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28 FREIZEIT GENERATION<strong>plus</strong>+<br />
ZEITFÜR KREATIVITÄT<br />
[Gp-stm]. Wenn <strong>die</strong> 61-jährige Göttingerin<br />
Jutta Sch<strong>um</strong>ann das Haus verlässt, hat sie<br />
seit Kurzem immer ihre neue Lieblings -<br />
tasche dabei. Außen mit gestepptem großem<br />
Karomuster, innen ein helles Futter,<br />
z<strong>um</strong> Verschließen ein derber Reißverschluss.<br />
„Die habe ich selbst genäht“, sagt Schu -<br />
mann. „Seit meinem Vorruhestand vor ei -<br />
nem halben Jahr habe ich wieder Zeit z<strong>um</strong><br />
Kreativsein.“<br />
Für viele Menschen, <strong>die</strong> in den Ruhestand<br />
gehen, gewinnen Kunst und Kultur einen<br />
neuen Stellenwert, sie wollen <strong>die</strong> gewonnene<br />
Freizeit kreativ nutzen. Mit der neuen<br />
Lebensphase hat <strong>sich</strong> Sch<strong>um</strong>ann eine neue<br />
Aufgabe gegeben. Indem sie <strong>sich</strong> an der<br />
Nähmaschine austobt, kann sie einem bislang<br />
vernachlässigten Lebensziel nachgehen,<br />
nämlich z<strong>um</strong> eigenen Vergnügen<br />
schöpferisch tätig zu sein. „Angst hatte ich<br />
vor dem Vorruhestand nicht“, sagt Schu -<br />
mann, „ich habe mich schon darauf gefreut,<br />
<strong>die</strong> Nähmaschine zu entstauben und<br />
meine Vorstellungen <strong>um</strong>zusetzen.“<br />
Sch<strong>um</strong>ann beweist: Die Kreativität älterer<br />
Menschen sieht heute ganz anders aus als<br />
früher. „Meine Elterngeneration hat höchstens<br />
für Bl<strong>um</strong>entöpfe Makramee-Ampeln<br />
geknüpft, mit denen dann <strong>die</strong> arme<br />
Verwandtschaft überhäuft wurde“, sagt <strong>die</strong><br />
Göttingerin. „Aber <strong>die</strong>se braunen Staub -<br />
fänger waren nur hässlich.“ Die Frauen, <strong>die</strong><br />
sie bastelten, hätten <strong>sich</strong> damit aber immerhin<br />
halbwegs beschäftigen können. Oder<br />
<strong>die</strong> <strong>Generation</strong> habe ihre letzten kreativen<br />
Bedürfnisse beim Sockenstricken ausgelebt.<br />
So richtig kreativ findet Sch<strong>um</strong>ann solche<br />
Makramee-Ampeln allerdings nicht. „Das ist<br />
eher langweilig.“ Wer kreativ ist, will eigentlich<br />
etwas Neues schaffen, sagen Kreativi -<br />
täts forscher. Die immer selbe Makramee-<br />
Ampel gehört nicht dazu. Abwechslung ist<br />
Tr<strong>um</strong>pf. Das Nähen der 61-jährigen Schu -<br />
mann geht eher in Richtung guten De -<br />
signens. <strong>Sie</strong> finde ihre letzte Tasche schick<br />
und topmodisch. „Und <strong>die</strong> mach ich nur<br />
für mich und nicht als Staubfänger für <strong>die</strong><br />
Verwandtschaft.“<br />
Es geht aber noch deutlich unkreativer, als<br />
Makramee zu knüpfen: Bis zu acht Stunden<br />
sitzen deutsche Rentner vor dem Fernseher.<br />
„Schrecklich, das ist doch schon fast wie tot“,<br />
sagt Sch<strong>um</strong>ann. Solche Menschen wüssten<br />
nichts mehr mit <strong>sich</strong> und ihrer Zeit anzufangen.<br />
„Wenn ich kreativ bin, weiß ich, dass<br />
ich noch lebe. Die Wissenschaft hat aus der<br />
Kreativität reiferer Menschen längst eine<br />
neue Disziplin gemacht. Kulturgeragogik<br />
heißt das junge Fachgebiet, das <strong>sich</strong> mit den<br />
Segnungen der Kunst beschäftigt. Wer kreativ<br />
ist, beweist Originalität und Flexibilität,<br />
Neugier und Experimentierlust. Kreativität<br />
hält geistig fit und jung.<br />
Und wer kreativ ist, bleibt gesünder, wie eine<br />
Stu<strong>die</strong> aus Großbritannien zeigte. Eine Grup -<br />
pe von Menschen, <strong>die</strong> im Durchschnitt<br />
immerhin schon 80 Jahre alt war, wurde von<br />
professionellen Künstlern im Malen, Töpfern,<br />
Tanzen, Musizieren oder Dichten angeleitet.<br />
Ihr Gesundheitszustand war nach einem<br />
Jahr deutlich besser als bei einer nicht kreativen<br />
Kontrollgruppe. Die Kreativen gingen<br />
seltener z<strong>um</strong> Arzt, nahmen weniger<br />
Medikamente ein, hatten ein größeres<br />
Wohlbefinden und waren insgesamt aktiver.<br />
Malen oder Töpfern trainieren zudem das<br />
Gedächtnis.