Interview mit Eddy Scharf: Braceletverleih bei der WSOP?
Interview mit Eddy Scharf: Braceletverleih bei der WSOP?
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28 BLUFF EUROPE JULI 2008<br />
www.bluffeurope.com<br />
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BRACELET<br />
VERLEIH<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong>?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong> wurde am 7. November 1953 in Köln geboren und ist einer<br />
<strong>der</strong> erfolgreichsten deutschen Pokerspieler. 2001 und 2003 gewann er<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> World Series of Poker (<strong>WSOP</strong>) im Pot Li<strong>mit</strong> Omaha jeweils ein<br />
Bracelet. Insgesamt gewann er im Laufe seiner Karriere bislang fast eine<br />
Million US-Dollar in Turnieren. <strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong> vereinbart ein Leben als semiprofessioneller<br />
Pokerspieler <strong>mit</strong> seiner Ar<strong>bei</strong>t als Pilot <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Lufthansa.<br />
Mit BLUFF-Redakteur Volker Watschounek sprach <strong>der</strong> Kölner über die<br />
<strong>WSOP</strong>, das (schlechte) Benehmen junger Internetspieler und welche<br />
Vorteile es hat, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong> ein Bracelet zu tragen.<br />
LUFF: Hallo <strong>Eddy</strong>, als zweimaliger <strong>WSOP</strong>-Sieger bist Du aus deutscher Sicht ein Veteran. Wann warst Du das erste Mal da?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Bei <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong> war ich 1997 o<strong>der</strong> 1998 das erste Mal, aber während meiner Pilotenausbildung bin ich<br />
schon in den 70er Jahren das eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Mal nach Las Vegas geflogen. Da habe ich auch Pokern gelernt. Und bereits<br />
damals fiel mir auf, dass immer die gleichen Leute an den Tischen saßen – eine eingeschworene Gemeinschaft.<br />
BLUFF In den zehn Jahren seit Du das erste Mal da warst, hat sie sich die <strong>WSOP</strong> rasant entwickelt. Mehr Teilnehmer, mehr<br />
Turniere, mehr Bracelets. Wo geht die Reise hin und was denkst Du über diese Entwicklung?<br />
Bluff Europe - deutschsprachig<br />
JULI 2008 BLUFF EUROPE<br />
29<br />
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<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Die meisten Leute schwärmen<br />
davon, wie toll sich die <strong>WSOP</strong> entwickelt hat.<br />
Ich nicht! Ich bin froh über den Pokerboom,<br />
doch er hat auch viele negative Aspekte.<br />
Ende <strong>der</strong> 90er Jahre war das Ganze recht<br />
überschaubar. Es waren fast ausschließlich<br />
Profis da<strong>bei</strong>. Je<strong>der</strong> kannte jeden und die<br />
sozialen Kontakte waren besser als heute.<br />
Die Bedingungen für die Spieler waren<br />
besser. Tatsächlich hat man eigentlich<br />
mehr für sein Geld bekommen. Früher im<br />
Horseshoe bekamen die Gewinner eines<br />
Events ihr Zimmer im nächsten Jahr umsonst<br />
und zwar für die gesamte Zeit, für die sechs<br />
Wochen <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong>. Das gibt es nicht mehr,<br />
seit Harrah’s die <strong>WSOP</strong> übernommen hat.<br />
Dazu gabe es im Horseshoe während des<br />
Turniers immer Food Tickets und Getränke<br />
für Verpflegung musste man eigentlich nie<br />
etwas ausgeben. Heute zahle ich im Bellagio<br />
für fünf Wochen Unterkunft $ 10.000 bis $<br />
15.000 Dollar. Dazu kommen noch die Buyins.<br />
Auch im Handling <strong>mit</strong> unserem Geld<br />
gibt es gravierende Unterschiede: Früher<br />
wurde das gesamte Startgeld ausgezahlt,<br />
heute behalten die Veranstalter acht Prozent<br />
für sich. Früher waren Deals erlaubt: Heute<br />
ist das verboten. Wir werden abgezockt – die<br />
meisten Pokerspieler klatschen auch noch<br />
Beifall.<br />
Pokerspieler sind mediengeil und das<br />
nutzt das Fernsehen aus. Die großen<br />
Fernsehveranstaltungen diktieren die<br />
Bedingungen und wir Spieler haben davon<br />
wenig bis nichts. Eigentlich sollten wir, die<br />
Spieler, die Bedingungen stellen. Tatsächlich<br />
ist es jedoch umgekehrt. Einige namhafte<br />
amerikanische Spieler profitieren davon<br />
(Europäer werden in <strong>der</strong> Regel boykottiert).<br />
Das Fernsehen verdient enorm an <strong>der</strong><br />
Entwicklung, und es wird fast nichts an<br />
die Spieler weiter gegeben. Ich denke, dass<br />
Pokerspieler Fernsehturniere boykottieren<br />
sollten. Nur dann wird es besser. Doch ich<br />
kenne keine Gruppe, die so uneins ist. Diese<br />
mangelnde Solidarität schadet uns allen.<br />
Für die Spieler wird in Las Vegas rein gar<br />
nichts gemacht – wir dürfen nicht einmal<br />
mehr unser Geld unter uns aufteilen – da<br />
kommt gleich ein Fernsehproduzent und<br />
verbietet es.<br />
BLUFF Viele Teilnehmer qualifizieren sich<br />
inzwischen über das Internet. Vom Fernsehen<br />
einmal abgesehen, welche Rolle spielen die<br />
Online-Kasinos <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong>?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Die Online-Kasinos för<strong>der</strong>n<br />
