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L E I T S Ä T Z E<br />
zum rechtskräftigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Bremen<br />
vom 09.10.20<strong>14</strong> - Az. 1 SHa 4/<strong>14</strong> -<br />
1. Ein fehlerhafter Verweisungsbeschluss wegen örtlicher Unzuständigkeit ist im Bestimmungsverfahren<br />
nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur dann nicht bindend, wenn er<br />
offensichtlich fehlerhaft und zugleich greifbar gesetzwidrig ist.<br />
2. Ein Montagearbeiter, der an verschiedenen Orten tätig werden soll, hat keinen gewöhnlichen<br />
Arbeitsort im Sinne des § 48 Abs. 1 a Satz 1 und 2 ArbGG, wenn er an<br />
seinem Wohnort keine Arbeitsleistungen wie z.B. Planung von Reisetätigkeiten,<br />
Schreiben von Berichten oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten<br />
verrichtet. In einem solchen Fall kommt eine örtliche Zuständigkeit am Sitz des<br />
Betriebes gemäß § 29 ZPO bzw. § 12 ZPO in Betracht.<br />
- 2 -
- 2 -<br />
L A N D E S A R B E I T S G E R I C H T B R E M E N<br />
BESCHLUSS<br />
1 SHa 4/<strong>14</strong><br />
In dem Verfahren<br />
Proz.-Bev.:<br />
Kläger,<br />
gegen<br />
1.<br />
2.<br />
Proz.-Bev.<br />
Beklagte,<br />
zu 1:<br />
zu 2:<br />
Das Arbeitsgericht Berlin wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.<br />
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.<br />
G R Ü N D E :<br />
I.<br />
Mit seiner Klage vom 18.04.2013, beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven am<br />
26.04.2013 eingegangen, hat der Kläger gegenüber den Beklagten verschiedene Anträge<br />
geltend gemacht:<br />
1) Es wird festgestellt, dass der Kläger bei der Beklagten seit dem<br />
13.08.2012 bis zum 31.01.2013 als Arbeitnehmer beschäftigt ist.<br />
- 3 -
- 3 -<br />
2) Die Beklagte zu I wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober<br />
2012 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 2.662,00 ergebenden<br />
Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz<br />
der EZB auf den Nettobetrag seit dem 16. November 2012<br />
zu zahlen.<br />
3) Die Beklagte zu I wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November<br />
2012 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 2.273,60 ergebenden<br />
Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz<br />
der EZB auf den Nettobetrag seit dem 16. Dezember 2012<br />
zu zahlen.<br />
4) Die Beklagte zu II wird (als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten zu II)<br />
verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2012 einen Betrag in<br />
Höhe von netto € 1.573,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über<br />
dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16. November 2012 zu zahlen.<br />
5) Die Beklagte zu II wird (als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten zu II)<br />
verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2012 einen Betrag in<br />
Höhe von netto € 1.520,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über<br />
dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16. Dezember 2012 zu zahlen.<br />
…<br />
8) Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Unterzeichnenden<br />
als Prozessbevollmächtigte, auch für den Mehrwert eines Vergleiches,<br />
bewilligt.<br />
Mit einem 18.11.2013 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Schriftsatz<br />
vom 15.11.2013 hat der Kläger die Klage um folgende Anträge erweitert:<br />
9. Die Beklagte zu 1). wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember<br />
2012 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 1.017,50 ergebenden<br />
Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über<br />
dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Nettobetrag seit dem 16. Januar<br />
2013 zu zahlen.<br />
10. Die Beklagte zu 1). wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar<br />
2013 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 2.064,15 ergebenden<br />
Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem<br />
