2010 Sommer - Hoffnungstaler Anstalten Lobetal
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„Musik ist mein Leben“, sagt die junge Frau. Deshalb kommt<br />
ihr ein Projekt, bei dem Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse<br />
einer Hauptschule gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern<br />
des Hauses Rehoboth musizieren, gerade recht. Die Gruppe<br />
experimentiert dabei mit Alltagsgegenständen, denen besondere<br />
Töne entlockt werden. Der Leiter des Musikprojekts, Olaf Pyras,<br />
hat etwa Mundstücke auf gebogene Metallrohre geklebt. Wenn<br />
sie angeblasen werden, klingen sie wie Schweizer Alphörner.<br />
Auch Plastikschläuche hat er mitgebracht. Sie heulen, wenn man<br />
sie kräftig schleudert.<br />
Trommeln auf dem Luftballon<br />
Katharina Könemann bevorzugt Schlaginstrumente. Mit einer<br />
Hand klopft sie im Takt auf einen dicken gelben Ballon. Durch<br />
ein Mikrofon wird der Ton verstärkt und entwickelt sich zu<br />
einem wahren Paukenschlag. Die junge Frau freut sich darüber.<br />
„Seit dem Schlaganfall bin ich linksseitig gelähmt. Aber mit<br />
der rechten Hand kann ich trommeln. Das Gefühl, etwas ganz<br />
alleine machen zu können, ist für mich unbeschreiblich schön“,<br />
betont sie. Es ist schwer für sie, zu akzeptieren, dass sie sonst bei<br />
allen Verrichtungen des Alltags auf Hilfe angewiesen ist.<br />
Abwechslung im Alltag schaffen<br />
Der Schlaganfall hat eine tiefe Kluft in ihrem Leben hinterlassen.<br />
„Ich bekam starke Kopfschmerzen und bin von Arzt zu Arzt ge <br />
laufen“, berichtet die Germanistin. Doch niemand habe sie ernst<br />
genommen. Auf einem Spaziergang sei sie plötzlich umgefallen.<br />
„Ich bin noch nach Hause gekommen und habe telefoniert.<br />
Mehr weiß ich nicht.“ Als sie wieder zu sich kam, lag sie im<br />
Krankenhaus. Seitdem kann Katharina Könemann nicht mehr<br />
laufen. Sie vergisst viel. Zum Lesen fehlt ihr die Konzentration.<br />
Umso mehr ist das Projekt in der Hauptschule eine willkommene<br />
Abwechslung für Katharina Könemann. Doch es gehe dabei<br />
nicht nur ums Musizieren. Auch der integrative Aspekt sei wichtig,<br />
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erläutert die Betheler Pastorin Nicole Frommann. „Wir gehen<br />
raus aus der Einrichtung. Die Menschen mit Behinderung sollen<br />
Kontakt zu Menschen in der Nachbarschaft be kommen. Und die<br />
Schülerinnen und Schüler Kontakt zu ihnen.“<br />
Die elfjährige Schülerin Anna hat sich neben Katharina<br />
Könemann gesetzt. „Möchten Sie etwas trinken?“, fragt das<br />
fürsorgliche Mädchen in der Pause. Katharina Könemann ist<br />
dankbar für das Glas Mineralwasser, das Anna ihr reicht. Die<br />
beiden verstehen sich auf Anhieb gut. „Mir ist der Austausch mit<br />
Jüngeren sehr wichtig“, sagt die 29jährige Frau im Rollstuhl.<br />
Menschen langfristig fördern<br />
In Rehoboth gehört der Austausch zum Konzept. In der Betheler<br />
Einrichtung, die dank des Jahresspendenprojektes 2005 errichtet<br />
werden konnte, leben Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen,<br />
die ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen<br />
können. Sie wurden wie Katharina Könemann mitten aus ihrem<br />
Leben gerissen – durch einen Unfall, einen Schlaganfall oder<br />
einen Herzstillstand. Mit speziellen Übungen und Therapien<br />
wird in Rehoboth versucht, die Betroffenen langfristig zu fördern<br />
und ihnen ein Leben in Gemeinschaft zu ermöglichen.<br />
Freude ins Leben bringen<br />
Das integrative Musikprojekt bringt auf ungewöhnliche Weise<br />
Freude in das Leben der Menschen. Mit kleinen Bewegungen<br />
können sie dabei Großes bewirken. Katharina Könemann und<br />
vier andere Bewohner des Hauses Rehobot gehören zum Orchester.<br />
Der Berufsmusiker Olaf Pyras hat große Pläne mit ihnen<br />
und den Mädchen und Jungen von der Hauptschule. Er will ein<br />
Kirchenkonzert veranstalten. Der Musikexpertin Katharina<br />
Könemann ist sofort klar, dass die Akustik in einer Kirche etwas<br />
ganz Besonderes ist. „Ich freue mich schon auf den Moment,<br />
wenn der ganze Kirchenraum mit Klang erfüllt ist“, sagt sie mit<br />
glänzenden Augen.<br />
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