natürlich den Pokerboom und ohne die<br />
Online-Kasinos und die dort angebotenen<br />
Qualifikationsturniere würde die Zahl<br />
<strong>der</strong> Teilnehmer <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong> drastisch<br />
zurückgehen. Im Moment ist die Nachfrage<br />
einfach größer als das Angebot. Die Kasinos<br />
in Las Vegas merken das natürlich und<br />
lehnen sich zurück. Leidtragende sind die<br />
Pokerspieler. Es ist ein reines Geschäft. Das<br />
muss man einfach so sehen. Man bietet den<br />
Leuten an, was die gerade so fressen. Es ist<br />
30 BLUFF EUROPE JULI 2008<br />
schade. Die Entwicklung gefällt mir nicht und<br />
<strong>mit</strong> dieser Meinung stehe ich nicht alleine da.<br />
Allerdings äußern die meisten ihre Kritik nur<br />
hinter vorgehaltener Hand.<br />
BLUFF Warum reisen dann Jahr für Jahr<br />
Tausende von Pokerspielern nach Las Vegas?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Ich glaube, die Chance im<br />
Rampenlicht zu stehen und Weltmeister zu<br />
werden, ist einfach zu groß.<br />
BLUFF Was würdest Du jemandem raten, <strong>der</strong><br />
zum ersten Mal die Spielerstadt besucht?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Je<strong>der</strong> sollte versuchen, die<br />
Events <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong> so zu sehen wie jedes<br />
an<strong>der</strong>e Turnier und versuchen, <strong>mit</strong> <strong>bei</strong>den<br />
Beinen auf dem Boden bleiben.<br />
BLUFF Welches Event würdest Du jemanden<br />
empfehlen, <strong>der</strong>, sagen wir<br />
mal, $ 5.000 für ein o<strong>der</strong><br />
mehrere Events gewonnen<br />
hat. Welche Events<br />
sind für einen Neuling<br />
beson<strong>der</strong>s reizvoll?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Gute Frage.<br />
Generell gilt: Je höher die<br />
Buy-ins, desto besser die<br />
Struktur. Ich könnte jetzt<br />
natürlich sagen, er soll das<br />
$ 10.000 Buy-in Pot Li<strong>mit</strong><br />
Omaha Event spielen. Das<br />
ist <strong>mit</strong> Sicherheit eins <strong>der</strong><br />
Turniere, das am meisten<br />
Spaß macht o<strong>der</strong> das $<br />
50.000 H.O.R.S.E.. Doch<br />
wer kann sich das schon<br />
leisten? Das Main Event<br />
hat sicherlich die größte<br />
Anziehungskraft, ist aber<br />
auch am schlechtesten<br />
besetzt. Und wer<br />
unbedingt ein Bracelet<br />
gewinnen will, <strong>der</strong> sollte<br />
sich ein Turnier <strong>mit</strong><br />
niedriger Teilnehmerzahl<br />
aussuchen. Bei manchen<br />
Turnieren spielen nur um<br />
die 200 Leute <strong>mit</strong>. Man kann aber auch auf<br />
Pokervarianten setzen, die im Moment nicht<br />
so hip sind. Große Events wie das Main Event<br />
gleichen einer Fahrt auf <strong>der</strong> Autobahn, <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
einem 100 Geisterfahrer entgegen kommen.<br />
Die kommen ganz sicher nicht ans Ziel Du<br />
aber wahrscheinlich auch nicht.<br />
BLUFF Man sagt, Du magst die<br />
Internetgeneration nicht beson<strong>der</strong>s. Stimmt<br />
das und wenn ja, warum?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Die Unterscheidung<br />
Internetgeneration versus alter Hase stammt<br />
nicht von mir. Das haben sich an<strong>der</strong>e<br />
ausgedacht. Allerdings haben wir, die so<br />
genannten alten Hasen, bereits im Internet<br />
gespielt, als die „Internetgeneration“ noch<br />
gar nicht wusste, wie man Poker schreibt.<br />
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Mich stört es nicht, wenn junge Leute im<br />
Internet spielen und Erfolg haben. Mich stört<br />
es auch nicht, wenn junge Leute im Internet<br />
spielen und groß rauskommen. Was mich<br />
stört, ist die Respektlosigkeit, die im Internet<br />
teilweise an den Tag gelegt wird. Ich finde es<br />
lächerlich, mich im Chat <strong>mit</strong> drei o<strong>der</strong> vier<br />
Buchstaben zu unterhalten LOL und LMAO.<br />
Ich habe keine Lust, mich Tausend Mal am<br />
Tag beleidigen zu lassen. Das ist einfach<br />
nicht meine Welt. Und ich muss mir nicht<br />
von einem 18-jährigen Hosenscheißer, <strong>der</strong><br />
irgendein Buch gelesen hat, an den Karren<br />
pinkeln lassen. Gestern Abend habe ich mir<br />
überlegt, ich lasse mich von diesen Deppen<br />
nur noch Siezen. Wer sind die überhaupt?<br />
Was haben die in ihrem Leben erreicht außer<br />
ihren Eltern auf den Sack zu gehen nichts!<br />
Das gilt übrigens nicht nur fürs Pokern.<br />
Heutzutage wird alles<br />
publik gemacht und je<strong>der</strong><br />
Idiot meint, er hätte das<br />
Recht, einen Kommentar<br />
dazu abzugeben. Egal was<br />
es ist. Aber das Schöne<br />
– und für mich eine<br />
persönliche Genugtuung<br />
da<strong>bei</strong> ist, dass viele von<br />
den Emporkömmlingen,<br />
die jetzt Millionen<br />
verdienen, genauso<br />
schnell wie<strong>der</strong> fallen<br />
werden.<br />
Aber um es klar zu<br />
stellen: Denjenigen, die<br />
respektvoll <strong>mit</strong>einan<strong>der</strong><br />
umgehen, die das Leben<br />
