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Therapie - Dr. Kade

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PRAXISHANDBUCH<br />

KOLOPROKTOLOGIE<br />

Franz Raulf<br />

Gerd W. Kolbert<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />

Pharmazeutische Fabrik GmbH, Berlin


PRAXISHANDBUCH<br />

KOLOPROKTOLOGIE<br />

Franz Raulf<br />

Gerd W. Kolbert<br />

Tab.: 14-1<br />

Ein Service von <strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />

für Studium und Fortbildung


Vorwort<br />

Die erste Auflage dieses Praxishandbuchs ist bereits vor 15 Jahren erschienen.<br />

Da sich auf dem Gebiet der Koloproktologie inzwischen zahlreiche Neuerungen<br />

ergeben haben, wurde jetzt eine Überarbeitung erforderlich. Vor 15<br />

Jahren war beispielsweise der Erfolg des Staplerverfahrens zur Behandlung<br />

des Hämorrhoidalleidens noch nicht absehbar. In der Behandlung der<br />

chronischen Analfissur hat sich zwischenzeitlich durch die Einführung der<br />

Nitrosalbe und anderer Substanzen zur intraanalen <strong>Dr</strong>ucksenkung eine vermeintliche<br />

Änderung in Richtung auf ein konservatives Vorgehen ergeben,<br />

das andererseits aber die operativen Maßnahmen bisher nicht überflüssig<br />

macht. Die minimal-invasiven Operationstechniken am Kolorektum wurden<br />

fortentwickelt. Die Klassifizierung der kolorektalen Adenome wurde durch<br />

die Wien-Klassifikation so geändert, dass die Bewertung der Befunde unter<br />

Kollegen unterschiedlicher Fachrichtungen vereinheitlicht und verbessert<br />

wurde. Zwischenzeitlich wurde in Deutschland die Vorsorgekoloskopie für<br />

gesetzlich versicherte Patienten eingeführt. Alle diese Änderungen sind im<br />

proktologischen Alltag spürbar und erfordern somit eine Darstellung in dieser<br />

Neufassung des Praxishandbuchs.<br />

Das Buch wendet sich weiterhin an Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen,<br />

da die Koloproktologie in Deutschland interdisziplinär aufgestellt ist. Die<br />

neu geschaffene Zusatz-Qualifikation »Proktologie« wird unserer Disziplin<br />

in den kommenden Jahren Auftrieb geben. Eine fundierte Ausbildung der<br />

Ärzte kommt den betroffenen Patienten zugute. Der Schwerpunkt dieses Praxishandbuchs<br />

liegt aber weiterhin auf der chirurgischen Betrachtungsweise<br />

des Gebiets der Koloproktologie.<br />

Der Umfang des Buches hat durch die Darstellung der diagnostischen<br />

und therapeutischen Innovationen zugenommen. Durch die geänderte Ausstattung<br />

soll der Nutzen als Praxishandbuch noch besser zum Tragen kommen.<br />

Wir danken der Firma <strong>Dr</strong>. KADE für die Möglichkeit einer Neuauflage.<br />

Dieses verdient unsere besondere Wertschätzung, da <strong>Dr</strong>. KADE hierdurch<br />

einen nützlichen Service für die Fortbildung der koloproktologisch tätigen<br />

Kollegen leistet.<br />

Münster/Hannover im März 2006<br />

Franz Raulf<br />

Gerd W. Kolbert


Allgemeiner Teil<br />

Spezieller Teil<br />

Inhalt<br />

1. Anatomie des Anorektums 5<br />

2. Physiologie des Anorektums 9<br />

3. Koloproktologische Diagnostik 17<br />

4. Hämorrhoidalleiden 35<br />

5. Analvenenthrombose 51<br />

6. Analfissur 55<br />

7. Analabszess/Analfistel 63<br />

8. Pilonidalsinus 71<br />

9. Akne inversa 75<br />

10. Analekzem 79<br />

11. Anorektale Prolapsformen 83<br />

12. Rektumprolaps 91<br />

13. Anale Inkontinenz 99<br />

14. Kolorektale Funktionsstörungen 117<br />

15. Anale und perianale Neoplasien 127<br />

16. Tumoren des Kolorektums 143<br />

17. Entzündliche Darmerkrankungen 157<br />

18. Stomatherapie 169<br />

18. Anhang 176<br />

3


1 Anatomie des Anorektums<br />

1 Anatomie des Anorektums<br />

Muskuläre Anteile des Kontinenzorgans 6<br />

Epitheliale Anteile des Kontinenzorgans 6<br />

Subepitheliale Anteile des Kontinenzorgans 7<br />

Nervale Anteile des Kontinenzorgans 8<br />

5


6<br />

Vorbemerkung: Die anatomischen Strukturen<br />

des Anorektums werden verständlich vor dem<br />

Hintergrund der physiologischen Aufgabe, die<br />

es mit der Aufrechterhaltung der Kontinenz zu<br />

leisten hat. Dabei sind für die Haltefunktion<br />

insbesondere die folgenden anatomischen<br />

Bestandteile des insgesamt als Kontinenzorgan<br />

bezeichneten Bereichs verantwortlich<br />

(vgl. Abb. 1-1).<br />

1. Muskuläre Bestandteile des Kontinenzorgans<br />

M. sphincter ani internus<br />

M. sphincter ani externus<br />

M. puborectalis<br />

2. Epithelialer Anteil des Kontinenzorgans<br />

Anoderm<br />

Übergangsepithel<br />

3. Subepithelialer Anteil des Kontinenzorgans<br />

Plicae transversales<br />

Corpus cavernosum recti =<br />

Plexus haemorrhoidalis internus<br />

4. Nervale Anteile des Kontinenzorgans<br />

somatisch: Äste aus dem Plexus pudendus<br />

autonom: intramurale Dehnungsrezeptoren<br />

Entwicklungsgeschichtlich stoßen im Analkanal<br />

Ektoderm und Entoderm zusammen. Der<br />

sogenannte anatomische Analkanal wird dabei<br />

vom Ektoderm gebildet. Er endet in Höhe der<br />

Linea dentata. Diese Linea dentata ist aufgrund<br />

der Einziehungen der Kryptenlinie makroskopisch<br />

leicht zu erkennen und in ihrer anatomischen<br />

Höhe sicher festzulegen. Der chirurgische<br />

Analkanal umfasst auch den proximal dieses<br />

Bereichs gelegenen Anteil, bis in die Höhe des<br />

anorektalen Ringes. Dort erweitert sich der<br />

Canalis analis zur Ampulla recti.<br />

Muskuläre Anteile<br />

des Kontinenzorgans<br />

Die muskulären Anteile des Kontinenzorgans<br />

umgreifen den Analkanal in einer Weise,<br />

die man sich am ehesten als ineinander gesteckte<br />

Hohlzylinder vorstellen kann. Die<br />

innere Schicht dieser Hohlzylinder stellt der<br />

Anatomie des Anorektums 1<br />

M. sphincter ani internus dar, der als Fortsetzung<br />

der Ringmuskulatur des Rektums zu<br />

sehen ist. Es handelt sich hierbei um einen<br />

glatten Muskel, der zu einer ökonomischen<br />

Haltefähigkeit im Sinne einer Dauerkontraktion<br />

fähig ist und den Analkanal in Ruhe geschlossen<br />

hält.<br />

Um diese Ringmuskelschicht des M. sphincter<br />

ani internus herum liegt im unteren Anteil<br />

des Analkanals der quergestreifte M. sphincter<br />

ani externus. Ähnlich der quergestreiften<br />

Skelettmuskulatur ist er zu einer kurzzeitigen<br />

Maximalkontraktion im Sinne einer willkürlichen<br />

Aktion fähig. Er kann den Analkanal<br />

unter Funktionsbedingungen aktiv kraftvoll<br />

verschließen, wobei er sich nach kurzer Zeit<br />

erschöpft.<br />

Nach proximal schließt sich der ebenfalls<br />

quergestreifte M. puborectalis an, der entwicklungsgeschichtlich<br />

dem untersten Teil des M.<br />

Levator ani entspricht. Er bildet mit den drei<br />

Anteilen M. iliococcygeus, M. pubococcygeus<br />

und dem M. puborectalis die Levatorenplatte,<br />

die ihrerseits den muskulären Abschnitt des<br />

Beckenbodens darstellt. Der M. puborectalis<br />

ist die entscheidende <strong>Dr</strong>uckbarriere der<br />

Grobkontinenz. Er umgreift das Rektum von<br />

dorsal her in Form einer Schlinge, wobei er<br />

die ventralen Anteile ausspart und nach vorne<br />

in breiten, sehnigen Ansätzen zum Os pubis<br />

zieht. Eine Kontraktion dieses quergestreiften<br />

Muskels führt zu einem queren Verschluss des<br />

oberen Analkanals durch Ventralisation der<br />

Hinterwand des unteren Rektums im Sinne<br />

eines Quetschverschlusses. Der M. puborectalis<br />

zieht dabei die Rektumhinterwand unter die<br />

Vorderwand und verkleinert hierdurch den<br />

sogenannten anorektalen Winkel.<br />

Epitheliale Anteile<br />

des Kontinenzorgans<br />

Die epitheliale Auskleidung des Analkanals<br />

besteht in einer <strong>Dr</strong>eiteilung, wobei insbesondere<br />

das Epithel des distalen Anteils, also des anatomischen<br />

Analkanals, für die Kontinenzfunktion<br />

bedeutsam ist. Hier liegt das trockene, nicht<br />

verhornende Plattenepithel des Anoderms, das


1 Anatomie des Anorektums<br />

Plica transversalis recti superior<br />

Plica transversalis recti media (Kohlrausch)<br />

Ampulla recti<br />

Columna analis<br />

Sinus analis (Morgagnische Krypte)<br />

Linea dentata<br />

Intersphinktärer Spalt<br />

Fascia perinei transversalis<br />

Ausführungsgang der Proktodealdrüse<br />

Faserbündel des M. canalis ani<br />

Plexus haemorrhoidalis externus<br />

Linea anocutanea (Hilton)<br />

aufgrund seiner intensiven Versorgung mit<br />

sensiblen Nervenendigungen in der Lage ist,<br />

unterschiedliche Stuhlqualitäten wahrzunehmen.<br />

Oberhalb der Dentatalinie, im aus dem<br />

Entoderm stammenden Anteil des chirurgischen<br />

Analkanals, befindet sich eine Mukosa, die in<br />

ihrem Aufbau der Mukosa des Rektums ähnlich<br />

ist. Zwischen beiden Bereichen findet sich eine<br />

individuell unterschiedlich breit ausgebildete<br />

Zone des sogenannten Übergangsepithels<br />

(Transitionalzellbereich), das ebenfalls sensibel<br />

innerviert ist. Histologisch zeigt es einen zylindrischen<br />

Aufbau. Makroskopisch imponiert<br />

das Transitionalzellepithel weißlich gegenüber<br />

der rötlich schimmernden Mukosa oberhalb<br />

dieses Bezirks, die nicht mehr sensibel versorgt<br />

ist. Die Kenntnis der Transitionalzellzone<br />

und ihre sichere anatomische Festlegung ist<br />

von Bedeutung für kleine operative Eingriffe<br />

im analen Kanal, die aufgrund der sensiblen<br />

Versorgung dieser Zone ggf. eine Anästhesie<br />

erfordern. Das Anoderm setzt sich nach außen<br />

hin ab der Linea anocutanea (Hiltonsche Linie)<br />

in normales Hautepithel fort. Die Grenze zur<br />

äußeren Haut wird dadurch erkennbar, dass<br />

im Bereich der Haut wieder Hautanhangge-<br />

Anoderm<br />

Abb. 1-1<br />

Anatomie des Anorektums<br />

(Querschnitt)<br />

Plica transversalis recti inferior (Horton)<br />

bilde nachweisbar sind, die im Bereich des<br />

Anoderms fehlen.<br />

Subepitheliale Anteile<br />

des Kontinenzorgans<br />

Spatium extraperitoneale<br />

M. levator ani<br />

M. puborectalis<br />

M. sphincter ani externus, pars profunda<br />

Corpus cavernosum recti<br />

(Plexus haemorrhoidalis internus)<br />

Fossa ischiorectalis<br />

M. sphincter ani externus, pars superficialis<br />

M. sphincter ani internus<br />

M. sphincter ani externus, pars subcutanea<br />

Faserbündel des M. corrugator ani<br />

Subepithelial finden sich im Rektum 3 benannte<br />

Querfalten (plicae transversales), die<br />

muskulären Wülsten entsprechen. Die distale<br />

Falte wird als plica Horton, die mittlere als<br />

Kohlrauschsche Falte bezeichnet. Sie wirken<br />

als intraluminäre Motilitätsbremse und unterstützen<br />

die Kontinenzfunktion.<br />

Unmittelbar subepithelial gelegen findet<br />

sich im oberen Analkanal unter der Schleimhaut<br />

das Corpus cavernosum recti. Hierbei<br />

handelt es sich um ein arterio-venöses Gefäßgeflecht,<br />

das bei jedem Menschen vorhanden<br />

ist und umgangssprachlich als »Hämorrhoiden«<br />

bezeichnet wird. Der arterielle Zustrom zu<br />

diesem Gefäßgeflecht erfolgt im kranialen<br />

Anteil in der Tunica submucosa über Äste<br />

der A. haemorrhoidalis superior. Die venösen<br />

Abflüsse verlaufen teilweise submukös in die<br />

V. haemorrhoidalis superior und zum anderen<br />

7


8<br />

in Richtung auf die Venenstämme der Venae<br />

haemorrhoidales mediae, wobei sie ihren Weg<br />

durch den M. sphincter ani internus nehmen.<br />

Eine Kontraktion dieses Muskels, wie sie zur<br />

Aufrechterhaltung der Kontinenz in Ruhe<br />

besteht, führt dementsprechend zu einer partiellen<br />

Behinderung des venösen Abflusses<br />

bei gleichzeitig erhaltenem arteriellen Zufluss.<br />

Hierdurch vergrößern sich die Gefäßgeflechte<br />

des Corpus cavernosum recti und dichten dabei<br />

das Lumen des oberen Analkanals innen<br />

wirkungsvoll ab (Feinkontinenz). Die kaudalen<br />

Anteile der Äste der A. haemorrhoidalis superior<br />

durchbohren die muskuläre Rektumwand<br />

in gerader Richtung und erreichen so das<br />

Corpus cavernosum recti ohne einen längeren<br />

submukösen Verlauf. Zusätzlich bestehen auch<br />

arterielle Zuflüsse zum Corpus cavernosum<br />

recti aus der A. rectalis media, so dass aufgrund<br />

dieser redundanten Gefäßversorgung die<br />

Schwellkörperfunktion unter allen Umständen<br />

gewährleistet ist. Anatomisch bedeutsam ist<br />

zudem neben diesem funktionellen Kreislauf<br />

im Corpus cavernosum recti auch der nutritive<br />

Kreislauf dieses Schwellkörperapparates. Die<br />

nutritiven arteriellen Gefäße sind als zartes<br />

retikuläres Netz auf der Oberfläche des Corpus<br />

cavernosum recti erkennbar. Bei zunehmender<br />

Vergrößerung des Hämorrhoidalplexus geraten<br />

sie unter Spannung und können bei mechanischer<br />

Belastung einreißen. Dabei entleert sich<br />

hellrotes, arterielles Blut.<br />

Ein Hämorrhoidalgeflecht lässt sich also<br />

bei jedem Individuum mehr oder weniger<br />

deutlich ausgeprägt oberhalb der Dentatalinie<br />

nachweisen. Je nach Funktionszustand des M.<br />

sphincter ani internus und abhängig von divergierenden<br />

Untersuchungsbedingungen stellt<br />

sich das Schwellkörpergewebe unterschiedlich<br />

bzw. unterschiedlich stark angefüllt dar.<br />

Die Kontinenzfunktion des Corpus cavernosum<br />

recti wird unterstützt durch den M.<br />

canalis ani sowie den M. corrugator ani. Der<br />

M. canalis ani entspringt aus dem M. sphincter<br />

ani internus und der Längsmuskelschicht des<br />

Rektums. Er zieht in einzelnen Faserbündeln<br />

durch das Corpus cavernosum recti und fixiert<br />

durch sein fächerförmiges Einstrahlen in das<br />

Anoderm die Hämorrhoidalpolster im oberen<br />

Anatomie des Anorektums 1<br />

Anteil des Analkanals. Im Bereich der Linea<br />

dentata ist er mit kurzen Faserzügen straff<br />

ausgespannt, so dass er die Dentatalinie an<br />

ihrem Platz fixiert. Eine Gefügestörung dieses<br />

Muskels führt dementsprechend zu einer Distalverlagerung<br />

der Linea dentata und des Corpus<br />

cavernosum recti. Der M. corrugator ani besteht<br />

aus längsverlaufenden Faserbündeln, die in<br />

Verlängerung der äußeren Längsmuskelschicht<br />

des Rektums zur perianalen Haut ziehen. Eine<br />

Kontraktion der Muskelfasern führt zur Radiärfältelung<br />

der perianalen Haut und hierdurch<br />

zur Abdichtung des Analrandes.<br />

Nervale Anteile<br />

des Kontinenzorgans<br />

Die verschiedenen Funktionsbereiche des<br />

Kontinenzorgans sind durch nervale Strukturen<br />

untereinander sowie mit den höheren<br />

Nervenzentren verbunden. Während der M.<br />

sphincter ani internus autonom ist und über<br />

Dehnungsrezeptoren in der Rektumwand und<br />

den M. puborectalis gesteuert wird, erhalten<br />

die quergestreiften Muskelanteile ihre somatische<br />

Innervation aus dem untersten Lumbalplexus<br />

und dem Sakralmark. Anatomisch<br />

bedeutsam ist der Verlauf der Äste des N.<br />

pudendus, die im Beckenbodenniveau von<br />

lateral her an die quergestreifte Muskulatur<br />

heranziehen. Die Nervenäste verlaufen dabei<br />

etwa bei 2, 4, 8 und 10 Uhr innerhalb der<br />

Fossa ischiorectalis. Bei dieser Orientierung<br />

ist der Anus in Analogie zur Uhr so zu sehen,<br />

dass 6 Uhr der dorsalen Zirkumferenz, also<br />

der Richtung auf die Steißbeinspitze, entspricht.<br />

Zusammenfassung: Das Kontinenzorgan<br />

setzt sich aus muskulären, epithelialen,<br />

subepithelialen, hier insbesondere dem<br />

Corpus cavernosum recti, und nervalen<br />

Bestandteilen zusammen. Nur durch das<br />

Zusammenwirken aller einzelnen Komponenten<br />

ist es in der Lage, eine adäquate<br />

Kontinenzleistung mit einer entsprechenden<br />

Leistungsreserve aufrechtzuerhalten.


