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Historische Bildung in der Bundeswehr 50 Jahre ... - Ghbehn.de

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Heft 2/2007<br />

<br />

<br />

<br />

C 21234 ISSN 0940 - 4163<br />

<br />

Militärgeschichte im Bild: Oberst i.G. Dr. Hans Meier-Welcker (1906–1983), erster Amtschef <strong>de</strong>s MGFA von 1957 bis 1964<br />

<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> Militärgeschichtliches<br />

Forschungsamt<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />

Zwangsrekrutierung im 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

<br />

<br />

Militärgeschichtliches<br />

Forschungsamt 1957–2007


Impressum<br />

Editorial<br />

Militärgeschichte<br />

Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong><br />

Herausgegeben<br />

vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt<br />

durch Oberst Dr. Hans Ehlert und<br />

Oberst i.G. Dr. Hans-Hubertus Mack (V.i.S.d.P.)<br />

Produktionsredakteur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> aktuellen Ausgabe:<br />

Oberstleutnant Dr. Harald Potempa<br />

Redaktion:<br />

Oberleutnant Julian-André F<strong>in</strong>ke M.A. (jf)<br />

Hauptmann Matthias Nicklaus M.A. (mn)<br />

Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp)<br />

Mag. phil. Michael Thomae (mt)<br />

Bildredaktion:<br />

Dipl.-Phil. Mar<strong>in</strong>a Sandig<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Stefan Stahlberg, Cand. Phil. (sts)<br />

Lektorat:<br />

Dr. Aleksandar-S. Vuletić<br />

Layout/Grafik:<br />

Maurice Woynoski<br />

Anschrift <strong><strong>de</strong>r</strong> Redaktion:<br />

Redaktion »Militärgeschichte«<br />

Militärgeschichtliches Forschungsamt<br />

Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam<br />

E-Mail: MGFARedaktionMilGeschichte@<br />

bun<strong>de</strong>swehr.org<br />

Telefax: 03 31 / 9 71 45 07<br />

Homepage: www.mgfa.<strong>de</strong><br />

Manuskripte für die Militärgeschichte wer<strong>de</strong>n<br />

an diese Anschrift erbeten. Für unverlangt e<strong>in</strong>gesandte<br />

Manuskripte wird nicht gehaftet.<br />

Durch Annahme e<strong>in</strong>es Manuskriptes erwirkt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung,<br />

Übersetzung usw. Honorarabrechnung<br />

erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die Redaktion<br />

behält sich Kürzungen e<strong>in</strong>gereichter<br />

Beiträge vor. Nachdrucke, auch auszugsweise,<br />

fotomechanische Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gabe und Übersetzung<br />

s<strong>in</strong>d nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung<br />

durch die Redaktion und mit Quellenangaben<br />

erlaubt. Dies gilt auch für die Aufnahme<br />

<strong>in</strong> elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen<br />

auf CD-ROM. Die Redaktion hat ke<strong>in</strong>erlei<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die Gestaltung und die Inhalte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen Seiten, auf die <strong>in</strong> dieser Zeitschrift<br />

durch Angabe e<strong>in</strong>es L<strong>in</strong>k verwiesen wird. Deshalb<br />

übernimmt die Redaktion ke<strong>in</strong>e Verantwortung<br />

für die Inhalte aller durch Angabe e<strong>in</strong>er<br />

L<strong>in</strong>kadresse <strong>in</strong> dieser Zeitschrift genannten<br />

Seiten und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Unterseiten. Dieses gilt für<br />

alle ausgewählten und angebotenen L<strong>in</strong>ks und<br />

für alle Seiten<strong>in</strong>halte, zu <strong>de</strong>nen L<strong>in</strong>ks o<strong><strong>de</strong>r</strong> Banner<br />

führen.<br />

© 2007 für alle Beiträge beim<br />

Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA)<br />

Sollten nicht <strong>in</strong> allen Fällen die Rechte<strong>in</strong>haber<br />

ermittelt wor<strong>de</strong>n se<strong>in</strong>, bitten wir ggf. um Mitteilung.<br />

Druck:<br />

SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Nor<strong>de</strong>n<br />

ISSN 0940-4163<br />

Das Militärgeschichtliche Forschungsamt <strong>in</strong> Potsdam<br />

begeht im <strong>Jahre</strong> 2007 se<strong>in</strong> <strong>50</strong>-jähriges Bestehen.<br />

Obwohl e<strong>in</strong> Zeitraum von <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geschichte e<strong>in</strong> eher überschaubarer o<strong><strong>de</strong>r</strong> sogar<br />

kurzer Zeitraum ist, stellt das Datum für das<br />

MGFA e<strong>in</strong> durchaus bemerkenswertes Jubiläum<br />

dar. Dies ist Anlass für uns, auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte<br />

Rückschau zu halten, über die eigenen<br />

Hauptaufgaben, militärgeschichtliche Forschung<br />

und historische <strong>Bildung</strong> nachzu<strong>de</strong>nken, aber auch <strong>de</strong>n Blick nach vorne zu<br />

richten.<br />

Das vorliegen<strong>de</strong> Heft 2 <strong>de</strong>s Jahrganges 2007 <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte widmet<br />

sich neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Rubrik »Militärgeschichte im Bild« <strong>in</strong> zwei Beiträgen<br />

diesem Thema.<br />

Der Artikel von Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k fußt auf se<strong>in</strong>en Studien zum Thema »<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong><br />

MGFA« und <strong>de</strong>m Material, das auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichnamigen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausstellung<br />

im September 2007 Verwendung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n soll. Er skizziert die Geschichte<br />

<strong>de</strong>s MGFA als Beispiel für die Entwicklung e<strong>in</strong>er Ressortforschungse<strong>in</strong>richtung,<br />

aber – nicht m<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> wichtig – auch für die Etablierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte<br />

als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichtswissenschaft <strong>in</strong> Deutschland im<br />

Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>.<br />

Hans-Hubertus Mack nimmt <strong>de</strong>n wichtigen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Historische</strong>n <strong>Bildung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Blick, e<strong>in</strong> Thema, das gera<strong>de</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satzarmee <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

e<strong>in</strong>en immer be<strong>de</strong>uten<strong><strong>de</strong>r</strong>en Stellenwert e<strong>in</strong>nimmt. Nicht umsonst hat sich<br />

das MGFA mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe »Wegweiser zur Geschichte« dieser Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

mit großem E<strong>in</strong>satz gestellt.<br />

Nicht <strong>50</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n erst 25 <strong>Jahre</strong> alt wer<strong>de</strong>n die im September 1982 erlassenen<br />

»Richtl<strong>in</strong>ien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>«. Obwohl zwischen Geschichte und Tradition <strong>in</strong>haltlich und<br />

organisatorisch e<strong>in</strong>e klare Trennung vorzunehmen und Traditionsbildung<br />

als wertebezogene Auswahl aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen<br />

und militärischen Führung ist und <strong>de</strong>shalb nicht zu <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s<br />

MGFA zählt, skizziert <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitrag von Harald Potempa das Verhältnis von<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Warte <strong>de</strong>s Historikers.<br />

Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Militärgeschichte be<strong>in</strong>haltet die Beschäftigung mit Streitkräften<br />

<strong>in</strong> Staat und Gesellschaft <strong>in</strong> Frie<strong>de</strong>n, Krise und Krieg, macht Wechselwirkungen<br />

<strong>de</strong>utlich und thematisiert die Sozialgeschichte <strong>de</strong>s Militärs. Marcus<br />

von Salisch veranschaulicht dies <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz unter <strong>de</strong>m Titel »Hunger,<br />

Desertion und Zwangsrekrutierung. Die gewaltsame E<strong>in</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />

kursächsischen Heeres <strong>in</strong> die preußische Armee«.<br />

Das MGFA ist nach se<strong>in</strong>er Verlegung von Freiburg i.Br. im Jahr 1994 gut<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> bran<strong>de</strong>nburgischen Lan<strong>de</strong>shauptstadt angekommen und seither<br />

her vorragend <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Berl<strong>in</strong>-Potsdamer Wissenschaftslandschaft verortet.<br />

Das MGFA ist <strong><strong>de</strong>r</strong> militärhistorische Dienstleister <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte. An <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Universität Potsdam bietet das MGFA <strong>in</strong> Kooperation mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität<br />

und <strong>de</strong>m Sozialwissenschaftlichen Institut <strong>in</strong> Strausberg ab W<strong>in</strong>tersemester<br />

2007/2008 e<strong>in</strong>en Masterstudiengang »Military Studies« an. Dies alles zeigt,<br />

dass das MGFA <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschungslandschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

se<strong>in</strong>e feste Rolle gefun<strong>de</strong>n hat und anerkannt wird.<br />

Wir s<strong>in</strong>d uns als Team MGFA bewusst, dass die nächsten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> bereits<br />

begonnen haben.<br />

Ihnen, liebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser, wünsche ich e<strong>in</strong>e gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gen<strong>de</strong> Lektüre<br />

<strong>de</strong>s aktuellen Heftes<br />

Dr. phil. Hans Ehlert,<br />

Oberst und Amtschef <strong>de</strong>s MGFA


Inhalt<br />

<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

4<br />

Service<br />

Das historische Stichwort:<br />

Donauwörth 1607<br />

22<br />

Dr. Hans-Hubertus Mack,<br />

geboren 1954 <strong>in</strong> Friedrichshafen/Bo<strong>de</strong>nsee,<br />

Oberst i.G., stellvertreten<strong><strong>de</strong>r</strong> Amtschef <strong>de</strong>s<br />

MGFA und Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung<br />

»Ausbildung, Information, Fachstudien«<br />

Medien onl<strong>in</strong>e/digital<br />

Lesetipp<br />

Ausstellungen<br />

24<br />

26<br />

28<br />

Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />

Auf <strong>de</strong>m Weg zu e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen<br />

Militärgeschichte<br />

Dr. Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k,<br />

geboren 1966 <strong>in</strong> Kaufbeuren/Allgäu,<br />

Oberstleutnant d.R., Historiker<br />

8<br />

Geschichte kompakt<br />

Militärgeschichte<br />

im Bild<br />

30<br />

Hans Meier-Welcker<br />

Soldat und Wissenschaftler 31<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />

25 <strong>Jahre</strong> »Richtl<strong>in</strong>ien zum<br />

Traditionsverständnis und<br />

zur Traditionspflege«<br />

12<br />

Dr. Harald Potempa,<br />

geboren 1963 <strong>in</strong> Dorfen, Landkreis<br />

Erd<strong>in</strong>g/Oberbayern, Oberstleutnant und<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MGFA<br />

Hunger, Desertion und<br />

Zwangsrekrutierung<br />

Die gewaltsame E<strong>in</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

<strong>de</strong>s kursächsischen Heeres <strong>in</strong><br />

die preußische Armee<br />

18<br />

Oberst i.G. Dr. Hans Meier-Welcker,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> erste Amtschef <strong>de</strong>s MGFA.<br />

Foto: MGFA<br />

Marcus v. Salisch M.A.,<br />

geboren 1979 <strong>in</strong> Schlema/Sachsen,<br />

Hauptmann und Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am MGFA<br />

Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />

Oberst Dr. Karl-He<strong>in</strong>z Frieser, MGFA;<br />

Carmen W<strong>in</strong>kel M.A., Rosenau, Historiker<strong>in</strong>


<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

ullste<strong>in</strong> - ddp<br />

Kann man aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />

lernen? Und wenn ja, was?<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Antwort darauf<br />

lässt sich nicht f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

stehen die militärgeschichtliche<br />

Forschung und Lehre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen<br />

Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen<br />

<strong>Bildung</strong>. Sie s<strong>in</strong>d gleichsam Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Inneren Führung. Während die Innere<br />

Führung als ganzheitliche Konzeption<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Integration von Streitkräften <strong>in</strong> die<br />

Gesellschaft das I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s Soldaten als<br />

Staatsbürger <strong>in</strong> Uniform zugrun<strong>de</strong>legt,<br />

soll die historische <strong>Bildung</strong> die hierfür<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche staatsbürgerliche Kompetenz<br />

erwerben helfen.<br />

Die historische <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Streitkräften hat e<strong>in</strong>e wechselvolle Geschichte<br />

h<strong>in</strong>ter sich. Wur<strong>de</strong> sie – wie<br />

im 19. und frühen 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t üblich<br />

– als Generalstabsangelegenheit<br />

behan<strong>de</strong>lt, so wur<strong>de</strong>n im Unterricht<br />

für die Soldaten anwendungsorientierte<br />

Beispiele, vornehmlich aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Operationsgeschichte, zum Lehrgegenstand<br />

erhoben. Mit <strong>de</strong>m Aufkommen<br />

e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Stan-<br />

dards verpflichteten Militärgeschichte<br />

als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichtswissenschaft<br />

im ausgehen<strong>de</strong>n 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

war pr<strong>in</strong>zipiell die Chance<br />

gegeben, ihre Forschungsergebnisse<br />

nach didaktischen Grundsätzen für<br />

die Lehre aufzubereiten.<br />

Grundfragen historischer<br />

<strong>Bildung</strong> und historischen<br />

Lernens<br />

E<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> wesentlichsten historischen<br />

Dimensionen ist die Zeit. Menschen<br />

s<strong>in</strong>d darauf angewiesen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit e<strong>in</strong>en<br />

S<strong>in</strong>n zu verleihen. Im Rahmen dieser<br />

S<strong>in</strong>nstiftung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitachse erfahren<br />

wir D<strong>in</strong>ge, wir <strong>de</strong>uten sie, wir orientieren<br />

uns neu und wir erwerben I<strong>de</strong>ntität.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft f<strong>in</strong><strong>de</strong>t diese<br />

Versicherung an <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Biografie<br />

ihre Fortsetzung. Epochen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />

s<strong>in</strong>d ständig Gegenstand<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Erörterung und Bewertung. Täglich<br />

wer<strong>de</strong>n Themen unserer jüngeren<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> jüngsten Vergangenheit aufgegriffen<br />

und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Medien behan<strong>de</strong>lt.<br />

Sie bee<strong>in</strong>flussen maßgeblich die Diskurse<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit.<br />

Soldat<strong>in</strong>nen und Soldaten müssen<br />

heute dazu fähig se<strong>in</strong>, an diesen Diskursen<br />

ihren Möglichkeiten entsprechend<br />

teilzunehmen. Für Werte an<strong><strong>de</strong>r</strong>swo<br />

e<strong>in</strong>zutreten erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, selbst<br />

auf sicherem Bo<strong>de</strong>n zu stehen und e<strong>in</strong>en<br />

eigenen Bewertungsmaßstab gewonnen<br />

zu haben.<br />

<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> setzt genau hier<br />

an. Es geht darum, diesen Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

eigenen und gesellschaftlichen S<strong>in</strong>nvermittlung<br />

kritisch zu begleiten und<br />

ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e lebenslange Form <strong>de</strong>s Lernens<br />

umzumünzen. Dazu muss zunächst<br />

Klarheit darüber herrschen,<br />

was bei relevanten Ereignissen genau<br />

passiert ist. Geschehenes muss von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft anhand<br />

von Quellen rekonstruiert wer<strong>de</strong>n; dabei<br />

ist im Auge zu behalten, dass Ereignisse<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit fast immer<br />

kulturell, politisch, technisch, rechtlich<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiös bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d. Und es<br />

ist s<strong>in</strong>nvoll, die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Akteure<br />

offenzulegen. Ferner ist die Frage, ob<br />

4 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Zur <strong>in</strong>terkulturellen Kompetenz<br />

gehören auch die Kenntnisse von<br />

Geschichte und Kultur e<strong>in</strong>es Lan<strong>de</strong>s.<br />

Bei Auslandse<strong>in</strong>sätzen <strong>de</strong>utscher<br />

Soldaten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Krisenregionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Er<strong>de</strong> entschei<strong>de</strong>t u.a. diese Kompetenz<br />

über Erfolg o<strong><strong>de</strong>r</strong> Misserfolg ausländischen<br />

Engagements. Im Bild: Deutsche<br />

Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> ISAF-Frie<strong>de</strong>nstruppe<br />

sprechen während e<strong>in</strong>er Patrouille<br />

<strong>in</strong> Cakolc nahe Faisabad mit <strong>de</strong>n<br />

Dorfbewohnern. Aufnahme vom<br />

19.4.2005.<br />

<strong>de</strong>nn alles so hätte kommen müssen,<br />

wie es tatsächlich gekommen ist, von<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, <strong>de</strong>nn sie<br />

öffnet <strong>de</strong>n Blick auf mögliche Alternativen<br />

<strong>de</strong>s Geschehenen. S<strong>in</strong>d diese<br />

Schritte <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>ordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ereignisse<br />

vollzogen, so kann es ge<strong>de</strong>utet und<br />

<strong>in</strong>terpretiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Was also lehrt uns Geschichte? »Wenn<br />

Brutus Cäsar umbr<strong>in</strong>gt, so lernen wir<br />

daraus, dass verdiente Staatsleute besser<br />

vor Terroristen mit nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en Motiven geschützt<br />

wer<strong>de</strong>n sollten. O<strong><strong>de</strong>r</strong> lernen wir<br />

daraus, dass es Situationen gibt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />

blutiger Kampf gegen das erkannte Böse<br />

unvermeidlich und gerecht ist?«<br />

Es kann nicht darum gehen, praktischen<br />

Nutzen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte zu<br />

ziehen, vielmehr wirkt sie durch ihren<br />

<strong>in</strong>neren Nutzen. Hierzu bemerkte<br />

Oberst Dr. Hans-Meier Welcker, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

erste Amtschef <strong>de</strong>s Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamtes (MGFA):<br />

»Unsere Skepsis h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong>smöglichkeit<br />

durch Geschichte bezieht sich<br />

<strong>de</strong>nn auch nicht auf die Geschichte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auf uns selbst. Es mag se<strong>in</strong>, dass die<br />

Geschichte nicht mehr Enthusiasmus erwecken<br />

kann (nach Goethe das Beste, was<br />

sie zu geben vermag). Wenn ihr überhaupt<br />

noch e<strong>in</strong> <strong>Bildung</strong>swert zugestan<strong>de</strong>n wird<br />

[...], dann kann er nur dar<strong>in</strong> bestehen, <strong>de</strong>n<br />

Menschen ständig sich selbst gegenüberzustellen,<br />

ihn an se<strong>in</strong>e Möglichkeiten und<br />

se<strong>in</strong>e Grenzen zu er<strong>in</strong>nern, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Verstrickungen und Abhängigkeiten, aber<br />

auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Freiheit zu zeigen. Ist dies<br />

irgendwo <strong>de</strong>utlicher möglich als <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kriegsgeschichte? Freilich muss man dazu<br />

zum Wesen <strong>de</strong>s Geschehens durchdr<strong>in</strong>gen.<br />

Das Denken im Ganzen bleibt immer das<br />

Gegenstück zum Han<strong>de</strong>ln im e<strong>in</strong>zelnen.«<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte wer<strong>de</strong>n wir also<br />

»nicht sowohl klug für e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>mal<br />

als weise für immer«, wie es <strong><strong>de</strong>r</strong> be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />

Historiker Jacob Burckhardt<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />

ausgedrückt hat.<br />

Ohne e<strong>in</strong>e soli<strong>de</strong> Grundlagenforschung<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichtsschreibung<br />

ist an e<strong>in</strong>en verantwortbaren<br />

Unterricht nicht zu <strong>de</strong>nken. Deshalb<br />

orientieren sich die Maßnahmen <strong>de</strong>s<br />

historischen Unterrichtes und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> an <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung; diese wer<strong>de</strong>n<br />

beispielsweise vom MGFA erarbeitet<br />

<strong>in</strong> Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagen- und Ressortforschung;<br />

das MGFA stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em auch Medien<br />

für die historische <strong>Bildung</strong> bereit.<br />

Militärgeschichte und<br />

<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

Nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg musste<br />

nicht nur mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> 1955/56<br />

e<strong>in</strong> völliger Neuanfang gewagt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zehn <strong>Jahre</strong> lang hatte es ke<strong>in</strong>e<br />

<strong>de</strong>utschen Streitkräfte gegeben. Sofern<br />

die <strong>de</strong>utsche Kriegführung im Zweiten<br />

Weltkrieg überhaupt e<strong>in</strong> Thema <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>teressierten Kreisen darstellte, war<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Erforschung <strong>in</strong> Verantwortung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten betrieben wor<strong>de</strong>n.<br />

Oberstleutnant a.D. Dr. Hans-Meier<br />

Welcker kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Bitte se<strong>in</strong>es Kriegskamera<strong>de</strong>n<br />

Ulrich <strong>de</strong> Maizière nach und<br />

besprach mit diesem im Amt Blank,<br />

<strong>de</strong>m Vorläufer <strong>de</strong>s Verteidigungsm<strong>in</strong>isteriums,<br />

<strong>de</strong>n Aufbau e<strong>in</strong>es militärhistorischen<br />

Forschungsamtes <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Streitkräfte. Dieses sollte<br />

die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> bewaffneten Mächte<br />

erforschen. Die beg<strong>in</strong>nen<strong>de</strong> Rückführung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Akten durch die Westalliierten<br />

stellte die Grundlage für e<strong>in</strong>e<br />

quellenkritische Grundlagenforschung<br />

dar. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung von Meier-<br />

Welcker sollte das Amt e<strong>in</strong>e Brücke<br />

schlagen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte zum gegenwärtigen<br />

militärischen Leben und<br />

von <strong>de</strong>n gegenwärtigen militärischen<br />

Interessen zur Geschichtswissenschaft.<br />

Bereits zu diesem Zeitpunkt wur<strong>de</strong><br />

festgehalten, dass das neue Amt Unterrichtsmaterialien<br />

für die Vermittlung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Militär- und Kriegsgeschichte<br />

an <strong>de</strong>n Aka<strong>de</strong>mien und Schulen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> bereitstellen sowie Verantwortung<br />

für die Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Lehrer für diesen Unterricht tragen<br />

sollte.<br />

Als 1956 die Militär- und Kriegsgeschichte<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Unterrichtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Führungsaka<strong>de</strong>mie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierschulen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> aufgenommen<br />

wur<strong>de</strong>, zeigte sich, dass man es<br />

mit e<strong>in</strong>em schweren Unterfangen zu<br />

tun hatte, <strong>de</strong>nn ohne Frage bil<strong>de</strong>ten<br />

dieses Fach und auch die traditionellen<br />

Vorstellungen davon nach wie vor<br />

<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n für das soldatische Selbstverständnis,<br />

für die I<strong>de</strong>ntität auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

neuen Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. Nur<br />

schien es Meier-Welcker nicht mehr<br />

möglich zu se<strong>in</strong>, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

<strong>de</strong>utschen Heeren <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vergangenheit praktizierten Metho<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> praktischen Nutzanwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kriegsgeschichte fortzufahren – dies<br />

u.a. nicht zuletzt <strong>de</strong>swegen, weil sich<br />

die Ersche<strong>in</strong>ungsformen e<strong>in</strong>es mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen,<br />

nuklearen Bed<strong>in</strong>gungen unterworfenen<br />

Krieges radikal von <strong>de</strong>m<br />

entfernt hatten, was bisher <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />

gewesen war. Konkrete Handlungsorientierung<br />

konnte daher nicht das<br />

Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Stun<strong>de</strong> se<strong>in</strong>. Eher musste<br />

neben das Verstehen <strong>de</strong>s Wesens<br />

militärischer Führung und <strong><strong>de</strong>r</strong> Operation<br />

die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen bewaffneten<br />

Macht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verhältnis<br />

zu Staat und Gesellschaft treten, und<br />

dies musste über <strong>de</strong>n nationalen Rahmen<br />

h<strong>in</strong>aus geschehen. Meier Welcker<br />

kämpfte um die »ganzheitliche Sicht«,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sich die Militärgeschichte zuzuwen<strong>de</strong>n<br />

habe.<br />

Der militärhistorische Unterricht entwickelte<br />

sich als e<strong>in</strong>e Mischung aus<br />

bei<strong>de</strong>n Aspekten. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtung<br />

kamen alle wesentlichen Komponenten<br />

e<strong>in</strong>er auf das Militär zugeschnittenen<br />

Pädagogik, nämlich Ausbildung,<br />

<strong>Bildung</strong> und Erziehung, zum Tragen.<br />

Trotz unterschiedlicher Vorstellungen<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Teilstreitkräften e<strong>in</strong>igte man<br />

sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n späten 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>n auf<br />

die Zeit von 1648 bis 1945 als Schwerpunkt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> General- und Admiralstabsoffiziere<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> stan<strong>de</strong>n die Taktik<br />

und Truppenführung im Mittelpunkt.<br />

Der Militärgeschichte wur<strong>de</strong> im Lehrplan<br />

e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung zu diesen<br />

Fächern zugewiesen. Sie hatte »Lehren<br />

aus <strong>de</strong>n letzten Kriegen und Feldzügen<br />

zu vermitteln und jene Elemente<br />

<strong>de</strong>s Krieges darzustellen, die vor allem<br />

für Taktik und Logistik von bleiben<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Be<strong>de</strong>utung s<strong>in</strong>d.« Mit <strong>in</strong>sgesamt<br />

38 Stun<strong>de</strong>n pro Lehrgang seit <strong>de</strong>n<br />

Lehrgängen von 1957 war sie gewichtig<br />

vertreten und rangierte sozusagen<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

5


<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

Helmut Schmidt, Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>ister <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verteidigung von 1969 bis 1972.<br />

Porträtaufnahme von 1971.<br />

<br />

General Harald Wust,<br />

General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

von 1976 bis 1978.<br />

als Kernfach. Diese Fixierung auf die<br />

Taktik verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich jedoch mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

durch General Adolf Heus<strong>in</strong>ger, <strong>de</strong>m<br />

ersten General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>,<br />

erlassenen »Weisung für die geme<strong>in</strong>same<br />

Ausbildung an <strong><strong>de</strong>r</strong> Führungsaka<strong>de</strong>mie«<br />

vom 4. Mai 1959.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />

Führung als e<strong>in</strong>er komplexen,<br />

unter neuzeitlichen politischen und<br />

technischen Bed<strong>in</strong>gungen anspruchsvollen<br />

Leistung <strong>de</strong>s Führernachwuchses<br />

avancierte <strong><strong>de</strong>r</strong> militärhistorische<br />

Unterricht zu e<strong>in</strong>er »unerlässlichen<br />

Grundlage für das Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

militärischen Führung« und kam damit<br />

<strong>in</strong> die Nähe <strong>de</strong>sjenigen Verständnisses,<br />

das auch heute noch Gültigkeit<br />

besitzt. Zugleich wur<strong>de</strong> dabei die Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bildung</strong>sgedankens für<br />

<strong>de</strong>n Offizierberuf wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgegriffen<br />

und diskutiert.<br />

En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 1960er <strong>Jahre</strong> hatte man<br />

sich also auf e<strong>in</strong>en mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Modus<br />

und Standort <strong>de</strong>s militärgeschichtlichen<br />

Unterrichts im Kanon <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>s<br />

