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Maturaprüfung 2009 Vorlage A - Fachschaft Psychologie/Pädagogik

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MATURA- UND DIPLOMPRÜFUNGEN <strong>2009</strong><br />

FACH : PSYCHOLOGIE / PÄDAGOGIK (EF)<br />

Serie A <br />

Bitte bearbeite alle drei gestellten Aufgaben in aufsatzmässiger Form. Halte dich dabei an die jeweiligen<br />

Vorgaben. Du hast drei Stunden Zeit. Es sind insgesamt 50 Punkte erreichbar.<br />

1. Wieder mehr Mut zu „echter“ Erziehung? (25 Pkte.)<br />

Das 20. Jahrhundert war pädagogisch gesehen ein Jahrhundert der Extreme. Dem streng autoritären<br />

Erziehungsstil folgte nach den 68ern antiautoritäre Erziehung. Heute gibt es keinen Konsens mehr<br />

darüber, wie man Kinder erzieht. Fatale Folge: Viele Eltern sind verunsichert, haben Skrupel, klare<br />

Regeln vorzugeben und Grenzen zu ziehen und leiden gleichzeitig darunter, dass ihnen die Kinder<br />

auf der Nase herumtanzen und dass diese „ziel- und führungslos durchs Land irren“. Moderne<br />

Erziehung ist zur Nicht-Erziehung mit Beliebigkeitscharakter verkommen, junge Menschen werden<br />

nicht mehr erzogen, sondern wachsen einfach gleichsam „irgendwie“ auf.<br />

Bernhard Bueb (siehe Foto!), langjähriger Schulleiter der Internatsschule Salem am Bodensee und<br />

Vater von zwei Töchtern, schreibt in seinem provozierenden und engagierten<br />

Beststeller-Buch „Lob der Disziplin“ der Disziplin, der Kontrolle und der Autorität<br />

eine zentrale Rolle bei der Kindererziehung zu. Aufgrund seiner pädagogischen<br />

(praktischen) Lebenserfahrungen ortet er Disziplin und Autorität als<br />

Voraussetzungen für Glück und Freiheit. Nur wer gelernt hat, Zwang auszuhalten,<br />

Verzicht zu üben, Autoritäten anzuerkennen, Triebe zu unterdrücken, den eigenen<br />

Willen zu unterdrücken und soziale Verantwortung zu übernehmen, kann später,<br />

so Bueb, sein Leben selbstbestimmend in die Hand nehmen. „Deutschlands<br />

strengster Lehrer“ („Bild-Zeitung“) ist zum Beispiel gegen Schülermitbestimmung<br />

und für „mechanisch verhängte Strafen“ (wer schwänzt, muss nachsitzen,<br />

am besten am Samstag), für obligatorische soziale Dienste und ebenso für Abenteuer-Ferien mit<br />

spärlicher Ausrüstung in einsamer Landschaft. Strenge stärkt, Ordnung heilt und Disziplin steigert<br />

die Leistung. Geradezu leidenschaftlich tritt Buob vielleicht doch etwas überraschenderweise für<br />

die Aufwertung des Spiels als zentralem Medium der Erziehung ein.<br />

Die pädagogischen, auch gesellschafts- und kulturkritischen Thesen Buob’s wurden und werden in<br />

den neuesten Ausgaben renommierter pädagogischer Zeitschriften ausführlich diskutiert und kommentiert.<br />

Bisher ist es aber der wissenschaftlichen Seite nicht wirklich gelungen, einen ähnlich<br />

praxisnahen Bestseller wie Bueb zu landen, der wissenschaftlichen Ansprüchen genügt hätte.<br />

(Aus: Buob, B.: Lob der Disziplin. Klappentext. List-Verlag 2006 [modifiziert])<br />

Bitte betrachte auf dem Hintergrund dieses Textes die Erziehung als gesellschaftliches Phänomen. Bei<br />

der Bearbeitung dieser ersten Prüfungsaufgabe solltest du folglich<br />

• zuerst definitionsartig zu klären versuchen, was pädagogische (erzieherische) Qualität in unserem<br />

schweizerischen Verständnis überhaupt sein könnte und welche Aspekte pädagogischer Qualität<br />

bei der (immer noch anstehenden) Formulierung eines pädagogischen Qualitätsbegriffs entscheidend<br />

sein dürften (bitte zähle mindestens 6 verschiedene, wichtige Qualitätsaspekte auf und<br />

kommentiere diese kurz),<br />

(8 Pkte.)<br />

• dann die psychopädagogische „Logik“ des Buobschen Erziehungssystems, das auch etwa als „Ka-<br />

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KOLLEGIUM SPIRITUS SANCTUS<br />