2 Physiologie des Anorektums<br />

2 Physiologie des Anorektums<br />

Kontinenz 10<br />

Einteilung der Kontinenzstörungen 10<br />

Faktoren der Kontinenz 10<br />

Beurteilung der Kontinenzleistung 13<br />

Defäkation 13<br />

9


10<br />

Vorbemerkung: Die wesentliche physiologische<br />

Aufgabe des Anorektums ist die Gewährleistung<br />

der Kontinenz der terminalen Strecke des<br />

Magen-/Darmtraktes. Die unterschiedlichen<br />

anatomischen Komponenten zur Aufrechterhaltung<br />

der Kontinenz stehen untereinander<br />

in enger Wechselwirkung, wobei neben den<br />

anatomischen Strukturen des Analkanals auch<br />

die Kapazitätsfunktion des Rektosigmoids und<br />

die Reflexabläufe zwischen oberem und unterem<br />

Gastrointestinaltrakt sowie unterem<br />

Gastrointestinaltrakt und dem anorektalen<br />

Abschlussorgan dieser Aufgabe zugeordnet<br />

sind.<br />

Kontinenz<br />

Kontinenz ist die Fähigkeit des Individuums, in<br />

jeder Körperhaltung, einschließlich der Bewegung<br />

des Körpers und im Schlaf, Darminhalt<br />

unterschiedlicher Aggregatzustände sicher zu<br />

kontrollieren. Eine perfekte Kontinenzleistung<br />

ermöglicht außerdem die Fähigkeit, den Stuhl<br />

koordiniert, d. h. in willentlicher Übereinstimmung<br />

mit den unwillkürlich ablaufenden<br />

Reflexmechanismen des Beckenbodens, abzusetzen.<br />

Kontinenz ist ein subjektiv erlebtes<br />

Phänomen, das bezüglich des Ausmaßes einer<br />

Störung dieser Fähigkeit einer sehr individuellen<br />

Beurteilung unterliegt. So lässt sich in<br />

einem Kollektiv gesunder und sich kontinent<br />

fühlender Individuen mit objektiven Messungen<br />

und medizinischen Beurteilungen bei<br />

ca. 3 - 15 % eindeutig eine gestörte Kontinenz<br />

nachweisen. Individuell wird diese Störung<br />

aber nicht als Krankheit erlebt.<br />

Einteilung der Kontinenzstörungen<br />

Üblicherweise wird eine Einteilung in drei Grade<br />

vorgenommen, entsprechend den unterschiedlichen<br />

Aggregatzuständen des Darminhaltes, die<br />

retiniert werden müssen. In diesem Fall bedeutet<br />

dann eine Inkontinenz Grad I den Verlust der<br />

Kontrolle der Winde. Eine Inkontinenz Grad<br />

II bedeutet den Verlust der Haltefähigkeit für<br />

Winde und flüssigen Stuhl und Inkontinenz<br />

Grad III entsprechend den Verlust auch für<br />

festen Stuhl. Bei dieser Definition bleiben alle<br />

Physiologie des Anorektums 2<br />

Störungen unberücksichtigt, die sich nicht<br />

in unmittelbarem Zusammenhang mit der<br />

Stuhlentleerung manifestieren. Ein längeres<br />

Nachschmieren von Stuhl nach der Defäkation<br />

oder eine Sekret- und Schleimabsonderung aus<br />

dem Analkanal kann den Betroffenen unter<br />

Umständen aber sogar mehr belasten als eine<br />

der oben beschriebenen, exakt klassifizierten<br />

Störungen. Auch diese Insuffizienz des analen<br />

Verschlussapparates, die sich nicht in dem<br />

direkten zeitlichen Zusammenhang mit der<br />

Darmentleerung manifestiert, muss als Störung<br />

der Kontinenz bzw. als eine Inkontinenz interpretiert<br />

werden, falls sie dem Patienten bewusst<br />

ist und einen Leidensdruck ausübt.<br />

Kontinenz ist aber auch eine Fähigkeit, die<br />

sich individuell im Laufe der Zeit verändern<br />

kann. Die Fähigkeit zur Kontinenz ist durch<br />

ein System mehrerer Komponenten im Sinne<br />

eines Regelkreises gesteuert, deren exaktes<br />

Zusammenwirken »Sicherheitsreserven« zusammenstellt,<br />

die jede einzelne Komponente<br />

nicht leisten könnte. Eine temporäre Überforderung<br />

eines der Systeme kann dabei lange<br />

Zeit kompensiert werden; andererseits ergeben<br />

sich gelegentlich doch Kontinenzschwächen.<br />

Die Muskulatur, die einen geformten Stuhl<br />

sicher retinieren kann, ist bei Durchfallepisoden<br />

gelegentlich bereits überfordert. Ein in seinem<br />

Gesamtzusammenhang nicht geschädigter<br />

Verschlussapparat kann durch einen Bolus in<br />

der Rektumampulle (Dyschezie) so überfordert<br />

bzw. kann die Muskulatur hier bereits soweit<br />

relaxiert sein, dass dünnflüssiger Stuhl an<br />

diesem Bolus vorbeiläuft und nicht gehalten<br />

werden kann.<br />

Faktoren der Kontinenz<br />

1. Rektum: Das Rektum ist in der Lage, die<br />

intestinale Passage schon oberhalb des Verschlussorgans<br />

des Analkanals zu verzögern.<br />

Die Motilität des Rektums unterscheidet sich<br />

von der in den übrigen Kolonabschnitten. Wir<br />

finden im Rektum vermehrt segmentale Kontraktionen<br />

und nur ausnahmsweise propulsive<br />

Wellen. Hierdurch kommt es zu einer Umkehr<br />

des <strong>Dr</strong>uckgradienten und dementsprechend zu<br />

einem retrograden Transport des Darminhaltes.


2 Physiologie des Anorektums<br />

Die Haustren in der Rektumampulle wirken<br />

ebenfalls dem anterograden Transport des<br />

Darminhaltes in Richtung auf die sensible Zone<br />

des oberen Analkanals entgegen. Außerdem ist<br />

die Ampulla recti in der Lage, sich plastisch<br />

an ein vermehrtes intraluminäres Angebot zu<br />

adaptieren (Compliance). Das Rektum nimmt<br />

somit teil an der Aufrechterhaltung der Kontinenz<br />

durch einen Rücktransport des Darminhaltes<br />

in die höher gelegenen Darmabschnitte.<br />

Eine subtotale oder totale Entfernung des Rektums<br />

führt daher zu einer Kontinenzeinbuße,<br />

die erst nach längerer Zeit und auch nur bei<br />

Unversehrtheit der übrigen Kontinenzfaktoren<br />

kompensiert werden kann.<br />

2. Sensible Kontinenzfaktoren: Die Füllung<br />

des unteren Rektums mit Darminhalt wird<br />

über Dehnungsrezeptoren in der Wand und<br />

in der Beckenbodenmuskulatur sowie im M.<br />

puborectalis registriert. Diese Dehnungsrezeptoren<br />

vermitteln über spinale Bahnen das<br />

Gefühl des Stuhldrangs. Anatomisch sind sie<br />

bisher nicht eindeutig definiert. Es lassen sich<br />

zwar freie Nervenendigungen in der Mukosa<br />

und Submukosa des Rektums nachweisen, die<br />

aber wohl nicht diesen Rezeptoren entsprechen.<br />

Auch nach tiefen Rektumanastomosen lässt sich<br />

experimentell durch eine Ballondilatation oberhalb<br />

der Anastomose eine Dehnung auslösen,<br />

die von rektosphinktären Reflexmechanismen<br />

gefolgt ist.<br />

3. Rektosphinktäre Reflexmechanismen: Die<br />

Dehnung des Rektums führt reflexhaft zu einer<br />

Relaxation des M. sphincter ani internus und<br />

mit geringer zeitlicher Verzögerung zu einer<br />

Kontraktion der quergestreiften Muskeln (M.<br />

spincter ani externus und M. puborectalis).<br />

Experimentell lässt sich die Internusrelaxation<br />

bereits bei Dehnung des Rektums mit einem<br />

Volumen von ca. 15 ml auslösen. Sie ist nicht<br />

nachweisbar beim Morbus Hirschsprung. Die<br />

Abfolge von Internusrelaxation und anschließender<br />

Kontraktion der Puborektalisschlinge<br />

sowie der Externusmuskulatur wird als Kontinenzreaktion<br />

bezeichnet. Auch unter körperlicher<br />

Bewegung tritt eine Tonussteigerung bzw.<br />

eine Kontraktion der Externusmuskulatur auf,<br />

die zum Teil mechanisch im Sinne der beschriebenen<br />

Kontinenzreaktion ausgelöst wird.<br />

4. Anoderm: Das Anoderm als nicht verhornendes,<br />

trockenes Epithel des unteren Analkanals<br />

nimmt ebenfalls an der sensiblen Kontinenzfunktion<br />

teil. Die oberen Anteile des Anoderms<br />

kommen bei der Internusrelaxation mit dem<br />

Darminhalt in Kontakt. Auf diese Weise können<br />

die unterschiedlichen Aggregatzustände<br />

wahrgenommen werden. Die auf die Internusrelaxation<br />

unmittelbar folgende Kontraktion<br />

der quergestreiften Muskulatur kann dann<br />

willentlich verstärkt werden, wenn eine Defäkation<br />

unerwünscht ist.<br />

5. M. puborectalis: Die distale Portion des M.<br />

levator ani wird als M. puborectalis bezeichnet.<br />

Dieser Muskel umgreift das untere Rektum in<br />

Form einer Schlinge von dorsal und inseriert<br />

mit seinen nach ventral gerichteten Schenkeln<br />

am Os pubis. Der Muskel ist in der Lage, durch<br />

eine kräftige Willkürkontraktion die anorektale<br />

Abwinkelung zu verstärken und die Rektumhinterwand<br />

unter die Rektumvorderwand zu<br />

ziehen. Dieser Mechanismus gilt als Teil der<br />

muskulären Kontinenz und lässt sich am besten<br />

vergleichen mit einem Quetschverschluss.<br />

Histologisch finden sich im M. puborectalis<br />

rote und weiße Muskelfasern mit unterschiedlichem<br />

Gehalt an Myoglobin. Histochemisch<br />

zeigt sich, daß die roten Fasern mehr oxydative<br />

Enzyme enthalten und die weißen Fasern mehr<br />

Phosphorylase. Diese befähigt sie zu einem<br />

unterschiedlichen Stoffwechsel. Die roten Typ<br />

I-Fasern können eine tonische Aktivität aufrechterhalten.<br />

Die weißen Typ II-Fasern führen<br />

eine kurzdauernde, schnelle Kontraktion aus.<br />

Die Innervation des M. puborectalis kommt<br />

aus dem lumbosakralen Plexus in Höhe L5 bis<br />

S3. Die tonische Daueraktivität des Muskels<br />

wird gesteuert über einen propriorezeptiven<br />

Reflexmechanismus, als dessen Rezeptoren die<br />

Muskelspindeln in der Muskulatur angesehen<br />

werden. Die Ganglien des Reflexbogens liegen<br />

im Sakralmark.<br />

6. M. sphincter ani externus: Der M. sphincter<br />

ani externus hat den gleichen histologi-<br />

11


12<br />

schen Aufbau und die gleiche biochemische<br />

Funktionsweise wie der M. puborectalis. Er<br />

ist schwächer entwickelt und umscheidet den<br />

Analkanal bzw. den M. sphincter ani internus<br />

als ein zirkulär verlaufender Muskel. In<br />

kraniokaudaler Richtung lassen sich zumeist<br />

drei Portionen innerhalb dieses Muskels unterscheiden,<br />

und zwar eine obere Portion (M.<br />

sph. ani ext. profundus) und eine untere Portion<br />

(- superficialis) sowie eine oberflächliche<br />

Portion (- subcutaneus). Wie der M. puborectalis<br />

ist auch der M. sphincter ani externus in<br />

einer gewissen tonischen Dauerkontraktion.<br />

In Ruhe zeigen sich im intakten Muskel immer<br />

ableitbare Aktionspotentiale. Während<br />

der Defäkation kommt es bei vollständiger<br />

Erschlaffung der quergestreiften Muskeln zu<br />

einem Potentialverlust.<br />

7. M. sphincter ani internus: Der M. sphincter<br />

ani internus ist der wesentliche Faktor der<br />

Kontinenz in Ruhe. Als glatter Muskel ist er<br />

zu einer Dauerkontraktion fähig. Andererseits<br />

ermöglicht er im Rahmen der reflexhaften<br />

Relaxation bei Dehnung der Ampulle die<br />

Defäkation. Er stellt die Verlängerung der<br />

Ringmuskulatur des Rektums dar und ist zumindest<br />

in seinem unteren Anteil aganglionär.<br />

<strong>Dr</strong>uckmessungen zeigen, daß er ca. 70 % des<br />

Ruhetonus im Analkanal leistet. Unter einer<br />

Spinalanästhesie mit entsprechender Ausschaltung<br />

der quergestreiften Muskelanteile ist das<br />

anorektale Ruhedruckprofil im Wesentlichen<br />

unverändert. Dies unterstreicht die Bedeutung<br />

des M. sph. ani internus als wesentlichen muskulären<br />

Kontinenzfaktor in Ruhe.<br />

8. Corpus cavernosum recti: Das Corpus cavernosum<br />

recti entspricht den sogenannten<br />

Hämorrhoiden. Es hat Schwellkörperfunktion<br />

und ist hierdurch in der Lage, entsprechend<br />

den Erfordernissen zusätzlich zu den bisher<br />

erwähnten Faktoren der Kontinenz, den oberen<br />

Analkanal intraluminär abzudichten. Das<br />

Corpus cavernosum recti befindet sich oberhalb<br />

der Linea dentata im oberen analen Kanal. Hier<br />

findet sich aufgrund der in diesem Bereich<br />

am stärksten ausgebildeten Muskelmasse der<br />

quergestreiften Muskulatur die kontinenzent-<br />

Physiologie des Anorektums 2<br />

scheidende Hochdruckzone. Die Funktion der<br />

Hochdruckzone wird durch die hämorrhoidalen<br />

Schwellkörper unterstützt. An der Kontinenzleistung<br />

in Ruhe ist das Corpus cavernosum<br />

recti zu ca. 10 % beteiligt. Die für die Schwellkörperfunktion<br />

wesentliche Gefäßarchitektur<br />

des Corpus cavernosum recti ist im Kapitel<br />

»Anatomie des Anorektums« beschrieben.<br />

9. M. canalis ani: Der M. canalis ani integriert<br />

durch seine Insertion im Anoderm das Corpus<br />

cavernosum recti in das Kontinenzorgan und<br />

konzentriert durch seine Verlaufsrichtung die<br />

Kraft des M. sph. ani internus auf den Bereich<br />

der Dentatalinie. Zirkuläre Schnitte im<br />

Analkanal durchtrennen diesen Muskel und<br />

können dementsprechend zur Kontinenzstörung<br />

führen.<br />

10. Anorektaler Winkel: Der anorektale Winkel<br />

wird aufrechterhalten durch den M. puborectalis<br />

und die übrigen Beckenbodenmuskeln. Physiologisch<br />

ist eine Abwinkelung der Achse des<br />

Analkanals zur Achse des Rektums von etwa<br />

95° bis 100°. Eine Vergrößerung dieses Winkels<br />

tritt auf im Rahmen von Gefügestörungen des<br />

Beckenbodens, so z. B. beim Deszensus perinei.<br />

Gleichzeitig kann mit diesen Gefügestörungen<br />

eine Inkontinenz vergesellschaftet sein.<br />

11. Beckenboden: Die Form des Beckenbodens<br />

wird durch muskuläre (M. levator ani)<br />

und ligamentäre Strukturen ausgebildet. Der<br />

Beckenboden trägt das Rektum bzw. bildet<br />

insgesamt mit seiner rektumnahen Komponente<br />

des M. puborectalis den anorektalen Winkel<br />

aus. Gefügestörungen des Beckenbodens führen<br />

zumeist über ein Tiefertreten der inneren Anteile<br />

des Beckenbodens zu einer Vergrößerung<br />

des anorektalen Winkels und begünstigen<br />

hierdurch eine Inkontinenz. Wesentlich für<br />

das Ausmaß der Inkontinenz dürfte aber die<br />

durch den Deszensus induzierte neurogene<br />

Schwächung der Muskulatur sein.<br />

12. Nervus pudendus: Die Äste aus dem Plexus<br />

pudendus innervieren die quergestreiften<br />

Anteile der analen Muskulatur. Eine langdauernde<br />

Überdehnung der Nerven, etwa im


2 Physiologie des Anorektums<br />

Rahmen mehrfacher Schwangerschaften, beim<br />

Deszensus perinei oder beim Rektumprolaps,<br />

führt zur irreversiblen Schädigung einzelner<br />

Nervenfasern und damit zu einer Denervation<br />

der versorgten Muskulatur. Das Ergebnis ist eine<br />

zunehmende neurogene Inkontinenz.<br />

Beurteilung der Kontinenzleistung<br />

Der anamnestische Hinweis auf eine Störung<br />

der Kontinenz lässt sich mit klinischen und<br />

instrumentellen Untersuchungen objektivieren.<br />

Das Ergebnis muss eine Beurteilung der<br />

individuellen Situation und eine Quantifizierung<br />

des Ausmaßes des Funktionsdefizits<br />

sein, anhand derer sich Empfehlungen für die<br />

<strong>Therapie</strong> gewinnen lassen. Im Kapitel »Anale<br />

Inkontinenz« wird deutlich, dass die objektive<br />

Festlegung des Ausmaßes der Inkontinenz<br />

anhand von Untersuchungsparametern häufig<br />

nicht möglich ist. Oft lassen sich auch Befund<br />

und subjektive Beschwerdesymptomatik des<br />

Betroffenen nicht in Einklang bringen.<br />

Das eingangs angeführte Raster der Einteilung<br />

in drei Grade entsprechend den einzelnen<br />

Aggregatzuständen des Darminhalts wird dabei<br />

einer differenzierten Beurteilung der jeweiligen<br />

Situation nicht gerecht. Insbesondere bei den<br />

angeborenen Formen der Inkontinenz, die im<br />

Kindesalter zur Diagnostik gelangen, sind die<br />

anamnestischen Angaben – nicht zuletzt aus<br />

Scham der Eltern – oft unpräzise. Zahlreiche<br />

Autoren haben sich um die Erstellung von<br />

Einteilungskriterien bemüht, die neben dem<br />

individuellen Empfinden der Störung auch<br />

die objektiv nachweisbaren Funktionsdefizite<br />

berücksichtigen. Auf diese Weise lassen sich<br />

Scores erstellen, die einen interindividuellen<br />

Vergleich der Kontinenzstörungen ermöglichen.<br />

In eine solche Einteilung muss neben<br />

der Beschreibung des Aggregatzustandes des<br />

nicht zu kontrollierenden Darminhalts auch die<br />

Häufigkeit der Inkontinenzsituationen (Häufigkeit<br />

der Stuhlentleerung, Diskriminationsvermögen,<br />

Länge der Warnperiode) eingehen.<br />

Zu berücksichtigen sind die Möglichkeit der<br />

Kompensation der Störung (Gebrauch von<br />

Vorlagen, Pflegebedarf) sowie die sekundären<br />

somatischen (z. B. Analekzem) oder psychi-<br />

Strukturen des Tafel 2-1<br />

Kontinenzorgans<br />

• Kapazitätsorgan Rektum<br />

• Dehnungsrezeptoren des Rektums<br />

• sensibles Anoderm<br />

• Mm. puborectalis, sphincter ani internus<br />

und externus<br />

• Corpus cavernosum recti<br />

• M. canalis ani<br />

• anorektaler Winkel<br />

• M. levator ani<br />

• ligamentäre Strukturen<br />

• viszerale und somatische Nerven<br />

Das Kontinenzorgan setzt sich aus muskulären,<br />

sensiblen, nervalen und kapazitativen<br />

Komponenten zusammen!<br />

schen Schäden und objektiv nachweisbaren<br />

Leistungsdefizite (Durchzugsmanometrie, Compliance<br />

des Rektums).<br />

Im Fall der erworbenen Inkontinenz des<br />

Erwachsenen lassen sich durch die Anamnese<br />

bereits mehr Hinweise zur Ätiologie der Inkontinenz<br />

bekommen als bei den kindlichen Formen.<br />

Hier haben die objektiven Messparameter<br />

(<strong>Dr</strong>uckmessungen, anales Elektromyogramm)<br />

eher den Sinn einer Bestätigung der vermuteten<br />

Ursache und ermöglichen die Planung der<br />

operativen Korrektur. Aus den anamnestischen<br />

Angaben des Patienten lassen sich auch Scores<br />

erstellen, die insbesondere für <strong>Therapie</strong>vergleiche<br />

und Verlaufskontrollen von Wert sind.<br />

Defäkation<br />

Die Defäkation wird eingeleitet durch die Dehnung<br />

der Rektumwand aufgrund des eintretenden<br />

Stuhlbolus. Als reflexhafte Antwort<br />

erfolgt die Relaxation des M. sphincter ani<br />

internus. Der weitere Ablauf hängt ab von<br />

einem gewissen Einsatz der Bauchpresse und<br />

13


14<br />

der willkürlichen Relaxation des M. sphincter<br />

ani externus.<br />

Die Defäkation kann durch eine willkürliche<br />

Kontraktion des M. puborectalis verhindert<br />

werden. Wenn die Defäkation ablaufen kann,<br />

erschlafft der M. puborectalis. Zur Entleerung<br />

ist dann die Erhöhung des intraabdominellen<br />

<strong>Dr</strong>ucks durch ein entsprechendes Pressen<br />

erforderlich. Mit dem ansteigenden intraabdominellen<br />

<strong>Dr</strong>uck wird eine Kontraktion der<br />

Levatormuskulatur ausgelöst, die sich abflacht<br />

und anhebt und hierdurch einen Zug auf den<br />

Eingang des Analkanals ausübt. Der anorektale<br />

Winkel wird abgeflacht und der Analkanal<br />

eröffnet.<br />

Physiologie des Anorektums 2<br />

Kelly-Holschneider-Score zur Beurteilung einer analen Tab. 2-1<br />

Inkontinenz in der Kinderchirurgie<br />

Beurteilungskriterien Befund Bewertung<br />

Stuhlhäufigkeit normal (1-2x täglich)<br />

mehrmals (3-5x täglich)<br />

sehr oft (> 6x täglich)<br />

Stuhlkonsistenz normal geformt<br />

breiig<br />

flüssig<br />

Stuhlschmieren nicht<br />

bei Stress, Durchfall<br />

ständig<br />

Sensibilität normal (incl. Diskrimination)<br />

nur Völlegefühl (keine Diskrimination)<br />

vollständig fehlend<br />

Anorektales Ruhedruckprofil 20-24 mm Hg und höher<br />

14-19-mm Hg<br />

< 13 mm Hg<br />

Maximale Willkürkontraktion 30 mm Hg und höher<br />

20-29 mm Hg<br />

< 19 mm Hg<br />

Adaptionsreaktion normal<br />

kleine Amplitude, verkürzt<br />

nicht nachweisbar<br />

Auswertung:<br />

Störungen dieser Reflexabläufe sind denkbar.<br />

Es sind auch fixierende Operationsverfahren<br />

für den Rektumhals bzw. den oberen Analkanal<br />

beschrieben, die die Öffnungsfunktion<br />

verbessern sollen. Sie sind aber bisher nicht<br />

in größeren Kollektiven untersucht.<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2<br />