jeweiligen Basiszinssatz auf den Nettobetrag seit dem 16. Februar 2013<br />
zu zahlen.<br />
Mit einem am 26.03.20<strong>14</strong> beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen<br />
Schriftsatz vom 26.03.20<strong>14</strong> hat der Kläger den Klagantrag zu 10. wie folgt geändert:<br />
10. Die Beklagte zu 1). wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar<br />
2013 brutto € 2.064,15 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über<br />
dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Nettobetrag in Höhe von<br />
€ 1.127,37 seit dem 16. Februar 2013 zu zahlen.<br />
- 4 -
- 4 -<br />
Am 30.09.2013 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 2) folgenden Vergleich:<br />
1. Die von der e.h.m. elektro-handel u. montage gmbh am 06.06.2013 in<br />
der Angelegenheit Ivanov ./. e.h.m. bei den Rechtsanwälten Spaan<br />
Ludwig Spaan treuhänderisch hinterlegten 3.098,00 € sichern nunmehr<br />
etwaige gegenüber der e.h.m. bestehenden Ansprüche des Herrn Petrov<br />
aus dem Bauvorhaben Panattoni Lear in Bremen.<br />
2. Herr Petrov erklärt in dem beim ArbG Bremen-Bremerhaven rechtshängigen<br />
Verfahren, Az.: 5 Ca 5189/13, den Rechtsstreit, soweit sich die<br />
Klage gegen die e.h.m. gmbh richtet, für erledigt.<br />
3. Sollte die mitverklagte Frau Nedeva in dem Klageverfahren 5 Ca<br />
5189/13 rechtskräftig zur Zahlung der geltend gemachten Forderung<br />
ganz oder teilweise verurteilt werden sollte, wird entsprechend dem Rechenweg<br />
in der Klageschrift unter Berücksichtigung des gesetzlichen<br />
Mindestlohns ermittelt, welcher Nettobetrag von der e.h.m. an Herrn Petrov<br />
zu zahlen wäre. Dieser Betrag wird dann aus dem treuhändisch hinterlegten<br />
Betrag an Herrn Petrov - zu Händen der Rechtsanwältin Müller<br />
- ausgezahlt.<br />
Sollte die Klage gegenüber Frau Nedeva abgewiesen werden, steht der<br />
treuhänderisch hinterlegte Betrag der e.h.m. zur freien Verfügung.<br />
Durch Beschluss vom 06.05.20<strong>14</strong> wies das Landesarbeitsgericht, dem inzwischen die<br />
Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vorlag, auf Bedenken<br />
hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts hin (Bl. 55<br />
f d. PKH-Hefts). Mit einem am 16.05.20<strong>14</strong> beim Landesarbeitsgericht eingegangenen<br />
Schriftsatz beantragte die Beklagte zu 1) Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgerichts<br />
Berlin, da die Beklagte dort ihren Sitz habe. Mit einem am 23.05.20<strong>14</strong> beim Landesarbeitsgericht<br />
Bremen eingegangenen Schriftsatz vom 23.05.20<strong>14</strong> hat der Kläger vorgetragen,<br />
dass das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven gemäß § 48 Abs. 1 a ArbGG<br />
örtlich zuständig sei. Im Übrigen habe der Kläger von seinem Wahlrecht nach § 35 ZPO<br />
Gebrauch gemacht. Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven sei auch wegen des Erfüllungsorts<br />
örtlich zuständig.<br />
Durch Beschluss vom 28.05.20<strong>14</strong> erklärte sich das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven<br />
für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht<br />
Berlin. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 296 ff. d. A. Bezug genommen.<br />
Durch Beschluss vom 13.06.20<strong>14</strong> lehnte das Arbeitsgericht Berlin die Übernahme<br />
des Rechtsstreits ab und gab die Sache zurück an das Arbeitsgericht Bremen-<br />
Bremerhaven. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 303 f d. A. verwiesen.<br />
- 5 -
- 5 -<br />
Durch Beschluss vom 08.08.20<strong>14</strong> trennte das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven den<br />
Rechtsstreit der Beklagten zu 2) ab. Ferner fasste das Arbeitsgericht Bremen-<br />
Bremerhaven am 08.08.20<strong>14</strong> einen Beschluss, in dem es sich für den Rechtsstreit für<br />
örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht<br />
Berlin verwies. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf Bl. 316 ff. d. A. Bezug<br />
