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Unakkusative Verben – Unergative Verben

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Fachbereich: Linguistik 08.07.2003<br />

Proseminar: Argumentstruktur, SoSe 2003<br />

Dozentin: Katarina Klein<br />

Referentinnen: Katja Keßelmeier, Jeyaprabha Thiageswaran<br />

<strong>Unakkusative</strong> <strong>Verben</strong> <strong>–</strong> <strong>Unergative</strong> <strong>Verben</strong><br />

Unakkusativ-Hypothese: Perlmutter 1978 1<br />

Es gibt oberflächlich intransitive <strong>Verben</strong> (die sogenannten unakkusativen <strong>Verben</strong>), die<br />

zugrundeliegend ein Objekt, aber kein Subjekt haben, während andere (die sog.<br />

unergativen <strong>Verben</strong>) zugrundeliegend ein Subjekt, aber kein Objekt haben.<br />

Wöllstein-Leisten:<br />

Zentrale Frage:<br />

Ergative <strong>Verben</strong><br />

Wenn ein Verb zwei strukturelle Argumente in seiner Argumentstruktur aufweist, was<br />

gibt dann den Ausschlag dafür, welches Argument den Nominativ und welches den<br />

Akkusativ trägt?<br />

- Im Lexikoneintrag von jedem Verb ist festgelegt, welches Element Subjekt ist<br />

- Dieses Element wird als designiertes Argument bezeichnet und unterstrichen<br />

dargestellt<br />

- Nicht jedes Argument, das den Nominativ trägt, ist designiert (also stellt sich<br />

auch bei <strong>Verben</strong>, bei denen nur ein strukturelles Argument zur Verfügung steht,<br />

die wichtige Frage, ob dieses Argument designiert ist oder nicht)<br />

Transitive <strong>Verben</strong><br />

- typ. zwei strukturelle<br />

Argumente (ein<br />

designiertes und ein nichtdesigniertes<br />

Argument)<br />

[ARG1, ARG2]<br />

<strong>Unergative</strong> <strong>Verben</strong><br />

- typ. nur ein strukturelles<br />

Argument (designiert)<br />

[ARG1]<br />

1<br />

Intransitive <strong>Verben</strong><br />

<strong>Unakkusative</strong>/ergative<br />

<strong>Verben</strong><br />

- typ. ein strukturelles<br />

Argument (nichtdesigniert)<br />

[ARG1]<br />

1<br />

Perlmutter, David M. (1978): Impersonal passives and the unaccusative hypothesis. Berkeley<br />

Linguistics Society 4; 157-189.<br />

Fachbereich: Linguistik 08.07.2003<br />

Proseminar: Argumentstruktur, SoSe 2003<br />

Dozentin: Katarina Klein<br />

Referentinnen: Katja Keßelmeier, Jeyaprabha Thiageswaran<br />

ohne DAT:<br />

besuchen, holen, einladen<br />

mit DAT:<br />

geben, schenken, gönnen<br />

ohne DAT:<br />

arbeiten, schlafen, blühen<br />

mit DAT:<br />

zustimmen, zuhören,<br />

helfen<br />

2<br />

ohne DAT:<br />

ankommen, verblühen,<br />

wachsen, fallen, ertrinken,<br />

ersticken, entstehen,<br />

verwelken<br />

mit DAT:<br />

unterliegen, unterlaufen,<br />

auffallen, gelingen,<br />

passieren, zustoßen,<br />

einfallen<br />

� Grundgedanke: das Subjekt ergativer <strong>Verben</strong> hat mehr mit dem Objekt<br />

transitiver <strong>Verben</strong> gemeinsam (beide nicht-designiert) als mit den Subjekten<br />

transitiver und intransitiver <strong>Verben</strong> (diese sind designiert).<br />

Passivbildung bei den oben genannten Verbklassen:<br />

nur <strong>Verben</strong>, die ein designiertes Argument haben, können passiviert werden:<br />

