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Klinoskop 3/2010 - Klinikum Chemnitz

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76<br />

Formalin-Wasserdampf-Desinfektionsapparat nach Flügge<br />

zur Schlussdesinfektion von Räumen<br />

Aus der Medizinhistorischen Sammlung der <strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong> gGmbH<br />

Zeitgenössische Werbung für die „Desinfectionsausrüstung nach Prof. Flügge“. Repro: BASEG<br />

Nach seinem Erfinder wurde der Formalin-Wasserdampf-Desinfektionsapparatallgemein<br />

unter dem Begriff Flügge-Apparat<br />

bekannt. Professor Dr. med. Carl Flügge<br />

(1847-1923) war am Hygieneinstitut in<br />

Breslau tätig, später Direktor des Hygieneinstituts<br />

in Berlin und dann Dozent an der<br />

Universität Göttingen.<br />

Mikroorganismen werden<br />

als Ursache erkannt<br />

In der damaligen Zeit traten noch sehr viele<br />

Infektionserkrankungen auf, und die Sterblichkeit<br />

war hoch. Mit den Arbeiten von Robert<br />

Koch (1943–1910) und seiner Schule<br />

begann die bakteriologische Ära, und man<br />

führte den Nachweis, dass Mikroorganismen<br />

die Ursachen der Infektionserkrankungen<br />

sind. 1876 konnte Robert Koch den Erreger<br />

des Milzbrandes nachweisen, 1882 den Erreger<br />

der Tuberkulose und 1884 erfolgte die<br />

Anzüchtung der Cholerabakterien. Damit<br />

setzte gleichzeitig die Möglichkeit ein, diese<br />

gezielt zu bekämpfen, wobei sich besonders<br />

die Desinfektion zu einer wirksamen Methode<br />

entwickelte. In diesem Zusammenhang<br />

muss hier darauf verweisen werden, dass<br />

jedoch schon 1847 Ignaz P. Semmelweis<br />

(1818-1865) mit großen Erfolg zur Bekämpfung<br />

des Kindbettfiebers Chlorkalklösung bei<br />

der Händedesinfektion einsetzte, ohne den<br />

Krankheitserreger zu kennen.<br />

Chemische Mittel<br />

werden wichtig<br />

Von den chemischen Mitteln erlangte durch<br />

die Arbeiten von Joseph Listner (1827-1912)<br />

das Phenol sowie die verdünnte Karbolsäurelösung<br />

in der Wundantiseptik enorme Bedeutung<br />

in der Chirurgie. Bekannt wurde Listner<br />

ab 1867 durch seine Karbolsprays in Operationsräumen.<br />

1868 entwickelte A. W. Hofmann<br />

(1818-1892) aus Methylalkohol das<br />

Formaldehyd, und 1888 veröffentlichte Oskar<br />

Loew (1844-1941) seine Arbeit über die<br />

bakterizide Wirkung des Formaldehydgases;<br />

dessen wässrige Lösung nannte er Formalin.<br />

Eine etwa 35%ige wässrige Formaldehydlösung<br />

wirkte als starkes Protoplasmagift. Das<br />

Produkt fand in der Pathologie zur Härtung<br />

histologischer Schnitte Anwendung.<br />

Untersuchungen zur<br />

Formaldehydlösung<br />

Über die physikalischen und chemischen<br />

Eigenschaften dieses Stoffes war noch sehr<br />

wenig bekannt. Erst 1939 führt G. Nordgren<br />

dazu umfangreiche Untersuchungen durch,<br />

die zu einer breiteren Anwendung des Wirkstoffes<br />

führten, wobei er unter anderem die<br />

geringe Tiefenwirkung des Formalin-Wasserdampfes<br />

in porösen Oberflächen, so in<br />

Textilien, beobachtete. In Unkenntnis dieser<br />

speziellen theoretischen Kenntnisse hatte<br />

der Hygieniker Flügge in Breslau in der<br />

Zeit von 1889 bis 1890 an der Entwicklung<br />

eines Apparates zur Erzeugung von Forma-<br />

lin-Wasserdampf gearbeitet, um dieses Verfahren<br />

für die Desinfektion von Räumen zu<br />

verwenden. Damit konnten in geschlossenen<br />

Räumen die Raumluft und alle Oberflächen<br />

desinfiziert werden.<br />

Eine Methode der<br />

Raumdesinfektion<br />

Auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft<br />

für öffentliche Gesundheitspflege 1897 bezeichnete<br />

der Chirurg J. F. von Esmarsch<br />

(1823-1908) dieses Verfahren als wirksame<br />

Methode für die Raumdesinfektion, der eine<br />

Scheuerdesinfektion vorausgehen soll, nur<br />

bei Pocken und Pest soll zuerst die Raumdesinfektion<br />

mit dem Flüggeapparat erfolgen.<br />

Die Formalin-Wasserdampf Raumdesinfektion<br />

fand ihren fest Platz innerhalb der<br />

Schlussdesinfektion. Gemäß dem „Reichsgesetz<br />

betreffs Bekämpfung gemeingefährlicher<br />

Krankheiten vom 30.6.1900“ erfolgte<br />

eine „Sächsische Ausführungsverordnung<br />

vom 12.12.1900“ bezüglich der Desinfektion<br />

bei Pest, Cholera, Aussatz, Fleckfieber und<br />

Pocken und eine Abänderung vom April 1907<br />

„der nachzugehen ist“. In der „Allgemeinen<br />

Desinfektionsanweisung“ wurden folgende<br />

chemische Desinfektionsmittel genannt:<br />

Kresolwasser 2,5 %, Kresolsäurelösung 3%,<br />

Sublimatlösung 1/00, Kalkmilch, Chlorkalkmilch<br />

und Formaldehydlösung 1% zur<br />

Scheuerdesinfektion. Eine Schlussdesinfektion<br />

konnte erfolgen als alleinige chemischmechanische<br />

Methode oder in Verbindung<br />

mit dem Einsatz des Breslauer Apparates.<br />

Erweiterung des<br />

Einsatzspektrums<br />

Der Anwendungsbereich der Schlussdesinfektion<br />

erweiterte sich später auch noch auf<br />

andere Infektionserkrankungen, so bei Tuberkulose.<br />

F. Kirstein nannte 1941 in seinem<br />

Lehrbuch für Desinfektoren 20 verschiedene<br />

Erkrankungen, darunter Diphterie, Milzbrand,<br />

Poliomyelitis, Typhus und Scharlach.<br />

Die hygienisch-edpidemiologischen Besonderheiten<br />

jeder einzelnen Erkrankung und die<br />

unterschiedlichen hygienischen Bedingungen<br />

in den Räumen sowie die unterschiedlichen<br />

Desinfektionsverfahren, die es zur<br />

Erreichung eines wirksamen Desinfektionseffektes<br />

zu beachten galt, waren schon 1906<br />

Anlass, in Dresden eine Landesdesinfektorenschule<br />

einzurichten. Hier wurde auch die<br />

Handhabung des Flügge-Apparates gelehrt.

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