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6<br />

ALLTAG Mittwoch, 21. Januar 2009<br />

«Ich bin nicht cool, ich bin<br />

ein sehr emotionaler<br />

Mensch»<br />

Bild: Siggi Bucher


Mittwoch, 21. Januar 2009<br />

ALLTAG 7<br />

<strong>Bligg</strong> richtet den Blick<br />

nach vorne<br />

BLIGG Er ist der erfolgreichste Mundart-Rapper. Marco <strong>Bligg</strong>ensdorfer über sein Leben<br />

als Musiker und was für ihn wirklich zählt.<br />

VON GINGER HEBEL<br />

Die Mitarbeiter von Universal trinken<br />

eine Coke Zero in der Gemeinschaftsküche,<br />

über die Bildschirme<br />

flimmern die neusten MTV-Clips,<br />

und Rapper <strong>Bligg</strong> zieht genüsslich<br />

an einer Zigarette. Die weiten Jeans<br />

hängen ihm locker auf der Hüfte, er<br />

trägt Shirt und Lederjacke, den gestreiften<br />

Schal hat er lässig über die<br />

Schulter geworfen. Er kommt direkt<br />

aus Bern, wo er sich für seine<br />

Tournee vorbereitete. «Er rennt<br />

von Termin zu Termin, das Interesse<br />

ist riesig, aber wir bremsen<br />

schon, wenns zu viel wird», sagt<br />

sein Management.<br />

Das ist der Preis für den Erfolg.<br />

<strong>Bligg</strong>s neustes Album «0816» hat<br />

Platinstatus erreicht – und ging bereits<br />

mehr als 50 000-mal über den<br />

Ladentisch. «Ich merke es auf der<br />

Strasse, die Leute erkennen mich<br />

und sprechen mich öfter an», sagt<br />

der 32-Jährige. Vier Monate hat er<br />

seine Songs in den Zürcher Hitmill-<br />

Studios aufgenommen, isoliert, mit<br />

wenig Schlaf und viel Junkfood. Für<br />

die Tournee hat ihn sein Personaltrainer<br />

topfit getrimmt.<br />

<strong>Bligg</strong>, sein Künstlername, klingt<br />

unkompliziert und authentisch. So,<br />

wie er sich selber sieht.<br />

Kindheit in Schwamendingen<br />

Am 30. September 1976 wurde<br />

Marco <strong>Bligg</strong>ensdorfer alias <strong>Bligg</strong> in<br />

Schwamendingen geboren. Die<br />

Mutter Hausfrau, der Vater Maler<br />

auf dem Bau. Bescheidene Verhältnisse.<br />

«So was wie Skiferien in Davos<br />

oder Ferien am Meer gabs bei<br />

uns nicht», erinnert sich <strong>Bligg</strong>. Dafür<br />

Musik. Die lief im Hause <strong>Bligg</strong>ensdorfer<br />

Tag und Nacht. Mit sieben<br />

schenkten ihm die Eltern eine<br />

Gitarre, er war sofort angefixt.<br />

Marco ist das älteste von vier Geschwistern,<br />

der Bruder spielt heute<br />

in seiner Band. Als seine jüngste<br />

Schwester auf die Welt kam, zügelte<br />

die Familie aufs Land. Mittlerweile<br />

sind die Eltern geschieden.<br />

Nach der Realschule wurde <strong>Bligg</strong><br />

Sanitärinstallateur. Etwas Bodenständiges,<br />

Handfestes, sei eine gute<br />

Basis, egal, was kommt, dachte er<br />

sich.<br />

In der Freizeit traf er sich mit seinen<br />

Kumpels, spielte in dunklen<br />

Kellern, schrieb Songtexte und geriet<br />

immer mehr auf die Rap-Hiphop-Schiene.<br />

Mit 18 brachte er seinen<br />

ersten Song auf den Markt.<br />

«Ich habe mich damals immer gefragt,<br />

was ich mit dreissig wohl machen<br />

werde.»<br />

<strong>Bligg</strong> das Stehaufmännchen<br />

Heute ist er 32 und der erfolgreichste<br />

Mundart-Rapper. Fünf<br />

Solo-Alben sind seither erschienen.<br />

«Ich bin ein Workaholic, und ich<br />

möchte nichts anderes als Musiker<br />

sein.»<br />

Gekannt haben ihn bis anhin nur<br />

diejenigen, die sich<br />

für sein Genre interessieren.<br />

Mit seinem<br />

chansonähnlichen<br />

Ohrwurm «Rosalie»<br />

vergrösserte sich sein Bekanntheitsgrad<br />

schlagartig.<br />

Der Weg war steinig. «Ich musste<br />

mir vieles anhören, dass ich keine<br />

Chance hätte mit meiner Musik<br />

und das Feld räumen solle.» Aufgegeben<br />

hat er trotzdem nicht. Er ist<br />

ein Stehaufmännchen, weiss, dass<br />

Erfolg harte Arbeit ist und das<br />

Glück eine leichte Dirne, die nicht<br />

gerne am selben Ort weilt. «Ich mache<br />

mein Ding und bin froh, wenn<br />

andere ihr Ding machen.» Gegen<br />

die Ellbogenmentalität in seinem<br />

Business sträubt er sich.<br />

<strong>Bligg</strong> spricht fast so schnell wie<br />

er rappt, schier atemlos. Er hat ein<br />

gutes Selbstvertrauen, ohne abgehoben<br />

zu sein. «Ich habe gelernt,<br />

bescheiden zu leben, dieses Luxuszeugs<br />