begreifen, gönne ich<br />
ihren Erfolg von ganzem<br />
Herzen. Ich nenne mal<br />
ein Beispiel: Sebastian<br />
Ruthenberg. Das ist<br />
wirklich ein netter<br />
Junge. Ich habe von ihm<br />
noch nie etwas Blödes,<br />
Beleidigendes o<strong>der</strong><br />
Negatives gehört. Ich<br />
habe <strong>mit</strong> Sebastian auch<br />
schon schön und heftig<br />
diskutiert und das ist völlig okay. Denn <strong>der</strong><br />
kommt <strong>mit</strong> Sicherheit <strong>mit</strong> seinen damals 20<br />
Lenzen nicht um die Ecke und sagt: „Hey Du<br />
Arsch, was willst Du denn hier.“ Er tut auch<br />
nicht so, als hätte er das Pokern erfunden.<br />
Sebastian erklärt mir seine Sicht <strong>der</strong> Dinge<br />
und er kann zuhören, genau wie ich zuhören<br />
kann. Aber ich höre <strong>mit</strong> Sicherheit nicht zu,<br />
wenn irgendein hergelaufenes Jüngelchen<br />
seine großen Erkenntnisse breit treten will.<br />
Tatsächlich gibt es Spieler, die sind maßlos<br />
arrogant. Einen jungen Spieler habe ich <strong>bei</strong><br />
den German Open einmal höflich darauf<br />
hingewiesen, dass es nicht korrekt war, sich<br />
von seinem Gegner die Hand zeigen zu lassen.<br />
Er erzählte dann etwas von Internetregeln,<br />
und dass wir uns anpassen müssen. Da<br />
wurde mir zum Beispiel gesagt: Warum soll<br />
ich denn jetzt die Hand meines Gegners nicht<br />
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sehen dürfen. Online brauche ich dafür doch<br />
nur auf Hand History zu klicken. Ich sage,<br />
das ist eben falsch und die Online-Kasinos<br />
bedienen da einfach nur Kundenwünsche.<br />
Und wo wir schon da<strong>bei</strong> sind: Was mich<br />
an <strong>der</strong> „Internetgeneration“ ebenfalls<br />
stört ist die Tatsache, dass Dinge gemacht<br />
werden, die definitiv nicht richtig o<strong>der</strong><br />
sogar betrügerisch sind. Musik-, Softwareo<strong>der</strong><br />
Filmdownload gilt <strong>mit</strong>tlerweile ja nicht<br />
einmal mehr als Kavaliersdelikt, son<strong>der</strong>n als<br />
völlig normal. Je<strong>der</strong> macht es. Das gleiche<br />
gibt es auch im Poker. Im Internet gibt es<br />
ein Lehrvideo, in dem zwei High Stakes<br />
Poker Spieler einen dritten im Heads-up<br />
beraten. Das heißt, da haben drei Leute an<br />
einem Computer gemeinsam gegen einen<br />
Einzelnen gespielt. Das ist Betrug. Und das<br />
Schlimme ist, dass die drei noch nicht einmal<br />
<strong>mit</strong>bekommen haben, dass sie betrügen.<br />
Hier fehlt es <strong>der</strong> Internetgeneration an<br />
Unrechtsbewusstsein.<br />
BLUFF Seit Jahren gibt es Streit<br />
darüber, ob Poker ein Glücks- o<strong>der</strong><br />
Geschicklichkeitsspiel, Sport o<strong>der</strong> nicht<br />
Sport ist. Wie siehst Du das?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Poker ist kein Sport. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />
sagt, Poker ist Sport, <strong>der</strong> hat für mich nicht<br />
alle Tassen im Schrank. Pokern ist für mich<br />
ein Spiel <strong>mit</strong> einem hohen Glücksfaktor.<br />
Und wenn ich <strong>mit</strong> Leuten spiele, die alle gut<br />
spielen, ist <strong>der</strong> Glücksfaktor umso höher.<br />
Wenn ich <strong>mit</strong> jemanden spiele, <strong>der</strong> relativ<br />
unbedarft ist, dann ist <strong>der</strong> Glücksfaktor<br />
relativ niedrig. Wir haben zum Beispiel <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> Premier Poker League, wo nur zwölf<br />
Leute <strong>mit</strong>spielen, gesehen, dass niemand<br />
den Finaltisch erreicht hat, <strong>der</strong> im Jahr<br />
zuvor am Finaltisch saß. Man sieht daran,<br />
wie groß <strong>der</strong> Glücksfaktor <strong>bei</strong>m Pokern ist.<br />
Wer etwas an<strong>der</strong>es behauptet, lügt sich und<br />
an<strong>der</strong>en etwas vor.<br />
BLUFF Wenn <strong>der</strong> Glücksfaktor so hoch ist:<br />
Wie kommt es dann, dass immer wie<strong>der</strong><br />
die gleichen Spieler in den Turnieren weit<br />
vorne landen?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Ich habe nicht gesagt, dass Poker<br />
ein Glücksspiel ist. Ich habe nur gesagt, dass<br />
<strong>der</strong> Glücksfaktor nicht zu unterschätzen ist.<br />
Tatsächlich sind die Finaltische sehr häufig<br />
<strong>mit</strong> guten Spielern besetzt. Überproportional<br />
häufig. Und natürlich gehört viel Können<br />
dazu, an einem Finaltisch zu landen. Und<br />
in <strong>der</strong> Tat sind die Chancen eines Gus<br />
Hansen ein Turnier zu gewinnen ungleich<br />
höher als die an<strong>der</strong>er Spieler, aber nicht<br />
so hoch, wie man es gerne haben würde.<br />
Bleiben wir <strong>bei</strong> Gus Hansen. Seine Chance,<br />
das Main Event <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong> zu gewinnen,<br />
wenn 8.000 Leute <strong>mit</strong>spielen, liegt nicht<br />
<strong>bei</strong> 8.000:1, son<strong>der</strong>n vielleicht <strong>bei</strong> 800:1.<br />
Vielleicht sind es auch 2.000:1 o<strong>der</strong> auch<br />
500:1, aber besser sind seine Chancen<br />
definitiv nicht. Da<strong>mit</strong> liegt er ja auch schon<br />
