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Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft<br />
3.2010<br />
65. Jahrgang // 11.1.2010 // Seiten 65 – 128<br />
www.betriebs-berater.de<br />
// DIE ERSTE SEITE<br />
Prof. Dr. Rüdiger von Rosen<br />
Globale Finanzmarktsteuer<br />
// WIRTSCHAFTSRECHT<br />
Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M.<br />
Aufsichtsratsveranwortlichkeit für die Vorstandsvergütung<br />
und Unabhängigkeit der Vergütungsberater 67<br />
Prof. Dr. Peter Kindler<br />
Keine Geltung des Ortsstatuts für Geschäftsanteilsabtretungen<br />
im Ausland 74<br />
BGH: Zum Anspruch des Destinatärs auf Stiftungsleistungen<br />
BB-Kommentar von Dr. K. Jan Schiffer, RA 77<br />
OLG München: Keine Durchführung einer ordentlichen<br />
Kapitalerhöhung als „Bis-zu-Kapitalerhöhung“ in Tranchen<br />
BB-Kommentar von Dr. Roland Maaß, LL.M., RA, und<br />
Dr. Axel Beranek, RA 80<br />
// STEUERRECHT<br />
Dr. Oliver Mensching und Dr. Marco Tyarks<br />
Grunderwerbsteuerliche Einführung einer Konzernklausel<br />
durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz 87<br />
Christof Letzgus, RA/StB<br />
Krisenentschärfung durch Wachstumsbeschleunigung –<br />
Sanierungslücke Forderungsverzicht? 92<br />
Dr. Marcus Helios, RA/StB, und Moritz Philipp<br />
Besteuerung von Optionsgeschäften im Abgeltungsteuersystem<br />
95<br />
Verlag Recht und Wirtschaft<br />
I<br />
Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster: Anerkennung<br />
von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen<br />
BB-Kommentar von Christian Schulze Grotthof, RA 101<br />
// BILANZRECHT & BETRIEBSWIRTSCHAFT<br />
Karl Gadesmann und Kai Johannsen<br />
Vorbereitung auf eine DPR-Stichprobenprüfung<br />
aus der Sicht eines Emittenten 107<br />
OLG Frankfurt: Fehlender Prognosebericht ist trotz Finanzkrise<br />
im Enforcementverfahren zu beanstandender Fehler<br />
BB-Kommentar von Thorsten Dzulko, WP 111<br />
// ARBEITSRECHT<br />
Dr. Stefan Simon, RA, und Heike Weninger, RAin<br />
Betriebsübergang und Gesamtrechtsnachfolge:<br />
Kein Widerspruch – keine Unterrichtung? 117<br />
Dr. Thomas Kühn, RA<br />
Rauchfreier Arbeitsplatz? Zur Beschäftigung von<br />
Arbeitnehmern in Raucherräumen 120<br />
BAG: Zustimmungsersetzung – Vereinbarung über<br />
die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats<br />
BB-Kommentar von Christian Sperber, RA 124<br />
// BERUFSPRAXIS: BERUFSRECHT<br />
Im Blickpunkt: Vereinbare Tätigkeiten für Steuerberater<br />
VI<br />
Noch mehr kommentierte<br />
Rechtsprechung
Entscheidungen // Steuerrecht<br />
Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster · Anerkennung von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen<br />
Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster:<br />
Anerkennung von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen<br />
Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster, Verfügung vom<br />
12.8.2009 – S 2770 – 1015 – St 131 (Rhld.)/S 2770 – 249 – St 13 – 33 (Ms)<br />
Volltext der Verfügung: // BB-ONLINE BBL2010-101-1<br />
unter www.betriebs-berater.de<br />
Nach § 17 S. 2 Nr. 2 KStG kann ein Organschaftsverhältnis zu einer Kapitalgesellschaft<br />
in der Rechtsform einer GmbH nur anerkannt werden, wenn eine<br />
Verlustübernahme entsprechend den Voraussetzungen des § 302 AktG vereinbart<br />
wird. Diese ausdrückliche Vereinbarung ist nach ständiger BFH-<br />
Rechtsprechung ungeachtet dessen erforderlich, dass § 302 AktG im GmbH-<br />
Konzern analog auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gelten soll. An dieser<br />