genommen. Das Arbeitsgericht Berlin lehnte durch Beschluss vom 27.08.20<strong>14</strong> erneut<br />
die Übernahme ab und verwies darauf, dass durch die Ablehnung der Übernahme mit<br />
Beschluss vom 13.06.20<strong>14</strong> bereits die Situation des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO eingetreten<br />
sei. Das Arbeitsgericht Berlin fasste darüber hinaus den Beschluss:<br />
Der Rechtsstreit wird gemäß § 36 Abs. 2 ZPO dem Landesarbeitsgericht<br />
Bremen zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.<br />
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.<br />
II.<br />
Als örtlich zuständiges Arbeitsgericht ist das Arbeitsgericht Berlin für den Rechtsstreit zu<br />
bestimmen.<br />
1. Nachdem sich sowohl das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven als auch das Arbeitsgericht<br />
Berlin mit rechtskräftigen - gemäß §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs.<br />
2 und 3 GVG unanfechtbaren - Beschlüssen für örtlich unzuständig erklärt haben, ist<br />
das Landesarbeitsgericht Bremen gemäß § 36 Abs. 2 ZPO als das Landesarbeitsgericht,<br />
in dessen Bezirk das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven als das zunächst<br />
mit der Sache befasste Gericht liegt, dafür zuständig, auf die Vorlage des Arbeitsgerichts<br />
Berlin das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen.<br />
Handelt es sich um einen Streit über die örtliche Zuständigkeit innerhalb des beschrittenen<br />
Rechtswegs, ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 36 Abs. 2 ZPO<br />
das Landesarbeitsgericht zuständig, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste<br />
Gericht gehört (BAG Beschl. v. 07.02.20<strong>14</strong> - 10 AS 3/<strong>14</strong>; Hessisches LAG<br />
Beschl. v. 09.06.2008 - 1 SHa 1/08). Die Vorlage ist in dem hier gegebenen Fall des<br />
§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch ohne Antrag einer Partei von Amts wegen zulässig, um<br />
einen Verfahrensstillstand zu vermeiden (BGH Beschl. v. 31.01.1979 - IV ARZ<br />
111/78 - NJW 1979, 1048; BGH Beschl. v. 07.03.1991 - I ARZ 15/91 - MDR 1991,<br />
1199; Hessisches LAG Beschl. v. 09.06.2008 - 1 SHa 1/08).<br />
- 6 -
- 6 -<br />
2. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist das Arbeitsgericht Berlin als örtlich zuständiges Arbeitsgericht<br />
zu bestimmen.<br />
a) Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit sind nach den §§ 48<br />
Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der<br />
Rechtsstreit verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Ein Verweisungsbeschluss,<br />
der mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassen worden ist,<br />
wirkt auch im Bestimmungsverfahren fort und ist dort zu beachten. Die fehlende<br />
Anfechtbarkeit von Beschlüssen über die örtliche Zuständigkeit bewirkt,<br />
dass die Fehlerhaftigkeit eines Verweisungsbeschlusses demgemäß grundsätzlich<br />
hinzunehmen ist und nicht zu einer Anfechtbarkeit führt. Dies gilt<br />
selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss offensichtlich fehlerhaft ist. Etwas<br />
anderes gilt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss neben einer offensichtlichen<br />
Fehlerhaftigkeit zugleich noch greifbar gesetzeswidrig ist. Von<br />
einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist nur dann auszugehen, wenn eine krasse<br />
Rechtsverletzung vorliegt. Dies kann der Fall sein, wenn der Verweisungsbeschluss<br />
jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefasst ist oder auf der<br />
Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem<br />
von ihnen beruht (BAG Beschl. v. 06.01.1998 - 4 AS 30/97). In einem<br />
solchen Fall wäre der Verweisungsbeschluss unter Berücksichtigung elementarer<br />
rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich, damit offensichtlich<br />
unhaltbar und nicht mehr hinnehmbar (BAG Beschl. v. 06.01.1998 - 5 AS<br />
30/97; LAG Schleswig-Holstein Beschl. v. 04.12.2008 - 4 SHa 8/08; LAG Köln<br />
Beschl. v. 17.08.2010 - 1 SHa 13/10 - LAGE Nr. 3 zu Art. 101 GG; LAG Berlin-<br />