1<br />

0<br />

12 – 14 Punkte gute Kontinenzleistung<br />

10 – 11 Punkte befriedigende Kontinenzleistung<br />

6 – 9 Punkte ausreichende Kontinenzleistung<br />

0 – 5 Punkte inkontinent


2 Physiologie des Anorektums<br />

Cleveland-Clinic-Score zur Beurteilung einer Inkontinenz beim Erwachsenen Tab. 2-2<br />

Wie oft verlieren Sie<br />

unkontrolliert festen Stuhl?<br />

Wie oft verlieren Sie<br />

unkontrolliert flüssigen Stuhl?<br />

Wie oft verlieren Sie<br />

unfreiwillig Winde?<br />

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte<br />

nie < 1 mal<br />

im Monat<br />

nie < 1 mal<br />

im Monat<br />

nie < 1 mal<br />

im Monat<br />

Wie oft tragen Sie Vorlagen? nie < 1 mal<br />

im Monat<br />

Wie oft müssen Sie wegen<br />

Stuhlproblemen Ihre festen Lebensgewohnheiten<br />

ändern?<br />

Auswertung:<br />

Die Summe der Punkte zeigt die Kontinenzleistung an:<br />

CCIS 0 perfekte Kontinenz<br />

CCIS 1-7 gute Kontinenz<br />

CCIS 8-14 moderate Inkontinenz<br />

CCIS 15-20 schwere Inkontinenz<br />

nie < 1 mal<br />

im Monat<br />

> 1 mal<br />

im Monat<br />

> 1 mal<br />

im Monat<br />

> 1 mal<br />

im Monat<br />

> 1 mal<br />

im Monat<br />

> 1 mal<br />

im Monat<br />

> 1 mal<br />

pro Woche<br />

> 1 mal<br />

pro Woche<br />

> 1 mal<br />

pro Woche<br />

> 1 mal<br />

pro Woche<br />

> 1 mal<br />

pro Woche<br />

meist<br />

täglich<br />

meist<br />

täglich<br />

meist<br />

täglich<br />

meist<br />

täglich<br />

meist<br />

täglich<br />

15


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Beachten Sie den Basistext auf Seite 182


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

3 Koloproktologische Diagnostik<br />

Basisdiagnostik 18<br />

Anamnese und Symptomatologie 18<br />

Blutung 18<br />

Anale Schmerzen 19<br />

Pruritus ani 19<br />

Vorwölbung /Gewebsvorfall 21<br />

Stuhlgewohnheiten 21<br />

Körperliche Untersuchung 21<br />

Inspektion 22<br />

Palpation 23<br />

Rektoskopie 24<br />

Proktoskopie 24<br />

Erweiterte Diagnostik 25<br />

Koloskopie 25<br />

Endosonographie 26<br />

Manometrie 27<br />

Anale Endosonographie 26<br />

Rektale Endosonographie 26<br />

Anale Endosonographie bei Abszessen und Fisteln 27<br />

Neurologische Diagnostik 29<br />

Ableitung des EMG mit Oberflächenelektroden 29<br />

Ableitung des EMG mit der konzentrischen Nadelelektrode 29<br />

Ableitung der PNTML 30<br />

Klinische Relevanz der EMG-Diagnostik 31<br />

Radiologische Diagnostik 32<br />

Kolon-Doppelkontrast-Untersuchung 32<br />

Schnittbildtechniken 32<br />

Fistulographie 33<br />

Defäkographie 33<br />

Transitzeitbestimmung 33<br />

17


18<br />

Basisdiagnostik<br />

Die koloproktologische Diagnostik steht vor<br />

dem Problem, dass die vom Patienten geklagten<br />

Symptome sehr allgemein sind und mit<br />

zahlreichen Erkrankungen in Zusammenhang<br />

gebracht werden können, die zudem sowohl<br />

benigne als auch maligne Leiden umfassen.<br />

Gleichzeitig handelt es sich um Erkrankungen<br />

in einem körperlichen Tabubereich, was dazu<br />

führt, dass die Patienten die Symptome zum<br />

Teil ebenfalls tabuisieren. Insbesondere werden<br />

subjektive Anzeichen einer Fehlfunktion<br />

im Sinne einer analen Inkontinenz zunächst<br />

verschwiegen, da sie weit in diese Tabuzone<br />

hineinreichen.<br />

Aus diesem Grund ist es wichtig, für den<br />

ersten Kontakt mit dem Patienten und die nachfolgende<br />

Untersuchung ein Vertrauensverhältnis<br />

zu schaffen, das der Angst des Patienten und<br />

der notwendigen Enttabuisierung gerecht wird.<br />

Die Standarddiagnostik umfasst neben<br />

einer sorgfältigen Anamnese eine klinische<br />

Befunderhebung und im Anschluss daran eine<br />

unterschiedlich weit auszudehnende instrumentelle<br />

Untersuchung. Gleichzeitig führen<br />

die differentialdiagnostischen Überlegungen<br />

bei koloproktologischen Patienten nicht selten<br />

tief in benachbarte Bereiche unterschiedlicher<br />

medizinischer Disziplinen. So kann beispielsweise<br />

eine histopathologische Untersuchung<br />

oder ein mikroskopischer oder kultureller Erregernachweis<br />

erforderlich werden oder auch eine<br />

allergologische Diagnostik. Bei funktionellen<br />

Störungen wird regelhaft eine neurophysiologische<br />

Untersuchung erforderlich, deren<br />

Aussagekraft deutlich abhängig ist von der<br />

Erfahrung des Untersuchers.<br />

Die diagnostische Abklärung des Anorektums<br />

und Beckenbodens zielt auf die Erkennung<br />

morphologischer Pathologika und die<br />

Detektion möglicher funktioneller Störungen.<br />

Pathologische Befunde sind deswegen leicht<br />

nachzuweisen, weil die Region gut zugänglich<br />

ist. Einige der Befunde sind prima vista bei der<br />

Betrachtung von außen erkennbar, die intraanalen<br />

und intrarektalen Befunde sind mit starren<br />

Untersuchungsinstrumenten ohne größeren<br />

Aufwand erreichbar. Insofern behalten die<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

starren Instrumente trotz der Fortentwicklung<br />

der flexiblen Untersuchungstechniken einen<br />

Stellenwert in der Basisdiagnostik koloproktologischer<br />

Erkrankungen.<br />

Anamnese und Symptomatologie<br />

Es wurde bereits angeführt, dass die Symptomatologie<br />

unterschiedlicher proktologischer<br />

Erkrankungen recht uniform ist. Die Patienten<br />

berichten über Schmerzen oder einen perianalen<br />

Juckreiz sowie Blutabgänge oder die<br />

Ausscheidung von schleimigem oder eitrigem<br />

Sekret. Um die Erkrankung bereits durch die<br />

Anamnese näher eingrenzen zu können, ist es<br />

wichtig, durch gezielte Fragen zu den Symptomenkomplexen<br />

die ungenauen Angaben des<br />

Patienten zu präzisieren. Es hat sich bewährt,<br />

dieses jeweils nach einem festen Schema ablaufen<br />

zu lassen, da hierdurch auch die Fragen<br />

zu den Symptomen aus dem oben skizzierten<br />

Tabubereich, etwa der Inkontinenz, nicht<br />

vergessen werden. Durch eine schematische<br />

anamnestische Befragung ergibt sich dann<br />

in zahlreichen Fällen bereits eine Verdachtsdiagnose,<br />

die u. U. das weitere diagnostische<br />

Procedere modifiziert.<br />

Blutung: Am Beispiel der Blutung lässt sich<br />

diese anamnestische Problemeingrenzung gut<br />

verdeutlichen. Zu erfragen sind die Blutungsqualitäten:<br />

• Seit wann?<br />

• Wie oft?<br />

• Welche Menge an Blut?<br />

• Welche Farbe?<br />

• Blutung nur im Zusammenhang<br />

• mit der Stuhlentleerung?<br />

• Blut am Papier, – in der Toilette, – auf dem<br />

• Stuhl aufgelagert, – in der Unterwäsche?<br />

Natürlich ist der simple Rückschluss - helles<br />

Blut = Hämorrhoidalblutung, dunkles Blut =<br />

Kolonblutung - nicht zulässig, da letztendlich<br />

bei jeder Blutung ein kolorektales Karzinom<br />

sicher ausgeschlossen werden muss. Dabei<br />

fehlen einerseits die Ressourcen, um jede Blutungsangabe<br />

mit einer kompletten Koloskopie<br />

zu beantworten. Andererseits lässt die Anga-


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

be »Blut am Papier« aber mit einer gewissen<br />

Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass die<br />

Blutungsquelle am Analrand oder im unteren<br />

Analkanal liegt. Also ist als erster Schritt eine<br />

Rektoskopie und Proktoskopie durchzuführen.<br />

Alter sowie Tumorerkrankungen in der Eigen-<br />

oder Familienanamnese sind als Risikofaktoren<br />

eines kolorektalen Karzinoms zu bewerten und<br />

erfordern darum die komplette Abklärung des<br />

Kolons.<br />

Zum Problem der okkulten Blutung wird<br />

auf das Kapitel »Erweiterte Diagnostik« verwiesen.<br />

Jede peranale Blutung sollte zumindest<br />

durch eine Proktorektoskopie abgeklärt<br />

werden.<br />

Anale Schmerzen: Ähnlich wie beim Symptom<br />

der Blutung, lassen sich auch bei der Angabe<br />

»Schmerzen am After« bereits aufgrund der<br />

Anamnese verwertbare Aussagen machen.<br />

• Wo werden die Schmerzen angegeben?<br />

• Wann treten sie auf?<br />

• Seit wann erstmalig?<br />

• Wie lang andauernd?<br />

• Schmerzcharakter stechend - dumpf?<br />

• Ausstrahlend wohin?<br />

• Ist der Schmerz beeinflussbar?<br />

• Defäkationsabhängige Zu- oder<br />

• Abnahme der Schmerzen<br />

• Gibt es weitere Symptome,<br />

• z.B. Fieber?<br />

Der Abszess und die perianale Thrombose<br />

zeigen sich sehr oft durch akut einsetzende Beschwerden,<br />

wobei die Patienten den Zeitpunkt<br />

des Schmerzbeginns exakt festlegen können.<br />

Die Fissur bereitet längere Zeit Beschwerden,<br />

die eine wechselnde Intensität haben, bevor der<br />

Patient ärztliche Behandlung sucht. Schmerzen<br />

am Analrand mit Beginn der Defäkation und<br />

langsamem Rückgang nach der Defäkation<br />

sind pathognomonisch für eine Fissur. Die<br />

Schmerzen werden als schneidend und stechend<br />

an umschriebener Stelle angegeben.<br />

Im Fall des Abszesses oder der perianalen<br />

Thrombose berichtet der Patient spontan im<br />

Zusammenhang mit »klopfenden« Schmerzen<br />

von einer tastbaren Schwellung am Analrand.<br />

Der Abszess als entzündliche Erkrankung kann<br />

bereits Allgemeinsymptome ausgelöst haben,<br />

die der Patient ebenfalls angibt.<br />

Stechende Schmerzen während und<br />

nach der Defäkation sind fast pathognomonisch<br />

für eine Analfissur.<br />

Alle bisher beschriebenen Schmerzzustände<br />

lassen sich noch am ehesten als Schmerzen<br />

zusammenfassen, die oberflächlich im Bereich<br />

des Analrandes ausgelöst werden. Hiervon<br />

zu trennen sind solche Schmerzen, die eher<br />

dumpfen und unbestimmbaren Charakter haben<br />

und in die Tiefe des Anorektums oder des<br />

Perineums projiziert werden.<br />

Diese in die Tiefe projizierten Beschwerden<br />

werden eher ausgelöst durch funktionelle<br />

Fehlbelastungen des Beckenbodens und der<br />

Beckenorgane im Rahmen von Gefügestörungen,<br />

wie dem latenten oder manifesten<br />

Rektumprolaps, beispielsweise in Verbindung<br />

mit einem Ulcus simplex recti oder einem<br />

Deszensus perinei.<br />

Als klinisch definierte Besonderheit in<br />

diesem Formenkreis muss die Proctalgia fugax<br />

angesehen werden, die auf einer Spastik der<br />

Beckenbodenmuskulatur beruht und anhand<br />

ihres typischen intermittierenden Auftretens<br />

definiert wird. Die krampfartig einschießenden<br />

Schmerzen in der Tiefe des Perineums dauern<br />

zumeist Sekunden bis zu wenigen Minuten.<br />

Bei der Beurteilung des Symptoms analer<br />

Schmerzen muss selbstverständlich die individuelle<br />

Beurteilung von Schmerzempfindungen<br />

mitberücksichtigt werden. Eine Quantifizierung<br />

und auch eine Klassifizierung der Schmerzen<br />

sind dabei nur bedingt möglich.<br />

Pruritus ani: Juckreiz und Brennen sind wie<br />

der Oberflächenschmerz ein Symptom der<br />

Schädigung des trockenen Epithels intraanal<br />

und perianal. Folgende anamnestische Fragen<br />

sind zu stellen:<br />

• Seit wann besteht das Problem?<br />

• Besteht es kontinuierlich oder mit<br />

• Unterbrechungen?<br />

19


20<br />

• Besteht eine Verbindung mit<br />

• der Stuhlentleerung?<br />

• Konsistenz des Stuhles?<br />

• Reinigungsgewohnheiten: Seife –<br />

• Feuchttücher – Salbenanwendung?<br />

• Neigung zum Kratzen?<br />

Hautprobleme sind in der perianalen Region<br />

deswegen häufig, weil sie wechselnden mechanischen<br />

und chemischen Reizen ausgesetzt ist.<br />

Die Krankheitsursachen, die in der Perianalregion<br />

einen Juckreiz auslösen können, lassen<br />

sich in zwei Gruppen unterteilen. Zum einen<br />

kann der Juckreiz im Rahmen einer lokalen<br />

Dermatose als primäres Krankheitssymptom<br />

entstehen, zum anderen entsteht der Juckreiz<br />

aber häufiger als sekundäres Symptom einer<br />

Affektion der perianalen Haut aufgrund einer<br />

proktologischen Erkrankung bzw. Funktionsstörung<br />

des Analorgans. Hier führt die Funktionsstörung<br />

zu einer Besiedlung der perianalen Haut<br />

mit Darmbakterien, deren Metaboliten einen<br />

lokalen Reiz auslösen. Gleichzeitig versteht<br />

es sich von selbst, dass die Störung der Kontinenzfunktion<br />

zu Schleimabgängen aus dem<br />

After führen kann, der die perianale Haut mazeriert<br />

und als Symptom einen lokalen Juckreiz<br />

auslöst. Nässende Wunden oder sezernierende<br />

Fistelöffnungen führen in ihrer unmittelbaren<br />

Umgebung zum gleichartigen Beschwerdebild.<br />

Der Hautkontakt zwischen den Nates vermag<br />

im weiteren größere Hautareale in gleicher<br />

Weise zu schädigen und die Symptomatik des<br />

Juckreizes zu verschlimmern. Diese sekundär<br />

ausgelösten Formen des Juckreizes stellen also<br />

eine Reaktionsweise der perianalen Haut auf<br />

Feuchtigkeit und in der Feuchtigkeit gelöste<br />

Reizstoffe dar.<br />

Häufige Ursachen des primären Juckreizes<br />

sind die Formen des generalisierten Ekzems, die<br />

auch in der Perianalregion auftreten können<br />

(atopisches Ekzem), sowie die Psoriasis. Eine<br />

Kontaktdermatitis, etwa nach der topischen<br />

Anwendung eines Lokalanästhetikums oder<br />

anderer allergisierender Substanzen, findet<br />

sich etwa gleich häufig. Perianale Affektionen<br />

sexuell übertragbarer Krankheiten (Condylomata<br />

acuminata) können ebenfalls als primäre<br />

Ursachen eines Juckreizes in Frage kommen.<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

Insgesamt sind diese Ursachen des Juckreizes<br />

aber selten und treffen nur bei etwa 10 % der<br />

symptomatischen Patienten zu.<br />

In der überwiegenden Zahl der Fälle wird<br />

der Juckreiz als ein sekundäres Phänomen<br />

ausgelöst durch eine lokale Schädigung der<br />

Haut auf dem Weg über ein irritativ-toxisches<br />

Analekzem aufgrund einer analen Erkrankung.<br />

Hier kann gelegentlich eine Pilzbesiedlung<br />

ebenfalls als sekundäres Phänomen nachgewiesen<br />

werden, da diese Infektionen auch<br />

durch das feuchte Milieu begünstigt werden.<br />

Die <strong>Therapie</strong> richtet sich auf die ursächliche<br />

Erkrankung. Eine antimykotische <strong>Therapie</strong> kann<br />

nicht dauerhaft erfolgreich sein, wenn es sich<br />

um eine sekundäre Besiedlung handelt.<br />

Die <strong>Therapie</strong> des ‚Juckreizes’ richtet<br />

sich vornehmlich auf die ursächliche Erkrankung<br />

und nicht nur auf das hierdurch<br />

ausgelöste Symptom.<br />

Selbstverständlich kann der Juckreiz auch<br />

Symptom einer psychogenen Reaktionsweise<br />

mit Fixierung auf den analen Bereich sein.<br />

Bevor jedoch eine Klassifizierung als »Pruritus<br />

sine materia« erfolgt, sollten alle in Frage<br />

kommenden Ursachen abgeklärt sein.<br />

Zur Differentialdiagnostik scheint es aus<br />

chirurgischer Sicht bedeutsam, neben den<br />

typischen, häufigen analen Erkrankungen wie<br />

Fissur, Fistel oder Hämorrhoidalleiden auch die<br />

selteneren Problembereiche der beginnenden<br />

analen Kontinenzstörung, etwa auf dem Boden<br />

von Prolapserkrankungen oder sonstigen<br />

Gefügestörungen des Beckenbodens, sicher<br />

auszuschließen. Die beginnende Störung der<br />

Kontinenz kann der oberflächlichen klinischen<br />

Diagnostik entgehen, und sie kann überdies<br />

dem Patienten nicht als echte Störung des<br />

Verschlussorgans bewusst sein. Es kann aber<br />

durchaus in diesem Stadium bereits zu einer<br />

vermehrten Sekretion aus dem Analkanal kommen<br />

mit entsprechender lokaler Beeinflussung<br />

der perianalen Haut. In der weiteren Differentialdiagnostik<br />

lassen sich die primären Ursachen<br />

des Juckreizes mikrobiologisch, serologisch<br />

oder mikroskopisch (z. B. Wurmeier, Oxyuren)<br />

nachweisen.