Offiziernachwuchses, gee<strong>in</strong>igt.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschulen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> erfolgten weitere Impulse.<br />

Für die unter Verteidigungsm<strong>in</strong>ister<br />

Helmut Schmidt mit klaren<br />

und weitreichen<strong>de</strong>n Zielen angetretenen<br />

Reformer zu Beg<strong>in</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> 1970er<br />

<strong>Jahre</strong> kam es darauf an, die Streitkräfte<br />

nachhaltig umzugestalten. Die Berufsbil<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere und Offiziere<br />

wur<strong>de</strong>n neuen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen angepasst.<br />

Gegen die Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> von<br />

Traditionalisten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>m Studium das Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsprofil<br />

e<strong>in</strong>es mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen, professionell han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

und <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Offiziers zugrun<strong>de</strong>gelegt,<br />

das die durchaus noch<br />

vorhan<strong>de</strong>nen Vorstellungen e<strong>in</strong>es Offiziers<br />

ablöste, bei <strong>de</strong>m Ges<strong>in</strong>nung und<br />

Habitus im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stand. Die<br />

Hochschulen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> boten<br />

als Wahlpflichtfach und im Rahmen<br />

<strong>de</strong>s Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Anleitstudiums (EGA)<br />

Geschichte an.<br />

Der wissenschaftlichen Beschäftigung<br />

mit Geschichte wur<strong>de</strong>n erste<br />

Türen geöffnet, jedoch noch ohne eigenständigen<br />

Abschluss <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachdiszipl<strong>in</strong>.<br />

Dies erfolgte erst mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erweiterung <strong>de</strong>s Fächerangebotes <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

bei<strong>de</strong>n Universitäten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

durch die E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Studienfächer<br />

»Geschichte« (Hamburg) und<br />

»Staatswissenschaften« (München). Der<br />

<strong>in</strong>itiierte Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nisierungsschub durch<br />

universitäre <strong>Bildung</strong> für die Streitkräfte<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuwachs an Professionalität<br />

für <strong>de</strong>n Offizierberuf können<br />

rückblickend nicht hoch genug e<strong>in</strong>geschätzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Damit waren die<br />

Voraus setzungen geschaffen, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Offizierberuf als gleichrangig mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

aka<strong>de</strong>mischen Berufen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gesellschaft anerkannt und vor allem<br />

auch für junge Bewerber attraktiv wer<strong>de</strong>n<br />

konnte.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1978 machte <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrbeauftragte<br />

<strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />

se<strong>in</strong>e For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>utlich, <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen<br />

<strong>Bildung</strong> verstärkt Aufmerksamkeit<br />

zu schenken. General Harald<br />

Wust als General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

schloss sich dieser For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

an:<br />

»Diese skizzenhaft geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>te Be<strong>de</strong>utung<br />

geschichtlicher und militärhistorischer<br />

Forschung <strong>in</strong> unserer Zeit bed<strong>in</strong>gt,<br />

dass die Forschungsergebnisse auch zu<br />

<strong>de</strong>n Grundlagen <strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierausbildung<br />

gehören müssen. Denn Geschichtswissenschaft<br />

schult, <strong>in</strong> Gesamtzusammenhängen<br />

zu <strong>de</strong>nken, historisch und politisch<br />

bpk / Kurt Rohwed<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

selbständig zu urteilen und sie zw<strong>in</strong>gt<br />

zur Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit Vergangenheit<br />

und Gegenwart, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Kausalität<br />

zu begreifen ist. Die täglichen Aufgaben<br />

<strong>de</strong>s Offizierberufes, nicht wissenschaftliche<br />

Grün<strong>de</strong> br<strong>in</strong>gen es mit sich, dass auch<br />

historisches Wissen und Denken gelehrt<br />

wer<strong>de</strong>n muss.«<br />

Im selben Jahr folgte im Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt (zur Grün -<br />

dungsgeschichte <strong>de</strong>s MGFA siehe <strong>de</strong>n<br />

Beitrag von Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k <strong>in</strong> diesem<br />

Heft sowie die Rubrik »Militärgeschichte<br />

im Bild«) die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Abteilung Ausbildung – Information<br />

– Fachstudien (AIF), die seit<strong>de</strong>m auf<br />

wissenschaftlicher Basis beruhen<strong>de</strong><br />

Bei träge für die Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten<br />

erarbeitet und bereitstellt.<br />

Die Fähigkeit, <strong>in</strong> historischen Dimen<br />

sionen zu <strong>de</strong>nken, wird heute –<br />

nicht zuletzt angesichts steigen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an e<strong>in</strong>e Armee im<br />

E<strong>in</strong>satz – zum Gradmesser und Prüfste<strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bewährung <strong>in</strong> zahlrei chen<br />

Verwendungen. Daher entschloss sich<br />

beispielsweise die Heeresunter offi zierschule,<br />

bis zum <strong>Jahre</strong> 2003 Militärgeschichte<br />

als Unterrichtsfach e<strong>in</strong> zu führen,<br />

sodass jetzt alle Teilstreitkräfte<br />

bpa/Bun<strong>de</strong>sbildstelle/Ulrich Wienke<br />

6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


ihren Unteroffiziernachwuchs <strong>in</strong> diesem<br />

Fach schulen.<br />

Die bislang letzte Initiative für e<strong>in</strong>e<br />

Verstärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen <strong>Bildung</strong><br />

stellt die »Weisung zur Intensivierung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> historischen <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Streitkräften«<br />

<strong>de</strong>s General<strong>in</strong>spekteurs von<br />

1994 dar. Sie enthält als erste ihrer Art<br />

konkrete Lernziele für die Ausbildung<br />

militärischer Führer und hebt erneut<br />

die Verantwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />

Vorgesetzten für die Vermittlung historischer<br />

<strong>Bildung</strong> hervor. Dies ist <strong>de</strong>swegen<br />

von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Be<strong>de</strong>utung, weil<br />

es die Eigenart historischen Lernens<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte immer<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Lernräumen unterschiedlichster<br />

Art zu stellen. Dialog und Reflexion<br />

über historische Sachverhalte<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verankerung und Verarbeitung<br />

im historischen Bewusstse<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d<br />

dabei <strong>de</strong>njenigen Formen <strong>de</strong>s Lernens<br />

überlegen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong> auf<br />

sich alle<strong>in</strong> gestellt ist. Daher ist historische<br />

<strong>Bildung</strong> nur dort mit Aussicht<br />

auf nachhaltigen Erfolg beheimatet,<br />

wo sich Vorgesetzte ihren Soldat<strong>in</strong>nen<br />

und Soldaten sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Bedürfnissen<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Absicht zuwen<strong>de</strong>n, solche<br />

Prozesse gezielt anzuregen.<br />

Blicke <strong>in</strong> die Zukunft<br />

E<strong>in</strong> Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung »Ausbildung, Information, Fachstudien« <strong>de</strong>s MGFA ist das<br />

Modul E<strong>in</strong>satzunterstützung (MEU). Das MEU erstellt u.a. historische <strong>Bildung</strong>sund<br />

Lernhilfen für die Kont<strong>in</strong>gente im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satzvorbereitung. Im Bild:<br />

Das Team MEU erarbeitet <strong>de</strong>n Inhalt für <strong>de</strong>n »Wegweiser zur Geschichte. Kongo«<br />

(2006 erschienen).<br />

MGFA<br />

<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> ist also nicht nur<br />

e<strong>in</strong>e Sache <strong>de</strong>s Angebots, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bedarf<br />

ebenso e<strong>in</strong>er entsprechen<strong>de</strong>n Aufbereitung<br />

für die jeweilige Zielgruppe.<br />

Gleichwohl gilt es, unterschiedliche<br />

Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldat<strong>in</strong>nen und<br />

Soldaten zu erweitern o<strong><strong>de</strong>r</strong> gezielt<br />

auszubil<strong>de</strong>n. Gleichzeitig geht es aber<br />

auch darum, e<strong>in</strong>en Beitrag zu leisten,<br />

<strong>de</strong>n politisch mündigen Bürger, <strong>de</strong>n<br />

die Innere Führung als Leitbild voranstellt,<br />

immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verwirklichen.<br />

Dies ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Transformation<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte von elementarer<br />

Be<strong>de</strong>utung. Die Soldat<strong>in</strong>nen und Soldaten<br />

müssen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Werteordnung,<br />

für die sie e<strong>in</strong>stehen und für die sie<br />

gegebenenfalls erhebliche Opfer br<strong>in</strong>gen<br />

müssen, überzeugt se<strong>in</strong>. Interkulturelle<br />

Kompetenz soll sie unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />

dazu befähigen, verschie<strong>de</strong>ne<br />

Dimensionen <strong>de</strong>s Frem<strong>de</strong>n, das An<strong><strong>de</strong>r</strong>sse<strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> An<strong><strong>de</strong>r</strong>en, vor allem <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satzgebieten, zu erkennen und<br />

zu ertragen. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe »Wegweiser<br />

zur Geschichte« steht <strong>de</strong>m Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt neuerd<strong>in</strong>gs<br />

e<strong>in</strong> Mittel zur Verfügung, das<br />

auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitete<br />

Beiträge für alle gegenwärtigen<br />

E<strong>in</strong>satzgebiete <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

bereithält. Darüber h<strong>in</strong>aus wen<strong>de</strong>t sich<br />

aber diese Reihe generell Krisenregionen<br />

zu. Ihr Wert liegt im <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Blick auf Regionen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt,<br />

die für uns von Be<strong>de</strong>utung s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>nen historische Ereignisse bis heute<br />

fortwirken, manchmal auch jene, an<br />

<strong>de</strong>nen Deutsche <strong>in</strong> vergangener Zeit<br />

rühmlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> unrühmlich beteiligt<br />

gewesen s<strong>in</strong>d.<br />

Die Tatsache, dass seriöse, aber auch<br />

unseriöse Anbieter von Geschichte<br />

heute vor allem im Internet vertreten<br />

s<strong>in</strong>d, ist e<strong>in</strong>e weitere Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sich die historische <strong>Bildung</strong> stellen<br />

muss – <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> selbst, aber<br />

ebenso auch <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en staatlichen <strong>Bildung</strong>se<strong>in</strong>richtungen.<br />

Es beg<strong>in</strong>nt mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Medienkompetenz, <strong><strong>de</strong>r</strong> Fähigkeit<br />

also, zwischen seriösen und unseriösen<br />

Angeboten zu unterschei<strong>de</strong>n: Lernen<strong>de</strong><br />

im Internet, die sich meistens<br />

ohne fachliche Anleitung durch dieses<br />

Medium h<strong>in</strong>durchnavigieren, müssen<br />

mit Geschichtspräsentationen versorgt<br />

wer<strong>de</strong>n, die fachdidaktischen Pr<strong>in</strong>zipien<br />

entsprechen.<br />

E<strong>in</strong> seit <strong>Jahre</strong>n <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

präsentes Medium, das sich an Interessierte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichte und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte richtet, ist die<br />

»Militärgeschichte. Zeitschrift für historische<br />

<strong>Bildung</strong>«. Auch außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Streitkräfte besitzt sie e<strong>in</strong>e breite Leserschaft.<br />

E<strong>in</strong> wichtiger Lernraum <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geschichte ist nach wie vor das Museum.<br />

Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> besitzt zwei Militärmuseen:<br />

das Luftwaffenmuseum<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Gatow und das Militärhistorische<br />

Museum <strong>in</strong> Dres<strong>de</strong>n. Letzteres<br />

wird als Leitmuseum <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

bis zum <strong>Jahre</strong> 2010 mit großem Aufwand<br />

zu e<strong>in</strong>em Militärmuseum umgestaltet,<br />

das <strong>in</strong>ternationalen Standards<br />

genügen wird.<br />

Die historische <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

wird künftig <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalität<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> militärhistorischen Forschung<br />

folgen müssen. Dabei muss<br />

sich vermehrt <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick auf das zusammenwachsen<strong>de</strong><br />

Europa richten. Wir<br />

müssen erkennen, wie es <strong>in</strong> Europa<br />

zu diesem Glücksfall <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />

kommen konnte: e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft<br />

freier, prosperieren<strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong>in</strong> Sicherheit<br />

mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> leben<strong><strong>de</strong>r</strong> Staaten.<br />

Literaturtipps<br />

Hans-Hubertus Mack<br />

Detlef Bald, Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. E<strong>in</strong>e kritische Geschichte<br />

1955–2005, München 2005<br />

Stefan Jordan, Tatsächlichkeit und Möglichkeit.<br />

Über Grenzen und Chancen e<strong>in</strong>er geschichtswissenschaftlichen<br />

Prognostik. In: Roland Kaestner (Hrsg.),<br />

<strong>Historische</strong> Trendanalyse – Vergangenheit verstehen<br />

– Zukunft gestalten, München: Zentrum für<br />

Transformation <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> 2004, S. 77–82<br />

Friedhelm Kle<strong>in</strong>, Militärgeschichte <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland. In: Militärgeschichte <strong>in</strong> Deutschland<br />

und Österreich vom 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t bis <strong>in</strong> die<br />

Gegenwart, Herford 1985 (= Vorträge zur<br />

Militärgeschichte, 6), S. 183–214<br />

Hans Meier-Welcker, Soldat und Geschichte,<br />

Freiburg i.Br. 1976<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

7


Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />

Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />

Auf <strong>de</strong>m Weg zu e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Militärgeschichte<br />

MGFA / Maurice Woynoski<br />

E<strong>in</strong> Amt als Spiegel<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte?<br />

Mit m<strong>in</strong>isterieller Weisung<br />

vom 5. Juli 1956 wur<strong>de</strong> Anfang<br />

1957 <strong>in</strong> Langenau bei<br />

Ulm e<strong>in</strong>e »Militärgeschichtliche Forschungsstelle«<br />

e<strong>in</strong>gerichtet. Im Januar<br />

1958 erfolgte die Umbenennung <strong>in</strong><br />

»Militärgeschichtliches Forschungsamt«<br />

(MGFA) und im Oktober <strong>de</strong>sselben<br />

<strong>Jahre</strong>s bezog das Amt se<strong>in</strong>en neuen<br />

Dienstort <strong>in</strong> Freiburg im Breisgau,<br />

bis es 1994 an se<strong>in</strong>en jetzigen Standort<br />

Potsdam verlegt wur<strong>de</strong>.<br />

Mit diesen dürren Daten könnte<br />

die Geschichte e<strong>in</strong>er Dienststelle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> umrissen wer<strong>de</strong>n, die<br />

trotz ihres vergleichsweise ger<strong>in</strong>gen<br />

Personal bestands von kaum mehr als<br />

100 Mitarbeitern die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gesamtorganisation <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, ja<br />

die <strong>de</strong>utsche Nachkriegsgeschichte <strong>in</strong><br />

vielerlei H<strong>in</strong>sicht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt. Dies<br />

hat se<strong>in</strong>en Grund: Denn die jüngere<br />

<strong>de</strong>utsche Militärgeschichte, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erforschung<br />

und Darstellung die Aufgabe<br />

<strong>de</strong>s Amtes ist, verknüpft sich<br />

untrennbar mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Katastrophe<br />

von 1933 bis 1945, und diese<br />

ist ohne e<strong>in</strong>en Blick auf das Militär<br />

und <strong>de</strong>n Militarismus nicht darstellbar.<br />

Für das Amt lag von Anfang an<br />

auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand, dass es mit se<strong>in</strong>en Publikationen<br />

e<strong>in</strong> verm<strong>in</strong>tes Gebiet betrat.<br />

Die Kontroversen um vor<strong><strong>de</strong>r</strong>gründig<br />

nicht selten trocken ersche<strong>in</strong>en<strong>de</strong> Themen<br />

wie Forschungskonzeptionen und<br />

Fachpublikationen zeigen, dass es <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n MGFA-Geschichte um<br />

mehr g<strong>in</strong>g als nur um die Geschichte<br />

dieses Amtes selbst.<br />

Denn <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Maße, wie sich die Geschichte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen um<br />

<strong>de</strong>n Themenkomplex Sicherheitspolitik<br />

und Streitkräfte wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt, fokussiert<br />

die Geschichte <strong>de</strong>s Amtes verschie<strong>de</strong>ne<br />

Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> (west)<strong>de</strong>utschen<br />

Gesellschaft wie unter e<strong>in</strong>em Brennglas.<br />

Gera<strong>de</strong> die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichtsschreibung<br />

vollzog sich<br />

nicht im gesellschaftsfernen Elfenbe<strong>in</strong>turm,<br />

im Gegenteil. Sie ist e<strong>in</strong>e Folge<br />

von Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen: zwischen<br />

<strong>de</strong>n Forschern, zwischen diesen und<br />

Zeitzeugen. Sie ist auch e<strong>in</strong>e Wahrnehmungsgeschichte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> vielfältigen<br />

Zielgruppen, die militärgeschichtliche<br />

Publikationen zur Kenntnis nehmen:<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> universitären Wissenschaft<br />

über die Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> bis<br />

h<strong>in</strong> zur geschichts<strong>in</strong>teressierten Öffentlichkeit<br />

und <strong>de</strong>n sie <strong>in</strong>formieren<strong>de</strong>n<br />

Medien. Dabei nimmt das MGFA<br />

e<strong>in</strong>e Brückenfunktion zwischen <strong>de</strong>n<br />

Bedarfsträgern <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

»zivilen« Geschichtswissenschaft e<strong>in</strong>.<br />

Der hierfür erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Brückenschlag<br />

vollzog sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n<br />

Jahrzehnten <strong><strong>de</strong>r</strong> Amtsgeschichte<br />

– nicht selten gegen mannigfaltige Wi-<br />

8 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Die Villa Ingenheim <strong>in</strong> Potsdam,<br />

Sitz <strong>de</strong>s Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamtes seit 1994.<br />

<br />

Das Dienstgebäu<strong>de</strong><br />

<strong>in</strong> Langenau bei Ulm,<br />

1957.<br />

Fotos: Sammlung Petter / MGFA<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong>. Ihn zu vollbr<strong>in</strong>gen, war<br />

wesentlich die Leistung <strong>de</strong>s ersten<br />

Amtschefs und <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten bei<strong>de</strong>n Generationen<br />

von Militärhistorikern mit<br />

und ohne Uniform. Gera<strong>de</strong> die Verortung<br />

<strong>de</strong>s Amtes <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

warf ja die Frage auf, ob <strong>de</strong>nn e<strong>in</strong>e objektive<br />

Erforschung <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngeren Militärgeschichte<br />

nach wissenschaftlichen<br />

Kriterien – und damit auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenhänge<br />

von Militär, Militarismus<br />

und Nationalsozialismus – durch<br />

e<strong>in</strong>e militärische Dienststelle angemessen<br />

zu realisieren sei. Zu sehr wirkte<br />

auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachkriegszeit die oft<br />

apologetische Verbrämung von Heer<br />

und Krieg durch die »Kriegsgeschichte«<br />

nach Art <strong>de</strong>s preußischen Großen<br />

Generalstabs <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaiserzeit nach; zu<br />

sehr war noch die »Wehrgeschichte«<br />

<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Vertreter ihre<br />

Aufgabe dar<strong>in</strong> gesehen hatten, auch<br />

die (Geschichts-)Wissenschaft zur geistigen<br />

Waffe im rasseni<strong>de</strong>ologisch angetriebenen<br />

Weltanschauungskrieg<br />

umzuschmie<strong>de</strong>n.<br />

Das nährte nach <strong>de</strong>m Neubeg<strong>in</strong>n<br />

ab 1945 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zivilen Welt bisweilen<br />

e<strong>in</strong>en fatalen Verdacht gegenüber<br />

<strong>de</strong>n Vertretern e<strong>in</strong>er möglicherweise<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> »offiziellen« Militärgeschichte:<br />

Diese könnten sich erneut vor allem an<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> praktischen Nutzenorientierung<br />

auf die Erforschung von Feldzügen<br />

und Schlachten beschränken, um herauszuf<strong>in</strong><strong>de</strong>n,<br />

wie es im kommen<strong>de</strong>n<br />

Krieg besser zu machen sei. Im Zeitalter<br />

<strong>de</strong>s Kalten Krieges mit se<strong>in</strong>er<br />

drohen<strong>de</strong>n atomaren Apokalypse gab<br />

es gute Grün<strong>de</strong> dafür, dieses Ziel für<br />

überholt zu halten. Zugleich erforschten<br />

die Historiker <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachkriegszeit<br />

die Entstehung und Funktionsmechanismen<br />

<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Militarismus<br />

und korrigierten dabei manche politisch-historischen<br />

Legen<strong>de</strong>n, die von<br />

Kaiserzeit über Weimarer Republik<br />

bis zur NS-Zeit als Dogma gehan<strong>de</strong>lt<br />

<br />

Angehörige <strong>de</strong>s Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamtes bei e<strong>in</strong>er historischen<br />

Gelän<strong>de</strong>besprechung am 11. Juni 1959<br />

zur »Schlacht bei Freiburg 1644«, v.l.n.r.:<br />

Brausch, Hans Black, Hans Meier-Welcker,<br />

Gerhard Papke, Müller, Wiegand Schmidt-<br />

Richberg und Harnisch.<br />

wor<strong>de</strong>n waren und die sich nun, nach<br />

1945, als obsolet erwiesen hatten.<br />

Naturgemäß war die Verquickung<br />

von nationalen Mythen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle<br />

<strong>de</strong>utscher Armeen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s eng, war<br />

doch durch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Waffen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Kriegen<br />

1864 bis 1871 die <strong>de</strong>utsche E<strong>in</strong>heit<br />

erkämpft wor<strong>de</strong>n. Im selben Maße,<br />

wie die Heroisierung <strong>de</strong>utscher Streitkräfte<br />

vor 1945 betrieben wor<strong>de</strong>n war,<br />

fiel nunmehr <strong><strong>de</strong>r</strong>en Stigmatisierung<br />

nach »<strong>de</strong>m Krieg« aus. Zusätzlich kam<br />

das Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Besatzungsmächte, sich<br />

überhaupt mit Studien zu befassen,<br />

die geeignet erschienen, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />

Militarismus wach zu halten.<br />

Weiterh<strong>in</strong> konnte die Fachwissenschaft<br />

völlig zu Recht behaupten,<br />

dass die bisherige amtliche Militärgeschichtsschreibung<br />

von Kaiserreich,<br />

Weimarer Republik und NS-Staat mit<br />

erheblichen methodischen Mängeln behaftet<br />

gewesen war. Die <strong>de</strong>taillierten<br />

operationslastigen Werke zur Kriegsgeschichte<br />

<strong>de</strong>s Großen Generalstabs o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>s Potsdamer Reichsarchivs (<strong>de</strong> facto<br />

e<strong>in</strong> Heeresarchiv mit Forschungsauftrag)<br />

be<strong>in</strong>halteten für die aka<strong>de</strong>mische<br />

Betrachtung kaum wertvolle Aspekte.<br />

So klammerte die zivile universitäre<br />

Welt <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft das<br />

Thema Militär weitgehend aus. Entsprechend<br />

wuchsen zwar – und mit<br />

gutem Grund – ganze Bibliotheken zur<br />

Thematik <strong>de</strong>s Nationalsozialismus heran;<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweite Weltkrieg selbst und vor<br />

allem se<strong>in</strong>e zweite Hälfte blieben dagegen<br />

merkwürdig im Dunklen. Umgekehrt<br />

operierten Militärhistoriker <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bun<strong>de</strong>srepublik lange Zeit am Ran<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> universitären Wahrnehmung.<br />

Die Anfänge: von Langenau<br />

bis Freiburg im Breisgau<br />

Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Vorbereitungen für<br />

e<strong>in</strong>en west<strong>de</strong>utschen Verteidigungsbeitrag<br />

wur<strong>de</strong> ab Herbst 19<strong>50</strong> das sogenannte<br />

Amt Blank als Teil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>skanzleramtes<br />

e<strong>in</strong>gerichtet. Dieses<br />

war <strong><strong>de</strong>r</strong> Nukleus <strong>de</strong>s künftigen Verteidigungsm<strong>in</strong>isteriums.<br />

Damit bestand<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e organisatorische Grundlage<br />

für e<strong>in</strong>e »amtliche« Militärgeschichtsschreibung.<br />

Bereits En<strong>de</strong> 1951<br />

war im Amt Blank auch e<strong>in</strong> Referat<br />

für »Zeitgeschichte und Wehrwissenschaft«<br />

vorgesehen und se<strong>in</strong>e Leitung<br />

übernahm ab April 1952 Oberstleutnant<br />

i.G. a.D. Dr. Hans Meier-Welcker.<br />

Mit se<strong>in</strong>em Namen verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich<br />

die Konzeption e<strong>in</strong>er Militärgeschichte,<br />

die gleichermaßen wissenschaftlichen<br />

Ansprüchen genügen wie <strong>de</strong>n<br />

Bedarfsträger <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> unterstützen<br />

sollte. Doch waren die Fragen<br />

nach militärischem Nutzen und wissenschaftlicher<br />

Forschungskonzeption<br />

nicht e<strong>in</strong>fach zu lösen. Sie durchzogen<br />

die Amtsgeschichte von <strong>de</strong>n ersten<br />

Konzepten <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong> bis<br />

m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens <strong>in</strong> die1970er <strong>Jahre</strong>.<br />

Entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> planerischen Leitkonzeption<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> war e<strong>in</strong>e<br />

teilstreitkräfteübergreifen<strong>de</strong> Erforschung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte beabsichtigt;<br />

Doppelungen und Reibungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

eifersüchtigen Wehrmachtteile wie vor<br />

1945 sollten so vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. In<br />

Fortführung von – zaghaften – Ten<strong>de</strong>n-<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

9


Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />

E<strong>in</strong>e Abordnung <strong>de</strong>s MGFA zu<br />

Besuch beim Bun<strong>de</strong>s präsi <strong>de</strong>nten,<br />

27. September 1974<br />

(v.l.n.r.: Andreas Hillgruber,<br />

Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt Walter Scheel,<br />

Hans-Erich Volkmann,<br />

Klaus A. Maier, Jürgen Förster,<br />

Wilhelm Deist).<br />

zen <strong>de</strong>s früheren Reichsarchivs wur<strong>de</strong><br />

die personelle Zusammensetzung als<br />

Mischung von zivilen Wissenschaftlern<br />

und aka<strong>de</strong>misch ausgebil<strong>de</strong>ten<br />

Soldaten angestrebt. Als das Amt im<br />

August 1958 nach Freiburg verlegt<br />

wur<strong>de</strong>, umfasste es 39 Personen, darunter<br />

zehn zivile wissenschaftliche<br />

Mitarbeiter und ebenso viele Offiziere.<br />

In Anlehnung an bisherige Lösungen,<br />

aber auch nach <strong>de</strong>m Vorbild <strong>de</strong>s Auswärtigen<br />