Brandenburg Beschl. v. 23.12.2010 - 6 SHa 2694/10; LAG Rheinland-Pfalz<br />
Beschl. v. 24.02.2012 - 8 SHa 3/12; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1<br />
SHa 17/13).<br />
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verweisungsbeschlüsse<br />
des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 28.05.20<strong>14</strong> und 08.08.20<strong>14</strong> in<br />
einer Weise rechtsfehlerhaft sind, die an diesen Grundsätzen orientiert eine<br />
Durchbrechung der gesetzlichen Rechtsbindung rechtfertigen würde.<br />
b) Der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom<br />
28.05.20<strong>14</strong> ist nicht unter Versagung des rechtlichen Gehörs gegenüber den<br />
Verfahrensbeteiligten ergangen.<br />
- 7 -
- 7 -<br />
Das Landesarbeitsgericht hatte in dem Beschwerdeverfahren einen umfangreichen<br />
Hinweis zu der Frage der örtlichen Zuständigkeit erteilt. Zu diesem<br />
Hinweisbeschluss haben beide Parteien schriftsätzlich vorgetragen und ihre<br />
Auffassung mit Argumenten untermauert. Der Verweisungsbeschluss vom<br />
28.05.20<strong>14</strong> ist erst danach ergangen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs<br />
im Sinne von Art. 103 GG kann de<strong>sha</strong>lb nicht angenommen werden, denn die<br />
Parteien mussten davon ausgehen, dass das Arbeitsgericht die rechtlichen<br />
Hinweise des Landesarbeitsgerichts verwerten würde und auch die Stellungnahmen<br />
der Parteien dazu. Wenn die Parteien nach Rückverweisung des Beschwerdeverfahrens<br />
- auch wenn sich dies auf die Versagung der Prozesskostenhilfe<br />
bezog - nicht weiter zu der Frage der örtlichen Zuständigkeit des<br />
angerufenen Arbeitsgerichts vortrugen, obwohl die Beklagte zu 1) einen Verweisungsantrag<br />
an das Arbeitsgericht Berlin gestellt hatte, so ist festzustellen,<br />
dass den Parteien hinreichendes rechtliches Gehör, und zwar auch nach ihrer<br />
eigenen Ansicht gewährt worden war.<br />
Sollte man entgegen der vorstehenden Auffassung der Meinung sein, dass<br />
vor Erlass des Verweisungsbeschlusses vom 28.05.20<strong>14</strong> kein genügendes<br />
rechtliches Gehör den Verfahrensbeteiligten gewährt worden sei, so wäre jedenfalls<br />
ein solcher Verstoß geheilt. Nach Rückgabe der Akte durch das Arbeitsgericht<br />
Berlin mit Beschluss vom 13.06.20<strong>14</strong> hatten die Parteien genügend<br />
Gelegenheit, zur Frage der örtlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen<br />
und haben davon auch Gebrauch gemacht. Durch den Beschluss vom<br />
08.08.20<strong>14</strong> hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven sich erneut für örtlich<br />
unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht<br />
Berlin verwiesen. Dieser Beschluss ist erst nach den weiteren Stellungnahmen<br />
der Parteien ergangen.<br />
c) Die Verweisungsbeschlüsse können auch nicht de<strong>sha</strong>lb als greifbar gesetzwidrig<br />
und damit willkürlich eingeordnet werden, weil eine rügelose Einlassung<br />
der Beklagten zu 1) anzunehmen wäre.<br />
Gemäß § 39 ZPO kann eine Zuständigkeit aus einer rügelosen Verhandlung<br />
zur Hauptsache erfolgen. Abgesehen davon, dass eine Belehrung hierzu gemäß<br />
§ 504 ZPO erforderlich ist, ist nach der Rechtsprechung des BAG eine<br />
zuständigkeitsbegründende rügelose Einlassung erst durch mündliches Verhandeln<br />
im Kammertermin möglich (BAG Urt. v. 02.07.2008 - 10 AZR 355/07 -<br />
- 8 -
- 8 -<br />
AP Nr. 1 zur Verordnung Nr. 44/2001/EG). De<strong>sha</strong>lb kommt es nicht darauf an,<br />
dass die Beklagte zu 1) erst durch ihren Antrag auf Verweisung in dem<br />
Schriftsatz vom 15.05.20<strong>14</strong> die Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts<br />
gerügt hat. Da ein Kammertermin nicht stattgefunden hatte, war die Rüge immer<br />
noch rechtzeitig.<br />
d) Die Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven sind<br />
nicht offensichtlich fehlerhaft und greifbar gesetzeswidrig.<br />
aa)<br />