Transitive <strong>Verben</strong>:<br />

- Passivbildung mit Kasuskonversion (AKK >> NOM) ist möglich<br />

Er hat das Buch gelesen. � Das Buch wurde gelesen.<br />

<strong>Unergative</strong> <strong>Verben</strong> ohne DAT:<br />

- nur unpersönliche Passivbildung möglich<br />

Er hat gehustet � Es wurde gehustet.<br />

<strong>Unergative</strong> <strong>Verben</strong> mit DAT:<br />

- Dative werden von der Kasuskonversion im Passiv nicht erfasst<br />

Er hat ihm geholfen. � Ihm wurde geholfen.<br />

Ergative <strong>Verben</strong>:<br />

- Keine Passivbildung möglich<br />

Er ist verwelkt. � *Es wurde verwelkt.<br />

Tests auf Ergativität:<br />

1. Perfektbildung mit sein<br />

Ergative <strong>Verben</strong> bilden ihr Perfekt mit sein.<br />

a. Sie ist geflohen.


Fachbereich: Linguistik 08.07.2003<br />

Proseminar: Argumentstruktur, SoSe 2003<br />

Dozentin: Katarina Klein<br />

Referentinnen: Katja Keßelmeier, Jeyaprabha Thiageswaran<br />

b. Er ist gewachsen.<br />

c. Der Stein ist in die Schlucht gestürzt.<br />

Transitive/unergative <strong>Verben</strong> bilden ihr Perfekt mit haben.<br />

a. Sie haben getanzt. (unergativ)<br />

b. Sie hat ihn fotografiert. (transitiv)<br />

Ausnahme:<br />

Diese <strong>Verben</strong> bilden ihr Perfekt mit sein, auch wenn sie transitiv sind.<br />

a. Er ist die Arbeit durchgegangen.<br />

b. Er ist den Bund für das Leben eingegangen.<br />

2. Attributiv gebrauchtes Perfektpartizip mit Subjektbezug<br />

kann sich nur auf das nicht-designierte Argument eines Verbs beziehen (also<br />

nur bei ergativen möglich)<br />

a. Dem Hans ist ein Fehler unterlaufen.<br />

� *der unterlaufene Hans<br />

� der unterlaufene Fehler<br />

b. Die Blume ist verwelkt.<br />

� die verwelkte Blume<br />

Bei transitiven <strong>Verben</strong> ist nur ein Objektbezug möglich<br />

a. Maria hat dem Studenten das Buch gegeben.<br />

� *die gegebene Maria<br />

� *der gegebene Student<br />

� das gegebene Buch<br />

Bei unergativen <strong>Verben</strong> ist weder ein Subjekt- noch ein Objektbezug möglich<br />

Der Student hat gearbeitet<br />

� *der gearbeitete Student<br />

3. Unpersönliches Passiv<br />

Unpersönliches Passiv ist bei ergativen <strong>Verben</strong> im Prinzip nicht möglich, weil kein<br />

designiertes Argument vorhanden ist.<br />

a. Sie haben getanzt/gearbeitet/geschrien/geschlafen (unergativ)<br />

� Es wurde getanzt/gearbeitet/geschrien/geschlafen<br />

3<br />

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b. Sie sind gewachsen/gefallen/eingeschlafen (ergativ)<br />

� Es wurde *gewachsen/*gefallen/*eingeschlafen<br />

Eine Ausnahmeklasse bilden aber die Bewegungsverben:<br />

Sie sind angekommen/gerannt/gelaufen/gesprungen/geschwommen/gestorben<br />

� Es wurde ?angekommen/gerannt/gelaufen/gesprungen/geschwommen/<br />

?gestorben<br />

4. Direktional - und Resultativprädikation<br />

Direktionale und resultative Prädikation beziehen sich immer auf das direkte Objekt<br />

oder auf das ergative Subjekt (= das nicht-designierte Argument).<br />

Ergative <strong>Verben</strong>:<br />

a. Peter stürzt den Baum ins Wasser.<br />

b. Der Baum stürzt ins Wasser.<br />

Die Sätze a. und b. haben dieselbe Aussage, denn in beiden Fällen ist der Baum im<br />

