Historische Bildung in der Bundeswehr 50 Jahre ... - Ghbehn.de
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Heft 2/2007<br />
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C 21234 ISSN 0940 - 4163<br />
<br />
Militärgeschichte im Bild: Oberst i.G. Dr. Hans Meier-Welcker (1906–1983), erster Amtschef <strong>de</strong>s MGFA von 1957 bis 1964<br />
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> Militärgeschichtliches<br />
Forschungsamt<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />
Zwangsrekrutierung im 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
<br />
<br />
Militärgeschichtliches<br />
Forschungsamt 1957–2007
Impressum<br />
Editorial<br />
Militärgeschichte<br />
Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong><br />
Herausgegeben<br />
vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt<br />
durch Oberst Dr. Hans Ehlert und<br />
Oberst i.G. Dr. Hans-Hubertus Mack (V.i.S.d.P.)<br />
Produktionsredakteur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> aktuellen Ausgabe:<br />
Oberstleutnant Dr. Harald Potempa<br />
Redaktion:<br />
Oberleutnant Julian-André F<strong>in</strong>ke M.A. (jf)<br />
Hauptmann Matthias Nicklaus M.A. (mn)<br />
Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp)<br />
Mag. phil. Michael Thomae (mt)<br />
Bildredaktion:<br />
Dipl.-Phil. Mar<strong>in</strong>a Sandig<br />
Redaktionsassistenz:<br />
Stefan Stahlberg, Cand. Phil. (sts)<br />
Lektorat:<br />
Dr. Aleksandar-S. Vuletić<br />
Layout/Grafik:<br />
Maurice Woynoski<br />
Anschrift <strong><strong>de</strong>r</strong> Redaktion:<br />
Redaktion »Militärgeschichte«<br />
Militärgeschichtliches Forschungsamt<br />
Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam<br />
E-Mail: MGFARedaktionMilGeschichte@<br />
bun<strong>de</strong>swehr.org<br />
Telefax: 03 31 / 9 71 45 07<br />
Homepage: www.mgfa.<strong>de</strong><br />
Manuskripte für die Militärgeschichte wer<strong>de</strong>n<br />
an diese Anschrift erbeten. Für unverlangt e<strong>in</strong>gesandte<br />
Manuskripte wird nicht gehaftet.<br />
Durch Annahme e<strong>in</strong>es Manuskriptes erwirkt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung,<br />
Übersetzung usw. Honorarabrechnung<br />
erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die Redaktion<br />
behält sich Kürzungen e<strong>in</strong>gereichter<br />
Beiträge vor. Nachdrucke, auch auszugsweise,<br />
fotomechanische Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gabe und Übersetzung<br />
s<strong>in</strong>d nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung<br />
durch die Redaktion und mit Quellenangaben<br />
erlaubt. Dies gilt auch für die Aufnahme<br />
<strong>in</strong> elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen<br />
auf CD-ROM. Die Redaktion hat ke<strong>in</strong>erlei<br />
E<strong>in</strong>fluss auf die Gestaltung und die Inhalte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen Seiten, auf die <strong>in</strong> dieser Zeitschrift<br />
durch Angabe e<strong>in</strong>es L<strong>in</strong>k verwiesen wird. Deshalb<br />
übernimmt die Redaktion ke<strong>in</strong>e Verantwortung<br />
für die Inhalte aller durch Angabe e<strong>in</strong>er<br />
L<strong>in</strong>kadresse <strong>in</strong> dieser Zeitschrift genannten<br />
Seiten und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Unterseiten. Dieses gilt für<br />
alle ausgewählten und angebotenen L<strong>in</strong>ks und<br />
für alle Seiten<strong>in</strong>halte, zu <strong>de</strong>nen L<strong>in</strong>ks o<strong><strong>de</strong>r</strong> Banner<br />
führen.<br />
© 2007 für alle Beiträge beim<br />
Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA)<br />
Sollten nicht <strong>in</strong> allen Fällen die Rechte<strong>in</strong>haber<br />
ermittelt wor<strong>de</strong>n se<strong>in</strong>, bitten wir ggf. um Mitteilung.<br />
Druck:<br />
SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Nor<strong>de</strong>n<br />
ISSN 0940-4163<br />
Das Militärgeschichtliche Forschungsamt <strong>in</strong> Potsdam<br />
begeht im <strong>Jahre</strong> 2007 se<strong>in</strong> <strong>50</strong>-jähriges Bestehen.<br />
Obwohl e<strong>in</strong> Zeitraum von <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschichte e<strong>in</strong> eher überschaubarer o<strong><strong>de</strong>r</strong> sogar<br />
kurzer Zeitraum ist, stellt das Datum für das<br />
MGFA e<strong>in</strong> durchaus bemerkenswertes Jubiläum<br />
dar. Dies ist Anlass für uns, auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte<br />
Rückschau zu halten, über die eigenen<br />
Hauptaufgaben, militärgeschichtliche Forschung<br />
und historische <strong>Bildung</strong> nachzu<strong>de</strong>nken, aber auch <strong>de</strong>n Blick nach vorne zu<br />
richten.<br />
Das vorliegen<strong>de</strong> Heft 2 <strong>de</strong>s Jahrganges 2007 <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte widmet<br />
sich neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Rubrik »Militärgeschichte im Bild« <strong>in</strong> zwei Beiträgen<br />
diesem Thema.<br />
Der Artikel von Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k fußt auf se<strong>in</strong>en Studien zum Thema »<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong><br />
MGFA« und <strong>de</strong>m Material, das auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichnamigen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausstellung<br />
im September 2007 Verwendung f<strong>in</strong><strong>de</strong>n soll. Er skizziert die Geschichte<br />
<strong>de</strong>s MGFA als Beispiel für die Entwicklung e<strong>in</strong>er Ressortforschungse<strong>in</strong>richtung,<br />
aber – nicht m<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> wichtig – auch für die Etablierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte<br />
als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichtswissenschaft <strong>in</strong> Deutschland im<br />
Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>.<br />
Hans-Hubertus Mack nimmt <strong>de</strong>n wichtigen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Historische</strong>n <strong>Bildung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Blick, e<strong>in</strong> Thema, das gera<strong>de</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satzarmee <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
e<strong>in</strong>en immer be<strong>de</strong>uten<strong><strong>de</strong>r</strong>en Stellenwert e<strong>in</strong>nimmt. Nicht umsonst hat sich<br />
das MGFA mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe »Wegweiser zur Geschichte« dieser Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
mit großem E<strong>in</strong>satz gestellt.<br />
Nicht <strong>50</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n erst 25 <strong>Jahre</strong> alt wer<strong>de</strong>n die im September 1982 erlassenen<br />
»Richtl<strong>in</strong>ien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>«. Obwohl zwischen Geschichte und Tradition <strong>in</strong>haltlich und<br />
organisatorisch e<strong>in</strong>e klare Trennung vorzunehmen und Traditionsbildung<br />
als wertebezogene Auswahl aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen<br />
und militärischen Führung ist und <strong>de</strong>shalb nicht zu <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s<br />
MGFA zählt, skizziert <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitrag von Harald Potempa das Verhältnis von<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Warte <strong>de</strong>s Historikers.<br />
Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Militärgeschichte be<strong>in</strong>haltet die Beschäftigung mit Streitkräften<br />
<strong>in</strong> Staat und Gesellschaft <strong>in</strong> Frie<strong>de</strong>n, Krise und Krieg, macht Wechselwirkungen<br />
<strong>de</strong>utlich und thematisiert die Sozialgeschichte <strong>de</strong>s Militärs. Marcus<br />
von Salisch veranschaulicht dies <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz unter <strong>de</strong>m Titel »Hunger,<br />
Desertion und Zwangsrekrutierung. Die gewaltsame E<strong>in</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />
kursächsischen Heeres <strong>in</strong> die preußische Armee«.<br />
Das MGFA ist nach se<strong>in</strong>er Verlegung von Freiburg i.Br. im Jahr 1994 gut<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> bran<strong>de</strong>nburgischen Lan<strong>de</strong>shauptstadt angekommen und seither<br />
her vorragend <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Berl<strong>in</strong>-Potsdamer Wissenschaftslandschaft verortet.<br />
Das MGFA ist <strong><strong>de</strong>r</strong> militärhistorische Dienstleister <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte. An <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Universität Potsdam bietet das MGFA <strong>in</strong> Kooperation mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität<br />
und <strong>de</strong>m Sozialwissenschaftlichen Institut <strong>in</strong> Strausberg ab W<strong>in</strong>tersemester<br />
2007/2008 e<strong>in</strong>en Masterstudiengang »Military Studies« an. Dies alles zeigt,<br />
dass das MGFA <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschungslandschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
se<strong>in</strong>e feste Rolle gefun<strong>de</strong>n hat und anerkannt wird.<br />
Wir s<strong>in</strong>d uns als Team MGFA bewusst, dass die nächsten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> bereits<br />
begonnen haben.<br />
Ihnen, liebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser, wünsche ich e<strong>in</strong>e gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gen<strong>de</strong> Lektüre<br />
<strong>de</strong>s aktuellen Heftes<br />
Dr. phil. Hans Ehlert,<br />
Oberst und Amtschef <strong>de</strong>s MGFA
Inhalt<br />
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
4<br />
Service<br />
Das historische Stichwort:<br />
Donauwörth 1607<br />
22<br />
Dr. Hans-Hubertus Mack,<br />
geboren 1954 <strong>in</strong> Friedrichshafen/Bo<strong>de</strong>nsee,<br />
Oberst i.G., stellvertreten<strong><strong>de</strong>r</strong> Amtschef <strong>de</strong>s<br />
MGFA und Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung<br />
»Ausbildung, Information, Fachstudien«<br />
Medien onl<strong>in</strong>e/digital<br />
Lesetipp<br />
Ausstellungen<br />
24<br />
26<br />
28<br />
Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg zu e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen<br />
Militärgeschichte<br />
Dr. Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k,<br />
geboren 1966 <strong>in</strong> Kaufbeuren/Allgäu,<br />
Oberstleutnant d.R., Historiker<br />
8<br />
Geschichte kompakt<br />
Militärgeschichte<br />
im Bild<br />
30<br />
Hans Meier-Welcker<br />
Soldat und Wissenschaftler 31<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />
25 <strong>Jahre</strong> »Richtl<strong>in</strong>ien zum<br />
Traditionsverständnis und<br />
zur Traditionspflege«<br />
12<br />
Dr. Harald Potempa,<br />
geboren 1963 <strong>in</strong> Dorfen, Landkreis<br />
Erd<strong>in</strong>g/Oberbayern, Oberstleutnant und<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MGFA<br />
Hunger, Desertion und<br />
Zwangsrekrutierung<br />
Die gewaltsame E<strong>in</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
<strong>de</strong>s kursächsischen Heeres <strong>in</strong><br />
die preußische Armee<br />
18<br />
Oberst i.G. Dr. Hans Meier-Welcker,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> erste Amtschef <strong>de</strong>s MGFA.<br />
Foto: MGFA<br />
Marcus v. Salisch M.A.,<br />
geboren 1979 <strong>in</strong> Schlema/Sachsen,<br />
Hauptmann und Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am MGFA<br />
Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />
Oberst Dr. Karl-He<strong>in</strong>z Frieser, MGFA;<br />
Carmen W<strong>in</strong>kel M.A., Rosenau, Historiker<strong>in</strong>
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
ullste<strong>in</strong> - ddp<br />
Kann man aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />
lernen? Und wenn ja, was?<br />
E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Antwort darauf<br />
lässt sich nicht f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
stehen die militärgeschichtliche<br />
Forschung und Lehre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen<br />
Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen<br />
<strong>Bildung</strong>. Sie s<strong>in</strong>d gleichsam Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Inneren Führung. Während die Innere<br />
Führung als ganzheitliche Konzeption<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Integration von Streitkräften <strong>in</strong> die<br />
Gesellschaft das I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s Soldaten als<br />
Staatsbürger <strong>in</strong> Uniform zugrun<strong>de</strong>legt,<br />
soll die historische <strong>Bildung</strong> die hierfür<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche staatsbürgerliche Kompetenz<br />
erwerben helfen.<br />
Die historische <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Streitkräften hat e<strong>in</strong>e wechselvolle Geschichte<br />
h<strong>in</strong>ter sich. Wur<strong>de</strong> sie – wie<br />
im 19. und frühen 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t üblich<br />
– als Generalstabsangelegenheit<br />
behan<strong>de</strong>lt, so wur<strong>de</strong>n im Unterricht<br />
für die Soldaten anwendungsorientierte<br />
Beispiele, vornehmlich aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Operationsgeschichte, zum Lehrgegenstand<br />
erhoben. Mit <strong>de</strong>m Aufkommen<br />
e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Stan-<br />
dards verpflichteten Militärgeschichte<br />
als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichtswissenschaft<br />
im ausgehen<strong>de</strong>n 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
war pr<strong>in</strong>zipiell die Chance<br />
gegeben, ihre Forschungsergebnisse<br />
nach didaktischen Grundsätzen für<br />
die Lehre aufzubereiten.<br />
Grundfragen historischer<br />
<strong>Bildung</strong> und historischen<br />
Lernens<br />
E<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> wesentlichsten historischen<br />
Dimensionen ist die Zeit. Menschen<br />
s<strong>in</strong>d darauf angewiesen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit e<strong>in</strong>en<br />
S<strong>in</strong>n zu verleihen. Im Rahmen dieser<br />
S<strong>in</strong>nstiftung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitachse erfahren<br />
wir D<strong>in</strong>ge, wir <strong>de</strong>uten sie, wir orientieren<br />
uns neu und wir erwerben I<strong>de</strong>ntität.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft f<strong>in</strong><strong>de</strong>t diese<br />
Versicherung an <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Biografie<br />
ihre Fortsetzung. Epochen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
s<strong>in</strong>d ständig Gegenstand<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erörterung und Bewertung. Täglich<br />
wer<strong>de</strong>n Themen unserer jüngeren<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> jüngsten Vergangenheit aufgegriffen<br />
und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Medien behan<strong>de</strong>lt.<br />
Sie bee<strong>in</strong>flussen maßgeblich die Diskurse<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit.<br />
Soldat<strong>in</strong>nen und Soldaten müssen<br />
heute dazu fähig se<strong>in</strong>, an diesen Diskursen<br />
ihren Möglichkeiten entsprechend<br />
teilzunehmen. Für Werte an<strong><strong>de</strong>r</strong>swo<br />
e<strong>in</strong>zutreten erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, selbst<br />
auf sicherem Bo<strong>de</strong>n zu stehen und e<strong>in</strong>en<br />
eigenen Bewertungsmaßstab gewonnen<br />
zu haben.<br />
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> setzt genau hier<br />
an. Es geht darum, diesen Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
eigenen und gesellschaftlichen S<strong>in</strong>nvermittlung<br />
kritisch zu begleiten und<br />
ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e lebenslange Form <strong>de</strong>s Lernens<br />
umzumünzen. Dazu muss zunächst<br />
Klarheit darüber herrschen,<br />
was bei relevanten Ereignissen genau<br />
passiert ist. Geschehenes muss von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft anhand<br />
von Quellen rekonstruiert wer<strong>de</strong>n; dabei<br />
ist im Auge zu behalten, dass Ereignisse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit fast immer<br />
kulturell, politisch, technisch, rechtlich<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiös bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d. Und es<br />
ist s<strong>in</strong>nvoll, die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Akteure<br />
offenzulegen. Ferner ist die Frage, ob<br />
4 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Zur <strong>in</strong>terkulturellen Kompetenz<br />
gehören auch die Kenntnisse von<br />
Geschichte und Kultur e<strong>in</strong>es Lan<strong>de</strong>s.<br />
Bei Auslandse<strong>in</strong>sätzen <strong>de</strong>utscher<br />
Soldaten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Krisenregionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Er<strong>de</strong> entschei<strong>de</strong>t u.a. diese Kompetenz<br />
über Erfolg o<strong><strong>de</strong>r</strong> Misserfolg ausländischen<br />
Engagements. Im Bild: Deutsche<br />
Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> ISAF-Frie<strong>de</strong>nstruppe<br />
sprechen während e<strong>in</strong>er Patrouille<br />
<strong>in</strong> Cakolc nahe Faisabad mit <strong>de</strong>n<br />
Dorfbewohnern. Aufnahme vom<br />
19.4.2005.<br />
<strong>de</strong>nn alles so hätte kommen müssen,<br />
wie es tatsächlich gekommen ist, von<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, <strong>de</strong>nn sie<br />
öffnet <strong>de</strong>n Blick auf mögliche Alternativen<br />
<strong>de</strong>s Geschehenen. S<strong>in</strong>d diese<br />
Schritte <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>ordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ereignisse<br />
vollzogen, so kann es ge<strong>de</strong>utet und<br />
<strong>in</strong>terpretiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Was also lehrt uns Geschichte? »Wenn<br />
Brutus Cäsar umbr<strong>in</strong>gt, so lernen wir<br />
daraus, dass verdiente Staatsleute besser<br />
vor Terroristen mit nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en Motiven geschützt<br />
wer<strong>de</strong>n sollten. O<strong><strong>de</strong>r</strong> lernen wir<br />
daraus, dass es Situationen gibt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />
blutiger Kampf gegen das erkannte Böse<br />
unvermeidlich und gerecht ist?«<br />
Es kann nicht darum gehen, praktischen<br />
Nutzen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte zu<br />
ziehen, vielmehr wirkt sie durch ihren<br />
<strong>in</strong>neren Nutzen. Hierzu bemerkte<br />
Oberst Dr. Hans-Meier Welcker, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
erste Amtschef <strong>de</strong>s Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsamtes (MGFA):<br />
»Unsere Skepsis h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong>smöglichkeit<br />
durch Geschichte bezieht sich<br />
<strong>de</strong>nn auch nicht auf die Geschichte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auf uns selbst. Es mag se<strong>in</strong>, dass die<br />
Geschichte nicht mehr Enthusiasmus erwecken<br />
kann (nach Goethe das Beste, was<br />
sie zu geben vermag). Wenn ihr überhaupt<br />
noch e<strong>in</strong> <strong>Bildung</strong>swert zugestan<strong>de</strong>n wird<br />
[...], dann kann er nur dar<strong>in</strong> bestehen, <strong>de</strong>n<br />
Menschen ständig sich selbst gegenüberzustellen,<br />
ihn an se<strong>in</strong>e Möglichkeiten und<br />
se<strong>in</strong>e Grenzen zu er<strong>in</strong>nern, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />
Verstrickungen und Abhängigkeiten, aber<br />
auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Freiheit zu zeigen. Ist dies<br />
irgendwo <strong>de</strong>utlicher möglich als <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kriegsgeschichte? Freilich muss man dazu<br />
zum Wesen <strong>de</strong>s Geschehens durchdr<strong>in</strong>gen.<br />
Das Denken im Ganzen bleibt immer das<br />
Gegenstück zum Han<strong>de</strong>ln im e<strong>in</strong>zelnen.«<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte wer<strong>de</strong>n wir also<br />
»nicht sowohl klug für e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>mal<br />
als weise für immer«, wie es <strong><strong>de</strong>r</strong> be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />
Historiker Jacob Burckhardt<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />
ausgedrückt hat.<br />
Ohne e<strong>in</strong>e soli<strong>de</strong> Grundlagenforschung<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichtsschreibung<br />
ist an e<strong>in</strong>en verantwortbaren<br />
Unterricht nicht zu <strong>de</strong>nken. Deshalb<br />
orientieren sich die Maßnahmen <strong>de</strong>s<br />
historischen Unterrichtes und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> an <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung; diese wer<strong>de</strong>n<br />
beispielsweise vom MGFA erarbeitet<br />
<strong>in</strong> Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagen- und Ressortforschung;<br />
das MGFA stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em auch Medien<br />
für die historische <strong>Bildung</strong> bereit.<br />
Militärgeschichte und<br />
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
Nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg musste<br />
nicht nur mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> 1955/56<br />
e<strong>in</strong> völliger Neuanfang gewagt wer<strong>de</strong>n.<br />
Zehn <strong>Jahre</strong> lang hatte es ke<strong>in</strong>e<br />
<strong>de</strong>utschen Streitkräfte gegeben. Sofern<br />
die <strong>de</strong>utsche Kriegführung im Zweiten<br />
Weltkrieg überhaupt e<strong>in</strong> Thema <strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>teressierten Kreisen darstellte, war<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Erforschung <strong>in</strong> Verantwortung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten betrieben wor<strong>de</strong>n.<br />
Oberstleutnant a.D. Dr. Hans-Meier<br />
Welcker kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Bitte se<strong>in</strong>es Kriegskamera<strong>de</strong>n<br />
Ulrich <strong>de</strong> Maizière nach und<br />
besprach mit diesem im Amt Blank,<br />
<strong>de</strong>m Vorläufer <strong>de</strong>s Verteidigungsm<strong>in</strong>isteriums,<br />
<strong>de</strong>n Aufbau e<strong>in</strong>es militärhistorischen<br />
Forschungsamtes <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Streitkräfte. Dieses sollte<br />
die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> bewaffneten Mächte<br />
erforschen. Die beg<strong>in</strong>nen<strong>de</strong> Rückführung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Akten durch die Westalliierten<br />
stellte die Grundlage für e<strong>in</strong>e<br />
quellenkritische Grundlagenforschung<br />
dar. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung von Meier-<br />
Welcker sollte das Amt e<strong>in</strong>e Brücke<br />
schlagen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte zum gegenwärtigen<br />
militärischen Leben und<br />
von <strong>de</strong>n gegenwärtigen militärischen<br />
Interessen zur Geschichtswissenschaft.<br />
Bereits zu diesem Zeitpunkt wur<strong>de</strong><br />
festgehalten, dass das neue Amt Unterrichtsmaterialien<br />
für die Vermittlung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Militär- und Kriegsgeschichte<br />
an <strong>de</strong>n Aka<strong>de</strong>mien und Schulen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> bereitstellen sowie Verantwortung<br />
für die Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lehrer für diesen Unterricht tragen<br />
sollte.<br />
Als 1956 die Militär- und Kriegsgeschichte<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Unterrichtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Führungsaka<strong>de</strong>mie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierschulen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> aufgenommen<br />
wur<strong>de</strong>, zeigte sich, dass man es<br />
mit e<strong>in</strong>em schweren Unterfangen zu<br />
tun hatte, <strong>de</strong>nn ohne Frage bil<strong>de</strong>ten<br />
dieses Fach und auch die traditionellen<br />
Vorstellungen davon nach wie vor<br />
<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n für das soldatische Selbstverständnis,<br />
für die I<strong>de</strong>ntität auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
neuen Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. Nur<br />
schien es Meier-Welcker nicht mehr<br />
möglich zu se<strong>in</strong>, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />
<strong>de</strong>utschen Heeren <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit praktizierten Metho<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> praktischen Nutzanwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kriegsgeschichte fortzufahren – dies<br />
u.a. nicht zuletzt <strong>de</strong>swegen, weil sich<br />
die Ersche<strong>in</strong>ungsformen e<strong>in</strong>es mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen,<br />
nuklearen Bed<strong>in</strong>gungen unterworfenen<br />
Krieges radikal von <strong>de</strong>m<br />
entfernt hatten, was bisher <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />
gewesen war. Konkrete Handlungsorientierung<br />
konnte daher nicht das<br />
Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Stun<strong>de</strong> se<strong>in</strong>. Eher musste<br />
neben das Verstehen <strong>de</strong>s Wesens<br />
militärischer Führung und <strong><strong>de</strong>r</strong> Operation<br />
die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen bewaffneten<br />
Macht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verhältnis<br />
zu Staat und Gesellschaft treten, und<br />
dies musste über <strong>de</strong>n nationalen Rahmen<br />
h<strong>in</strong>aus geschehen. Meier Welcker<br />
kämpfte um die »ganzheitliche Sicht«,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich die Militärgeschichte zuzuwen<strong>de</strong>n<br />
habe.<br />
Der militärhistorische Unterricht entwickelte<br />
sich als e<strong>in</strong>e Mischung aus<br />
bei<strong>de</strong>n Aspekten. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtung<br />
kamen alle wesentlichen Komponenten<br />
e<strong>in</strong>er auf das Militär zugeschnittenen<br />
Pädagogik, nämlich Ausbildung,<br />
<strong>Bildung</strong> und Erziehung, zum Tragen.<br />
Trotz unterschiedlicher Vorstellungen<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Teilstreitkräften e<strong>in</strong>igte man<br />
sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n späten 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>n auf<br />
die Zeit von 1648 bis 1945 als Schwerpunkt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> General- und Admiralstabsoffiziere<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> stan<strong>de</strong>n die Taktik<br />
und Truppenführung im Mittelpunkt.<br />
Der Militärgeschichte wur<strong>de</strong> im Lehrplan<br />
e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung zu diesen<br />
Fächern zugewiesen. Sie hatte »Lehren<br />
aus <strong>de</strong>n letzten Kriegen und Feldzügen<br />
zu vermitteln und jene Elemente<br />
<strong>de</strong>s Krieges darzustellen, die vor allem<br />
für Taktik und Logistik von bleiben<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung s<strong>in</strong>d.« Mit <strong>in</strong>sgesamt<br />
38 Stun<strong>de</strong>n pro Lehrgang seit <strong>de</strong>n<br />
Lehrgängen von 1957 war sie gewichtig<br />
vertreten und rangierte sozusagen<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
5
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
Helmut Schmidt, Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>ister <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verteidigung von 1969 bis 1972.<br />
Porträtaufnahme von 1971.<br />
<br />
General Harald Wust,<br />
General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
von 1976 bis 1978.<br />