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JULI 2008 BLUFF EUROPE<br />
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gewaltig über dem Durchschnitt. Doch <strong>bei</strong><br />
einem Tennisturnier <strong>mit</strong> 8.000 Teilnehmern<br />
würde die Wahrscheinlichkeit, dass Roger<br />
Fe<strong>der</strong>er gewinnt, irgendwo <strong>bei</strong> 5:1 liegen.<br />
Und was die Leute betrifft, die immer wie<strong>der</strong><br />
an einem Finaltisch sitzen: Es gibt auch<br />
Spieler, die noch vor einem Jahr an vielen<br />
Finaltischen saßen, im letzten Jahr aber an<br />
keinem zu sehen waren. TJ Cloutier etwa,<br />
den sehe ich überhaupt nicht mehr. Daniel<br />
Negreanu hat 24 <strong>WSOP</strong> Events hintereinan<strong>der</strong><br />
gespielt, ohne ein einziges Mal zu cashen. Da<br />
kann man ja meine Großmutter hinsetzen <br />
die wird eher cashen. Das wird er auch selber<br />
bestätigen. Ich glaube, nur wenige Leute<br />
können vom Turnierpoker allein dauerhaft<br />
leben.<br />
BLUFF Wie sieht es <strong>bei</strong> <strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong> aus? Welche<br />
Quote hat er auf einen Sieg im Main Events<br />
und <strong>bei</strong>m Pot Li<strong>mit</strong> Omaha?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: 100 Prozent Final Table natürlich<br />
BLUFF Fahren Turnierspieler wegen <strong>der</strong><br />
Turniere zum Turnier o<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong><br />
Cashgames <strong>bei</strong> diesen Turnieren?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Gute Frage. Als ich das erste Mal<br />
ins Bellagio und ins Horseshoe nach Las Vegas<br />
gefahren bin, war das hauptsächlich wegen<br />
<strong>der</strong> Cashgames. Das, was ich für Turniere<br />
ausgegeben habe, konnte ich hinterher durch<br />
Cashgames wie<strong>der</strong> reinbringen. Und dann<br />
habe ich mal was im Turnier gewonnen. Das<br />
war natürlich toll.<br />
Man sieht auch die bekanntesten Spieler <strong>bei</strong><br />
Turnieren hauptsächlich <strong>bei</strong>m Cashgame.<br />
Das hängt natürlich von <strong>der</strong> Spielhöhe ab.<br />
Ein Phil Ivey wird sicher immer da sein, wo<br />
hohe Partien sind, nicht wegen <strong>der</strong> Turniere,<br />
son<strong>der</strong>n wegen <strong>der</strong> Cashgames.<br />
BLUFF Du bist jetzt gut ein halbes Jahr im<br />
Team <strong>der</strong> Full Tilt Poker Pros. Hat sich Pokern<br />
dadurch für Dich verän<strong>der</strong>t?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Im Grunde nicht. Ich zahle<br />
Reisespesen und Buy-in immer noch selbst.<br />
Pokern ist für mich eine Fernsehveranstaltung<br />
geworden. Und zum Fernsehen gehören<br />
Publicity und PR. Der Bekanntheitsgrad ist<br />
gestiegen. Und das ist ja nicht unbedingt<br />
schlecht. Das heißt, man wird, weil man<br />
<strong>bei</strong> Full Tilt im Team ist, zu <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Veranstaltung eingeladen. Ich blogge<br />
auf Overcards.de. Das hat Vorteile und mein<br />
Name wird bekannter.<br />
BLUFF Das Team glänzt durch starkes<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl. In Bregenz<br />
war das Team zum Wein trinken <strong>bei</strong> Markus<br />
Lehmann. Wirst Du vielleicht <strong>mit</strong> den USamerikanischen<br />
Full Tilt Pros in Las Vegas<br />
Golfen gehen? Vielleicht <strong>mit</strong> Phil Ivey?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Lei<strong>der</strong> war ich <strong>bei</strong>m Weintrinken<br />
<strong>bei</strong> Markus nicht da<strong>bei</strong>. Ich musste ar<strong>bei</strong>ten.<br />
32 BLUFF EUROPE JULI 2008<br />
Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl kann<br />
etwas ganz Tolles sein. Ich hoffe, wir können<br />
das aufrechterhalten. Ob ich <strong>mit</strong> Phil golfen<br />
gehe weiß ich nicht, aber ich denke schon.<br />
BLUFF Du hast einmal gesagt, es ist in<br />
Deutschland aus rechtlicher Sicht schwierig,<br />
sich als Pokerprofi zu bezeichnen?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Wie die rechtliche Situation in<br />
Deutschland in Bezug auf Online-Poker<br />
aussieht, entscheiden die Gerichte. Vieles<br />
ist da noch nicht klar. Allerdings habe ich<br />
schon Probleme bekommen, weil ich als<br />
Pokerprofi bezeichnet wurde. Denn <strong>der</strong><br />
Begriff „Pro“ kennzeichnet dich als einen<br />
jemanden, <strong>der</strong> berufsmäßig spielt und seinen<br />
Lebensunterhalt durch Poker verdient. Das<br />
kann Ärger geben, den<br />
ich lieber vermeide.<br />
Manche Leute haben<br />
hier allerdings ihr Ego<br />
nur schlecht im Griff. Ein<br />
Beispiel aus <strong>der</strong> Praxis:<br />
Unternimm doch mal den<br />
Versuch und fliege nach<br />
Amerika und wenn <strong>der</strong><br />
Zöllner <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Einreise<br />
fragt, warum Du nach<br />
Amerika willst, sagst Du,<br />
„Ich spiele Poker“. Dann<br />
fragt er Dich, „Sind Sie<br />
Profi?“, und Du willst<br />
unbedingt einen auf dicke<br />
Hose machen und sagst,<br />
