dem Felix<br />
(1990), dem Goldenen Ehrenbären<br />
(2006) sowie dem Oscar (2000) gewürdigt.<br />
22.04. Mo 19:30 Uhr Kino Arsenal<br />
Gast: Witold Sobociński<br />
Kamerakunst<br />
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