als Kernfach. Diese Fixierung auf die<br />
Taktik verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich jedoch mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
durch General Adolf Heus<strong>in</strong>ger, <strong>de</strong>m<br />
ersten General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>,<br />
erlassenen »Weisung für die geme<strong>in</strong>same<br />
Ausbildung an <strong><strong>de</strong>r</strong> Führungsaka<strong>de</strong>mie«<br />
vom 4. Mai 1959.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />
Führung als e<strong>in</strong>er komplexen,<br />
unter neuzeitlichen politischen und<br />
technischen Bed<strong>in</strong>gungen anspruchsvollen<br />
Leistung <strong>de</strong>s Führernachwuchses<br />
avancierte <strong><strong>de</strong>r</strong> militärhistorische<br />
Unterricht zu e<strong>in</strong>er »unerlässlichen<br />
Grundlage für das Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
militärischen Führung« und kam damit<br />
<strong>in</strong> die Nähe <strong>de</strong>sjenigen Verständnisses,<br />
das auch heute noch Gültigkeit<br />
besitzt. Zugleich wur<strong>de</strong> dabei die Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Bildung</strong>sgedankens für<br />
<strong>de</strong>n Offizierberuf wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgegriffen<br />
und diskutiert.<br />
En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 1960er <strong>Jahre</strong> hatte man<br />
sich also auf e<strong>in</strong>en mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Modus<br />
und Standort <strong>de</strong>s militärgeschichtlichen<br />
Unterrichts im Kanon <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>s<br />
Offiziernachwuchses, gee<strong>in</strong>igt.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschulen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> erfolgten weitere Impulse.<br />
Für die unter Verteidigungsm<strong>in</strong>ister<br />
Helmut Schmidt mit klaren<br />
und weitreichen<strong>de</strong>n Zielen angetretenen<br />
Reformer zu Beg<strong>in</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> 1970er<br />
<strong>Jahre</strong> kam es darauf an, die Streitkräfte<br />
nachhaltig umzugestalten. Die Berufsbil<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere und Offiziere<br />
wur<strong>de</strong>n neuen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen angepasst.<br />
Gegen die Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> von<br />
Traditionalisten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe wur<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>m Studium das Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsprofil<br />
e<strong>in</strong>es mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen, professionell han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Offiziers zugrun<strong>de</strong>gelegt,<br />
das die durchaus noch<br />
vorhan<strong>de</strong>nen Vorstellungen e<strong>in</strong>es Offiziers<br />
ablöste, bei <strong>de</strong>m Ges<strong>in</strong>nung und<br />
Habitus im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stand. Die<br />
Hochschulen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> boten<br />
als Wahlpflichtfach und im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaftlichen<br />
Anleitstudiums (EGA)<br />
Geschichte an.<br />
Der wissenschaftlichen Beschäftigung<br />
mit Geschichte wur<strong>de</strong>n erste<br />
Türen geöffnet, jedoch noch ohne eigenständigen<br />
Abschluss <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachdiszipl<strong>in</strong>.<br />
Dies erfolgte erst mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erweiterung <strong>de</strong>s Fächerangebotes <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bei<strong>de</strong>n Universitäten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
durch die E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Studienfächer<br />
»Geschichte« (Hamburg) und<br />
»Staatswissenschaften« (München). Der<br />
<strong>in</strong>itiierte Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nisierungsschub durch<br />
universitäre <strong>Bildung</strong> für die Streitkräfte<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuwachs an Professionalität<br />
für <strong>de</strong>n Offizierberuf können<br />
rückblickend nicht hoch genug e<strong>in</strong>geschätzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Damit waren die<br />
Voraus setzungen geschaffen, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Offizierberuf als gleichrangig mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
aka<strong>de</strong>mischen Berufen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesellschaft anerkannt und vor allem<br />
auch für junge Bewerber attraktiv wer<strong>de</strong>n<br />
konnte.<br />
Im <strong>Jahre</strong> 1978 machte <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrbeauftragte<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />
se<strong>in</strong>e For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>utlich, <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen<br />
<strong>Bildung</strong> verstärkt Aufmerksamkeit<br />
zu schenken. General Harald<br />
Wust als General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
schloss sich dieser For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
an:<br />
»Diese skizzenhaft geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>te Be<strong>de</strong>utung<br />
geschichtlicher und militärhistorischer<br />
Forschung <strong>in</strong> unserer Zeit bed<strong>in</strong>gt,<br />
dass die Forschungsergebnisse auch zu<br />
<strong>de</strong>n Grundlagen <strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierausbildung<br />
gehören müssen. Denn Geschichtswissenschaft<br />
schult, <strong>in</strong> Gesamtzusammenhängen<br />
zu <strong>de</strong>nken, historisch und politisch<br />
bpk / Kurt Rohwed<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
selbständig zu urteilen und sie zw<strong>in</strong>gt<br />
zur Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit Vergangenheit<br />
und Gegenwart, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Kausalität<br />
zu begreifen ist. Die täglichen Aufgaben<br />
<strong>de</strong>s Offizierberufes, nicht wissenschaftliche<br />
Grün<strong>de</strong> br<strong>in</strong>gen es mit sich, dass auch<br />
historisches Wissen und Denken gelehrt<br />
wer<strong>de</strong>n muss.«<br />
Im selben Jahr folgte im Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsamt (zur Grün -<br />
dungsgeschichte <strong>de</strong>s MGFA siehe <strong>de</strong>n<br />
Beitrag von Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k <strong>in</strong> diesem<br />
Heft sowie die Rubrik »Militärgeschichte<br />
im Bild«) die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Abteilung Ausbildung – Information<br />
– Fachstudien (AIF), die seit<strong>de</strong>m auf<br />
wissenschaftlicher Basis beruhen<strong>de</strong><br />
Bei träge für die Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten<br />
erarbeitet und bereitstellt.<br />
Die Fähigkeit, <strong>in</strong> historischen Dimen<br />
sionen zu <strong>de</strong>nken, wird heute –<br />
nicht zuletzt angesichts steigen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an e<strong>in</strong>e Armee im<br />
E<strong>in</strong>satz – zum Gradmesser und Prüfste<strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bewährung <strong>in</strong> zahlrei chen<br />
Verwendungen. Daher entschloss sich<br />
beispielsweise die Heeresunter offi zierschule,<br />
bis zum <strong>Jahre</strong> 2003 Militärgeschichte<br />
als Unterrichtsfach e<strong>in</strong> zu führen,<br />
sodass jetzt alle Teilstreitkräfte<br />
bpa/Bun<strong>de</strong>sbildstelle/Ulrich Wienke<br />
6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
ihren Unteroffiziernachwuchs <strong>in</strong> diesem<br />
Fach schulen.<br />
Die bislang letzte Initiative für e<strong>in</strong>e<br />
Verstärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen <strong>Bildung</strong><br />
stellt die »Weisung zur Intensivierung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> historischen <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Streitkräften«<br />
<strong>de</strong>s General<strong>in</strong>spekteurs von<br />
1994 dar. Sie enthält als erste ihrer Art<br />
konkrete Lernziele für die Ausbildung<br />
militärischer Führer und hebt erneut<br />
die Verantwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />
Vorgesetzten für die Vermittlung historischer<br />
<strong>Bildung</strong> hervor. Dies ist <strong>de</strong>swegen<br />
von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Be<strong>de</strong>utung, weil<br />
es die Eigenart historischen Lernens<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte immer<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Lernräumen unterschiedlichster<br />
Art zu stellen. Dialog und Reflexion<br />
über historische Sachverhalte<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verankerung und Verarbeitung<br />
im historischen Bewusstse<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d<br />
dabei <strong>de</strong>njenigen Formen <strong>de</strong>s Lernens<br />
überlegen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong> auf<br />
sich alle<strong>in</strong> gestellt ist. Daher ist historische<br />
<strong>Bildung</strong> nur dort mit Aussicht<br />
auf nachhaltigen Erfolg beheimatet,<br />
wo sich Vorgesetzte ihren Soldat<strong>in</strong>nen<br />
und Soldaten sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Bedürfnissen<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Absicht zuwen<strong>de</strong>n, solche<br />
Prozesse gezielt anzuregen.<br />
Blicke <strong>in</strong> die Zukunft<br />
E<strong>in</strong> Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung »Ausbildung, Information, Fachstudien« <strong>de</strong>s MGFA ist das<br />
Modul E<strong>in</strong>satzunterstützung (MEU). Das MEU erstellt u.a. historische <strong>Bildung</strong>sund<br />
Lernhilfen für die Kont<strong>in</strong>gente im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satzvorbereitung. Im Bild:<br />
Das Team MEU erarbeitet <strong>de</strong>n Inhalt für <strong>de</strong>n »Wegweiser zur Geschichte. Kongo«<br />
(2006 erschienen).<br />
MGFA<br />
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> ist also nicht nur<br />
e<strong>in</strong>e Sache <strong>de</strong>s Angebots, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bedarf<br />
ebenso e<strong>in</strong>er entsprechen<strong>de</strong>n Aufbereitung<br />
für die jeweilige Zielgruppe.<br />
Gleichwohl gilt es, unterschiedliche<br />
Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldat<strong>in</strong>nen und<br />
Soldaten zu erweitern o<strong><strong>de</strong>r</strong> gezielt<br />
auszubil<strong>de</strong>n. Gleichzeitig geht es aber<br />
auch darum, e<strong>in</strong>en Beitrag zu leisten,<br />
<strong>de</strong>n politisch mündigen Bürger, <strong>de</strong>n<br />
die Innere Führung als Leitbild voranstellt,<br />
immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verwirklichen.<br />
Dies ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Transformation<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte von elementarer<br />
Be<strong>de</strong>utung. Die Soldat<strong>in</strong>nen und Soldaten<br />
müssen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Werteordnung,<br />
für die sie e<strong>in</strong>stehen und für die sie<br />
gegebenenfalls erhebliche Opfer br<strong>in</strong>gen<br />
müssen, überzeugt se<strong>in</strong>. Interkulturelle<br />
Kompetenz soll sie unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />
dazu befähigen, verschie<strong>de</strong>ne<br />
Dimensionen <strong>de</strong>s Frem<strong>de</strong>n, das An<strong><strong>de</strong>r</strong>sse<strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> An<strong><strong>de</strong>r</strong>en, vor allem <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satzgebieten, zu erkennen und<br />
zu ertragen. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe »Wegweiser<br />
zur Geschichte« steht <strong>de</strong>m Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsamt neuerd<strong>in</strong>gs<br />
e<strong>in</strong> Mittel zur Verfügung, das<br />
auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitete<br />
Beiträge für alle gegenwärtigen<br />
E<strong>in</strong>satzgebiete <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
bereithält. Darüber h<strong>in</strong>aus wen<strong>de</strong>t sich<br />
aber diese Reihe generell Krisenregionen<br />
zu. Ihr Wert liegt im <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />
Blick auf Regionen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt,<br />
die für uns von Be<strong>de</strong>utung s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>nen historische Ereignisse bis heute<br />
fortwirken, manchmal auch jene, an<br />
<strong>de</strong>nen Deutsche <strong>in</strong> vergangener Zeit<br />
rühmlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> unrühmlich beteiligt<br />
gewesen s<strong>in</strong>d.<br />
Die Tatsache, dass seriöse, aber auch<br />
unseriöse Anbieter von Geschichte<br />
heute vor allem im Internet vertreten<br />
s<strong>in</strong>d, ist e<strong>in</strong>e weitere Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich die historische <strong>Bildung</strong> stellen<br />
muss – <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> selbst, aber<br />
ebenso auch <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en staatlichen <strong>Bildung</strong>se<strong>in</strong>richtungen.<br />
Es beg<strong>in</strong>nt mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Medienkompetenz, <strong><strong>de</strong>r</strong> Fähigkeit<br />
also, zwischen seriösen und unseriösen<br />
Angeboten zu unterschei<strong>de</strong>n: Lernen<strong>de</strong><br />
im Internet, die sich meistens<br />
ohne fachliche Anleitung durch dieses<br />
Medium h<strong>in</strong>durchnavigieren, müssen<br />
mit Geschichtspräsentationen versorgt<br />
wer<strong>de</strong>n, die fachdidaktischen Pr<strong>in</strong>zipien<br />
entsprechen.<br />
E<strong>in</strong> seit <strong>Jahre</strong>n <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
präsentes Medium, das sich an Interessierte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichte und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte richtet, ist die<br />
»Militärgeschichte. Zeitschrift für historische<br />
<strong>Bildung</strong>«. Auch außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Streitkräfte besitzt sie e<strong>in</strong>e breite Leserschaft.<br />
E<strong>in</strong> wichtiger Lernraum <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschichte ist nach wie vor das Museum.<br />
Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> besitzt zwei Militärmuseen:<br />
das Luftwaffenmuseum<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Gatow und das Militärhistorische<br />
Museum <strong>in</strong> Dres<strong>de</strong>n. Letzteres<br />
wird als Leitmuseum <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
bis zum <strong>Jahre</strong> 2010 mit großem Aufwand<br />
zu e<strong>in</strong>em Militärmuseum umgestaltet,<br />
das <strong>in</strong>ternationalen Standards<br />
genügen wird.<br />
Die historische <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
wird künftig <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalität<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> militärhistorischen Forschung<br />
folgen müssen. Dabei muss<br />
sich vermehrt <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick auf das zusammenwachsen<strong>de</strong><br />
Europa richten. Wir<br />
müssen erkennen, wie es <strong>in</strong> Europa<br />
zu diesem Glücksfall <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />
kommen konnte: e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft<br />
freier, prosperieren<strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong>in</strong> Sicherheit<br />
mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> leben<strong><strong>de</strong>r</strong> Staaten.<br />
Literaturtipps<br />
Hans-Hubertus Mack<br />
Detlef Bald, Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. E<strong>in</strong>e kritische Geschichte<br />
1955–2005, München 2005<br />
Stefan Jordan, Tatsächlichkeit und Möglichkeit.<br />
Über Grenzen und Chancen e<strong>in</strong>er geschichtswissenschaftlichen<br />
Prognostik. In: Roland Kaestner (Hrsg.),<br />
<strong>Historische</strong> Trendanalyse – Vergangenheit verstehen<br />
– Zukunft gestalten, München: Zentrum für<br />
Transformation <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> 2004, S. 77–82<br />
Friedhelm Kle<strong>in</strong>, Militärgeschichte <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland. In: Militärgeschichte <strong>in</strong> Deutschland<br />
und Österreich vom 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t bis <strong>in</strong> die<br />
Gegenwart, Herford 1985 (= Vorträge zur<br />
Militärgeschichte, 6), S. 183–214<br />
Hans Meier-Welcker, Soldat und Geschichte,<br />
Freiburg i.Br. 1976<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
7
Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />
Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg zu e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Militärgeschichte<br />
MGFA / Maurice Woynoski<br />
E<strong>in</strong> Amt als Spiegel<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte?<br />
Mit m<strong>in</strong>isterieller Weisung<br />
vom 5. Juli 1956 wur<strong>de</strong> Anfang<br />
1957 <strong>in</strong> Langenau bei<br />
Ulm e<strong>in</strong>e »Militärgeschichtliche Forschungsstelle«<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. Im Januar<br />
1958 erfolgte die Umbenennung <strong>in</strong><br />
»Militärgeschichtliches Forschungsamt«<br />
(MGFA) und im Oktober <strong>de</strong>sselben<br />
<strong>Jahre</strong>s bezog das Amt se<strong>in</strong>en neuen<br />
Dienstort <strong>in</strong> Freiburg im Breisgau,<br />
bis es 1994 an se<strong>in</strong>en jetzigen Standort<br />
Potsdam verlegt wur<strong>de</strong>.<br />
Mit diesen dürren Daten könnte<br />
die Geschichte e<strong>in</strong>er Dienststelle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> umrissen wer<strong>de</strong>n, die<br />
trotz ihres vergleichsweise ger<strong>in</strong>gen<br />
Personal bestands von kaum mehr als<br />
100 Mitarbeitern die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesamtorganisation <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, ja<br />
die <strong>de</strong>utsche Nachkriegsgeschichte <strong>in</strong><br />
vielerlei H<strong>in</strong>sicht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt. Dies<br />
hat se<strong>in</strong>en Grund: Denn die jüngere<br />
<strong>de</strong>utsche Militärgeschichte, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erforschung<br />
und Darstellung die Aufgabe<br />
<strong>de</strong>s Amtes ist, verknüpft sich<br />
untrennbar mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Katastrophe<br />
von 1933 bis 1945, und diese<br />
ist ohne e<strong>in</strong>en Blick auf das Militär<br />
und <strong>de</strong>n Militarismus nicht darstellbar.<br />
Für das Amt lag von Anfang an<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand, dass es mit se<strong>in</strong>en Publikationen<br />
e<strong>in</strong> verm<strong>in</strong>tes Gebiet betrat.<br />
Die Kontroversen um vor<strong><strong>de</strong>r</strong>gründig<br />
nicht selten trocken ersche<strong>in</strong>en<strong>de</strong> Themen<br />
wie Forschungskonzeptionen und<br />
Fachpublikationen zeigen, dass es <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n MGFA-Geschichte um<br />
mehr g<strong>in</strong>g als nur um die Geschichte<br />
dieses Amtes selbst.<br />
Denn <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Maße, wie sich die Geschichte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen um<br />
<strong>de</strong>n Themenkomplex Sicherheitspolitik<br />
und Streitkräfte wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt, fokussiert<br />
die Geschichte <strong>de</strong>s Amtes verschie<strong>de</strong>ne<br />
Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> (west)<strong>de</strong>utschen<br />
Gesellschaft wie unter e<strong>in</strong>em Brennglas.<br />
Gera<strong>de</strong> die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichtsschreibung<br />
vollzog sich<br />
nicht im gesellschaftsfernen Elfenbe<strong>in</strong>turm,<br />
im Gegenteil. Sie ist e<strong>in</strong>e Folge<br />
von Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen: zwischen<br />
<strong>de</strong>n Forschern, zwischen diesen und<br />
Zeitzeugen. Sie ist auch e<strong>in</strong>e Wahrnehmungsgeschichte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vielfältigen<br />
Zielgruppen, die militärgeschichtliche<br />
Publikationen zur Kenntnis nehmen:<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> universitären Wissenschaft<br />
über die Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> bis<br />
h<strong>in</strong> zur geschichts<strong>in</strong>teressierten Öffentlichkeit<br />
und <strong>de</strong>n sie <strong>in</strong>formieren<strong>de</strong>n<br />
Medien. Dabei nimmt das MGFA<br />
e<strong>in</strong>e Brückenfunktion zwischen <strong>de</strong>n<br />
Bedarfsträgern <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
»zivilen« Geschichtswissenschaft e<strong>in</strong>.<br />
Der hierfür erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Brückenschlag<br />
vollzog sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n<br />
Jahrzehnten <strong><strong>de</strong>r</strong> Amtsgeschichte<br />
– nicht selten gegen mannigfaltige Wi-<br />
8 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Die Villa Ingenheim <strong>in</strong> Potsdam,<br />
Sitz <strong>de</strong>s Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsamtes seit 1994.<br />
<br />
Das Dienstgebäu<strong>de</strong><br />
<strong>in</strong> Langenau bei Ulm,<br />
1957.<br />
Fotos: Sammlung Petter / MGFA<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong>. Ihn zu vollbr<strong>in</strong>gen, war<br />
wesentlich die Leistung <strong>de</strong>s ersten<br />
Amtschefs und <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten bei<strong>de</strong>n Generationen<br />
von Militärhistorikern mit<br />
und ohne Uniform. Gera<strong>de</strong> die Verortung<br />
<strong>de</strong>s Amtes <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
warf ja die Frage auf, ob <strong>de</strong>nn e<strong>in</strong>e objektive<br />
Erforschung <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngeren Militärgeschichte<br />
nach wissenschaftlichen<br />
Kriterien – und damit auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenhänge<br />
von Militär, Militarismus<br />
und Nationalsozialismus – durch<br />
e<strong>in</strong>e militärische Dienststelle angemessen<br />
zu realisieren sei. Zu sehr wirkte<br />
auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachkriegszeit die oft<br />
apologetische Verbrämung von Heer<br />
und Krieg durch die »Kriegsgeschichte«<br />
nach Art <strong>de</strong>s preußischen Großen<br />
Generalstabs <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaiserzeit nach; zu<br />
sehr war noch die »Wehrgeschichte«<br />
<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Vertreter ihre<br />
Aufgabe dar<strong>in</strong> gesehen hatten, auch<br />
die (Geschichts-)Wissenschaft zur geistigen<br />
Waffe im rasseni<strong>de</strong>ologisch angetriebenen<br />
Weltanschauungskrieg<br />
umzuschmie<strong>de</strong>n.<br />
Das nährte nach <strong>de</strong>m Neubeg<strong>in</strong>n<br />
ab 1945 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zivilen Welt bisweilen<br />
e<strong>in</strong>en fatalen Verdacht gegenüber<br />
<strong>de</strong>n Vertretern e<strong>in</strong>er möglicherweise<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> »offiziellen« Militärgeschichte:<br />
Diese könnten sich erneut vor allem an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> praktischen Nutzenorientierung<br />
auf die Erforschung von Feldzügen<br />
und Schlachten beschränken, um herauszuf<strong>in</strong><strong>de</strong>n,<br />
wie es im kommen<strong>de</strong>n<br />
Krieg besser zu machen sei. Im Zeitalter<br />
<strong>de</strong>s Kalten Krieges mit se<strong>in</strong>er<br />
drohen<strong>de</strong>n atomaren Apokalypse gab<br />
es gute Grün<strong>de</strong> dafür, dieses Ziel für<br />
überholt zu halten. Zugleich erforschten<br />
die Historiker <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachkriegszeit<br />
die Entstehung und Funktionsmechanismen<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Militarismus<br />
und korrigierten dabei manche politisch-historischen<br />
Legen<strong>de</strong>n, die von<br />
Kaiserzeit über Weimarer Republik<br />
bis zur NS-Zeit als Dogma gehan<strong>de</strong>lt<br />
<br />
Angehörige <strong>de</strong>s Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsamtes bei e<strong>in</strong>er historischen<br />
Gelän<strong>de</strong>besprechung am 11. Juni 1959<br />
zur »Schlacht bei Freiburg 1644«, v.l.n.r.:<br />
Brausch, Hans Black, Hans Meier-Welcker,<br />
Gerhard Papke, Müller, Wiegand Schmidt-<br />
Richberg und Harnisch.<br />
wor<strong>de</strong>n waren und die sich nun, nach<br />
1945, als obsolet erwiesen hatten.<br />
Naturgemäß war die Verquickung<br />
von nationalen Mythen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle<br />
<strong>de</strong>utscher Armeen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s eng, war<br />
doch durch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Waffen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Kriegen<br />
1864 bis 1871 die <strong>de</strong>utsche E<strong>in</strong>heit<br />
erkämpft wor<strong>de</strong>n. Im selben Maße,<br />
wie die Heroisierung <strong>de</strong>utscher Streitkräfte<br />
vor 1945 betrieben wor<strong>de</strong>n war,<br />
fiel nunmehr <strong><strong>de</strong>r</strong>en Stigmatisierung<br />
nach »<strong>de</strong>m Krieg« aus. Zusätzlich kam<br />
das Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Besatzungsmächte, sich<br />
überhaupt mit Studien zu befassen,<br />
die geeignet erschienen, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Militarismus wach zu halten.<br />
Weiterh<strong>in</strong> konnte die Fachwissenschaft<br />
völlig zu Recht behaupten,<br />
dass die bisherige amtliche Militärgeschichtsschreibung<br />
von Kaiserreich,<br />
Weimarer Republik und NS-Staat mit<br />
erheblichen methodischen Mängeln behaftet<br />
gewesen war. Die <strong>de</strong>taillierten<br />
operationslastigen Werke zur Kriegsgeschichte<br />
<strong>de</strong>s Großen Generalstabs o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>s Potsdamer Reichsarchivs (<strong>de</strong> facto<br />
e<strong>in</strong> Heeresarchiv mit Forschungsauftrag)<br />
be<strong>in</strong>halteten für die aka<strong>de</strong>mische<br />
Betrachtung kaum wertvolle Aspekte.<br />
So klammerte die zivile universitäre<br />
Welt <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft das<br />
Thema Militär weitgehend aus. Entsprechend<br />
wuchsen zwar – und mit<br />
gutem Grund – ganze Bibliotheken zur<br />
Thematik <strong>de</strong>s Nationalsozialismus heran;<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweite Weltkrieg selbst und vor<br />
allem se<strong>in</strong>e zweite Hälfte blieben dagegen<br />
merkwürdig im Dunklen. Umgekehrt<br />
operierten Militärhistoriker <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik lange Zeit am Ran<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> universitären Wahrnehmung.<br />
Die Anfänge: von Langenau<br />
bis Freiburg im Breisgau<br />
Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Vorbereitungen für<br />
e<strong>in</strong>en west<strong>de</strong>utschen Verteidigungsbeitrag<br />
wur<strong>de</strong> ab Herbst 19<strong>50</strong> das sogenannte<br />
Amt Blank als Teil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>skanzleramtes<br />
e<strong>in</strong>gerichtet. Dieses<br />
war <strong><strong>de</strong>r</strong> Nukleus <strong>de</strong>s künftigen Verteidigungsm<strong>in</strong>isteriums.<br />
Damit bestand<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e organisatorische Grundlage<br />
für e<strong>in</strong>e »amtliche« Militärgeschichtsschreibung.<br />
Bereits En<strong>de</strong> 1951<br />
war im Amt Blank auch e<strong>in</strong> Referat<br />
für »Zeitgeschichte und Wehrwissenschaft«<br />
vorgesehen und se<strong>in</strong>e Leitung<br />
