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Ein Kanal nach<br />

Panama<br />

Der neue roman des spaniers Juan Gabriel Vásquez<br />

„Die geheime Geschichte costaguanas“ ist ein Epos über<br />

Lateinamerika, das Ängste und sehnsüchte gleicher-<br />

maßen nährt.<br />

Von Harald Loch / Taunus Zeitung<br />

Lateinamerika ist voller Literatur und voller<br />

Geschichte. Der kolumbianische Autor Juan<br />

Gabriel Vásquez, hierzulande bekannt durch<br />

seinen erfolgreichen Roman „Die Informanten“,<br />

nähert sich seinem Land und der vor über hundert<br />

Jahren abgespaltenen und selbständig gewordenen Provinz<br />

Panama auf einem Umweg: Sein Held José Altamirano<br />

wird zum Stichwortgeber für Joseph Conrad und<br />

dessen Roman „Nostromo“, der 1904 erschien, ein Jahr,<br />

nachdem Panama mit Hilfe der Vereinigten Staaten seine<br />

Sezession von Kolumbien abgeschlossen hatte.<br />

Erschließung der Welt<br />

Die USA wollten an dieser schmalsten Stelle Lateinamerikas<br />

einen Kanal bauen, nachdem die Franzosen schon<br />

Jahrzehnte vorher daran gescheitert waren. Entstanden<br />

ist eine ehrende Erinnerung an den Abenteuerroman<br />

und eine tiefe Verbeugung vor Joseph Conrad. Vásquez<br />

hat sich schon lange mit dessen Literatur und Leben beschäftigt,<br />

eine Biografie über Conrad geschrieben. Mit<br />

ihm verbinden sich noch andere Linien: Der Vater von<br />

Joseph Conrad hatte seinerzeit Victor Hugo ins Polnische<br />

übersetzt, Vásquez denselben Autor ins Spanische.<br />

José Altamirano, Protagonist seines über Jahrzehnte<br />

spielenden Panama-Romans, verliebt sich in Charlotte,<br />

die junge „Kanalwitwe“ eines französischen Ingenieurs,<br />

eines der zahllosen Opfer des gescheiterten ersten Versuchs,<br />

den Isthmus von Panama zu durchstechen. Mit<br />

ihr hat er die Tochter Eloísa, die er als Siebzehnjährige<br />

zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung Panamas<br />

in dem neuen Staat zurücklässt. Sie gehört nach Ansicht<br />

ihres Vaters dorthin, sie ist dort geboren. Er selbst geht<br />

resigniert nach London und trifft dort Joseph Conrad<br />

und inspiriert ihn – so die erzählte Geschichte – zu dessen<br />

Roman „Nostromo“, der in dem erfundenen mittel-<br />

F ü r S i e G e L e S e n<br />

amerikanischen Land Costaguana spielt.<br />

Conrads Leben wird ausschnittweise zwischen die<br />

Abenteuer um den Kanalbau eingeschoben. Beide Stränge<br />

bewegen sich – nicht etwa geradlinig – aufeinander<br />

zu. Auch die Chronologie ist vielfach gebrochen, so dass<br />

der Roman bei aller Leichtigkeit der Erzählung die volle<br />

Aufmerksamkeit des Lesers verlangt und verdient.<br />

Weltenpanorama<br />

Das mörderische Lateinamerika, die allgegenwärtige<br />

Korruption, die Käuflichkeit der Presse, die Rolle fundamentalistischer<br />

Bischöfe und der sich abwechselnde Imperialismus<br />

Frankreichs und der Vereinigen Staaten formen<br />

eine Gesellschaft, in der alle menschlichen Größen<br />

und Schwächen wie im Vergrößerungsglas erscheinen.<br />

Das Exotische, auch das Absurde kommen bei Vásquez<br />

zu seinem literarischen Recht. Er schreibt das aus<br />

gleichsam kongenialer Entfernung – er lebt mit seiner<br />

Frau und zwei Töchtern in Barcelona – voller kritischer<br />

Empathie für eine Lebensart, die in uns Sehnsüchte und<br />

Ängste heraufbeschwört. Als Leser verschluckt man sich<br />

leicht am Fernweh nach Costaguana und lässt sich stattdessen<br />

lieber blendend unterhalten – wie von Joseph<br />

Conrad.<br />

Juan Gabriel Vásquez:<br />

„Die geheime Geschichte costaguanas“.<br />

schöffling, Frankfurt. 336 s., 22,95 Euro.<br />

Juan Gabriel Vásquez. Foto: dpa<br />

Louise 12 / 2011 | 57

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