Amtes sah die Konzeption<br />

anfangs die Koppelung von militärischer<br />

Forschungse<strong>in</strong>richtung und Archivorganisation<br />

vor. Letztere sollte<br />

aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Dokumentenzentrale <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsstelle<br />

erwachsen und künftig mit <strong>de</strong>m Aktenmaterial<br />

versorgt wer<strong>de</strong>n, das aus<br />

<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten freigegeben<br />

wur<strong>de</strong>. Nach Kriegsen<strong>de</strong> war nämlich<br />

die Masse aller e<strong>in</strong>schlägigen Akten<br />

zum Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt<br />

wor<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e quellenkritische<br />

Forschung war daher anfangs kaum<br />

möglich.<br />

Konnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> streitkräftegeme<strong>in</strong>samen<br />

Militärgeschichtsforschung<br />

auf e<strong>in</strong>en weitgehen<strong>de</strong>n<br />

Konsens <strong><strong>de</strong>r</strong> daran Beteiligten abstützen,<br />

erfolgte über die 19<strong>50</strong>er und<br />

1960er <strong>Jahre</strong> h<strong>in</strong>weg e<strong>in</strong>e Debatte über<br />

Ziel, Ausrichtung und Nutzen von<br />

Militärgeschichte. Schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsphase<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> warf<br />

Meier-Welcker die Frage auf, wie e<strong>in</strong>e<br />

neue Militärgeschichte zu betreiben sei.<br />

Dazu wies er auf e<strong>in</strong>en grundlegen<strong>de</strong>n<br />

Paradigmenwechsel h<strong>in</strong>: Alle<strong>in</strong> schon<br />

wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> völlig verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten (Atom-)<br />

Bewaffnung könnten künftig ke<strong>in</strong>e<br />

praktischen, taktisch-operativen Regeln<br />

mehr aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte für Gegenwart<br />

und Zukunft abgeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Der »applikatorischen Metho<strong>de</strong>«<br />

ganzer Generationen von Kriegshistorikern<br />

erteilte Meier-Welcker damit<br />

e<strong>in</strong>e Absage. Demgegenüber hielt er<br />

die Geschichte und <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> bewaffneten Gewalt für wichtig:<br />

zur Schulung <strong><strong>de</strong>r</strong> Urteilsbildung und<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong> (künftiger)<br />

militärischer Führer. Das führte<br />

zu e<strong>in</strong>er kontroversen Diskussion,<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> vor allem Lehrer <strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierschule<br />

<strong>de</strong>n Anwendungsnutzen historischer<br />

Erkenntnisse betonten.<br />

Der Dualismus von Vertretern e<strong>in</strong>es<br />

»<strong>in</strong>neren Nutzens« e<strong>in</strong>erseits und<br />

Anhängern e<strong>in</strong>es praktischen Ausbildungsnutzens<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits blieb bis <strong>in</strong><br />

die 1980er <strong>Jahre</strong> bestehen. Wenigstens<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s MGFA hatte sich die<br />

Position Meier-Welckers durchgesetzt.<br />

Freilich blieben auch hier traditionelle<br />

Prägungen bemerkbar, die die Offiziere<br />

während ihrer vor <strong>de</strong>m Krieg<br />

erfolgten wissenschaftlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierausbildung<br />

erhalten hatten. Naturgemäß<br />

trafen auch Sozialisationsunterschie<strong>de</strong><br />

aus <strong><strong>de</strong>r</strong> aka<strong>de</strong>mischen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

militärischen Welt im MGFA beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

<strong>de</strong>utlich zutage; dies umso mehr,<br />

als mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 1960er <strong>Jahre</strong><br />

e<strong>in</strong>e kritische Generation von Wissenschaftlern<br />

das Feld betrat. Ihnen<br />

musste die von Zeitzeugen verfasste<br />

bisherige operationslastige Memoirenliteratur<br />

zur jüngeren Zeitgeschichte<br />

als ungenügend ersche<strong>in</strong>en.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung renommierter<br />

Forscher als Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschungsabteilung<br />

wur<strong>de</strong> ab 1968 die Grundlage<br />

dafür gelegt, das MGFA zu etablieren.<br />

Gleichzei tig war mit <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

<strong>de</strong>s Bun <strong>de</strong>sarchivs-Militärarchivs e<strong>in</strong>e<br />

Kom promisslösung gefun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n:<br />

Die Militärakten Preußen-Deutschlands<br />

(seit 1867/71) wur<strong>de</strong>n zwar<br />

nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er MGFA-eigenen<br />

Dokumen tenzentrale verwaltet, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

ganz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Abteilung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarchivs<br />

überführt. Diese zog aber<br />

nach Freiburg und befand sich nun<br />

an <strong>de</strong>m selben Standort wie se<strong>in</strong>e<br />

<br />

1982 wur<strong>de</strong> die<br />

Bilanz e<strong>in</strong>er langen<br />

Diskussion um die<br />

vielfältigen Wege<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Militär ge schichte<br />

gezogen.<br />

Hauptnutzer, die Forscher <strong>de</strong>s MGFA.<br />

Das Amt selbst umfasste im Jahr 1969<br />

98 Personen, unter ihnen 20 zivile wissenschaftliche<br />

Mitarbeiter und 24 Offiziere<br />

mit Forschungsauftrag. Dass sich<br />

unter letzteren auch zehn Offiziere im<br />

Promotionsstudium befan<strong>de</strong>n, zeigt,<br />

dass <strong><strong>de</strong>r</strong> wissenschaftliche Anspruch<br />

durch e<strong>in</strong>e universitäre Nachwuchsqualifikation<br />

e<strong>in</strong>gelöst wur<strong>de</strong>.<br />

Inzwischen war e<strong>in</strong>e Generation<br />

nachgewachsen, die das Verhältnis<br />

von Wehrmacht und NS-Unrechtsstaat<br />

kritisch und ohne selbst <strong>in</strong>s Visier zu<br />

geraten beleuchten konnte und wollte.<br />

Das aber warf die Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

wissenschaftlich angemessenen Metho<strong>de</strong><br />

und <strong>de</strong>n jeweils für wesentlich<br />

gehaltenen Forschungsfragen auf.<br />

Wissenschaftliche Fragen vermengten<br />

sich mit e<strong>in</strong>em Generationenkonflikt;<br />

dieser mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach <strong>de</strong>m <strong>in</strong>neren<br />

Gefüge <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und ihrer Tradition.<br />

Damit stan<strong>de</strong>n auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen<br />

Nachkriegszeit gepflegte Mythen<br />

e<strong>in</strong>er angeblich »makellosen« o<strong><strong>de</strong>r</strong> lediglich<br />

»missbrauchten« Wehrmacht<br />

zur Debatte. Diese Fragen an die Forschung<br />

bee<strong>in</strong>flussten die Konzeption<br />

über Arbeit und Aufgabenstellung <strong>de</strong>s<br />

MGFA <strong>in</strong> sehr direkter Weise.<br />

Sammlung Petter / MGFA<br />

10 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Debatte um <strong>de</strong>n Nutzen<br />

von Militärgeschichte war <strong>de</strong>utlich<br />

gewor<strong>de</strong>n, dass sich das Thema<br />

von Militär und Krieg nicht isoliert<br />

von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Aspekten <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />

beschreiben ließ. Re<strong>in</strong>e Operationsgeschichte<br />

war daher nicht nur <strong>de</strong>swegen<br />

wertlos, weil e<strong>in</strong> direkter Anwendungsnutzen<br />

fehlte; sie führte auch<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache weg, dass Krieg und<br />

Militär ohne die dah<strong>in</strong>ter liegen<strong>de</strong>n<br />

Strukturen von Politik, Gesellschaft,<br />

Wirtschaft und I<strong>de</strong>ologie kaum erklärbare<br />

Phänomene waren und s<strong>in</strong>d.<br />

Diese E<strong>in</strong>sicht wirkte sich vor allem<br />

auf die neue Konzeption für das Reihenwerk<br />

»Das Deutsche Reich und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zweite Weltkrieg« aus. Damit war methodisch<br />

endgültig Abschied von e<strong>in</strong>er<br />

auf »Wehr-« o<strong><strong>de</strong>r</strong> »Kriegsgeschichte«<br />

reduzierten Betrachtung genommen<br />

wor<strong>de</strong>n.<br />

Von nun an vollzog sich die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er »Militärgeschichte <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Erweiterung«: Militärgeschichte<br />

als Wirtschafts-, Sozial-, Mentalitätenund<br />

Kulturgeschichte, durchaus auch<br />

als Geschlechtergeschichte; das s<strong>in</strong>d<br />

Themen, die seit <strong>de</strong>n 1970er <strong>Jahre</strong>n<br />

das Thema Militär <strong>in</strong> immer weiteren<br />

Bezugsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n zeigten. Während die<br />

ersten Publikationen <strong>de</strong>s Amtes noch<br />

Auftragsarbeiten zu taktisch-operativen<br />

Fragestellungen be<strong>in</strong>haltet hatten,<br />

sollte nun die Behandlung <strong>de</strong>s Zweiten<br />

Weltkrieges <strong>in</strong> thematisch und methodisch<br />

umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise erfolgen.<br />

E<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe fasste 1976 die wesentlichen<br />

Ergebnisse dieser Metho<strong>de</strong>n<strong>de</strong>batte<br />

dah<strong>in</strong>gehend zusammen,<br />

dass die »militärgeschichtlichen Gegebenheiten<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Breite ihrer<br />

vielfältigen Ersche<strong>in</strong>ungsformen und<br />

Abhängigkeiten zu betrachten s<strong>in</strong>d;<br />

dass die historisch-kritische Metho<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichtswissenschaften<br />

unabd<strong>in</strong>gbares Merkmal<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung ist; dass die Militärgeschichte<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrierter Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft<br />

ist«.<br />

Nach dieser Metho<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> neben<br />

<strong>de</strong>m Reihenwerk »Das Deutsche Reich<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweite Weltkrieg« auch das<br />

umfassen<strong>de</strong> Werk zu <strong>de</strong>n »Anfängen<br />

west<strong>de</strong>utscher Sicherheitspolitik« ab<br />

1975 bearbeitet, das die im Amt verfolgte<br />

Themenpalette thematisch und<br />

zeitlich <strong>in</strong> die jüngere Gegenwart erweiterte.<br />

Dieser Ansatz wur<strong>de</strong> fortgeführt<br />

mit <strong>de</strong>m Projekt e<strong>in</strong>er Geschichte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im Bündnis und e<strong>in</strong>er<br />

parallel dazu erarbeiteten Reihe zur<br />

Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO. Mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR und ihrer bewaffneten Organe<br />

ergab sich die e<strong>in</strong>malige Chance,<br />

e<strong>in</strong> sehr zeitnahes Thema zu behan<strong>de</strong>ln,<br />

das zugleich e<strong>in</strong>en wichtigen<br />

Lebensabschnitt vieler Menschen <strong>in</strong><br />

Ost<strong>de</strong>utschland prägte. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr<br />

erfolgreichen Reihe »Militärgeschichte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR« konnte so unter konsequenter<br />

Fortführung <strong><strong>de</strong>r</strong> jahrzehntelang<br />

gewachsenen Forschungstradition e<strong>in</strong><br />

Gebiet betreten wer<strong>de</strong>n, das über die<br />

Aufarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit mittelbar<br />

auch e<strong>in</strong>en Beitrag zur <strong>de</strong>utschen<br />

E<strong>in</strong>heit leistet.<br />

Forschung und historische<br />

<strong>Bildung</strong> – Gegensatz und<br />

Ergänzung<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> 1978 erfolgten Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Abteilung AIF – Ausbildung, Information<br />

und Fachstudien – erhielt das<br />

MGFA e<strong>in</strong>e zweite organisatorische<br />

Säule neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung Forschung<br />

unter ihrem Leiten<strong>de</strong>n Historiker. Dass<br />

diese neue Abteilung unter e<strong>in</strong>em Offizier<br />

vorrangig für <strong>de</strong>n Bedarfsträger<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> arbeitete, entlastete<br />

e<strong>in</strong>erseits die Grundlagenforschung,<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits sorgte sie zunächst für<br />

Diskussionen <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s Hauses:<br />

Zu sehr wirkten noch die jeweils <strong>in</strong><br />

Streitkräften und Wissenschaft tradierten<br />

Denkmuster weiter, dass Militärgeschichte<br />

e<strong>in</strong>en praktischen Anwendungsnutzen<br />

mit sich br<strong>in</strong>gen müsse<br />

– o<strong><strong>de</strong>r</strong> dass genau dies auf je<strong>de</strong>n Fall<br />

zu vermei<strong>de</strong>n sei. Dabei kontrastierten<br />

m<strong>in</strong>isteriale Vorstellungen, das<br />

operative Denken zur Erhöhung e<strong>in</strong>er<br />

glaubwürdigen militärischen Abschreckung<br />

vermehrt zu betonen, mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Befürchtung mancher Wissenschaftler,<br />

dadurch – erneut – für taktisch-operative<br />

Zwecke missbraucht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Neben operativ-taktischen Ausbildungsunterlagen<br />

wirkte sich die Abteilung<br />

AIF vor allem bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewältigung<br />

von Publikums-, Presse- und<br />

M<strong>in</strong>isterialanfragen aus. Zu<strong>de</strong>m entstand<br />

hier die Konzeption zur historischen<br />

<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, was<br />

<strong>in</strong> breitgestreuten Publikationen zum<br />

Ausdruck kommt: vom wissenschaftlichen<br />

Sammelband bis zur Präsentation<br />

<strong>in</strong> Neuen Medien. Dazu eröffnete<br />

die <strong>in</strong>haltliche Betreuung <strong>de</strong>s militärgeschichtlichen<br />

Museumswesens e<strong>in</strong><br />

neues Betätigungsfeld. Gera<strong>de</strong> bei kritischen<br />

Aspekten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Streitkräfte<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit war die<br />

organisatorische Nähe zur Abteilung<br />

Forschung unverzichtbar. Auch hier<br />

wirkte die Konzeption Meier-Welckers<br />

nach, die dieser schon 1959 so umschrieben<br />

hatte: »Legen<strong>de</strong>n zu zerstören,<br />

Gültiges festzuhalten und Neues<br />

zu erfassen.«<br />

Das gilt für die historische Forschung<br />

und <strong>Bildung</strong> gleichermaßen. Das gilt<br />

auch für die oft hitzige Diskussion<br />

um die gültige Tradition <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1980er <strong>Jahre</strong>n, die um<br />

die Forschungsergebnisse <strong>de</strong>s MGFA<br />

nicht herumkam. Das gilt für die nochmals<br />

erregte Debatte um die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wehrmacht im »Vernichtungskrieg« <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n 1990er <strong>Jahre</strong>n, als längst bekannte<br />

Forschungsergebnisse <strong>in</strong> nicht immer<br />

glücklicher und methodisch e<strong>in</strong>wandfreier<br />

Weise <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit präsentiert<br />

wur<strong>de</strong>n. Das gilt auch für die seit<br />

1994 erfolgte Etablierung am Wissenschaftsstandort<br />

Potsdam, wo sich so<br />

unterschiedliche Themengebiete wie<br />

etwa die Geschichte von <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

und NVA <strong>in</strong> ihren jeweiligen Bündnissen<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtigen E<strong>in</strong>satzlän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> mit Gew<strong>in</strong>n<br />

für Forschung und <strong>Bildung</strong> bearbeiten<br />

lassen.<br />

Literaturtipps<br />

Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k<br />

Ursula von Gersdorff, Geschichte und Militärgeschichte.<br />

Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung, Frankfurt a.M. 1974<br />

Hans Meier-Welcker, Soldat und Geschichte.<br />

Aufsätze, Boppard a.Rh. 1976<br />

Manfred Messerschmidt u.a. (Hrsg.), Militärgeschichte.<br />

Probleme – Thesen – Wege, Stuttgart 1982<br />

(= Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte, Bd 25)<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

11


<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />

Am 12. November1955 – <strong>de</strong>m 200. Geburtstag <strong>de</strong>s preußischen Heeresreformers Gerhard von Scharnhorst – überreichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>ister für Verteidigung, Theodor Blank, <strong>in</strong> Bonn <strong>de</strong>n ersten 101 Freiwilligen <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen <strong>de</strong>utschen Streitkräfte<br />

die Ernennungsurkun<strong>de</strong>n.<br />

bw / Foto unbekannt<br />

25 <strong>Jahre</strong> »Richtl<strong>in</strong>ien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege«<br />

Je<strong>de</strong>s Jahr am 3. Oktober wird<br />

im bran<strong>de</strong>nburgischen Hei<strong>de</strong>now<br />

auf <strong>de</strong>m »Konrad-A<strong>de</strong>nauer-Platz«<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> »Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen E<strong>in</strong>heit«<br />

begangen. Wie <strong>in</strong> je<strong>de</strong>m Jahr s<strong>in</strong>d<br />

auch Repräsentanten <strong><strong>de</strong>r</strong> örtlichen<br />

Bun <strong>de</strong>swehr-Garnison zu <strong>de</strong>n Feierlichkeiten<br />

e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n. Doch das war<br />

nicht immer so. E<strong>in</strong>ige wenige Soldaten,<br />

die vor ihrer Übernahme <strong>in</strong> die<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> noch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen<br />

Volksarmee <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gedient haben,<br />

können sich daran er<strong>in</strong>nern, dass<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Platz vor 1990 »Len<strong>in</strong>-Platz« hieß.<br />

Damals mussten sie zu <strong>de</strong>n Feierlichkeiten<br />

am »Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Republik« (7. Oktober)<br />

und am »Kampftag <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiterklasse«<br />

(1. Mai) antreten. Kurzfristig<br />

hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Platz sogar <strong>de</strong>n Namen Stal<strong>in</strong>s<br />

getragen. E<strong>in</strong>ige wenige Menschen<br />

<strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>now s<strong>in</strong>d an diesem Platz<br />

noch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht zum »Führer-Geburtstag«,<br />

<strong>de</strong>m 20. April, angetreten.<br />

Das war zwischen 1933 und<br />

1945, <strong><strong>de</strong>r</strong> Platz hieß damals »Adolf-<br />

Hitler-Platz«. Auch vor 1933 fan<strong>de</strong>n<br />

sich hier Soldaten zu diversen Feierlichkeiten<br />

e<strong>in</strong>: von 1922 bis 1932 zum<br />

»Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung« (11. August) auf<br />

<strong>de</strong>m »Platz <strong><strong>de</strong>r</strong> Republik«, noch früher<br />

auf <strong>de</strong>m »Kaiser-Wilhelm-Platz« zum<br />

Geburtstag <strong>de</strong>s Kaisers (27. Januar)<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> zum <strong>Jahre</strong>stag <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sieges<br />

bei Sedan 1870 (2. September).<br />

E<strong>in</strong> Ort namens Hei<strong>de</strong>now <strong>in</strong> Bran<strong>de</strong>nburg<br />

existiert nicht. Örtlichkeiten<br />

wie <strong>de</strong>n »Konrad-A<strong>de</strong>nauer-Platz«,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> mit stetig wechseln<strong>de</strong>m Namen<br />

zahlreiche unterschiedliche Aufmärsche,<br />

Para<strong>de</strong>n und Appelle <strong>in</strong> ebenso<br />

unterschiedlichen <strong>de</strong>utschen Staaten<br />

überdauert hat, gibt es <strong>in</strong><strong>de</strong>s schon.<br />

Das fiktive Beispiel Hei<strong>de</strong>now zeigt,<br />

dass die Benennung von Straßen und<br />

Plätzen eng an politische Konstellationen<br />

gebun<strong>de</strong>n ist. Ähnlich verhält es<br />

sich mit Tradition und Traditionspflege<br />

<strong>in</strong> Staat, Gesellschaft und Streitkräften.<br />

Sie lässt sich an Namen, Feiertagen<br />

und Daten festmachen und war im<br />

Deutschland <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts e<strong>in</strong>em<br />

gravieren<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l unterworfen.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund sollen<br />

auch die Geschichte von <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

und Tradition skizziert wer<strong>de</strong>n.<br />

Tradition contra Geschichte?<br />

E<strong>in</strong>es <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundprobleme <strong>de</strong>s Themas<br />

Tradition ist die ständige Durchmischung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Begriffe Vergangenheit,<br />

Geschichte und Tradition. Hier liegt<br />

<br />

Dr. Hans Apel,<br />

Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>ister<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung<br />

vom 17.02.1978<br />

bis 3.10.1982.<br />

die erste Gefahr von Missverständnissen,<br />

die aber durch abgrenzen<strong>de</strong> Def<strong>in</strong>itionen,<br />

wie beispielsweise die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Traditionsrichtl<strong>in</strong>ien von 1982, vermie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n kann:<br />

»Tradition ist die Überlieferung von<br />

Werten und Normen. Sie bil<strong>de</strong>t sich <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Prozess wertorientierter Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit. Tradition<br />

verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t die Generationen, sichert<br />

I<strong>de</strong>ntität und schlägt e<strong>in</strong>e Brücke zwischen<br />

Vergangenheit und Zukunft. Tradition ist<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage menschlicher<br />

Kultur. Sie setzt Verständnis für historische,<br />

politische und gesellschaftliche Zusammenhänge<br />

voraus.«<br />

Ist Geschichte die größere und allgeme<strong>in</strong>ere<br />

Dimension e<strong>in</strong>es Teils <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

bewerteten Vergangenheit, so <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert<br />

sich Tradition als e<strong>in</strong>e Auswahl von <strong>in</strong><br />

bw / Anne Fischer<br />

12 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


die Gegenwart zu überliefern<strong>de</strong>n, gültigen<br />

Werten.<br />

Tradition ist an zwei Voraussetzungen<br />

geknüpft: E<strong>in</strong>erseits muss e<strong>in</strong>e<br />

Institution, die für sich selbst Tradition<br />

beansprucht, möglichst lange existieren,<br />

damit aus Geschichte überhaupt<br />

Tradition wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Zweitens müssen zentrale Werte <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte dieser Institution gleich<br />

geblieben se<strong>in</strong>. Bei <strong>de</strong>n christlichen<br />

Konfessionen etwa ist dies das seit<br />

mehr als 1<strong>50</strong>0 <strong>Jahre</strong>n gültige »Glaubensbekenntnis«<br />

(credo) o<strong><strong>de</strong>r</strong> das »Vaterunser«.<br />

Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland existiert erst seit 1955,<br />

also musste sie zunächst für ihrer<br />

Tradition e<strong>in</strong>e Auswahl aus Vergangenem<br />

treffen, das als traditionswürdig<br />

gelten konnte, solange, bis sie selbst<br />

genug Geschichte aufwies, die zur<br />

Tradition wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Das »Erbe« <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vergangenheit<br />

Den Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>vätern <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

stellte sich beim Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen<br />

Streitkräfte die Frage, wie die Vergangenheit<br />

bisheriger <strong>de</strong>utscher Armeen<br />

zu bewerten sei, was man aus ihr<br />

übernehmen könne. Sie kamen nach<br />

zwei verlorenen Weltkriegen, e<strong>in</strong>em<br />

von außen been<strong>de</strong>ten Unrechtsregime<br />

und e<strong>in</strong>er bed<strong>in</strong>gungslosen Kapitulation<br />

zu <strong>de</strong>m Ergebnis, e<strong>in</strong>en Neuanfang<br />

wagen zu müssen.<br />

Für die Tradition <strong><strong>de</strong>r</strong> Parlamentsarmee<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> wur<strong>de</strong> und wird<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Maßstab gültiger Werte und Normen<br />

sehr streng angelegt. Hier war<br />

und ist verpflichtend das Wertesystem<br />

<strong>de</strong>s Grundgesetzes anzuwen<strong>de</strong>n. Bei<br />

<strong>de</strong>n ersten Überlegungen zum Aufbau<br />

e<strong>in</strong>es west<strong>de</strong>utschen Beitrages<br />

zur Europäischen Verteidigungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

ab 19<strong>50</strong> war das gera<strong>de</strong><br />

erst (1949) proklamierte Grundgesetz<br />

zu berücksichtigen. Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s<br />

21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts stellen das Grundgesetz,<br />

aber auch Verpflichtungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland aufgrund<br />

ihrer Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäischen<br />

Union, <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO, <strong>de</strong>n<br />

Vere<strong>in</strong>ten Nationen (VN) o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation<br />

für Sicherheit und Zusammenarbeit<br />

<strong>in</strong> Europa (OSZE) normative<br />

Vorgaben für die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> als<br />

Bündnis- und E<strong>in</strong>satzarmee dar.<br />

Kont<strong>in</strong>uitäten <strong>in</strong> Deutschland?<br />

Bis zum <strong>Jahre</strong> 1871 gab es auf »<strong>de</strong>utschem«<br />

Bo<strong>de</strong>n alle<strong>in</strong> sieben »Staatsgebil<strong>de</strong>«:<br />

zunächst das Römische bzw.<br />

Weströmische Reich, dann die Stammesreiche<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und<br />

das Karol<strong>in</strong>gerreich. Dem von 962 bis<br />

1806 existieren<strong>de</strong>n Heiligen Römischen<br />

Reich Deutscher Nation folgte<br />

von 1806 bis 1813 <strong><strong>de</strong>r</strong> Rhe<strong>in</strong>bund, danach<br />

bis 1866 <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Bund und<br />

von 1867 bis 1871 <strong><strong>de</strong>r</strong> Nord<strong>de</strong>utsche<br />

Bund. Seit 1871 erlebte Deutschland<br />

gera<strong>de</strong>zu e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>flationäre Anzahl von<br />

Gründungen und Zusammenbrüchen<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Staatlichkeit mit nicht<br />

weniger als fünf »Staatsgebil<strong>de</strong>n« –<br />

und damit auch fünf unterschiedlichen<br />

Streitkräften. Zur Ver<strong>de</strong>utlichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Unterschie<strong>de</strong> sei nur auf die jeweilige<br />

Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten<br />

h<strong>in</strong>gewiesen: Die Soldaten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kont<strong>in</strong>gentsarmee<br />

<strong>de</strong>s Deutschen Kaiserreiches<br />

von 1871 bis 1918 wur<strong>de</strong>n auf<br />

<strong>de</strong>n Monarchen persönlich vereidigt,<br />

die Berufssoldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> »Weimarer« Republik von 1919<br />

bis 1933 schworen e<strong>in</strong>en Eid auf die<br />

Republik, die Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht<br />

auf »<strong>de</strong>n Führer« persönlich. Die Soldaten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

DDR verpflichteten sich mit ihrem Eid,<br />

die DDR und <strong>de</strong>n Sozialismus zu verteidigen.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> seit 1955 bestehen<strong>de</strong>n<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland schwören Zeit- und Berufssoldaten<br />