übernahm ab April 1952 Oberstleutnant<br />
i.G. a.D. Dr. Hans Meier-Welcker.<br />
Mit se<strong>in</strong>em Namen verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich<br />
die Konzeption e<strong>in</strong>er Militärgeschichte,<br />
die gleichermaßen wissenschaftlichen<br />
Ansprüchen genügen wie <strong>de</strong>n<br />
Bedarfsträger <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> unterstützen<br />
sollte. Doch waren die Fragen<br />
nach militärischem Nutzen und wissenschaftlicher<br />
Forschungskonzeption<br />
nicht e<strong>in</strong>fach zu lösen. Sie durchzogen<br />
die Amtsgeschichte von <strong>de</strong>n ersten<br />
Konzepten <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong> bis<br />
m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens <strong>in</strong> die1970er <strong>Jahre</strong>.<br />
Entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> planerischen Leitkonzeption<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> war e<strong>in</strong>e<br />
teilstreitkräfteübergreifen<strong>de</strong> Erforschung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte beabsichtigt;<br />
Doppelungen und Reibungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
eifersüchtigen Wehrmachtteile wie vor<br />
1945 sollten so vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. In<br />
Fortführung von – zaghaften – Ten<strong>de</strong>n-<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
9
Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schwert<br />
E<strong>in</strong>e Abordnung <strong>de</strong>s MGFA zu<br />
Besuch beim Bun<strong>de</strong>s präsi <strong>de</strong>nten,<br />
27. September 1974<br />
(v.l.n.r.: Andreas Hillgruber,<br />
Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt Walter Scheel,<br />
Hans-Erich Volkmann,<br />
Klaus A. Maier, Jürgen Förster,<br />
Wilhelm Deist).<br />
zen <strong>de</strong>s früheren Reichsarchivs wur<strong>de</strong><br />
die personelle Zusammensetzung als<br />
Mischung von zivilen Wissenschaftlern<br />
und aka<strong>de</strong>misch ausgebil<strong>de</strong>ten<br />
Soldaten angestrebt. Als das Amt im<br />
August 1958 nach Freiburg verlegt<br />
wur<strong>de</strong>, umfasste es 39 Personen, darunter<br />
zehn zivile wissenschaftliche<br />
Mitarbeiter und ebenso viele Offiziere.<br />
In Anlehnung an bisherige Lösungen,<br />
aber auch nach <strong>de</strong>m Vorbild <strong>de</strong>s Auswärtigen<br />
Amtes sah die Konzeption<br />
anfangs die Koppelung von militärischer<br />
Forschungse<strong>in</strong>richtung und Archivorganisation<br />
vor. Letztere sollte<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Dokumentenzentrale <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsstelle<br />
erwachsen und künftig mit <strong>de</strong>m Aktenmaterial<br />
versorgt wer<strong>de</strong>n, das aus<br />
<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten freigegeben<br />
wur<strong>de</strong>. Nach Kriegsen<strong>de</strong> war nämlich<br />
die Masse aller e<strong>in</strong>schlägigen Akten<br />
zum Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt<br />
wor<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e quellenkritische<br />
Forschung war daher anfangs kaum<br />
möglich.<br />
Konnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> streitkräftegeme<strong>in</strong>samen<br />
Militärgeschichtsforschung<br />
auf e<strong>in</strong>en weitgehen<strong>de</strong>n<br />
Konsens <strong><strong>de</strong>r</strong> daran Beteiligten abstützen,<br />
erfolgte über die 19<strong>50</strong>er und<br />
1960er <strong>Jahre</strong> h<strong>in</strong>weg e<strong>in</strong>e Debatte über<br />
Ziel, Ausrichtung und Nutzen von<br />
Militärgeschichte. Schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsphase<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> warf<br />
Meier-Welcker die Frage auf, wie e<strong>in</strong>e<br />
neue Militärgeschichte zu betreiben sei.<br />
Dazu wies er auf e<strong>in</strong>en grundlegen<strong>de</strong>n<br />
Paradigmenwechsel h<strong>in</strong>: Alle<strong>in</strong> schon<br />
wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> völlig verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten (Atom-)<br />
Bewaffnung könnten künftig ke<strong>in</strong>e<br />
praktischen, taktisch-operativen Regeln<br />
mehr aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte für Gegenwart<br />
und Zukunft abgeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />
Der »applikatorischen Metho<strong>de</strong>«<br />
ganzer Generationen von Kriegshistorikern<br />
erteilte Meier-Welcker damit<br />
e<strong>in</strong>e Absage. Demgegenüber hielt er<br />
die Geschichte und <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bewaffneten Gewalt für wichtig:<br />
zur Schulung <strong><strong>de</strong>r</strong> Urteilsbildung und<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong> (künftiger)<br />
militärischer Führer. Das führte<br />
zu e<strong>in</strong>er kontroversen Diskussion,<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> vor allem Lehrer <strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierschule<br />
<strong>de</strong>n Anwendungsnutzen historischer<br />
Erkenntnisse betonten.<br />
Der Dualismus von Vertretern e<strong>in</strong>es<br />
»<strong>in</strong>neren Nutzens« e<strong>in</strong>erseits und<br />
Anhängern e<strong>in</strong>es praktischen Ausbildungsnutzens<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits blieb bis <strong>in</strong><br />
die 1980er <strong>Jahre</strong> bestehen. Wenigstens<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s MGFA hatte sich die<br />
Position Meier-Welckers durchgesetzt.<br />
Freilich blieben auch hier traditionelle<br />
Prägungen bemerkbar, die die Offiziere<br />
während ihrer vor <strong>de</strong>m Krieg<br />
erfolgten wissenschaftlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierausbildung<br />
erhalten hatten. Naturgemäß<br />
trafen auch Sozialisationsunterschie<strong>de</strong><br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> aka<strong>de</strong>mischen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
militärischen Welt im MGFA beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
<strong>de</strong>utlich zutage; dies umso mehr,<br />
als mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 1960er <strong>Jahre</strong><br />
e<strong>in</strong>e kritische Generation von Wissenschaftlern<br />
das Feld betrat. Ihnen<br />
musste die von Zeitzeugen verfasste<br />
bisherige operationslastige Memoirenliteratur<br />
zur jüngeren Zeitgeschichte<br />
als ungenügend ersche<strong>in</strong>en.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung renommierter<br />
Forscher als Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschungsabteilung<br />
wur<strong>de</strong> ab 1968 die Grundlage<br />
dafür gelegt, das MGFA zu etablieren.<br />
Gleichzei tig war mit <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />
<strong>de</strong>s Bun <strong>de</strong>sarchivs-Militärarchivs e<strong>in</strong>e<br />
Kom promisslösung gefun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n:<br />
Die Militärakten Preußen-Deutschlands<br />
(seit 1867/71) wur<strong>de</strong>n zwar<br />
nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er MGFA-eigenen<br />
Dokumen tenzentrale verwaltet, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
ganz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Abteilung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarchivs<br />
überführt. Diese zog aber<br />
nach Freiburg und befand sich nun<br />
an <strong>de</strong>m selben Standort wie se<strong>in</strong>e<br />
<br />
1982 wur<strong>de</strong> die<br />
Bilanz e<strong>in</strong>er langen<br />
Diskussion um die<br />
vielfältigen Wege<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Militär ge schichte<br />
gezogen.<br />
Hauptnutzer, die Forscher <strong>de</strong>s MGFA.<br />
Das Amt selbst umfasste im Jahr 1969<br />
98 Personen, unter ihnen 20 zivile wissenschaftliche<br />
Mitarbeiter und 24 Offiziere<br />
mit Forschungsauftrag. Dass sich<br />
unter letzteren auch zehn Offiziere im<br />
Promotionsstudium befan<strong>de</strong>n, zeigt,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> wissenschaftliche Anspruch<br />
durch e<strong>in</strong>e universitäre Nachwuchsqualifikation<br />
e<strong>in</strong>gelöst wur<strong>de</strong>.<br />
Inzwischen war e<strong>in</strong>e Generation<br />
nachgewachsen, die das Verhältnis<br />
von Wehrmacht und NS-Unrechtsstaat<br />
kritisch und ohne selbst <strong>in</strong>s Visier zu<br />
geraten beleuchten konnte und wollte.<br />
Das aber warf die Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wissenschaftlich angemessenen Metho<strong>de</strong><br />
und <strong>de</strong>n jeweils für wesentlich<br />
gehaltenen Forschungsfragen auf.<br />
Wissenschaftliche Fragen vermengten<br />
sich mit e<strong>in</strong>em Generationenkonflikt;<br />
dieser mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach <strong>de</strong>m <strong>in</strong>neren<br />
Gefüge <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und ihrer Tradition.<br />
Damit stan<strong>de</strong>n auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen<br />
Nachkriegszeit gepflegte Mythen<br />
e<strong>in</strong>er angeblich »makellosen« o<strong><strong>de</strong>r</strong> lediglich<br />
»missbrauchten« Wehrmacht<br />
zur Debatte. Diese Fragen an die Forschung<br />
bee<strong>in</strong>flussten die Konzeption<br />
über Arbeit und Aufgabenstellung <strong>de</strong>s<br />
MGFA <strong>in</strong> sehr direkter Weise.<br />
Sammlung Petter / MGFA<br />
10 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Debatte um <strong>de</strong>n Nutzen<br />
von Militärgeschichte war <strong>de</strong>utlich<br />
gewor<strong>de</strong>n, dass sich das Thema<br />
von Militär und Krieg nicht isoliert<br />
von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Aspekten <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />
beschreiben ließ. Re<strong>in</strong>e Operationsgeschichte<br />
war daher nicht nur <strong>de</strong>swegen<br />
wertlos, weil e<strong>in</strong> direkter Anwendungsnutzen<br />
fehlte; sie führte auch<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache weg, dass Krieg und<br />
Militär ohne die dah<strong>in</strong>ter liegen<strong>de</strong>n<br />
Strukturen von Politik, Gesellschaft,<br />
Wirtschaft und I<strong>de</strong>ologie kaum erklärbare<br />
Phänomene waren und s<strong>in</strong>d.<br />
Diese E<strong>in</strong>sicht wirkte sich vor allem<br />
auf die neue Konzeption für das Reihenwerk<br />
»Das Deutsche Reich und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zweite Weltkrieg« aus. Damit war methodisch<br />
endgültig Abschied von e<strong>in</strong>er<br />
auf »Wehr-« o<strong><strong>de</strong>r</strong> »Kriegsgeschichte«<br />
reduzierten Betrachtung genommen<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
Von nun an vollzog sich die Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>er »Militärgeschichte <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erweiterung«: Militärgeschichte<br />
als Wirtschafts-, Sozial-, Mentalitätenund<br />
Kulturgeschichte, durchaus auch<br />
als Geschlechtergeschichte; das s<strong>in</strong>d<br />
Themen, die seit <strong>de</strong>n 1970er <strong>Jahre</strong>n<br />
das Thema Militär <strong>in</strong> immer weiteren<br />
Bezugsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n zeigten. Während die<br />
ersten Publikationen <strong>de</strong>s Amtes noch<br />
Auftragsarbeiten zu taktisch-operativen<br />
Fragestellungen be<strong>in</strong>haltet hatten,<br />
sollte nun die Behandlung <strong>de</strong>s Zweiten<br />
Weltkrieges <strong>in</strong> thematisch und methodisch<br />
umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise erfolgen.<br />
E<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe fasste 1976 die wesentlichen<br />
Ergebnisse dieser Metho<strong>de</strong>n<strong>de</strong>batte<br />
dah<strong>in</strong>gehend zusammen,<br />
dass die »militärgeschichtlichen Gegebenheiten<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Breite ihrer<br />
vielfältigen Ersche<strong>in</strong>ungsformen und<br />
Abhängigkeiten zu betrachten s<strong>in</strong>d;<br />
dass die historisch-kritische Metho<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> allgeme<strong>in</strong>en Geschichtswissenschaften<br />
unabd<strong>in</strong>gbares Merkmal<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung ist; dass die Militärgeschichte<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrierter Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft<br />
ist«.<br />
Nach dieser Metho<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> neben<br />
<strong>de</strong>m Reihenwerk »Das Deutsche Reich<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweite Weltkrieg« auch das<br />
umfassen<strong>de</strong> Werk zu <strong>de</strong>n »Anfängen<br />
west<strong>de</strong>utscher Sicherheitspolitik« ab<br />
1975 bearbeitet, das die im Amt verfolgte<br />
Themenpalette thematisch und<br />
zeitlich <strong>in</strong> die jüngere Gegenwart erweiterte.<br />
Dieser Ansatz wur<strong>de</strong> fortgeführt<br />
mit <strong>de</strong>m Projekt e<strong>in</strong>er Geschichte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im Bündnis und e<strong>in</strong>er<br />
parallel dazu erarbeiteten Reihe zur<br />
Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO. Mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR und ihrer bewaffneten Organe<br />
ergab sich die e<strong>in</strong>malige Chance,<br />
e<strong>in</strong> sehr zeitnahes Thema zu behan<strong>de</strong>ln,<br />
das zugleich e<strong>in</strong>en wichtigen<br />
Lebensabschnitt vieler Menschen <strong>in</strong><br />
Ost<strong>de</strong>utschland prägte. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr<br />
erfolgreichen Reihe »Militärgeschichte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR« konnte so unter konsequenter<br />
Fortführung <strong><strong>de</strong>r</strong> jahrzehntelang<br />
gewachsenen Forschungstradition e<strong>in</strong><br />
Gebiet betreten wer<strong>de</strong>n, das über die<br />
Aufarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit mittelbar<br />
auch e<strong>in</strong>en Beitrag zur <strong>de</strong>utschen<br />
E<strong>in</strong>heit leistet.<br />
Forschung und historische<br />
<strong>Bildung</strong> – Gegensatz und<br />
Ergänzung<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> 1978 erfolgten Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Abteilung AIF – Ausbildung, Information<br />
und Fachstudien – erhielt das<br />
MGFA e<strong>in</strong>e zweite organisatorische<br />
Säule neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung Forschung<br />
unter ihrem Leiten<strong>de</strong>n Historiker. Dass<br />
diese neue Abteilung unter e<strong>in</strong>em Offizier<br />
vorrangig für <strong>de</strong>n Bedarfsträger<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> arbeitete, entlastete<br />
e<strong>in</strong>erseits die Grundlagenforschung,<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits sorgte sie zunächst für<br />
Diskussionen <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s Hauses:<br />
Zu sehr wirkten noch die jeweils <strong>in</strong><br />
Streitkräften und Wissenschaft tradierten<br />
Denkmuster weiter, dass Militärgeschichte<br />
e<strong>in</strong>en praktischen Anwendungsnutzen<br />
mit sich br<strong>in</strong>gen müsse<br />
– o<strong><strong>de</strong>r</strong> dass genau dies auf je<strong>de</strong>n Fall<br />
zu vermei<strong>de</strong>n sei. Dabei kontrastierten<br />
m<strong>in</strong>isteriale Vorstellungen, das<br />
operative Denken zur Erhöhung e<strong>in</strong>er<br />
glaubwürdigen militärischen Abschreckung<br />
vermehrt zu betonen, mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Befürchtung mancher Wissenschaftler,<br />
dadurch – erneut – für taktisch-operative<br />
Zwecke missbraucht zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Neben operativ-taktischen Ausbildungsunterlagen<br />
wirkte sich die Abteilung<br />
AIF vor allem bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewältigung<br />
von Publikums-, Presse- und<br />
M<strong>in</strong>isterialanfragen aus. Zu<strong>de</strong>m entstand<br />
hier die Konzeption zur historischen<br />
<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, was<br />
<strong>in</strong> breitgestreuten Publikationen zum<br />
Ausdruck kommt: vom wissenschaftlichen<br />
Sammelband bis zur Präsentation<br />
<strong>in</strong> Neuen Medien. Dazu eröffnete<br />
die <strong>in</strong>haltliche Betreuung <strong>de</strong>s militärgeschichtlichen<br />
Museumswesens e<strong>in</strong><br />
neues Betätigungsfeld. Gera<strong>de</strong> bei kritischen<br />
Aspekten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Streitkräfte<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit war die<br />
organisatorische Nähe zur Abteilung<br />
Forschung unverzichtbar. Auch hier<br />
wirkte die Konzeption Meier-Welckers<br />
nach, die dieser schon 1959 so umschrieben<br />
hatte: »Legen<strong>de</strong>n zu zerstören,<br />
Gültiges festzuhalten und Neues<br />
zu erfassen.«<br />
Das gilt für die historische Forschung<br />
und <strong>Bildung</strong> gleichermaßen. Das gilt<br />
auch für die oft hitzige Diskussion<br />
um die gültige Tradition <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1980er <strong>Jahre</strong>n, die um<br />
die Forschungsergebnisse <strong>de</strong>s MGFA<br />
nicht herumkam. Das gilt für die nochmals<br />
erregte Debatte um die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wehrmacht im »Vernichtungskrieg« <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n 1990er <strong>Jahre</strong>n, als längst bekannte<br />
Forschungsergebnisse <strong>in</strong> nicht immer<br />
glücklicher und methodisch e<strong>in</strong>wandfreier<br />
Weise <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit präsentiert<br />
wur<strong>de</strong>n. Das gilt auch für die seit<br />
1994 erfolgte Etablierung am Wissenschaftsstandort<br />
Potsdam, wo sich so<br />
unterschiedliche Themengebiete wie<br />
etwa die Geschichte von <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
und NVA <strong>in</strong> ihren jeweiligen Bündnissen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtigen E<strong>in</strong>satzlän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> mit Gew<strong>in</strong>n<br />
für Forschung und <strong>Bildung</strong> bearbeiten<br />
lassen.<br />
Literaturtipps<br />
Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k<br />
Ursula von Gersdorff, Geschichte und Militärgeschichte.<br />
Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung, Frankfurt a.M. 1974<br />
Hans Meier-Welcker, Soldat und Geschichte.<br />
Aufsätze, Boppard a.Rh. 1976<br />
Manfred Messerschmidt u.a. (Hrsg.), Militärgeschichte.<br />
Probleme – Thesen – Wege, Stuttgart 1982<br />
(= Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte, Bd 25)<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
11
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />
Am 12. November1955 – <strong>de</strong>m 200. Geburtstag <strong>de</strong>s preußischen Heeresreformers Gerhard von Scharnhorst – überreichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>ister für Verteidigung, Theodor Blank, <strong>in</strong> Bonn <strong>de</strong>n ersten 101 Freiwilligen <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen <strong>de</strong>utschen Streitkräfte<br />
die Ernennungsurkun<strong>de</strong>n.<br />
bw / Foto unbekannt<br />
25 <strong>Jahre</strong> »Richtl<strong>in</strong>ien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege«<br />
Je<strong>de</strong>s Jahr am 3. Oktober wird<br />
im bran<strong>de</strong>nburgischen Hei<strong>de</strong>now<br />
auf <strong>de</strong>m »Konrad-A<strong>de</strong>nauer-Platz«<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> »Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen E<strong>in</strong>heit«<br />
begangen. Wie <strong>in</strong> je<strong>de</strong>m Jahr s<strong>in</strong>d<br />
auch Repräsentanten <strong><strong>de</strong>r</strong> örtlichen<br />
Bun <strong>de</strong>swehr-Garnison zu <strong>de</strong>n Feierlichkeiten<br />
e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n. Doch das war<br />
nicht immer so. E<strong>in</strong>ige wenige Soldaten,<br />
die vor ihrer Übernahme <strong>in</strong> die<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> noch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen<br />
Volksarmee <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gedient haben,<br />
können sich daran er<strong>in</strong>nern, dass<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Platz vor 1990 »Len<strong>in</strong>-Platz« hieß.<br />
Damals mussten sie zu <strong>de</strong>n Feierlichkeiten<br />
am »Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Republik« (7. Oktober)<br />
und am »Kampftag <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiterklasse«<br />
(1. Mai) antreten. Kurzfristig<br />
hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Platz sogar <strong>de</strong>n Namen Stal<strong>in</strong>s<br />
getragen. E<strong>in</strong>ige wenige Menschen<br />
<strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>now s<strong>in</strong>d an diesem Platz<br />
noch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht zum »Führer-Geburtstag«,<br />
<strong>de</strong>m 20. April, angetreten.<br />
Das war zwischen 1933 und<br />
1945, <strong><strong>de</strong>r</strong> Platz hieß damals »Adolf-<br />
Hitler-Platz«. Auch vor 1933 fan<strong>de</strong>n<br />
sich hier Soldaten zu diversen Feierlichkeiten<br />
e<strong>in</strong>: von 1922 bis 1932 zum<br />
»Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung« (11. August) auf<br />
<strong>de</strong>m »Platz <strong><strong>de</strong>r</strong> Republik«, noch früher<br />
auf <strong>de</strong>m »Kaiser-Wilhelm-Platz« zum<br />
Geburtstag <strong>de</strong>s Kaisers (27. Januar)<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> zum <strong>Jahre</strong>stag <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sieges<br />
bei Sedan 1870 (2. September).<br />
E<strong>in</strong> Ort namens Hei<strong>de</strong>now <strong>in</strong> Bran<strong>de</strong>nburg<br />
existiert nicht. Örtlichkeiten<br />
wie <strong>de</strong>n »Konrad-A<strong>de</strong>nauer-Platz«,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> mit stetig wechseln<strong>de</strong>m Namen<br />
zahlreiche unterschiedliche Aufmärsche,<br />
Para<strong>de</strong>n und Appelle <strong>in</strong> ebenso<br />
unterschiedlichen <strong>de</strong>utschen Staaten<br />
überdauert hat, gibt es <strong>in</strong><strong>de</strong>s schon.<br />
Das fiktive Beispiel Hei<strong>de</strong>now zeigt,<br />
dass die Benennung von Straßen und<br />
Plätzen eng an politische Konstellationen<br />
gebun<strong>de</strong>n ist. Ähnlich verhält es<br />
sich mit Tradition und Traditionspflege<br />
<strong>in</strong> Staat, Gesellschaft und Streitkräften.<br />
Sie lässt sich an Namen, Feiertagen<br />
und Daten festmachen und war im<br />
Deutschland <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts e<strong>in</strong>em<br />
gravieren<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l unterworfen.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund sollen<br />
auch die Geschichte von <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
und Tradition skizziert wer<strong>de</strong>n.<br />
Tradition contra Geschichte?<br />
E<strong>in</strong>es <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundprobleme <strong>de</strong>s Themas<br />
Tradition ist die ständige Durchmischung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Begriffe Vergangenheit,<br />
Geschichte und Tradition. Hier liegt<br />
<br />
Dr. Hans Apel,<br />
Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>ister<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung<br />
vom 17.02.1978<br />
bis 3.10.1982.<br />
die erste Gefahr von Missverständnissen,<br />
die aber durch abgrenzen<strong>de</strong> Def<strong>in</strong>itionen,<br />
wie beispielsweise die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Traditionsrichtl<strong>in</strong>ien von 1982, vermie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n kann:<br />
»Tradition ist die Überlieferung von<br />
Werten und Normen. Sie bil<strong>de</strong>t sich <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Prozess wertorientierter Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit. Tradition<br />
verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t die Generationen, sichert<br />
I<strong>de</strong>ntität und schlägt e<strong>in</strong>e Brücke zwischen<br />
Vergangenheit und Zukunft. Tradition ist<br />
e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage menschlicher<br />
Kultur. Sie setzt Verständnis für historische,<br />
politische und gesellschaftliche Zusammenhänge<br />
voraus.«<br />
Ist Geschichte die größere und allgeme<strong>in</strong>ere<br />
Dimension e<strong>in</strong>es Teils <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bewerteten Vergangenheit, so <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert<br />
sich Tradition als e<strong>in</strong>e Auswahl von <strong>in</strong><br />
bw / Anne Fischer<br />
12 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
die Gegenwart zu überliefern<strong>de</strong>n, gültigen<br />
Werten.<br />
Tradition ist an zwei Voraussetzungen<br />
geknüpft: E<strong>in</strong>erseits muss e<strong>in</strong>e<br />
Institution, die für sich selbst Tradition<br />
beansprucht, möglichst lange existieren,<br />
damit aus Geschichte überhaupt<br />
Tradition wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Zweitens müssen zentrale Werte <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte dieser Institution gleich<br />
geblieben se<strong>in</strong>. Bei <strong>de</strong>n christlichen<br />
Konfessionen etwa ist dies das seit<br />
mehr als 1<strong>50</strong>0 <strong>Jahre</strong>n gültige »Glaubensbekenntnis«<br />
(credo) o<strong><strong>de</strong>r</strong> das »Vaterunser«.<br />
Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland existiert erst seit 1955,<br />
also musste sie zunächst für ihrer<br />
Tradition e<strong>in</strong>e Auswahl aus Vergangenem<br />
treffen, das als traditionswürdig<br />
gelten konnte, solange, bis sie selbst<br />
genug Geschichte aufwies, die zur<br />
Tradition wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Das »Erbe« <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit<br />
Den Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>vätern <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
stellte sich beim Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen<br />
Streitkräfte die Frage, wie die Vergangenheit<br />
bisheriger <strong>de</strong>utscher Armeen<br />
zu bewerten sei, was man aus ihr<br />
übernehmen könne. Sie kamen nach<br />
zwei verlorenen Weltkriegen, e<strong>in</strong>em<br />
von außen been<strong>de</strong>ten Unrechtsregime<br />
und e<strong>in</strong>er bed<strong>in</strong>gungslosen Kapitulation<br />
zu <strong>de</strong>m Ergebnis, e<strong>in</strong>en Neuanfang<br />
wagen zu müssen.<br />
Für die Tradition <strong><strong>de</strong>r</strong> Parlamentsarmee<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> wur<strong>de</strong> und wird<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Maßstab gültiger Werte und Normen<br />
sehr streng angelegt. Hier war<br />
und ist verpflichtend das Wertesystem<br />
<strong>de</strong>s Grundgesetzes anzuwen<strong>de</strong>n. Bei<br />
<strong>de</strong>n ersten Überlegungen zum Aufbau<br />
e<strong>in</strong>es west<strong>de</strong>utschen Beitrages<br />
zur Europäischen Verteidigungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
ab 19<strong>50</strong> war das gera<strong>de</strong><br />
erst (1949) proklamierte Grundgesetz<br />
zu berücksichtigen. Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s<br />
21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts stellen das Grundgesetz,<br />
aber auch Verpflichtungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland aufgrund<br />
ihrer Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäischen<br />
Union, <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO, <strong>de</strong>n<br />
Vere<strong>in</strong>ten Nationen (VN) o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation<br />
für Sicherheit und Zusammenarbeit<br />
<strong>in</strong> Europa (OSZE) normative<br />
Vorgaben für die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> als<br />