Rechtsauffassung hat der BFH in jüngster Vergangenheit mit Nachdruck festgehalten.<br />
Siehe hierzu die Urteile vom 22.2.2006 – I R 73/05, GmbHR 2006,<br />
890, vom 22.2.2006 – I R /74/05, DStR 2006, 1224, vom 16.6.2005 – IV R 76/06<br />
(n.v.) und vom 17.6.2008 – IV R 88/05, BFH/NV 2008, 1705.<br />
Mithin muss der Gewinnabführungsvertrag (GAV) entsprechend R 66<br />
Abs. 3 S. 2 und 3 KStR<br />
– entweder allgemein auf die Geltung sämtlicher Absätze des § 302 AktG<br />
verweisen (es reicht aus, wenn die Verpflichtung zur Verlustübernahme<br />
– ohne jegliche Einschränkung – „entsprechend den Regelungen des<br />
§ 302 AktG“ vereinbart wird)<br />
oder<br />
– den Wortlaut der Vorschrift des § 302 AktG wörtlich übernehmen.<br />
Bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen handelt es sich um<br />
Unternehmensverträge i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG, die aus der Sicht objektiver<br />
Dritter auszulegen sind. Nicht allgemein erkennbare Umstände außerhalb<br />
der zum Handelsregister eingereichten Unterlagen, wie z.B. Vorentwürfe,<br />
können dabei nicht berücksichtigt werden (BFH vom 25.11.2007 –<br />
I R 94/06, DStR 2008, 1913, vgl. dazu BB 2008, 2606 m. Anm. Hölzerkopf).<br />
Fehlt es an einer Vereinbarung entsprechend § 302 AktG, ist eine Heilung<br />
des GAV mit Rückwirkung, z.B. im Wege einer deklaratorischen Ergänzung,<br />
nicht möglich. Da Ergänzungen dieser Art konstitutiven Charakter<br />
haben, kann das Organschaftsverhältnis frühestens ab dem Jahr der Wirksamkeit<br />
(HR-Eintragung) die Ergänzungsvereinbarung unter den allgemeinen<br />
Voraussetzungen des § 14 KStG anerkannt werden. Hierbei ist insbesondere<br />
zu beachten, dass die fünfjährige Mindestvertragslaufzeit nach<br />
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG, gerechnet ab dem ersten Jahr der tatsächlichen<br />
Anerkennung des Organschaftsverhältnisses, erfüllt sein muss.<br />
Im Zusammenhang mit dem o.g. Allgemeinverweis ist die Frage aufgeworfen<br />
worden, ob folgende vertragliche Regelung einen wirksamen Allgemeinverweis<br />
auf § 302 AktG i.o.S. darstellt:<br />
„Die ,. .GmbH verpflichtet sich, entsprechend § 302 AktG jeden während<br />
der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag der … GmbH<br />
auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den<br />
freien Gewinnrücklagern Beträge entnommen werden, die während der<br />
Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.“<br />
Nach bundeseinheitlich abgestimmter Rechtsauffassung stellt die o.a. vertragliche<br />
Regelung keine steuerlich anzuerkennende Verlustübernahmevereinbarungi.S.<br />
v.§ 17S. 2Nr. 2KStGdar,dadieVertragspartnerhierimErgebnisnureineVerlustübernahme<br />
i.S. v.§ 302Abs. 1AktGvereinbarthaben.<br />
Zwar wird im einleitenden Satzteil § 302 AktG in Gänze erwähnt, allerdings<br />
ist dieser Satzteil sprachlich und inhaltlich nur im Gesamtzusammenhang<br />
,<br />
des nachfolgenden Satzteils verständlich. Dieser nachfolgende Satzteil beinhaltet<br />
jedoch nur eine wörtliche Wiedergabe des Regelungsinhalts von<br />
§ 302 Abs. 1 AktG. Sollte hingegen die gesamte Geltung von § 302 AktG<br />
vereinbart werden (also insbesondere auch Abs. 3 und – ab 1.1.2006 –<br />
Abs. 4), hätte es einer nachfolgenden Wiederholung des Regelungsinhalts<br />
von § 302 Abs. 1 AktG nicht mehr bedurft, vielmehr bestimmt der zweite<br />
Satzteil den Umfang, in dem es zu einer entsprechenden Anwendung von<br />
§ 302 AktG kommen soll: Auf der Basis dieser Sichtweise fehlt es an einer<br />