Wasser, in a. stürzt das direkte Objekt der Baum ins Wasser, in b. das ergative<br />

Subjekt.<br />

a. Die Sonne schmilzt den Schnee zu Wasser.<br />

b. Der Schnee schmilzt zu Wasser.<br />

In a. wird das direkte Objekt Schnee zu Wasser, in b. das ergative Subjekt.<br />

a. Peter hämmert das Blech flach.<br />

b. *Das Blech hämmert flach.<br />

c. *Peter hämmert flach.<br />

In a. bezieht sich flach auf das direkte Objekt Blech. In b. wäre Blech ergatives<br />

Subjekt, aber hämmern ist kein ergatives Verb, deshalb ist der Satz ungrammatisch.<br />

C. ist ungrammatisch, da kein nicht-designiertes Argument vorhanden ist, auf das<br />

sich flach beziehen könnte.<br />

5. -er- Nominalisierung<br />

Mit dem <strong>–</strong>er- Suffix kann man vom Verb ein Substantiv ableiten, welches das Agens<br />

benennen kann. Das Agens muss das designierte Argument sein, welches es aber bei<br />

ergativen <strong>Verben</strong> nicht geben kann. Deshalb ist Agens-Suffigierung bei ergativen<br />

<strong>Verben</strong> nicht möglich.<br />

4


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a. Arbeiter/Tänzer/Schläfer/Denker/Helfer/Diener (unergativ)<br />

b. *Ankommer/*Wachser/*Faller/*Einschläfer/*Ersticker/*Unterlieger<br />

(ergativ)<br />

Auch hier bilden Bewegungsverben eine Ausnahme:<br />

c. Läufer/Steher/Schwimmer<br />

Zu erwähnen ist noch, dass die Auxiliarselektion in gewisser Weise mit der<br />

Argumentstruktur zusammenhängt. Es gibt nämlich auch transitive <strong>Verben</strong> mit nichttransitiver<br />

Variante:<br />

Diese werden so wie die ergativen <strong>Verben</strong> mit sein gebildet. Deshalb ist das Verb in<br />

dieser Variante auch ein ergatives Verb.<br />

a. Die Sonne hat den Schnee geschmolzen.<br />

� Der Schnee ist geschmolzen.<br />

b. Hans hat das Glas zerbrochen.<br />

� Das Glas ist zerbrochen.<br />

Dowty 2<br />

Dowty geht grundsätzlich von den Protorollen Agens und Patiens aus, die er auf<br />

einem Kontinuum/einer Skala ansiedelt und anhand dessen er Subjekt und Objekt<br />

des Verbs festmacht. Die Partizipanten von unergativen <strong>Verben</strong> haben mehr Proto-<br />

Agens-Eigenschaften und sind daher Subjekte; die Partizipanten von unakkusativen<br />

<strong>Verben</strong> haben mehr Proto-Patiens-Eigenschaften und sind daher (tiefenstrukturell)<br />

Objekte.<br />

Unter semantischen Gesichtspunkten ist wichtig, dass sich die Subjektspartizipanten<br />

von unakkusativen und unergativen <strong>Verben</strong> in bestimmter Weise unterscheiden:<br />

Intransitive <strong>Verben</strong>, die absichtliches Involviertsein eines Partizipanten ausdrücken,<br />

sind unergativ. Intransitive <strong>Verben</strong>, die für einen Partizipanten einen<br />

Zustandswechsel implizieren oder die nicht unabhängig von dem Verbereignis<br />

existieren, sind unakkusativ.<br />

2 Dowty (1991: 605ff.)<br />

5<br />

Fachbereich: Linguistik 08.07.2003<br />

Proseminar: Argumentstruktur, SoSe 2003<br />

Dozentin: Katarina Klein<br />

Referentinnen: Katja Keßelmeier, Jeyaprabha Thiageswaran<br />

Die aspektuellen Eigenschaften (Telizität und die Agentivität), die zur<br />

Unterscheidung der unakkusativen von den unergativen <strong>Verben</strong> dienen, werden hier<br />

tabellarisch dargestellt.<br />

Agentivisch<br />

Nicht-Agentivisch<br />

Atelisch Telisch<br />

1<br />

unergativ<br />

3<br />

6<br />

2<br />

4<br />

unakkusativ/ergativ<br />

Es gibt hier zwei verschiedene Perspektiven:<br />

- in Hinblick auf Agenshaftigkeit sind 1 und 2 unergativ und 3 und 4 unakkusativ<br />