Ein fehlerhafter Verweisungsbeschluss kann zwar grundsätzlich einen Verstoß<br />
gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter<br />
entzogen werden darf, darstellen. Eine krasse Rechtsverletzung, die willkürlich<br />
erscheint, kann aber regelmäßig nicht aus einer fehlerhaften materiellen<br />
Rechtsanwendung abgeleitet werden. Im Bereich der materiellen Rechtsanwendung<br />
ist die Annahme von Willkür nur unter besonderen Umständen<br />
möglich. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Gerichte wegen der den<br />
Richterinnen und Richtern verliehenen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) bei der<br />
Auslegung und Anwendung von Normen einer vorherrschenden Meinung nicht<br />
zu folgen brauchen und jederzeit ihre eigene Rechtsauffassung vertreten können.<br />
Auch Rechtsanwendungsfehler, die zu einem Verweisungsbeschluss führen,<br />
der nicht hätte ergehen dürfen, lassen nicht automatisch dessen Bindungswirkung<br />
entfallen. Von willkürlicher Rechtsanwendung kann erst dann<br />
gesprochen werden, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt<br />
wird oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird<br />
(BVerfG Beschl. v. 03.11.1992 - 1 BvR 1243/88 - AP Nr. 5 zu § 31 BRAGO;<br />
BVerfG Beschl. v. 01.10.2009 - 1 BvR 1969/09 - NZS 2010, 384). Eine willkürliche<br />
Missdeutung liegt dabei noch nicht vor, wenn das Gericht sich mit der<br />
Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes<br />
sachlichen Grundes entbehrt (LAG Köln Beschl. v. 17.08.2010 - 1 SHa 13/10 -<br />
LAGE Nr. 3 zu Art. 101 GG).<br />
bb) Im vorliegenden Fall hat sich das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven in den<br />
Verweisungsbeschlüssen eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt.<br />
Es hat § 48 Abs. 1 a ArbGG herangezogen und dessen Anwendungsbereich<br />
ausgelegt. Nach § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG ist für Streitigkeiten aus einem<br />
Arbeitsverhältnis auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer<br />
seine Arbeit gewöhnlich verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrich-<br />
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- 9 -<br />
tet hat. Ist ein Arbeitsort in diesem Sinne nicht feststellbar, so ist nach § 48<br />
Abs. 1 a Satz 2 ArbGG das Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk<br />
aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt verrichtet<br />
hat. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger seine<br />
Arbeiten an verschiedenen Orten verrichten sollte, da er Montagearbeiten<br />
verrichten sollte. Ein gewöhnlicher Ort der Arbeitsleistung war de<strong>sha</strong>lb nicht<br />
feststellbar, auch wenn der Kläger im Verlauf des Vertragsverhältnisses die<br />
Arbeitsleistung zeitlich überwiegend in Bremen ausgeübt hat. Ehe der Kläger<br />
nach Bulgarien wieder ausreiste, war er zuletzt in Sindelfingen tätig und sollte<br />
an sich in Frankfurt weiter tätig sein. Ein gewöhnlicher Ort der Arbeitsleistung<br />
ist de<strong>sha</strong>lb nicht feststellbar, auch ein zuletzt gewöhnlicher Arbeitsort nicht.<br />
Ist ein gewöhnlicher Arbeitsort nicht feststellbar, so ist nach § 48 Abs. 1 a Satz<br />
2 ArbGG eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben, von dessen<br />
Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt<br />
verrichtet hat. Dafür genügt es, wenn dort in gewissem Umfang Arbeitsleistungen<br />
erbracht werden, so z.B. Reisetätigkeiten geplant werden, Berichte<br />
geschrieben werden oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten<br />
verrichtet werden (LAG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 24.02.2012 - 8 SHa<br />
3/12; LAG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 23.07.20<strong>14</strong> - 5 SHa 6/<strong>14</strong>). Es ist nicht<br />
vorgetragen worden, dass der Kläger in irgendeiner Weise von seinem Wohnort<br />
aus Arbeitsleistungen erbracht hat, sodass keine Anwendbarkeit von § 48<br />
Abs. 1 a Satz 2 ArbGG gegeben ist. In der Bundestagsdrucksache (BT-<br />