wirksamen Vereinbarung gemäß § 302 Abs. 3 AktG.<br />
Bei nach dem 1.1.2006 abgeschlossenen Verträgen fehlt zudem eine wirksame<br />
Vereinbarung von § 302 Abs. 4 AktG (siehe hierzu BMF-Schreiben<br />
vom 16.12.2005 – IV B 7 – S 2770 – 30/05, BStBl. I 2006, 12).<br />
Ich bitte, in entsprechenden Fällen das körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche<br />
Organschaftsverhältnis nicht anzuerkennen. Einzelfälle,<br />
in denen die Anerkennungsfähigkeit einer abweichenden vertraglichen<br />
Vereinbarung zweifelhaft ist, bitte ich mit der OFD abzustimmen.<br />
Erstmalig vorgelegte GAV bitte ich insbesondere diesbezüglich zeitnah zu<br />
überprüfen. Sofern danach die steuerrechtliche Anerkennung der Organschaft<br />
fraglich erscheint, ist zwischen den für Organträger und Organgesellschaft<br />
zuständigen Finanzämtern eine Abstimmung sowie ein Einvernehmen<br />
herbeizuführen.<br />
// BB-Kommentarn<br />
Christian Schulze Grotthoff, RA, RöverBrönner<br />
GmbH & Co. KG, Berlin<br />
„Anerkennung von ertragsteuerlichen<br />
Organschaftsverhältnissen“<br />
Problem Ein Organschaftsverhältnis zu einer Kapitalgesellschaft in<br />
der Rechtsform der GmbH wird steuerlich nur anerkannt, wenn im zugrunde<br />
liegenden Ergebnisabführungsvertrag (EAV) eine Verlustübernahme<br />
entsprechend § 302 AktG vereinbart ist. Zivilrechtlich ist § 302<br />
AktG, der nicht direkt für Kapitalgesellschaften in Form der GmbH gilt,<br />
auch ohne ausdrückliche Vereinbarung analog auf diese anzuwenden<br />
(vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht,<br />
5. Auflage 2008, § 302, Rn. 25 m.w.N.). Dessen ungeachtet ist<br />
die ausdrückliche Vereinbarung der entsprechenden Anwendung des<br />
§ 302 AktG nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die steuerliche<br />
Anerkennung einer Organschaft aufgrund von § 17 S. 2 Nr. 2 KStG erforderlich<br />
(zuletzt Beschluss vom 17.6.2008 – IV R 88/05, BFH/NV<br />
2008, 1705 m.w.N.; vgl. aber FG Köln, 13.5.2009 – 13 K 4779/04, DB<br />
2009, 2016). Neben der Vereinbarung der Verlustübernahme gemäß<br />
§ 302 Abs. 1 AktG muss der Verweis auch § 302 Abs. 3, 4 AktG umfassen<br />
(kritisch Walter, in: Ernst & Young, KStG, Februar 2008, § 17,<br />
Rn. 12). In einem vor dem 1.1.2006 abgeschlossenen EAV wird der fehlende<br />
Verweis auf den damals neu eingefügten § 302 Abs. 4 AktG von<br />
der Finanzverwaltung nicht beanstandet (BMF, 16.12.2005 – IV B 7 – S<br />
2770 – 30/05, BStBl. I 2006, 12).<br />
Betriebs-Berater // BB 3.2010 // 11.1.2010 101
Steuerrecht // Entscheidungen<br />
Schulze Grotthoff · BB-Kommentar<br />
Soweit in einem EAV auf § 302 AktG verwiesen wird, reicht es aus, wenn<br />
die Verpflichtung zur Verlustübernahme – ohne jegliche Einschränkung –<br />
„entsprechend den Regelungen des § 302 AktG“ vereinbart wird (R 66<br />
Abs. 3 KStR 2004; Witt/Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, Oktober<br />
2004, § 17, Rn. 25).<br />
Verwaltungsanweisung der OFD Rheinland und Münster Die Finanzverwaltung<br />
beabsichtigt nunmehr – nach bundeseinheitlich abgestimmter<br />
Rechtsauffassung – ertragsteuerliche Organschaftsverhältnisse<br />
mit einer GmbH als Organgesellschaft nicht mehr anzuerkennen, wenn<br />
im zugrunde liegenden EAV folgende Vertragsklausel verwendet wird:<br />
„Die A-GmbH verpflichtet sich, entsprechend § 302 AktG jeden während<br />
der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag der B-GmbH<br />
auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den<br />
freien Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der<br />
Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.“<br />
Die bemängelte und in der Praxis nicht seltene Vertragsklausel erweist sich<br />
nachAuffassungderFinanzverwaltungalsproblematisch,dazwarallgemein<br />
auf § 302 AktG verwiesen wird, sich der nachfolgende Wortlaut aber an<br />
§ 302 Abs. 1 AktG orientiert. Insofern werde im einleitenden Satzteil zwar<br />
§ 302 AktG in Gänze erwähnt. Bei der Auslegung einer entsprechenden vertraglichen<br />
Vereinbarung müsse aber berücksichtigt werden, dass der erste<br />
Satzteil nur im Gesamtzusammenhang des nachfolgenden Satzteils sprachlich<br />
und inhaltlich verständlich sei. Der nachfolgende Satzteil beinhalte jedoch<br />
nur die wörtliche Wiedergabe des Regelungsinhalts von § 302 Abs. 1<br />
AktG. Einer solchen inhaltlich beschränkten Wiedergabe des Wortlauts von<br />
§ 302 AktG bedürfe es gerade nicht, wenn die gesamte Geltung von § 302<br />
AktG vereinbart werden solle. Die Wiedergabe des Wortlauts von Abs. 1<br />
schränke daher den Verweis dergestalt ein, dass von ihm nur § 302 Abs. 1<br />
AktGerfasstwerde.<br />
Praxisfolgen Aus der Ansicht der Finanzverwaltung folgt, dass in einem<br />
EAV mit einer entsprechenden Formulierung kein Verweis auf<br />
§ 302 Abs. 3 und Abs. 4 AktG enthalten ist. Ein solcher EAV erfüllt demnach<br />
folgerichtig nicht die Voraussetzungen, die von der Rechtsprechung<br />
des BFH an einen Ergebnisabführungsvertrag für die Anerkennung<br />
einer steuerlichen Organschaft gestellt werden. Dies gilt nicht nur<br />
für Neuverträge, sondern auch für Altverträge.<br />
Für den Fall der Nichtanerkennung, die sog. „verunglückte Organschaft“, ist<br />
dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaft steuerlich nicht zuzurechnen.<br />
Die Organgesellschaft ist selbst zur Körperschaft- und Gewerbesteuerzuveranlagen.BereitserfolgteGewinnabführungensindalsverdeckte<br />
Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger, die § 8b<br />
Abs. 1 KStG bzw. § 3 Nr. 40 EStG unterliegen, bereits erfolgte Verlustübernahmenals<br />
verdeckteEinlagendes Organträgersindie Organgesellschaft zu<br />
qualifizieren(Neumann,in:Gosch,KStG,2.Auflage2009,§ 14Rn. 540ff.).Verdeckte<br />
Einlagen führen zu nachträglichen Anschaffungskosten des OrganträgersaufdieBeteiligunganderOrgangesellschaftundsindaufdemsteuerlichen<br />
Einlagekonto (§ 27 KStG) zu erfassen. Zu den weiteren Auswirkungen<br />
der Nichtanerkennung gehört auch, dass kein einheitlicher Betrieb im RahmenderZinsschrankevorliegt(§<br />
15Satz1Nr. 3KStG).<br />
Die Finanzverwaltung stützt ihre Ansicht allein auf die Auslegung der<br />
begutachteten Vertragsklausel. Dem von der Finanzverwaltung gefundenen<br />
Auslegungsergebnis kann m.E. jedoch nicht zugestimmt werden.<br />
Bei einem EAV handelt es sich um einen Unternehmensvertrag i.S.d.<br />
§ 291 Abs. 1 AktG. Unternehmensverträge sind nach ganz herrschender<br />
Ansicht als sog. Organisationsverträge zu qualifizieren (Hüffer, Aktiengesetz,<br />
8. Aufl. 2008, § 291, Rn. 17). In Bezug auf Regelungen dieser Verträge,<br />
die die innere Organisationsstruktur der Gesellschaft sowie Rechte<br />
und Pflichten der Gesellschafter bestimmen, gelten dabei die Grundsätze<br />
der „objektivierten Auslegung“ (Altmeppen, in: Münchener Kommentar<br />
Aktiengesetz, 2. Aufl. 2000, § 291, Rn. 33f.). Demnach kann die<br />
Auslegung nur nach objektiven Maßstäben unter Bezugnahme auf allgemein<br />
zugängliche Unterlagen vorgenommen, in erster Linie also auf<br />
den Wortlaut und Sinnzusammenhang der vertraglichen Regelungen<br />