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

Vorwölbung / Gewebsvorfall: Einen Prolaps<br />

von Anoderm, Hämorrhoidalgewebe oder<br />

Rektummukosa beschreibt der Patient häufig<br />

zunächst mit Problemen bei der Analhygiene<br />

durch Nachschmieren oder ständiges Nässen.<br />

Weiterhin wird oft von einem Stuhldranggefühl<br />

berichtet. Zu erfragen sind folgende<br />

Begleiterscheinungen im Zusammenhang mit<br />

einem Prolaps:<br />

• Wann erstmalig bemerkt?<br />

• Wie oft und wie lange bestehend?<br />

• Welche Größe hat der Vorfall?<br />

• Zusammenhang mit der Stuhlentleerung?<br />

• Spontan rückläufig?<br />

• Digital zu reponieren?<br />

• Vorfall aus dem After, aus der Scheide,<br />

• oder aus beiden Körperöffnungen?<br />

• Behinderung der Darmentleerung<br />

• durch den Vorfall?<br />

• Darmentleerung nicht komplett möglich?<br />

• Manueller Gegendruck erforderlich?<br />

• Behinderung der Miktion?<br />

Der Rektumprolaps ist dem Patienten unter<br />

Umständen bewusst, lange bevor er ständig<br />

eventriert ist. Die anamnestische Angabe eines<br />

Vorfalls muss Anlass geben, den Patienten in<br />

Hockstellung auf der Toilette pressen zu lassen.<br />

Das exakte Ausmaß eines Vorfalls (Hämorrhoidal-<br />

oder Rektumprolaps) ist häufig erst<br />

in dieser physiologischen Defäkationshaltung<br />

beurteilbar. Ein Vorfall aus der Vagina aufgrund<br />

einer Rektozele kann ein erhebliches Defäkationshindernis<br />

darstellen, sodass die betroffenen<br />

Frauen die Entleerung nur durch manuellen<br />

Gegendruck erreichen können.<br />

Ein manifester Rektumprolaps kann oft<br />

nur in physiologischer Defäkationshaltung<br />

erkannt und beurteilt werden.<br />

Stuhlgewohnheiten: Zur Abklärung von Stuhlgewohnheiten<br />

und Defäkationsverhalten sollten<br />

die folgenden Punkte im Rahmen der Anamneseerhebung<br />

abgefragt werden:<br />

• Wie häufig erfolgt die Entleerung<br />

• normalerweise?<br />

• Wie ist die Konsistenz?<br />

• Verändern sich Frequenz und Konsistenz?<br />

• Hat sich in der letzten Zeit eine<br />

• Änderung ergeben?<br />

• Erfordernis von Laxantien oder Klistieren<br />

• bzw. Einläufen?<br />

• Notwendigkeit des Pressens?<br />

• Entleerung schmerzhaft?<br />

• Entleerung mit Blutungen?<br />

Wesentlicher Bestandteil der Anamneseerhebung<br />

ist die Klärung der Stuhlgewohnheiten<br />

bzw. des Defäkationsverhaltens. Kurzfristige<br />

Änderungen der Stuhlgewohnheiten sowie<br />

paradoxe Diarrhoen bzw. der Wechsel der<br />

Konsistenz (Warnsymptome!) können für eine<br />

Obstruktion im linken Kolon oder Rektum sprechen.<br />

Ein stetiger Wechsel von Diarrhoen und<br />

Obstipation eventuell verbunden mit Schmerzen<br />

vor der Entleerung können auf einen Reizdarm<br />

hinweisen. Stuhlentleerungsstörungen mit<br />

vermehrtem Pressen oder frustranen Pressversuchen<br />

können auf eine mangelhafte Rektumfüllung<br />

vor der Einleitung der Defäkation<br />

hinweisen oder durch einen Entleerungsdrang<br />

bei einem Rektum- oder Hämorrhoidalprolaps<br />

verursacht sein.<br />

Zusammenfassend werden also im Wesentlichen<br />

die folgenden anamnestischen Angaben<br />

verwertet:<br />

• Blutung<br />

• Schmerzen<br />

• Juckreiz<br />

• Nässen/Ausfluss<br />

• Schwellung/Tumor<br />

• Vorfall<br />

• Stuhlfrequenz / -konsistenz<br />

• Beginn und Dauer der Symptome<br />

• Defäkationsverhalten<br />

• Kontinenzverhalten<br />

• Voroperationen<br />

Körperliche Untersuchung<br />

Die körperliche Untersuchung beginnt mit der<br />

Entkleidung des Patienten. Der Untersucher<br />

kann dabei unter Umständen aus der Ver-<br />

21


22<br />

��<br />

schmutzung der Unterwäsche bereits auf eine �������<br />

anale Inkontinenz oder eine sekretfördernde<br />

Analfistel rückschließen. Es ist somit wichtig,<br />

auch diesen Beginn der körperlichen Untersuchung<br />

zu beobachten.<br />

Wegen des engen Zusammenhangs der<br />

analen Erkrankungen mit höher im Darm<br />

gelegenen Störungen beginnt jede körperliche<br />

Untersuchung mit der Palpation des Abdomens.<br />

Dabei ist auf Narben nach früheren<br />

Darmoperationen zu achten sowie auf tastbare<br />

Resistenzen oder etwa Hernien. Tastbare Re-<br />

sistenzen treten nicht nur als Folge maligner<br />

Erkrankungen auf, sondern gelegentlich auch<br />

als Walze im linken Unterbauch bei einer Sigmadivertikulitis<br />

oder als druckschmerzhafter<br />

Konglomerattumor bei chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankungen.<br />

Nach dieser allgemeinen körperlichen<br />

Untersuchung des Patienten erfolgt die Lagerung<br />

in die für die vorgesehene proktologische<br />

Untersuchung gewünschte Position. Untersuchungen<br />

sind sowohl in Knie-Ellenbogenlage,<br />

in Linksseitenlage als auch in Steinschnittlage<br />

möglich. Egal in welcher Position die Unter-<br />

suchung durchgeführt wird, ist für die weitere<br />

Befunderhebung in der perianalen Region und<br />

auch intraanal neben der Beschreibung eine<br />

exakte Lokalisationangabe erforderlich. Es hat<br />

sich bewährt, die Orientierung am Anus analog<br />

zur Uhr vorzunehmen und die Stundenangaben<br />

unabhängig von der Untersuchungsposition so<br />

zu beziehen, dass die Angabe »sechs Uhr« immer<br />

in Richtung auf die Steißbeinspitze hin zu sehen<br />

ist. Auf diese Weise entfällt die zusätzliche<br />

Angabe der jeweiligen Untersuchungsposition.<br />

Die Angabe ‚6 Uhr’ ist unabhängig<br />

von der Lagerung des Patienten und bezeichnet<br />

immer die Position in Richtung<br />

Steißbeinspitze.<br />

Inspektion<br />

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Die Inspektion des Anus ergibt nicht selten<br />

eine »prima-vista«-Diagnose. Adäquate Lichtverhältnisse<br />

sind besonders zur Diagnose von<br />

Hautveränderungen unabdingbar. Die peri-<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

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Abb. 3-1 Lagerung zur proktologischen Untersuchung<br />

(schematisch): Steinschnittlage, Linksseitenlage, Knie-<br />

Ellenbogenlage<br />

anale Thrombose ist sicherlich die häufigste<br />

per Inspektion nachweisbare Analerkrankung.<br />

Zahlreiche Analabszesse werden ebenfalls bereits<br />

bei der Inspektion an den typischen Zeichen<br />

der Rötung und Vorwölbung erkannt.<br />

Eine solitär gelegene Fistelöffnung läßt auf<br />

ein typisches Analfistelsystem schließen. Der<br />

Sichtbefund mehrerer äußerer Öffnungen lenkt<br />

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3 Koloproktologische Diagnostik<br />

hingegen den Verdacht eher in Richtung eines<br />

perianalen Fistelsystems auf dem Boden einer<br />

Akne inversa oder unter Umständen auch auf<br />

ein atypisches Fistelsystem bei M. Crohn. Die<br />

Akne inversa läßt sich diagnostisch weiter absichern,<br />

wenn sich gleichzeitig Aknemanifestationen<br />

im Gesicht und in den Achselhöhlen<br />

bzw. am Körperstamm finden. Als eine weitere<br />

relativ häufige Blickdiagnose sind Condylomata<br />

acuminata zu erwähnen. Verziehungen<br />

des Afters aus der Mittellinie liefern Hinweise<br />

z. B. auf eine traumatische Sphinkterverletzung.<br />

Schließlich können durch die Aufforderung<br />

zum aktiven Kneifen oder Pressen bereits<br />

verschiedene Prolapsformen, wie Anal-, Hämorrhoidal-<br />

oder Rektumprolaps differenziert<br />

werden.<br />

Gute Lichtverhätnisse sind Voraussetzung<br />

für eine adäquate proktologische<br />

Untersuchung.<br />

Palpation<br />

Nach der Inspektion schließt sich die digitale<br />

Untersuchung des Analkanals an. Hierbei empfiehlt<br />

es sich, den gut mit einem Gleitmittel<br />

befeuchteten Finger vorsichtig einzuführen,<br />

um unnötige Schmerzen für den Patienten zu<br />

vermeiden. Sinnvoll ist das vorsichtige Umkreisen<br />

der äußeren Analöffnung, um hierdurch<br />

die gesamte Zirkumferenz mit dem Gleitmittel<br />

zu befeuchten.<br />

Bei der digitalen Untersuchung des Analkanals<br />

lassen sich neben der Funktionsfähigkeit<br />

der Schließmuskulatur auch intramurale Tumoren<br />

oder Läsionen im Bereich des Anoderms<br />

gut beurteilen. Zur sicheren Abklärung der<br />

Funktionsfähigkeit der Schließmuskulatur ist<br />

es erforderlich, die Muskulatur unter unterschiedlichen<br />

Funktionsbedingungen der Ruhe,<br />

der Kontraktion und evtl. auch beim Pressen zu<br />

beurteilen. Zunächst wird der Tonus in Ruhe<br />

beurteilt, der im Rahmen eines Fissurgeschehens<br />

nicht selten erhöht ist. In diesen Fällen<br />

gelingt es nur schwer, mit dem Finger in den<br />

Analkanal einzudringen. Unter Umständen<br />

besteht als Spätfolge eines Fissurleidens eine<br />

narbige Stenosierung im Bereich des unteren<br />

Analkanals. Anschließend wird der Patient<br />

aufgefordert, aktiv zu kneifen. Hierbei kann mit<br />

dem eingelegten Finger die Funktionsfähigkeit<br />

der willkürlich agierenden quergestreiften Muskulatur<br />

beurteilt werden. Bei entsprechender<br />

Übung läßt sich die Externusmuskulatur von<br />

der Puborektalisschlinge differenzieren, die<br />

in unterschiedlichem Maße geschwächt sein<br />

können. Die Puborektalisschlinge entspricht<br />

der Muskelportion, auf die der gebeugte Zeigefinger<br />

aufgelegt werden kann, wenn er bei<br />

der Austastung des oberen Analkanal nach<br />

dorsal zeigt. Eine diffuse Schwächung der<br />

Muskulatur über allen Portionen ist dabei von<br />

einer umschriebenen narbigen Defektbildung<br />

abzugrenzen. Im ersten Fall kann man durch<br />

Zug mit dem eingelegten Finger – in Richtung<br />

nach dorsal oder nach den Seiten – den Anus<br />

neben dem eingeführten Finger zum Klaffen<br />

bringen. Im anderen Fall läßt sich der narbige<br />

Defekt entweder als Induration oder bei der<br />

Aufforderung zur Kontraktion als nicht agierender<br />

Anteil der Zirkumferenz des Muskels tasten.<br />

Gleichzeitig ist hierbei natürlich auf äußerlich<br />

erkennbare Narbenbildungen zu achten, die<br />

auf einen Zusammenhang der Inkontinenz mit<br />

früheren Verletzungen oder Operationen schließen<br />

lassen. Beim Fehlen einer Narbenbildung<br />

drängt sich der Verdacht einer neurogenen<br />

Schwächung der Muskulatur auf.<br />

Mit dem tastenden Finger können auch<br />

ventrale Rektozelen gut diagnostiziert werden,<br />

wobei dann der Finger das Septum rectovaginale<br />

oberhalb der Sphinktermuskulatur in<br />

die Vagina vorwölbt. Die Austastung erlaubt<br />

zusätzlich, Rauhigkeiten oder höckrige Vorwölbungen<br />

im Bereich des Analkanals oder<br />

des unteren Rektums zu ertasten, so etwa eine<br />

Analfissur bzw. den indurierten Rand dieser<br />

Fissur. Tiefsitzende Rektumkarzinome oder<br />

Rektumpolypen sind digital nachweisbar, wobei<br />

die letzteren aufgrund der weichen Konsistenz<br />

gelegentlich mit dem Finger »übersehen« werden.<br />

Hämorrhoiden sind normalerweise nicht<br />

tastbar. Thrombosierte Hämorrhoidalknoten<br />

können aber ähnlich den Analfibromen in der<br />

Höhe der Linea dentata ertastet werden. Alle<br />

digital erhobenen Befunde sollten entsprechend<br />

23


24<br />

der Lokalisation auf dem Zifferblatt der Uhr<br />

und in ihrer Höhenangabe festgehalten werden.<br />

Bei Muskeldefekten kann man aufgrund der<br />

digitalen Austastung in etwa die Defektgröße<br />

abschätzen.<br />

Rektoskopie<br />

Unter den instrumentellen Untersuchungen<br />

gelten zumindest die starren endoskopischen<br />

Untersuchungen – die Rektosigmoidoskopie<br />

und Proktoskopie – als unersetzliche Routineuntersuchungen.<br />

Die flexiblen Instrumente<br />

werden eher im Sinne einer weitergehenden<br />

Diagnostik bei Problemfällen eingesetzt.<br />

Die Rektoskopie sollte nach Applikation<br />

eines Einmalklysmas und anschließender Entleerung<br />

durchgeführt werden. Damit wird<br />

üblicherweise eine völlige Reinigung des Darmes<br />

über die gesamte Gerätelänge von 30 cm<br />

erzielt. Bei dieser starren Untersuchung sollte<br />

eine Untersuchungshöhe von mindestens 15<br />

cm ab Linea anocutanea erreicht werden. So<br />

ist zumindest das gesamte Rektum starr untersucht.<br />

Die vollständige Gerätelänge von<br />

30 cm läßt sich aufgrund der Knickbildung<br />

des rektosigmoidalen Übergangsbereiches oft<br />

nicht ausnutzen. Zur ausschließlichen endoskopischen<br />

Untersuchung empfiehlt sich ein<br />

schmallumiges Instrument (Durchmesser 16<br />

mm), das beim etwaigen Nachweis eines Polypen<br />

schnell zur Biopsie gegen ein dickeres<br />

Instrument (Durchmesser 20 mm) ausgetauscht<br />

werden kann. Die Routine-PE aus dem Rektum,<br />

sofern erforderlich, sollte im Bereich der<br />

Hinterwand des Rektums entnommen werden,<br />

da es präsakral seltener zu einer freien Perforation<br />

kommt.<br />

Besonders bei Tumoren im distalen Rektum<br />

ist die starre Rektoskopie der flexiblen Untersuchung<br />

vorzuziehen, da hierdurch genauer<br />

der Abstand zur Linea dentata und die Lage<br />

des Tumors beurteilt werden können.<br />

Proktoskopie<br />

Die Proktoskopie erreicht eine Übersicht über<br />

den analen Kanal und das untere Rektum. Sie<br />

sollte zweckmäßigerweise nach der Rektoskopie<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