Bündnis- und E<strong>in</strong>satzarmee dar.<br />
Kont<strong>in</strong>uitäten <strong>in</strong> Deutschland?<br />
Bis zum <strong>Jahre</strong> 1871 gab es auf »<strong>de</strong>utschem«<br />
Bo<strong>de</strong>n alle<strong>in</strong> sieben »Staatsgebil<strong>de</strong>«:<br />
zunächst das Römische bzw.<br />
Weströmische Reich, dann die Stammesreiche<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und<br />
das Karol<strong>in</strong>gerreich. Dem von 962 bis<br />
1806 existieren<strong>de</strong>n Heiligen Römischen<br />
Reich Deutscher Nation folgte<br />
von 1806 bis 1813 <strong><strong>de</strong>r</strong> Rhe<strong>in</strong>bund, danach<br />
bis 1866 <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Bund und<br />
von 1867 bis 1871 <strong><strong>de</strong>r</strong> Nord<strong>de</strong>utsche<br />
Bund. Seit 1871 erlebte Deutschland<br />
gera<strong>de</strong>zu e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>flationäre Anzahl von<br />
Gründungen und Zusammenbrüchen<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Staatlichkeit mit nicht<br />
weniger als fünf »Staatsgebil<strong>de</strong>n« –<br />
und damit auch fünf unterschiedlichen<br />
Streitkräften. Zur Ver<strong>de</strong>utlichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Unterschie<strong>de</strong> sei nur auf die jeweilige<br />
Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten<br />
h<strong>in</strong>gewiesen: Die Soldaten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kont<strong>in</strong>gentsarmee<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Kaiserreiches<br />
von 1871 bis 1918 wur<strong>de</strong>n auf<br />
<strong>de</strong>n Monarchen persönlich vereidigt,<br />
die Berufssoldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> »Weimarer« Republik von 1919<br />
bis 1933 schworen e<strong>in</strong>en Eid auf die<br />
Republik, die Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht<br />
auf »<strong>de</strong>n Führer« persönlich. Die Soldaten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR verpflichteten sich mit ihrem Eid,<br />
die DDR und <strong>de</strong>n Sozialismus zu verteidigen.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> seit 1955 bestehen<strong>de</strong>n<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland schwören Zeit- und Berufssoldaten<br />
– Wehrpflichtige geloben<br />
– »<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
treu zu dienen und das Recht und die<br />
Freiheit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes tapfer<br />
zu verteidigen«.<br />
Mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland und ihrer <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
fußten all diese Staatsgebil<strong>de</strong> und ihre<br />
Streitkräfte auf Werten und Normen,<br />
die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em teilweise krassen Gegensatz<br />
zum heutigen Grundgesetz stehen.<br />
So <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert das Grundgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland die<br />
Grundrechte als unveräußerlich und<br />
unaufhebbar, allen voran die Unantastbarkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen.<br />
E<strong>in</strong> weiterer zentraler Unterschied<br />
liegt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n jeweiligen Staats-, Herrschafts-<br />
und Regierungsformen sowie<br />
<strong>de</strong>n damit verbun<strong>de</strong>nen Fragen<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en Legitimation und im aktiven<br />
und passiven Wahlrecht. Auch<br />
bpk / Kurt Rohwed<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
die <strong>de</strong>utschen Streitkräfte <strong>in</strong> Vergangenheit<br />
und Gegenwart weisen unterschiedliche<br />
Charakteristika auf, so<br />
beim S<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s Dienens, beim Zugang<br />
zur Offizier- bzw. Unteroffizierlaufbahn,<br />
beim Inneren Gefüge bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Inneren Führung, bei <strong>de</strong>n Rechten und<br />
Pflichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, beim Primat<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Politik und damit bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärverfassung.<br />
Das militärische Dienen <strong>in</strong><br />
unterschiedlichen Staats- und Gesellschaftssystemen<br />
<strong>in</strong> kalten und heißen<br />
Kriegen, <strong>in</strong> E<strong>in</strong>sätzen, <strong>in</strong> Angriff, Verteidigung<br />
und Abschreckung sowie im<br />
Frie<strong>de</strong>n än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich im 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n jeweiligen <strong>de</strong>utschen<br />
Armeen mehrfach.<br />
Dem Zeitzeugen Adolf Heus<strong>in</strong>ger,<br />
<strong>de</strong>m ersten General<strong>in</strong>spekteur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>,<br />
waren diese Brüche offensichtlich<br />
bewusster als manchem<br />
Nachgeborenen, <strong>de</strong>nn er fragte sich<br />
1959 zu Recht, »welche Traditionen<br />
nach <strong>de</strong>n Traditionsbrüchen von 1919,<br />
1933, 1938/39 und 1945 gepflegt wer<strong>de</strong>n<br />
können«.<br />
Staatsgründung ohne Krieg<br />
<br />
General<br />
Adolf Heus<strong>in</strong>ger<br />
(1897–1982), erster<br />
General<strong>in</strong>spekteur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
(1957–1961).<br />
Aufnahme<br />
von 1958.<br />
Die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> heute 192 Staaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vere<strong>in</strong>ten Nationen entstan<strong>de</strong>n durch<br />
militärische Gewalt im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />
Unabhängigkeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>igungskrieges<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>er Revolution. Dies<br />
gilt für die Zeit nach 1945 beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
für Afrika und Asien im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
»Entkolonialisierung«. Die Er<strong>in</strong>nerung<br />
an die militärischen E<strong>in</strong>sätze, die zur<br />
Gründung e<strong>in</strong>es Nationalstaates geführt<br />
haben, ist <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />
Tradition <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Staaten<br />
fest verwurzelt. Die vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgründung<br />
liegen<strong>de</strong> und häufig als<br />
»dunkles Zeitalter« bezeichnete Kolonialzeit<br />
ist <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel nur e<strong>in</strong> untergeordneter<br />
Bestandteil <strong>de</strong>s kollektiven<br />
Gedächtnisses.<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
13
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />
Dagegen ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz e<strong>in</strong>es<br />
bestehen<strong>de</strong>n Nationalstaates durch<br />
<strong>de</strong>ssen Streitkräfte im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />
»nationalen Bewährungsprobe« <strong>in</strong> vielen<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen<br />
Tradition gewor<strong>de</strong>n. Im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund<br />
steht dabei das Ge<strong>de</strong>nken an die Opfer<br />
und die damit e<strong>in</strong>hergehen<strong>de</strong> Vertiefung<br />
<strong>de</strong>s nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls.<br />
Für die militärische<br />
Tradition ist es unerheblich, ob die<br />
»nationale Bewährungsprobe« siegreich<br />
bestan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob mit<br />
e<strong>in</strong>er heroischen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage nur <strong>in</strong>direkt<br />
die Basis für e<strong>in</strong>en späteren Sieg<br />
gelegt wur<strong>de</strong>.<br />
Beispiele für die Er<strong>in</strong>nerung an e<strong>in</strong>e<br />
große »nationale Bewährungsprobe«<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Krise, die durch <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz von<br />
Militär und durch die Anstrengungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Nation gemeistert wur<strong>de</strong>n<br />
und letztlich zum Sieg führten,<br />
s<strong>in</strong>d <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satz <strong><strong>de</strong>r</strong> Royal Air Force<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> Luftschlacht um England<br />
1940, die Résistance <strong>in</strong> Frankreich und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Warschauer Aufstand 1944.<br />
Die Bun<strong>de</strong>srepublik wur<strong>de</strong> 1949 –<br />
für e<strong>in</strong>en neuen Staat im 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
ungewöhnlich genug – unkriegerisch<br />
und ohne Militär gegrün<strong>de</strong>t.<br />
1949 war dieser Staat zum ersten Mal<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Geschichte e<strong>in</strong>e parlamentarische<br />
Demokratie mit unaufhebbaren<br />
Grundrechten. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als<br />
nach <strong>de</strong>m Waffenstillstand von 1918<br />
war nach <strong><strong>de</strong>r</strong> bed<strong>in</strong>gungslosen Kapitulation<br />
von 1945 aber auch klar, dass<br />
es ke<strong>in</strong> Zurück zu vor<strong>de</strong>mokratischen<br />
Zustän<strong>de</strong>n geben konnte und durfte.<br />
Unter <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>druck <strong>de</strong>s Korea-Krieges<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> kommunistischen Bedrohung<br />
wur<strong>de</strong> ab 19<strong>50</strong> e<strong>in</strong> west<strong>de</strong>utscher<br />
Verteidigungsbeitrag geplant und ab<br />
1955 die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> aufgestellt.<br />
E<strong>in</strong>e Staatsgründung ohne Krieg und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bruch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-Vergangenheit<br />
stellten die klassische Tradition <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Streitkräften völlig auf <strong>de</strong>n Kopf. Zu<strong>de</strong>m<br />
wur<strong>de</strong> die nationale Dimension<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>in</strong>nerung zurückgedrängt. Die<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> war und ist e<strong>in</strong>e Armee<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO, Deutschland ist<br />
e<strong>in</strong> Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäischen Union, und<br />
es gab bis 1990 zwei <strong>de</strong>utsche Staaten<br />
mit zwei Armeen, so dass die nationale<br />
Komponente <strong>in</strong> (West-)Deutschland<br />
neu <strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert wer<strong>de</strong>n musste. Die<br />
Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Stun<strong>de</strong>, größtenteils<br />
»Männer mit Vergangenheit«, die<br />
m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht, teilweise<br />
sogar noch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar <strong>in</strong> <strong>de</strong>n kaiserlichen Kont<strong>in</strong>gentstreitkräften<br />
gedient hatten, befan<strong>de</strong>n<br />
sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Situation.<br />
Die bisherigen Möglichkeiten zur<br />
Begründung von Tradition entfielen,<br />
sie waren z.T. völlig diskreditiert. Zunächst<br />
orientierte sich die Führung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im H<strong>in</strong>blick auf Traditionswürdigkeit<br />
und Traditionspflege<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Praxis. Die Vorgängerarmeen<br />
sahen die untergegangenen<br />
<strong>de</strong>utschen Armeen größtenteils<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em positiven Licht und pflegten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Traditionen und Mythen weiter.<br />
E<strong>in</strong>en eigenen wirkungsmächtigen<br />
<strong>de</strong>mokratischen Gegenmythos gab es<br />
aber nicht. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />
s<strong>in</strong>d die nach <strong>de</strong>m Traditionserlass<br />
von 1965 <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1960er/1970er <strong>Jahre</strong>n<br />
erfolgten Benennungen von Kasernen,<br />
Geschwa<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Schiffen auch nach<br />
Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht erfolgt.<br />
Die Richtl<strong>in</strong>ien von 1982 setzten allerd<strong>in</strong>gs<br />
e<strong>in</strong>en an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Maßstab. Die<br />
Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>generation hatte sich noch bemühen<br />
müssen, bisher verwen<strong>de</strong>tes<br />
Traditionsgut für die neue Armee <strong>de</strong>mokratisch<br />
aufzubereiten, so etwa die<br />
preußischen Militärreformer o<strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />
Eiserne Kreuz. Sie hatten versucht die<br />
Männer <strong>de</strong>s 20. Juli als traditionswürdig<br />
zu etablieren.<br />
Erst ab Mitte/En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 1970er <strong>Jahre</strong><br />
wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em langen und evolutionären<br />
Prozess begonnen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>in</strong>nerung<br />
an Waffentaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgängerarmeen<br />
e<strong>in</strong>e eigene Dimension <strong>de</strong>s<br />
Dienens e<strong>in</strong>er Armee <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratie<br />
entgegenzustellen. Nun existierte<br />
die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> lange genug, um e<strong>in</strong>e<br />
eigene Geschichte zu besitzen, die als<br />
Tradition verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>generation, wur<strong>de</strong> selbst<br />
traditionswürdig; das Er<strong>in</strong>nern an vorherige<br />
Waffentaten wur<strong>de</strong> nicht mehr<br />
benötigt. In <strong>de</strong>n Anfangsjahren <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> g<strong>in</strong>g es zunächst vor allen<br />
D<strong>in</strong>gen darum, <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO möglichst<br />
schnell große und e<strong>in</strong>satzfähige<br />
Verbän<strong>de</strong> zu mel<strong>de</strong>n. Die NATO-Doktr<strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> »Massiven Vergeltung« wur<strong>de</strong><br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 1960er <strong>Jahre</strong> h<strong>in</strong>terfragt<br />
und bald von <strong><strong>de</strong>r</strong> »Flexiblen Erwi<strong><strong>de</strong>r</strong>ung«<br />
abgelöst. Neben die beim Militär<br />
notwendigen klassischen militärischen<br />
Tugen<strong>de</strong>n war die Formel vom<br />
»Kämpfen können, um nicht kämpfen<br />
zu müssen« im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschreckung<br />
getreten. Diese Entwicklung<br />
ließ <strong>de</strong>n Kämpfer und damit die Er<strong>in</strong>nerung<br />
an Waffentaten eher <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
H<strong>in</strong>tergrund treten. Es setzte sich die<br />
grundsätzliche Erkenntnis durch, dass<br />
Krieg im atomaren Zeitalter als Mittel<br />
zur Lösung politischer Konflikte nicht<br />
mehr tauglich war.<br />
Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> entwickelte im<br />
Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrzehnte drei Traditionsl<strong>in</strong>ien<br />
:<br />
1. die preußischen Militärreformer<br />
2. <strong>de</strong>n militärischen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Männer <strong>de</strong>s 20. Juli 1944<br />
3. die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> selbst.<br />
Dabei wur<strong>de</strong> die Frage, was Tradition<br />
sei, immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> von bun<strong>de</strong>swehr<strong>in</strong>ternen,<br />
aber auch politischen<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen begleitet. 1982<br />
wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e Neufassung <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n<br />
Richtl<strong>in</strong>ien erlassen, die obgleich<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> diskutiert,<br />
bis heute Bestand hat.<br />
Die Traditionsrichtl<strong>in</strong>ien<br />
von 1982<br />
H<strong>in</strong>tergrund für e<strong>in</strong>e Neufassung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erlasslage <strong>in</strong> H<strong>in</strong>sicht auf Tradition<br />
war das gewan<strong>de</strong>lte gesellschaftliche<br />
und politische Klima <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1970er und<br />
frühen 1980er <strong>Jahre</strong>n. Konkrete Anlässe<br />
waren die Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen<br />
darüber, <strong>in</strong>wieweit die Selbstdarstellung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> durch Große<br />
Zapfenstreiche und Öffentliche Rekrutengelöbnisse<br />
noch zeitgemäß sei. Speziell<br />
im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Feierlichkeiten zu<br />
»25 <strong>Jahre</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>« im <strong>Jahre</strong> 1980<br />
kam es zu öffentlichkeitswirksamen<br />
Protesten und massiven Störungen.<br />
Im April 1981 wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten<br />
Gremium auf E<strong>in</strong>ladung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isters<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung Hans<br />
Apel über diese Fragen diskutiert. Das<br />
Ergebnis lag e<strong>in</strong> Jahr später vor. Der<br />
Text vom 20. September 1982 wur<strong>de</strong><br />
grundsätzlich nicht als Erlass bezeichnet,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n trug <strong>de</strong>n Titel »Richtl<strong>in</strong>ien<br />
zum Traditionsverständnis und zur<br />
Traditionspflege <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>«.<br />
Hier<strong>in</strong> heißt es unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em:<br />
»Maßstab für Traditionsverständnis<br />
und Traditionspflege <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
s<strong>in</strong>d das Grundgesetz und die <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
übertragenen Aufgaben und Pflichten.<br />
Das Grundgesetz ist Antwort auf<br />
14 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
die <strong>de</strong>utsche Geschichte. Es gewährt große<br />
Freiräume, zieht aber auch e<strong>in</strong><strong>de</strong>utige<br />
Grenzen. Die Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wertgebun<strong>de</strong>nheit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte ist die Grundlage<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Traditionspflege <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> [...]<br />
Die Geschichte <strong>de</strong>utscher Streitkräfte hat<br />
sich nicht ohne tiefe E<strong>in</strong>brüche entwickelt.<br />
In <strong>de</strong>n Nationalsozialismus waren<br />
Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils<br />
wur<strong>de</strong>n sie schuldlos missbraucht. E<strong>in</strong><br />
Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann<br />
Tradition nicht begrün<strong>de</strong>n.«<br />
In <strong>de</strong>n Richtl<strong>in</strong>ien ist die Def<strong>in</strong>ition<br />
von Tradition, die Sichtweise auf Tradition<br />
und auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en Funktion verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wor<strong>de</strong>n. Zum ersten Male wur<strong>de</strong><br />
die Traditionsunwürdigkeit <strong>de</strong>s »Dritten<br />
Reiches« explizit genannt und die<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht als Institution damit<br />
ange<strong>de</strong>utet.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Def<strong>in</strong>ition <strong>de</strong>s Begriffes<br />
»Tradition« wird die wertorientierte<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
vorausgesetzt. So war die<br />
Möglichkeit gegeben, mit Elementen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit und mit Traditionsgut<br />
zu brechen. Das Grundgesetz<br />
als alle<strong>in</strong>iger Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilung<br />
von Traditionswürdigkeit wird betont<br />
– e<strong>in</strong>e Antwort auf die <strong>de</strong>utsche Geschichte.<br />
Im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund steht die<br />
Wertgebun<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>de</strong>mokratisches Selbstverständnis<br />
für die Traditionspflege. Die<br />
Verantwortung für die Traditionspflege<br />
vor Ort tragen die Komman<strong>de</strong>ure<br />
bzw. E<strong>in</strong>heitsführer, <strong>de</strong>nen »Ermessens-<br />
und Entscheidungsfreiheit« e<strong>in</strong>geräumt<br />
wur<strong>de</strong>, »vor allem dort, wo es<br />
sich um regionale und lokale Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />
han<strong>de</strong>lt«. Die Grenzen s<strong>in</strong>d<br />
durch das Grundgesetz und das Leitbild<br />
vom »Staatsbürger <strong>in</strong> Uniform«<br />
markiert.<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Aufgabe von Vorgesetzten<br />
ist es, Traditionsbewusstse<strong>in</strong><br />
zu wecken. Darüber h<strong>in</strong>aus soll auch<br />
an Taten von Soldaten, aber auch Zivilpersonen<br />
er<strong>in</strong>nert wer<strong>de</strong>n, die sich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>e e<strong>in</strong>es freien und <strong>de</strong>mokratischen<br />
Deutschland verschrieben haben.<br />
Grundsätzlich sollen soldatische<br />
Erfahrungen und Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwendung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ausbildung immer daraufh<strong>in</strong> überprüft<br />
wer<strong>de</strong>n, ob die Lehren heute<br />
noch von Be<strong>de</strong>utung s<strong>in</strong>d: »Geschichte<br />
liefert ke<strong>in</strong>e Anweisungen für künftiges<br />
Verhalten, wohl aber Maßstäbe<br />
und Orientierungen für Haltungen.«<br />
Gerhard von Scharnhorst<br />
(1755–1813), preußischer<br />
Militärreformer.<br />
akg-images<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
15
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und Tradition<br />
akg-images<br />
August Wilhelm Antonius<br />
Graf Neidhardt von Gneisenau<br />
(1760–1831), preußischer<br />
Militärreformer.<br />
Tradition <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
seit 1990<br />
Wer französische, britische, US-amerikanische,<br />
spanische o<strong><strong>de</strong>r</strong> portugiesische<br />
Krieger<strong>de</strong>nkmäler betrachtet,<br />
wird auf die großen Kriege zwischen<br />
Staaten stoßen, etwa die bei<strong>de</strong>n Weltkriege,<br />
aber ebenso auf e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />
militärischer E<strong>in</strong>sätze als Kolonialmacht<br />
<strong>in</strong> Übersee, auch nach 1945.<br />
Deutschland war aufgrund se<strong>in</strong>er<br />
Ge schichte vor 1945 aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
»praktizieren<strong>de</strong>n Großmächte« ausgeschie<strong>de</strong>n.<br />
Die Erfahrung, dass <strong>de</strong>utsche Soldaten<br />
auf frem<strong>de</strong>n Kont<strong>in</strong>enten im<br />
E<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d, während <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat<br />
tiefster Frie<strong>de</strong> herrscht, fehlte Anfang<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 1990er <strong>Jahre</strong> völlig und bil<strong>de</strong>te<br />
ke<strong>in</strong>e Traditionsl<strong>in</strong>ie. Die Projektion<br />
von (See- bzw. Luft-)Macht über weite<br />
Entfernungen spielte e<strong>in</strong>e ebenso untergeordnete<br />
Rolle wie <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>de</strong>s<br />
Soldaten im Überwachungs-, Sicherungs-,<br />
Aufbau- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Polizeidienst.<br />
Es wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>n nächsten <strong>Jahre</strong>n festzustellen<br />
se<strong>in</strong>, ob und <strong>in</strong>wieweit sich<br />
Tradition und Traditionspflege <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> bei ihrem gewan<strong>de</strong>lten<br />
Selbstverständnis ebenfalls verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, um die Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
<strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts zu meistern.<br />
Bei allen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsprozessen gilt<br />
es allerd<strong>in</strong>gs zu vermei<strong>de</strong>n, dass hier<br />
durch die H<strong>in</strong>tertür bei e<strong>in</strong>er Armee<br />
im (Kampf-)E<strong>in</strong>satz <strong><strong>de</strong>r</strong> »archaische<br />
Kämpfer« <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit erneut<br />
se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Tradition und<br />
ihre Pflege f<strong>in</strong><strong>de</strong>t. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Werteordnung<br />
<strong>de</strong>s Grundgesetzes sollte angeführt<br />
wer<strong>de</strong>n, dass die Bed<strong>in</strong>gungen<br />
e<strong>in</strong>es großen Krieges <strong>in</strong> <strong>de</strong>n künftigen<br />
E<strong>in</strong>satzszenarien <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> ke<strong>in</strong>e<br />
Rolle mehr spielen wer<strong>de</strong>n, obwohl<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> letzte <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiven historischen<br />
<strong>de</strong>utschen Er<strong>in</strong>nerung nach wie<br />
vor gegenwärtig ist.<br />
Literaturtipps:<br />
Harald Potempa<br />
Loretana <strong>de</strong> Libero, Tradition <strong>in</strong> Zeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Transformation.<br />
Zum Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im<br />
frühen 21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Pa<strong><strong>de</strong>r</strong>born 2006<br />
Harald Potempa, Der Weg zum ersten Traditionserlass<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. In: Militärische Tradition. Hrsg. von<br />
Eberhard Birk, Fürstenfeldbruck 2004<br />
(= Gneisenau Blätter, 3), S. 26–36<br />
16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Namenspatrone <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion<br />
»Namensgebungen s<strong>in</strong>d […] Ausdruck für das wertebezogene<br />
Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>«, ließ im<br />
<strong>Jahre</strong> 1995 das Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung verlauten.<br />
In <strong>de</strong>n ersten zwei Jahrzehnten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> erhielten<br />
viele Kasernen, Geschwa<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schiffe die Namen<br />
von »verdienten« Wehrmachtoffizieren. Soldatische Tugen<strong>de</strong>n<br />
und militärische Leistungen begrün<strong>de</strong>ten die<br />
Traditionswürdigkeit von Personen wie Eduard Dietl,<br />
Werner Möl<strong><strong>de</strong>r</strong>s, Erw<strong>in</strong> Rommel und vielen mehr. Diese<br />
Namengebungen erfolgten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Traditionsverständnisses,<br />
das eher zeitlose soldatische Tugen<strong>de</strong>n<br />
proklamierte, <strong>de</strong>n politischen Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht<br />
im Nationalsozialismus jedoch eher ausklammerte. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
begann die Geschichtswissenschaft damals erst das<br />
Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrmacht im NS-Staat zu untersuchen. In<br />
<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n revidierten Historiker das Bild von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> »sauberen Wehrmacht« und zeigten, dass sie an <strong>de</strong>n<br />
Verbrechen <strong>de</strong>s nationalsozialistischen Staates beteiligt<br />
gewesen war. Mit <strong>de</strong>m zunehmen<strong>de</strong>n Wertewan<strong>de</strong>l <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft begannen Kritiker, dieses Traditionsverständnis,<br />
das aus e<strong>in</strong>er weit verbreiteten »Verdrängungsmentalität«<br />
resultierte, zu h<strong>in</strong>terfragen.<br />
Die »Generaloberst-Dietl-Kaserne« <strong>in</strong> Füssen wur<strong>de</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n 1980er <strong>Jahre</strong>n zum Auslöser für e<strong>in</strong>e Diskussion über<br />
das Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. Dietl, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
u.a. aufgrund se<strong>in</strong>es angeblich »väterlichen« Umgangs<br />
mit se<strong>in</strong>en Soldaten auch nach <strong>de</strong>m Krieg zahlreiche Bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
hatte, konnte bis heute ke<strong>in</strong>e Beteiligung an<br />
Kriegsverbrechen nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. Doch galt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Generaloberst bis zu se<strong>in</strong>em Tod bei e<strong>in</strong>em Flugzeugabsturz<br />
1944 als glühen<strong><strong>de</strong>r</strong> Verehrer Hitlers und überzeugter<br />
Nationalsozialist. Der General mit <strong>de</strong>m gol<strong>de</strong>nen Parteiabzeichen<br />
hatte nie <strong>de</strong>n verbrecherischen Charakter<br />
<strong>de</strong>s »Dritten Reiches« erkannt. Se<strong>in</strong>e militärischen Tugen<strong>de</strong>n<br />
wur<strong>de</strong>n nach 1945 aus <strong>de</strong>m Kontext se<strong>in</strong>er Gesamtpersönlichkeit<br />
herausgelöst und machten ihn damit für<br />
die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> traditionswürdig. Entgegen vor allem<br />
lokaler Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> 1995 auf Geheiß <strong>de</strong>s Verteidigungsm<strong>in</strong>isters<br />
die »Generaloberst-Dietl-Kaserne« <strong>in</strong><br />
Füssen <strong>in</strong> »Allgäu-Kaserne« umbenannt.<br />
20 <strong>Jahre</strong> nach <strong>de</strong>m Fall »Dietl« sorgte <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall »Möl<strong><strong>de</strong>r</strong>s«<br />
für Schlagzeilen. Der von <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen Propaganda<br />
gefeierte »Fliegerheld« kam im November 1941<br />
bei e<strong>in</strong>em Flugzeugabsturz ums Leben. Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
ehrte <strong>de</strong>n erfolgreichen Jagdflieger und Ritterkreuzträger<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n 1970er <strong>Jahre</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Benennung e<strong>in</strong>er Kaserne<br />
und <strong>de</strong>s Jagdgeschwa<strong><strong>de</strong>r</strong>s 74. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage<br />
e<strong>in</strong>es Bun<strong>de</strong>stagsbeschlusses von 1998, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich gegen<br />
die öffentliche Würdigung von Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> »Legion<br />
Condor«, die auf Seiten <strong>de</strong>s faschistischen Generals Franco<br />
gekämpft hatte, richtete, beschloss das Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isterium<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verteidigung 2005, entgegen heftiger Proteste,<br />
die Aberkennung <strong>de</strong>s Traditionsnamens.<br />
Carmen W<strong>in</strong>kel<br />
Claus von Stauffenberg (1907–1944)<br />
als Oberleutnant <strong><strong>de</strong>r</strong> Kavallerie <strong>in</strong><br />
Bamberg. Porträtaufnahme,<br />
undatiert, um 1934.<br />
akg-images<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
17
Hunger, Desertion und Zwangsrekrutierung<br />
Hunger, Desertion und<br />
Zwangsrekrutierung<br />
Die gewaltsame E<strong>in</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s kursächsischen Heeres<br />
<strong>in</strong> die preußische Armee<br />
»Egal auf wessen Seite sie stan<strong>de</strong>n, die Sachsen haben immer verloren« – so lautet e<strong>in</strong>e weit verbreitete Ansicht<br />
über die sächsische Armee. Mit verengtem Blick auf ihre Geschichte im 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht auch<br />
e<strong>in</strong> hoher Wahrheitsgehalt zu konstatieren. E<strong>in</strong>e beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Zäsur bil<strong>de</strong>te dabei die Kapitulation <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />
Armee vor <strong>de</strong>m preußischen Heer Friedrichs II. bei Pirna im Oktober 1756. Sie markierte nicht nur das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ersten<br />
Feldzugs <strong>de</strong>s Siebenjährigen Krieges, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n war zugleich Ausgangspunkt für die Odyssee <strong><strong>de</strong>r</strong> kursächsischen<br />
Soldaten im weiteren Kriegsverlauf.<br />
Die etwa 20 000 Mann starke<br />
und mangelhaft ausgerüstete<br />
sächsische Armee unter Feldmarschall<br />
Friedrich August Graf von<br />
Rutowski zog sich Anfang September<br />
1756 vor <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>marschieren<strong>de</strong>n<br />
Preußen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> schwer angreifbares<br />
Lager auf e<strong>in</strong> Hochplateau bei Pirna,<br />
angelehnt an die Elbe, sowie auf die<br />
Festungen Sonnen- und Königste<strong>in</strong> zurück.<br />
Rutowski hoffte, dass Friedrich II.<br />
sich nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> langwierigen Belagerung<br />
aufhalten und an Pirna vorbei<br />
nach Böhmen ziehen wür<strong>de</strong>. Im Falle<br />
e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schließung durch die preußische<br />
Armee wollte er diese solange<br />
vor Pirna b<strong>in</strong><strong>de</strong>n, bis die Österreicher<br />
ihre noch ungenügen<strong>de</strong>n Rüstungen<br />
abge schlossen hatten und zum Entsatz<br />
heranrückten.<br />
Als die Preußen das Lager <strong>in</strong> Erwartung<br />
e<strong>in</strong>er raschen Kapitulation e<strong>in</strong>schlossen,<br />
verfügte die sächsische Armee<br />
nur über e<strong>in</strong>en mangelhaften<br />
Vorrat an Nahrungsmitteln. Während<br />
Friedrich das österreichische Entsatzheer<br />
am 1. Oktober <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht bei<br />
Lobositz abwies, ergänzten die sächsischen<br />
Soldaten ihre kargen Nahrungsbestän<strong>de</strong><br />
durch immer rücksichtslosere<br />
»Visitationen« <strong>in</strong> Pirna sowie<br />
<strong>de</strong>n wenigen Ortschaften und Gütern<br />
im Lager. Die Nahrung für Mensch<br />
und Tier wur<strong>de</strong> bereits nach wenigen<br />
Tagen streng rationiert. Durch diese<br />
Sparmaßnahme konnte die sächsische<br />
Generalität zunächst e<strong>in</strong> Durchhalten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Armee bis En<strong>de</strong> September sicherstellen.<br />
E<strong>in</strong> sächsischer Infanterist be-<br />
18 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
»Friedrich am Lilienste<strong>in</strong> mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Armee«.<br />
Stich von R<strong>in</strong>gck.<br />
(Aus: Gustav B.Volz, Friedrich <strong><strong>de</strong>r</strong> Große im<br />
Spiegel se<strong>in</strong>er Zeit, Bd. 2: Siebenjähriger<br />
Krieg und Folgezeit bis 1778, Berl<strong>in</strong> 1901)<br />
Generalfeldmarschall Friedrich<br />
August Graf von Rutowski,<br />
Gemäl<strong>de</strong> von Louis <strong>de</strong> Silvestre.<br />
(Sächsische Lan<strong>de</strong>s- und<br />
Universitätsbibliothek,<br />
Dres<strong>de</strong>n)<br />
richtete, dass er nach etwa vier Wochen<br />
im Lager »Tag und Nacht [...]<br />
nicht aus <strong>de</strong>m Dienst« kam, »Patronentasche<br />
und Seitengewehr kamen<br />
nicht vom Leibe und hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann<br />
[...] gar wenig Brot«. En<strong>de</strong> September<br />
habe er dann »die ersten Krautstücke«<br />
gegessen, zunächst noch gekocht,<br />
»nach diesem aßen wir sie so re<strong>in</strong>,<br />
ungekocht.« Mit nur vier Pfund Brot<br />
musste <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldat mittlerweile sechs<br />
Tage auskommen. Im Lager vorgenommene<br />
Tagebuchaufzeichnungen zeugen<br />
jedoch von <strong><strong>de</strong>r</strong> ungebrochenen<br />
Hoffnung <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Soldaten<br />
auf <strong>de</strong>n baldigen Abmarsch <strong><strong>de</strong>r</strong> Preußen<br />
nach Böhmen und von ihrem großes<br />
Vertrauen <strong>in</strong> die militärische Führung.<br />
Dieser Optimismus spiegelte sich<br />
auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Desertionsrate <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />
Armee wi<strong><strong>de</strong>r</strong>. Die Fahnenflucht,<br />
e<strong>in</strong> grundlegen<strong>de</strong>s Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeen<br />
im 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t, fand auf sächsischer<br />
Seite trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> angespannten<br />
und ungewissen Situation nur <strong>in</strong> sehr<br />
ger<strong>in</strong>gem Maße statt. Für die gesamte<br />
Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Belagerung wird von <strong>de</strong>utlich<br />
weniger als 100 Vorfällen berichtet.<br />
Zu<strong>de</strong>m s<strong>in</strong>d kaum Verstöße gegen die<br />
Diszipl<strong>in</strong> bekannt. Ansche<strong>in</strong>end besaßen<br />
die Sachsen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Armee zu etwa<br />
90 % aus »Lan<strong>de</strong>sk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n« bestand,<br />
neben ihrer Liebe zum »Vaterland«<br />
vor allem e<strong>in</strong> hohes Maß an Loyalität<br />
gegenüber ihrem Lan<strong>de</strong>sherrn, <strong>de</strong>m<br />
Kurfürsten Friedrich August II. (als<br />
August III. König von Polen).<br />
Zu diesem frühneuzeitlichen »dynastischen<br />
Patriotismus« trat als e<strong>in</strong><br />
geme<strong>in</strong>schaftsprägen<strong><strong>de</strong>r</strong> Faktor das<br />
große religiöse Selbstverständnis als<br />
Angehörige <strong>de</strong>s Mutterlan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Reformation,<br />
das mit Preußen nicht nur<br />
wirtschaftlich und politisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
eben auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Führerschaft<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen<br />
Stän<strong>de</strong> im Reich konkurrierte. Es sollte<br />
sich zeigen, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> aus diesen<br />
Faktoren resultieren<strong>de</strong> ungewöhnlich<br />
starke Zusammenhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />
Armee im Herbst 1756 vom König von<br />
Preußen, <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentlich e<strong>in</strong> Zusammengehen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen Mächte<br />
gegen die katholischen Fe<strong>in</strong><strong>de</strong> Österreich<br />
und Frankreich propagierte,<br />
unterschätzt wur<strong>de</strong>.<br />
In<strong>de</strong>m die sächsische Armee auf<br />
die »unnützen Mäuler« <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung<br />
schließlich ke<strong>in</strong>e Rücksicht mehr<br />
nahm, gelang es ihr, <strong><strong>de</strong>r</strong> Belagerung<br />
bis <strong>in</strong> die erste Oktoberhälfte h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
standzuhalten. Als die Pfer<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kavallerie<br />
und Artillerie, die auch das<br />
letzte Moos von <strong>de</strong>n Ste<strong>in</strong>en sowie<br />
die Blätter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bäume abgewei<strong>de</strong>t hatten,<br />
vor Hunger die Er<strong>de</strong> fraßen und<br />
Tumulte <strong><strong>de</strong>r</strong> arg gebeutelten Zivilbevölkerung<br />
drohten, entschloss sich die<br />
sächsische Führung am 10. Oktober<br />
zum Ausbruch. Da sie nach wochenlanger<br />
Passivität endlich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> agieren<br />
und ihr Schicksal aktiv gestalten<br />
konnten, zeigten sich die halb verhungerten<br />
Sachsen <strong>in</strong> dieser Situation<br />
ke<strong>in</strong>eswegs pessimistisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
waren »alle getrost« und »gar nicht<br />
verzagt«. In e<strong>in</strong>er »Betstun<strong>de</strong>« schöpften<br />
sie nochmals Mut – bezeichnend<br />
für <strong>de</strong>n Stellenwert <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion zur<br />
Mobilisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfkraft auch <strong>in</strong><br />
schier ausweglosen Lagen.<br />
Ausbruch und Kapitulation<br />
Der Elbübergang <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee am 12. Oktober<br />
geriet allerd<strong>in</strong>gs zum Desaster,<br />
da die Vorbereitungen von <strong>de</strong>n Preußen<br />
bemerkt wor<strong>de</strong>n waren. So fan<strong>de</strong>n<br />
die sächsischen Grenadiere, die als<br />
Elitetruppen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze <strong>de</strong>s Heeres<br />
marschierten, am gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />
Elbufer nicht die erhofften Österreicher,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n starke Verschanzungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Preußen vor. Ohne Zelte, entkräftet<br />
und durchnässt stan<strong>de</strong>n die Soldaten<br />
die folgen<strong>de</strong>n Tage <strong>in</strong> notdürftiger<br />
Schlachtordnung. Man ernährte sich<br />
<strong>in</strong>zwischen von gekochtem Pu<strong><strong>de</strong>r</strong> und<br />
Pulver. Um die Armee vor <strong>de</strong>m sicheren<br />
Hungertod o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vernichtung durch<br />
die Preußen zu bewahren, entschloss<br />
sich die sächsische Generalität daraufh<strong>in</strong><br />
am 16. Oktober zur Streckung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Waffen, wobei sich <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>fache Soldat<br />
im für ihn schwer überschaubaren Gefüge<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsmasch<strong>in</strong>erie gera<strong>de</strong>zu<br />
»erbärmlich« fühlte.<br />
Die Kapitulationszeremonien ab <strong>de</strong>m<br />
folgen<strong>de</strong>n Tag entwickelten sich für<br />
die sächsische Armee jedoch zur Überraschung:<br />
Während Friedrich II. die<br />
Generalität und Offiziere auf ihr Ehrenwort<br />
frei ließ, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Mannschaften<br />
und Unteroffizieren nicht<br />
etwa <strong><strong>de</strong>r</strong> erwartete Status von Kriegsgefangenen<br />
zuerkannt. Zu ihrer Demütigung<br />
und zu e<strong>in</strong>em sichtbaren Symbol<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Unterwerfung unter <strong>de</strong>n Sieger<br />
mussten sie regimentsweise durch e<strong>in</strong><br />
Spalier aus preußischen Soldaten marschieren.<br />
Dass dies nicht ohne Spott<br />
und Häme seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Preußen ablief,<br />
liegt nahe. Auf e<strong>in</strong>em Platz wur<strong>de</strong>n sie<br />
anschließend von <strong>de</strong>n Soldaten Friedrichs<br />
II. bedrohlich umr<strong>in</strong>gt – und zur<br />
Ableistung <strong>de</strong>s preußischen Kriegsei<strong>de</strong>s<br />
gezwungen. Dies war e<strong>in</strong> für diese<br />
Epoche beispielloses Ereignis.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs hatte sich die h<strong>in</strong>sichtlich<br />
ihrer Menschenführung berüchtigte<br />
preußische Armee <strong>de</strong>m sächsischen<br />
»geme<strong>in</strong>en Mann« bereits unmittelbar<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapitulation von ihrer spendablen<br />
Seite gezeigt: Die halbverhungerten<br />
Soldaten erhielten sofort volle<br />
preußische Verpflegung.<br />
Die Hoffnung, durch mil<strong>de</strong> Behandlung<br />
Sympathien bei <strong>de</strong>n Sachsen geweckt<br />
zu haben, schien sich während<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahmezeremonie zu bestätigen.<br />
Aufgrund ihrer totalen körperlichen<br />
und psychischen Erschöpfung<br />
sprachen die meisten kursächsischen<br />
Soldaten <strong>de</strong>n preußischen Kriegseid<br />
ohne langes Zögern nach. Sich weigern<strong>de</strong><br />
E<strong>in</strong>zelne g<strong>in</strong>gen eher <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Masse unter o<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>n vom »Auditeur«,<br />
<strong>de</strong>m preußischen Offizier, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
die Kriegsartikel laut verlas, mit Flüchen<br />
und Drohungen bedacht, so dass<br />
sie rasch nachgaben.<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
19
Hunger, Desertion und Zwangsrekrutierung<br />
Marcus von Salisch<br />
Die Tatsache, dass die Soldaten auch<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereidigung <strong>in</strong> ihren bislang<br />
sächsischen Regimentern, also <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
gewachsenen und vertrauten »Kampfgeme<strong>in</strong>schaften«<br />
beisammen bleiben<br />
konnten, wird <strong>de</strong>n Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme<br />
sicher vere<strong>in</strong>facht haben. In e<strong>in</strong>er<br />
Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> völligen Entkräftung<br />
und Demoralisierung, die zumeist mit<br />
e<strong>in</strong>er gewissen Gleichgültigkeit e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>g,<br />
stand für <strong>de</strong>n sächsischen<br />
Soldaten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Sorge um<br />
das eigene Wohl im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, was<br />
vor allem die Sicherstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflegung<br />
be<strong>de</strong>utete. Das Fortbestehen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vertrauten Umwelt etwa <strong>in</strong> Form<br />
se<strong>in</strong>er Kompanie o<strong><strong>de</strong>r</strong> »Zeltkameradschaft«<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch das »Handgeld«,<br />
das die Preußen je<strong>de</strong>m übergetretenen<br />
Sachsen gewährten, wirkten als zusätzlicher<br />
Anreiz. Da die sächsischen<br />
Offiziere an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanien<br />
und Regimenter fehlten, eröffneten<br />
sich sowohl <strong>de</strong>n sächsischen<br />
als auch e<strong>in</strong>igen preußischen Unteroffizieren<br />
zu <strong>de</strong>m plötzlich ungeahnte<br />
Aufstiegschancen. Um die Lücken <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n Hierar chien zu füllen, ernannte<br />
Friedrich II. kurzerhand zahlreiche<br />
sächsische Feldwebel zu Leutnanten,<br />
womit für diese e<strong>in</strong>e erhebliche und<br />
unter normalen Umstän<strong>de</strong>n vielleicht<br />
unmögliche Aufwertung ihres sozialen<br />
Status erfolgte.<br />
Auf hartnäckigen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand stießen<br />
die Preußen jedoch bei e<strong>in</strong>igen<br />
sächsischen Gar<strong><strong>de</strong>r</strong>egimentern, die<br />
sich durch e<strong>in</strong> engeres Verhältnis zum<br />
Monarchen auszeichneten. Während<br />
die bereits vereidigten E<strong>in</strong>heiten unter<br />
neuem preußischen Namen <strong>in</strong> ihre<br />
W<strong>in</strong>terquartiere abrückten, befan<strong>de</strong>n<br />
sich zum Beispiel die Soldaten <strong>de</strong>s<br />
berittenen sächsischen »Gar<strong>de</strong> du<br />
Corps« noch mehrere Wochen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Umgebung von Pirna <strong>in</strong> »Beugehaft«.<br />
Die lange Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefangenschaft, die<br />
persönliche Zusicherung Friedrichs II.,<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vergleichbaren preußischen<br />
Elitee<strong>in</strong>heit dienen zu können und<br />
nicht <strong>de</strong>n gefürchteten »Abstieg« zum<br />
Infanteristen vollziehen zu müssen,<br />
sowie etwas Alkohol machten schließlich<br />
auch dieses Regiment gefügig. E<strong>in</strong><br />
preußischer Grenadier berichtet, dass<br />
nach <strong>de</strong>m Schwur <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen dann<br />
auch das e<strong>in</strong>e o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e laute »Es<br />
lebe <strong><strong>de</strong>r</strong> König von Preußen!« zu vernehmen<br />
gewesen se<strong>in</strong> soll. Soldaten<br />
aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Eliteregimentern, die sich<br />
weiterh<strong>in</strong> weigerten, wur<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>fach<br />
kurzerhand <strong>in</strong> die preußischen Regimenter<br />
gesteckt.<br />
En<strong>de</strong> Oktober konnte Friedrich II.<br />
e<strong>in</strong>e erfolgreiche Bilanz <strong>de</strong>s bisherigen<br />
Feldzugs ziehen: Nach<strong>de</strong>m er<br />
das Kurfürstentum Sachsen als »Faustpfand«<br />
und Versorgungsbasis <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />
Die »Ebenheit am Lilienste<strong>in</strong>«, Ort <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kapitulation <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Truppen.<br />
Gewalt gebracht hatte, gelang es ihm,<br />
se<strong>in</strong> Heer durch die Vere<strong>in</strong>nahmung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Armee erheblich zu<br />
ver stärken. Für das kommen<strong>de</strong> Jahr<br />
be fand er sich zu<strong>de</strong>m <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er guten<br />
strategischen Ausgangsposition.<br />
Desertion und gewaltsame<br />
Rekrutierung<br />
Die Hoffnung Friedrichs II., die sächsischen<br />
Soldaten durch bessere materielle<br />
Versorgung dauerhaft für se<strong>in</strong>e<br />
Dienste begeistern zu können, erfüllte<br />
sich jedoch nicht. Die Treue <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen<br />
zu ihrer Heimat und ihrem Herrscherhaus<br />
erwies sich bald nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Übernahme als treiben<strong>de</strong> Kraft zur<br />
Massen<strong>de</strong>sertion. Auch konfessionelle<br />
Appelle <strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Propaganda<br />
blieben überwiegend ohne Wirkung.<br />
Die Beibehaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> gewachsenen<br />
sächsischen Regimentsstrukturen, wovon<br />
sich die Preußen e<strong>in</strong>e höhere Moral<br />
im Gefecht erhofften, stellte sich als<br />
schwerwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Fehler heraus. Hatte<br />
schon die Vereidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gar<strong><strong>de</strong>r</strong>egimenter<br />
teilweise große Schwierigkeiten<br />
bereitet, <strong>de</strong>sertierten die ersten<br />
Sachsen bereits während <strong><strong>de</strong>r</strong> Märsche<br />
<strong>in</strong> die W<strong>in</strong>terquartiere.<br />
20 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Erheblichen E<strong>in</strong>fluss übte dabei die<br />
meist antipreußisch e<strong>in</strong>gestellte Zivilbevölkerung<br />
aus, die an die patriotische<br />
Ges<strong>in</strong>nung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen appellierte<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen e<strong>in</strong>e düstere Zukunft<br />
im preußischen Heer voraussagte. Die<br />
Soldaten erfuhren, sie sollten nicht<br />
wie von <strong>de</strong>n Preußen versprochen auf<br />
heimatlichem Bo<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n »außer<br />
Lan<strong>de</strong>s« e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>de</strong>n – vielleicht<br />
sogar im Dienste <strong>de</strong>s preußischen Verbün<strong>de</strong>ten<br />
England <strong>in</strong> Übersee. Teilweise<br />
wur<strong>de</strong>n die Soldaten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Marschquartieren auch von ihren Familien<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen Offizieren zur<br />
Fahnenflucht ermuntert. Vom ehemals<br />
sächsischen Regiment »Rochow«, das<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme <strong>in</strong> preußische<br />
Dienste <strong>de</strong>n Namen »Wietersheim«<br />
führte, verschwan<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Tagen<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapitulation über 800 Soldaten.<br />
Auf <strong>de</strong>m mehrtägigen Marsch<br />
<strong>in</strong>s Quartier <strong>de</strong>sertierten nochmals<br />
etwa 400 Mann. Durch <strong>de</strong>n anfänglich<br />
recht sorglosen und vertrauensvollen<br />
Umgang <strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Wachen mit<br />
<strong>de</strong>n sächsischen Soldaten kamen viele<br />
Regimenter oftmals bis zur Hälfte verm<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n W<strong>in</strong>terquartieren an.<br />
Erst die spätere Untermischung erfahrener<br />
preußischer Soldaten, die<br />
etwaige Desertionswillige bei ihren<br />
Vorgesetzten <strong>de</strong>nunzieren konnten, <strong>in</strong><br />
die ehemals sächsischen E<strong>in</strong>heiten bewirkte<br />
e<strong>in</strong>e Festigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Formationen<br />
im preußischen S<strong>in</strong>ne.<br />
Friedrich II. befahl angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fahnenflucht e<strong>in</strong> hartes Vorgehen gegen<br />
die E<strong>in</strong>wohner Sachsens sowie die<br />
lokalen Behör<strong>de</strong>n, falls diese etwaige<br />
Deserteure auf ihrer Flucht unterstützen<br />
sollten. Dennoch folgte e<strong>in</strong>e<br />
zweite Desertionswelle im Frühjahr<br />
1757. Hauptgrün<strong>de</strong> waren vor allem<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bevorstehen<strong>de</strong> Frühjahrsfeldzug<br />
sowie die <strong>in</strong>zwischen erfolgte Begegnung<br />
mit <strong>de</strong>m berüchtigten preußischen<br />
Drill. Durch die bewusst harte<br />
Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals sächsischen<br />
Soldaten wird so mancher von ihnen<br />
auch persönliche Rachemotive gegen<br />
<strong>de</strong>n e<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en preußischen Offizier<br />
entwickelt haben, weshalb es<br />
nun auch häufig zu Gewalttaten gegenüber<br />
<strong>de</strong>n preußischen Offizieren<br />
kam. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>gefangene sächsische<br />
Deserteure sagten dazu aus, sie seien<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung oft als »sächsische<br />
Hun<strong>de</strong>« beschimpft wor<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m<br />
habe man auch erfahrene sächsische<br />
Soldaten wie junge Rekruten traktiert.<br />
bpk Berl<strong>in</strong><br />
Nicht zuletzt vor <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>tergrund<br />
e<strong>in</strong>er solch abschrecken<strong>de</strong>n Menschenführung<br />
zeigte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenhalt<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> gewachsenen Strukturen<br />
im sächsischen Heer. Anfang<br />
1757 entwichen sächsische Soldaten<br />
oftmals sogar bataillonsweise unter<br />
Führung ihrer Unteroffiziere o<strong><strong>de</strong>r</strong> älteren<br />
Mannschaften. Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlegung<br />
nach Bischofswerda floh beispielsweise<br />
e<strong>in</strong> sächsischer Feldwebel<br />
nachts mit 42 Getreuen aus <strong>de</strong>m Quartier.<br />
Unter <strong>de</strong>n ihn verfolgen<strong>de</strong>n Soldaten<br />
waren etliche gepresste Sachsen,<br />
die sich bei dieser Gelegenheit <strong>de</strong>n<br />
Deserteuren gleich anschlossen. Bei<br />
Berl<strong>in</strong> meuterten sächsische Soldaten<br />
gegen ihre preußischen Offiziere, <strong>in</strong><br />
Chemnitz und Leipzig kämpften sich<br />
Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen sächsischen<br />
Regimenter gewaltsam <strong>de</strong>n Weg<br />
durch die Stadttore frei. Die sie kommandieren<strong>de</strong>n<br />
preußischen Offiziere<br />
wur<strong>de</strong>n meist unter Gewaltandrohung<br />
davongejagt, als Geiseln mitgeführt<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen gar kurzerhand<br />
erschossen.<br />
Das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> meisten sächsischen Deserteure<br />
war das <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>de</strong>m <strong>in</strong> Warschau weilen<strong>de</strong>n<br />
sächsischen Hof und Österreich <strong>in</strong>sgeheim<br />
organisierte »Sammlungswerk«.<br />
Um e<strong>in</strong> heimat- und rechtloses Umherstreifen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Deserteure zu verh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
wur<strong>de</strong>n sie vornehmlich <strong>in</strong> Böhmen,<br />
Polen und Thür<strong>in</strong>gen durch viele<br />