MATURA- UND DIPLOMPRÜFUNGEN <strong>2009</strong><br />

FACH : PSYCHOLOGIE / PÄDAGOGIK (EF)<br />

Serie A <br />

• sernenhofpädagogik“ bezeichnet wurde, kritisch anleuchten, indem du zu Fragen a) der Strafe, b)<br />

des Erziehungsstils, c) der Hinführung zu innerer Freiheit durch äusseren Zwang und d) durch<br />

Abstützung einer Pädagogik durch Praxiserfahrungen (anstatt durch wissenschaftliche Arbeit) begründet<br />

Stellung beziehst,<br />

(8 Pkte.)<br />

• danach aufgrund unserer unterrichtlichen Arbeit über die Reformpädagogik begründet „spekulieren“,<br />

wie Bernhard Buob damals, als ehemaliger Assistent des Reformpädagogen Hartmut von<br />

Hentig, vor mehr als dreissig Jahren zu Begriffen wie „Autorität“, „Kontrolle“, „Disziplin“ und<br />

„Zwang“ voraussichtlich gehandelt und geschrieben hätte,<br />

(4 Pkte.)<br />

• schliesslich eine kurze, fachlich begründete (zusammenfassende) Stellungnahme zum dir jetzt bekannten<br />

Inhalt des Buches „Lob der Disziplin“ von Bernhard Buob verfassen, indem du fünf<br />

ausgewählte Gedanken Buobs unterstützest und/oder in Frage stellst.<br />

(5 Pkte.)<br />

2. Stellungnahme zu vorgegebenen Thesen/Behauptungen (12 Pkte.)<br />

Nimm bitte kritisch Stellung zu den folgenden 12 Behauptungen. Begründe jedes Mal deine Position<br />

und ergänze – falls nötig – mit der richtigen (zutreffenden) Antwort und mit Beispielen.<br />

a) „Erwachsen werden ist ein gefühlter Vorgang und hat somit nichts mit objektiven Kriterien zu<br />

tun.“<br />

b) „Wenn die kleine Nathalie nach dem Umschütten von Wasser behauptet, im hohen, langen Gefäss<br />

wäre nun mehr Wasser als vorher im niedrigen Gefäss mit grossem Durchmesser, dann befindet<br />

sich Nathalie - laut Piaget - in der konkret-operationalen Phase ihrer Denkentwicklung.“<br />

c) „Die Barbiepuppe ist nicht kindgemäss.“<br />

d) „Depressive Menschen sind Schwarzseher.“<br />

e) „Pädagogische Utopien haben zwar unter Umständen einen gewissen Unterhaltungswert, für den<br />

Pädagogen und die Pädagogik bringen sie aber wenig bis nichts Substantielles.“<br />

f) „’Rapid cycling’ bedeutet: Manische und depressive Symptome wechseln sich rasch nacheinander<br />

ab.“<br />

g) „Selbstverletzendes Verhalten ist eine Vorstufe des Suizids.“<br />

h) „Piercen oder Tätowieren können Formen von Selbstverletzendem Verhalten sein.“<br />

i) „Der Placebo-Effekt lässt sich mit Hilfe der Theorie der instrumentellen Konditionierung erklären.“<br />

j) „Der Konstruktivismus stellt das Bewusstheitsparadigma ins Zentrum.“<br />

k) „Im Tiefschlaf kann man wirkungsvoll Fakten (Namen, Daten, Fremdsprachen, Ereignisse usw.)<br />

lernen.“<br />

l) „Ein Verhalten wird dann am schnellsten und effektivsten aufgebaut/verändert, wenn man es<br />

belohnt (oder verstärkt bzw. wenn man ihm positive Konsequenzen folgen lässt).“<br />

3. Erkenntnisgewinnung in <strong>Psychologie</strong> und Pädagogik (13 Pkte.)<br />

In der psychologischen und pädagogischen Forschung werden heute zahlreiche unterschiedliche Methoden<br />

der Erkenntnisgewinnung eingesetzt. Bitte<br />

• definiere zunächst den Begriff wissenschaftliche Methode und beschreibe den (wechselseitigen)<br />

Zusammenhang zwischen Methode und Untersuchungsergebnis,<br />

(6 Pkte.)<br />

• zähle dann – für die geistes- und die erfahrungswissenschaftliche Methodengruppe – je zwei wichtige<br />

Datengewinnungsmethoden auf und charakterisiere diese jeweils kurz,<br />

(2 Pkte.)<br />

• umschreibe anschliessend die vier zentralen Aufgaben (oder Ziele) der empirischen bzw. erfahrungswissenschaftlichen<br />

<strong>Psychologie</strong>/Pädagogik,<br />

(2 Pkte.)<br />

• erläutere zum Schluss anhand der drei klassischen Gütekriterien, wie in empirischen Arbeiten der<br />

<strong>Psychologie</strong> und Pädagogik Qualität bestimmt (oder gemessen) wird.<br />

(3 Pkte.)<br />

Ich wünsche dir viel Erfolg!<br />

E n d e<br />

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