durchgeführt werden, da unter diesen Bedingungen<br />

das Rektum bereits entfaltet ist. Zum<br />

anderen kann über das offene Proktoskop ein<br />

Teil der Luft entweichen, was dem Patienten<br />

Erleichterung bereitet.<br />

Proktoskope werden in zwei Ausführungen<br />

angeboten: einmal als sogenanntes Fensterproktoskop<br />

mit einer seitlichen Öffnung bei<br />

geschlossener Spitze (Proktoskop nach BLOND<br />

oder MORGAN-BOEHM) und zum anderen als<br />

vorne offenes Proktoskop. Letzteres kann entweder<br />

vorne gerade (Proktoskop nach MORGAN<br />

oder LOCKHART-MUMMERY) oder angeschrägt<br />

(Proktoskop nah LLOYD-DAVIES oder ANDER-<br />

SON) sein.<br />

Das seitlich offene Fensterproktoskop bietet<br />

Vorteile bei der Sklerosierungstherapie, während<br />

das vorne offene Proktoskop eine gute Übersicht<br />

für Biopsien oder beispielsweise die Hämorrhoidenbehandlung<br />

mit elastischen Ligaturen bietet.<br />

Auch kann im Rahmen einer Funktionsproktoskopie,<br />

also nach Aufforderung zum Pressen,<br />

ein interner Rektumprolaps oder ein Prolaps<br />

der vorderen Rektumwand ggf. verbunden mit<br />

einem Ulcus simplex recti sehr gut mit dem<br />

vorne offenen Proktoskop beurteilt werden.<br />

Rektoskopie und Proktoskopie sind immer<br />

in Ergänzung zur digitalen Untersuchung und<br />

äußeren Inspektion erforderlich. Der entscheidende<br />

Vorteil dieser Untersuchungsmethoden<br />

ist ihre leichte Verfügbarkeit und gefahrlose<br />

Handhabung. Wesentliches Ergebnis der starren<br />

endoskopischen Untersuchung ist eine Überprüfung<br />

der digital erhobenen Befunde mit kleinen<br />

Zusatzinformationen aus dem digital nicht mehr<br />

erreichbaren Bereich. Es ist ohne weiteres möglich,<br />

dass ein Adenom ohne Entartung aufgrund<br />

der Weichheit des Gewebes auch dem geübten<br />

Untersucher bei der Tastung entgeht. Auch bei<br />

einer so klassischen »Blickdiagnose« wie den<br />

Condylomata acuminata ist die instrumentelle<br />

Untersuchung obligat. Die Kondylome können<br />

bekanntermaßen auch intraanal wachsen. Das<br />

Rezidiv ist programmiert, wenn diese intraanalen<br />

Läsionen nicht mitentfernt werden.<br />

Der zusätzliche Einsatz eines Spreizspekulums<br />

kann in besonderen Fällen die Übersicht<br />

im unteren analen Kanal verbessern.<br />

Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass bei


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

Verwendung dieses Instruments ein Segment<br />

des Analkanals komplett von innen bis nach<br />

außen eingestellt wird und so kleine operative<br />

Eingriffe erleichtert werden, wie etwa die<br />

Abtragung eines Analfibroms.<br />

Die Basisdiagnostik im Rahmen der<br />

proktologischen Untersuchung besteht aus<br />

Anamnese, Inspektion, Palpation, Rektoskopie<br />

und Proktoskopie.<br />

Erweiterte Diagnostik<br />

Besondere Fragestellungen ergeben sich immer<br />

dann, wenn für die vom Patienten angegebenen<br />

Beschwerden im Rahmen der bisher skizzierten<br />

Untersuchungen kein adäquates Korrelat gefunden<br />

werden konnte. Die besonderen Fragestellungen<br />

engen sich auf zwei Problemkreise<br />

ein, und zwar zum einen den Verdacht einer<br />

malignen Erkrankung weiter proximal im<br />

Darm und zum anderen einer benignen, d. h.<br />

einer chronisch-entzündlichen oder auch funktionellen<br />

Darmerkrankung.<br />

Koloskopie<br />

Die hohe Koloskopie stellt heute das Verfahren<br />

der ersten Wahl zur Beurteilung der Schleimhautbeschaffenheit<br />

des Kolons dar. Für den<br />

Ausschluss einer malignen Darmerkrankung<br />

gilt, dass die peranale Blutung bis zur sicheren<br />

Abklärung des gesamten unteren Darmtrakts<br />

als potentiell durch ein Karzinom bedingt<br />

anzusehen ist. Hieraus folgt, dass bei der Abklärung<br />

einer analen Blutung nach erfolgter<br />

Rektoskopie oder auch partiellen flexiblen<br />

Koloskopie mit negativem Ergebnis die Diagnostik<br />

nicht beendet ist. Die totale Koloskopie<br />

kann heute als das Verfahren der ersten Wahl<br />

hierzu angesehen werden. Gleichzeitig kann<br />

die diagnostische Maßnahme der Koloskopie<br />

jederzeit etwa durch eine Polypektomie zu<br />

einer therapeutischen Maßnahme ausgeweitet<br />

werden. Weitere Indikationen zur Durchführung<br />

einer Koloskopie sind Obstipation, Diarrhoe,<br />

abdominelle Schmerzen und Verlaufs- und<br />

Indikationen zur Durchführung Tafel 3-1<br />

einer Koloskopie<br />

• peranale Blutung<br />

• positiver Hemofec<br />

• Obstipation<br />

• abdominelle Schmerzen<br />

• Verlaufs- und <strong>Therapie</strong>kontrolle<br />

bei CEDE<br />

• Kontrolluntersuchung nach kolorektalen<br />

Neoplasien<br />

<strong>Therapie</strong>kontrollen bei chronisch entzündlichen<br />

Darmerkrankungen.<br />

Die Koloskopie und koloskopische Polypektomie<br />

kann eine Prophylaxe des kolorektalen<br />

Karzinoms sichern. Aus diesem Grund wurde<br />

in Deutschland zum letzten Quartal 2002 die<br />

Vorsorge-Koloskopie eingeführt. Berechtigt<br />

sind sozialversicherte Personen, die das 55.<br />

Lebensjahr vollendet haben. Eine zweite Untersuchung<br />

ist 10 Jahre später vorgesehen. Ein<br />

solches Programm gibt es derzeit weltweit nur<br />

in Deutschland.<br />

Die Vorsorge-Koloskopie ist als Screening-<br />

Untersuchung bei asymptomatischen Personen<br />

mit durchschnittlichem Risiko der Entwicklung<br />

eines kolorektalen Karzinoms vorgesehen.<br />

Das sind etwa 75% der Patienten mit einem<br />

kolorektalen Karzinom. Bei den restlichen<br />

25% entwickelt sich das Karzinom aufgrund<br />

besonderer Risiken (hereditäre Karzinome,<br />

chronische entzündliche Darmerkrankungen),<br />

so dass hierbei auch besondere Strategien zur<br />

Vorsorge verfolgt werden müssen.<br />

Die Rationale des Früherkennungsprogramms<br />

ist die Tatsache, dass sich bis zu 90%<br />

der Karzinome aus Adenomen als benignen<br />

Vorstufen entwickeln (Adenom-Karzinom-<br />

Sequenz, s.a. Kap. 16). Der Beginn der Untersuchung<br />

mit dem vollendeten 55. Lebensjahr<br />

erscheint als ein begründeter Kompromiss<br />

aufgrund der Altersverteilung der Karzinomerkrankung<br />

und der Beobachtung, dass die<br />

Entwicklung des Adenoms zum Karzinom etwa<br />

den Zeitraum einer Dekade beansprucht.<br />

25


26<br />

Die Gesamtkomplikationsrate bei der diagnostischen<br />

und therapeutischen Koloskopie ist<br />

mit 0,4% niedrig. Erreicht werden kann diese<br />

niedrige Komplikationsrate durch Beachten<br />

von Vorsichtsmaßnahmen, wie das Vorschieben<br />

nur bei freier Sicht, kein Vorschieben gegen<br />

Widerstand und Achten auf Kontraindikationen<br />

zur Koloskopie wie z. B. ischämische Nekrosen<br />

oder eine akute Divertikulitis. Die Blutung und<br />

die Perforation sind die Hauptkomplikationen,<br />

wobei die Rate jeweils bei den diagnostischen<br />

Koloskopien deutlich unter der bei therapeutischen<br />

Koloskopien liegt.<br />

Endosonographie<br />

Die Endosonographie des Anorektums hat<br />

einen festen Stellenwert in der Diagnostik,<br />

wobei sich 3 Indikationsbereiche festlegen<br />

lassen. Diese beinhalten die Beurteilung der<br />

Sphinktermuskulatur, die Detektion von Abszessen<br />

und Fisteln und die Beurteilung von<br />

Rektumtumoren und perirektalen Prozessen.<br />

Vorteil der Endosonographie ist die hohe Verfügbarkeit<br />

der Untersuchungsmethode, die<br />

geringe Patientenbelastung und durch die<br />

hohe Auflösung moderner Schallköpfe bis zu<br />

20 MHz die exakte Darstellung von Strukturen<br />

der Rektumwand, womit durch wenig<br />

invasive Mittel klare <strong>Therapie</strong>entscheidungen<br />

für den Patienten getroffen werden können.<br />

Bei unklaren septischen Prozessen kann eine<br />

Endosonographie intraoperativ dem Operateur<br />

richtungsweisende Hilfen geben, die direkt in<br />

den operativen Situs übertragbar sind.<br />

Anale Endosonographie: Die anale Endosonographie<br />

stellt ein ideales Verfahren zur Darstellung<br />

von Muskeldefekten dar. Der Sondendurchmesser<br />

beträgt heute weniger als<br />

2 cm. Durch die Möglichkeit einer axialen<br />

360°-Darstellung der Sphinktermuskultur können<br />

Defekte in Bezug auf Lage und Anatomie<br />

dargestellt werden. Epithel und subepithelialer<br />

Raum stellen sich als echodichte zirkuläre<br />

Zone dar. Der M. sphincter internus bildet<br />

sich als hypodenser Ring mit einer Stärke von<br />

ca. 2 mm, der M. sphincter ani externus als<br />

hyperdenser Ring ab. Die drei Portionen des<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

M. sphincter ani externus mit pars profunda,<br />

pars superficialis und pars subcutanea lassen<br />

sich endosonographisch nicht streng voneinander<br />

trennen. Die Puborektalisschlinge<br />

kann gut als ebenfalls hyperdense Struktur<br />

oberhalb des M. sphincter externus profundus<br />

dargestellt werden.<br />

Die Echogenität ändert sich besonders<br />

beim Internusmuskels mit dem Altern durch<br />

die Zunahme kollagener Fasern. Dies zeigt<br />

sich durch eine Zunahme der hyperdensen<br />

Strukturen beim endoanalen Ultraschall. Der<br />

Analkanal kann für die Endosonographie in<br />

drei Abschnitte eingeteilt werden. Im kranialen<br />

Abschnitt stellt sich die U- oder V-förmige<br />

Puborektalisschlinge mit dem oberen Anteil des<br />

M. sphincter ani externus profundus dar. Im<br />

mittleren Abschnitt findet sich der M. sphincter<br />

ani externus superficialis und der M. sphincter<br />

ani internus. Dessen unteres Ende markiert den<br />

Übergang in den unteren Abschnitt mit dem<br />

M. sphincter ani externus subcutaneus. Als geschlechtsspezifischer<br />

Unterschied verschmelzen<br />

bei der Frau im anterioren Anteil die pars profunda<br />

und die pars superficialis des M. sphincter<br />

externus und können so auch nicht in verschiedenen<br />

Etagen separat dargestellt werden.<br />

Durch eine anale Endosonographie<br />

lassen sich Defekte des M. sphincter ani<br />

internus und externus exakt nachweisen.<br />

Rektale Endosonographie: Die Endosonographie<br />

des Rektums nimmt besonders bei der<br />

Diagnostik rektaler Tumore und den daraus<br />

zu folgernden <strong>Therapie</strong>entscheidungen einen<br />

hohen Stellenwert ein. Es können sowohl die<br />

Eindringtiefe des Tumors als auch perirektale<br />

Lymphknoten und die mögliche Infiltration<br />

der Sphinktermuskulatur dargestellt werden.<br />

Bereits mit hochauflösenden 10 MHz-Sonden<br />

liegt bei erfahrenen Untersuchern die Sensitivität<br />

für die Detektion der Infiltrationstiefe weit<br />

über 90%, für die Detektion von perirektalen<br />

Lymphknoten über 80 %.<br />

Die Rektumwand zeigt endosonographisch<br />

einen typischen fünfschichtigen Aufbau, wobei<br />

sich hyperdense und hypodense Schichten<br />

abwechseln.


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

A B<br />

Abb. 3-2 Rektumwand<br />

(Endosonographischer Normalbefund im Detail)<br />

A Grenzschicht<br />

Sondenkopf / Mukosa<br />

B Mukosa /Submukosa<br />

C Grenzschicht<br />

Submukosa /M. propria<br />

C<br />

D<br />

E<br />

D M. propria<br />

E Grenzschicht<br />

M. propria /Serosa bzw.<br />

perirektales Fett<br />

Die innerste hyperdense Schicht stellt die Grenzschicht<br />

zwischen Schallsonde und Mukosa<br />

des Rektums dar. Zentrifugal folgt auf diese<br />

eine hypodense Schicht, welche der Mukosa<br />

und Submukosa des Rektums entspricht. Eine<br />

Differenzierung der Infiltration zwischen Mukosa<br />

und Submukosa ist mit hochauflösenden<br />

Sonden im Bereich von 20 MHz inzwischen<br />

möglich geworden. Die nächste, wieder hyperdense<br />

Schicht stellt die Grenze zwischen<br />

Submukosa und Muscularis propria dar. Dieser<br />

folgt dann als hypodense Schicht die eigentliche<br />

Lamina muscularis propria, deren Infiltration<br />

einem Tumorstadium T2 beim kolorektalen<br />

Karzinom entsprechen würde. Die nächste hyperdense<br />

Zone widerum stellt die Grenzschicht<br />

zwischen Muscularis propria und Serosa bzw.<br />

perirektalem Fett dar. Ein Durchbruch dieser<br />

Grenzschicht entspräche einem Tumorstadium<br />

T3 beim kolorektalen Karzinom.<br />

Die Endosonographie ist heute das diagnostische<br />

Mittel der Wahl zur Diagnostik von<br />

Infiltrationstiefe und Lymphknotenstatus des<br />

Rektumkarzinoms, wobei aufgrund dieser Befunde<br />

dann die Indikation zur neoadjuvanten<br />

<strong>Therapie</strong> oder auch lokalen Exzision z.B. beim<br />

uT1-Karzinom gestellt werden kann. Eine<br />

ähnlich hohe Auflösung wie der endorektale<br />

Ultraschall zeigt heute nur noch die Dünnschicht-MRT,<br />

die jedoch nicht flächendeckend<br />

zur Diagnostik zur Verfügung steht.<br />

Die rektale Endosonographie ist heute<br />

wesentliches Diagnostikum zur Entscheidung<br />

der <strong>Therapie</strong>modalitäten beim Rektumkarzinom.<br />

Anale Endosonographie bei Abszessen und<br />

Fisteln: Bei Abszessen, die durch eine klinische<br />

Untersuchung nicht exakt zu lokalisieren sind,<br />

hat die endoanale Sonographie inzwischen<br />

einen festen Stellenwert in der Diagnostik.<br />

Sie ist ein einfaches, kostengünstiges, schnell<br />

verfügbares Verfahren ohne Strahlenbelastung,<br />

welches den Patienten wenig kompromittiert<br />

und eine hohe Sensitivität zur Detektion von<br />

intersphinktären, retro- und ischiorektalen<br />

Abszessen besitzt. Als besonderer Vorteil stellt<br />

sich die Verfügbarkeit intraoperativ dar. Dies<br />

setzt voraus, dass der Chirurg selber mit der<br />

Untersuchungstechnik vertraut ist. Die Darstellung<br />

von Fistelgängen kann durch Instillation<br />

z. B. von H 2O 2 noch verdeutlicht werden. Besonders<br />

kleine, intersphinktäre Abszesse, die<br />

der klinischen und digitalen Untersuchung<br />

kaum zugänglich sind, können durch einen<br />

endoanalen Ultraschall nachgewiesen werden<br />

und so die Indikation zu einer operativen<br />

Versorgung gestellt werden. Weiterhin können<br />

bei komplexen Fisteln mit Abszedierungen die<br />

Ausbreitung der Fistel bzw. des Abszesses,<br />

z.B. bei Hufeisenfisteln bis auf die Gegenseite,<br />

mittels präoperativer Endosonographie verifiziert<br />

werden.<br />

Manometrie<br />

Der Wert der analen <strong>Dr</strong>uckmessung im Rahmen<br />

der Inkontinenzdiagnostik wird zumeist<br />

überschätzt. Ihr wird nachgesagt, dass sie die<br />

Funktion des Schließmuskelsystems objektiv<br />

abbilden könne. Dabei muss aber bedacht<br />

werden, dass es kein einheitliches Instrumentarium<br />

und keine »Normalwerüte« gibt, die<br />

27


28<br />

Abb. 3-3 Endosonographisches Bild eines<br />

Rektumkarzinoms (uT 3 )<br />

Abb. 3-4 Endosonographisches Bild eines<br />

intersphinktären Abszesses (A = Abszesshöhle)<br />

Inkontinenz oder Kontinenz belegen könnten.<br />

Die <strong>Dr</strong>uckmessung ist also abhängig vom<br />

jeweils verwendeten Instrumentarium, und<br />

jeder Untersucher muß seine eigenen Normwerte<br />

definieren. Ein einzelner Wert ist dabei<br />

diagnostisch wenig aussagekräftig. Sich<br />

ändernde Werte beispielsweise im Rahmen<br />

einer Übungsbehandlung sind bei gleichen<br />

Untersuchungsbedingungen aber im Sinne<br />

einer <strong>Therapie</strong>kontrolle verwertbar.<br />

<strong>Dr</strong>uckänderungen unter Reflexbedingungen<br />

sind dagegen ein wichtiges diagnostisches Kri-<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

terium. Bei Luftinsufflation ins Rektum sinkt<br />

der intraanale <strong>Dr</strong>uck, sofern das Reflexverhalten<br />

ungestört ist (Internusrelaxation). Das Fehlen<br />

des <strong>Dr</strong>uckabfalls ist beim M. Hirschsprung<br />

diagnostisch wegweisend. Insofern kommt der<br />

<strong>Dr</strong>uckmessung in der Diagnostik der Obstipation<br />

ein gewisser Stellenwert zu.<br />

Für die Durchführung stehen unterschiedliche<br />

Messsysteme zur Verfügung. Mikrotipkatheter<br />

erlauben eine elektronische, exakt<br />

reproduzierbare Messung bei einem relativ<br />

hohen Preis des Katheters. Preiswerter sind<br />

Messsysteme mit wassergefüllten Ballons oder<br />

offen perfundierte Katheter, wobei die letztgenannten<br />

ihre hohe Messgenauigkeit mit einem<br />

schwierigen Handling durch den Untersucher<br />

erkaufen. Verbreitet ist die Perfusionsmanometrie<br />

mittels eines 8-Kanal-<strong>Dr</strong>uckmessgerätes.<br />

Hierbei kann eine Vektor-Volumen-Manometrie<br />

erfolgen, die Asymmetrien des Sphinkterorgans<br />

aufgrund von Muskeldefekten bildlich darstellt.<br />

Diese Technik hat aber noch keinen definierten<br />

klinischen Wert erreicht und sich darum nicht<br />

flächendeckend als Standard etabliert.<br />

Für wissenschaftliche Fragestellungen ist<br />

eine <strong>Dr</strong>uckmessung im Kolorektum oberhalb<br />

des Analkanals zur Messung der Motilität<br />

entwickelt worden, die sog. Barostat-Motilitätsuntersuchung.<br />

Hierbei werden Tonus<br />

und phasische Kontraktionen der Darmwand<br />

fortlaufend registriert. Auch diese Messungen<br />

sind eher wichtig zur Klärung pathologischer<br />

Motilitätsmuster bei Problemen der Obstipation<br />

als bei einer Inkontinenz.<br />

Als Messparameter können mit Einkanal-<br />

Messsystemen (Sonde im Analkanal) erfasst werden:<br />

• Ruhedruck als Ausdruck der<br />

• Internusfunktion<br />

• Sphinkterdruckprofil in Ruhe,<br />

• bestimmbar mittels Duchzugsmanometrie<br />

• als Ausdruck der Analkanallänge und<br />

• der Lokalisation der Hochdruckzone<br />

• Max. Kneifdruck als Ausdruck<br />

• der Externusfunktion<br />

Für die weiteren Messungen sind Zweikanal-<br />

Messsysteme (Sonden im Rektum und Analkanal)<br />

erforderlich.