„Ja“. Dann kannst Du<br />
gleich wie<strong>der</strong> nach Hause<br />
fahren. Denn Du hast gar<br />
keine Ar<strong>bei</strong>tserlaubnis<br />
für die USA.<br />
Daniel Negreanu hat<br />
einmal versucht, aus<br />
den Bahamas in die USA<br />
einzureisen und hatte<br />
60.000 Dollar in <strong>der</strong><br />
Tasche. Am Zoll haben<br />
sie natürlich gefragt, wo er dies viele Geld<br />
her hat. Antwort: I am a professional poker<br />
player“. Die haben sich totgelacht. Daniel<br />
hat versucht, den Zollbeamten zu erklären,<br />
dass sie ihn ja googeln könnten, er wäre<br />
ein bekannter Spieler und alles, was er<br />
sagt, im Internet nachzuprüfen. Worauf die<br />
Zollbeamten meinten, Googeln zähle nicht<br />
zu ihren Standardverfahren und Daniel ein<br />
paar Stunden festgehalten haben. Nur weil er<br />
seinen Mund einfach nicht halten kann.<br />
BLUFF Kennst Du noch an<strong>der</strong>e Anekdoten aus<br />
<strong>der</strong> Pokerwelt?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Gut gefällt mir eine Geschichte<br />
von Bill Gates, <strong>der</strong> 5/10 spielt. Übrigens ein<br />
gutes Beispiel für Bankrollmanagement. Als<br />
Doyle Brunson hörte, wer da spielte, kam er<br />
herunter und fragte, ob Bill nicht <strong>mit</strong> den<br />
großen Jungs spielen will. Gates antwortete<br />
Brunson, „Nein, so gut bin ich noch nicht“.<br />
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Am nächsten Tag kam Bill <strong>mit</strong> einem<br />
Exemplar von „SuperSystem“ zu Doyle und<br />
bat Brunson um ein Autogramm. Doyle holt<br />
seinen Stift raus und sagt – klar Bill, aber nur,<br />
wenn Du eine halbe Stunde <strong>mit</strong> uns spielst.<br />
Bill hat das Buch zugeklappt und gemeint,<br />
dann eben nicht. Das ist Klasse. Da ziehe ich<br />
meinen Hut. Solche Leute findest Du in <strong>der</strong><br />
Pokerszene nicht. In <strong>der</strong> Pokerszene findest<br />
Du nur Leute, die sagen, ich bin besser als<br />
du.<br />
Interessant ist übrigens, dass die<br />
schönen Anekdoten fast ausschließlich<br />
von Leuten herrühren, die nicht aus <strong>der</strong><br />
Internetgeneration stammen. Eskimo Clark<br />
zum Beispiel – <strong>der</strong> hat entwe<strong>der</strong> eine halbe<br />
Million in <strong>der</strong> Hosentasche o<strong>der</strong> muss seinen<br />
Wohnwagen verkaufen. Das sind Typen, die<br />
wirst Du bald nicht mehr<br />
in <strong>der</strong> Szene finden.<br />
Die eben nichts von<br />
Bankrollmanagement<br />
halten. Auch einen Typ<br />
wie Stu Ungar wirst Du<br />
in Zukunft nicht mehr<br />
sehen.<br />
Doch Stus Geschichte<br />
lebt weiter und befeuert<br />
die Phantasie, genau<br />
wie Chris Moneymakers<br />
Erfolg <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong> die<br />
Phantasie beflügelt hat.<br />
Doch früher wurden diese<br />
Leute bejubelt. Heute<br />
setzen sich zigtausende<br />
an ihre Computer und<br />
schreiben: „Was für ein<br />
Donk“, „What an idiot<br />
und <strong>der</strong>gleichen nette<br />
Dinge. Jede einzelne<br />
Hand wird zerpflückt und<br />
dann wird man beleidigt.<br />
Apropos Arroganz:<br />
Eine Geschichte kann<br />
ich noch erzählen. Vor<br />
fünf Jahren waren wir<br />
<strong>bei</strong> einem schönen kleinen Turnier in St.<br />
Martin. Ein bekannter deutscher Spieler war<br />
<strong>mit</strong> seinem Kumpel da und spielte 100/200<br />
Li<strong>mit</strong> Hold’em. Und er sagt zu mir, „Das ist<br />
eine geile Partie, hier spielen nur Trottel“. Die<br />
<strong>bei</strong>den „Trottel“, auf die er gezeigt hat, waren<br />
Patrik Antonius und Johnny Lodden. Beide<br />
waren damals unbekannt. Aber <strong>der</strong> deutsche<br />
Spieler hat sie gleich als Trottel erkannt –<br />
schließlich lag er gut vorne. Zum Schluss lag<br />
er allerdings gut hinten. Er konnte natürlich<br />
nicht wissen, wie sich Patrik Antonius o<strong>der</strong><br />
Johnny Lodden entwickeln würden, aber weil<br />
sie ungewöhnlich gespielt haben, dachte<br />
er, sie seien Freier und könnten nichts. Ich<br />
habe da nicht <strong>mit</strong>gespielt – nicht, weil ich<br />
den Durchblick hatte, son<strong>der</strong>n weil mir die<br />
Einsätze zu hoch waren.<br />
Und zum Thema Alter und Internetgeneration<br />
fällt mir noch eine Geschichte ein. Ob sie<br />
interessant ist, weiß ich allerdings nicht. Wie<br />
auch immer. Ich sitze <strong>mit</strong> Sorel Mizzi <strong>bei</strong> den<br />
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Australien Open an einem Tisch. Mizzi sitzt<br />
links von mir, spielt super-aggressiv und sehr<br />
stark. Es war eine sehr interessante Partie,<br />
weil auch Stefan Rapp <strong>mit</strong> am Tisch saß. Das<br />
hat viel Spaß gemacht. Irgendwie kam das<br />
Gespräch auf Online-Poker und Sorel erzählt,<br />
wie er unglaublich viele Tische gleichzeitig<br />
spielt. Darauf sage ich zu ihm: Du sagst,<br />
Du spielst immer 20 Tische parallel, weil<br />
Du da eine höhere Gewinnerwartung hast.<br />
Zwar nicht zwanzigfach so hoch, aber zehn<br />
bis zwölf Mal so hoch. Wenn ich vier Tische<br />