– Wehrpflichtige geloben<br />

– »<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

treu zu dienen und das Recht und die<br />

Freiheit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes tapfer<br />

zu verteidigen«.<br />

Mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland und ihrer <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

fußten all diese Staatsgebil<strong>de</strong> und ihre<br />

Streitkräfte auf Werten und Normen,<br />

die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em teilweise krassen Gegensatz<br />

zum heutigen Grundgesetz stehen.<br />

So <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert das Grundgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland die<br />

Grundrechte als unveräußerlich und<br />

unaufhebbar, allen voran die Unantastbarkeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen.<br />

E<strong>in</strong> weiterer zentraler Unterschied<br />

liegt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n jeweiligen Staats-, Herrschafts-<br />

und Regierungsformen sowie<br />

<strong>de</strong>n damit verbun<strong>de</strong>nen Fragen<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en Legitimation und im aktiven<br />

und passiven Wahlrecht. Auch<br />

bpk / Kurt Rohwed<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

die <strong>de</strong>utschen Streitkräfte <strong>in</strong> Vergangenheit<br />

und Gegenwart weisen unterschiedliche<br />

Charakteristika auf, so<br />

beim S<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s Dienens, beim Zugang<br />

zur Offizier- bzw. Unteroffizierlaufbahn,<br />

beim Inneren Gefüge bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Inneren Führung, bei <strong>de</strong>n Rechten und<br />

Pflichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, beim Primat<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Politik und damit bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärverfassung.<br />

Das militärische Dienen <strong>in</strong><br />

unterschiedlichen Staats- und Gesellschaftssystemen<br />

<strong>in</strong> kalten und heißen<br />

Kriegen, <strong>in</strong> E<strong>in</strong>sätzen, <strong>in</strong> Angriff, Verteidigung<br />

und Abschreckung sowie im<br />

Frie<strong>de</strong>n än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich im 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n jeweiligen <strong>de</strong>utschen<br />

Armeen mehrfach.<br />

Dem Zeitzeugen Adolf Heus<strong>in</strong>ger,<br />

<strong>de</strong>m ersten General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>,<br />

waren diese Brüche offensichtlich<br />

bewusster als manchem<br />

Nachgeborenen, <strong>de</strong>nn er fragte sich<br />

1959 zu Recht, »welche Traditionen<br />

nach <strong>de</strong>n Traditionsbrüchen von 1919,<br />

1933, 1938/39 und 1945 gepflegt wer<strong>de</strong>n<br />

können«.<br />

Staatsgründung ohne Krieg<br />

<br />

General<br />

Adolf Heus<strong>in</strong>ger<br />

(1897–1982), erster<br />

General<strong>in</strong>spekteur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

(1957–1961).<br />

Aufnahme<br />

von 1958.<br />

Die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> heute 192 Staaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vere<strong>in</strong>ten Nationen entstan<strong>de</strong>n durch<br />

militärische Gewalt im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Unabhängigkeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>igungskrieges<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>er Revolution. Dies<br />

gilt für die Zeit nach 1945 beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

für Afrika und Asien im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

»Entkolonialisierung«. Die Er<strong>in</strong>nerung<br />

an die militärischen E<strong>in</strong>sätze, die zur<br />

Gründung e<strong>in</strong>es Nationalstaates geführt<br />

haben, ist <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />

Tradition <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Staaten<br />

fest verwurzelt. Die vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgründung<br />

liegen<strong>de</strong> und häufig als<br />

»dunkles Zeitalter« bezeichnete Kolonialzeit<br />

ist <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel nur e<strong>in</strong> untergeordneter<br />

Bestandteil <strong>de</strong>s kollektiven<br />

Gedächtnisses.<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

13


<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />

Dagegen ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz e<strong>in</strong>es<br />

bestehen<strong>de</strong>n Nationalstaates durch<br />

<strong>de</strong>ssen Streitkräfte im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

»nationalen Bewährungsprobe« <strong>in</strong> vielen<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />

Tradition gewor<strong>de</strong>n. Im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund<br />

steht dabei das Ge<strong>de</strong>nken an die Opfer<br />

und die damit e<strong>in</strong>hergehen<strong>de</strong> Vertiefung<br />

<strong>de</strong>s nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls.<br />

Für die militärische<br />

Tradition ist es unerheblich, ob die<br />

»nationale Bewährungsprobe« siegreich<br />

bestan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob mit<br />

e<strong>in</strong>er heroischen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage nur <strong>in</strong>direkt<br />

die Basis für e<strong>in</strong>en späteren Sieg<br />

gelegt wur<strong>de</strong>.<br />

Beispiele für die Er<strong>in</strong>nerung an e<strong>in</strong>e<br />

große »nationale Bewährungsprobe«<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Krise, die durch <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz von<br />

Militär und durch die Anstrengungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Nation gemeistert wur<strong>de</strong>n<br />

und letztlich zum Sieg führten,<br />

s<strong>in</strong>d <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satz <strong><strong>de</strong>r</strong> Royal Air Force<br />

während <strong><strong>de</strong>r</strong> Luftschlacht um England<br />

1940, die Résistance <strong>in</strong> Frankreich und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Warschauer Aufstand 1944.<br />

Die Bun<strong>de</strong>srepublik wur<strong>de</strong> 1949 –<br />

für e<strong>in</strong>en neuen Staat im 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

ungewöhnlich genug – unkriegerisch<br />

und ohne Militär gegrün<strong>de</strong>t.<br />

1949 war dieser Staat zum ersten Mal<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Geschichte e<strong>in</strong>e parlamentarische<br />

Demokratie mit unaufhebbaren<br />

Grundrechten. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als<br />

nach <strong>de</strong>m Waffenstillstand von 1918<br />

war nach <strong><strong>de</strong>r</strong> bed<strong>in</strong>gungslosen Kapitulation<br />

von 1945 aber auch klar, dass<br />

es ke<strong>in</strong> Zurück zu vor<strong>de</strong>mokratischen<br />

Zustän<strong>de</strong>n geben konnte und durfte.<br />

Unter <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>druck <strong>de</strong>s Korea-Krieges<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> kommunistischen Bedrohung<br />

wur<strong>de</strong> ab 19<strong>50</strong> e<strong>in</strong> west<strong>de</strong>utscher<br />

Verteidigungsbeitrag geplant und ab<br />

1955 die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> aufgestellt.<br />

E<strong>in</strong>e Staatsgründung ohne Krieg und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bruch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-Vergangenheit<br />

stellten die klassische Tradition <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Streitkräften völlig auf <strong>de</strong>n Kopf. Zu<strong>de</strong>m<br />

wur<strong>de</strong> die nationale Dimension<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>in</strong>nerung zurückgedrängt. Die<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> war und ist e<strong>in</strong>e Armee<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO, Deutschland ist<br />

e<strong>in</strong> Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäischen Union, und<br />

es gab bis 1990 zwei <strong>de</strong>utsche Staaten<br />

mit zwei Armeen, so dass die nationale<br />

Komponente <strong>in</strong> (West-)Deutschland<br />

neu <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert wer<strong>de</strong>n musste. Die<br />

Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Stun<strong>de</strong>, größtenteils<br />

»Männer mit Vergangenheit«, die<br />

m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht, teilweise<br />

sogar noch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar <strong>in</strong> <strong>de</strong>n kaiserlichen Kont<strong>in</strong>gentstreitkräften<br />

gedient hatten, befan<strong>de</strong>n<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Situation.<br />

Die bisherigen Möglichkeiten zur<br />

Begründung von Tradition entfielen,<br />

sie waren z.T. völlig diskreditiert. Zunächst<br />

orientierte sich die Führung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im H<strong>in</strong>blick auf Traditionswürdigkeit<br />

und Traditionspflege<br />

an <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Praxis. Die Vorgängerarmeen<br />

sahen die untergegangenen<br />

<strong>de</strong>utschen Armeen größtenteils<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em positiven Licht und pflegten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Traditionen und Mythen weiter.<br />

E<strong>in</strong>en eigenen wirkungsmächtigen<br />

<strong>de</strong>mokratischen Gegenmythos gab es<br />

aber nicht. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />

s<strong>in</strong>d die nach <strong>de</strong>m Traditionserlass<br />

von 1965 <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1960er/1970er <strong>Jahre</strong>n<br />

erfolgten Benennungen von Kasernen,<br />

Geschwa<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Schiffen auch nach<br />

Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht erfolgt.<br />

Die Richtl<strong>in</strong>ien von 1982 setzten allerd<strong>in</strong>gs<br />

e<strong>in</strong>en an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Maßstab. Die<br />

Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>generation hatte sich noch bemühen<br />

müssen, bisher verwen<strong>de</strong>tes<br />

Traditionsgut für die neue Armee <strong>de</strong>mokratisch<br />

aufzubereiten, so etwa die<br />

preußischen Militärreformer o<strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />

Eiserne Kreuz. Sie hatten versucht die<br />

Männer <strong>de</strong>s 20. Juli als traditionswürdig<br />

zu etablieren.<br />

Erst ab Mitte/En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 1970er <strong>Jahre</strong><br />

wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em langen und evolutionären<br />

Prozess begonnen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>in</strong>nerung<br />

an Waffentaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgängerarmeen<br />

e<strong>in</strong>e eigene Dimension <strong>de</strong>s<br />

Dienens e<strong>in</strong>er Armee <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratie<br />

entgegenzustellen. Nun existierte<br />

die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> lange genug, um e<strong>in</strong>e<br />

eigene Geschichte zu besitzen, die als<br />

Tradition verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>generation, wur<strong>de</strong> selbst<br />

traditionswürdig; das Er<strong>in</strong>nern an vorherige<br />

Waffentaten wur<strong>de</strong> nicht mehr<br />

benötigt. In <strong>de</strong>n Anfangsjahren <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> g<strong>in</strong>g es zunächst vor allen<br />

D<strong>in</strong>gen darum, <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO möglichst<br />

schnell große und e<strong>in</strong>satzfähige<br />

Verbän<strong>de</strong> zu mel<strong>de</strong>n. Die NATO-Doktr<strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> »Massiven Vergeltung« wur<strong>de</strong><br />

Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 1960er <strong>Jahre</strong> h<strong>in</strong>terfragt<br />

und bald von <strong><strong>de</strong>r</strong> »Flexiblen Erwi<strong><strong>de</strong>r</strong>ung«<br />

abgelöst. Neben die beim Militär<br />

notwendigen klassischen militärischen<br />

Tugen<strong>de</strong>n war die Formel vom<br />

»Kämpfen können, um nicht kämpfen<br />

zu müssen« im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschreckung<br />

getreten. Diese Entwicklung<br />

ließ <strong>de</strong>n Kämpfer und damit die Er<strong>in</strong>nerung<br />

an Waffentaten eher <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

H<strong>in</strong>tergrund treten. Es setzte sich die<br />

grundsätzliche Erkenntnis durch, dass<br />

Krieg im atomaren Zeitalter als Mittel<br />

zur Lösung politischer Konflikte nicht<br />

mehr tauglich war.<br />

Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> entwickelte im<br />

Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrzehnte drei Traditionsl<strong>in</strong>ien<br />

:<br />

1. die preußischen Militärreformer<br />

2. <strong>de</strong>n militärischen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Männer <strong>de</strong>s 20. Juli 1944<br />

3. die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> selbst.<br />

Dabei wur<strong>de</strong> die Frage, was Tradition<br />

sei, immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> von bun<strong>de</strong>swehr<strong>in</strong>ternen,<br />

aber auch politischen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen begleitet. 1982<br />

wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e Neufassung <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n<br />

Richtl<strong>in</strong>ien erlassen, die obgleich<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> diskutiert,<br />

bis heute Bestand hat.<br />

Die Traditionsrichtl<strong>in</strong>ien<br />

von 1982<br />

H<strong>in</strong>tergrund für e<strong>in</strong>e Neufassung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erlasslage <strong>in</strong> H<strong>in</strong>sicht auf Tradition<br />

war das gewan<strong>de</strong>lte gesellschaftliche<br />

und politische Klima <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1970er und<br />

frühen 1980er <strong>Jahre</strong>n. Konkrete Anlässe<br />

waren die Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen<br />

darüber, <strong>in</strong>wieweit die Selbstdarstellung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> durch Große<br />

Zapfenstreiche und Öffentliche Rekrutengelöbnisse<br />

noch zeitgemäß sei. Speziell<br />

im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Feierlichkeiten zu<br />

»25 <strong>Jahre</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>« im <strong>Jahre</strong> 1980<br />

kam es zu öffentlichkeitswirksamen<br />

Protesten und massiven Störungen.<br />

Im April 1981 wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten<br />

Gremium auf E<strong>in</strong>ladung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isters<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung Hans<br />

Apel über diese Fragen diskutiert. Das<br />

Ergebnis lag e<strong>in</strong> Jahr später vor. Der<br />

Text vom 20. September 1982 wur<strong>de</strong><br />

grundsätzlich nicht als Erlass bezeichnet,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n trug <strong>de</strong>n Titel »Richtl<strong>in</strong>ien<br />

zum Traditionsverständnis und zur<br />

Traditionspflege <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>«.<br />

Hier<strong>in</strong> heißt es unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em:<br />

»Maßstab für Traditionsverständnis<br />

und Traditionspflege <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

s<strong>in</strong>d das Grundgesetz und die <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

übertragenen Aufgaben und Pflichten.<br />

Das Grundgesetz ist Antwort auf<br />

14 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


die <strong>de</strong>utsche Geschichte. Es gewährt große<br />

Freiräume, zieht aber auch e<strong>in</strong><strong>de</strong>utige<br />

Grenzen. Die Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wertgebun<strong>de</strong>nheit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte ist die Grundlage<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Traditionspflege <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> [...]<br />

Die Geschichte <strong>de</strong>utscher Streitkräfte hat<br />

sich nicht ohne tiefe E<strong>in</strong>brüche entwickelt.<br />

In <strong>de</strong>n Nationalsozialismus waren<br />

Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils<br />

wur<strong>de</strong>n sie schuldlos missbraucht. E<strong>in</strong><br />

Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann<br />

Tradition nicht begrün<strong>de</strong>n.«<br />

In <strong>de</strong>n Richtl<strong>in</strong>ien ist die Def<strong>in</strong>ition<br />

von Tradition, die Sichtweise auf Tradition<br />

und auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en Funktion verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

wor<strong>de</strong>n. Zum ersten Male wur<strong>de</strong><br />

die Traditionsunwürdigkeit <strong>de</strong>s »Dritten<br />

Reiches« explizit genannt und die<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht als Institution damit<br />

ange<strong>de</strong>utet.<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Def<strong>in</strong>ition <strong>de</strong>s Begriffes<br />

»Tradition« wird die wertorientierte<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />

vorausgesetzt. So war die<br />

Möglichkeit gegeben, mit Elementen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit und mit Traditionsgut<br />

zu brechen. Das Grundgesetz<br />

als alle<strong>in</strong>iger Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilung<br />

von Traditionswürdigkeit wird betont<br />

– e<strong>in</strong>e Antwort auf die <strong>de</strong>utsche Geschichte.<br />

Im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund steht die<br />

Wertgebun<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>de</strong>mokratisches Selbstverständnis<br />

für die Traditionspflege. Die<br />

Verantwortung für die Traditionspflege<br />

vor Ort tragen die Komman<strong>de</strong>ure<br />

bzw. E<strong>in</strong>heitsführer, <strong>de</strong>nen »Ermessens-<br />

und Entscheidungsfreiheit« e<strong>in</strong>geräumt<br />

wur<strong>de</strong>, »vor allem dort, wo es<br />

sich um regionale und lokale Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />

han<strong>de</strong>lt«. Die Grenzen s<strong>in</strong>d<br />

durch das Grundgesetz und das Leitbild<br />

vom »Staatsbürger <strong>in</strong> Uniform«<br />

markiert.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Aufgabe von Vorgesetzten<br />

ist es, Traditionsbewusstse<strong>in</strong><br />

zu wecken. Darüber h<strong>in</strong>aus soll auch<br />

an Taten von Soldaten, aber auch Zivilpersonen<br />

er<strong>in</strong>nert wer<strong>de</strong>n, die sich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>e e<strong>in</strong>es freien und <strong>de</strong>mokratischen<br />

Deutschland verschrieben haben.<br />

Grundsätzlich sollen soldatische<br />

Erfahrungen und Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwendung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ausbildung immer daraufh<strong>in</strong> überprüft<br />

wer<strong>de</strong>n, ob die Lehren heute<br />

noch von Be<strong>de</strong>utung s<strong>in</strong>d: »Geschichte<br />

liefert ke<strong>in</strong>e Anweisungen für künftiges<br />

Verhalten, wohl aber Maßstäbe<br />

und Orientierungen für Haltungen.«<br />

Gerhard von Scharnhorst<br />

(1755–1813), preußischer<br />

Militärreformer.<br />

akg-images<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

15


<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />

akg-images<br />

August Wilhelm Antonius<br />

Graf Neidhardt von Gneisenau<br />

(1760–1831), preußischer<br />

Militärreformer.<br />

Tradition <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

seit 1990<br />

Wer französische, britische, US-amerikanische,<br />

spanische o<strong><strong>de</strong>r</strong> portugiesische<br />

Krieger<strong>de</strong>nkmäler betrachtet,<br />

wird auf die großen Kriege zwischen<br />

Staaten stoßen, etwa die bei<strong>de</strong>n Weltkriege,<br />

aber ebenso auf e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

militärischer E<strong>in</strong>sätze als Kolonialmacht<br />

<strong>in</strong> Übersee, auch nach 1945.<br />

Deutschland war aufgrund se<strong>in</strong>er<br />

Ge schichte vor 1945 aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

»praktizieren<strong>de</strong>n Großmächte« ausgeschie<strong>de</strong>n.<br />

Die Erfahrung, dass <strong>de</strong>utsche Soldaten<br />

auf frem<strong>de</strong>n Kont<strong>in</strong>enten im<br />

E<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d, während <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat<br />

tiefster Frie<strong>de</strong> herrscht, fehlte Anfang<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> 1990er <strong>Jahre</strong> völlig und bil<strong>de</strong>te<br />

ke<strong>in</strong>e Traditionsl<strong>in</strong>ie. Die Projektion<br />

von (See- bzw. Luft-)Macht über weite<br />

Entfernungen spielte e<strong>in</strong>e ebenso untergeordnete<br />

Rolle wie <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>de</strong>s<br />

Soldaten im Überwachungs-, Sicherungs-,<br />

Aufbau- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Polizeidienst.<br />

Es wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>n nächsten <strong>Jahre</strong>n festzustellen<br />

se<strong>in</strong>, ob und <strong>in</strong>wieweit sich<br />

Tradition und Traditionspflege <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> bei ihrem gewan<strong>de</strong>lten<br />

Selbstverständnis ebenfalls verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n, um die Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

<strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts zu meistern.<br />

Bei allen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsprozessen gilt<br />

es allerd<strong>in</strong>gs zu vermei<strong>de</strong>n, dass hier<br />

durch die H<strong>in</strong>tertür bei e<strong>in</strong>er Armee<br />

im (Kampf-)E<strong>in</strong>satz <strong><strong>de</strong>r</strong> »archaische<br />

Kämpfer« <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit erneut<br />

se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Tradition und<br />

ihre Pflege f<strong>in</strong><strong>de</strong>t. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Werteordnung<br />

<strong>de</strong>s Grundgesetzes sollte angeführt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>es großen Krieges <strong>in</strong> <strong>de</strong>n künftigen<br />

E<strong>in</strong>satzszenarien <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle mehr spielen wer<strong>de</strong>n, obwohl<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> letzte <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiven historischen<br />

<strong>de</strong>utschen Er<strong>in</strong>nerung nach wie<br />

vor gegenwärtig ist.<br />

Literaturtipps:<br />

Harald Potempa<br />

Loretana <strong>de</strong> Libero, Tradition <strong>in</strong> Zeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Transformation.<br />

Zum Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im<br />

frühen 21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Pa<strong><strong>de</strong>r</strong>born 2006<br />

Harald Potempa, Der Weg zum ersten Traditionserlass<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. In: Militärische Tradition. Hrsg. von<br />

Eberhard Birk, Fürstenfeldbruck 2004<br />

(= Gneisenau Blätter, 3), S. 26–36<br />

16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Namenspatrone <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion<br />

»Namensgebungen s<strong>in</strong>d […] Ausdruck für das wertebezogene<br />

Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>«, ließ im<br />

<strong>Jahre</strong> 1995 das Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung verlauten.<br />

In <strong>de</strong>n ersten zwei Jahrzehnten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> erhielten<br />

viele Kasernen, Geschwa<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schiffe die Namen<br />

von »verdienten« Wehrmachtoffizieren. Soldatische Tugen<strong>de</strong>n<br />

und militärische Leistungen begrün<strong>de</strong>ten die<br />

Traditionswürdigkeit von Personen wie Eduard Dietl,<br />

Werner Möl<strong><strong>de</strong>r</strong>s, Erw<strong>in</strong> Rommel und vielen mehr. Diese<br />

Namengebungen erfolgten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Traditionsverständnisses,<br />

das eher zeitlose soldatische Tugen<strong>de</strong>n<br />

proklamierte, <strong>de</strong>n politischen Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht<br />

im Nationalsozialismus jedoch eher ausklammerte. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

begann die Geschichtswissenschaft damals erst das<br />

Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht im NS-Staat zu untersuchen. In<br />

<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n revidierten Historiker das Bild von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> »sauberen Wehrmacht« und zeigten, dass sie an <strong>de</strong>n<br />

Verbrechen <strong>de</strong>s nationalsozialistischen Staates beteiligt<br />

gewesen war. Mit <strong>de</strong>m zunehmen<strong>de</strong>n Wertewan<strong>de</strong>l <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft begannen Kritiker, dieses Traditionsverständnis,<br />

das aus e<strong>in</strong>er weit verbreiteten »Verdrängungsmentalität«<br />

resultierte, zu h<strong>in</strong>terfragen.<br />

Die »Generaloberst-Dietl-Kaserne« <strong>in</strong> Füssen wur<strong>de</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n 1980er <strong>Jahre</strong>n zum Auslöser für e<strong>in</strong>e Diskussion über<br />

das Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. Dietl, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

u.a. aufgrund se<strong>in</strong>es angeblich »väterlichen« Umgangs<br />

mit se<strong>in</strong>en Soldaten auch nach <strong>de</strong>m Krieg zahlreiche Bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

hatte, konnte bis heute ke<strong>in</strong>e Beteiligung an<br />

Kriegsverbrechen nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. Doch galt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Generaloberst bis zu se<strong>in</strong>em Tod bei e<strong>in</strong>em Flugzeugabsturz<br />

1944 als glühen<strong><strong>de</strong>r</strong> Verehrer Hitlers und überzeugter<br />

Nationalsozialist. Der General mit <strong>de</strong>m gol<strong>de</strong>nen Parteiabzeichen<br />

hatte nie <strong>de</strong>n verbrecherischen Charakter<br />

<strong>de</strong>s »Dritten Reiches« erkannt. Se<strong>in</strong>e militärischen Tugen<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>n nach 1945 aus <strong>de</strong>m Kontext se<strong>in</strong>er Gesamtpersönlichkeit<br />

herausgelöst und machten ihn damit für<br />

die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> traditionswürdig. Entgegen vor allem<br />

lokaler Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> 1995 auf Geheiß <strong>de</strong>s Verteidigungsm<strong>in</strong>isters<br />

die »Generaloberst-Dietl-Kaserne« <strong>in</strong><br />

Füssen <strong>in</strong> »Allgäu-Kaserne« umbenannt.<br />

20 <strong>Jahre</strong> nach <strong>de</strong>m Fall »Dietl« sorgte <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall »Möl<strong><strong>de</strong>r</strong>s«<br />

für Schlagzeilen. Der von <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen Propaganda<br />

gefeierte »Fliegerheld« kam im November 1941<br />

bei e<strong>in</strong>em Flugzeugabsturz ums Leben. Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

ehrte <strong>de</strong>n erfolgreichen Jagdflieger und Ritterkreuzträger<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1970er <strong>Jahre</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Benennung e<strong>in</strong>er Kaserne<br />

und <strong>de</strong>s Jagdgeschwa<strong><strong>de</strong>r</strong>s 74. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage<br />

e<strong>in</strong>es Bun<strong>de</strong>stagsbeschlusses von 1998, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich gegen<br />

die öffentliche Würdigung von Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> »Legion<br />

Condor«, die auf Seiten <strong>de</strong>s faschistischen Generals Franco<br />

gekämpft hatte, richtete, beschloss das Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isterium<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung 2005, entgegen heftiger Proteste,<br />

die Aberkennung <strong>de</strong>s Traditionsnamens.<br />

Carmen W<strong>in</strong>kel<br />

Claus von Stauffenberg (1907–1944)<br />

als Oberleutnant <strong><strong>de</strong>r</strong> Kavallerie <strong>in</strong><br />

Bamberg. Porträtaufnahme,<br />

undatiert, um 1934.<br />

akg-images<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

17


Hunger, Desertion und Zwangsrekrutierung<br />

Hunger, Desertion und<br />

Zwangsrekrutierung<br />

Die gewaltsame E<strong>in</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s kursächsischen Heeres<br />

<strong>in</strong> die preußische Armee<br />

»Egal auf wessen Seite sie stan<strong>de</strong>n, die Sachsen haben immer verloren« – so lautet e<strong>in</strong>e weit verbreitete Ansicht<br />

über die sächsische Armee. Mit verengtem Blick auf ihre Geschichte im 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht auch<br />

e<strong>in</strong> hoher Wahrheitsgehalt zu konstatieren. E<strong>in</strong>e beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Zäsur bil<strong>de</strong>te dabei die Kapitulation <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />

Armee vor <strong>de</strong>m preußischen Heer Friedrichs II. bei Pirna im Oktober 1756. Sie markierte nicht nur das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ersten<br />

Feldzugs <strong>de</strong>s Siebenjährigen Krieges, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n war zugleich Ausgangspunkt für die Odyssee <strong><strong>de</strong>r</strong> kursächsischen<br />

Soldaten im weiteren Kriegsverlauf.<br />

Die etwa 20 000 Mann starke<br />

und mangelhaft ausgerüstete<br />

sächsische Armee unter Feldmarschall<br />

Friedrich August Graf von<br />

Rutowski zog sich Anfang September<br />

1756 vor <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>marschieren<strong>de</strong>n<br />

Preußen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> schwer angreifbares<br />

Lager auf e<strong>in</strong> Hochplateau bei Pirna,<br />

angelehnt an die Elbe, sowie auf die<br />

Festungen Sonnen- und Königste<strong>in</strong> zurück.<br />

Rutowski hoffte, dass Friedrich II.<br />

sich nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> langwierigen Belagerung<br />

aufhalten und an Pirna vorbei<br />

nach Böhmen ziehen wür<strong>de</strong>. Im Falle<br />

e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schließung durch die preußische<br />