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

• <strong>Dr</strong>uckverlauf beim Husten (Stressinkon-<br />

tinenztest). Stressinkontinenz liegt vor,<br />

• wenn der Rektumdruck den Analkanal-<br />

• druck übersteigt.<br />

• <strong>Dr</strong>uckverlauf beim Pressen (Defäkations-<br />

• test). Ruhedruck nimmt ab um etwa 50%.<br />

• Ggf. Hinweis auf Koordinationsstörung.<br />

• <strong>Dr</strong>uckverlauf bei Rektumdehnung.<br />

• Senkung des Analkanaldrucks fehlt bei<br />

• M. Hirschsprung.<br />

• Bestimmung der sensorischen Schwellen<br />

• (rektale Perzeption, Stuhldrangvolumen,<br />

• maximal tolerierbares Volumen), Bei<br />

• verminderter Perzeption kann eine Internus-<br />

• relaxation vor der wahrgenommenen<br />

• Stuhlfüllung erfolgen (Überlaufinkontinenz).<br />

• Die Perzeption und das Stuhldrangvolu-<br />

• men können erhöht sein bei neurogener<br />

• Schädigung bei Diabetes oder Multipler<br />

• Sklerose. Das maximale tolerierbare<br />

• Volumen ist herabgesetzt bei viszeraler<br />

• Hyperalgesie oder bei eingeschränkter<br />

• rektaler Compliance. Die Compliance der<br />

• Rektumwand ist definiert als der<br />

• Quotient <strong>Dr</strong>uck/Volumen im Rektum.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der<br />

anale Ruhedruck und der Kneifdruck als Maß<br />

für die muskuläre Kontraktionskraft des Sphinkterapparates<br />

gelten können. Die Beurteilung der<br />

neurogenen Reflexabläufe durch Husten- und<br />

Pressversuch, die Internusrelaxation und die<br />

Überprüfung der Sensibilität sowie der Rektumcompliance<br />

erlauben gewisse Rückschlüsse<br />

auf die Ätiopathogenese einer Störung des<br />

Kontinenzapparates. Die <strong>Dr</strong>uckmessung liefert<br />

aber nur einen diagnostischen Baustein, der<br />

durch andere Maßnahmen wie Endoskopie,<br />

Endosonographie, röntgenologische Bildgebung<br />

und neurophysiologische Tests weiter<br />

abgesichert werden muss.<br />

Die Wertigkeit der Manometrie in der<br />

Diagnostik der Inkontinenz wird generell<br />

überschätzt. Ihr Stellenwert liegt eher in<br />

der Verlaufskontrolle der <strong>Therapie</strong>.<br />

Neurologische Diagnostik<br />

Die klinische Funktionsprüfung des Kontinenzapparates<br />

untersucht in erster Linie die motorische<br />

Aktivität der quergestreiften Muskulatur<br />

(Ruhetonus, aktive Kontraktion). Gleichzeitig<br />

kann aber auch durch einfache Bestimmung<br />

des Analreflexes ein Hinweis auf das reflexive<br />

Verhalten der Muskulatur gewonnen werden.<br />

Änderungen des intraanalen <strong>Dr</strong>ucks lassen<br />

weitere Reflexfunktionen nachvollziehen, z.B.<br />

die Frage der fehlenden Internusrelaxation beim<br />

M. Hirschsprung. Aufwändig sind Prüfungen<br />

der Sensibilität des Anoderms, die insbesondere<br />

als Messung von Temperaturunterschieden<br />

entwickelt wurden. Mit neurophysiologischen<br />

Methoden ist eine exakte und quantifizierbare<br />

Beurteilung der Kontinenzleistung möglich. Die<br />

unterschiedlichen Techniken und die Interpretation<br />

der Ergebnisse sind für den Proktologen<br />

wissenswert.<br />

Ableitung des EMG mit Oberflächenelektroden:<br />

Verwendet werden Klebeelektroden oder Plugelektroden.<br />

Gemessen wird immer die globale<br />

elektrische Aktivität aller Beckenbodenmuskeln.<br />

Man muss einkalkulieren, dass der Patient beispielsweise<br />

die auxiliäre Glutealmuskulatur mit<br />

anspannt. Dies kann jedoch klinisch beobachtet<br />

und somit berücksichtigen werden.<br />

Die Methode ist nicht invasiv, birgt somit<br />

keine Infektionsgefahr. Sie ist sehr gut geeignet<br />

zur <strong>Therapie</strong>kontrolle bei der Biofeedbacktherapie.<br />

Es ist aber nicht möglich, Potentiale motorischer<br />

Einheiten zu beurteilen. Die Methode<br />

ist nicht gut geeignet zur Abklärung eines<br />

Anismus. Man findet gehäuft falsch-positive<br />

Ergebnisse, da M. sph. ani externus und M.<br />

puborectalis zusammen erfasst werden.<br />

Das Oberfächen-EMG erlaubt eine Beurteilung<br />

der globalen elektrischen Aktivität<br />

der Sphinktermuskulatur.<br />

Ableitung des EMG mit der konzentrischen<br />

Nadelelektrode: Diese Form des EMG stellt<br />

die Standardmethode zur neurologischen<br />

Beurteilung der quergestreiften Muskulatur<br />

29


30<br />

dar. Es gelingt der Nachweis einer myogenen<br />

Schädigung, eines Muskeldefekts und auch<br />

einer neurogenen Schädigung. Die neurogene<br />

Schädigung stellt die häufigste Ursache einer<br />

analen Inkontinenz dar.<br />

Bei einer neurogenen Schädigung kann<br />

durch die Einzelpotentialanalyse und die Beurteilung<br />

des Aktivitätsmusters die Schädigung<br />

nachgewiesen oder ausgeschlossen werden;<br />

sie kann quantifiziert werden und es kann<br />

zwischen einem floriden und chronischen<br />

Stadium der Schädigung unterschieden werden.<br />

Diese Fragestellungen sind insbesondere bei<br />

der Begutachtung nach Becken- oder Wirbelsäulenverletzungen<br />

von Bedeutung.<br />

Die Untersuchung ist invasiv. Man muss<br />

nach Hautdesinfektion die Nadel perkutan<br />

vorschieben. Dabei besteht die Gefahr einer<br />

Kontamination, z.B. Induktion einer Fistel und<br />

der Auslösung einer Blutung. Die Muskulatur<br />

wird unter unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />

in Ruhe, bei maximaler Willkürinnervation<br />

und beim Pressen untersucht sowie unter<br />

Reflexbedingungen, sodass die Untersuchung<br />

auch einen längeren Zeitraum beansprucht.<br />

• Bewertet werden bei der Einzel-<br />

• potentialanalyse folgende Parameter:<br />

• die Amplitude<br />

• die Potentialdauer<br />

• die Phasenzahl (ab 4 Phasen =<br />

polyphasisches Potential)<br />

Polyphasische Potentiale sind Reinnervationsphänomene.<br />

Sie entstehen dadurch, dass denervierte<br />

Muskelfasern durch benachbarte<br />

Axone reinnerviert werden.<br />

In der Standarduntersuchung sollen 20<br />

Potentiale an unterschiedlichen Positionen<br />

abgeleitet werden. Normal ist eine Dauer von<br />

2 – 8 msec. und eine Amplitude von 0,3 bis 1,5<br />

mVolt bei einer Polyphasierate von nicht mehr<br />

als 20%. Die Befundinterpretation erfordert eine<br />

besondere neurophysiologische Erfahrung.<br />

Bewertet wird auch das Maximalmuster<br />

der Potentiale bei kräftiger Willkürinnervation.<br />

Hierbei kommt es zur Überlagerung von Potentialen<br />

(Interferenz). Das dabei entstehende<br />

Interferenzmuster kann bei neurogener Schädi-<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

gung als pathologisch (»gelichtetes Interferenzmuster«)<br />

bewertet werden. Beim Pressen kommt<br />

es normalerweise zur Aktivitätshemmung.<br />

Beim Muskeldefekt kann mit der Nadelelektrode<br />

unter der Narbe nach Muskelaktivität<br />

gesucht werden und so eine Landkarte<br />

des Defekts (mapping) erstellt werden. Hierzu<br />

sind immer mehrere schmerzhafte Einstiche<br />

erforderlich, sodass diese Untersuchung mit<br />

Recht durch die Endosonographie vollkommen<br />

verdrängt wurde. Wichtig ist der Nachweis<br />

einer Kombination eines Muskeldefektes mit<br />

einem ausgedehnten neurogenen Schaden. In<br />

diesen Fällen sind die Erfolgsaussichten der<br />

Defektrekonstruktion weniger günstig.<br />

Zur Diagnose eines Sphinkterdefektes<br />

wurde das Nadel-EMG zugunsten der Endosonographie<br />

verlassen.<br />

Ableitung der PNTML (pudendal nerve terminal<br />

motor latency): Die PNTML entspricht<br />

der motorischen Latenz der Endstrecke des N.<br />

pudendus. Sie erlaubt eine Aussage bezüglich<br />

des morphologischen Zustands dieses Nerven.<br />

Gemessen wird nicht eine Nervenleitgeschwindigkeit,<br />

weil auch die neuromuskuläre Übertragung<br />

und Leitung bis in die Muskelfasern<br />

mitgemessen wird. Es wird nicht am Ende<br />

des Nervs abgeleitet, sondern die muskuläre<br />

Antwort mitgemessen.<br />

Der Nerv wird transmukös über eine Elektrode<br />

an der Fingerspitze gereizt, die Antwort<br />

erfolgt über eine Elektrode an der Fingerbasis,<br />

die über dem Externus liegt (Dantec ® St. Mark`s<br />

Pudendal Nerve Electrode). Es kommt darauf<br />

an, die Fingerspitze so nah wie möglich am<br />

Ursprung des N. pudendus zu positionieren und<br />

dann bei wiederholter Messung die kürzeste<br />

Latenz zu bestimmen.<br />

Die PNTML weist die Intaktheit des Nervus<br />

pudendus im Sinne einer qualitativen<br />

Analyse nach. Die Normwerte liegen in einem<br />

sehr engen Bereich, so dass Pathologica<br />

sicher festlegbar sind. Die Erfahrung hat aber<br />

gezeigt, dass die Ergebnisse kein klares Indikationskriterium<br />

zu operativen Eingriffen der<br />

Kontinenzverbesserung ergeben.


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

Klinische Relevanz der EMG-Diagnostik: Die<br />

Arbeitsgruppen, allen voran die des St. Marks<br />

Hospitals mit Parks, Swash und dem Pathologen<br />

Morson, haben in den 1970er Jahren die<br />

neurogene Inkontinenz elektrophysiologisch<br />

und pathologisch-anatomisch klären können.<br />

Die schrittweise Denervation als degenerativer<br />

Vorgang führt zwar zur Reinnervation, letztlich<br />

aber doch zum zunehmenden Funktionsverlust.<br />

Histologisch wird dies erkennbar an einer<br />

Faserhypertrophie und -atrophie sowie an der<br />

Änderung des Verhältnisses von Typ 1- zu<br />

Typ 2-Fasern der Muskulatur. Die früher als<br />

idiopathisch bezeichnete Form der Inkontinenz<br />

hat dadurch eine kausale Erklärung gefunden.<br />

Sie stellt zudem die zahlenmäßig häufigste<br />

Form der Inkontinenz dar. Deswegen bleibt<br />

auch heute noch als wesentliche Frage bei der<br />

Abklärung einer analen Inkontinenz die nach<br />

dem Vorhandensein bzw. dem Ausmaß einer<br />

neurogenen Schädigung.<br />

Der Nachweis eines Muskeldefekts erfolgt<br />

heute endosonographisch und nicht mehr<br />

durch ein elektromyographisches »mapping«.<br />

Für die operative Versorgung eines Muskeldefekts<br />

entscheidend ist die Kombination mit<br />

einer neurogenen Schädigung. Hierbei ist dann<br />

die Quantifizierung des Schadens durch das<br />

EMG mit der konzentrischen Nadelelektrode<br />

entscheidend für die operative Indikationsstellung.<br />

Bei Fehlbildungen im Rahmen der unterschiedlichen<br />

Formen der Analatresie kann man<br />

elektromyographisch nach einer evtl. vorhandenen<br />

Muskelschlinge suchen, um beim Durchzug<br />

den Darm in diese Schlinge zu positionieren.<br />

Im Rahmen der <strong>Therapie</strong> einer Inkontinenz<br />

läßt sich der Erfolg elektromyographisch bewerten.<br />

Er ist aber nicht messbar durch eine<br />

Veränderung des Einzelpotentials, weil die<br />

neurogene Schädigung durch die zur Verfügung<br />

stehenden Operationsmethoden nicht<br />

verbessert wird. Wir können nur bei maximaler<br />

Willkürinnervation eine bessere Rekrutierung<br />

der motorischen Einheiten feststellen,<br />

was im übrigen schon mit der Ableitung des<br />

Oberflächen-EMG’s möglich ist.<br />

Aktuell ist der Einsatz des EMG bei der<br />

sakralen Nervenstimulation. Hier wird die<br />

optimale Position der Stimulationselektrode<br />

unter Auswahl der geeigneten sakralen Nervenaustrittsstelle<br />

durch den elektromyographisch<br />

messbaren Stimulationserfolg festgelegt.<br />

Die EMG-Diagnostik ist extrem untersucherabhängig.<br />

Die Methode beinhaltet viele<br />

Fehlermöglichkeiten, sodass nicht jeder Neurologe<br />

als kompetent in der EMG-Diagnostik<br />

gelten kann. Dies gilt erst recht für Proktologen,<br />

die diese Technik ohne Zusammenarbeit<br />

mit einem Neurophysiologen durchführen.<br />

Hierbei werden dann Aussagen getroffen, die<br />

die Methode nicht leisten kann und die somit<br />

falsch sind. Automatische EMG-Analysegeräte<br />

können diesen Mangel keineswegs wettmachen.<br />

Sie ersetzen insbesondere bei der Einzelpotentialanalyse<br />

nicht die jahrelange Übung zum<br />

Erwerb neurophysiologischer Erfahrung.<br />

Die Interpretation der Ergebnisse der<br />

neurophyiologischen Diagnostik der<br />

Sphinktermuskulatur bedarf fortgeschrittener<br />

proktologischer und neurologischer<br />

Erfahrung, besonders im Hinblick auf eine<br />

operative <strong>Therapie</strong>entscheidung.<br />

Grundsätzlich ist die ausschließliche Untersuchung<br />

der analen Muskulatur bzw. des N.<br />

pudendus auch nicht für alle Fragestellungen<br />

ausreichend. Erst die weiterführenden Untersuchungen<br />

von evozierten Potentialen und<br />

der Messung von Reflexlatenzen lassen höher<br />

gelegene Ursachen der Inkontinenz sicher ausschließen.<br />

Wenngleich diese Ursachen selten<br />

sind, da sich spinale Schäden naturgemäß selten<br />

in einer isolierten Inkontinenz zeigen, ist deren<br />

differentialdiagnostische Bewertung insbesondere<br />

bei Begutachtungen unerlässlich.<br />

Einen gewissen Stellenwert beansprucht<br />

die EMG-Diagnostik auch bei der Abklärung der<br />

rektalen Entleerungsstörungen und Schmerzzustände.<br />

Eine paradoxe Aktivitätszunahme beim<br />

Kneifen (Anismus) oder die fehlende Relaxation<br />

des Externus beim Pressen (spastic pelvic floor<br />

syndrome) lassen sich besser im Nadel-EMG<br />

als mit Oberflächenelektroden nachweisen. Ein<br />

Pudendus-Kompressionssyndrom lässt sich<br />

elektromyographisch nicht beweisen.<br />

31


32<br />

Die minimale klinische Klärung neurogener<br />

Störungen umfasst natürlich auch die Auslösung<br />

des Analreflexes durch Reizung der perianalen<br />

Haut entweder mit einem Spatel oder mit<br />

einer Nadel. Das komplette Fehlen lässt keine<br />

Differenzierung zu zwischen Afferenz, Efferenz<br />

und spinaler Umschaltung. Bei normwertiger<br />

Efferenz (z.B. gemessen durch die PNTML)<br />

und normwertiger Afferenz (gemessen durch<br />

somato-sensibel evozierte Potentiale, SSEP)<br />

kann ein verzögerter Analreflex Ausdruck<br />

einer spinalen Schädigung sein, was natürlich<br />

weiter abgeklärt werden muss.<br />

Radiologische Diagnostik<br />

Kolon-Doppelkontrast-Untersuchung: Die früher<br />

als Standardverfahren durchgeführte Doppelkontrastdarstellung<br />

des Dickdarms oder<br />

Dünndarms hat wegen der flächendeckenden<br />

Verbreitung der Endoskopie und ihrer technischen<br />

Fortentwicklung erheblich an Bedeutung<br />

verloren. Intestinale Stenosen werden<br />

mitunter noch im Kontrasteinlauf dargestellt.<br />

Man kann dabei auch gut auf die Wirksamkeit<br />

als Passagehindernis rückschließen, wenn<br />

eine prästenotische Dilatation nachweisbar ist.<br />

Die Entwicklung geht zweifelsfrei aber in die<br />

Richtung eines Hydro- oder Pneumo-CT bzw.<br />

eines NMR-Sellink. Die Multi-Slice-Technik<br />

des CT und die Zunahme der Rechnerkapazität<br />

ermöglichen die Darstellung des Darmprozesses<br />

mit der Dokumentation des endoluminären<br />

Hindernisses und gleichzeitig die Darstellung<br />

der benachbarten Strukturen und deren Beteiligung<br />

an dem intestinalen Hindernis.<br />

Schnittbildtechniken: Die Schnittbildverfahren<br />

zeigen heute bei Prozessen im Beckenboden<br />

eine bessere Auflösung als in früheren Jahren.<br />

Dies gilt auch für die Darstellung der tumornahen<br />

Umgebungsstrukturen bei tiefsitzenden<br />

Rektumtumoren. Dennoch ist die endoluminäre<br />

Sonographie sehr gut in der Lage, die Fragestellung<br />

der Infiltrationstiefe eines Tumors und des<br />

regionalen Lymphknotenstatus zu klären.<br />

In der Diagnostik der akuten Divertikulitis<br />

hat sich das CT als Standardmethode durchgesetzt.<br />

Im Gegensatz zum KE zeigt die Com-<br />

Koloproktologische Diagnostik 3<br />

Indikationen zum CT Tafel 3-2<br />

• Divertikulitis<br />

• Malignome des Kolorektums<br />

• Abszesse (incl. CT-gesteuerter <strong>Dr</strong>ainage)<br />

• Komplikationen nach kolorektalen Eingriffen<br />

• virtuelle Koloskopie<br />

• Tumornachsorge<br />

putertomographie heute durch die verbesserte<br />

Auflösung eine Wandinfiltration, intramurale<br />

Abszesse und die Beziehung des entzündlichen<br />

Darmsegments zur Umgebung. Analoges gilt<br />

für postoperative Komplikationen nach Kolonresektionen<br />

und deren entzündliche Folgen<br />

im Abdominalraum. Die Möglichkeit einer<br />

CT-gesteuerten Abszesspunktion erlaubt ein<br />

interventionelles Vorgehen, das im Einzelfall<br />

ein ungleich geringeres Risiko darstellt als<br />

ein Reeingriff. Die computertomographische<br />

Darstellung des Beckeninnenraumes hat einen<br />

festen Stellenwert in der Nachsorge des durch<br />

Amputation behandelten Rektumkarzinoms.<br />

In der Nachsorge des operierten Rektumkarzinoms<br />

ist die Differenzierung zwischen<br />

Narbe und Rezidiv mitunter im NMR sicherer<br />

als im CT. Die PET-Untersuchung scheint als<br />

zusätzliche Technik geeignet für den Nachweis<br />

einer Metastasierung beim kolorektalen<br />

Karzinom bzw. zur Differenzierung zwischen<br />

Narbe und lokoregionärem Rezidiv nach der<br />

Rektumamputation.<br />

Die virtuelle Koloskopie mittels NMR erscheint<br />

der Darstellung des Kolons im CT wegen<br />

der fehlenden Strahlenbelastung überlegen. Die<br />

Vorsorge mittels einer virtuellen Koloskopie<br />

erscheint aber nicht generell empfehlenswert,<br />

da die synchrone Biopsieentnahme bzw. Polypektomie<br />

nicht möglich ist.<br />

Die Muskulatur des kleinen Beckens und<br />

Beckenbodens lässt sich im NMR anatomiegerecht<br />

darstellen. In der Zuordnung komplexer<br />

entzündlicher Prozesse zu den anatomischen<br />

Strukturen im Becken ist die Kernspintomographie<br />

allen anderen röntgenologischen Tech-


3 Koloproktologische Diagnostik<br />

niken überlegen. In der Inkontinenzdiagnostik<br />

gelingt die Darstellung der Anteile der Schließmuskulatur<br />

mit der Frage einer traumatischen<br />

Läsion endosonographisch zumeist besser als<br />

mittels NMR.<br />

Indikationen zum NMR Tafel 3-3<br />

• Staging des Rektumkarzinoms<br />

• entzündliche Prozesse des Beckenbodens,<br />

als dynamische Untersuchung: Senkungs- und<br />

Prolapszustände<br />

• virtuelle Koloskopie<br />

• Tumornachsorge<br />

Fistulographie: In der präoperativen Darstellung<br />

komplexer Analfisteln konkurrieren Endosonographie<br />

und NMR. Die früher routinemäßig<br />

durchgeführte Fisteldarstellung durch Instillation<br />

von Kontrastmitteln (Fistulographie)<br />

kann inzwischen keinerlei diagnostischen Wert<br />

mehr beanspruchen. Sie wird dennoch häufig<br />

indiziert, wobei dann Befunde resultieren, die<br />

nicht in einen operativen Situs übertragbar<br />

sind und deren Interpretation durch den operativen<br />

Befund zumeist revidiert wird. Das<br />

Bemühen um Strahlenhygiene sollte diese<br />

Untersuchungsmaßnahmen endlich beenden.<br />

Wenn eine Fisteldarstellung erforderlich ist,<br />

sollte sie mittels NMR oder bei entsprechender<br />

Erfahrung des Untersuchers mittels Endosonographie<br />

erfolgen. Die Indikation hierzu stellt<br />

der Operateur, die routinemäßige Bereitstellung<br />

solcher Aufnahmen zur Vorstellung beim Chirurgen<br />

ist unnötig.<br />

Defäkographie: Funktionelle Störungen des<br />

Anorektums bzw. Beckenbodens werden noch<br />

weithin mit einer konventionellen Defäkographie<br />

abgeklärt. Hier muss die Strahlenbelastung<br />

in Anrechnung gebracht werden, da sehr häufig<br />

jüngere Frauen betroffen sind. Alternativ<br />

steht an einigen Zentren eine dynamische<br />

NMR-Untersuchung zur Verfügung. Die auf<br />

diese Weise darstellbaren Probleme erfordern<br />

aber keineswegs grundsätzlich eine bildgebende<br />

Klärung. Sie können auch mit klinischen<br />

Untersuchungsmethoden soweit geklärt werden,<br />

dass über eine evtl. Operationsindikation<br />

entschieden werden kann. Die konventionelle<br />

Defäkographie muß seltener indiziert, die dynamische<br />

NMR in Sondersituationen ggf. auch<br />

unter Inkaufnahme einer Vorstellung in einem<br />

Zentrum durchgeführt werden.<br />

Transitzeitbestimmung: Einen gewissen Stellenwert<br />

für die Abklärung einer Obstipation hat<br />

nach wie vor die Transitzeitbestimmung mittels<br />

röntgendichter Marker. Sie erlaubt die Differenzierung<br />

zwischen Kolontransportstörung und<br />

rektaler Entleerungsstörung. Dennoch ergibt<br />

sich aus der Transitzeitbestimmung in der Regel<br />

nur die Indikation zur konservativen <strong>Therapie</strong><br />

und nicht ab einem gewissen »Zeitlimit« die<br />

klare Indikation zu einer Kolonteilresektion.<br />

33


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Beachten Sie den Basistext auf Seite 182