spiele, geht meine Gewinnerwartung in<br />
Verlust über. Und dann frage ich Sorel, ob<br />
er wisse, wo<strong>mit</strong> das zusammenhängt. Sorel<br />
darauf: „Ja, ihr seid nicht <strong>mit</strong> dem Internet<br />
aufgewachsen.“ Worauf ich ihn korrigiere:<br />
„Nein, Sorel, nur weil wir älter sind, heißt das<br />
nicht, dass wir verblödet sind. Wir konnten<br />
früher auch mehr aufnehmen. Ich sehe das<br />
in meinem Beruf. Ich sehe, wie ein junger<br />
Co-Pilot Dinge doppelt so schnell aufnimmt<br />
wie ich. In seinem Alter war ich allerdings<br />
genau so schnell. Damals. Nur heute eben<br />
nicht mehr.“ Dann fragt mich Sorel: „Glaubst<br />
Du denn, dass ich, wenn ich in Deinem Alter<br />
bin, nicht mehr 20 Tische parallel spielen<br />
kann?“ Und da habe ich gesagt, „Nein, Sorel,<br />
das glaube ich nicht, das weiß ich. Und das<br />
Schöne ist: Du wirst es gar nicht merken. Du<br />
wirst gar nicht merken, wenn es so weit ist.<br />
Du wirst Dir sagen, das ist ein Downswing<br />
o<strong>der</strong> die Varianz. Du wirst Ausreden<br />
suchen, weil Du plötzlich zu einem Verlierer<br />
geworden bist.“ Er wurde nachdenklich<br />
und sagte: „Vielleicht hast Du recht.“ Der<br />
Typ wird es weit bringen – und hat es ja<br />
schon weit gebracht. Weil er ein bisschen<br />
nachdenken kann. Und nicht glaubt, dass er<br />
die Weisheit <strong>mit</strong> Löffeln gefressen hat.<br />
BLUFF Noch einmal zur <strong>WSOP</strong>. Wie im letzten<br />
Jahr werden 2008 zahlreiche Deutsche,<br />
Schweizer und Österreicher da<strong>bei</strong> sein. Ein<br />
deutsches Pokermagazin veröffentlichte<br />
sogar eine <strong>WSOP</strong>-Chancenanalyse, in <strong>der</strong><br />
aufgrund von Erfahrung und Form die<br />
Chancen für das Erreichen eines Finaltisches<br />
bewertet werden. Deine Erwartung für<br />
das Erreichen eines Final Tables wird dort<br />
auf 61 Prozent geschätzt, die von Markus<br />
Golser <strong>bei</strong> 73 Prozent, Ivo Donev kommt auf<br />
64 Prozent, Florian Langmann nur auf 28<br />
Prozent.<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Ich frage mich, welche<br />
Kriterien <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Chancenbewertung genau<br />
heran gezogen wurden. Wenn ich eine<br />
Prognose für die genannten Personen geben<br />
sollte, würden die Erwartungschancen<br />
deutlich niedriger ausfallen. Es freut mich,<br />
dass ich <strong>mit</strong> einer Erwartungshaltung von<br />
über 60 Prozent zur <strong>WSOP</strong> fahre. Ich glaube<br />
nicht, dass ich doppelt so gute Chancen<br />
habe, einen Final Table zu erreichen wie<br />
Florian Langmann. Er ist unterbewertet.<br />
Ich glaube, Markus Golser hat eine große<br />
Chance. Ich glaube nicht, dass Ivo Donev so<br />
eine große Chance hat. Das hängt natürlich<br />
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auch davon ab, wie viele Turniere man<br />
spielt. Je mehr Turniere jemand spielt,<br />
desto größer sind natürlich seine Chancen<br />
auf einen Finaltisch. Vielleicht sind 60<br />
Prozent <strong>bei</strong> mir eine gute Schätzung. Wenn<br />
ich <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>WSOP</strong> 50 Turniere spiele, dann<br />
hoffe ich doch, dass ich irgendwo einen<br />
Finaltisch erreiche. Aber ob ich das mache,<br />
weiß ich nicht. Und ob einer dieses Jahr ein<br />
Bracelet holt – Stu Ungar hat einmal gesagt,<br />
man kann einmal <strong>mit</strong> Glück ein Bracelet<br />
holen, zwei Mal nicht. Ich bin Stu für diesen<br />
Satz dankbar (schmunzelt). Deswegen<br />
habe ich ja auch zwei gewonnen; aber Spaß<br />
<strong>bei</strong>seite. Man kann eins gewinnen, aber<br />
man muss ein bisschen Glück da<strong>bei</strong> haben.<br />
Das schmälert die Leistung <strong>der</strong>jenigen, die<br />
eins gewonnen haben, überhaupt nicht. Das<br />
ist in jedem Fall ein Riesenerfolg, auf den<br />
je<strong>der</strong> stolz sein kann. Sollte ich noch eins<br />
gewinnen, wäre ich sehr stolz darauf.<br />
BLUFF Wie ich gehört habe, wirst Du in<br />
diesem Jahr das $ 1.500, das $ 3.000 und<br />
das $ 10.000 No Li<strong>mit</strong> Hold’em Main Event<br />
spielen.<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Ach ja. Grundsätzlich weiß<br />
ich eigentlich nie, was ich nächste Woche<br />
machen werde. Dafür wissen an<strong>der</strong>e<br />
immer sehr gut, was ich in einem halben<br />
Jahr machen werde. Ich habe <strong>mit</strong> Pokern<br />
unter an<strong>der</strong>em deshalb angefangen, weil<br />
ich mich nicht mehr irgendwelchen Regeln<br />
unterwerfen möchte. Doch jetzt erwarten<br />
alle von mir ein Statement, was ich in<br />
Zukunft machen werde. Das weiß ich doch<br />
nicht. Ich werde sicherlich das eine o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e Turnier spielen und ich möchte<br />
auch das 10.000 Main Event spielen. Gerne<br />
auch das $ 10.000 Pot Li<strong>mit</strong> Omaha. Doch es<br />
hängt immer davon ob, wie es gerade läuft.<br />
BLUFF Einer Chancenanalyse nach giltst Du<br />
als Favorit für das 10.000 Pot Li<strong>mit</strong> Omaha<br />
Event, Event # 50.<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: In einem Turnier, das ich<br />