Armee wollte er diese solange<br />

vor Pirna b<strong>in</strong><strong>de</strong>n, bis die Österreicher<br />

ihre noch ungenügen<strong>de</strong>n Rüstungen<br />

abge schlossen hatten und zum Entsatz<br />

heranrückten.<br />

Als die Preußen das Lager <strong>in</strong> Erwartung<br />

e<strong>in</strong>er raschen Kapitulation e<strong>in</strong>schlossen,<br />

verfügte die sächsische Armee<br />

nur über e<strong>in</strong>en mangelhaften<br />

Vorrat an Nahrungsmitteln. Während<br />

Friedrich das österreichische Entsatzheer<br />

am 1. Oktober <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht bei<br />

Lobositz abwies, ergänzten die sächsischen<br />

Soldaten ihre kargen Nahrungsbestän<strong>de</strong><br />

durch immer rücksichtslosere<br />

»Visitationen« <strong>in</strong> Pirna sowie<br />

<strong>de</strong>n wenigen Ortschaften und Gütern<br />

im Lager. Die Nahrung für Mensch<br />

und Tier wur<strong>de</strong> bereits nach wenigen<br />

Tagen streng rationiert. Durch diese<br />

Sparmaßnahme konnte die sächsische<br />

Generalität zunächst e<strong>in</strong> Durchhalten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Armee bis En<strong>de</strong> September sicherstellen.<br />

E<strong>in</strong> sächsischer Infanterist be-<br />

18 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


»Friedrich am Lilienste<strong>in</strong> mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Armee«.<br />

Stich von R<strong>in</strong>gck.<br />

(Aus: Gustav B.Volz, Friedrich <strong><strong>de</strong>r</strong> Große im<br />

Spiegel se<strong>in</strong>er Zeit, Bd. 2: Siebenjähriger<br />

Krieg und Folgezeit bis 1778, Berl<strong>in</strong> 1901)<br />

Generalfeldmarschall Friedrich<br />

August Graf von Rutowski,<br />

Gemäl<strong>de</strong> von Louis <strong>de</strong> Silvestre.<br />

(Sächsische Lan<strong>de</strong>s- und<br />

Universitätsbibliothek,<br />

Dres<strong>de</strong>n)<br />

richtete, dass er nach etwa vier Wochen<br />

im Lager »Tag und Nacht [...]<br />

nicht aus <strong>de</strong>m Dienst« kam, »Patronentasche<br />

und Seitengewehr kamen<br />

nicht vom Leibe und hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann<br />

[...] gar wenig Brot«. En<strong>de</strong> September<br />

habe er dann »die ersten Krautstücke«<br />

gegessen, zunächst noch gekocht,<br />

»nach diesem aßen wir sie so re<strong>in</strong>,<br />

ungekocht.« Mit nur vier Pfund Brot<br />

musste <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldat mittlerweile sechs<br />

Tage auskommen. Im Lager vorgenommene<br />

Tagebuchaufzeichnungen zeugen<br />

jedoch von <strong><strong>de</strong>r</strong> ungebrochenen<br />

Hoffnung <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Soldaten<br />

auf <strong>de</strong>n baldigen Abmarsch <strong><strong>de</strong>r</strong> Preußen<br />

nach Böhmen und von ihrem großes<br />

Vertrauen <strong>in</strong> die militärische Führung.<br />

Dieser Optimismus spiegelte sich<br />

auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Desertionsrate <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />

Armee wi<strong><strong>de</strong>r</strong>. Die Fahnenflucht,<br />

e<strong>in</strong> grundlegen<strong>de</strong>s Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeen<br />

im 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t, fand auf sächsischer<br />

Seite trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> angespannten<br />

und ungewissen Situation nur <strong>in</strong> sehr<br />

ger<strong>in</strong>gem Maße statt. Für die gesamte<br />

Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Belagerung wird von <strong>de</strong>utlich<br />

weniger als 100 Vorfällen berichtet.<br />

Zu<strong>de</strong>m s<strong>in</strong>d kaum Verstöße gegen die<br />

Diszipl<strong>in</strong> bekannt. Ansche<strong>in</strong>end besaßen<br />

die Sachsen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Armee zu etwa<br />

90 % aus »Lan<strong>de</strong>sk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n« bestand,<br />

neben ihrer Liebe zum »Vaterland«<br />

vor allem e<strong>in</strong> hohes Maß an Loyalität<br />

gegenüber ihrem Lan<strong>de</strong>sherrn, <strong>de</strong>m<br />

Kurfürsten Friedrich August II. (als<br />

August III. König von Polen).<br />

Zu diesem frühneuzeitlichen »dynastischen<br />

Patriotismus« trat als e<strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>schaftsprägen<strong><strong>de</strong>r</strong> Faktor das<br />

große religiöse Selbstverständnis als<br />

Angehörige <strong>de</strong>s Mutterlan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Reformation,<br />

das mit Preußen nicht nur<br />

wirtschaftlich und politisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

eben auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Führerschaft<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen<br />

Stän<strong>de</strong> im Reich konkurrierte. Es sollte<br />

sich zeigen, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> aus diesen<br />

Faktoren resultieren<strong>de</strong> ungewöhnlich<br />

starke Zusammenhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />

Armee im Herbst 1756 vom König von<br />

Preußen, <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentlich e<strong>in</strong> Zusammengehen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen Mächte<br />

gegen die katholischen Fe<strong>in</strong><strong>de</strong> Österreich<br />

und Frankreich propagierte,<br />

unterschätzt wur<strong>de</strong>.<br />

In<strong>de</strong>m die sächsische Armee auf<br />

die »unnützen Mäuler« <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung<br />

schließlich ke<strong>in</strong>e Rücksicht mehr<br />

nahm, gelang es ihr, <strong><strong>de</strong>r</strong> Belagerung<br />

bis <strong>in</strong> die erste Oktoberhälfte h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

standzuhalten. Als die Pfer<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kavallerie<br />

und Artillerie, die auch das<br />

letzte Moos von <strong>de</strong>n Ste<strong>in</strong>en sowie<br />

die Blätter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bäume abgewei<strong>de</strong>t hatten,<br />

vor Hunger die Er<strong>de</strong> fraßen und<br />

Tumulte <strong><strong>de</strong>r</strong> arg gebeutelten Zivilbevölkerung<br />

drohten, entschloss sich die<br />

sächsische Führung am 10. Oktober<br />

zum Ausbruch. Da sie nach wochenlanger<br />

Passivität endlich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> agieren<br />

und ihr Schicksal aktiv gestalten<br />

konnten, zeigten sich die halb verhungerten<br />

Sachsen <strong>in</strong> dieser Situation<br />

ke<strong>in</strong>eswegs pessimistisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

waren »alle getrost« und »gar nicht<br />

verzagt«. In e<strong>in</strong>er »Betstun<strong>de</strong>« schöpften<br />

sie nochmals Mut – bezeichnend<br />

für <strong>de</strong>n Stellenwert <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion zur<br />

Mobilisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfkraft auch <strong>in</strong><br />

schier ausweglosen Lagen.<br />

Ausbruch und Kapitulation<br />

Der Elbübergang <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee am 12. Oktober<br />

geriet allerd<strong>in</strong>gs zum Desaster,<br />

da die Vorbereitungen von <strong>de</strong>n Preußen<br />

bemerkt wor<strong>de</strong>n waren. So fan<strong>de</strong>n<br />

die sächsischen Grenadiere, die als<br />

Elitetruppen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze <strong>de</strong>s Heeres<br />

marschierten, am gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Elbufer nicht die erhofften Österreicher,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n starke Verschanzungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Preußen vor. Ohne Zelte, entkräftet<br />

und durchnässt stan<strong>de</strong>n die Soldaten<br />

die folgen<strong>de</strong>n Tage <strong>in</strong> notdürftiger<br />

Schlachtordnung. Man ernährte sich<br />

<strong>in</strong>zwischen von gekochtem Pu<strong><strong>de</strong>r</strong> und<br />

Pulver. Um die Armee vor <strong>de</strong>m sicheren<br />

Hungertod o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vernichtung durch<br />

die Preußen zu bewahren, entschloss<br />

sich die sächsische Generalität daraufh<strong>in</strong><br />

am 16. Oktober zur Streckung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Waffen, wobei sich <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>fache Soldat<br />

im für ihn schwer überschaubaren Gefüge<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsmasch<strong>in</strong>erie gera<strong>de</strong>zu<br />

»erbärmlich« fühlte.<br />

Die Kapitulationszeremonien ab <strong>de</strong>m<br />

folgen<strong>de</strong>n Tag entwickelten sich für<br />

die sächsische Armee jedoch zur Überraschung:<br />

Während Friedrich II. die<br />

Generalität und Offiziere auf ihr Ehrenwort<br />

frei ließ, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Mannschaften<br />

und Unteroffizieren nicht<br />

etwa <strong><strong>de</strong>r</strong> erwartete Status von Kriegsgefangenen<br />

zuerkannt. Zu ihrer Demütigung<br />

und zu e<strong>in</strong>em sichtbaren Symbol<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Unterwerfung unter <strong>de</strong>n Sieger<br />

mussten sie regimentsweise durch e<strong>in</strong><br />

Spalier aus preußischen Soldaten marschieren.<br />

Dass dies nicht ohne Spott<br />

und Häme seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Preußen ablief,<br />

liegt nahe. Auf e<strong>in</strong>em Platz wur<strong>de</strong>n sie<br />

anschließend von <strong>de</strong>n Soldaten Friedrichs<br />

II. bedrohlich umr<strong>in</strong>gt – und zur<br />

Ableistung <strong>de</strong>s preußischen Kriegsei<strong>de</strong>s<br />

gezwungen. Dies war e<strong>in</strong> für diese<br />

Epoche beispielloses Ereignis.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs hatte sich die h<strong>in</strong>sichtlich<br />

ihrer Menschenführung berüchtigte<br />

preußische Armee <strong>de</strong>m sächsischen<br />

»geme<strong>in</strong>en Mann« bereits unmittelbar<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapitulation von ihrer spendablen<br />

Seite gezeigt: Die halbverhungerten<br />

Soldaten erhielten sofort volle<br />

preußische Verpflegung.<br />

Die Hoffnung, durch mil<strong>de</strong> Behandlung<br />

Sympathien bei <strong>de</strong>n Sachsen geweckt<br />

zu haben, schien sich während<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahmezeremonie zu bestätigen.<br />

Aufgrund ihrer totalen körperlichen<br />

und psychischen Erschöpfung<br />

sprachen die meisten kursächsischen<br />

Soldaten <strong>de</strong>n preußischen Kriegseid<br />

ohne langes Zögern nach. Sich weigern<strong>de</strong><br />

E<strong>in</strong>zelne g<strong>in</strong>gen eher <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Masse unter o<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>n vom »Auditeur«,<br />

<strong>de</strong>m preußischen Offizier, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

die Kriegsartikel laut verlas, mit Flüchen<br />

und Drohungen bedacht, so dass<br />

sie rasch nachgaben.<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

19


Hunger, Desertion und Zwangsrekrutierung<br />

Marcus von Salisch<br />

Die Tatsache, dass die Soldaten auch<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereidigung <strong>in</strong> ihren bislang<br />

sächsischen Regimentern, also <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

gewachsenen und vertrauten »Kampfgeme<strong>in</strong>schaften«<br />

beisammen bleiben<br />

konnten, wird <strong>de</strong>n Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme<br />

sicher vere<strong>in</strong>facht haben. In e<strong>in</strong>er<br />

Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> völligen Entkräftung<br />

und Demoralisierung, die zumeist mit<br />

e<strong>in</strong>er gewissen Gleichgültigkeit e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>g,<br />

stand für <strong>de</strong>n sächsischen<br />

Soldaten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Sorge um<br />

das eigene Wohl im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, was<br />

vor allem die Sicherstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflegung<br />

be<strong>de</strong>utete. Das Fortbestehen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> vertrauten Umwelt etwa <strong>in</strong> Form<br />

se<strong>in</strong>er Kompanie o<strong><strong>de</strong>r</strong> »Zeltkameradschaft«<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch das »Handgeld«,<br />

das die Preußen je<strong>de</strong>m übergetretenen<br />

Sachsen gewährten, wirkten als zusätzlicher<br />

Anreiz. Da die sächsischen<br />

Offiziere an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanien<br />

und Regimenter fehlten, eröffneten<br />

sich sowohl <strong>de</strong>n sächsischen<br />

als auch e<strong>in</strong>igen preußischen Unteroffizieren<br />

zu <strong>de</strong>m plötzlich ungeahnte<br />

Aufstiegschancen. Um die Lücken <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Hierar chien zu füllen, ernannte<br />

Friedrich II. kurzerhand zahlreiche<br />

sächsische Feldwebel zu Leutnanten,<br />

womit für diese e<strong>in</strong>e erhebliche und<br />

unter normalen Umstän<strong>de</strong>n vielleicht<br />

unmögliche Aufwertung ihres sozialen<br />

Status erfolgte.<br />

Auf hartnäckigen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand stießen<br />

die Preußen jedoch bei e<strong>in</strong>igen<br />

sächsischen Gar<strong><strong>de</strong>r</strong>egimentern, die<br />

sich durch e<strong>in</strong> engeres Verhältnis zum<br />

Monarchen auszeichneten. Während<br />

die bereits vereidigten E<strong>in</strong>heiten unter<br />

neuem preußischen Namen <strong>in</strong> ihre<br />

W<strong>in</strong>terquartiere abrückten, befan<strong>de</strong>n<br />

sich zum Beispiel die Soldaten <strong>de</strong>s<br />

berittenen sächsischen »Gar<strong>de</strong> du<br />

Corps« noch mehrere Wochen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Umgebung von Pirna <strong>in</strong> »Beugehaft«.<br />

Die lange Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefangenschaft, die<br />

persönliche Zusicherung Friedrichs II.,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vergleichbaren preußischen<br />

Elitee<strong>in</strong>heit dienen zu können und<br />

nicht <strong>de</strong>n gefürchteten »Abstieg« zum<br />

Infanteristen vollziehen zu müssen,<br />

sowie etwas Alkohol machten schließlich<br />

auch dieses Regiment gefügig. E<strong>in</strong><br />

preußischer Grenadier berichtet, dass<br />

nach <strong>de</strong>m Schwur <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen dann<br />

auch das e<strong>in</strong>e o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e laute »Es<br />

lebe <strong><strong>de</strong>r</strong> König von Preußen!« zu vernehmen<br />

gewesen se<strong>in</strong> soll. Soldaten<br />

aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Eliteregimentern, die sich<br />

weiterh<strong>in</strong> weigerten, wur<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>fach<br />

kurzerhand <strong>in</strong> die preußischen Regimenter<br />

gesteckt.<br />

En<strong>de</strong> Oktober konnte Friedrich II.<br />

e<strong>in</strong>e erfolgreiche Bilanz <strong>de</strong>s bisherigen<br />

Feldzugs ziehen: Nach<strong>de</strong>m er<br />

das Kurfürstentum Sachsen als »Faustpfand«<br />

und Versorgungsbasis <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Die »Ebenheit am Lilienste<strong>in</strong>«, Ort <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kapitulation <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Truppen.<br />

Gewalt gebracht hatte, gelang es ihm,<br />

se<strong>in</strong> Heer durch die Vere<strong>in</strong>nahmung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Armee erheblich zu<br />

ver stärken. Für das kommen<strong>de</strong> Jahr<br />

be fand er sich zu<strong>de</strong>m <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er guten<br />

strategischen Ausgangsposition.<br />

Desertion und gewaltsame<br />

Rekrutierung<br />

Die Hoffnung Friedrichs II., die sächsischen<br />

Soldaten durch bessere materielle<br />

Versorgung dauerhaft für se<strong>in</strong>e<br />

Dienste begeistern zu können, erfüllte<br />

sich jedoch nicht. Die Treue <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen<br />

zu ihrer Heimat und ihrem Herrscherhaus<br />

erwies sich bald nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Übernahme als treiben<strong>de</strong> Kraft zur<br />

Massen<strong>de</strong>sertion. Auch konfessionelle<br />

Appelle <strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Propaganda<br />

blieben überwiegend ohne Wirkung.<br />

Die Beibehaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> gewachsenen<br />

sächsischen Regimentsstrukturen, wovon<br />

sich die Preußen e<strong>in</strong>e höhere Moral<br />

im Gefecht erhofften, stellte sich als<br />

schwerwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Fehler heraus. Hatte<br />

schon die Vereidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gar<strong><strong>de</strong>r</strong>egimenter<br />

teilweise große Schwierigkeiten<br />

bereitet, <strong>de</strong>sertierten die ersten<br />

Sachsen bereits während <strong><strong>de</strong>r</strong> Märsche<br />

<strong>in</strong> die W<strong>in</strong>terquartiere.<br />

20 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Erheblichen E<strong>in</strong>fluss übte dabei die<br />

meist antipreußisch e<strong>in</strong>gestellte Zivilbevölkerung<br />

aus, die an die patriotische<br />

Ges<strong>in</strong>nung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen appellierte<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen e<strong>in</strong>e düstere Zukunft<br />

im preußischen Heer voraussagte. Die<br />

Soldaten erfuhren, sie sollten nicht<br />

wie von <strong>de</strong>n Preußen versprochen auf<br />

heimatlichem Bo<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n »außer<br />

Lan<strong>de</strong>s« e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>de</strong>n – vielleicht<br />

sogar im Dienste <strong>de</strong>s preußischen Verbün<strong>de</strong>ten<br />

England <strong>in</strong> Übersee. Teilweise<br />

wur<strong>de</strong>n die Soldaten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Marschquartieren auch von ihren Familien<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen Offizieren zur<br />

Fahnenflucht ermuntert. Vom ehemals<br />

sächsischen Regiment »Rochow«, das<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme <strong>in</strong> preußische<br />

Dienste <strong>de</strong>n Namen »Wietersheim«<br />

führte, verschwan<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Tagen<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapitulation über 800 Soldaten.<br />

Auf <strong>de</strong>m mehrtägigen Marsch<br />

<strong>in</strong>s Quartier <strong>de</strong>sertierten nochmals<br />

etwa 400 Mann. Durch <strong>de</strong>n anfänglich<br />

recht sorglosen und vertrauensvollen<br />

Umgang <strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Wachen mit<br />

<strong>de</strong>n sächsischen Soldaten kamen viele<br />

Regimenter oftmals bis zur Hälfte verm<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n W<strong>in</strong>terquartieren an.<br />

Erst die spätere Untermischung erfahrener<br />

preußischer Soldaten, die<br />

etwaige Desertionswillige bei ihren<br />

Vorgesetzten <strong>de</strong>nunzieren konnten, <strong>in</strong><br />

die ehemals sächsischen E<strong>in</strong>heiten bewirkte<br />

e<strong>in</strong>e Festigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Formationen<br />

im preußischen S<strong>in</strong>ne.<br />

Friedrich II. befahl angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Fahnenflucht e<strong>in</strong> hartes Vorgehen gegen<br />

die E<strong>in</strong>wohner Sachsens sowie die<br />

lokalen Behör<strong>de</strong>n, falls diese etwaige<br />

Deserteure auf ihrer Flucht unterstützen<br />

sollten. Dennoch folgte e<strong>in</strong>e<br />

zweite Desertionswelle im Frühjahr<br />

1757. Hauptgrün<strong>de</strong> waren vor allem<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> bevorstehen<strong>de</strong> Frühjahrsfeldzug<br />

sowie die <strong>in</strong>zwischen erfolgte Begegnung<br />

mit <strong>de</strong>m berüchtigten preußischen<br />

Drill. Durch die bewusst harte<br />

Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals sächsischen<br />

Soldaten wird so mancher von ihnen<br />

auch persönliche Rachemotive gegen<br />

<strong>de</strong>n e<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en preußischen Offizier<br />

entwickelt haben, weshalb es<br />

nun auch häufig zu Gewalttaten gegenüber<br />

<strong>de</strong>n preußischen Offizieren<br />

kam. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>gefangene sächsische<br />

Deserteure sagten dazu aus, sie seien<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung oft als »sächsische<br />

Hun<strong>de</strong>« beschimpft wor<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m<br />

habe man auch erfahrene sächsische<br />

Soldaten wie junge Rekruten traktiert.<br />

bpk Berl<strong>in</strong><br />

Nicht zuletzt vor <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>tergrund<br />

e<strong>in</strong>er solch abschrecken<strong>de</strong>n Menschenführung<br />

zeigte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenhalt<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> gewachsenen Strukturen<br />

im sächsischen Heer. Anfang<br />

1757 entwichen sächsische Soldaten<br />

oftmals sogar bataillonsweise unter<br />

Führung ihrer Unteroffiziere o<strong><strong>de</strong>r</strong> älteren<br />

Mannschaften. Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlegung<br />

nach Bischofswerda floh beispielsweise<br />

e<strong>in</strong> sächsischer Feldwebel<br />

nachts mit 42 Getreuen aus <strong>de</strong>m Quartier.<br />

Unter <strong>de</strong>n ihn verfolgen<strong>de</strong>n Soldaten<br />

waren etliche gepresste Sachsen,<br />

die sich bei dieser Gelegenheit <strong>de</strong>n<br />

Deserteuren gleich anschlossen. Bei<br />

Berl<strong>in</strong> meuterten sächsische Soldaten<br />

gegen ihre preußischen Offiziere, <strong>in</strong><br />

Chemnitz und Leipzig kämpften sich<br />

Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen sächsischen<br />

Regimenter gewaltsam <strong>de</strong>n Weg<br />

durch die Stadttore frei. Die sie kommandieren<strong>de</strong>n<br />

preußischen Offiziere<br />

wur<strong>de</strong>n meist unter Gewaltandrohung<br />

davongejagt, als Geiseln mitgeführt<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen gar kurzerhand<br />

erschossen.<br />

Das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> meisten sächsischen Deserteure<br />

war das <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen <strong>de</strong>m <strong>in</strong> Warschau weilen<strong>de</strong>n<br />

sächsischen Hof und Österreich <strong>in</strong>sgeheim<br />

organisierte »Sammlungswerk«.<br />

Um e<strong>in</strong> heimat- und rechtloses Umherstreifen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Deserteure zu verh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />

wur<strong>de</strong>n sie vornehmlich <strong>in</strong> Böhmen,<br />

Polen und Thür<strong>in</strong>gen durch viele<br />

ihrer ehemaligen Offiziere <strong>in</strong> Empfang<br />

genommen und ihr Weitermarsch auf<br />

österreichisches Territorium sichergestellt.<br />

Später wur<strong>de</strong>n die Sachsen dort<br />

vor allem zu e<strong>in</strong>em etwa 10 000 Mann<br />

starken Korps formiert, das für <strong>de</strong>n<br />

weiteren Kriegsverlauf im Dienste<br />

Frankreichs stand. Da sich auch mehrere<br />

»Pardons« (öffentlich bekanntgemachte<br />

Erlasse, die freiwillig zurückkehren<strong>de</strong>n<br />

Deserteuren Straffreiheit<br />

garantierten) <strong>de</strong>s preußischen Königs<br />

als unfruchtbar erwiesen, war Friedrich<br />

II. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> W<strong>in</strong>terpause auf neue<br />

»Erste Militärstrafe« –<br />

»Wie e<strong>in</strong> ehrlicher Mann<br />

Prügel empfängt«.<br />

Radierung von<br />

Daniel Chodowiecki,<br />

1776.<br />

Rekrutierungen angewiesen, um die<br />

durch Desertion entstan<strong>de</strong>nen Lücken<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu füllen.<br />

Während <strong>de</strong>n preußischen Freibataillonen<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit zahlreiche sächsische<br />

Untertanen vor allem aus materieller<br />

Not und angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> raschen<br />

Aufstiegsmöglichkeiten <strong>in</strong> diesen oftmals<br />

weniger diszipl<strong>in</strong>ierten Formationen<br />

freiwillig zuliefen, erwies sich<br />

die Rekrutierung für die regulären<br />

Regimenter als problematisch. Bereits<br />

im Oktober 1756 hatte das <strong>in</strong> Torgau<br />

<strong>in</strong>stallierte preußische Feldkriegsdirektorium<br />

<strong>de</strong>n sächsischen Kreisen<br />

<strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen<br />

Bevölkerungsdichte die Stellung von<br />

über 9000 Rekruten befohlen, weitere<br />

4000 sollten zum <strong>Jahre</strong>swechsel folgen.<br />

Ebenso wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kreisen die von<br />

<strong>de</strong>n sächsischen Deserteuren mitgenommenen<br />

Ausrüstungsgegenstän<strong>de</strong><br />

<strong>in</strong> Rechnung gestellt. Da sich viele junge<br />

Männer aus Furcht vor <strong>de</strong>n Kriegswirren<br />

und <strong>de</strong>m preußischen Militärdienst<br />

außer Lan<strong>de</strong>s begaben, waren<br />

die örtlichen Behör<strong>de</strong>n jedoch meist<br />

nicht zur Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Rekrutenzahl<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage. In solchen Fällen<br />

g<strong>in</strong>g die preußische Militärverwaltung<br />

gewaltsam gegen die sächsische<br />

Bevölkerung vor. Den Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>vorstehern<br />

wur<strong>de</strong> mit Festungshaft o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> »Exekution«, <strong><strong>de</strong>r</strong> unangenehmen<br />

Zwangse<strong>in</strong>quartierung preußischer<br />

Soldaten, gedroht. Auch Angehörige<br />

bestimmter, eigentlich vom Militärdienst<br />

ausgenommener Berufe, wie<br />

etwa Bergleute, wur<strong>de</strong>n rücksichtslos<br />

rekrutiert.<br />

Es waren im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s<br />

Krieges vor allem auch die aus Sachsen<br />

gepreßten Gel<strong><strong>de</strong>r</strong> und Abgaben, die<br />

Friedrich II. das jahrelange Standhalten<br />

gegen die sche<strong>in</strong>bar übermächtige<br />

Koalition se<strong>in</strong>er Gegner erlaubten.<br />

Marcus von Salisch<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

21


Service<br />

Das historische Stichwort<br />

Donauwörth<br />

E<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong> auf<br />

<strong>de</strong>m Weg <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Dreißigjährigen Krieg<br />

1607<br />

<br />

So stellte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeichner Johann Michael<br />

Mettenleitner Anfang <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />

das Donauwörther »Kreuz- und<br />

Fahnengefecht« von 1606 vor.<br />

ullste<strong>in</strong> bild<br />

Der Dreißigjährige Krieg (1618–<br />

1648) wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Heiligen<br />

Römischen Reiches Deutscher Nation<br />

ausgetragen. »Deutsche« Mächte wie<br />

Bayern, Böhmen, Sachsen, Österreich<br />

und die Pfalz waren daran ebenso<br />

be teiligt wie Schwe<strong>de</strong>n, Dänemark,<br />

Frankreich und Spanien. Es han<strong>de</strong>lte<br />

sich um die größte Katastrophe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

frühneuzeitlichen Geschichte. Die Bevölkerung<br />

litt unter <strong>de</strong>m Krieg und<br />

se<strong>in</strong>en Folgen. Alle<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchzug<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Heere brachte Plün<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen,<br />