Drucksache 16/7716, Seite 24) ist zu § 48 Abs. 1 a ArbGG Folgendes ausgeführt:<br />
„(§ 48 a Abs. 1 a) Satz 2 regelt den Fall, dass ein Schwerpunkt der<br />
Tätigkeit nicht ermittelt werden kann, zum Beispiel, weil Tätigkeiten<br />
vertragsgemäß in mehreren Gerichtsbezirken zu erbringen<br />
sind. Es ist dann auf den Ort abzustellen, von dem aus die Arbeitnehmerin<br />
oder der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt. Der<br />
Wohnort kann Arbeitsort sein, wenn dort mit der Arbeitsleistung<br />
verbundene Tätigkeiten erbracht werden, z. B. wenn ein Außendienstmitarbeiter<br />
zu Hause seine Reisetätigkeit für den ihm zugewiesenen<br />
Bezirk plant, Berichte schreibt oder andere mit der Arbeitsleistung<br />
verbundene Tätigkeiten verrichtet. Kein Arbeitsort ist<br />
gegeben, wenn sich z. B. ein Montagearbeiter oder ein Kraftfahrer<br />
im Rahmen einer Vielzahl einzelner weisungsgebundener Entsendungen<br />
vom Wohnort aus zum jeweiligen Einsatzort begibt.“<br />
- 10 -
- 10 -<br />
Es wird de<strong>sha</strong>lb die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen weder ein<br />
gewöhnlicher Arbeitsort feststellbar ist noch Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers<br />
von seinem Wohnsitz aus erfolgen, keine Zuständigkeit gemäß § 48<br />
Abs. 1 a ArbGG begründet wird (ArbG Stendal Beschl. v. 24.03.2010 - 1 Ca<br />
165/10; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1 SHa 17/13: offen gelassen;<br />
GMP/Germelmann, ArbGG, 8. Aufl., Rdnr. 35 f zu § 48 ArbGG). Jedenfalls<br />
kann es dann nicht als willkürlich eingeordnet werden, wenn eine örtliche Zuständigkeit<br />
in dem Verweisungsbeschluss nicht gemäß § 48 Abs. 1 a ArbGG<br />
bejaht wird, sondern am Sitz des Betriebes, von dem die Arbeitsleistung gesteuert<br />
wird (LAG Köln Beschl. v. 17.08.2010 - 1 SHa 13/10 - LAGE Nr. 3 zu<br />
Art. 101 GG; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1 SHa 17/13).<br />
cc)<br />
Die Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven sind<br />
auch nicht de<strong>sha</strong>lb offensichtlich fehlerhaft und willkürlich, weil das Gericht<br />
nicht eine von dem Kläger getroffene Rechtswahl gemäß § 35 ZPO beachtet<br />
hätte.<br />
Eine greifbare Gesetzeswidrigkeit wird insoweit angenommen, wenn sich das<br />
Gericht bei einer Verweisung über das dem Kläger gemäß § 35 ZPO zustehende<br />
Wahlrecht zwischen verschiedenen örtlich zuständigen Arbeitsgerichten<br />
und die erfolgte Wahl hinweggesetzt hat (LAG Sachsen-Anhalt Beschl.<br />
v. 23.07.20<strong>14</strong> - 5 SHa 6/<strong>14</strong>; LAG Schleswig-Holstein Beschl. v. 04.12.2008 - 4<br />
SHa 8/08). Das Wahlrecht gemäß § 35 ZPO kann bis zur Rechtshängigkeit<br />
einer Klage ausgeübt werden.<br />
In der Klagschrift finden sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger ein Wahlrecht<br />
ausüben wollte und die Klage etwa am Erfüllungsort im Sinne des § 29<br />
ZPO, wie er später vorgetragen hat, erheben wollte. Es ist demnach nicht erkennbar,<br />
dass der Kläger sein Wahlrecht ausüben wollte.<br />
Selbst wenn man der Meinung wäre, dass allein in der Erhebung der Klage<br />
beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven die Ausübung des Wahlrechtes liegen<br />
sollte, würde dies nicht zu einer örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts<br />
Bremen-Bremerhaven für den Rechtsstreit führen. Zwar hat sich das<br />
Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven in den Beschlüssen nicht ausdrücklich<br />
mit dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO auseinandergesetzt<br />
- es hat lediglich darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit des Ar-<br />
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- 11 -<br />
beitsgerichts Bremen-Bremerhaven nicht aus sonstigen Gründen oder Regelungen<br />
ersichtlich sei -. Verkennt das Arbeitsgericht, dass es für eine Klage<br />
auch nach § 29 ZPO zuständig sein könnte, so kann der Verweisungsbeschluss<br />