ihrer ehemaligen Offiziere <strong>in</strong> Empfang<br />
genommen und ihr Weitermarsch auf<br />
österreichisches Territorium sichergestellt.<br />
Später wur<strong>de</strong>n die Sachsen dort<br />
vor allem zu e<strong>in</strong>em etwa 10 000 Mann<br />
starken Korps formiert, das für <strong>de</strong>n<br />
weiteren Kriegsverlauf im Dienste<br />
Frankreichs stand. Da sich auch mehrere<br />
»Pardons« (öffentlich bekanntgemachte<br />
Erlasse, die freiwillig zurückkehren<strong>de</strong>n<br />
Deserteuren Straffreiheit<br />
garantierten) <strong>de</strong>s preußischen Königs<br />
als unfruchtbar erwiesen, war Friedrich<br />
II. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> W<strong>in</strong>terpause auf neue<br />
»Erste Militärstrafe« –<br />
»Wie e<strong>in</strong> ehrlicher Mann<br />
Prügel empfängt«.<br />
Radierung von<br />
Daniel Chodowiecki,<br />
1776.<br />
Rekrutierungen angewiesen, um die<br />
durch Desertion entstan<strong>de</strong>nen Lücken<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu füllen.<br />
Während <strong>de</strong>n preußischen Freibataillonen<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit zahlreiche sächsische<br />
Untertanen vor allem aus materieller<br />
Not und angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> raschen<br />
Aufstiegsmöglichkeiten <strong>in</strong> diesen oftmals<br />
weniger diszipl<strong>in</strong>ierten Formationen<br />
freiwillig zuliefen, erwies sich<br />
die Rekrutierung für die regulären<br />
Regimenter als problematisch. Bereits<br />
im Oktober 1756 hatte das <strong>in</strong> Torgau<br />
<strong>in</strong>stallierte preußische Feldkriegsdirektorium<br />
<strong>de</strong>n sächsischen Kreisen<br />
<strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen<br />
Bevölkerungsdichte die Stellung von<br />
über 9000 Rekruten befohlen, weitere<br />
4000 sollten zum <strong>Jahre</strong>swechsel folgen.<br />
Ebenso wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kreisen die von<br />
<strong>de</strong>n sächsischen Deserteuren mitgenommenen<br />
Ausrüstungsgegenstän<strong>de</strong><br />
<strong>in</strong> Rechnung gestellt. Da sich viele junge<br />
Männer aus Furcht vor <strong>de</strong>n Kriegswirren<br />
und <strong>de</strong>m preußischen Militärdienst<br />
außer Lan<strong>de</strong>s begaben, waren<br />
die örtlichen Behör<strong>de</strong>n jedoch meist<br />
nicht zur Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Rekrutenzahl<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage. In solchen Fällen<br />
g<strong>in</strong>g die preußische Militärverwaltung<br />
gewaltsam gegen die sächsische<br />
Bevölkerung vor. Den Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>vorstehern<br />
wur<strong>de</strong> mit Festungshaft o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> »Exekution«, <strong><strong>de</strong>r</strong> unangenehmen<br />
Zwangse<strong>in</strong>quartierung preußischer<br />
Soldaten, gedroht. Auch Angehörige<br />
bestimmter, eigentlich vom Militärdienst<br />
ausgenommener Berufe, wie<br />
etwa Bergleute, wur<strong>de</strong>n rücksichtslos<br />
rekrutiert.<br />
Es waren im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s<br />
Krieges vor allem auch die aus Sachsen<br />
gepreßten Gel<strong><strong>de</strong>r</strong> und Abgaben, die<br />
Friedrich II. das jahrelange Standhalten<br />
gegen die sche<strong>in</strong>bar übermächtige<br />
Koalition se<strong>in</strong>er Gegner erlaubten.<br />
Marcus von Salisch<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
21
Service<br />
Das historische Stichwort<br />
Donauwörth<br />
E<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong> auf<br />
<strong>de</strong>m Weg <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Dreißigjährigen Krieg<br />
1607<br />
<br />
So stellte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeichner Johann Michael<br />
Mettenleitner Anfang <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />
das Donauwörther »Kreuz- und<br />
Fahnengefecht« von 1606 vor.<br />
ullste<strong>in</strong> bild<br />
Der Dreißigjährige Krieg (1618–<br />
1648) wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Heiligen<br />
Römischen Reiches Deutscher Nation<br />
ausgetragen. »Deutsche« Mächte wie<br />
Bayern, Böhmen, Sachsen, Österreich<br />
und die Pfalz waren daran ebenso<br />
be teiligt wie Schwe<strong>de</strong>n, Dänemark,<br />
Frankreich und Spanien. Es han<strong>de</strong>lte<br />
sich um die größte Katastrophe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
frühneuzeitlichen Geschichte. Die Bevölkerung<br />
litt unter <strong>de</strong>m Krieg und<br />
se<strong>in</strong>en Folgen. Alle<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchzug<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Heere brachte Plün<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen,<br />
Mor<strong>de</strong>, Hungersnöte und Seuchen mit<br />
sich. Die Verluste an Soldaten und<br />
Zi vilbevölkerung waren – gemessen<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Gesamtbevölkerung<br />
von rund 17 Millionen – prozentual<br />
höher als <strong>in</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Weltkriegen.<br />
Der Krieg wur<strong>de</strong> zunächst aus religiös-konfessionellen<br />
Motiven geführt,<br />
die aber <strong>in</strong> dieser Zeit grundsätzlich<br />
mit Macht- und Hegemonialpolitik<br />
verwoben waren, da Staat und Kirche<br />
nicht getrennt waren. Er mün<strong>de</strong>te <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Kampf um die Vorherrschaft <strong>in</strong><br />
Europa.<br />
Der Dreißigjährige Krieg hatte e<strong>in</strong>e<br />
lange Vorgeschichte. E<strong>in</strong> wichtiger Meilenste<strong>in</strong><br />
auf <strong>de</strong>m Weg zum Krieg war<br />
die Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichsstadt Donauwörth<br />
durch Herzog Maximilian I. von<br />
Bayern (1598–1651, seit 1623 Kurfürst<br />
von Bayern). Donauwörth kann als<br />
Fallbeispiel für die komplizierten Verhältnisse<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>n dienen.<br />
Der Siegeszug <strong><strong>de</strong>r</strong> Reformation im<br />
16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t spaltete Kirche und<br />
Gesellschaft. Gegen die katholische<br />
Kirche entstan<strong>de</strong>n auf protestantischer<br />
Seite zwei große Strömungen, die sich<br />
ebenfalls befeh<strong>de</strong>ten: zum e<strong>in</strong>en die<br />
Anhänger <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehren Mart<strong>in</strong> Luthers,<br />
wie etwa <strong>in</strong> Sachsen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die<br />
Reformierten/Calv<strong>in</strong>isten, grün<strong>de</strong>nd<br />
auf <strong>de</strong>n Lehren Ulrich Zw<strong>in</strong>glis und<br />
Johannes Calv<strong>in</strong>s, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfalz und<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten<br />
Hälfte <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts erfolgte<br />
seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> römisch-katholischen Kirche<br />
die »Gegenreformation«, die sich<br />
u.a. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Seelsorge,<br />
<strong>in</strong> Kirchenbauten und vermehrten<br />
Prozessionen sowie Wallfahrten<br />
äußerte. Hierbei exponierte sich das<br />
Her zogtum Bayern als Vorreiter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gegenreformation.<br />
Zu dieser Zeit galt <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz<br />
»cuius regio eius religio«, das heißt<br />
die Bevölkerung e<strong>in</strong>es Lan<strong>de</strong>s hatte<br />
die Konfession <strong>de</strong>s jeweiligen Lan<strong>de</strong>sherren<br />
anzunehmen. Blieb dieser katholisch,<br />
so blieb das Land katholisch,<br />
wur<strong>de</strong> er Lutheraner o<strong><strong>de</strong>r</strong> Calv<strong>in</strong>ist, so<br />
hatten die Untertanen zu folgen. Speziell<br />
die Reichsstädte <strong>in</strong> Franken und<br />
Schwaben waren überwiegend protestantisch<br />
gewor<strong>de</strong>n, folglich erhielten<br />
Katholiken dort ke<strong>in</strong> Bürgerrecht. E<strong>in</strong>e<br />
Reihe von Reichsstädten waren »paritätisch«,<br />
das heißt es gab dort gemäß<br />
Reichsrecht Katholiken und Protestanten.<br />
Die Rechte von bei<strong>de</strong>n Konfessionen<br />
waren zu achten. Wur<strong>de</strong>n<br />
diese Rechte verletzt, so konnten sich<br />
die Bürger an <strong>de</strong>n zuständigen Reichskreis<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong>de</strong>n Stadtherren wen<strong>de</strong>n;<br />
im Falle e<strong>in</strong>er Reichsstadt war dies<br />
grundsätzlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaiser selbst. Vorgebracht<br />
wur<strong>de</strong>n solche Beschwer<strong>de</strong>n<br />
auf <strong>de</strong>n Kreis- bzw. Reichstagen. Der<br />
Reichstag besaß e<strong>in</strong>e katholische und<br />
e<strong>in</strong>e protestantische Partei.<br />
Donauwörth war e<strong>in</strong>e paritätische<br />
Reichsstadt <strong>de</strong>s schwäbischen Reichskreises.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtpfarrkirche wur<strong>de</strong><br />
seit 1553 ausschließlich evangelischer<br />
Gottesdienst abgehalten. Katholiken<br />
besaßen ihr geistiges Zentrum im Umfeld<br />
<strong>de</strong>s Benedikt<strong>in</strong>erklosters Heilig<br />
Kreuz. Allerd<strong>in</strong>gs hatten die Protestanten<br />
die Mehrheit im (Stadt-)Rat<br />
<strong>in</strong>ne. Katholische Prozessionen waren<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt längere Zeit nicht<br />
mehr üblich gewesen und von <strong>de</strong>n<br />
Stadtoberen sogar teilweise untersagt<br />
wor<strong>de</strong>n. Nun, im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> »Gegenreformation«,<br />
wur<strong>de</strong>n sie verstärkt<br />
durchgeführt, wobei es zu massiven<br />
Störungen und Belästigungen kam,<br />
gegen die <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat zunächst nur begrenzt<br />
und zögerlich e<strong>in</strong>schritt. Die<br />
katholische Seite erhöhte ihre Prozessionsaktivitäten.<br />
Im <strong>Jahre</strong> 1606 wur<strong>de</strong>n<br />
erneut Prozessionen abgehalten<br />
und massiv gestört, die schließlich im<br />
Donauwörther »Kreuz- und Fahnengefecht«<br />
en<strong>de</strong>ten.<br />
Die Katholiken wandten sich an <strong>de</strong>n<br />
Kaiser und an <strong>de</strong>n Herzog von Bayern,<br />
Maximilian I. Jener war e<strong>in</strong> gläubiger<br />
und sehr frommer Katholik. Er ließ u.a.<br />
die Mariensäule auf <strong>de</strong>m Münchner<br />
Marienplatz erbauen und se<strong>in</strong>en Sohn<br />
auf <strong>de</strong>n Be<strong>in</strong>amen Maria taufen. E<strong>in</strong>e<br />
bayerische Kommission sollte jetzt die<br />
22 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
ullste<strong>in</strong> bild<br />
ullste<strong>in</strong> - Imagno<br />
Herzog Maximilian I. von Bayern,<br />
Kurfürst 1623–1651.<br />
Kupferstich von Peter Isselburg.<br />
Die Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 wur<strong>de</strong> zum Sieg <strong>de</strong>s<br />
Absolutismus über die a<strong>de</strong>lige Stän<strong>de</strong>herrschaft. Gemäl<strong>de</strong> von Pieter Snayers<br />
(1592–1667). Kupferstich von Peter Isselburg.<br />
Sache untersuchen, wur<strong>de</strong> aber »mit<br />
Hohn und Spott« empfangen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat<br />
bestand auf E<strong>in</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Prozessionen,<br />
was Maximilian I. von Bayern zu<br />
Verhandlungen mit <strong>de</strong>m Kaiser über<br />
die Verhängung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichsacht über<br />
Donauwörth veranlasste.<br />
Kaiser Rudolf II. verfügte am 3. August<br />
1607 die Reichsacht über Donauwörth;<br />
die Reichsexekution, also e<strong>in</strong><br />
militärisches E<strong>in</strong>greifen gegen e<strong>in</strong>en<br />
Reichsstand <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s Heiligen<br />
Römischen Reiches <strong>de</strong>utscher Nation,<br />
wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> Aussicht gestellt. Maximilian<br />
I. nutzte als e<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Kreisobristen<br />
<strong>de</strong>s bayerischen Reichskreises<br />
die Gelegenheit für sich, um die Stadt<br />
unter Druck zu setzen und sie sich<br />
vielleicht sogar e<strong>in</strong>zuverleiben, auch<br />
weil es sich bei Donauwörth um altes,<br />
von ihm beanspruchtes bayerisches<br />
Erbe han<strong>de</strong>lte. Er führte die Reichsexekution<br />
durch. Bayerische Truppen<br />
wur<strong>de</strong>n im Dezember 1607 <strong>in</strong> Stärke<br />
von 6000 Mann Infanterie, 600 Reitern<br />
und 12 Geschützen <strong>in</strong> Marsch gesetzt.<br />
Man rechnete mit ernsthaftem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand,<br />
auch weil etliche protestantische<br />
Stän<strong>de</strong> und Städte Donauwörth<br />
Hilfe angeboten hatten (die dann aber<br />
letztlich ausblieb). Donauwörth wur<strong>de</strong><br />
besetzt. Der Kaiser, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich <strong>in</strong> notorischen<br />
Geldnöten befand, blieb <strong>de</strong>m<br />
bayerischen Herzog die Erstattung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kosten für die Exekution <strong>in</strong> Höhe von<br />
225 000 Gul<strong>de</strong>n schuldig. Die E<strong>in</strong>künfte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Donauwörth betrugen nur<br />
15 000 Gul<strong>de</strong>n jährlich. Die Stadt wur<strong>de</strong><br />
vom Kaiser 1609 kurzerhand an<br />
<strong>de</strong>n Herzog von Bayern verpfän<strong>de</strong>t<br />
und kam 1749 endgültig zu Bayern.<br />
Zugleich begann die Rekatholisierung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt und ihrer E<strong>in</strong>wohner.<br />
Dieses Verhalten löste Entsetzen auf<br />
protestantischer Seite aus und führte<br />
auf <strong>de</strong>m Reichstag 1608 zum Auszug<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen Stän<strong>de</strong>. Der<br />
Reichstag en<strong>de</strong>te ohne Reichsabschied,<br />
also ohne b<strong>in</strong><strong>de</strong>n<strong>de</strong> Beschlüsse; er war<br />
damit handlungsunfähig.<br />
Auf protestantischer Seite wur<strong>de</strong> unter<br />
Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> calv<strong>in</strong>istischen Pfalz,<br />
regiert von <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfälzer L<strong>in</strong>ie <strong>de</strong>s Hauses<br />
Wittelsbach, e<strong>in</strong> (Militär-)Bündnis<br />
gegrün<strong>de</strong>t, die sogenannte protestantische<br />
Union. Ihr gehörten u.a. Ansbach,<br />
Kulmbach, Ba<strong>de</strong>n-Durlach, Sachsen-<br />
Anhalt, Pfalz-Neuburg, Württemberg,<br />
Ött<strong>in</strong>gen und 17 Reichstädte an, darunter<br />
Straßburg, Nürnberg und Ulm.<br />
England, die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> und Schwe<strong>de</strong>n<br />
ergriffen Partei für die Union.<br />
Nach e<strong>in</strong>em Übergriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfalz auf<br />
Bruchsal im Bistum Speyer zog die<br />
katholische Seite nach und grün<strong>de</strong>te<br />
1609 das (Militär-)Bündnis <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />
Liga. Auf dieser Seite stan<strong>de</strong>n<br />
die Kurfürsten von Köln, Ma<strong>in</strong>z und<br />
Trier. Das Direktorium lag beim Herzog<br />
von Bayern aus <strong><strong>de</strong>r</strong> bayerischen<br />
L<strong>in</strong>ie <strong>de</strong>s Hauses Wittelsbach. Spanien<br />
favorisierte die Liga. Somit gab es<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Staatswesen zwei mächtige<br />
konkurrieren<strong>de</strong> Bündnissysteme, die<br />
je<strong>de</strong>n Schritt <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweils an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Partei<br />
beobachteten und dagegen agierten.<br />
Die Lage war also angespannt, es<br />
bedurfte bloß e<strong>in</strong>es Funkens, um das<br />
Pulverfass <strong>in</strong> Brand zu setzen. 1618<br />
rebellierten die böhmischen Stän<strong>de</strong> <strong>in</strong><br />
Prag gegen die österreichische Herrschaft.<br />
Die böhmische Königswür<strong>de</strong>,<br />
vorher fest <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Habsburger<br />
und damit <strong><strong>de</strong>r</strong> (katholischen)<br />
Kaiser <strong>de</strong>s Heiligen Römischen Reiches<br />
Deutscher Nation, wur<strong>de</strong> ausgerechnet<br />
<strong>de</strong>m Kurfürsten Friedrich V.<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfalz angetragen, <strong>de</strong>m Führer<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> protestantischen Partei, <strong><strong>de</strong>r</strong> sie<br />
1619 annahm. Dies führte zum Krieg,<br />
wobei sich die Union für neutral erklärte.<br />
Ligatruppen unter bayerischer<br />
Führung marschierten nach Böhmen<br />
und besiegten 1620 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht am<br />
Weißen Berg die pfälzisch-böhmischen<br />
Truppen.<br />
Die nun folgen<strong>de</strong>n bewaffneten Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen<br />
weiteten sich durch<br />
die Beteiligung immer neuer Mächte<br />
schließlich zu e<strong>in</strong>em gesamteuropäischen<br />
Konflikt aus. Vielfältige Chancen<br />
auf Frie<strong>de</strong>nsschlüsse blieben ungenutzt.<br />
Erst 1648 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Westfälische<br />
Frie<strong>de</strong> geschlossen. Der Krieg zwischen<br />
<strong>de</strong>m Reich und Schwe<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong><br />
<strong>in</strong> Osnabrück, <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischen <strong>de</strong>m<br />
Reich und Frankreich <strong>in</strong> Münster been<strong>de</strong>t.<br />
Das Land war <strong>in</strong> großen Teilen<br />
vernichtet und verwüstet, die Bevölkerungsverluste<br />
können nur geschätzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Letztendlich erhielten die<br />
Reichsstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich mehr Rechte,<br />
und Frankreichs Aufstieg zur europäischen<br />
Hegemonialmacht war vorgezeichnet.<br />
hp<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
23
Service<br />
Medien onl<strong>in</strong>e/digital<br />
Archäologie onl<strong>in</strong>e –<br />
Die Varusschlacht<br />
as ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Teutoburger Wald,<br />
»D <strong>de</strong>n Tacitus beschrieben, das<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> klassische Morast, wo Varus<br />
steckengeblieben. Hier schlug ihn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Cheruskerfürst, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hermann, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
edle Recke; die <strong>de</strong>utsche Nationalität,<br />
die siegte <strong>in</strong> diesem Drecke ...«.<br />
Mit diesen Worten gedachte He<strong>in</strong>rich<br />
He<strong>in</strong>e <strong>in</strong> »Deutschland. E<strong>in</strong> W<strong>in</strong>termärchen«<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er eigenen, kritischen<br />
Weise <strong><strong>de</strong>r</strong> cla<strong>de</strong>s Variana, <strong><strong>de</strong>r</strong> Varusschlacht,<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> im <strong>Jahre</strong> 9 n.Chr. drei<br />
römische Legionen unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Führung<br />
von Publius Qu<strong>in</strong>ctilius Varus durch<br />
das Heer <strong>de</strong>s Cheruskerfürsten Arm<strong>in</strong>ius<br />
vernichtet wur<strong>de</strong>n. Die verheeren<strong>de</strong><br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Römer veranlasste<br />
nicht nur etliche antike Autoren, sich<br />
zur Varusschlacht zu äußern, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
markierte auch das vorläufige En<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsrhe<strong>in</strong>ischen Invasion Germaniens.<br />
Nicht zuletzt <strong>de</strong>shalb spielte<br />
die Rezeption <strong><strong>de</strong>r</strong> cla<strong>de</strong>s Variana für<br />
die <strong>de</strong>utsche I<strong>de</strong>ntität e<strong>in</strong>e tragen<strong>de</strong><br />
Rolle.<br />
Bereits im 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t begann<br />
die zunehmen<strong>de</strong> Heroisierung <strong>de</strong>s<br />
Arm<strong>in</strong>ius <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Literatur.<br />
Im selben Zeitraum wur<strong>de</strong> se<strong>in</strong> Name<br />
– wohlgemerkt falsch – zu »Hermann«<br />
e<strong>in</strong>ge<strong>de</strong>utscht. Im aufkommen<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Nationalismus <strong>de</strong>s<br />
19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> germanische<br />
Fürst zusehends politisch <strong>in</strong>strumentalisiert.<br />
Höhepunkt dieser Kampagnen<br />
bil<strong>de</strong>te schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bau<br />
<strong>de</strong>s Hermanns<strong>de</strong>nkmals (E<strong>in</strong>weihung<br />
1875) auf <strong>de</strong>m Teutberg im südlichen<br />
Teutoburger Wald. Das nationale<br />
Pathos wird nicht zuletzt durch die<br />
Inschrift auf <strong>de</strong>m Schwert <strong>de</strong>utlich,<br />
das Arm<strong>in</strong>ius weit <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Himmel emporhebt:<br />
»Deutsche E<strong>in</strong>igkeit me<strong>in</strong>e<br />
Stärke – me<strong>in</strong>e Stärke Deutschlands<br />
Macht«. Es ist kaum verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>lich,<br />
dass auch die Nationalsozialisten<br />
Arm<strong>in</strong>ius und die Varusschlacht für<br />
ihre Zwecke vere<strong>in</strong>nahmten.<br />
He<strong>in</strong>rich He<strong>in</strong>e hat die Instrumentalisierung<br />
historischer Sachverhalte im<br />
Gegensatz zu vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schriftstellern<br />
schon früh kritisiert und damit<br />
auf e<strong>in</strong> grundlegen<strong>de</strong>s Problem<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtswissenschaft aufmerksam<br />
gemacht. Die mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen archäologischen<br />
Forschungen zur Varusschlacht<br />
fokussieren und diskutieren<br />
frei von I<strong>de</strong>ologie und Pathos diejenigen<br />
Fragen, die mit <strong>de</strong>n zur Verfügung<br />
stehen<strong>de</strong>n wissenschaftlichen Metho<strong>de</strong>n<br />
beantwortet wer<strong>de</strong>n können und<br />
die für e<strong>in</strong> besseres Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schlacht vonnöten s<strong>in</strong>d.<br />
www.varusforschung.<strong>de</strong><br />
So war die geografische Lokalisierung<br />
<strong>de</strong>s Schlachtfel<strong>de</strong>s lange umstritten.<br />
Aufgrund von Münzfun<strong>de</strong>n vermutete<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Historiker Theodor Mommsen<br />
1885 <strong>de</strong>n eigentlichen Ort <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht<br />
bei Kalkriese, nördlich von Osnabrück.<br />
Aber erst seit 1987 wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kalkrieser-Niewed<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Senke Grabungen<br />
durchgeführt. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Fundobjekte<br />
sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en großräumiger Streuung<br />
und Dichte ist die Region Kalkriese,<br />
die immerh<strong>in</strong> fast 30 km² umfasst,<br />
sehr wahrsche<strong>in</strong>lich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ort <strong><strong>de</strong>r</strong> cla<strong>de</strong>s<br />
Variana gewesen.<br />
Im <strong>Jahre</strong> 1997 wur<strong>de</strong> die Internetseite<br />
»Kalkriese: Die Örtlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Varusschlacht«<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Osnabrück<br />
e<strong>in</strong>gerichtet, damit die neuesten<br />
Forschungsergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong>teressierten<br />
Öffentlichkeit im Kontext <strong>de</strong>s Themas<br />
»Rom und Germanien« näher gebracht<br />
wer<strong>de</strong>n können. Das Projekt<br />
will so dazu beitragen, die I<strong>de</strong>ntifizierung<br />
<strong>de</strong>s Ausgrabungsgelän<strong>de</strong>s Kalkriese<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen Örtlichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Varusschlacht zu verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />
Die Internetseite ist <strong>in</strong> 10 Kapitel<br />
und e<strong>in</strong>e dauerhafte Inhaltsanzeige im<br />
unteren Frame geglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
E<strong>in</strong>leitung, die kurz die Anfänge <strong>de</strong>s<br />
Forschungsprojektes und die E<strong>in</strong>zigartigkeit<br />
<strong>de</strong>s Fundortes beschreibt, kann<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Nutzer <strong>de</strong>n Standort lokalisieren<br />
und die geografischen Begebenheiten<br />
<strong>in</strong> unterschiedlichen Karten betrachten.<br />
Um sich nicht erst <strong>in</strong> weitere Literatur<br />
e<strong>in</strong>lesen zu müssen, wird im<br />
dritten Kapitel e<strong>in</strong> Überblick zur römischen<br />
Germanienpolitik <strong>in</strong> augusteisch-frühtiberischer<br />
Zeit geboten, ergänzt<br />
um e<strong>in</strong>e Zeittafel im vierten<br />
Kapitel.<br />
Die wesentlichsten antiken Autoren<br />
wer<strong>de</strong>n als »Quellen« im fünften Kapitel<br />
<strong>in</strong> wenigen Zeilen vorgestellt. Die<br />
überlieferten late<strong>in</strong>ischen und griechischen<br />
Texte können tabellarisch mit ihrer<br />
jeweiligen Übersetzung nachgelesen<br />
wer<strong>de</strong>n. Abschließend f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich<br />
e<strong>in</strong> (lei<strong><strong>de</strong>r</strong> sehr kurzer) Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Quellen.<br />
Das sechste Kapitel beschreibt die<br />
römische Armee und ist mit entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Ausgrabungsfun<strong>de</strong>n<br />
versehen. Schließlich bil<strong>de</strong>t<br />
das Kapitel 7 <strong>de</strong>n wichtigsten Teil<br />
<strong>de</strong>s Internetauftritts. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung<br />
<strong>de</strong>s Fundortes durch geologische<br />
Schnitte, Karten mit <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>nverhältnissen<br />
und <strong>de</strong>m Wan<strong>de</strong>l<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Oberflächenstruktur wer<strong>de</strong>n die<br />
Fundstücke <strong>in</strong> Militaria, Münzfun<strong>de</strong><br />
und Alltagsgegenstän<strong>de</strong> aufgeteilt, fotografisch<br />
abgebil<strong>de</strong>t und kommentiert.<br />
Gera<strong>de</strong> die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong><strong>de</strong>r</strong> für<br />
24 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
<strong>de</strong>n Laien zuerst nicht i<strong>de</strong>ntifizierbaren<br />
Objekte <strong>in</strong> Nachzeichnungen führt<br />
zu e<strong>in</strong>em leichteren Verständnis.<br />
Um die Rezeption <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht seit<br />
<strong>de</strong>m 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t darzustellen, be-<br />
digital<br />
<strong>in</strong>haltet das achte Kapitel e<strong>in</strong>ige Postkarten,<br />
Kupferstiche und Holzschnitte<br />
bis zum beg<strong>in</strong>nen<strong>de</strong>n 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Es folgt e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>k zu Museum und Park<br />
Kalkriese an (siehe unten).<br />
Den Abschluss bil<strong>de</strong>t das zehnte Kapitel<br />
mit e<strong>in</strong>em sehr umfangreichen<br />
Literaturverzeichnis, das bis <strong>in</strong>s Jahr<br />
2002 reicht.<br />
Insgesamt bietet diese Seite damit<br />
nicht nur e<strong>in</strong>en sehr brauchbaren E<strong>in</strong>blick<br />
<strong>in</strong> Welt <strong><strong>de</strong>r</strong> Archäologie, sie zeigt<br />
auch die Schwierigkeiten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung<br />
antiker Schlachtfel<strong><strong>de</strong>r</strong> auf.<br />
www.kalkriese-varusschlacht.<strong>de</strong><br />