Mor<strong>de</strong>, Hungersnöte und Seuchen mit<br />

sich. Die Verluste an Soldaten und<br />

Zi vilbevölkerung waren – gemessen<br />

an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Gesamtbevölkerung<br />

von rund 17 Millionen – prozentual<br />

höher als <strong>in</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Weltkriegen.<br />

Der Krieg wur<strong>de</strong> zunächst aus religiös-konfessionellen<br />

Motiven geführt,<br />

die aber <strong>in</strong> dieser Zeit grundsätzlich<br />

mit Macht- und Hegemonialpolitik<br />

verwoben waren, da Staat und Kirche<br />

nicht getrennt waren. Er mün<strong>de</strong>te <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Kampf um die Vorherrschaft <strong>in</strong><br />

Europa.<br />

Der Dreißigjährige Krieg hatte e<strong>in</strong>e<br />

lange Vorgeschichte. E<strong>in</strong> wichtiger Meilenste<strong>in</strong><br />

auf <strong>de</strong>m Weg zum Krieg war<br />

die Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichsstadt Donauwörth<br />

durch Herzog Maximilian I. von<br />

Bayern (1598–1651, seit 1623 Kurfürst<br />

von Bayern). Donauwörth kann als<br />

Fallbeispiel für die komplizierten Verhältnisse<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>n dienen.<br />

Der Siegeszug <strong><strong>de</strong>r</strong> Reformation im<br />

16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t spaltete Kirche und<br />

Gesellschaft. Gegen die katholische<br />

Kirche entstan<strong>de</strong>n auf protestantischer<br />

Seite zwei große Strömungen, die sich<br />

ebenfalls befeh<strong>de</strong>ten: zum e<strong>in</strong>en die<br />

Anhänger <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehren Mart<strong>in</strong> Luthers,<br />

wie etwa <strong>in</strong> Sachsen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die<br />

Reformierten/Calv<strong>in</strong>isten, grün<strong>de</strong>nd<br />

auf <strong>de</strong>n Lehren Ulrich Zw<strong>in</strong>glis und<br />

Johannes Calv<strong>in</strong>s, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfalz und<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten<br />

Hälfte <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts erfolgte<br />

seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> römisch-katholischen Kirche<br />

die »Gegenreformation«, die sich<br />

u.a. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Seelsorge,<br />

<strong>in</strong> Kirchenbauten und vermehrten<br />

Prozessionen sowie Wallfahrten<br />

äußerte. Hierbei exponierte sich das<br />

Her zogtum Bayern als Vorreiter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gegenreformation.<br />

Zu dieser Zeit galt <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz<br />

»cuius regio eius religio«, das heißt<br />

die Bevölkerung e<strong>in</strong>es Lan<strong>de</strong>s hatte<br />

die Konfession <strong>de</strong>s jeweiligen Lan<strong>de</strong>sherren<br />

anzunehmen. Blieb dieser katholisch,<br />

so blieb das Land katholisch,<br />

wur<strong>de</strong> er Lutheraner o<strong><strong>de</strong>r</strong> Calv<strong>in</strong>ist, so<br />

hatten die Untertanen zu folgen. Speziell<br />

die Reichsstädte <strong>in</strong> Franken und<br />

Schwaben waren überwiegend protestantisch<br />

gewor<strong>de</strong>n, folglich erhielten<br />

Katholiken dort ke<strong>in</strong> Bürgerrecht. E<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Reichsstädten waren »paritätisch«,<br />

das heißt es gab dort gemäß<br />

Reichsrecht Katholiken und Protestanten.<br />

Die Rechte von bei<strong>de</strong>n Konfessionen<br />

waren zu achten. Wur<strong>de</strong>n<br />

diese Rechte verletzt, so konnten sich<br />

die Bürger an <strong>de</strong>n zuständigen Reichskreis<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong>de</strong>n Stadtherren wen<strong>de</strong>n;<br />

im Falle e<strong>in</strong>er Reichsstadt war dies<br />

grundsätzlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaiser selbst. Vorgebracht<br />

wur<strong>de</strong>n solche Beschwer<strong>de</strong>n<br />

auf <strong>de</strong>n Kreis- bzw. Reichstagen. Der<br />

Reichstag besaß e<strong>in</strong>e katholische und<br />

e<strong>in</strong>e protestantische Partei.<br />

Donauwörth war e<strong>in</strong>e paritätische<br />

Reichsstadt <strong>de</strong>s schwäbischen Reichskreises.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtpfarrkirche wur<strong>de</strong><br />

seit 1553 ausschließlich evangelischer<br />

Gottesdienst abgehalten. Katholiken<br />

besaßen ihr geistiges Zentrum im Umfeld<br />

<strong>de</strong>s Benedikt<strong>in</strong>erklosters Heilig<br />

Kreuz. Allerd<strong>in</strong>gs hatten die Protestanten<br />

die Mehrheit im (Stadt-)Rat<br />

<strong>in</strong>ne. Katholische Prozessionen waren<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt längere Zeit nicht<br />

mehr üblich gewesen und von <strong>de</strong>n<br />

Stadtoberen sogar teilweise untersagt<br />

wor<strong>de</strong>n. Nun, im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> »Gegenreformation«,<br />

wur<strong>de</strong>n sie verstärkt<br />

durchgeführt, wobei es zu massiven<br />

Störungen und Belästigungen kam,<br />

gegen die <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat zunächst nur begrenzt<br />

und zögerlich e<strong>in</strong>schritt. Die<br />

katholische Seite erhöhte ihre Prozessionsaktivitäten.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1606 wur<strong>de</strong>n<br />

erneut Prozessionen abgehalten<br />

und massiv gestört, die schließlich im<br />

Donauwörther »Kreuz- und Fahnengefecht«<br />

en<strong>de</strong>ten.<br />

Die Katholiken wandten sich an <strong>de</strong>n<br />

Kaiser und an <strong>de</strong>n Herzog von Bayern,<br />

Maximilian I. Jener war e<strong>in</strong> gläubiger<br />

und sehr frommer Katholik. Er ließ u.a.<br />

die Mariensäule auf <strong>de</strong>m Münchner<br />

Marienplatz erbauen und se<strong>in</strong>en Sohn<br />

auf <strong>de</strong>n Be<strong>in</strong>amen Maria taufen. E<strong>in</strong>e<br />

bayerische Kommission sollte jetzt die<br />

22 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


ullste<strong>in</strong> bild<br />

ullste<strong>in</strong> - Imagno<br />

Herzog Maximilian I. von Bayern,<br />

Kurfürst 1623–1651.<br />

Kupferstich von Peter Isselburg.<br />

Die Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 wur<strong>de</strong> zum Sieg <strong>de</strong>s<br />

Absolutismus über die a<strong>de</strong>lige Stän<strong>de</strong>herrschaft. Gemäl<strong>de</strong> von Pieter Snayers<br />

(1592–1667). Kupferstich von Peter Isselburg.<br />

Sache untersuchen, wur<strong>de</strong> aber »mit<br />

Hohn und Spott« empfangen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat<br />

bestand auf E<strong>in</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Prozessionen,<br />

was Maximilian I. von Bayern zu<br />

Verhandlungen mit <strong>de</strong>m Kaiser über<br />

die Verhängung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichsacht über<br />

Donauwörth veranlasste.<br />

Kaiser Rudolf II. verfügte am 3. August<br />

1607 die Reichsacht über Donauwörth;<br />

die Reichsexekution, also e<strong>in</strong><br />

militärisches E<strong>in</strong>greifen gegen e<strong>in</strong>en<br />

Reichsstand <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s Heiligen<br />

Römischen Reiches <strong>de</strong>utscher Nation,<br />

wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> Aussicht gestellt. Maximilian<br />

I. nutzte als e<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Kreisobristen<br />

<strong>de</strong>s bayerischen Reichskreises<br />

die Gelegenheit für sich, um die Stadt<br />

unter Druck zu setzen und sie sich<br />

vielleicht sogar e<strong>in</strong>zuverleiben, auch<br />

weil es sich bei Donauwörth um altes,<br />

von ihm beanspruchtes bayerisches<br />

Erbe han<strong>de</strong>lte. Er führte die Reichsexekution<br />

durch. Bayerische Truppen<br />

wur<strong>de</strong>n im Dezember 1607 <strong>in</strong> Stärke<br />

von 6000 Mann Infanterie, 600 Reitern<br />

und 12 Geschützen <strong>in</strong> Marsch gesetzt.<br />

Man rechnete mit ernsthaftem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand,<br />

auch weil etliche protestantische<br />

Stän<strong>de</strong> und Städte Donauwörth<br />

Hilfe angeboten hatten (die dann aber<br />

letztlich ausblieb). Donauwörth wur<strong>de</strong><br />

besetzt. Der Kaiser, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich <strong>in</strong> notorischen<br />

Geldnöten befand, blieb <strong>de</strong>m<br />

bayerischen Herzog die Erstattung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kosten für die Exekution <strong>in</strong> Höhe von<br />

225 000 Gul<strong>de</strong>n schuldig. Die E<strong>in</strong>künfte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Donauwörth betrugen nur<br />

15 000 Gul<strong>de</strong>n jährlich. Die Stadt wur<strong>de</strong><br />

vom Kaiser 1609 kurzerhand an<br />

<strong>de</strong>n Herzog von Bayern verpfän<strong>de</strong>t<br />

und kam 1749 endgültig zu Bayern.<br />

Zugleich begann die Rekatholisierung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt und ihrer E<strong>in</strong>wohner.<br />

Dieses Verhalten löste Entsetzen auf<br />

protestantischer Seite aus und führte<br />

auf <strong>de</strong>m Reichstag 1608 zum Auszug<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen Stän<strong>de</strong>. Der<br />

Reichstag en<strong>de</strong>te ohne Reichsabschied,<br />

also ohne b<strong>in</strong><strong>de</strong>n<strong>de</strong> Beschlüsse; er war<br />

damit handlungsunfähig.<br />

Auf protestantischer Seite wur<strong>de</strong> unter<br />

Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> calv<strong>in</strong>istischen Pfalz,<br />

regiert von <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfälzer L<strong>in</strong>ie <strong>de</strong>s Hauses<br />

Wittelsbach, e<strong>in</strong> (Militär-)Bündnis<br />

gegrün<strong>de</strong>t, die sogenannte protestantische<br />

Union. Ihr gehörten u.a. Ansbach,<br />

Kulmbach, Ba<strong>de</strong>n-Durlach, Sachsen-<br />

Anhalt, Pfalz-Neuburg, Württemberg,<br />

Ött<strong>in</strong>gen und 17 Reichstädte an, darunter<br />

Straßburg, Nürnberg und Ulm.<br />

England, die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> und Schwe<strong>de</strong>n<br />

ergriffen Partei für die Union.<br />

Nach e<strong>in</strong>em Übergriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfalz auf<br />

Bruchsal im Bistum Speyer zog die<br />

katholische Seite nach und grün<strong>de</strong>te<br />

1609 das (Militär-)Bündnis <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />

Liga. Auf dieser Seite stan<strong>de</strong>n<br />

die Kurfürsten von Köln, Ma<strong>in</strong>z und<br />

Trier. Das Direktorium lag beim Herzog<br />

von Bayern aus <strong><strong>de</strong>r</strong> bayerischen<br />

L<strong>in</strong>ie <strong>de</strong>s Hauses Wittelsbach. Spanien<br />

favorisierte die Liga. Somit gab es<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Staatswesen zwei mächtige<br />

konkurrieren<strong>de</strong> Bündnissysteme, die<br />

je<strong>de</strong>n Schritt <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweils an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Partei<br />

beobachteten und dagegen agierten.<br />

Die Lage war also angespannt, es<br />

bedurfte bloß e<strong>in</strong>es Funkens, um das<br />

Pulverfass <strong>in</strong> Brand zu setzen. 1618<br />

rebellierten die böhmischen Stän<strong>de</strong> <strong>in</strong><br />

Prag gegen die österreichische Herrschaft.<br />

Die böhmische Königswür<strong>de</strong>,<br />

vorher fest <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Habsburger<br />

und damit <strong><strong>de</strong>r</strong> (katholischen)<br />

Kaiser <strong>de</strong>s Heiligen Römischen Reiches<br />

Deutscher Nation, wur<strong>de</strong> ausgerechnet<br />

<strong>de</strong>m Kurfürsten Friedrich V.<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfalz angetragen, <strong>de</strong>m Führer<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen Partei, <strong><strong>de</strong>r</strong> sie<br />

1619 annahm. Dies führte zum Krieg,<br />

wobei sich die Union für neutral erklärte.<br />

Ligatruppen unter bayerischer<br />

Führung marschierten nach Böhmen<br />

und besiegten 1620 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht am<br />

Weißen Berg die pfälzisch-böhmischen<br />

Truppen.<br />

Die nun folgen<strong>de</strong>n bewaffneten Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen<br />

weiteten sich durch<br />

die Beteiligung immer neuer Mächte<br />

schließlich zu e<strong>in</strong>em gesamteuropäischen<br />

Konflikt aus. Vielfältige Chancen<br />

auf Frie<strong>de</strong>nsschlüsse blieben ungenutzt.<br />

Erst 1648 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Westfälische<br />

Frie<strong>de</strong> geschlossen. Der Krieg zwischen<br />

<strong>de</strong>m Reich und Schwe<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong><br />

<strong>in</strong> Osnabrück, <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischen <strong>de</strong>m<br />

Reich und Frankreich <strong>in</strong> Münster been<strong>de</strong>t.<br />

Das Land war <strong>in</strong> großen Teilen<br />

vernichtet und verwüstet, die Bevölkerungsverluste<br />

können nur geschätzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Letztendlich erhielten die<br />

Reichsstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich mehr Rechte,<br />

und Frankreichs Aufstieg zur europäischen<br />

Hegemonialmacht war vorgezeichnet.<br />

hp<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

23


Service<br />

Medien onl<strong>in</strong>e/digital<br />

Archäologie onl<strong>in</strong>e –<br />

Die Varusschlacht<br />

as ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Teutoburger Wald,<br />

»D <strong>de</strong>n Tacitus beschrieben, das<br />

ist <strong><strong>de</strong>r</strong> klassische Morast, wo Varus<br />

steckengeblieben. Hier schlug ihn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Cheruskerfürst, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hermann, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

edle Recke; die <strong>de</strong>utsche Nationalität,<br />

die siegte <strong>in</strong> diesem Drecke ...«.<br />

Mit diesen Worten gedachte He<strong>in</strong>rich<br />

He<strong>in</strong>e <strong>in</strong> »Deutschland. E<strong>in</strong> W<strong>in</strong>termärchen«<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er eigenen, kritischen<br />

Weise <strong><strong>de</strong>r</strong> cla<strong>de</strong>s Variana, <strong><strong>de</strong>r</strong> Varusschlacht,<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> im <strong>Jahre</strong> 9 n.Chr. drei<br />

römische Legionen unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Führung<br />

von Publius Qu<strong>in</strong>ctilius Varus durch<br />

das Heer <strong>de</strong>s Cheruskerfürsten Arm<strong>in</strong>ius<br />

vernichtet wur<strong>de</strong>n. Die verheeren<strong>de</strong><br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Römer veranlasste<br />

nicht nur etliche antike Autoren, sich<br />

zur Varusschlacht zu äußern, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

markierte auch das vorläufige En<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsrhe<strong>in</strong>ischen Invasion Germaniens.<br />

Nicht zuletzt <strong>de</strong>shalb spielte<br />

die Rezeption <strong><strong>de</strong>r</strong> cla<strong>de</strong>s Variana für<br />

die <strong>de</strong>utsche I<strong>de</strong>ntität e<strong>in</strong>e tragen<strong>de</strong><br />

Rolle.<br />

Bereits im 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t begann<br />

die zunehmen<strong>de</strong> Heroisierung <strong>de</strong>s<br />

Arm<strong>in</strong>ius <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Literatur.<br />

Im selben Zeitraum wur<strong>de</strong> se<strong>in</strong> Name<br />

– wohlgemerkt falsch – zu »Hermann«<br />

e<strong>in</strong>ge<strong>de</strong>utscht. Im aufkommen<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschen Nationalismus <strong>de</strong>s<br />

19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> germanische<br />

Fürst zusehends politisch <strong>in</strong>strumentalisiert.<br />

Höhepunkt dieser Kampagnen<br />

bil<strong>de</strong>te schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bau<br />

<strong>de</strong>s Hermanns<strong>de</strong>nkmals (E<strong>in</strong>weihung<br />

1875) auf <strong>de</strong>m Teutberg im südlichen<br />

Teutoburger Wald. Das nationale<br />

Pathos wird nicht zuletzt durch die<br />

Inschrift auf <strong>de</strong>m Schwert <strong>de</strong>utlich,<br />

das Arm<strong>in</strong>ius weit <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Himmel emporhebt:<br />

»Deutsche E<strong>in</strong>igkeit me<strong>in</strong>e<br />

Stärke – me<strong>in</strong>e Stärke Deutschlands<br />

Macht«. Es ist kaum verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>lich,<br />

dass auch die Nationalsozialisten<br />

Arm<strong>in</strong>ius und die Varusschlacht für<br />

ihre Zwecke vere<strong>in</strong>nahmten.<br />

He<strong>in</strong>rich He<strong>in</strong>e hat die Instrumentalisierung<br />

historischer Sachverhalte im<br />

Gegensatz zu vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schriftstellern<br />

schon früh kritisiert und damit<br />

auf e<strong>in</strong> grundlegen<strong>de</strong>s Problem<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft aufmerksam<br />

gemacht. Die mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen archäologischen<br />

Forschungen zur Varusschlacht<br />

fokussieren und diskutieren<br />

frei von I<strong>de</strong>ologie und Pathos diejenigen<br />

Fragen, die mit <strong>de</strong>n zur Verfügung<br />

stehen<strong>de</strong>n wissenschaftlichen Metho<strong>de</strong>n<br />

beantwortet wer<strong>de</strong>n können und<br />

die für e<strong>in</strong> besseres Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schlacht vonnöten s<strong>in</strong>d.<br />

www.varusforschung.<strong>de</strong><br />

So war die geografische Lokalisierung<br />

<strong>de</strong>s Schlachtfel<strong>de</strong>s lange umstritten.<br />

Aufgrund von Münzfun<strong>de</strong>n vermutete<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Historiker Theodor Mommsen<br />

1885 <strong>de</strong>n eigentlichen Ort <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht<br />

bei Kalkriese, nördlich von Osnabrück.<br />

Aber erst seit 1987 wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kalkrieser-Niewed<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Senke Grabungen<br />

durchgeführt. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Fundobjekte<br />

sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en großräumiger Streuung<br />

und Dichte ist die Region Kalkriese,<br />

die immerh<strong>in</strong> fast 30 km² umfasst,<br />

sehr wahrsche<strong>in</strong>lich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ort <strong><strong>de</strong>r</strong> cla<strong>de</strong>s<br />

Variana gewesen.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1997 wur<strong>de</strong> die Internetseite<br />

»Kalkriese: Die Örtlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Varusschlacht«<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Osnabrück<br />

e<strong>in</strong>gerichtet, damit die neuesten<br />

Forschungsergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong>teressierten<br />

Öffentlichkeit im Kontext <strong>de</strong>s Themas<br />

»Rom und Germanien« näher gebracht<br />

wer<strong>de</strong>n können. Das Projekt<br />

will so dazu beitragen, die I<strong>de</strong>ntifizierung<br />

<strong>de</strong>s Ausgrabungsgelän<strong>de</strong>s Kalkriese<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen Örtlichkeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Varusschlacht zu verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

Die Internetseite ist <strong>in</strong> 10 Kapitel<br />

und e<strong>in</strong>e dauerhafte Inhaltsanzeige im<br />

unteren Frame geglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

E<strong>in</strong>leitung, die kurz die Anfänge <strong>de</strong>s<br />

Forschungsprojektes und die E<strong>in</strong>zigartigkeit<br />

<strong>de</strong>s Fundortes beschreibt, kann<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Nutzer <strong>de</strong>n Standort lokalisieren<br />

und die geografischen Begebenheiten<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichen Karten betrachten.<br />

Um sich nicht erst <strong>in</strong> weitere Literatur<br />

e<strong>in</strong>lesen zu müssen, wird im<br />

dritten Kapitel e<strong>in</strong> Überblick zur römischen<br />

Germanienpolitik <strong>in</strong> augusteisch-frühtiberischer<br />

Zeit geboten, ergänzt<br />

um e<strong>in</strong>e Zeittafel im vierten<br />

Kapitel.<br />

Die wesentlichsten antiken Autoren<br />

wer<strong>de</strong>n als »Quellen« im fünften Kapitel<br />

<strong>in</strong> wenigen Zeilen vorgestellt. Die<br />

überlieferten late<strong>in</strong>ischen und griechischen<br />

Texte können tabellarisch mit ihrer<br />

jeweiligen Übersetzung nachgelesen<br />

wer<strong>de</strong>n. Abschließend f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich<br />

e<strong>in</strong> (lei<strong><strong>de</strong>r</strong> sehr kurzer) Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Quellen.<br />

Das sechste Kapitel beschreibt die<br />

römische Armee und ist mit entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Ausgrabungsfun<strong>de</strong>n<br />

versehen. Schließlich bil<strong>de</strong>t<br />

das Kapitel 7 <strong>de</strong>n wichtigsten Teil<br />

<strong>de</strong>s Internetauftritts. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung<br />

<strong>de</strong>s Fundortes durch geologische<br />

Schnitte, Karten mit <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>nverhältnissen<br />

und <strong>de</strong>m Wan<strong>de</strong>l<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Oberflächenstruktur wer<strong>de</strong>n die<br />

Fundstücke <strong>in</strong> Militaria, Münzfun<strong>de</strong><br />

und Alltagsgegenstän<strong>de</strong> aufgeteilt, fotografisch<br />

abgebil<strong>de</strong>t und kommentiert.<br />

Gera<strong>de</strong> die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong><strong>de</strong>r</strong> für<br />

24 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


<strong>de</strong>n Laien zuerst nicht i<strong>de</strong>ntifizierbaren<br />

Objekte <strong>in</strong> Nachzeichnungen führt<br />

zu e<strong>in</strong>em leichteren Verständnis.<br />

Um die Rezeption <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht seit<br />

<strong>de</strong>m 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t darzustellen, be-<br />

digital<br />

<strong>in</strong>haltet das achte Kapitel e<strong>in</strong>ige Postkarten,<br />

Kupferstiche und Holzschnitte<br />

bis zum beg<strong>in</strong>nen<strong>de</strong>n 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

Es folgt e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>k zu Museum und Park<br />

Kalkriese an (siehe unten).<br />

Den Abschluss bil<strong>de</strong>t das zehnte Kapitel<br />

mit e<strong>in</strong>em sehr umfangreichen<br />

Literaturverzeichnis, das bis <strong>in</strong>s Jahr<br />

2002 reicht.<br />

Insgesamt bietet diese Seite damit<br />

nicht nur e<strong>in</strong>en sehr brauchbaren E<strong>in</strong>blick<br />

<strong>in</strong> Welt <strong><strong>de</strong>r</strong> Archäologie, sie zeigt<br />

auch die Schwierigkeiten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung<br />

antiker Schlachtfel<strong><strong>de</strong>r</strong> auf.<br />

www.kalkriese-varusschlacht.<strong>de</strong><br />

Arm<strong>in</strong>ius und <strong>de</strong>ssen Frau Thusnelda.<br />

Mit e<strong>in</strong>er weiteren Verknüpfung können<br />

Kurz<strong>in</strong>formationen zu <strong>de</strong>n vier<br />

wichtigsten Germanenstämmen, <strong>de</strong>n<br />

Brukterern, Chatten, Cheruskern und<br />

Marsern, abgerufen wer<strong>de</strong>n.<br />

Des Weiteren enthält <strong><strong>de</strong>r</strong> Menüpunkt<br />

»Archäologie« e<strong>in</strong>en längeren Beitrag<br />

zur Ausgrabungsgeschichte und zum<br />

Schlachtverlauf.<br />

In diesem Kapitel wer<strong>de</strong>n die durch<br />

die unteren L<strong>in</strong>ks aufgerufenen und<br />

im mittleren Fenster angezeigten Texte<br />

mit Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Bildbeschreibungen<br />

ergänzt.<br />

Zur Planung e<strong>in</strong>es Besuchs ist auch<br />

die Auflistung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Veranstaltungen<br />

und Thementage hilfreich,<br />

die im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausstellung<br />

»Texte, T<strong>in</strong>te, Tacitus«<br />

(23. April bis zum 31. Oktober 2007)<br />

im Museum stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n und im oberen<br />

Frame unter »Veranstaltungen«<br />

abrufbar s<strong>in</strong>d.<br />

Mit 1085 Dokumenten zur <strong>de</strong>utschen<br />

Geschichte seit 1800 wartet<br />

die Seite www.documentarchiv.<strong>de</strong><br />

auf. Hier lassen sich Gesetzestexte,<br />

Traktate, Aufrufe und Verordnungen<br />

nachschlagen. Das älteste Dokument<br />

ist <strong><strong>de</strong>r</strong> »Hauptschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />

Reichs<strong>de</strong>putation« (Reichs<strong>de</strong>putationshauptschluss)<br />

vom 25. Fe bruar<br />

1803, das bislang jüngste Dokument<br />

ist die »Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

anlässlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfhandlungen<br />

gegen <strong>de</strong>n Irak« vom 20. März 2003.<br />

So kann man durch zweihun<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>Jahre</strong><br />

<strong>de</strong>utscher Geschichte, geglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>in</strong><br />

sechs Kapitel, blättern. H<strong>in</strong>zu kommt<br />

mit »Ausland – International« e<strong>in</strong> weiteres<br />

Kapitel, <strong>in</strong> welchem beispielsweise<br />

die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />

Staaten von Amerika vom 17. September<br />

1787, <strong><strong>de</strong>r</strong> Frie<strong>de</strong>nsvertrag von Versailles<br />

vom 28. Juni 1919 o<strong><strong>de</strong>r</strong> das »Gesetz<br />

über die Verträge von Locarno<br />

und <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>tritt Deutschlands <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Völkerbund« vom 28. November 1925<br />

aufgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e an <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite ist die<br />

<strong>in</strong>nere Verl<strong>in</strong>kung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dokumente. So<br />

können <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnungen<br />

erwähnte Gesetze und Protokolle über<br />

e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen L<strong>in</strong>k aufgerufen wer<strong>de</strong>n.<br />