- unter Berücksichtigung der Telizität sind 1 und 3 unergativ und 2 und 4 unakkusativ<br />

- viel Agenshaftigkeit und wenig Patienshaftikeit � unergativ<br />

- wenig Agenshaftikeit und viel Patienshaftigkeit � unakkusativ/ergativ<br />

Grimshaw 3<br />

� sieht die Hauptunterscheidung von unakkusativen und unergativen <strong>Verben</strong> -<br />

ausgehend von der Prominenztheorie - bei externen und internen Argumenten<br />

� ein externes Argument muss maximale Prominenz in beiden Dimensionen<br />

(thematisch- und aspektorientiert) haben<br />

� die unakkusativen/ergativen <strong>Verben</strong> haben kein externes Argument, denn das<br />

Thema kann nie als das prominenteste Argument gezählt werden, auch wenn<br />

man kein anderes Argument hat, das prominenter ist<br />

� wenn ein ergatives Verb nur ein Argument hat, was verhindert es, das<br />

prominenteste Argument in beiden Richtungen zu sein, d.h. wie wird die<br />

Prominenz bestimmt?<br />

� warum ein Thema nicht als externes Argument gezählt werden kann: Grimshaw<br />

bezieht sich auf die Ereignisstruktur und legt folgendes fest:<br />

event structure<br />

actvitiy state/change of state<br />

3 Grimshaw (1990: 38-43).


Fachbereich: Linguistik 08.07.2003<br />

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Dozentin: Katarina Klein<br />

Referentinnen: Katja Keßelmeier, Jeyaprabha Thiageswaran<br />

- bezüglich der Ereignisstruktur sieht Grimshaw eine Verbindung zwischen<br />

unergativen <strong>Verben</strong> und activity-<strong>Verben</strong> einerseits und unakkusativen/ergativen<br />

<strong>Verben</strong> und „State/change of State-<strong>Verben</strong>“ andererseits<br />

- das Argument von unergativen <strong>Verben</strong> zählt als externes, das der ergativen<br />

<strong>Verben</strong> als internes Argument<br />

� Ist die NP bei einem unakkusativen Verb als Subjekt oder Objekt zu betrachten<br />

(tiefenstrukturell)?<br />

� Was oberflächlich/syntaktisch als Subjekt erscheint, ist tiefenstrukturell ein<br />

Objekt und nicht nur ein internes Argument.<br />

1. weil ein internes Argument laut Definition innerhalb einer VP erscheinen muss<br />

(man kann nicht ein unakkusatives Verb haben mit einem (tiefenstrukturellen)<br />

Subjekt aber ohne externes Argument)<br />

2. weil wenn das Argument von einem unakkusativen Verb regiert wird, kann es<br />

nicht Subjekt sein, sondern muss Objekt sein<br />

� Repräsentation der Prominenz der Argumente:<br />

<strong>Unakkusative</strong>s Verb: ((x))Thema<br />

<strong>Unergative</strong>s Verb: (x)Thema<br />

Literaturangaben:<br />

Dowty (1991): Language Jounal of the linguistic Society of America ed. by Sarah<br />

Crey Thomason, vol. 67, Baltimore, Waverly Press lmtd; 605-614.<br />

Grimshaw, Jane (1990): Argument Structure. London, The MIT Press Cambridge<br />

Mass.; 38-43.<br />

Perlmutter, David M. (1978): Impersonal passives and the unaccusative hypothesis.<br />

Berkeley Linguistics Society 4; 157-189.<br />

Wöllstein-Leisten, Angelika (1997): Deutsche Satzstruktur: Grundlagen der<br />

syntaktischen Analyse. Tübingen: Stauffenburg Verlag; 95-105.<br />

7

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