Arm<strong>in</strong>ius und <strong>de</strong>ssen Frau Thusnelda.<br />
Mit e<strong>in</strong>er weiteren Verknüpfung können<br />
Kurz<strong>in</strong>formationen zu <strong>de</strong>n vier<br />
wichtigsten Germanenstämmen, <strong>de</strong>n<br />
Brukterern, Chatten, Cheruskern und<br />
Marsern, abgerufen wer<strong>de</strong>n.<br />
Des Weiteren enthält <strong><strong>de</strong>r</strong> Menüpunkt<br />
»Archäologie« e<strong>in</strong>en längeren Beitrag<br />
zur Ausgrabungsgeschichte und zum<br />
Schlachtverlauf.<br />
In diesem Kapitel wer<strong>de</strong>n die durch<br />
die unteren L<strong>in</strong>ks aufgerufenen und<br />
im mittleren Fenster angezeigten Texte<br />
mit Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Bildbeschreibungen<br />
ergänzt.<br />
Zur Planung e<strong>in</strong>es Besuchs ist auch<br />
die Auflistung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Veranstaltungen<br />
und Thementage hilfreich,<br />
die im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausstellung<br />
»Texte, T<strong>in</strong>te, Tacitus«<br />
(23. April bis zum 31. Oktober 2007)<br />
im Museum stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n und im oberen<br />
Frame unter »Veranstaltungen«<br />
abrufbar s<strong>in</strong>d.<br />
Mit 1085 Dokumenten zur <strong>de</strong>utschen<br />
Geschichte seit 1800 wartet<br />
die Seite www.documentarchiv.<strong>de</strong><br />
auf. Hier lassen sich Gesetzestexte,<br />
Traktate, Aufrufe und Verordnungen<br />
nachschlagen. Das älteste Dokument<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> »Hauptschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
Reichs<strong>de</strong>putation« (Reichs<strong>de</strong>putationshauptschluss)<br />
vom 25. Fe bruar<br />
1803, das bislang jüngste Dokument<br />
ist die »Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
anlässlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfhandlungen<br />
gegen <strong>de</strong>n Irak« vom 20. März 2003.<br />
So kann man durch zweihun<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>Jahre</strong><br />
<strong>de</strong>utscher Geschichte, geglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>in</strong><br />
sechs Kapitel, blättern. H<strong>in</strong>zu kommt<br />
mit »Ausland – International« e<strong>in</strong> weiteres<br />
Kapitel, <strong>in</strong> welchem beispielsweise<br />
die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vere<strong>in</strong>igten<br />
Staaten von Amerika vom 17. September<br />
1787, <strong><strong>de</strong>r</strong> Frie<strong>de</strong>nsvertrag von Versailles<br />
vom 28. Juni 1919 o<strong><strong>de</strong>r</strong> das »Gesetz<br />
über die Verträge von Locarno<br />
und <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>tritt Deutschlands <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Völkerbund« vom 28. November 1925<br />
aufgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e an <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite ist die<br />
<strong>in</strong>nere Verl<strong>in</strong>kung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dokumente. So<br />
können <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnungen<br />
erwähnte Gesetze und Protokolle über<br />
e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen L<strong>in</strong>k aufgerufen wer<strong>de</strong>n.<br />
Aber auch <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Textes<br />
erwähnte Absätze lassen sich direkt<br />
Die <strong>in</strong> <strong>de</strong>utsch, nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländisch und<br />
englisch verfügbare Homepage bereitet<br />
auf <strong>de</strong>n Besuch von Museum und<br />
Park Kalkriese vor. Den Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sehr übersichtlichen Seite macht e<strong>in</strong><br />
virtueller Rundgang im l<strong>in</strong>ken Frame,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>en Rundumblick von verschie<strong>de</strong>nen<br />
Standorten <strong>de</strong>s Gelän<strong>de</strong>s aus<br />
ermöglicht.<br />
Mit e<strong>in</strong>em Klick auf e<strong>in</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptmenüpunkte<br />
im oberen Fenster öffnet<br />
sich nicht nur die Information <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n e<strong>in</strong>e weitere Unterteilung<br />
lässt sich im unteren Fenster über<br />
L<strong>in</strong>ks öffnen.<br />
So navigiert man sich beispielsweise<br />
vom Menüpunkt »Varusschlacht« zu<br />
e<strong>in</strong>er kurzen Abhandlung über <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Vorgeschichte sowie zu e<strong>in</strong>er Zusammenfassung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> antiken Quellen und<br />
Autoren. Im untersten Frame f<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />
sich Daten und Fakten zu <strong>de</strong>n wichtigsten<br />
zeitgenössischen Personen,<br />
<strong>de</strong>m römischen Feldherren Varus, se<strong>in</strong>em<br />
Kaiser Augustus, <strong>de</strong>m Germanen<br />
Dokumente im Internet<br />
www.documentarchiv.<strong>de</strong><br />
durch e<strong>in</strong>en Klick auf die jeweilige<br />
Nummer aufrufen und ermöglichen<br />
<strong>de</strong>n Sprung zum entsprechen<strong>de</strong>n Abschnitt.<br />
Zu <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen Dokumenten f<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />
sich darüber h<strong>in</strong>aus Anmerkungen,<br />
die Quellenangabe und e<strong>in</strong>e empfohlene<br />
Zitierweise sowie e<strong>in</strong>e Liste<br />
weiterer themenverwandter Gesetze,<br />
Verordnungen und Protokolle, die im<br />
zeitlichen Kontext stehen o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />
<strong>de</strong>m angezeigten Dokument im S<strong>in</strong>nzusammenhang<br />
stehen.<br />
Wem die hier onl<strong>in</strong>e zur Verfügung<br />
gestellten Texte nicht ausreichen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
f<strong>in</strong><strong>de</strong>t unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Rubrik »L<strong>in</strong>ks« noch<br />
zwölf weitere Internetseiten, darunter<br />
jene, die Bun<strong>de</strong>sgesetze und Quellen<br />
vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit<br />
enthalten. E<strong>in</strong>e kurze Beschreibung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalte und die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sprache, <strong>in</strong> welcher die Dokumente<br />
vorhan<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d, erleichtern die Suche.<br />
sts<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
25
Service<br />
Lesetipp<br />
Krieg im Mittelalter<br />
Krieg und Kultur s<strong>in</strong>d im Mittelalter<br />
nicht vone<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> zu trennen<strong>de</strong><br />
Begriffe. In se<strong>in</strong>em Werk versucht<br />
Malte Prietzel dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
zeitlichen Bogen, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom 8. bis zum<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 15. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts reicht, darzustellen.<br />
Die Probleme beim Betrachten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Epoche Mittelalter wer<strong>de</strong>n anhand<br />
e<strong>in</strong>zelner Zeitabschnitte, Kriege,<br />
Schlachten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Konflikte ver<strong>de</strong>utlicht.<br />
Der Autor vergisst auch nicht, <strong>de</strong>n<br />
zeitgenössischen Autoren Raum zu<br />
geben und aus <strong><strong>de</strong>r</strong>en Aussagen kritische<br />
Informationen zu gew<strong>in</strong>nen, die<br />
<strong>de</strong>m Leser die Formen <strong>de</strong>s Krieges<br />
im Mittelalter näher br<strong>in</strong>gen sollen.<br />
Er beantwortet brennen<strong>de</strong> Fragen wie<br />
zur Größe <strong><strong>de</strong>r</strong> Heere, zum Zusammenspiel<br />
von Infanterie, Kavallerie und<br />
Artillerie, zu <strong>de</strong>n Rüstungen, Waffen,<br />
zur Rolle von Verteidigungsanlagen,<br />
wie etwa Motten und Burgen, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Malte Prietzel, Krieg im Mittelalter,<br />
Darmstadt 2006.<br />
ISBN 978-3-89678-577-0;<br />
208 S., 29,90 €<br />
zum Nutzen und S<strong>in</strong>n von Feldzeichen.<br />
Alles wird e<strong>in</strong>fach und klar formuliert<br />
ver<strong>de</strong>utlicht; Rechenbeispiele<br />
und Vergleiche geben e<strong>in</strong>e verständliche<br />
Vorstellung möglicher Größenordnungen<br />
bei <strong>de</strong>n Heeresstärken o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>n Kosten für Festungen und Rüstzeug.<br />
Die sich verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Macht <strong>de</strong>s<br />
A<strong>de</strong>ls, die auf <strong>de</strong>ssen Wehrfähigkeit<br />
und Kriegsleistungen beruhte, wird<br />
ebenso betrachtet wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Auf- und<br />
Abstieg <strong>de</strong>s Rittertums. Scha<strong>de</strong> nur,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor nicht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Wort<br />
zur maritimen Kriegführung verliert,<br />
sich aber viel zu lange beim Mythos<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht von Tannenberg (1410)<br />
aufhält. Dennoch ist das Buch gera<strong>de</strong><br />
für E<strong>in</strong>steiger durchaus empfehlenswert,<br />
da auch übergeordnete Begriffe<br />
erklärt wer<strong>de</strong>n.<br />
sts<br />
Die Sächsische Armee 1790–1815<br />
Für <strong>de</strong>n Krieg gegen Russland mobilisierte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> französische Kaiser<br />
Napoleon im Frühjahr 1812 e<strong>in</strong>e Gesamtstreitmacht<br />
von 610 000 Mann<br />
aus 20 Nationen. 27 000 davon waren<br />
Sachsen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regimenter auf die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Korps <strong><strong>de</strong>r</strong> »Großen Armee«<br />
verteilt waren. Die Kürassierregimenter<br />
Gar<strong>de</strong> du Corps und Zastrow gehörten<br />
zum IV. Kavalleriekorps und<br />
besaßen bei Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s Feldzuges e<strong>in</strong>e<br />
Stärke von jeweils 33 Offizieren, 628<br />
Unteroffizieren und Mannschaften.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht bei Borod<strong>in</strong>o (7. September<br />
1812) führten sie zusammen<br />
mit polnischen Kürassieren <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Angriff auf das Zentrum<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> russischen Verteidigungsstellung.<br />
Durch diese Waffentat bereits stark<br />
<strong>de</strong>zimiert, schrumpften die bei<strong>de</strong>n<br />
schweren Reiterregimenter wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ganze Rest <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals »Großen Armee«<br />
nach <strong>de</strong>m Rückzug aus Moskau<br />
immer weiter zusammen. Am En<strong>de</strong><br />
waren es gera<strong>de</strong> e<strong>in</strong>mal 27 von ehemals<br />
1322 sächsischen Kürassieren,<br />
die aus eigener Kraft die sächsische<br />
Heimat wie<strong><strong>de</strong>r</strong> erreichten. Insgesamt<br />
überlebten nur 58 000 Mann <strong>de</strong>n Russlandfeldzug.<br />
Annähernd 25 000 sächsische<br />
Soldaten bezahlten die napoleonischen<br />
Machtträume mit ihrem Leben.<br />
Das Buch »Die Sächsische Armee<br />
zur Zeit Napoleons« von Wolfgang<br />
Gülich widmet sich dieser Generation<br />
sächsischer Soldaten und beschreibt<br />
die wechselvolle Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen<br />
Armee <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n 1790 bis<br />
1815. Gut recherchiert und lebendig<br />
erzählt, holt Gülich sie aus <strong><strong>de</strong>r</strong> »Nische<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte«. Im Mittelpunkt<br />
se<strong>in</strong>er Untersuchung steht die Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nisierung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Streitmacht<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> 1806 an <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite Preußens<br />
erlittenen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage im Krieg gegen<br />
Frankreich. Diese Reorganisation unterzieht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Autor e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gehen<strong>de</strong>n<br />
Analyse und betont <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Fazit<br />
die Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Militärreformen.<br />
mn<br />
Christopher Clark,<br />
Preußen.<br />
Aufstieg und<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gang<br />
1600–1947.<br />
Aus <strong>de</strong>m Englischen von<br />
Richard Barth,<br />
Norbert Juraschitz und<br />
Thomas Pfeiffer,<br />
München 2007.<br />
ISBN 978-3-421-05392;<br />
896 S., 39,95 €<br />
Preußen jenseits von I<strong>de</strong>ologien<br />
Bei e<strong>in</strong>em Sonntagsspaziergang<br />
durch Potsdam ent<strong>de</strong>ckte ich e<strong>in</strong><br />
bereits leicht verblichenes Plakat e<strong>in</strong>er<br />
l<strong>in</strong>ken Aktionsgruppe. Darauf stand<br />
<strong>in</strong> weißen Buchstaben auf schwarzem<br />
Grund: »60 JAHRE AUFLÖSUNG<br />
PREUSSENS. WIR SAGEN DANKE.<br />
PREUSSEN BLEIBT SCHEISSE.« Er<strong>in</strong>nern<br />
sollte dieses Plakat an das Gesetz<br />
Nr. 46 <strong>de</strong>s Alliierten Kontrollrats vom<br />
25. Februar 1947, durch das die alliierten<br />
Siegermächte die endgültige Liquidation<br />
<strong>de</strong>s preußischen Staates, »<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
seit jeher Träger <strong>de</strong>s Militarismus und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion <strong>in</strong> Deutschland gewesen«<br />
sei, verfügten. Dass sich Preußen<br />
und se<strong>in</strong>e Geschichte nicht »auf e<strong>in</strong>e<br />
teleologische Betrachtungsweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Schuld verkürzen« lassen,<br />
beweist <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Cambridge lehren<strong>de</strong><br />
Historiker Christopher Clark mit se<strong>in</strong>er<br />
fulm<strong>in</strong>anten Studie. Während die<br />
<strong>de</strong>utsche Historikerzunft sich häufig<br />
auf die Dekonstruktion von Mythen<br />
beschränkt, schreibt Christopher Clark<br />
Geschichte. Und wie er Geschichte<br />
schreibt! Se<strong>in</strong>e Darstellung <strong>de</strong>s Aufstiegs<br />
und Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gangs Preußens verdichtet<br />
sich zu e<strong>in</strong>er Meistererzählung,<br />
die <strong>de</strong>n Leser <strong>in</strong> ihren Bann zieht.<br />
Clark verzichtet bewusst auf e<strong>in</strong>e<br />
Schwarzweißzeichnung preußischer<br />
Wolfgang Gülich,<br />
Die Sächsische Armee zur Zeit Napoleons.<br />
Die Reorganisation von 1810. Mit Uniformabbildungen von<br />
Peter Bun<strong>de</strong>, Beucha 2006 (= Schriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd 9).<br />
ISBN 978-3-3934544-77-2;<br />
320 S., 30,00 €<br />
26 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Geschichte und entzieht sich <strong><strong>de</strong>r</strong> polarisieren<strong>de</strong>n<br />
Urteile, die sich sowohl <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Diskussion als auch<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> wissenschaftlichen Literatur f<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />
lassen. Vielmehr bemüht er sich<br />
um e<strong>in</strong> ausgewogenes, vielschichtiges<br />
Preußenbild, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m die Militärgeschichte<br />
ihren angemessenen Platz<br />
f<strong>in</strong><strong>de</strong>t und setzt dabei Maßstäbe. Es<br />
bleibt zu hoffen, dass se<strong>in</strong> Buch auch <strong>in</strong><br />
Deutschland viele Leser f<strong>in</strong><strong>de</strong>n wird.<br />
mn<br />
Militärreformer<br />
Andreas Broicher,<br />
Gerhard von Scharnhorst.<br />
Soldat–Reformer–Wegbereiter,<br />
Aachen 2005.<br />
ISBN 978-3938208205;<br />
271 S., 25,80 €<br />
Dieses Buch ist mehr als e<strong>in</strong>e Biografie.<br />
Zwar behan<strong>de</strong>lt es <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Hälfte die ungewöhnliche<br />
Offizierlaufbahn <strong>de</strong>s hannoverschen<br />
Bauernsohns Scharnhorst, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> aristokratisch dom<strong>in</strong>ierten Armee<br />
Preußens hochdiente und nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage gegen Napoleon das Militärwesen<br />
dieses Staates reformierte.<br />
Die eigentliche Be<strong>de</strong>utung aber<br />
liegt <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Rezeption se<strong>in</strong>er I<strong>de</strong>en<br />
vom 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t bis heute. Der<br />
Verfasser zeigt e<strong>in</strong>erseits, wie sich<br />
aus <strong>de</strong>m von Scharnhorst geprägten<br />
Menschenbild schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> »Staatsbürger<br />
<strong>in</strong> Uniform« und somit die<br />
»Innere Führung« <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
entwickelte. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits behan<strong>de</strong>lt<br />
er die Geschichte <strong>de</strong>s militärischen<br />
Führungs<strong>de</strong>nkens im preußischen und<br />
<strong>de</strong>utschen Heer. Daraus wird <strong>de</strong>utlich,<br />
wie bereits Scharnhorst die Grundlagen<br />
für die Auftragstaktik, das Gefecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> verbun<strong>de</strong>nen Waffen und<br />
die <strong>Bildung</strong> e<strong>in</strong>es Generalstabs formte.<br />
Das Interesse <strong>de</strong>s Verfassers an <strong>de</strong>m<br />
preußischen Reformer wird an se<strong>in</strong>er<br />
eigenen Biografie <strong>de</strong>utlich. Schließlich<br />
gehörte er zu <strong>de</strong>n »Männern <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten<br />
Stun<strong>de</strong>« <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>, die ganz<br />
bewusst am 12. November 1955, <strong>de</strong>m<br />
200. Geburtstag Scharnhorsts, aufgestellt<br />
wur<strong>de</strong>. E<strong>in</strong>e lohnen<strong>de</strong> Lektüre!<br />
Karl-He<strong>in</strong>z Frieser<br />
Bombenkrieg<br />
Mit <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Buch veröffentlicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Literaturwissenschaftler<br />
Oliver Lubrich nach <strong>de</strong>n<br />
»Reisen <strong>in</strong>s Reich 1933 bis 1945« ausländischer<br />
Autoren se<strong>in</strong>en zweiten<br />
Band <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> renommierten, bibliophil<br />
ausgestatteten »An<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bibliothek«.<br />
Den Herausgeber <strong>in</strong>teressiert<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> »frem<strong>de</strong>« Blick auf die Ereignisse,<br />
nicht zuletzt auch <strong>de</strong>swegen, weil dieser<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Betrachtungsweisen und<br />
Fragestellungen hervorruft. Lubrich<br />
präsentiert e<strong>in</strong>e illustre Run<strong>de</strong> ausländischer<br />
Autoren: Sie reicht von Korrespon<strong>de</strong>nten<br />
fe<strong>in</strong>dlicher und verbün<strong>de</strong>ter<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong> (etwa William S. Shirer<br />
aus <strong>de</strong>n USA) über Journalisten bzw.<br />
Kriegsberichterstattern bis h<strong>in</strong> zu Geschäftsleuten<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Politikern wie <strong>de</strong>n<br />
italienischen Außenm<strong>in</strong>ister Galeazzo<br />
Ciano. Auch so schillern<strong>de</strong> Persönlichkeiten<br />
wie <strong><strong>de</strong>r</strong> reisen<strong>de</strong> Schriftsteller<br />
Curzio Malaparte, e<strong>in</strong> Deutsch-Italiener,<br />
fehlen nicht. In <strong>de</strong>n Berichten wird<br />
nichts ausgespart: we<strong><strong>de</strong>r</strong> menschliches<br />
Verhalten angesichts <strong>de</strong>s nahen<strong>de</strong>n<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> tatsächlichen To<strong>de</strong>s noch die<br />
Urteile <strong><strong>de</strong>r</strong> bombardierten Deutschen<br />
über die Luftangriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die <strong>de</strong>utschen Bombar<strong>de</strong>ments<br />
auf europäische Städte wie London<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stal<strong>in</strong>grad. Was hier fasz<strong>in</strong>iert, ist<br />
vor allem die E<strong>in</strong>schätzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitgenossen<br />
als Augen- und Ohrenzeugen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschehnisse, darüber h<strong>in</strong>aus<br />
genügen die meisten Texte höchsten<br />
literarischen Ansprüchen. Zu <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen<br />
Autoren liefert <strong><strong>de</strong>r</strong> Herausgeber,<br />
neben se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>leitung, kurze<br />
biografische Abrisse, welche die Person<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erzählung(en) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Zusammenhang stellen<br />
und das Geschriebene vor diesem<br />
H<strong>in</strong>tergrund verstehen helfen.<br />
mt<br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand gegen <strong>de</strong>n<br />
Nationalsozialismus<br />
Im Traditionsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
nimmt <strong><strong>de</strong>r</strong> militärische Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand<br />
gegen das nationalsozialistische<br />
Unrechtsregime e<strong>in</strong>e tragen<strong>de</strong><br />
Rolle e<strong>in</strong>. Es darf jedoch nicht vergessen<br />
wer<strong>de</strong>n, dass es außerhalb <strong>de</strong>s<br />
Militärs zahlreiche zivile Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsgruppen<br />
gab, die gegen Hitler wirkten<br />
und Konzeptionen entwickelten, wie<br />
Oliver Lubrich (Hrsg.),<br />
Berichte aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Abwurfzone.<br />
Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong> erleben <strong>de</strong>n Bombenkrieg<br />
<strong>in</strong> Deutschland 1939 bis 1945,<br />
Frankfurt a.M. 2007<br />
(= Die An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bibliothek, Bd 266).<br />
ISBN 978-3-8218-4583-8;<br />
479 S., 28,00 €<br />
Deutschland nach <strong>de</strong>m Krieg aussehen<br />
könnte. E<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> bekanntesten Gruppen<br />
war <strong><strong>de</strong>r</strong> »Kreisauer Kreis« unter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Führung von Helmuth James von<br />
Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg.<br />
Günter Brakelmann widmet<br />
sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jüngsten Veröffentlichung<br />
<strong>de</strong>m kurzen Leben von Moltke, geboren<br />
am 11. März 1907 <strong>in</strong> Creisau (ab<br />
1930 Kreisau), h<strong>in</strong>gerichtet am 23. Januar<br />
1945 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Plötzensee.<br />
Zwar lässt die Biografie die Jugendund<br />
Studienzeit nicht außer Acht, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schwerpunkt liegt aber im Leben und<br />
Wirken Moltkes von 1939 bis 1945.<br />
Gleichermaßen ist Brakelmanns Werk<br />
somit e<strong>in</strong>e Geschichte <strong>de</strong>s »Kreisauer<br />
Kreises«, <strong>de</strong>ssen geistige Ausrichtung<br />
und Ziele maßgeblich von Helmuth<br />
James von Moltke bee<strong>in</strong>flusst wur<strong>de</strong>n.<br />
Im Krieg als Sachverständiger für<br />
Kriegs- und Völkerrecht im Amt Ausland/Abwehr<br />
<strong>de</strong>s OKW e<strong>in</strong>gesetzt, wo<br />
er se<strong>in</strong>e Stellung zum Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand gegen<br />
das Regime nutzte, wur<strong>de</strong> Moltke im<br />
Januar 1944 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestapo verhaftet.<br />
Obwohl er sich gegen e<strong>in</strong> Attentat auf<br />
Hitler ausgesprochen hatte, schlossen<br />
sich Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s »Kreisauer Kreises«<br />
nach se<strong>in</strong>er Verhaftung <strong>de</strong>m militärischen<br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand um Stauffenberg an.<br />
Auch Moltkes Haftzeit bis zur H<strong>in</strong>richtung<br />
<strong>in</strong> Folge <strong>de</strong>s 20. Juli 1944 wird<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Biografie Brakelmanns genügend<br />
Beachtung geschenkt. Der Abdruck<br />
e<strong>in</strong>es Briefs von Moltke an se<strong>in</strong>e<br />
Söhne aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Haft, e<strong>in</strong> umfangreiches<br />
Literaturverzeichnis sowie e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>taillierte<br />
Zeittafel run<strong>de</strong>n die Publikation<br />
ab, ohne die e<strong>in</strong>e kritische Betrachtung<br />
<strong>de</strong>s Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stan<strong>de</strong>s unvollständig wäre.<br />
jf<br />
Günter Brakelmann,<br />
Helmuth James von Moltke<br />
1907–1945.<br />
E<strong>in</strong>e Biographie, München 2007.<br />
ISBN 978 3 406 55495 7;<br />
432 S., 24,90 €<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
27
Service<br />
Ausstellungen<br />
Berl<strong>in</strong><br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong><br />
Luftwaffe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
1956–2006<br />
Luftwaffenmuseum <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
Kladower Damm 182<br />
14089 Berl<strong>in</strong>-Gatow<br />
Telefon: 0 30 / 36 87 26 01<br />
Telefax: 0 30 / 36 87 26 10<br />
e-Mail:<br />
LwMuseumBwE<strong>in</strong>gang@<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>.org<br />
Internet:<br />
www.Luftwaffenmuseum.com<br />
bis 31. August 2008<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
9.00 bis 17.00 Uhr<br />
(letzter E<strong>in</strong>lass 16.30 Uhr)<br />
E<strong>in</strong>tritt frei<br />
Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />
E<strong>in</strong>gang zum Museum:<br />
Ritterfelddamm /Am Flugplatz<br />
Gatow.<br />
Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Junkers F 13 zum<br />
Airbus A 380. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Verkehrsflugzeuge<br />
Luftwaffenmuseum <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
25. Mai bis 23 Sept. 2007<br />
(alle weiteren Angaben<br />
siehe oben)<br />
Bonn<br />
Krieg und Frie<strong>de</strong>n.<br />
Kelten – Römer – Germanen<br />
Rhe<strong>in</strong>isches Lan<strong>de</strong>smuseum<br />
Bonn<br />
Colmantstraße 14–18<br />
53115 Bonn<br />
Telefon: 02 28 / 2 07 00<br />
Telefax: 02 28 / 2 07 01 <strong>50</strong><br />
e-Mail: rlmb@lvr.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.rlmb.lvr.<strong>de</strong>/ausstellungen<br />
21. Juni 2007 bis<br />
6. Januar 2008<br />
Dienstag, Donnerstag bis <br />
Sonntag<br />
10.00 bis 18.00 Uhr<br />
Mittwoch<br />
10.00 bis 21.00 Uhr<br />
Montag Ruhetag<br />
E<strong>in</strong>tritt: 5,00 €<br />
ermäßigt: 2,00 €<br />
Ellwangen<br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> im E<strong>in</strong>satz<br />
Re<strong>in</strong>hardt-Kaserne<br />
Panzergrenadierbriga<strong>de</strong> 30<br />
Hohenstaufenstraße 2a<br />
73477 Ellwangen<br />
10. September bis<br />
10. Oktober 2007<br />
Telefon: 0 79 61 / 94 10 16<br />
Innsbruck (Österreich)<br />
Weltkrieg 1914–1918.<br />
Vom Isonzo zur Piave<br />
Kaiserjägermuseum<br />
Innsbruck<br />
Tiroler Kaiserjägermuseum<br />
& Andreas-Hofer-Galerie<br />
Bergisel 1<br />
A 6020 Innsbruck<br />
Telefon: +43 (512) 58 23 12<br />
Telefax: +43 (512) 58 86 75<br />
e-Mail:<br />
<strong>in</strong>fo@kaiserjaegermuseum.org<br />
Internet:<br />
www.kaiserjaegermuseum.org<br />
1. April bis<br />
31. Oktober 2007<br />
täglich 9.00 bis 17.00 Uhr<br />
E<strong>in</strong>tritt: 3,<strong>50</strong> €<br />
ermäßigt: ab 2,00 €<br />
Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />
E<strong>in</strong>en Lageplan gibt es unter<br />
www.kaiserjägermuseum.org,<br />
dann »Kaiserjägermuseum«,<br />
dann »Lageplan«; <br />
Straßenbahn:<br />
L<strong>in</strong>ie 1 bis Endstation<br />
»Bergisel«.<br />
Koblenz<br />
Die Masch<strong>in</strong>enpistole.<br />
Entwicklung und<br />