bedeutet mir nichts.» Er<br />

wohnt alleine in einem 1-Zimmer-<br />

Appartement in Horgen, kocht und<br />

putzt selber. Jetzt sucht er allerdings<br />

nach einer grösseren Mietwohnung.<br />

Eigentum muss nicht<br />

sein. «Ich investiere mein Geld lieber<br />

in meine Band», sagt <strong>Bligg</strong>.<br />

Denn reich sei er trotz seinen<br />

Charthits noch nicht geworden.<br />

«Die Leute meinen das zwar, doch<br />

an meinem Erfolg verdienen sehr<br />

Das Porträt:<br />

<strong>Bligg</strong><br />

viele Menschen<br />

mit.»<br />

Er bleibt gegenüber<br />

seiner Arbeit<br />

selbstkritisch und<br />

denkt immer schon an morgen,<br />

wenn andere noch den Moment geniessen.<br />

«Wenn ich Scheisse baue,<br />

ist meine ganze Crew den Job los,<br />

ich trage eine grosse Verantwortung»,<br />

sagt <strong>Bligg</strong> und streicht sich<br />

über seinen markanten schwarzen<br />

Bart.<br />

Der Gedanke, bestehen zu müssen,<br />

die Kontinuität aufrechtzuerhalten,<br />

belastet ihn manchmal, weil<br />

er weiss, dass seine Entscheide<br />

richtig sein müssen. Jetzt, wo alle<br />

Augen auf ihn gerichtet sind, erst<br />

recht. «Um Erfolg zu haben,<br />

braucht es immer ein bisschen<br />

Glück und eine gute Intuition», ist<br />

Das Album «0816» von <strong>Bligg</strong> verkaufte sich innert zweieinhalb Monaten 50 000 Mal.<br />

er überzeugt. Diese bewies er, als er<br />

beschloss, in seinen Rapgesang<br />

auch volkstümliche Elemente einzubauen<br />

und den Song «Volksmusigg»<br />

schrieb. Damit traf er den Geschmack<br />

des breiten Publikums. Es<br />

sind jetzt nicht mehr nur junge Hiphopper<br />

in weiten Hosen, die seine<br />

Platten kaufen.<br />

<strong>Bligg</strong> ist auf der Bühne der Frontmann.<br />

Im Hintergrund aber arbeiten<br />

vierzehn Personen, Manager<br />

und Musiker. <strong>Bligg</strong> vergleicht den<br />

familiären Kleinbetrieb gerne mit<br />

einer Fussballmannschaft, in der<br />

oft die Fetzen fliegen, die aber immer<br />

zusammenhält und sich ergänzt.<br />

Die Bandkollegen sind auch<br />

privat seine besten Freunde. Wenn<br />

er nicht gerade im Tonstudio singt<br />

oder auf der Bühne schwitzt, dann<br />

trifft er seine Kumpels für gemütliche<br />

DVD-Abende oder geht schon<br />

mal auf eine Party, «was man eben<br />

so macht in der Freizeit».<br />

<strong>Bligg</strong> schreibt seine Texte selber,<br />

lustige, ironische, tieftraurige. Er<br />

reflektiert damit sein Innenleben,<br />

ohne ein Seelenstripper zu sein.<br />

«Ich will authentische Texte schreiben,<br />

dann verstehen mich die Leute<br />

und können sich ihr eigenes Bild<br />

von mir machen.» Vom coolen<br />

Rapper-Image distanziert er sich.<br />

«Das bin nicht ich, ich bin ein sehr<br />

emotionaler Mensch.» Dennoch:<br />

Wer mit seinen Texten Botschaften<br />

in die Welt hinausschickt, provoziert<br />

unweigerlich. «Es nervt mich,<br />

wenn mein Auftreten anders interpretiert<br />

wird und ich falsches Zeug<br />

über mich lese.»<br />

Er verarbeitet in seinen Songs<br />

Themen, die ihn beschäftigen. Die<br />

hohe Suizidrate bei Jugendlichen in<br />

der Schweiz beispielsweise. Für<br />

eine Kampagne des Schweizer<br />

Fernsehens schrieb er den Song<br />

«Gang nöd». Nachdem er bekifft<br />

hinterm Steuer erwischt wurde,<br />

entstand «Set ich nümme kiff»,<br />

später veröffentlichte er eine Liebeshymne<br />

an Moderatorin Susanne<br />

Wille und widmete seiner Mutter<br />

mit «Angela» ein eigenes Lied.<br />

Beruflich hat er erreicht, wovon<br />

er seit Jugendtagen geträumt hat –<br />

mit seiner Musik die Menschen berühren.<br />

Für sein privates Glück<br />

fehlt ihm noch die passende Frau.<br />

«Eine eigene Familie wäre mir<br />

wichtiger als eine Platin-CD», sagt<br />

er und wird fast ein bisschen melancholisch.<br />

Er ist ein Familienmensch.<br />

Einmal pro Monat besucht<br />

er seinen Grossvater im<br />

Schrebergarten und ist glücklich,<br />

wenn seine Eltern an seine Konzerte<br />

kommen und ihm zujubeln.<br />

Er weiss, dass sie hinter ihm stehen,<br />

egal, was er tut. Und dass er für sie<br />

früher einfach nur der Marco war<br />

und immer bleiben wird. <br />

@ www.bligg.ch

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