Aber auch <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Textes<br />

erwähnte Absätze lassen sich direkt<br />

Die <strong>in</strong> <strong>de</strong>utsch, nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländisch und<br />

englisch verfügbare Homepage bereitet<br />

auf <strong>de</strong>n Besuch von Museum und<br />

Park Kalkriese vor. Den Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sehr übersichtlichen Seite macht e<strong>in</strong><br />

virtueller Rundgang im l<strong>in</strong>ken Frame,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>en Rundumblick von verschie<strong>de</strong>nen<br />

Standorten <strong>de</strong>s Gelän<strong>de</strong>s aus<br />

ermöglicht.<br />

Mit e<strong>in</strong>em Klick auf e<strong>in</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptmenüpunkte<br />

im oberen Fenster öffnet<br />

sich nicht nur die Information <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n e<strong>in</strong>e weitere Unterteilung<br />

lässt sich im unteren Fenster über<br />

L<strong>in</strong>ks öffnen.<br />

So navigiert man sich beispielsweise<br />

vom Menüpunkt »Varusschlacht« zu<br />

e<strong>in</strong>er kurzen Abhandlung über <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Vorgeschichte sowie zu e<strong>in</strong>er Zusammenfassung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> antiken Quellen und<br />

Autoren. Im untersten Frame f<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

sich Daten und Fakten zu <strong>de</strong>n wichtigsten<br />

zeitgenössischen Personen,<br />

<strong>de</strong>m römischen Feldherren Varus, se<strong>in</strong>em<br />

Kaiser Augustus, <strong>de</strong>m Germanen<br />

Dokumente im Internet<br />

www.documentarchiv.<strong>de</strong><br />

durch e<strong>in</strong>en Klick auf die jeweilige<br />

Nummer aufrufen und ermöglichen<br />

<strong>de</strong>n Sprung zum entsprechen<strong>de</strong>n Abschnitt.<br />

Zu <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen Dokumenten f<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

sich darüber h<strong>in</strong>aus Anmerkungen,<br />

die Quellenangabe und e<strong>in</strong>e empfohlene<br />

Zitierweise sowie e<strong>in</strong>e Liste<br />

weiterer themenverwandter Gesetze,<br />

Verordnungen und Protokolle, die im<br />

zeitlichen Kontext stehen o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />

<strong>de</strong>m angezeigten Dokument im S<strong>in</strong>nzusammenhang<br />

stehen.<br />

Wem die hier onl<strong>in</strong>e zur Verfügung<br />

gestellten Texte nicht ausreichen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>t unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Rubrik »L<strong>in</strong>ks« noch<br />

zwölf weitere Internetseiten, darunter<br />

jene, die Bun<strong>de</strong>sgesetze und Quellen<br />

vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit<br />

enthalten. E<strong>in</strong>e kurze Beschreibung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalte und die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Sprache, <strong>in</strong> welcher die Dokumente<br />

vorhan<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d, erleichtern die Suche.<br />

sts<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

25


Service<br />

Lesetipp<br />

Krieg im Mittelalter<br />

Krieg und Kultur s<strong>in</strong>d im Mittelalter<br />

nicht vone<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> zu trennen<strong>de</strong><br />

Begriffe. In se<strong>in</strong>em Werk versucht<br />

Malte Prietzel dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

zeitlichen Bogen, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom 8. bis zum<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 15. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts reicht, darzustellen.<br />

Die Probleme beim Betrachten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Epoche Mittelalter wer<strong>de</strong>n anhand<br />

e<strong>in</strong>zelner Zeitabschnitte, Kriege,<br />

Schlachten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Konflikte ver<strong>de</strong>utlicht.<br />

Der Autor vergisst auch nicht, <strong>de</strong>n<br />

zeitgenössischen Autoren Raum zu<br />

geben und aus <strong><strong>de</strong>r</strong>en Aussagen kritische<br />

Informationen zu gew<strong>in</strong>nen, die<br />

<strong>de</strong>m Leser die Formen <strong>de</strong>s Krieges<br />

im Mittelalter näher br<strong>in</strong>gen sollen.<br />

Er beantwortet brennen<strong>de</strong> Fragen wie<br />

zur Größe <strong><strong>de</strong>r</strong> Heere, zum Zusammenspiel<br />

von Infanterie, Kavallerie und<br />

Artillerie, zu <strong>de</strong>n Rüstungen, Waffen,<br />

zur Rolle von Verteidigungsanlagen,<br />

wie etwa Motten und Burgen, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Malte Prietzel, Krieg im Mittelalter,<br />

Darmstadt 2006.<br />

ISBN 978-3-89678-577-0;<br />

208 S., 29,90 €<br />

zum Nutzen und S<strong>in</strong>n von Feldzeichen.<br />

Alles wird e<strong>in</strong>fach und klar formuliert<br />

ver<strong>de</strong>utlicht; Rechenbeispiele<br />

und Vergleiche geben e<strong>in</strong>e verständliche<br />

Vorstellung möglicher Größenordnungen<br />

bei <strong>de</strong>n Heeresstärken o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>n Kosten für Festungen und Rüstzeug.<br />

Die sich verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Macht <strong>de</strong>s<br />

A<strong>de</strong>ls, die auf <strong>de</strong>ssen Wehrfähigkeit<br />

und Kriegsleistungen beruhte, wird<br />

ebenso betrachtet wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Auf- und<br />

Abstieg <strong>de</strong>s Rittertums. Scha<strong>de</strong> nur,<br />

dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor nicht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Wort<br />

zur maritimen Kriegführung verliert,<br />

sich aber viel zu lange beim Mythos<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht von Tannenberg (1410)<br />

aufhält. Dennoch ist das Buch gera<strong>de</strong><br />

für E<strong>in</strong>steiger durchaus empfehlenswert,<br />

da auch übergeordnete Begriffe<br />

erklärt wer<strong>de</strong>n.<br />

sts<br />

Die Sächsische Armee 1790–1815<br />

Für <strong>de</strong>n Krieg gegen Russland mobilisierte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> französische Kaiser<br />

Napoleon im Frühjahr 1812 e<strong>in</strong>e Gesamtstreitmacht<br />

von 610 000 Mann<br />

aus 20 Nationen. 27 000 davon waren<br />

Sachsen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regimenter auf die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Korps <strong><strong>de</strong>r</strong> »Großen Armee«<br />

verteilt waren. Die Kürassierregimenter<br />

Gar<strong>de</strong> du Corps und Zastrow gehörten<br />

zum IV. Kavalleriekorps und<br />

besaßen bei Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s Feldzuges e<strong>in</strong>e<br />

Stärke von jeweils 33 Offizieren, 628<br />

Unteroffizieren und Mannschaften.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht bei Borod<strong>in</strong>o (7. September<br />

1812) führten sie zusammen<br />

mit polnischen Kürassieren <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Angriff auf das Zentrum<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> russischen Verteidigungsstellung.<br />

Durch diese Waffentat bereits stark<br />

<strong>de</strong>zimiert, schrumpften die bei<strong>de</strong>n<br />

schweren Reiterregimenter wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ganze Rest <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals »Großen Armee«<br />

nach <strong>de</strong>m Rückzug aus Moskau<br />

immer weiter zusammen. Am En<strong>de</strong><br />

waren es gera<strong>de</strong> e<strong>in</strong>mal 27 von ehemals<br />

1322 sächsischen Kürassieren,<br />

die aus eigener Kraft die sächsische<br />

Heimat wie<strong><strong>de</strong>r</strong> erreichten. Insgesamt<br />

überlebten nur 58 000 Mann <strong>de</strong>n Russlandfeldzug.<br />

Annähernd 25 000 sächsische<br />

Soldaten bezahlten die napoleonischen<br />

Machtträume mit ihrem Leben.<br />

Das Buch »Die Sächsische Armee<br />

zur Zeit Napoleons« von Wolfgang<br />

Gülich widmet sich dieser Generation<br />

sächsischer Soldaten und beschreibt<br />

die wechselvolle Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />

Armee <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n 1790 bis<br />

1815. Gut recherchiert und lebendig<br />

erzählt, holt Gülich sie aus <strong><strong>de</strong>r</strong> »Nische<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte«. Im Mittelpunkt<br />

se<strong>in</strong>er Untersuchung steht die Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nisierung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Streitmacht<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong> 1806 an <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite Preußens<br />

erlittenen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage im Krieg gegen<br />

Frankreich. Diese Reorganisation unterzieht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Autor e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gehen<strong>de</strong>n<br />

Analyse und betont <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Fazit<br />

die Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Militärreformen.<br />

mn<br />

Christopher Clark,<br />

Preußen.<br />

Aufstieg und<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gang<br />

1600–1947.<br />

Aus <strong>de</strong>m Englischen von<br />

Richard Barth,<br />

Norbert Juraschitz und<br />

Thomas Pfeiffer,<br />

München 2007.<br />

ISBN 978-3-421-05392;<br />

896 S., 39,95 €<br />

Preußen jenseits von I<strong>de</strong>ologien<br />

Bei e<strong>in</strong>em Sonntagsspaziergang<br />

durch Potsdam ent<strong>de</strong>ckte ich e<strong>in</strong><br />

bereits leicht verblichenes Plakat e<strong>in</strong>er<br />

l<strong>in</strong>ken Aktionsgruppe. Darauf stand<br />

<strong>in</strong> weißen Buchstaben auf schwarzem<br />

Grund: »60 JAHRE AUFLÖSUNG<br />

PREUSSENS. WIR SAGEN DANKE.<br />

PREUSSEN BLEIBT SCHEISSE.« Er<strong>in</strong>nern<br />

sollte dieses Plakat an das Gesetz<br />

Nr. 46 <strong>de</strong>s Alliierten Kontrollrats vom<br />

25. Februar 1947, durch das die alliierten<br />

Siegermächte die endgültige Liquidation<br />

<strong>de</strong>s preußischen Staates, »<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

seit jeher Träger <strong>de</strong>s Militarismus und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion <strong>in</strong> Deutschland gewesen«<br />

sei, verfügten. Dass sich Preußen<br />

und se<strong>in</strong>e Geschichte nicht »auf e<strong>in</strong>e<br />

teleologische Betrachtungsweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>utschen Schuld verkürzen« lassen,<br />

beweist <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Cambridge lehren<strong>de</strong><br />

Historiker Christopher Clark mit se<strong>in</strong>er<br />

fulm<strong>in</strong>anten Studie. Während die<br />

<strong>de</strong>utsche Historikerzunft sich häufig<br />

auf die Dekonstruktion von Mythen<br />

beschränkt, schreibt Christopher Clark<br />

Geschichte. Und wie er Geschichte<br />

schreibt! Se<strong>in</strong>e Darstellung <strong>de</strong>s Aufstiegs<br />

und Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gangs Preußens verdichtet<br />

sich zu e<strong>in</strong>er Meistererzählung,<br />

die <strong>de</strong>n Leser <strong>in</strong> ihren Bann zieht.<br />

Clark verzichtet bewusst auf e<strong>in</strong>e<br />

Schwarzweißzeichnung preußischer<br />

Wolfgang Gülich,<br />

Die Sächsische Armee zur Zeit Napoleons.<br />

Die Reorganisation von 1810. Mit Uniformabbildungen von<br />

Peter Bun<strong>de</strong>, Beucha 2006 (= Schriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd 9).<br />

ISBN 978-3-3934544-77-2;<br />

320 S., 30,00 €<br />

26 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Geschichte und entzieht sich <strong><strong>de</strong>r</strong> polarisieren<strong>de</strong>n<br />

Urteile, die sich sowohl <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Diskussion als auch<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> wissenschaftlichen Literatur f<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

lassen. Vielmehr bemüht er sich<br />

um e<strong>in</strong> ausgewogenes, vielschichtiges<br />

Preußenbild, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m die Militärgeschichte<br />

ihren angemessenen Platz<br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>t und setzt dabei Maßstäbe. Es<br />

bleibt zu hoffen, dass se<strong>in</strong> Buch auch <strong>in</strong><br />

Deutschland viele Leser f<strong>in</strong><strong>de</strong>n wird.<br />

mn<br />

Militärreformer<br />

Andreas Broicher,<br />

Gerhard von Scharnhorst.<br />

Soldat–Reformer–Wegbereiter,<br />

Aachen 2005.<br />

ISBN 978-3938208205;<br />

271 S., 25,80 €<br />

Dieses Buch ist mehr als e<strong>in</strong>e Biografie.<br />

Zwar behan<strong>de</strong>lt es <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Hälfte die ungewöhnliche<br />

Offizierlaufbahn <strong>de</strong>s hannoverschen<br />

Bauernsohns Scharnhorst, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> aristokratisch dom<strong>in</strong>ierten Armee<br />

Preußens hochdiente und nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage gegen Napoleon das Militärwesen<br />

dieses Staates reformierte.<br />

Die eigentliche Be<strong>de</strong>utung aber<br />

liegt <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Rezeption se<strong>in</strong>er I<strong>de</strong>en<br />

vom 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t bis heute. Der<br />

Verfasser zeigt e<strong>in</strong>erseits, wie sich<br />

aus <strong>de</strong>m von Scharnhorst geprägten<br />

Menschenbild schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> »Staatsbürger<br />

<strong>in</strong> Uniform« und somit die<br />

»Innere Führung« <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

entwickelte. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits behan<strong>de</strong>lt<br />

er die Geschichte <strong>de</strong>s militärischen<br />

Führungs<strong>de</strong>nkens im preußischen und<br />

<strong>de</strong>utschen Heer. Daraus wird <strong>de</strong>utlich,<br />

wie bereits Scharnhorst die Grundlagen<br />

für die Auftragstaktik, das Gefecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> verbun<strong>de</strong>nen Waffen und<br />

die <strong>Bildung</strong> e<strong>in</strong>es Generalstabs formte.<br />

Das Interesse <strong>de</strong>s Verfassers an <strong>de</strong>m<br />

preußischen Reformer wird an se<strong>in</strong>er<br />

eigenen Biografie <strong>de</strong>utlich. Schließlich<br />

gehörte er zu <strong>de</strong>n »Männern <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten<br />

Stun<strong>de</strong>« <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, die ganz<br />

bewusst am 12. November 1955, <strong>de</strong>m<br />

200. Geburtstag Scharnhorsts, aufgestellt<br />

wur<strong>de</strong>. E<strong>in</strong>e lohnen<strong>de</strong> Lektüre!<br />

Karl-He<strong>in</strong>z Frieser<br />

Bombenkrieg<br />

Mit <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Buch veröffentlicht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Literaturwissenschaftler<br />

Oliver Lubrich nach <strong>de</strong>n<br />

»Reisen <strong>in</strong>s Reich 1933 bis 1945« ausländischer<br />

Autoren se<strong>in</strong>en zweiten<br />

Band <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> renommierten, bibliophil<br />

ausgestatteten »An<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bibliothek«.<br />

Den Herausgeber <strong>in</strong>teressiert<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> »frem<strong>de</strong>« Blick auf die Ereignisse,<br />

nicht zuletzt auch <strong>de</strong>swegen, weil dieser<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Betrachtungsweisen und<br />

Fragestellungen hervorruft. Lubrich<br />

präsentiert e<strong>in</strong>e illustre Run<strong>de</strong> ausländischer<br />

Autoren: Sie reicht von Korrespon<strong>de</strong>nten<br />

fe<strong>in</strong>dlicher und verbün<strong>de</strong>ter<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong> (etwa William S. Shirer<br />

aus <strong>de</strong>n USA) über Journalisten bzw.<br />

Kriegsberichterstattern bis h<strong>in</strong> zu Geschäftsleuten<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Politikern wie <strong>de</strong>n<br />

italienischen Außenm<strong>in</strong>ister Galeazzo<br />

Ciano. Auch so schillern<strong>de</strong> Persönlichkeiten<br />

wie <strong><strong>de</strong>r</strong> reisen<strong>de</strong> Schriftsteller<br />

Curzio Malaparte, e<strong>in</strong> Deutsch-Italiener,<br />

fehlen nicht. In <strong>de</strong>n Berichten wird<br />

nichts ausgespart: we<strong><strong>de</strong>r</strong> menschliches<br />

Verhalten angesichts <strong>de</strong>s nahen<strong>de</strong>n<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> tatsächlichen To<strong>de</strong>s noch die<br />

Urteile <strong><strong>de</strong>r</strong> bombardierten Deutschen<br />

über die Luftangriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> die <strong>de</strong>utschen Bombar<strong>de</strong>ments<br />

auf europäische Städte wie London<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stal<strong>in</strong>grad. Was hier fasz<strong>in</strong>iert, ist<br />

vor allem die E<strong>in</strong>schätzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitgenossen<br />

als Augen- und Ohrenzeugen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschehnisse, darüber h<strong>in</strong>aus<br />

genügen die meisten Texte höchsten<br />

literarischen Ansprüchen. Zu <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen<br />

Autoren liefert <strong><strong>de</strong>r</strong> Herausgeber,<br />

neben se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>leitung, kurze<br />

biografische Abrisse, welche die Person<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erzählung(en) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Zusammenhang stellen<br />

und das Geschriebene vor diesem<br />

H<strong>in</strong>tergrund verstehen helfen.<br />

mt<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand gegen <strong>de</strong>n<br />

Nationalsozialismus<br />

Im Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

nimmt <strong><strong>de</strong>r</strong> militärische Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand<br />

gegen das nationalsozialistische<br />

Unrechtsregime e<strong>in</strong>e tragen<strong>de</strong><br />

Rolle e<strong>in</strong>. Es darf jedoch nicht vergessen<br />

wer<strong>de</strong>n, dass es außerhalb <strong>de</strong>s<br />

Militärs zahlreiche zivile Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsgruppen<br />

gab, die gegen Hitler wirkten<br />

und Konzeptionen entwickelten, wie<br />

Oliver Lubrich (Hrsg.),<br />

Berichte aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Abwurfzone.<br />

Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong> erleben <strong>de</strong>n Bombenkrieg<br />

<strong>in</strong> Deutschland 1939 bis 1945,<br />

Frankfurt a.M. 2007<br />

(= Die An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bibliothek, Bd 266).<br />

ISBN 978-3-8218-4583-8;<br />

479 S., 28,00 €<br />

Deutschland nach <strong>de</strong>m Krieg aussehen<br />

könnte. E<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> bekanntesten Gruppen<br />

war <strong><strong>de</strong>r</strong> »Kreisauer Kreis« unter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Führung von Helmuth James von<br />

Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg.<br />

Günter Brakelmann widmet<br />

sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jüngsten Veröffentlichung<br />

<strong>de</strong>m kurzen Leben von Moltke, geboren<br />

am 11. März 1907 <strong>in</strong> Creisau (ab<br />

1930 Kreisau), h<strong>in</strong>gerichtet am 23. Januar<br />

1945 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Plötzensee.<br />

Zwar lässt die Biografie die Jugendund<br />

Studienzeit nicht außer Acht, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schwerpunkt liegt aber im Leben und<br />

Wirken Moltkes von 1939 bis 1945.<br />

Gleichermaßen ist Brakelmanns Werk<br />

somit e<strong>in</strong>e Geschichte <strong>de</strong>s »Kreisauer<br />

Kreises«, <strong>de</strong>ssen geistige Ausrichtung<br />

und Ziele maßgeblich von Helmuth<br />

James von Moltke bee<strong>in</strong>flusst wur<strong>de</strong>n.<br />

Im Krieg als Sachverständiger für<br />

Kriegs- und Völkerrecht im Amt Ausland/Abwehr<br />

<strong>de</strong>s OKW e<strong>in</strong>gesetzt, wo<br />

er se<strong>in</strong>e Stellung zum Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand gegen<br />

das Regime nutzte, wur<strong>de</strong> Moltke im<br />

Januar 1944 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestapo verhaftet.<br />

Obwohl er sich gegen e<strong>in</strong> Attentat auf<br />

Hitler ausgesprochen hatte, schlossen<br />

sich Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s »Kreisauer Kreises«<br />

nach se<strong>in</strong>er Verhaftung <strong>de</strong>m militärischen<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand um Stauffenberg an.<br />

Auch Moltkes Haftzeit bis zur H<strong>in</strong>richtung<br />

<strong>in</strong> Folge <strong>de</strong>s 20. Juli 1944 wird<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Biografie Brakelmanns genügend<br />

Beachtung geschenkt. Der Abdruck<br />

e<strong>in</strong>es Briefs von Moltke an se<strong>in</strong>e<br />

Söhne aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Haft, e<strong>in</strong> umfangreiches<br />

Literaturverzeichnis sowie e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>taillierte<br />

Zeittafel run<strong>de</strong>n die Publikation<br />

ab, ohne die e<strong>in</strong>e kritische Betrachtung<br />

<strong>de</strong>s Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stan<strong>de</strong>s unvollständig wäre.<br />

jf<br />

Günter Brakelmann,<br />

Helmuth James von Moltke<br />

1907–1945.<br />

E<strong>in</strong>e Biographie, München 2007.<br />

ISBN 978 3 406 55495 7;<br />

432 S., 24,90 €<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

27


Service<br />

Ausstellungen<br />

Berl<strong>in</strong><br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Luftwaffe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

1956–2006<br />

Luftwaffenmuseum <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

Kladower Damm 182<br />

14089 Berl<strong>in</strong>-Gatow<br />

Telefon: 0 30 / 36 87 26 01<br />

Telefax: 0 30 / 36 87 26 10<br />

e-Mail:<br />

LwMuseumBwE<strong>in</strong>gang@<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>.org<br />

Internet:<br />

www.Luftwaffenmuseum.com<br />

bis 31. August 2008<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

9.00 bis 17.00 Uhr<br />

(letzter E<strong>in</strong>lass 16.30 Uhr)<br />

E<strong>in</strong>tritt frei<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />

E<strong>in</strong>gang zum Museum:<br />

Ritterfelddamm /Am Flugplatz<br />

Gatow.<br />

Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Junkers F 13 zum<br />

Airbus A 380. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Verkehrsflugzeuge<br />

Luftwaffenmuseum <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

25. Mai bis 23 Sept. 2007<br />

(alle weiteren Angaben<br />

siehe oben)<br />

Bonn<br />

Krieg und Frie<strong>de</strong>n.<br />

Kelten – Römer – Germanen<br />

Rhe<strong>in</strong>isches Lan<strong>de</strong>smuseum<br />

Bonn<br />

Colmantstraße 14–18<br />

53115 Bonn<br />

Telefon: 02 28 / 2 07 00<br />

Telefax: 02 28 / 2 07 01 <strong>50</strong><br />

e-Mail: rlmb@lvr.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.rlmb.lvr.<strong>de</strong>/ausstellungen<br />

21. Juni 2007 bis<br />

6. Januar 2008<br />

Dienstag, Donnerstag bis <br />

Sonntag<br />

10.00 bis 18.00 Uhr<br />

Mittwoch<br />

10.00 bis 21.00 Uhr<br />

Montag Ruhetag<br />

E<strong>in</strong>tritt: 5,00 €<br />

ermäßigt: 2,00 €<br />

Ellwangen<br />

<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im E<strong>in</strong>satz<br />

Re<strong>in</strong>hardt-Kaserne<br />

Panzergrenadierbriga<strong>de</strong> 30<br />

Hohenstaufenstraße 2a<br />

73477 Ellwangen<br />

10. September bis<br />

10. Oktober 2007<br />

Telefon: 0 79 61 / 94 10 16<br />

Innsbruck (Österreich)<br />

Weltkrieg 1914–1918.<br />

Vom Isonzo zur Piave<br />

Kaiserjägermuseum<br />

Innsbruck<br />

Tiroler Kaiserjägermuseum<br />

& Andreas-Hofer-Galerie<br />

Bergisel 1<br />

A 6020 Innsbruck<br />

Telefon: +43 (512) 58 23 12<br />

Telefax: +43 (512) 58 86 75<br />

e-Mail:<br />

<strong>in</strong>fo@kaiserjaegermuseum.org<br />

Internet:<br />

www.kaiserjaegermuseum.org<br />

1. April bis<br />

31. Oktober 2007<br />

täglich 9.00 bis 17.00 Uhr<br />

E<strong>in</strong>tritt: 3,<strong>50</strong> €<br />

ermäßigt: ab 2,00 €<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />

E<strong>in</strong>en Lageplan gibt es unter<br />

www.kaiserjägermuseum.org,<br />

dann »Kaiserjägermuseum«,<br />

dann »Lageplan«; <br />

Straßenbahn:<br />

L<strong>in</strong>ie 1 bis Endstation<br />

»Bergisel«.<br />

Koblenz<br />

Die Masch<strong>in</strong>enpistole.<br />

Entwicklung und<br />

Geschichte e<strong>in</strong>er Waffe<br />

unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> MP2-UZI<br />

Wehrtechnische<br />

Studiensammlung<br />

Mayener Straße 85–87<br />

56070 Koblenz<br />

Telefon: 02 61 / 4 00 14 23<br />

Telefax: 02 61 / 4 00 14 24<br />

e-Mail: WTS@bwb.org<br />

Internet: www.bwb.org/wts<br />

24. August 2006 bis<br />

9. September 2007<br />

täglich 9.30 bis 16.30 Uhr<br />

E<strong>in</strong>tritt: 1,<strong>50</strong> €<br />

(für Soldaten und<br />

Mitarbeiter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bw-Ver waltung frei)<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />

PKW: Anfahrtsskizze unter<br />

http://www.bwb.org/<br />

01DB022000000001/<br />

CurrentBaseL<strong>in</strong>k/<br />

W26EJCH3034INFODE;<br />

Bahn/Bus: Ab Bahnhof<br />

Koblenz (Busbahnhof<br />

gegenüber) L<strong>in</strong>ien 5 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 15<br />

bis »Langemarckplatz«.<br />

Königste<strong>in</strong><br />

Radschlosswaffen aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rüstkammer Em<strong>de</strong>n<br />

Festung Königste<strong>in</strong> gGmbH<br />

01824 Königste<strong>in</strong><br />

Telefon: 03 <strong>50</strong> 21 / 6 46 07<br />

Telefax: 03 <strong>50</strong> 21 / 6 46 09 <br />

e-Mail:<br />

<strong>in</strong>fo@festung-koenigste<strong>in</strong>.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.festung-koenigste<strong>in</strong>.<strong>de</strong><br />

10. Februar 2007 bis<br />

1. Januar 2008<br />

10.00 bis 18.00 Uhr<br />

E<strong>in</strong>tritt: 5,00 €<br />

ermäßigt: ab 2,00 €<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />

Pkw: A17 Dres<strong>de</strong>n–Prag<br />

(Abfahrt Pirna), weiter auf<br />

B172 Dres<strong>de</strong>n–Bad Schandau;<br />

S-Bahn: L<strong>in</strong>ie 1:<br />

Dres<strong>de</strong>n–Königste<strong>in</strong>–Schöna;<br />

Bus: L<strong>in</strong>ie 241:<br />

Pirna–Königste<strong>in</strong>, Haltestelle<br />

»Abzweig Festung«<br />

Ludwigsburg<br />

Zwischen Kunst und<br />

Kitsch. Er<strong>in</strong>nerungskultur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten<br />