vielleicht gar nicht spiele, bin ich Favorit?<br />
Pot Li<strong>mit</strong> Omaha, Buy-in $ 10.000, Event<br />
#50. Gut, wenn mir jemand die 10.000<br />
Dollar Buy-in gibt, dann spiele ich das<br />
Turnier sofort. Aber weil ich für mein Geld<br />
ar<strong>bei</strong>ten muss und das Buy-in aus eigener<br />
Tasche bezahle, nehme ich mir die Freiheit,<br />
vor Ort und einen Tag vor Beginn des<br />
Turniers zu entscheiden, ob ich <strong>mit</strong>spiele<br />
spiele o<strong>der</strong> nicht. Eins stimmt aber: Bei<br />
diesem Turnier wäre ich gerne da<strong>bei</strong>.<br />
Und was die Chancenanalysen betrifft,<br />
so möchte ich folgendes dazu sagen:<br />
Die Mathematiker haben vielleicht<br />
mathematisch gesehen recht. Aber <strong>der</strong><br />
Mensch ist keine Maschine. Und wenn ich<br />
das Gefühl habe, es läuft nicht, dann spiele<br />
ich auch nicht. Ich bin zum Beispiel nach<br />
Salzburg gefahren und habe eine Hand<br />
gespielt und wie<strong>der</strong> nach Hause gefahren.<br />
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BLUFF Wo<strong>mit</strong> wir <strong>bei</strong> Bad Beat Storys sind.<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Ich habe in <strong>der</strong> letzten Zeit Beats<br />
bekommen, die sind nicht mehr feierlich. Ich<br />
meine jetzt nicht 20:80 Bad Beats, ich rede<br />
von Wahrscheinlichkeiten von 1,24 Prozent.<br />
BLUFF Deine Bad Beat Story in Salzburg?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Das war jetzt nur 80-20 pre-flop,<br />
aber die Situation hatte es schon in sich. Ich<br />
fliege nach Salzburg und lande um 14 Uhr.<br />
Auch das Turnier fing um 14 Uhr an. Also<br />
rufe ich Edgar Stuchly an<br />
und frage, ob er mir einen<br />
Platz reservieren kann.<br />
Ich würde bestimmt<br />
kommen, wenn auch<br />
<strong>mit</strong> kleiner Verspätung.<br />
Der Flieger landet sehr<br />
pünktlich und ich bin<br />
um 14:19 im Schloss<br />
Klessheim. Bis dahin<br />
war gerade einmal eine<br />
Hand gespielt worden. Ich<br />
komme hin, schaue mein<br />
Karten an, raise ein wenig<br />
<strong>mit</strong> – ich glaube, ich hatte<br />
J-9 – und gewinne den Pot.<br />
Danach stehe ich auf und<br />
begrüße einige Freunde.<br />
Dadurch verpasse ich ein<br />
o<strong>der</strong> zwei Hände, was ja<br />
nicht schlimm ist. Dann<br />
werden die Karten wie<strong>der</strong><br />
ausgeteilt und bevor die<br />
letzte Karte meinen Platz<br />
erreicht, setze ich mich<br />
wie<strong>der</strong> hin und sehe zwei<br />
Asse. Wie schön, denke<br />
ich. Un<strong>der</strong>-the-Gun limpt Harry Casagrande<br />
in den Pot. Harry ist ein sehr starker Spieler<br />
und ich möchte ihn jetzt zu Beginn nicht<br />
unbedingt in <strong>der</strong> Hand <strong>mit</strong> da<strong>bei</strong> haben, weil<br />
die Pötte sehr groß werden können. Man will<br />
ja nicht gleich am Anfang herausfliegen. Mit<br />
meinen <strong>bei</strong>den Assen erhöhe ich deshalb auf<br />
das fünffache. Ich wollte Harrys Hand etwas<br />
einschränken und wollte nicht, dass er <strong>mit</strong><br />
schwachen Karten nachbezahlt und doch<br />
noch trifft.<br />
Doch jetzt reraist einer hinter mir auf 500,<br />
also ein doppeltes Reraise. Harry schmeißt<br />
weg und ich denke, das ist aber komisch. 500<br />
ist ein typisches Mini-Reraise, wie man es oft<br />
im Internet sieht – entwe<strong>der</strong> haben die Leute<br />
gar nichts o<strong>der</strong> Asse o<strong>der</strong> Könige. Um das<br />
herauszufinden, möchte ich seine Hand näher<br />
eingrenzen und reraise auf 2.000. Als er callt,<br />
bin ich mir ziemlich sicher, dass er Könige<br />
o<strong>der</strong> Damen hat. Wo<strong>bei</strong> ich eher auf Könige<br />
tippe. Ich werde nicht alle Chips verlieren,<br />
wenn ein König, aber kein Ass im Flop ist. Der<br />
Flop kommt 9 hoch, zwei Karos und 9-8 liegen<br />
dort. Ich denke, er wird <strong>mit</strong>checken, wenn ich<br />
checke, <strong>der</strong> Flop ist nicht so ungefährlich.<br />
Wenn er Könige hat, wird er bezahlen. Also<br />
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spiele ich <strong>bei</strong> einem Pot von 4.000 <strong>mit</strong> 3.500<br />
an. Er überlegt und callt. Am Turn kommt<br />
<strong>der</strong> Karo Bube – <strong>mit</strong> meinem Karo-Ass habe<br />
ich jetzt noch ein Nut Flush Draw und gehe<br />
All-in. Er bezahlt <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Bemerkung: „Jetzt<br />
muss ich kaufen.“ Dann dreht er seine Karten<br />
um und zeigt zwei Damen, ich lege die <strong>bei</strong>den<br />
Asse auf den Tisch. Am River kommt jedoch<br />
kein Karo, son<strong>der</strong>n eine Dame. Zum Abschied<br />
erzählt er mir noch eine Bad Beat Story aus<br />
früheren Tagen. Hat mich sehr interessiert<br />
;-).<br />
BLUFF Du bist dann gleich wie<strong>der</strong> nach Hause<br />
gefahren?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Ja! Ich bin ja<br />
zu nichts verpflichtet, ich<br />
habe doch keinen Vertrag<br />
unterschrieben, dass ich<br />