4 Hämorrhoidalleiden<br />

4 Hämorrhoidalleiden<br />

Anatomie und Physiologie 36<br />

Pathogenese des Hämorrhoidalleidens 37<br />

Klassifi kation 38<br />

Symptomatologie 40<br />

Differentialdiagnostik 40<br />

<strong>Therapie</strong> 42<br />

Konservative <strong>Therapie</strong> 42<br />

Basistherapie 42<br />

Sklerosierungsbehandlung 43<br />

Gummibandligatur 43<br />

Operative <strong>Therapie</strong> 44<br />

Techniken 44<br />

Indikationen für operative Verfahren 47<br />

Nachbehandlung 49<br />

Ergebnisse der operativen <strong>Therapie</strong> 49<br />

35


36<br />

Vorbemerkung: Die Hämorrhoiden entsprechen<br />

dem Corpus cavernosum recti, wie es sich im<br />

dynamischen Bild seiner funktionellen Bestimmung<br />

als lumenabdichtender Schwellkörperapparat<br />

des oberen analen Kanales darstellt.<br />

Im Gegensatz dazu wird der Begriff des Corpus<br />

cavernosum recti vom Anatomen eher statisch<br />

gesehen, als struktureller Teil der Wand des<br />

oberen analen Kanals, der in der deskriptiven<br />

Anatomie darzulegen ist. Es gibt aus anatomischer<br />

Sicht den Normalzustand einer kissenartigen<br />

Unterfütterung der Schleimhaut des oberen<br />

analen Kanals mit entsprechender Vorwölbung,<br />

wobei das Gefäßkissen aus arteriovenösen<br />

Gefäßknäueln gebildet wird. Die funktionelle<br />

Anatomie erkennt diesen Normalzustand des<br />

Corpus cavernosum recti als Schwellkörper<br />

zur Feinregulierung der Verschlussfähigkeit<br />

des Afters im Sinne einer Teilkomponente des<br />

anorektalen Kontinenzorgans. Entsprechend<br />

den unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />

im Zustand der Kontinenzfunktion (bei<br />

geschlossenem Analkanal), im Zustand der<br />

Defäkationsfunktion (bei geöffnetem Analkanal)<br />

und während des Durchtritts des Stuhles<br />

sowie unmittelbar nach der Beendigung der<br />

Defkäkation lassen sich die Polster in unterschiedlicher<br />

Größe nachweisen.<br />

Die Kenntnis um die Funktion des Corpus<br />

cavernosum recti ist nicht neu. Bereits 1928 hat<br />

STIEVE darauf hingewiesen, dass der Hämorrhoidalplexus<br />

als Teil des Kontinenzapparates<br />

anzusehen ist. STELZNER, STAUBESAND und<br />

MACHLEIDT haben 1962 im mikroskopischen<br />

Nachweis den Schwellkörperapparat als aus<br />

arteriovenösen Gefäßanastomosen bestehend<br />

beschrieben. KÜGLER hat 1968 anhand von<br />

Sauerstoffmessungen im Hämorrhoidalblut<br />

bewiesen, dass es sich hierbei um arterielles<br />

Blut handelt und die Varizentheorie dadurch<br />

widerlegt.<br />

Anatomie und Physiologie<br />

Die Hämorrhoiden erhalten ihre Füllung über<br />

arterielle Zuflüsse innerhalb der Tunica submucosa.<br />

Der venöse Abstrom aus den Gefäßpolstern<br />

erfolgt über kleine Sammelvenen, die ihren<br />

Verlauf durch den M. sphincter ani internus<br />

Hämorrhoidalleiden 4<br />

nehmen und im intersphinktärischen Raum<br />

zu größeren Venenstämmen zusammenlaufen.<br />

Teilweise erfolgt der Verlauf auch transsphinktär<br />

zu Sammelvenen in den Paraproktien. Der<br />

M. sphincter ani internus hat dabei die Funktion<br />

einer <strong>Dr</strong>osselung des venösen Abstroms. Ein<br />

kontrakter M. sphincter ani internus vermag<br />

bei erhaltenem arteriellen Zufluss das Corpus<br />

cavernosum recti zu vergrößern und hierdurch<br />

das Lumen des oberen Analkanals abzudichten.<br />

Die <strong>Dr</strong>osselfunktion des M. sphincter ani<br />

internus wirkt sich insbesondere aus bei der<br />

Füllung der Rektumampulle mit Stuhl, dessen<br />

Volumen noch nicht zur Internusrelaxation und<br />

Einleitung des Defäkation ausreicht. In diesen<br />

Fällen gewährleisten der Tonus der Muskulatur<br />

und das gefüllte Corpus cavernosum recti die<br />

Abdichtung.<br />

Die Darstellung der Durchblutung des<br />

Hämorrhoidalplexus bedarf einer Ergänzung.<br />

Im Rahmen der Diskussion um die Staplerhämorrhoidektomie<br />

als einer »Sperroperation der<br />

Durchblutung« und um die Wirkungsweise der<br />

»dopplersonographisch gesteuerten Hämorrhoidalarterienligatur«<br />

(HAL) hat eine Arbeitsgruppe<br />

von Anatomen und Chirurgen um FRITSCH<br />

und AIGNER neue Untersuchungen zum Verteilungsmuster<br />

der Gefäßäste der A. rectalis<br />

superior vorgelegt. Dabei zeigt sich, dass die<br />

arteriellen Zuflüsse zum Corpus cavernosum<br />

recti im kranialen Anteil submukös verlaufen.<br />

Im kaudalen Anteil unmittelbar in Höhe der<br />

Linea dentata strahlen aber noch Äste von<br />

weit lateral ein, die aus Gefäßästen stammen,<br />

die außerhalb der Submukosa verlaufen. Diese<br />

Gefäße ziehen gerade durch die Muskulatur<br />

in das Corpus cavernosum recti. Sie können<br />

darum in der üblichen Ebene der Gefäßligatur<br />

bei der HAL nicht unterbunden werden.<br />

Gleichzeitig wurde durch diese Untersuchungen<br />

nochmals die Redundanz der Durchblutung<br />

des Corpus cavernosum recti dargestellt, da es<br />

auch Zuflüsse aus der A. rectalis media erhält.<br />

KOLBERT konnte an dopplersonographischen<br />

Nachuntersuchungen zeigen, dass die Staplerhämorrhoidektomie<br />

aus den gleichen Gründen<br />

nicht als »Sperroperation« wirksam ist.


4 Hämorrhoidalleiden<br />

���<br />

Die Gefäßversorgung des Corpus cavernosum<br />

recti ist redundant. Eine Sperr- ���<br />

operation (zirkuläre Unterbrechung aller<br />

zuführenden Gefäße in einer Höhe) kann<br />

daher nicht gelingen.<br />

Die Defäkation wird eingeleitet mit der reflexhaften<br />

Internusrelaxation. Wenn im weiteren<br />

Verlauf die Willkürkomponente der quergestreiften<br />

Muskulatur ebenfalls im Sinne einer<br />

Defäkation beeinflusst wird, kommt es zum<br />

langsamen Durchtritt der Stuhlsäule durch den<br />

oberen analen Kanal. In dieser Phase kann der<br />

durchtretende Stuhl selbst durch <strong>Dr</strong>uck auf<br />

die Hämorrhoidalpolster die Entleerung durch<br />

die internusdurchbohrenden Gefäße bewirken,<br />

da der M. sphincter ani internus in diesem<br />

Augenblick nicht kontrahiert ist.<br />

Pathogenese des<br />

Hämorrhoidalleidens<br />

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Abb. 4-1 Corpus cavernosum recti im Zustand der<br />

Kontinenz (schematisch). Der M. sphincter ani internus<br />

ist kontrahiert, der venöse Abstrom aus dem Corpus<br />

cavernosum recti gedrosselt, das Corpus cavernosum<br />

recti leistet die »Feinkontinenz«. Erkennbar ist auch<br />

die Redundanz der Durchblutung des Hämorrhoidalplexus.<br />

Die art. Zuflüsse zur Wand des Analkanals A.<br />

rectalis sup., A. rectalis media und A. rectalis inf. sind<br />

schematisch dargestellt.<br />

���<br />

Probleme in diesem Funktionsablauf kön���<br />

nen sich insbesondere ergeben durch eine zu<br />

kleinvolumige Stuhlportion oder aber durch<br />

ein nicht zeitgerechtes, forciertes Betätigen<br />

der Bauchpresse. Beide Fehlfunktionen kön-<br />

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nen sich insofern wechselseitig bedingen, als<br />

eine kleine Stuhlportion nicht zur reflexhaften<br />

Internusrelaxation führt und somit die<br />

��������<br />

����<br />

Entleerung dieser kleinen Stuhlportion den<br />

forcierten Einsatz der Bauchpresse erforderlich<br />

macht. Unter solchen unphysiologischen<br />

Defäkationsbedingungen kommt es dann zu<br />

���<br />

����������<br />

einem Anpressen der Stuhlsäule gegen die noch<br />

gefüllten Hämorrhoidalpolster, die bei dieser<br />

Abwärtsbewegung ebenfalls mit nach distal<br />

Abb. 4-2 Corpus cavernosum recti im Zustand der<br />

Defäkation (schematisch). Die Defäkation wird eingeleitet<br />

durch eine Relaxation des M. sphincter ani<br />

hin bewegt werden. Die Hämorrhoidalpolster internus (rektoanaler Inhibitionsreflex). Hierdurch<br />

werden durch ein Gerüst muskulärer (siehe M. wird der venöse Rückstrom möglich und das Corpus<br />

canalis ani) und fibroelastischer Fasern in der<br />

Position im oberen analen Kanal gehalten. Eine<br />

cavernosum recti entleert.<br />

langdauernde Traumatisierung des Aufhänge- sind. Gleichzeitig werden durch die Abwärtsapparates<br />

der Hämorrhoiden vermag Schäden bewegung Scherkräfte auf die Gefäße wirksam,<br />

zu verursachen, die mit einer dauerhaften die zu Gefäßwandschäden mit Thrombosierun-<br />

Distalverlagerung des Corpus cavernosum gen und unter Umständen dauerhaft gestörter<br />

recti und einem entsprechend gestörten ana- Durchblutung der Polster führen. Durch die<br />

tomischen Aufbau des Analkanals verbunden mechanische Beanspruchung der Schleim-<br />