gestützt werden. Auch der systematische Bezug einer Klausel zu anderen<br />
Regelungen und der erkennbare Zweck einer Regelung sind zu berücksichtigen<br />
(OLG München, 9.12.2008 – 31 Wx 106/08, BB 2009, 631;<br />
BGH, 11.10.1993 – II ZR 155/92, NJW 1994, 51).<br />
Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung geht aus dem Wortlaut der bemängelten<br />
Vertragsklausel jedoch keine Einschränkung des § 302 AktG hervor.<br />
Die Finanzverwaltung übersieht, dass bei der Auslegung über den Wortlaut<br />
des EAVs hinaus auf den Inhalt des § 302 AktG zurückgegriffen werden<br />
kann.Ausdiesemergibtsich,dassderzuübernehmendeVerlust,derin§ 302<br />
Abs. 1 AktG näher geregelt ist, auch Anknüpfungspunkt der Regelung über<br />
denVerzichtaufdenAusgleichsanspruchinAbs. 3 undderVerjährungsregelung<br />
in Abs. 4 ist. Ein Gegensatz zu den Absätzen 3 und 4 und damit ihr AusschlusskanndemWortlautdesAbs.<br />
1nichtentnommenwerden.DerFinanzverwaltung<br />
ist zwar zuzustimmen, dass eine redundante Wiedergabe des<br />
Abs. 1 nach einem allgemeinen Verweis auf § 302 Akt nicht notwendig ist.<br />
Ein zwingender Umkehrschluss, dass andere Abätze des § 302 AktG durch<br />
die Wiedergabe ausgeschlossenwerden sollen, drängt sich jedoch nicht auf.<br />
Schneider/Hinz(Ubg2009,738)weisenindiesemZusammenhangzutreffend<br />
daraufhin,dass–nachderArgumentationderFinanzverwaltung–derallgemeine<br />
Verweis auf § 302 AktG bei wörtlicher Wiedergabe des § 302 Abs. 1<br />
AktG gerade sinnlos wäre, wenn ihm keine eigenständige Bedeutung zukäme.<br />
Insofern stellt sich zu Recht die Frage, ob die enge Auslegung der Finanzverwaltung<br />
nicht sogar dem objektiven Sinn und Zweck der Verlustübernahmeverpflichtung<br />
widerspricht, da die ausdrückliche Verlustübernahmeverpflichtung<br />
unter Verweis auf § 302 AktG regelmäßig nur dazu<br />
dient, den steuerlichen Erfordernissen aus § 17 S. 2 Nr. 2 KStG Rechnung zu<br />
tragen (so Schneider/Hinz, Ubg 2009, 738). Eben darin besteht die eigenständige<br />
Bedeutung des allgemeinen Verweises auf § 302 AktG. Dies gilt insbesondere<br />
vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Rechtslage, nach der ein<br />
vertraglicher Ausschluss von § 302 AktG nicht möglich ist (vgl. Emmerich,<br />
a.a.O., § 302, Rn. 25). Die Finanzverwaltung nimmt m. E. sogar eine unzulässige<br />
Auslegung gegen den Wortlaut (BFH, 28.11.2007 – I R 94/06, DStRE<br />
2008,878,BB2008,2606m.Anm.Hölzerkopf)vor.<br />
Auch wenn die Finanzverwaltung daher mit einer übertrieben engen Auslegung<br />
unbegründet die Nichtanerkennung einer Vielzahl von ertragsteuerlichen<br />
Organschaftsverhältnissen betreibt, ist jedem dringend anzuraten,<br />
sich mit dem aus der Verfügung der Oberfinanzdirektionen Rheinland und<br />
Münstererwachsenen Risiko schnellstmöglichauseinanderzusetzen. Es wird<br />
sich regelmäßig empfehlen, betroffene EAVs zu ändern. Der geänderte EAV<br />
sollte eine (neue) Mindestlaufzeit von fünf Jahren vorsehen. Zivilrechtlich ist<br />
sicherzustellen, dass eine Vertragsänderung und nicht eine Aufhebung des<br />
Altvertrages mit anschließendem Neuabschluss vorgenommen wird. Die<br />
Kostenbelastung, die durch die notarielle Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses<br />
der Organgesellschaft und die Handelsregisteranmeldung des<br />
Ergebnisabführungsvertrages ausgelöst wird, erscheint gegenüber den erheblichen<br />
Folgen, die die Nichtanerkennung einer Organschaft auch in zukünftigenJahrenauslösenkann,vertretbar.<br />
102 Betriebs-Berater // BB 3.2010 // 11.1.2010