Garnisonmuseum<br />

Ludwigsburg<br />

Asperger Straße 52<br />

71634 Ludwigsburg<br />

Telefon: 0 71 41 / 9 10 24 12<br />

Telefax: 0 71 41 / 9 10 23 42<br />

e-mail:<br />

<strong>in</strong>fo@garnisonmuseumludwigsburg.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.garnisonmuseumludwigsburg.<strong>de</strong><br />

Mittwoch 15 bis 18 Uhr,<br />

Sonntag 13 bis 17 Uhr<br />

(und auf Anfrage)<br />

E<strong>in</strong>tritt frei<br />

1. Juli 2007 bis<br />

30. April 2008<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />

S-Bahn:<br />

L<strong>in</strong>ien S 4 und S 5<br />

(von Stuttgart<br />

bzw. Bietigheim)<br />

bis zur Station<br />

»Ludwigsburg«.<br />

28 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Rastatt<br />

»Désastres <strong>de</strong> la Guerra«<br />

von Francisco <strong>de</strong> Goya<br />

Wehrgeschichtliches<br />

Museum Rastatt<br />

Schloß Rastatt<br />

Herrenstraße 18<br />

76437 Rastatt<br />

Telefon: 0 72 22 / 3 42 44<br />

Telefax: 0 72 22 / 3 07 12<br />

e-Mail:<br />

<strong>in</strong>formation@wgm-rastatt.<strong>de</strong><br />

Internet: www.wgm-rastatt.<strong>de</strong><br />

12. Mai bis<br />

5. August 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

10.00 bis 17.00 Uhr<br />

E<strong>in</strong>tritt: 5,00 €<br />

ermäßigt: 3,00 €<br />

Stammheim<br />

Vom bunten Rock<br />

zum Feldgrau<br />

Museum Militär- und<br />

Zeitgeschichte<br />

Günter Weißenseel<br />

Waldweg 3<br />

97<strong>50</strong>9 Stammheim/G<strong>de</strong>.<br />

Kolitzheim<br />

Telefon: 0 93 81 / 92 55<br />

Telefax: 0 93 81 / 98 <strong>50</strong><br />

e-Mail:<br />

<strong>in</strong>fo@museum-stammheim.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.museum-stammheim.<strong>de</strong><br />

Beg<strong>in</strong>n 31. März 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

10.00 bis 18.00 Uhr<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />

Stammheim am Ma<strong>in</strong>/G<strong>de</strong>.<br />

Kolitzheim liegt zwischen<br />

<strong>de</strong>n unterfränkischen Städten<br />

Schwe<strong>in</strong>furt und Würzburg.<br />

Anfahrtsskizze unter http://<br />

www.museum-stammheim.<strong>de</strong>/<br />

sonstiges/adresse.htm.<br />

Trier<br />

Konstant<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Große<br />

E<strong>in</strong>e Ausstellung <strong>in</strong><br />

3 Museen<br />

Ausstellungsbüro<br />

Konstant<strong>in</strong>-Ausstellungsgesellschaft<br />

mbH<br />

Barbarathermen,<br />

Südallee 48<br />

54290 Trier <br />

Telefon: 06 51 / 2 01 70 70<br />

Telefax: 06 51 / 2 01 70 79<br />

e-Mail:<br />

<strong>in</strong>fo@konstant<strong>in</strong>-ausstellung.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.konstant<strong>in</strong>-ausstellung.<strong>de</strong><br />

2. Juni bis 4. November 2007<br />

E<strong>in</strong>tritt mit Kombiticket:<br />

12,00 €<br />

Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />

Pkw: A1 aus Richtung<br />

Saarbrücken/Kaiserslautern,<br />

A1/A48 aus Richtung<br />

Koblenz/Köln, A64 aus<br />

Richtung Luxemburg/Belgien.<br />

Weitere Anfahrtsmöglichkeiten<br />

auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Internetseite oben<br />

rechts unter »Anfahrt«.<br />

Herrscher <strong>de</strong>s<br />

Römischen Imperiums<br />

Rhe<strong>in</strong>isches Lan<strong>de</strong>smuseum<br />

Trier<br />

Weimarer Allee 1<br />

54290 Trier<br />

Telefon: 06 51 / 9 77 40<br />

Telefax: 06 51 / 9 77 42 22<br />

e-Mail: <strong>in</strong>fo@rlmtrier.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.lan<strong>de</strong>smuseum-trier.<strong>de</strong><br />

täglich 10.00 bis 18.00 Uhr<br />

(9.00 bis 10.00 Uhr für<br />

Gruppen)<br />

<br />

E<strong>in</strong>tritt: 8,00 €<br />

ermäßigt: 6,00 €<br />

Der Kaiser und<br />

die Christen<br />

Bischöfliches Dom- und<br />

Diözesanmuseum<br />

W<strong>in</strong>dstraße 6-8<br />

54290 Trier<br />

Telefon: 06 51 / 7 10 52 55<br />

Telefax: 06 51 / 71 05 48<br />

e-Mail: museum@bgv-trier.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.bistum-trier.<strong>de</strong>/museum<br />

täglich 10.00 bis 18.00 Uhr<br />

(9.00 bis 10.00 Uhr für<br />

Gruppen)<br />

E<strong>in</strong>tritt: 6,00 €<br />

ermäßigt: 4,00 €<br />

Tradition und Mythos<br />

Stadtmuseum Simeonstift<br />

Simeonstraße 55<br />

54290 Trier<br />

Telefon: 06 51 / 7 18 14 59<br />

Telefax: 06 51 / 7 18 14 58<br />

e-Mail:<br />

monika.thelen@trier.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.museum-trier.<strong>de</strong><br />

täglich 10.00 bis 18.00 Uhr<br />

(9.00 bis 10.00 Uhr für<br />

Gruppen)<br />

<br />

E<strong>in</strong>tritt: 6,00 €<br />

ermäßigt: 4,00 €<br />

Walldürn<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />

Nibelungen-Kaserne<br />

Dr.-August-Stumpf-<br />

Straße 33<br />

74731 Walldürn<br />

Telefon:<br />

0 62 82 / 9 24 70 21 00<br />

Telefax:<br />

0 62 82 / 9 24 70 21 09<br />

16. Juli bis 3. August 2007<br />

Wilhelmshaven<br />

Gefahr aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiefe –<br />

100 <strong>Jahre</strong> <strong>de</strong>utsche<br />

Seem<strong>in</strong>enabwehr<br />

Deutsches Mar<strong>in</strong>emuseum<br />

Südstrand 125<br />

26382 Wilhelmshaven<br />

Telefon: 0 44 21 / 4 10 61<br />

e-Mail:<br />

<strong>in</strong>fo@mar<strong>in</strong>emuseum.<strong>de</strong><br />

Internet:<br />

www.mar<strong>in</strong>emuseum.<strong>de</strong><br />

23. März bis<br />

30. September 2007<br />

bis Okt. 10.00 bis 18.00 Uhr<br />

ab Nov. 10.00 bis 17.00 Uhr<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

29


Service<br />

Militärgeschichte kompakt<br />

ullste<strong>in</strong> bild<br />

ullste<strong>in</strong> bild / Granger Collection<br />

20. Juli 1932 »Preußenschlag«<br />

Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wache im<br />

Reichswehrm<strong>in</strong>isterium<br />

(Bendlerblock) am<br />

22. Juli 1932 nach<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verhängung <strong>de</strong>s<br />

Belagerungszustan<strong>de</strong>s<br />

über Berl<strong>in</strong>.<br />

Mit <strong>de</strong>m Beg<strong>in</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltwirtschaftskrise 1929 offenbarte<br />

sich zunehmend, dass die »Weimarer Republik«<br />

(1919–1933) e<strong>in</strong>e »Republik ohne Republikaner« war.<br />

Dies zeigte sich e<strong>in</strong>erseits daran, dass die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bevölkerung Parteien wählte, die offen die Abschaffung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratie propagierten. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits han<strong>de</strong>lten<br />

sogar die jeweiligen Reichsregierungen gegen die Republik.<br />

Das wohl spektakulärste Beispiel dafür war <strong><strong>de</strong>r</strong> »Preußenschlag«<br />

vom 20. Juli 1932, mit <strong>de</strong>m die Regierung<br />

<strong>de</strong>s Freistaates Preußen, <strong>de</strong>s größten <strong>de</strong>utschen Flä chenstaates,<br />

unter ihrem M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>de</strong>nten Otto Braun<br />

(SPD), von Reichspräsi<strong>de</strong>nt Paul von H<strong>in</strong><strong>de</strong>nburg abgesetzt<br />

wur<strong>de</strong>. Die Regierungskoalition aus SPD, Zentrum<br />

und Deutscher Demokratischer Partei, die seit<br />

1920 regierte, hatte zuvor <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Landtagswahlen vom<br />

24. April 1932 ihre Mehrheit verloren. Reichskanzler<br />

Franz von Papen, <strong>de</strong>ssen Ziel die direkte Unterstellung<br />

Preußens unter das Reich war, nutzte die erste sich<br />

bieten<strong>de</strong> Möglichkeit, um <strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Regierung<br />

Handlungsunfähigkeit zu attestieren und sie vom Reichspräsi<strong>de</strong>nten auflösen zu<br />

lassen. E<strong>in</strong>e solche Gelegenheit bot sich am 17. Juli 1932, <strong>de</strong>n »Altonaer Blutsonntag«,<br />

als bei Schießereien zwischen Nationalsozialisten, Kommunisten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Polizei<br />

18 Menschen zu To<strong>de</strong> kamen und weitere 285 verletzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Die am 20. Juli 1932 verkün<strong>de</strong>te Absetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung Braun und die Installierung<br />

e<strong>in</strong>es Reichskommissars für Preußen rief nur ger<strong>in</strong>gen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand hervor.<br />

Innenm<strong>in</strong>ister Carl Sever<strong>in</strong>g, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich zur Wehr setzte, wur<strong>de</strong> daraufh<strong>in</strong> mitsamt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Berl<strong>in</strong>er Polizei von <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr festgesetzt. E<strong>in</strong>e Verfassungsklage <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

preußischen Regierung beim Staatsgerichtshof wur<strong>de</strong> abgewiesen. Die Möglichkeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> direkten E<strong>in</strong>flussnahme <strong>de</strong>s Reiches <strong>in</strong> Preußen spielte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> späteren Machtübernahme<br />

Hitlers e<strong>in</strong> wichtige Rolle.<br />

jf<br />

9. Juli 1807 Frie<strong>de</strong>n von Tilsit<br />

Treffen <strong>in</strong> Tilsit auf<br />

e<strong>in</strong>em Floß <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte<br />

<strong>de</strong>s Flusses Njemen<br />

zwischen Napoleon I.,<br />

Zar Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong> I. und<br />

König Friedrich<br />

Wilhelm III., Juli 1807.<br />

Mit <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n von Tilsit en<strong>de</strong>te am 9. Juli 1807 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Krieg zwischen Frankreich und <strong><strong>de</strong>r</strong> russisch-preußischen<br />

Koalition. Die verheeren<strong>de</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage preußischsächsischer<br />

Truppen bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober<br />

1806 hatte das Zusammenbrechen Preußens und<br />

das Ausscheren Sachsens aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Koalition zur Folge.<br />

Sachsen schloss mit Frankreich im Dezember 1806 <strong>de</strong>n<br />

Frie<strong>de</strong>n zu Posen und trat <strong>de</strong>m Rhe<strong>in</strong>bund bei.<br />

Preußisch-russische Truppen erlitten im Februar 1807<br />

bei Preußisch-Eylau und im Juni 1807 bei Friedland weitere<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lagen gegen die französischen Truppen Napoleons.<br />

E<strong>in</strong>e Fortsetzung <strong>de</strong>s Krieges war daher aussichtslos,<br />

Preußen und Russland benötigten Frie<strong>de</strong>n.<br />

Preußen musste bei diesem Frie<strong>de</strong>nsschluss massive<br />

Gebietsabtretungen h<strong>in</strong>nehmen, es verlor fast die Hälfte<br />

se<strong>in</strong>es Staatsgebietes und se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>wohner bzw. Untertanen.<br />

Lediglich das E<strong>in</strong>greifen Zar Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong>s I. von<br />

Russland verh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>te die komplette Zerschlagung <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>s durch Napoleon. Preußen hatte die hohe Summe<br />

von über 120 Millionen Franken als Kontribution zu<br />

leisten und musste sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Kont<strong>in</strong>entalsperre gegen Großbritannien beteiligen.<br />

Französische Besatzungstruppen stan<strong>de</strong>n im Lan<strong>de</strong>. Die preußische Armee wur<strong>de</strong><br />

auf 42 000 Mann reduziert und hatte im Bedarfsfall Truppen für die Kriege Napoleons<br />

zu stellen. Preußen unterlief jedoch die Rüstungsbeschränkungen durch das<br />

sogenannte Krümpersystem: Es stan<strong>de</strong>n zwar immer nur 42 000 Mann zur selben<br />

Zeit unter Waffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelne Soldat diente aber jeweils nur kurzfristig, so dass<br />

<strong>in</strong>sgesamt bis 1813 über 1<strong>50</strong> 000 Soldaten ausgebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n.<br />

Die harten französischen Frie<strong>de</strong>nsbed<strong>in</strong>gungen lösten <strong>in</strong> Preußen e<strong>in</strong>e ganze<br />

Reihe grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Reformen <strong>in</strong> Militär, Staat und Gesellschaft aus, welche die<br />

Grundlage für die erfolgreiche Erhebung gegen Napoleon <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n 1813–1815<br />

bil<strong>de</strong>ten.<br />

hp<br />

Heft 3/2007<br />

Militärgeschichte<br />

Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong><br />

Vorschau<br />

Die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland ist e<strong>in</strong> Zuwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsland.<br />

Viele Menschen, die aus <strong>de</strong>n<br />

unterschiedlichsten Grün<strong>de</strong>n seit 1955 als Migranten<br />

zu uns kamen, s<strong>in</strong>d heute bereits <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Generation <strong>in</strong> Deutschland ansässig,<br />

besitzen die <strong>de</strong>utsche Staatsbürgerschaft<br />

und br<strong>in</strong>gen sich <strong>in</strong> gesellschaftliche Belange<br />

aller Art e<strong>in</strong>. Die massenhafte Zuwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

führt aber auch zu Problemen, vor allem an<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Schnittstelle von Christentum und Islam.<br />

Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion um <strong>de</strong>n Bau e<strong>in</strong>er repräsentativen<br />

Großmoschee <strong>in</strong> Köln hat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Publizist Ralph Giordano kürzlich im Kölner<br />

Stadtanzeiger die Integration von Muslimen<br />

<strong>in</strong> die <strong>de</strong>utsche Gesellschaft als gescheitert bezeichnet.<br />

Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Streit um die Errichtung<br />

e<strong>in</strong>er Moschee im Berl<strong>in</strong>er Ortsteil Pankow-<br />

He<strong>in</strong>ersdorf lässt erahnen, dass es immer noch<br />

Berührungsängste vieler Deutscher mit <strong>de</strong>m<br />

Islam gibt – auch außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> real existieren<strong>de</strong>n<br />

Problemfel<strong><strong>de</strong>r</strong> zwischen Islamismus und<br />

Parallelgesellschaft.<br />

Auch für die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> als »Spiegelbild<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft« ergeben sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Integration<br />

von <strong>de</strong>utschen Muslimen Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen.<br />

In gewisser Weise ist das Militär sogar e<strong>in</strong><br />

Vorreiter <strong>in</strong> Sachen Glaubensfreiheit und Integration.<br />

Bereits zu Zeiten <strong>de</strong>s Preußenkönigs<br />

Friedrich Wilhelm I. wur<strong>de</strong> 1732 <strong>in</strong> Potsdam die<br />

erste muslimische Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> gegrün<strong>de</strong>t – als<br />

Folge e<strong>in</strong>er Übernahme muslimischer Soldaten<br />

<strong>in</strong> das preußische Heer. Aus diesem Kapitel<br />

<strong>de</strong>utscher Militärgeschichte berichtet im kommen<strong>de</strong>n<br />

Heft Stephan Theilig.<br />

Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> ist nicht nur bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Integration<br />

von Soldaten unterschiedlicher ethnischer<br />

Herkunft und Religionszugehörigkeit<br />

gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaftsstruktur,<br />

auch im H<strong>in</strong>blick auf das zunehmen<strong>de</strong><br />

Alter <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtbevölkerung, sowie die<br />

E<strong>in</strong>satzorientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte macht e<strong>in</strong><br />

Um<strong>de</strong>nken bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchswerbung nötig,<br />

die <strong><strong>de</strong>r</strong> aktuellen Situation Rechnung trägt.<br />

Peter Tauber analysiert im nächsten Heft <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Militärgeschichte, <strong>in</strong> welchem Verhältnis Armee<br />

und Demographie zue<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> stehen und<br />

wie sich die Nachwuchswerbung <strong>in</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Streitkräften historisch entwickelt hat.<br />

Der Beitrag zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> amerikanischen<br />

Besatzung <strong>in</strong> Deutschland 1945–1955 von<br />

Bianka J. Adams und zu russischen Kriegsgefangenen<br />

<strong>in</strong> Frankreich während <strong>de</strong>s Ersten<br />

Weltkriegs von Stephanie Zibell run<strong>de</strong>n die<br />

nächste Ausgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte ab.<br />

jf<br />

30 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007


Militärgeschichte im Bild<br />

Hans Meier-Welcker<br />

Soldat und Wissenschaftler<br />

Die Biografie Hans Meier-Welckers<br />

verkörpert <strong>de</strong>n Brückenschlag<br />

zwischen zwei Lebenswelten,<br />

die nicht immer und nicht von<br />

je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann für kompatibel gehalten<br />

wur<strong>de</strong>n: Soldat und Wissenschaftler.<br />

Im badischen Offenburg 1906 geboren,<br />

trat Meier-Welcker 1925 als Offizieranwärter<br />

<strong>in</strong> die Reichswehr e<strong>in</strong>.<br />

Als er <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n 1928 bis 1934 <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Garnisonen Tüb<strong>in</strong>gen und Donauesch<strong>in</strong>gen<br />

stationiert war, hatte<br />

er Gelegenheit, Lehrveranstaltungen<br />

an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Tüb<strong>in</strong>gen zu besuchen.<br />

In <strong>de</strong>n 1930er <strong>Jahre</strong>n studierte<br />

er e<strong>in</strong> Semester lang an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität<br />

von Perugia (Italien) und diente<br />

nach se<strong>in</strong>er Verwendung als Kompaniechef<br />

im Jahr 1936 als Ehrendienstoffizier<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Mannschaft<br />

bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />

Bis 1939 absolvierte er die Generalstabsausbildung<br />

an <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsaka<strong>de</strong>mie<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und war danach <strong>in</strong><br />

militärischen Verb<strong>in</strong>dungsfunktionen<br />

zur italienischen Armee e<strong>in</strong>gesetzt. Im<br />

Krieg war Meier-Welcker bis 1944 Generalstabsoffizier<br />

mehrerer Großverbän<strong>de</strong><br />

und führte im letzten Kriegsjahr<br />

e<strong>in</strong> Grenadierregiment. Nach se<strong>in</strong>er<br />

Kriegsgefangenschaft nahm er ab 1948<br />

das Studium <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte und Philosophie<br />

<strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen auf, das er 1952<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Promotion abschloss. Das Angebot<br />

<strong>in</strong> die »Dienststelle Blank« e<strong>in</strong>zutreten,<br />

erreichte ihn, kurz bevor er<br />

e<strong>in</strong>em Forschungsauftrag nach Italien<br />

gefolgt wäre. Meier-Welcker wur<strong>de</strong> am<br />

1. April 1956 zum Oberst ernannt und<br />

blieb bis En<strong>de</strong> März 1958 Leiter <strong>de</strong>s Referats<br />

»Zeitgeschichte und Wehrwissenschaft«<br />

im M<strong>in</strong>isterium; zeitgleich<br />

wur<strong>de</strong> er 1957 Amtschef <strong><strong>de</strong>r</strong> militärgeschichtlichen<br />

Forschungsstelle (später<br />

Militärgeschichtliches Forschungsamt,<br />

MGFA), die er bis 1964 leitete .<br />

Meier-Welckers Publikationen umspannen<br />

e<strong>in</strong> weites Feld historischer<br />

und militärgeschichtlicher Themen<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichsten Epochen: Se<strong>in</strong>e<br />

Dissertation behan<strong>de</strong>lt die Simonie<br />

(also <strong>de</strong>n Ämterhan<strong>de</strong>l) im frühen<br />

Mittelalter. In se<strong>in</strong>em Handbuch über<br />

das Deutsche Heerwesen im Wan<strong>de</strong>l<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit von 1954 vermittelte er e<strong>in</strong>en<br />

Überblick über die <strong>de</strong>utsche Militärgeschichte<br />

vom Aufkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> stehen<strong>de</strong>n<br />

Heere <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen Neuzeit<br />

bis h<strong>in</strong> zur Nachkriegszeit, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Planungen<br />

zu e<strong>in</strong>er Europa-Armee unter<br />

<strong>de</strong>utscher Beteiligung angestellt wur<strong>de</strong>n.<br />

Als Amtschef war Meier-Welcker<br />

verantwortlich für die Publikationen<br />

<strong>de</strong>s MGFA, von <strong>de</strong>nen das sechsbändige<br />

Handbuch zur <strong>de</strong>utschen Militärgeschichte<br />

von 1648 bis 1939 se<strong>in</strong>e<br />

Handschrift trägt.<br />

Nach se<strong>in</strong>em Ausschei<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m<br />

aktiven Dienst widmete sich Meier-<br />

Welcker <strong>de</strong>n Studien für se<strong>in</strong>e Biografie<br />

über Hans von Seeckt, <strong>de</strong>n<br />

Chef <strong><strong>de</strong>r</strong> Heeresleitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr,<br />

die im Jahr 1967 erschien. In<br />

<strong>de</strong>n frühen 1970er <strong>Jahre</strong>n unternahm<br />

er Forschungsreisen zur antiken und<br />

mittelalterlichen Geschichte Siziliens.<br />

Daneben veröffentlichte er zahlreiche<br />

Aufsätze, von <strong>de</strong>nen diejenigen über<br />

die Methodik <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte bis<br />

heute grundlegen<strong>de</strong> Gültigkeit besitzen.<br />

Dar<strong>in</strong> betont Meier-Welcker die<br />

Notwendigkeit e<strong>in</strong>er »<strong>in</strong>tegrierten«<br />

Militärgeschichte: Kann doch die Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Militärischen nur dann<br />

angemessen dargestellt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

<strong>de</strong>ssen »zivile« Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

von Politik und Gesellschaft mite<strong>in</strong>bezogen<br />

wer<strong>de</strong>n. Meier-Welcker for<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

e<strong>in</strong>e methodische Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Diszipl<strong>in</strong>: von e<strong>in</strong>er auf <strong>de</strong>n Anwendungsnutzen<br />

fixierten Wissenschaft<br />

h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Diszipl<strong>in</strong>, die geistige Horizonte<br />

öffnen sollte.<br />

Daraus ergab – und ergibt – sich die<br />

Brückenfunktion <strong>de</strong>s Amtes zwischen<br />

<strong>de</strong>n Bedarfsträgern <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und<br />

Wissenschaft, zwischen historischer<br />

<strong>Bildung</strong> und aka<strong>de</strong>mischer Forschung.<br />

So bleibt e<strong>in</strong>e »Militärgeschichte«, die<br />

eben mehr als nur »Kriegs-« o<strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrgeschichte<br />

ist, mit <strong>de</strong>m Namen Hans<br />

Meier-Welcker untrennbar verbun<strong>de</strong>n.<br />

Entsprechend verzahnen sich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Militärgeschichte e<strong>in</strong> Forschungs- und<br />

e<strong>in</strong> <strong>Bildung</strong>saspekt, die er mit folgen<strong>de</strong>n<br />

Worten umriss:<br />

»Me<strong>in</strong> ganzes Bemühen war<br />

darauf gerichtet, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte<br />

aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Isolierung im<br />

Geistesleben <strong><strong>de</strong>r</strong> Nation herauszukommen.«<br />

Und: »Die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

freien Sehens und Denkens<br />

ist also e<strong>in</strong> Hauptgew<strong>in</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Befassung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsgeschichte.<br />

Dadurch wird die<br />

Urteilsbildung geschult und<br />

Sicherheit gewonnen.«<br />

Das s<strong>in</strong>d Leitl<strong>in</strong>ien, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Jahrzehnten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Freiburger Zeit <strong>de</strong>s MGFA<br />

umgesetzt wur<strong>de</strong>n und die auch mit<br />

<strong>de</strong>m Umzug <strong>de</strong>s MGFA von Freiburg<br />

nach Potsdam 1994 nach wie vor aktuell<br />

s<strong>in</strong>d. Hans Meier-Welcker verstarb<br />

am Neujahrstag 1983 <strong>in</strong><br />

Freiburg im Breisgau.<br />

Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k<br />

Sammlung Petter / MGFA<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />

31


NEUE PUBLIKATIONEN DES MGFA<br />

Karl-He<strong>in</strong>z Frieser, Klaus Schmi<strong><strong>de</strong>r</strong>, Klaus Schönherr, Gerhard Schreiber, Krisztián Ungváry, Bernd Wegner,<br />

Die Ostfront 1943/44. Der Krieg im Osten und an <strong>de</strong>n Nebenfronten.<br />

Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Karl-He<strong>in</strong>z Frieser, München: Deutsche Verlags-Anstalt 2007,<br />

XVI, 1320 S. (= Das Deutsche Reich und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweite Weltkrieg, 8), 49,80 €,<br />

ISBN 978-3-421-06235-2<br />

Wolf Graf von Baudiss<strong>in</strong> 1907 bis 1993. Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nisierer zwischen totalitärer Herrschaft und<br />

freiheitlicher Ordnung. Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Rudolf J. Schlaffer und Wolfgang Schmidt,<br />

München: Ol<strong>de</strong>nbourg 2007, X, 264 S., 19,80 €,<br />

ISBN 978-3-486-58283-3<br />

Wegweiser zur Geschichte. Horn von Afrika.<br />

Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Dieter H. Kollmer und Andreas Mückusch,<br />

Pa<strong><strong>de</strong>r</strong>born: Schön<strong>in</strong>gh 2007, 288 S., 14,90 €,<br />

ISBN 978-3-<strong>50</strong>6-76397-6<br />

Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan.<br />

Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Bernhard Chiari,<br />

2., durchges. und erw. Aufl.,<br />

Pa<strong><strong>de</strong>r</strong>born: Schön<strong>in</strong>gh 2007, 264 S., 12,90 €,<br />

ISBN 978-3-<strong>50</strong>6-75664-0

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