möglicherweise keine Bindungswirkung entfalten (BAG Beschl. v.<br />
06.01.1998 - 5 AS 30/97). Im vorliegenden Fall führt dies aber nicht zur Fehlerhaftigkeit<br />
des Verweisungsbeschlusses, weil keine örtliche Zuständigkeit<br />
des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven gemäß § 29 Abs. 1 ZPO für den<br />
vorliegenden Rechtsstreit begründet ist.<br />
Nach der Rechtsprechung des BAG ist zur Bestimmung des Erfüllungsorts bei<br />
Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort<br />
auszugehen. Dies ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung<br />
zu erbringen hat, wobei der Gerichtsstand des Erfüllungsorts für<br />
alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis gilt (BAG Urt. v. 09.10.2002 - 5<br />
AZR 307/01 - AP Nr. 18 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit; LAG<br />
Schleswig-Holstein Beschl. v. 04.12.2008 - 4 SHa 8/08). Nach der Rechtsprechung<br />
des BAG soll aber in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer an mehreren<br />
Orten tätig ist, und in denen eigentlich ein einheitlicher (gemeinsamer) Erfüllungsort<br />
nicht festgestellt werden kann, der Wohnsitz des Arbeitnehmers als<br />
einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis<br />
anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer von seinem Wohnsitz aus<br />
Arbeitsleistungen erbringt (BAG Urt. v. 12.06.1986 - 2 AZR 398/85 - AP Nr. 1<br />
zu Art. 5 Brüsseler Abkommen). Im Gegensatz hierzu sollen die Fälle stehen,<br />
in denen der Arbeitnehmer vom Betriebssitz aus weisungsgebundene Entsendungen<br />
erhält und damit Schwerpunkt der Dienstleistung der Sitz des Betriebes<br />
ist. Dies gilt insbesondere auch für Montagearbeiter (BAG Urt. v.<br />
12.06.1986 - 2 AZR 398/85 - AP Nr. 1 zu Art. 5 Brüsseler Abkommen; ArbG<br />
Stendal Beschl. v. 24.03.2010 - 1 Ca 165/10; GMP/Germelmann, ArbGG,<br />
a.a.O., Rdnr. 42 zu § 48 ArbGG). Danach ist im vorliegenden Fall auch in Anwendung<br />
des § 29 ZPO für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht Bremen<br />
als einheitlicher Erfüllungsort anzusehen, sondern es verbleibt bei dem allgemeinen<br />
Gerichtsstand des Sitzes der Beklagten zu 1) (§§ 12, 13 ZPO). De<strong>sha</strong>lb<br />
hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven nicht verkannt, dass der<br />
Kläger ein ihm zustehendes Wahlrecht ausgeübt hat und zutreffender Weise<br />
für die Klageinreichung das Gericht des Erfüllungsorts im Sinne des § 29 ZPO<br />
gewählt hat. Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven konnte in dem Verwei-<br />
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sungsbeschluss daher darauf abstellen, dass eine örtliche Zuständigkeit des<br />
Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven auch nicht aus sonstigen Gründen oder<br />
Regelungen ersichtlich sei.<br />
dd) Die Bindungswirkung der Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven<br />
wird damit nicht unterbrochen. Die Verweisung stellt sich<br />
nicht als eine Fehlerhaftigkeit dar, die eine krasse Rechtsverletzung beinhaltet<br />
und sich als Beleg willkürlicher Rechtsfindung einordnen lässt. Das Arbeitsgericht<br />
Berlin ist daher aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts<br />
Bremen-Bremerhaven für den Rechtsstreit örtlich zuständig.<br />
3. Mangels Abweichung von einer Entscheidung des BAG oder einer Entscheidung<br />
eines anderen Landesarbeitsgerichts bedurfte es keiner Vorlage an das BAG entsprechend<br />
§ 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO.<br />
4. Die Kosten des Beschlusses sind Kosten des Verfahrens (BGH Beschl. v.<br />
10.12.1987 - I ARZ 809/87 - NJW 1988, 1794; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1<br />
SHa 17/13; LAG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 23.07.20<strong>14</strong> - 5 SHa 6/<strong>14</strong> - m.w.N.).<br />
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 ZPO).<br />
Bremen, den 09.10.20<strong>14</strong><br />
Die Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts<br />
- 1. Kammer -<br />
gez.