diese o<strong>der</strong> diese Turniere<br />
spielen werde. Das gilt<br />
auch für Las Vegas. Ich<br />
werde voraussichtlich<br />
am 11. Juni hinfliegen<br />
und wenn alles gut geht,<br />
komme ich am 18. Juli<br />
zurück. Das heißt, ich<br />
werde hoffentlich sechs<br />
Wochen dort bleiben. Geht<br />
mir das Geld aus, komme<br />
ich früher zurück.<br />
BLUFF Am 11. Juni beginnt<br />
gerade Event #21, ein<br />
5.000 No Li<strong>mit</strong> Hold’em<br />
Turnier. Der richtige<br />
Auftakt für Dich?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Also, am 11.<br />
werde ich sicher nicht<br />
spielen. Ich werde sicherlich ein paar No<br />
Li<strong>mit</strong> Hold’em Events spielen. Die spiele<br />
ich sowieso am liebsten. Auch das Pot<br />
Li<strong>mit</strong> Holdem werde ich spielen. Ich werde<br />
versuchen, soviel wie möglich zu spielen.<br />
BLUFF Wie viel Geld wirst Du 2008 an Buy-in<br />
bezahlen? Darf ich das wissen?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Nein! (lacht herzhaft)<br />
BLUFF Es gibt World Championship Events und<br />
Events ohne World Champion im Titel. Wo<br />
liegt hier <strong>der</strong> Unterschied? Ist es richtig, dass<br />
nur <strong>der</strong> Weltmeister ist, <strong>der</strong> auch ein World<br />
Champion Event gewinnt?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Also, ich habe mich nie als<br />
Weltmeister gefühlt und ich habe mich<br />
nie als Weltmeister bezeichnet. An<strong>der</strong>e<br />
dagegen, die so ein Event gewonnen haben,<br />
wie ich es gewonnen habe, bezeichnen sich<br />
gerne schon einmal als Weltmeister. Mir ist<br />
das egal. Aber für mich sind nur die Events<br />
Weltmeisterschaften, die World Champion im<br />
Titel führen.<br />
BLUFF Wirst Du <strong>mit</strong> Bracelet am Tisch sitzen?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Gute Frage, ich denke ja. Auch<br />
wenn ich eigentliche keine Armbän<strong>der</strong><br />
trage. Aber in Las Vegas hat so ein Armband<br />
durchaus seine Vorteile. Vor einigen Jahren<br />
habe ich in Las Vegas einmal $ 5.000 Satellite<br />
gespielt. Heute würde man Sit’n’Go sagen.<br />
Das Buy-in betrug $ 500 und es galt „Winner<br />
takes All“, das heißt, <strong>der</strong> Sieger bekommt das<br />
Buy-in für das $ 5.000 Event.<br />
Ich gehörte zu den letzten Drei am Tisch.<br />
Mit da<strong>bei</strong> waren noch Syracuse Chris, ein<br />
amerikanischer Profi, <strong>der</strong> gerne und gut High<br />
Li<strong>mit</strong>s spielte und eine völlige Weichbirne.<br />
Wir hatten alle drei etwa gleichviel Chips.<br />
Jetzt fragt Syracuse Chris, „Sollen wir teilen?<br />
Er wollte weg. Je<strong>der</strong> von uns würde $ 1.700<br />
bekommen, also habe ich gesagt, Ja, warum<br />
nicht“. Doch die Weichbirne meinte, „Nein, ich<br />
will nicht“. Der schlechteste Spieler hat den<br />
Deal abgelehnt. Gleich in <strong>der</strong> nächsten Hand<br />
hat Chris <strong>mit</strong> einem Paar Buben gegen die<br />
Damen <strong>der</strong> Weichbirne das Nachsehen. Chris<br />
ist also ausgeschieden und die Weichbirne<br />
sagt jetzt zu mir: „Wollen wir teilen?“ Er<br />
hat zwei Mal so viel Chips wie ich, also<br />
frage ich ihn, „Wie sollen wir denn teilen?“<br />
Antwort: „50:50“. Da sage ich „Okay!“ Denn<br />
kein Spieler ist so viel besser, dass er einen<br />
solchen Deal ablehnen kann.<br />
Natürlich war ich neugierig, warum er denn<br />
vorher den Deal ausgeschlagen hatte. Und<br />
er meinte: „Du bist ein Weltklassespieler. Du<br />
hast ein Bracelet. Der an<strong>der</strong>e war ein Idiot.“<br />
Dazu muss man sagen, dass Syracuse Chris<br />
ebenfalls ein Bracelet hat – vielleicht sogar<br />
zwei. Innerlich habe ich mich totgelacht.<br />
Irgendwann später fragt mich Chris dann:<br />
Hast Du gewonnen? Nein, sage ich. Wir<br />
haben nach Deinem Ausscheiden sofort<br />
geteilt. Ich habe die Hälfte bekommen. Er<br />
fiel aus allen Wolken und ich habe ihm die<br />
Geschichte <strong>mit</strong> dem Bracelet erzählt. Da<br />
haben wir zusammen gelacht und Chris hat<br />
nur gesagt, „Ich glaube, <strong>bei</strong>m nächsten Mal<br />
muss ich auch ein Bracelet tragen“.<br />
BLUFF Also, nie ein Satellite ohne Bracelet<br />
spielen. Vielleicht kannst Du ja Geld da<strong>mit</strong><br />
machen, Dein Bracelet zu verleihen, wenn Du<br />
nicht selber spielst?<br />
<strong>Eddy</strong> <strong>Scharf</strong>: Hey, das ist eine gute Idee, mach<br />
mal was, Du bist <strong>mit</strong> 10 Prozent da<strong>bei</strong>.<br />
Denn vor einem Bracelet haben die Leute<br />
Respekt. Und unter Umständen kommst Du<br />
an einem Tisch – das ist mir 2004 passiert<br />
– wo die Leute soviel Respekt haben, dass<br />
sie sich gar nicht trauen, Dich aus <strong>der</strong> Hand<br />
zu bluffen. Sie trauen sich gar nicht, weil sie<br />
denken, das gehört sich nicht.<br />
BLUFF Danke für das nette Gespräch und viel<br />
Glück in Las Vegas. Vielleicht habe ich bis<br />
dahin ein Konzept für den professionellen<br />
Verleihen von Bracelets entwickelt – für 200<br />
pro Satellite?<br />
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