Geschichte e<strong>in</strong>er Waffe<br />
unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> MP2-UZI<br />
Wehrtechnische<br />
Studiensammlung<br />
Mayener Straße 85–87<br />
56070 Koblenz<br />
Telefon: 02 61 / 4 00 14 23<br />
Telefax: 02 61 / 4 00 14 24<br />
e-Mail: WTS@bwb.org<br />
Internet: www.bwb.org/wts<br />
24. August 2006 bis<br />
9. September 2007<br />
täglich 9.30 bis 16.30 Uhr<br />
E<strong>in</strong>tritt: 1,<strong>50</strong> €<br />
(für Soldaten und<br />
Mitarbeiter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bw-Ver waltung frei)<br />
Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />
PKW: Anfahrtsskizze unter<br />
http://www.bwb.org/<br />
01DB022000000001/<br />
CurrentBaseL<strong>in</strong>k/<br />
W26EJCH3034INFODE;<br />
Bahn/Bus: Ab Bahnhof<br />
Koblenz (Busbahnhof<br />
gegenüber) L<strong>in</strong>ien 5 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 15<br />
bis »Langemarckplatz«.<br />
Königste<strong>in</strong><br />
Radschlosswaffen aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rüstkammer Em<strong>de</strong>n<br />
Festung Königste<strong>in</strong> gGmbH<br />
01824 Königste<strong>in</strong><br />
Telefon: 03 <strong>50</strong> 21 / 6 46 07<br />
Telefax: 03 <strong>50</strong> 21 / 6 46 09 <br />
e-Mail:<br />
<strong>in</strong>fo@festung-koenigste<strong>in</strong>.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.festung-koenigste<strong>in</strong>.<strong>de</strong><br />
10. Februar 2007 bis<br />
1. Januar 2008<br />
10.00 bis 18.00 Uhr<br />
E<strong>in</strong>tritt: 5,00 €<br />
ermäßigt: ab 2,00 €<br />
Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />
Pkw: A17 Dres<strong>de</strong>n–Prag<br />
(Abfahrt Pirna), weiter auf<br />
B172 Dres<strong>de</strong>n–Bad Schandau;<br />
S-Bahn: L<strong>in</strong>ie 1:<br />
Dres<strong>de</strong>n–Königste<strong>in</strong>–Schöna;<br />
Bus: L<strong>in</strong>ie 241:<br />
Pirna–Königste<strong>in</strong>, Haltestelle<br />
»Abzweig Festung«<br />
Ludwigsburg<br />
Zwischen Kunst und<br />
Kitsch. Er<strong>in</strong>nerungskultur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten<br />
Garnisonmuseum<br />
Ludwigsburg<br />
Asperger Straße 52<br />
71634 Ludwigsburg<br />
Telefon: 0 71 41 / 9 10 24 12<br />
Telefax: 0 71 41 / 9 10 23 42<br />
e-mail:<br />
<strong>in</strong>fo@garnisonmuseumludwigsburg.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.garnisonmuseumludwigsburg.<strong>de</strong><br />
Mittwoch 15 bis 18 Uhr,<br />
Sonntag 13 bis 17 Uhr<br />
(und auf Anfrage)<br />
E<strong>in</strong>tritt frei<br />
1. Juli 2007 bis<br />
30. April 2008<br />
Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />
S-Bahn:<br />
L<strong>in</strong>ien S 4 und S 5<br />
(von Stuttgart<br />
bzw. Bietigheim)<br />
bis zur Station<br />
»Ludwigsburg«.<br />
28 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Rastatt<br />
»Désastres <strong>de</strong> la Guerra«<br />
von Francisco <strong>de</strong> Goya<br />
Wehrgeschichtliches<br />
Museum Rastatt<br />
Schloß Rastatt<br />
Herrenstraße 18<br />
76437 Rastatt<br />
Telefon: 0 72 22 / 3 42 44<br />
Telefax: 0 72 22 / 3 07 12<br />
e-Mail:<br />
<strong>in</strong>formation@wgm-rastatt.<strong>de</strong><br />
Internet: www.wgm-rastatt.<strong>de</strong><br />
12. Mai bis<br />
5. August 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
10.00 bis 17.00 Uhr<br />
E<strong>in</strong>tritt: 5,00 €<br />
ermäßigt: 3,00 €<br />
Stammheim<br />
Vom bunten Rock<br />
zum Feldgrau<br />
Museum Militär- und<br />
Zeitgeschichte<br />
Günter Weißenseel<br />
Waldweg 3<br />
97<strong>50</strong>9 Stammheim/G<strong>de</strong>.<br />
Kolitzheim<br />
Telefon: 0 93 81 / 92 55<br />
Telefax: 0 93 81 / 98 <strong>50</strong><br />
e-Mail:<br />
<strong>in</strong>fo@museum-stammheim.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.museum-stammheim.<strong>de</strong><br />
Beg<strong>in</strong>n 31. März 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
10.00 bis 18.00 Uhr<br />
Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />
Stammheim am Ma<strong>in</strong>/G<strong>de</strong>.<br />
Kolitzheim liegt zwischen<br />
<strong>de</strong>n unterfränkischen Städten<br />
Schwe<strong>in</strong>furt und Würzburg.<br />
Anfahrtsskizze unter http://<br />
www.museum-stammheim.<strong>de</strong>/<br />
sonstiges/adresse.htm.<br />
Trier<br />
Konstant<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Große<br />
E<strong>in</strong>e Ausstellung <strong>in</strong><br />
3 Museen<br />
Ausstellungsbüro<br />
Konstant<strong>in</strong>-Ausstellungsgesellschaft<br />
mbH<br />
Barbarathermen,<br />
Südallee 48<br />
54290 Trier <br />
Telefon: 06 51 / 2 01 70 70<br />
Telefax: 06 51 / 2 01 70 79<br />
e-Mail:<br />
<strong>in</strong>fo@konstant<strong>in</strong>-ausstellung.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.konstant<strong>in</strong>-ausstellung.<strong>de</strong><br />
2. Juni bis 4. November 2007<br />
E<strong>in</strong>tritt mit Kombiticket:<br />
12,00 €<br />
Verkehrsanb<strong>in</strong>dung:<br />
Pkw: A1 aus Richtung<br />
Saarbrücken/Kaiserslautern,<br />
A1/A48 aus Richtung<br />
Koblenz/Köln, A64 aus<br />
Richtung Luxemburg/Belgien.<br />
Weitere Anfahrtsmöglichkeiten<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Internetseite oben<br />
rechts unter »Anfahrt«.<br />
Herrscher <strong>de</strong>s<br />
Römischen Imperiums<br />
Rhe<strong>in</strong>isches Lan<strong>de</strong>smuseum<br />
Trier<br />
Weimarer Allee 1<br />
54290 Trier<br />
Telefon: 06 51 / 9 77 40<br />
Telefax: 06 51 / 9 77 42 22<br />
e-Mail: <strong>in</strong>fo@rlmtrier.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.lan<strong>de</strong>smuseum-trier.<strong>de</strong><br />
täglich 10.00 bis 18.00 Uhr<br />
(9.00 bis 10.00 Uhr für<br />
Gruppen)<br />
<br />
E<strong>in</strong>tritt: 8,00 €<br />
ermäßigt: 6,00 €<br />
Der Kaiser und<br />
die Christen<br />
Bischöfliches Dom- und<br />
Diözesanmuseum<br />
W<strong>in</strong>dstraße 6-8<br />
54290 Trier<br />
Telefon: 06 51 / 7 10 52 55<br />
Telefax: 06 51 / 71 05 48<br />
e-Mail: museum@bgv-trier.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.bistum-trier.<strong>de</strong>/museum<br />
täglich 10.00 bis 18.00 Uhr<br />
(9.00 bis 10.00 Uhr für<br />
Gruppen)<br />
E<strong>in</strong>tritt: 6,00 €<br />
ermäßigt: 4,00 €<br />
Tradition und Mythos<br />
Stadtmuseum Simeonstift<br />
Simeonstraße 55<br />
54290 Trier<br />
Telefon: 06 51 / 7 18 14 59<br />
Telefax: 06 51 / 7 18 14 58<br />
e-Mail:<br />
monika.thelen@trier.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.museum-trier.<strong>de</strong><br />
täglich 10.00 bis 18.00 Uhr<br />
(9.00 bis 10.00 Uhr für<br />
Gruppen)<br />
<br />
E<strong>in</strong>tritt: 6,00 €<br />
ermäßigt: 4,00 €<br />
Walldürn<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
Nibelungen-Kaserne<br />
Dr.-August-Stumpf-<br />
Straße 33<br />
74731 Walldürn<br />
Telefon:<br />
0 62 82 / 9 24 70 21 00<br />
Telefax:<br />
0 62 82 / 9 24 70 21 09<br />
16. Juli bis 3. August 2007<br />
Wilhelmshaven<br />
Gefahr aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiefe –<br />
100 <strong>Jahre</strong> <strong>de</strong>utsche<br />
Seem<strong>in</strong>enabwehr<br />
Deutsches Mar<strong>in</strong>emuseum<br />
Südstrand 125<br />
26382 Wilhelmshaven<br />
Telefon: 0 44 21 / 4 10 61<br />
e-Mail:<br />
<strong>in</strong>fo@mar<strong>in</strong>emuseum.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
www.mar<strong>in</strong>emuseum.<strong>de</strong><br />
23. März bis<br />
30. September 2007<br />
bis Okt. 10.00 bis 18.00 Uhr<br />
ab Nov. 10.00 bis 17.00 Uhr<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
29
Service<br />
Militärgeschichte kompakt<br />
ullste<strong>in</strong> bild<br />
ullste<strong>in</strong> bild / Granger Collection<br />
20. Juli 1932 »Preußenschlag«<br />
Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wache im<br />
Reichswehrm<strong>in</strong>isterium<br />
(Bendlerblock) am<br />
22. Juli 1932 nach<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verhängung <strong>de</strong>s<br />
Belagerungszustan<strong>de</strong>s<br />
über Berl<strong>in</strong>.<br />
Mit <strong>de</strong>m Beg<strong>in</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltwirtschaftskrise 1929 offenbarte<br />
sich zunehmend, dass die »Weimarer Republik«<br />
(1919–1933) e<strong>in</strong>e »Republik ohne Republikaner« war.<br />
Dies zeigte sich e<strong>in</strong>erseits daran, dass die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bevölkerung Parteien wählte, die offen die Abschaffung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratie propagierten. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits han<strong>de</strong>lten<br />
sogar die jeweiligen Reichsregierungen gegen die Republik.<br />
Das wohl spektakulärste Beispiel dafür war <strong><strong>de</strong>r</strong> »Preußenschlag«<br />
vom 20. Juli 1932, mit <strong>de</strong>m die Regierung<br />
<strong>de</strong>s Freistaates Preußen, <strong>de</strong>s größten <strong>de</strong>utschen Flä chenstaates,<br />
unter ihrem M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>de</strong>nten Otto Braun<br />
(SPD), von Reichspräsi<strong>de</strong>nt Paul von H<strong>in</strong><strong>de</strong>nburg abgesetzt<br />
wur<strong>de</strong>. Die Regierungskoalition aus SPD, Zentrum<br />
und Deutscher Demokratischer Partei, die seit<br />
1920 regierte, hatte zuvor <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Landtagswahlen vom<br />
24. April 1932 ihre Mehrheit verloren. Reichskanzler<br />
Franz von Papen, <strong>de</strong>ssen Ziel die direkte Unterstellung<br />
Preußens unter das Reich war, nutzte die erste sich<br />
bieten<strong>de</strong> Möglichkeit, um <strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Regierung<br />
Handlungsunfähigkeit zu attestieren und sie vom Reichspräsi<strong>de</strong>nten auflösen zu<br />
lassen. E<strong>in</strong>e solche Gelegenheit bot sich am 17. Juli 1932, <strong>de</strong>n »Altonaer Blutsonntag«,<br />
als bei Schießereien zwischen Nationalsozialisten, Kommunisten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Polizei<br />
18 Menschen zu To<strong>de</strong> kamen und weitere 285 verletzt wur<strong>de</strong>n.<br />
Die am 20. Juli 1932 verkün<strong>de</strong>te Absetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung Braun und die Installierung<br />
e<strong>in</strong>es Reichskommissars für Preußen rief nur ger<strong>in</strong>gen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand hervor.<br />
Innenm<strong>in</strong>ister Carl Sever<strong>in</strong>g, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich zur Wehr setzte, wur<strong>de</strong> daraufh<strong>in</strong> mitsamt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Berl<strong>in</strong>er Polizei von <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr festgesetzt. E<strong>in</strong>e Verfassungsklage <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
preußischen Regierung beim Staatsgerichtshof wur<strong>de</strong> abgewiesen. Die Möglichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> direkten E<strong>in</strong>flussnahme <strong>de</strong>s Reiches <strong>in</strong> Preußen spielte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> späteren Machtübernahme<br />
Hitlers e<strong>in</strong> wichtige Rolle.<br />
jf<br />
9. Juli 1807 Frie<strong>de</strong>n von Tilsit<br />
Treffen <strong>in</strong> Tilsit auf<br />
e<strong>in</strong>em Floß <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte<br />
<strong>de</strong>s Flusses Njemen<br />
zwischen Napoleon I.,<br />
Zar Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong> I. und<br />
König Friedrich<br />
Wilhelm III., Juli 1807.<br />
Mit <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n von Tilsit en<strong>de</strong>te am 9. Juli 1807 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Krieg zwischen Frankreich und <strong><strong>de</strong>r</strong> russisch-preußischen<br />
Koalition. Die verheeren<strong>de</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage preußischsächsischer<br />
Truppen bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober<br />
1806 hatte das Zusammenbrechen Preußens und<br />
das Ausscheren Sachsens aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Koalition zur Folge.<br />
Sachsen schloss mit Frankreich im Dezember 1806 <strong>de</strong>n<br />
Frie<strong>de</strong>n zu Posen und trat <strong>de</strong>m Rhe<strong>in</strong>bund bei.<br />
Preußisch-russische Truppen erlitten im Februar 1807<br />
bei Preußisch-Eylau und im Juni 1807 bei Friedland weitere<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lagen gegen die französischen Truppen Napoleons.<br />
E<strong>in</strong>e Fortsetzung <strong>de</strong>s Krieges war daher aussichtslos,<br />
Preußen und Russland benötigten Frie<strong>de</strong>n.<br />
Preußen musste bei diesem Frie<strong>de</strong>nsschluss massive<br />
Gebietsabtretungen h<strong>in</strong>nehmen, es verlor fast die Hälfte<br />
se<strong>in</strong>es Staatsgebietes und se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>wohner bzw. Untertanen.<br />
Lediglich das E<strong>in</strong>greifen Zar Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong>s I. von<br />
Russland verh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>te die komplette Zerschlagung <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>s durch Napoleon. Preußen hatte die hohe Summe<br />
von über 120 Millionen Franken als Kontribution zu<br />
leisten und musste sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Kont<strong>in</strong>entalsperre gegen Großbritannien beteiligen.<br />
Französische Besatzungstruppen stan<strong>de</strong>n im Lan<strong>de</strong>. Die preußische Armee wur<strong>de</strong><br />
auf 42 000 Mann reduziert und hatte im Bedarfsfall Truppen für die Kriege Napoleons<br />
zu stellen. Preußen unterlief jedoch die Rüstungsbeschränkungen durch das<br />
sogenannte Krümpersystem: Es stan<strong>de</strong>n zwar immer nur 42 000 Mann zur selben<br />
Zeit unter Waffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelne Soldat diente aber jeweils nur kurzfristig, so dass<br />
<strong>in</strong>sgesamt bis 1813 über 1<strong>50</strong> 000 Soldaten ausgebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n.<br />
Die harten französischen Frie<strong>de</strong>nsbed<strong>in</strong>gungen lösten <strong>in</strong> Preußen e<strong>in</strong>e ganze<br />
Reihe grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Reformen <strong>in</strong> Militär, Staat und Gesellschaft aus, welche die<br />
Grundlage für die erfolgreiche Erhebung gegen Napoleon <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n 1813–1815<br />
bil<strong>de</strong>ten.<br />
hp<br />
Heft 3/2007<br />
Militärgeschichte<br />
Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong><br />
Vorschau<br />
Die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland ist e<strong>in</strong> Zuwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsland.<br />
Viele Menschen, die aus <strong>de</strong>n<br />
unterschiedlichsten Grün<strong>de</strong>n seit 1955 als Migranten<br />
zu uns kamen, s<strong>in</strong>d heute bereits <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Generation <strong>in</strong> Deutschland ansässig,<br />
besitzen die <strong>de</strong>utsche Staatsbürgerschaft<br />
und br<strong>in</strong>gen sich <strong>in</strong> gesellschaftliche Belange<br />
aller Art e<strong>in</strong>. Die massenhafte Zuwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
führt aber auch zu Problemen, vor allem an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schnittstelle von Christentum und Islam.<br />
Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion um <strong>de</strong>n Bau e<strong>in</strong>er repräsentativen<br />
Großmoschee <strong>in</strong> Köln hat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Publizist Ralph Giordano kürzlich im Kölner<br />
Stadtanzeiger die Integration von Muslimen<br />
<strong>in</strong> die <strong>de</strong>utsche Gesellschaft als gescheitert bezeichnet.<br />
Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Streit um die Errichtung<br />
e<strong>in</strong>er Moschee im Berl<strong>in</strong>er Ortsteil Pankow-<br />
He<strong>in</strong>ersdorf lässt erahnen, dass es immer noch<br />
Berührungsängste vieler Deutscher mit <strong>de</strong>m<br />
Islam gibt – auch außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> real existieren<strong>de</strong>n<br />
Problemfel<strong><strong>de</strong>r</strong> zwischen Islamismus und<br />
Parallelgesellschaft.<br />
Auch für die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> als »Spiegelbild<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft« ergeben sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Integration<br />
von <strong>de</strong>utschen Muslimen Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen.<br />
In gewisser Weise ist das Militär sogar e<strong>in</strong><br />
Vorreiter <strong>in</strong> Sachen Glaubensfreiheit und Integration.<br />
Bereits zu Zeiten <strong>de</strong>s Preußenkönigs<br />
Friedrich Wilhelm I. wur<strong>de</strong> 1732 <strong>in</strong> Potsdam die<br />
erste muslimische Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> gegrün<strong>de</strong>t – als<br />
Folge e<strong>in</strong>er Übernahme muslimischer Soldaten<br />
<strong>in</strong> das preußische Heer. Aus diesem Kapitel<br />
<strong>de</strong>utscher Militärgeschichte berichtet im kommen<strong>de</strong>n<br />
Heft Stephan Theilig.<br />
Die <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> ist nicht nur bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Integration<br />
von Soldaten unterschiedlicher ethnischer<br />
Herkunft und Religionszugehörigkeit<br />
gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaftsstruktur,<br />
auch im H<strong>in</strong>blick auf das zunehmen<strong>de</strong><br />
Alter <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtbevölkerung, sowie die<br />
E<strong>in</strong>satzorientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte macht e<strong>in</strong><br />
Um<strong>de</strong>nken bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchswerbung nötig,<br />
die <strong><strong>de</strong>r</strong> aktuellen Situation Rechnung trägt.<br />
Peter Tauber analysiert im nächsten Heft <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Militärgeschichte, <strong>in</strong> welchem Verhältnis Armee<br />
und Demographie zue<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> stehen und<br />
wie sich die Nachwuchswerbung <strong>in</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Streitkräften historisch entwickelt hat.<br />
Der Beitrag zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> amerikanischen<br />
Besatzung <strong>in</strong> Deutschland 1945–1955 von<br />
Bianka J. Adams und zu russischen Kriegsgefangenen<br />
<strong>in</strong> Frankreich während <strong>de</strong>s Ersten<br />
Weltkriegs von Stephanie Zibell run<strong>de</strong>n die<br />
nächste Ausgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte ab.<br />
jf<br />
30 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007
Militärgeschichte im Bild<br />
Hans Meier-Welcker<br />
Soldat und Wissenschaftler<br />
Die Biografie Hans Meier-Welckers<br />
verkörpert <strong>de</strong>n Brückenschlag<br />
zwischen zwei Lebenswelten,<br />
die nicht immer und nicht von<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann für kompatibel gehalten<br />
wur<strong>de</strong>n: Soldat und Wissenschaftler.<br />
Im badischen Offenburg 1906 geboren,<br />
trat Meier-Welcker 1925 als Offizieranwärter<br />
<strong>in</strong> die Reichswehr e<strong>in</strong>.<br />
Als er <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Jahre</strong>n 1928 bis 1934 <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n Garnisonen Tüb<strong>in</strong>gen und Donauesch<strong>in</strong>gen<br />
stationiert war, hatte<br />
er Gelegenheit, Lehrveranstaltungen<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Tüb<strong>in</strong>gen zu besuchen.<br />
In <strong>de</strong>n 1930er <strong>Jahre</strong>n studierte<br />
er e<strong>in</strong> Semester lang an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität<br />
von Perugia (Italien) und diente<br />
nach se<strong>in</strong>er Verwendung als Kompaniechef<br />
im Jahr 1936 als Ehrendienstoffizier<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Mannschaft<br />
bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />
Bis 1939 absolvierte er die Generalstabsausbildung<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsaka<strong>de</strong>mie<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und war danach <strong>in</strong><br />
militärischen Verb<strong>in</strong>dungsfunktionen<br />
zur italienischen Armee e<strong>in</strong>gesetzt. Im<br />
Krieg war Meier-Welcker bis 1944 Generalstabsoffizier<br />
mehrerer Großverbän<strong>de</strong><br />
und führte im letzten Kriegsjahr<br />
e<strong>in</strong> Grenadierregiment. Nach se<strong>in</strong>er<br />
Kriegsgefangenschaft nahm er ab 1948<br />
das Studium <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte und Philosophie<br />
<strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen auf, das er 1952<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Promotion abschloss. Das Angebot<br />
<strong>in</strong> die »Dienststelle Blank« e<strong>in</strong>zutreten,<br />
erreichte ihn, kurz bevor er<br />
e<strong>in</strong>em Forschungsauftrag nach Italien<br />
gefolgt wäre. Meier-Welcker wur<strong>de</strong> am<br />
1. April 1956 zum Oberst ernannt und<br />
blieb bis En<strong>de</strong> März 1958 Leiter <strong>de</strong>s Referats<br />
»Zeitgeschichte und Wehrwissenschaft«<br />
im M<strong>in</strong>isterium; zeitgleich<br />
wur<strong>de</strong> er 1957 Amtschef <strong><strong>de</strong>r</strong> militärgeschichtlichen<br />
Forschungsstelle (später<br />
Militärgeschichtliches Forschungsamt,<br />
MGFA), die er bis 1964 leitete .<br />
Meier-Welckers Publikationen umspannen<br />
e<strong>in</strong> weites Feld historischer<br />
und militärgeschichtlicher Themen<br />
<strong>in</strong> unterschiedlichsten Epochen: Se<strong>in</strong>e<br />
Dissertation behan<strong>de</strong>lt die Simonie<br />
(also <strong>de</strong>n Ämterhan<strong>de</strong>l) im frühen<br />
Mittelalter. In se<strong>in</strong>em Handbuch über<br />
das Deutsche Heerwesen im Wan<strong>de</strong>l<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit von 1954 vermittelte er e<strong>in</strong>en<br />
Überblick über die <strong>de</strong>utsche Militärgeschichte<br />
vom Aufkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> stehen<strong>de</strong>n<br />
Heere <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen Neuzeit<br />
bis h<strong>in</strong> zur Nachkriegszeit, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Planungen<br />
zu e<strong>in</strong>er Europa-Armee unter<br />
<strong>de</strong>utscher Beteiligung angestellt wur<strong>de</strong>n.<br />
Als Amtschef war Meier-Welcker<br />
verantwortlich für die Publikationen<br />
<strong>de</strong>s MGFA, von <strong>de</strong>nen das sechsbändige<br />
Handbuch zur <strong>de</strong>utschen Militärgeschichte<br />
von 1648 bis 1939 se<strong>in</strong>e<br />
Handschrift trägt.<br />
Nach se<strong>in</strong>em Ausschei<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m<br />
aktiven Dienst widmete sich Meier-<br />
Welcker <strong>de</strong>n Studien für se<strong>in</strong>e Biografie<br />
über Hans von Seeckt, <strong>de</strong>n<br />
Chef <strong><strong>de</strong>r</strong> Heeresleitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichswehr,<br />
die im Jahr 1967 erschien. In<br />
<strong>de</strong>n frühen 1970er <strong>Jahre</strong>n unternahm<br />
er Forschungsreisen zur antiken und<br />
mittelalterlichen Geschichte Siziliens.<br />
Daneben veröffentlichte er zahlreiche<br />
Aufsätze, von <strong>de</strong>nen diejenigen über<br />
die Methodik <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte bis<br />
heute grundlegen<strong>de</strong> Gültigkeit besitzen.<br />
Dar<strong>in</strong> betont Meier-Welcker die<br />
Notwendigkeit e<strong>in</strong>er »<strong>in</strong>tegrierten«<br />
Militärgeschichte: Kann doch die Geschichte<br />
<strong>de</strong>s Militärischen nur dann<br />
angemessen dargestellt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />
<strong>de</strong>ssen »zivile« Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
von Politik und Gesellschaft mite<strong>in</strong>bezogen<br />
wer<strong>de</strong>n. Meier-Welcker for<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
e<strong>in</strong>e methodische Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Diszipl<strong>in</strong>: von e<strong>in</strong>er auf <strong>de</strong>n Anwendungsnutzen<br />
fixierten Wissenschaft<br />
h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Diszipl<strong>in</strong>, die geistige Horizonte<br />
öffnen sollte.<br />
Daraus ergab – und ergibt – sich die<br />
Brückenfunktion <strong>de</strong>s Amtes zwischen<br />
<strong>de</strong>n Bedarfsträgern <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> und<br />
Wissenschaft, zwischen historischer<br />
<strong>Bildung</strong> und aka<strong>de</strong>mischer Forschung.<br />
So bleibt e<strong>in</strong>e »Militärgeschichte«, die<br />
eben mehr als nur »Kriegs-« o<strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrgeschichte<br />
ist, mit <strong>de</strong>m Namen Hans<br />
Meier-Welcker untrennbar verbun<strong>de</strong>n.<br />
Entsprechend verzahnen sich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Militärgeschichte e<strong>in</strong> Forschungs- und<br />
e<strong>in</strong> <strong>Bildung</strong>saspekt, die er mit folgen<strong>de</strong>n<br />
Worten umriss:<br />
»Me<strong>in</strong> ganzes Bemühen war<br />
darauf gerichtet, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichte<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Isolierung im<br />
Geistesleben <strong><strong>de</strong>r</strong> Nation herauszukommen.«<br />
Und: »Die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
freien Sehens und Denkens<br />
ist also e<strong>in</strong> Hauptgew<strong>in</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Befassung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsgeschichte.<br />
Dadurch wird die<br />
Urteilsbildung geschult und<br />
Sicherheit gewonnen.«<br />
Das s<strong>in</strong>d Leitl<strong>in</strong>ien, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Jahrzehnten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freiburger Zeit <strong>de</strong>s MGFA<br />
umgesetzt wur<strong>de</strong>n und die auch mit<br />
<strong>de</strong>m Umzug <strong>de</strong>s MGFA von Freiburg<br />
nach Potsdam 1994 nach wie vor aktuell<br />
s<strong>in</strong>d. Hans Meier-Welcker verstarb<br />
am Neujahrstag 1983 <strong>in</strong><br />
Freiburg im Breisgau.<br />
Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k<br />
Sammlung Petter / MGFA<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
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NEUE PUBLIKATIONEN DES MGFA<br />
Karl-He<strong>in</strong>z Frieser, Klaus Schmi<strong><strong>de</strong>r</strong>, Klaus Schönherr, Gerhard Schreiber, Krisztián Ungváry, Bernd Wegner,<br />
Die Ostfront 1943/44. Der Krieg im Osten und an <strong>de</strong>n Nebenfronten.<br />
Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Karl-He<strong>in</strong>z Frieser, München: Deutsche Verlags-Anstalt 2007,<br />
XVI, 1320 S. (= Das Deutsche Reich und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweite Weltkrieg, 8), 49,80 €,<br />
ISBN 978-3-421-06235-2<br />
Wolf Graf von Baudiss<strong>in</strong> 1907 bis 1993. Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nisierer zwischen totalitärer Herrschaft und<br />
freiheitlicher Ordnung. Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Rudolf J. Schlaffer und Wolfgang Schmidt,<br />
München: Ol<strong>de</strong>nbourg 2007, X, 264 S., 19,80 €,<br />
ISBN 978-3-486-58283-3<br />
Wegweiser zur Geschichte. Horn von Afrika.<br />
Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Dieter H. Kollmer und Andreas Mückusch,<br />
Pa<strong><strong>de</strong>r</strong>born: Schön<strong>in</strong>gh 2007, 288 S., 14,90 €,<br />
ISBN 978-3-<strong>50</strong>6-76397-6<br />
Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan.<br />
Im Auftr. <strong>de</strong>s MGFA hrsg. von Bernhard Chiari,<br />
2., durchges. und erw. Aufl.,<br />
Pa<strong><strong>de</strong>r</strong>born: Schön<strong>in</strong>gh 2007, 264 S., 12,90 €,<br />
ISBN 978-3-<strong>50</strong>6-75664-0