37


38<br />

hautoberfläche kommt es zur Eröffnung von<br />

Gefäßen mit entsprechenden Blutungen. Diese<br />

Blutungen stammen in der Regel nicht aus dem<br />

kavernösen Gefäßplexus, sondern aus arteriellen<br />

Gefäßen an der Oberfläche der Polster, die<br />

im Übrigen auch makroskopisch gut erkennbar<br />

sind. LIERSE hat darauf hingewiesen, dass im<br />

Corpus cavernosum recti neben dem funktionellen<br />

Kreislauf der arteriovenösen Gefäßknäuel<br />

ein nutritiver Kreislauf nachzuweisen ist, dessen<br />

arterielle Gefäße an der Oberfläche der Polster<br />

verlaufen. Sie sind bei einer pathologischen<br />

Vergrößerung der Polster beim Hämorrhoidalleiden<br />

an der Oberfläche ausgespannt und<br />

darum leicht verletzlich.<br />

Klassifikation<br />

Der Vorgang einer »unphysiologischen Defäkation«<br />

führt auf Dauer zu einer Änderung des<br />

anatomischen Aufbaus mit vergrößerten Hämorrhoidalpolstern<br />

bei Störung des Blutumlaufs<br />

in den Gefäßsystemen und einer zunehmenden<br />

Distalverlagerung, im Extremfall bis zu einem<br />

andauernden Prolaps aus dem analen Kanal<br />

heraus. Hierdurch werden Krankheitssymptome<br />

ausgelöst, die man zweckmäßigerweise als<br />

Hämorrhoidalleiden umschreiben sollte. Der<br />

Therapeut behandelt also nicht die Hämorrhoiden,<br />

sondern das Hämorrhoidalleiden.<br />

Das Hämorrhoidalleiden wird zumeist anhand<br />

einer Stadieneinteilung der vergrößerten<br />

Hämorrhoidalpolster klassifiziert, die neben<br />

der Größenzunahme auch die Dislokation des<br />

Hämorrhoidalgewebes nach distal hin berücksichtigt.<br />

Unter Hämorrhoiden ersten Grades<br />

werden flach erhabene Polster im oberen analen<br />

Kanal verstanden, die nur proktoskopisch<br />

nachzuweisen sind, und die per definitionem<br />

ins Lumen des vorn offenen Proktoskops prolabieren.<br />

Bei dieser Klassifizierung ergeben<br />

sich Probleme insofern, als in diesem frühen<br />

Stadium die Abgrenzung zwischen Normalbefund<br />

und bereits krankhafter Hämorrhoidalvergrößerung<br />

sehr schwierig ist. Entsprechend<br />

den unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />

ist davon auszugehen, dass das Hämorrhoidalgewebe<br />

im Funktionszustand der Kontinenz<br />

Hämorrhoidalleiden 4<br />

proktoskopisch größer imponiert und etwas<br />

weiter ins Lumen des Proktoskops hineinfällt<br />

als im Zustand der beginnenden Defäkation. Im<br />

Stadium 1 ist also der Normalbefund endoskopisch-makroskopisch<br />

nicht sicher vom bereits<br />

krankhaften Befund des Hämorrhoidalleidens<br />

zu differenzieren. In diesem Krankheitszustand<br />

ist die subjektive Symptomatik des Patienten<br />

entscheidend für den Krankheitswert der<br />

Funktionsstörung.<br />

Hämorrhoiden ersten Grades können<br />

nicht durch Inspektion und Palpation, sondern<br />

nur proktoskopisch nachgewiesen<br />

werden.<br />

Zweitgradig vergrößerte Hämorrhoidalpolster<br />

(vgl. Abb. 4-3) prolabieren bei der Defäkation<br />

bis in den distalen analen Kanal oder auch bis<br />

vor den After. Sie ziehen sich aber mit dem<br />

Ende der Defäkation spontan wieder in den<br />

Analkanal zurück.<br />

Abb. 4-3 Hämorrhoiden II. Grades<br />

(Ansicht im Proktoskop)<br />

<strong>Dr</strong>ittgradig vergrößerte Polster (vgl. Abb. 4-4)<br />

retrahieren sich nicht mehr. Sie müssen digital<br />

reponiert werden oder sind während eines<br />

längeren Zeitraums außerhalb des Analkanals<br />

nachzuweisen.<br />

Die von einigen Autoren zusätzlich vorgenomene<br />

Einteilung in Hämorrhoiden vierten<br />

Grades (vgl. Abb. 4-5) berücksichtigt die


4 Hämorrhoidalleiden<br />

Abb. 4-4 Hämorrhoiden III. Grades<br />

im weiteren Verlauf gelegentlich auftretende<br />

Einklemmung des ausgetretenen Polsters mit<br />

Perfusionsstörungen und Ausbildung von<br />

Thrombosen, die aufgrund ihrer Größenzunahme<br />

und Schmerzhaftigkeit unter Umständen<br />

dauerhaft die Reposition des ausgetretenen<br />

Hämorrhoidalpolsters unmöglich macht. Diese<br />

Prolapsformen sind aber nach Rückgang der<br />

akuten Thrombosierung reversibel. Zusätzlich<br />

gibt es Formen der Eventration des Hämorrhoidalgewebes<br />

mit Vernarbung und hierduch<br />

bedingter Irreponibilität. Diese Befunde sind<br />

Abb. 4-5 Hämorrhoiden IV. Grades mit<br />

ödematösem Analprolaps<br />

Stadieneinteilung des Tab. 4-1<br />

Hämorrhoidalleidens<br />

Stadium 1 proktoskopisch sichtbar<br />

vergrößerte Polster<br />

Stadium 2 Prolaps bei der Defäkation,<br />

spontane Retraktion<br />

Stadium 3 Prolaps nur manuell reponibel<br />

Stadium 4 Prolaps irreponibel<br />

aufgrund Fibrose oder<br />

Thrombosierung<br />

selten. Sie wurden in der Vergangenheit von<br />

englischen Autoren darum auch nicht als<br />

separates Stadium des Hämorrhoidalleidens<br />

erwähnt. Im Rahmen der Diskussion um die<br />

Indikationsbreite der Staplerhämorrhoidektomie<br />

ist die Einteilung in 4 Grade aber wieder von<br />

Bedeutung.<br />

Die Bezeichnung »äußere Hämorrhoiden«<br />

für die Hämorrhoidalvergrößerung dritten<br />

und vierten Grades erscheint nicht nützlich.<br />

Fälschlicherweise werden von einigen Autoren<br />

perianale Thrombosen als äußere Hämorrhoiden<br />

bezeichnet. Als Hämorrhoiden sollte nur das<br />

Gewebe bezeichnet werden, das ursprünglich<br />

seinen Platz oberhalb der Dentatalinie im<br />

oberen analen Kanal hat und das bei Größenzunahme<br />

und Dislokation nach außen<br />

Symptome eines Hämorrhoidalleidens erzeugt.<br />

Entsprechend der Lokalisation der arteriellen<br />

Hauptzuflüsse finden sich die vergrößerten<br />

Hämorrhoidalpolster sehr oft bei 3 Uhr, 7<br />

Uhr und 11 Uhr, bezogen auf die Zirkumferenz<br />

des Analkanals. Durch die Anordnung<br />

zeigt das reguläre Corpus cavernosum recti<br />

im geschlossenen Zustand des Analkanals eine<br />

sternförmige Konfiguration durch die Einziehung<br />

zwischen den drei Haupterhebungen. Die<br />

Größenzunahme des Hämorrhoidalgewebes im<br />

Rahmen eines fortgeschrittenen Hämorrhoidalleidens<br />

führt dann bei dauerhaftem Prolaps des<br />

Hämorrhoidalgewebes auch zu einer <strong>Dr</strong>eiteilung<br />

der Polster, wobei aber zwischen den Polstern<br />

häufig kleinere sogenannte Satellitenknoten des<br />

Hämorrhoidalgewebes ausgebildet sind.<br />

39


40<br />

Symptomatologie<br />

Die Symptomatologie des Hämorrhoidalleidens<br />

ist im Vergleich zu den übrigen Erkrankungen<br />

des Anorektums monoton. Es zeigt<br />

sich ein relativ uniformes Beschwerdebild,<br />

das im Wesentlichen geprägt ist durch Blutungen,<br />

einen Juckreiz der perianalen Haut<br />

und Schmerzen. Dies hat dazu geführt, alle<br />

subjektiv wahrnehmbaren Probleme intraanal<br />

und am Analrand als »hämorrhoidalen Symptomenkomplex«<br />

zusammenzufassen. Der Begriff<br />

wurde insbesondere von BLOND propagiert.<br />

Bei sorgfältiger Klassifizierung der Symptome<br />

und Ausschluss anderer analer Erkrankungen,<br />

die nicht ihr Substrat in vergrößerten Hämorrhoidalpolstern<br />

haben, wird die Symptomatologie<br />

präziser und lässt sich unter Umständen<br />

sogar mit den unterschiedlichen Stadien des<br />

Hämorrhoidalleidens korrelieren. Dieses lässt<br />

sich dann etwas vereinfacht so darstellen, dass<br />

die leichte Hämorrhoidalvergrößerung des<br />

Hämorrhoidalleidens im Stadium 1 durch das<br />

Leitsymptom der Blutung geprägt ist.<br />

Die hellrote Blutung ist Leitsymptom<br />

von erstgradig vergrößerten Hämorrhoidalpolstern.<br />

Der passagere Prolaps von Hämorrhoidalgewebe<br />

führt aufgrund der Vorverlagerung von<br />

Schleimhautanteilen über die Sekretion von<br />

Schleim zu einer Befeuchtung der perianalen<br />

Haut mit einem Feuchtigkeitsgefühl und<br />

konsekutivem Juckreiz. Dieses Stadium des<br />

temporären hämorrhoidalen Vorfalls hat als<br />

Leitsymptom den perianalen Juckreiz und<br />

weniger häufig nur Symptome einer Blutung.<br />

Die weitere Vergrößerung mit permanentem<br />

Prolaps des Hämorrhoidalgewebes oder aber<br />

Vorverlagerung größerer Gewebsanteile bis in<br />

den unteren analen Kanal hinein hat zur Folge<br />

das Symptom nicht näher bestimmbarer dumpfer<br />

Schmerzen und eines dumpfen <strong>Dr</strong>uckgefühls<br />

im analen Kanal, ähnlich einem Fremdkörpergefühl.<br />

Die vergrößerten Hämorrhoidalpolster<br />

vermögen unter Umständen sogar durch eine<br />

Hämorrhoidalleiden 4<br />

Internusrelaxation einen frustranen Stuhldrang<br />

auszulösen. Gleichzeitig behindern sie durch<br />

eine partielle Obturation des Lumens am Ende<br />

der Defäkation die komplette Entleerung und<br />

führen zu einem Stuhlnachschmieren, das<br />

der Patient unter Umständen als zunehmende<br />

Inkontinenzsymptomatik erlebt. Das unbestimmbare<br />

Schmerzgefühl lässt die betroffenen<br />

Patienten gelegentlich als Psychopathen<br />

erscheinen.<br />

Ein exakt lokalisierbares Schmerzgefühl<br />

mit entsprechend quälender Schmerzsymptomatik<br />

ist dagegen im Rahmen eines Hämorrhoidalleidens<br />

ein äußerst seltenes Ereignis und<br />

korreliert im Regelfall mit einer Thrombosierung<br />

innerhalb eines Hämorrhoidalpolsters im<br />

Stadium 4 (vgl. Abb. 4-5).<br />

Es erscheint in Kenntnis der differenten<br />

Strukturen des Anorektums heute nicht mehr<br />

gerechtfertigt, alle möglichen Beschwerdebilder<br />

als hämorrhoidalen Symptomenkomplex<br />

zu bezeichnen. Hier ist eine differenzierende<br />

Betrachtungsweise erforderlich, die die völlig<br />

unterschiedlichen pathogenetischen Voraussetzungen<br />

der Analerkrankungen berücksichtigt.<br />

Symptome des Tafel 4-1<br />

Hämorrhoidalleidens<br />

• hellrote tropfende, spritzende Blutung<br />

• Blutspuren am Toilettenpapier<br />

• Juckreiz<br />

• Nässen<br />

• Prolapsgefühl<br />

• Feinkontinenzstörung<br />

• Stuhldrang<br />

• Gefühl der inkompletten Entleerung<br />

Differentialdiagnostik<br />

Unter dem Gesichtspunkt des Leitsymptoms<br />

der Blutung kann eine Vielzahl von Differentialdiagnosen<br />

zum Hämorrhoidalleiden


4 Hämorrhoidalleiden<br />

gesehen werden. Das diagnostische Dilemma<br />

dabei ist, dass es neben dem differential-<br />

diagnostischen Ausschluss anderer benigner<br />

Erkrankungen immer um den sicheren Ausschluss<br />

eines kolorektalen Karzinoms gehen<br />

muss. Dabei sind die anamnestischen Hinweise<br />

einer unterschiedlichen Farbe des Blutes nur<br />

bedingt verwertbar. Die gedankliche Differenzierung<br />

- dunkelrotes Blut = blutende Läsion<br />

im Kolon, hellrotes Blut = blutende Läsion im<br />

Bereich der Hämorrhoidalpolster - kann nur<br />

als grobes Kriterium gelten. Dennoch vermag<br />

die anamnestische Schilderung der Blutfarbe<br />

sowie der Blutungsqualität und des Charakters<br />

der Blutung (Blut aufgelagert auf dem<br />

Stuhl; Blut vermischt mit dem Stuhl; Blut am<br />

Toilettenpapier, Blut in die Toilettenschüssel<br />

spritzend) die Stringenz und Konsequenz des<br />

diagnostischen Procedere zu beeinflussen. Eine<br />

spritzende Blutung am Ende der Defäkation<br />

kann beispielsweise nur aus einem Bereich des<br />

Analkanals oder unteren Rektums stammen,<br />

der im Moment des maximalen Pressens bei<br />

der Defäkation bis zum Analrand heruntertritt.<br />

Eine Blutung, die sich nur als Auflagerung auf<br />

dem Toilettenpapier manifestiert, stammt mit<br />

einer hohen Wahrscheinlichkeit vom Analrand<br />

oder aus dem unteren analen Kanal. In<br />

diesen Fällen muss nicht immer die ansonsten<br />

zwingende Abklärung des gesamten Kolons<br />

erfolgen. Erfahrungsgemäß beeinflusst dabei<br />

die diagnostische Erfahrung und endoskopische<br />

Urteilsfähigkeit des Untersuchers das Ausmaß<br />

der zur differentialdiagnostischen Abklärung<br />

erforderlichen Maßnahmen.<br />

Unter den benignen Läsionen des Analkanals<br />

muss insbesondere die Blutung aus einer<br />

Analfissur als häufige Differentialdiagnose zur<br />

Hämorrhoidalblutung angesehen werden. Leitsymptom<br />

der Fissur ist der defäkationsabhängige<br />

Schmerz. Die Blutung bei der Fissur ist oft<br />

erkennbar als eine hellrote, spritzende Blutung<br />

bei der Defäkation oder aber als streifenförmig<br />

der Stuhlsäule aufgelagerte Blutspur.<br />

Unter dem Gesichtspunkt des Schmerzes<br />

gilt für den stechenden, oberflächlichen<br />

Schmerz, dass er im Regelfall nicht durch<br />

ein Hämorrhoidalleiden bedingt ist. Lediglich<br />

die akute Hämorrhoidalthrombose vermag<br />

aufgrund einer Inkarzeration bzw. Einklemmung<br />

der Sphinktermuskulatur einen solchen<br />

Schmerz auszulösen. Eher muss bei der<br />

Abklärung des dumpfen, unbestimmbaren<br />

Schmerzes im Anorektum ein behandlungsbedürftiges<br />

Hämorrhoidalleiden ausgeschlossen<br />

werden. Insbesondere die übrigen Formen des<br />

anorektalen Prolapses weisen häufiger als das<br />

Hämorrhoidalleiden dieses Beschwerdebild<br />

auf. Je größer der prolabierende Gewebsanteil<br />

ist, umso deutlicher wird die Symptomatik,<br />

und umso eher stellen sich zusätzlich zu den<br />

Schmerzen Störungen der Kontinenz mit Tenesmen,<br />

einem frustranen Stuhldrang sowie<br />

dem Gefühl einer inkompletten Stuhlentleerung<br />

ein. Alle diese Symptome lassen differen-<br />

tialdiagnostisch natürlich auch wieder an ein<br />

kolorektales Karzinom denken, das im Fall<br />

einer hierdurch bedingten Kontinenzstörung<br />

unter Umständen relativ kurzstreckig oberhalb<br />

des Analkanals wächst.<br />

Auf die im klinischen Bereich außerordentlich<br />

wichtige und für die <strong>Therapie</strong> bedeutsame<br />

Differentialdiagnostik der anorektalen Prolapsformen<br />

wird im Kapitel 11 eingegangen.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der differentialdiagnostischen<br />

Abklärung eines perianalen<br />

Juckreizes müssen neben vergrößerten Hämorrhoiden<br />

insbesondere der segmentäre Rektumvorderwandprolaps<br />

und die perianalen Hautaffektionen<br />

abgeklärt werden. Der segmentäre<br />

Rektumvorderwandprolaps führt vermutlich<br />

häufiger als die Hämorrhoidalvergrößerung<br />

zu einer Distalverlagerung von Schleimhautanteilen<br />

und einer hierdurch bedingten partiellen<br />

Relaxation der Schließmuskulatur mit<br />

konsekutivem Durchschmieren von Schleim<br />

durch den Analkanal bis in den Bereich der<br />

äußeren Haut. In diesen Fällen ist der Juckreiz<br />

und ein evtl. auftretendes Analekzem als ein<br />

sekundäres Phänomen aufgrund des feuchten<br />

Milieus zu interpretieren.<br />

Die selteneren Formen der primären,<br />

d. h. durch Erkrankungen der perianalen Haut<br />

bedingten Ekzeme erfordern mitunter eine sorgfältige<br />

Analyse der in Frage kommenden Ursachen<br />

und in entsprechenden Fällen neben einer<br />

dermatologischen Untersuchung unter Umständen<br />

auch eine allergologische Diagnostik.<br />

41


42<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Etwas vereinfacht wird häufig eine abgestufte<br />

<strong>Therapie</strong> entsprechend der Gradeinteilung des<br />

Hämorrhoidalleidens empfohlen. Zusammengefasst<br />

würde die Empfehlung dann etwa lauten,<br />

dass erstgradige Hämorrhoiden sklerosiert,<br />

zweitgradige Hämorrhoiden sklerosiert oder mit<br />

einer elastischen Gummibandligaturbehandlung<br />

verkleinert, drittgradige Hämorrhoiden operiert<br />

werden. Eine solchermaßen schematisierte Vorgehensweise<br />

wird einer differenzierten <strong>Therapie</strong><br />

des Hämorrhoidalleidens nicht gerecht. Die<br />

<strong>Therapie</strong> ist individuell zu gestalten, wobei<br />

die unterschiedlichen Stadien der Erkrankung<br />

zu berücksichtigen sind. Insgesamt basiert die<br />

<strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens auf einer<br />

Reposition und Refixation der prolabierenden<br />

Hämorrhoidalpolster sowie einer Verkleinerung<br />

der Polster auf ihre physiologische Größe.<br />

Keinesfalls ist eine komplette Zerstörung des<br />

gesamten Hämorrhoidalkomplexes beabsichtigt.<br />

Ziel ist eine Wiederherstellung der normalen<br />

Anatomie und Physiologie.<br />

Ziel einer jeden Hämorrhoidaltherapie<br />

ist eine Wiederherstellung der Anatomie<br />

und physiologischen Verhältnisse und nicht<br />

die Zerstörung des gesamten Hämorrhoidalplexus.<br />

Konservative <strong>Therapie</strong><br />

Hämorrhoidalleiden 4<br />

Symptomorientierte Differentialdiagnosen Tab. 4-2<br />

des Hämorrhoidalleidens<br />

Symptom Blutung Symptom Schmerz Symptom Juckreiz<br />

Analkarzinom Perianalvenenthrombose Rektumprolaps<br />

kolorektales Karzinom inkarzerierter Analprolaps Analekzem<br />

Adenom Fissur Analfistel<br />

Fissur Abszess perianale Dermatosen<br />

perforierte Thrombose<br />

Basistherapie: Vor dem Einsatz von konservativen<br />

oder operativen Maßnahmen am Hämorrhoidalplexus<br />

ist eine grundsätzlich zu<br />

empfehlende Basistherapie einzuleiten. Diese<br />

Basistherapie, die gleichzeitig ein weiteres<br />

Fortschreiten des Leidens verhindern soll,<br />

besteht aus einer Ernährungsberatung zur<br />

Stuhlregulation durch ballaststoffreiche Kost<br />

zur Erhöhung des Stuhlvolumens verbunden<br />

mit einer Trinkmenge von mindestens<br />

zwei Litern täglich. Zusätzlich sollte jegliches<br />

Pressen im Rahmen des Defäkationsvorganges<br />

vermieden werden. Des Weiteren können<br />

Hygienemaßnahmen, wie die Reinigung mit<br />

klarem Wasser, Hautirritationen bessern. Entsprechende<br />

tägliche körperliche Aktivität zur<br />

Anregung der Darmmotilität und eine eventuelle<br />

Gewichtsreduktion können ebenfalls<br />

eine Verbesserung der Symptome vergrößerter<br />

Hämorrhoidalpolster herbeiführen.<br />

Die symptomatische <strong>Therapie</strong> kann insbesondere<br />

bei akuten entzündlichen oder ödematösen<br />

Beschwerden durch die Applikation von<br />

Salben und Suppositorien unterstützt werden. Es<br />

existieren jedoch keine exakten Studien, die einen<br />

Basistherapie des Tafel 4-2<br />

Hämorrhoidalleidens<br />

• Stuhlregulation<br />

• Defäkationsverhalten<br />

• Körperliche Aktivität<br />

• Gewichtsreduktion


4 Hämorrhoidalleiden<br />

Einfluss dieser Medikamente auf das eigentliche<br />

Hämorrhoidalleiden beweisen.<br />

Eine ballaststoffreiche Ernährung gehört<br />

zu jeder <strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens.<br />

Sklerosierungsbehandlung: Die Sklerosierung<br />

wird in zwei unterschiedlichen Modifikationen<br />

durchgeführt:<br />

Die Methode nach BLANCHARD, die eine<br />

weltweite Verbreitung gefunden hat, versucht<br />

durch die Injektion einer öligen Substanz paravasal<br />

neben das zuführende arterielle Gefäß<br />

oberhalb des Hämorrhoidalgewebes eine <strong>Dr</strong>osselung<br />

des arteriellen Zuflusses und hierdurch<br />

eine Verkleinerung des Hämorrhoidalgewebes<br />

und eine geringere Blutungsbereitschaft zu erzeugen.<br />

In der Regel werden an jedes zuführende<br />

Gefäß bei 3,7 und 11Uhr im Abstand von drei<br />

oder vier Wochen jeweils drei Depots in unterschiedlicher<br />

Höhenlokalisation gespritzt. Verwendet<br />

wird in den meisten Fällen 5%iges Phenolöl.<br />

Die Sklerotherapie nach BLOND, die nahezu<br />

nur in Deutschland durchgeführt wird,<br />

verwendet stärker sklerosierend wirkende Substanzen,<br />

die in streng festgelegter Dosierung<br />

in das Hämorrhoidalgewebe injiziert werden<br />

und durch die nachfolgende Sklerosierung das<br />

Hämorrhoidalgewebe schrumpfen lassen. Diese<br />

Methode war insbesondere bei der früher häufigen<br />

Verwendung chininhaltiger Substanzen<br />

aufgrund der Gefahr einer Allergisierung und<br />

hierdurch bedingt gelegentlich auftretender<br />

Allgemeinreaktionen nicht ungefährlich. Heute<br />

wird darum im allgemeinen 4%ige Polidocanollösung<br />

verwendet.<br />

Insgesamt muss festgestellt werden, dass<br />

der Wert der Sklerosierung zunehmend in der<br />

Diskussion ist. Bei sorgfältiger Indikationsstellung<br />

kann die Sklerosierung einen gewissen<br />

Stellenwert in der Behandlung des beginnenden<br />

Hämorrhoidalleidens beanspruchen.<br />

Andererseits zeigen prospektive Studien gerade<br />

unter der Indikation »Blutung« keine Vorteile<br />

der Sklerosierung im Vergleich mit der ausschließlichen<br />

Empfehlung einer schlackenreichen<br />

Ernährung. Als ähnlich effektiv kann die<br />

Behandlung des Hämorrhoidalgewebes mittels<br />

Infrarotkoagulation angesehen werden, wobei<br />

die Statistiken bezüglich des Wiederauftretens<br />

einer Blutung eine etwas bessere Wirkung durch<br />

die Sklerotherapie erwarten lassen.<br />

Die gleichzeitige Applikation von Hämorrhoidalsalben<br />

oder Suppositorien vermag<br />

ebenfalls die Symptome des beginnenden Hämorrhoidalleidens<br />

günstig zu beeinflussen. In<br />

einigen Fällen hat diese topische Behandlung<br />

auch adjuvanten Charakter bei der Durchführung<br />

weitergehender lokaler Behandlungsmaßnahmen<br />

an den Hämorrhoiden, so z. B. als<br />

Nachbehandlung nach Operationen.<br />

Bei der Beurteilung des Behandlungsergebnisses<br />

der hier skizzierten Maßnahmen ist<br />

immer zu berücksichtigen, dass das beginnende<br />

Hämorrhoidalleiden, das sich insbesondere<br />

durch das Leitsymptom der Blutung manifestiert,<br />

auch einen Spontanverlauf hat, der nicht<br />

exakt vorhersagbar ist. Es kann davon ausgegangen<br />

werden, dass in mehr als 30 % der Fälle<br />

die gelegentlichen Blutungsepisoden von langen<br />

Phasen mit Blutungsfreiheit gefolgt sind.<br />

Die Ursachen hierfür sind bisher nicht bekannt.<br />

Gummibandligatur: Die Behandlung des Hämorrhoidalleidens<br />

durch elastische Gummibandligaturen<br />

wurde von BARRON angegeben.<br />

Bei der Gummibandligatur wird mit einem<br />

einfachen Instrumentarium Hämorrhoidalgewebe<br />

durch das Proktoskop in den Ligaturzylinder<br />

hineingezogen, von dem aus die<br />

Basis des Gewebes dann mit einem Gummiring<br />

ligiert wird. Das dauerelastisch abgeschnürte<br />

Gewebe nekrotisiert und fällt nach etwa 10<br />

– 20 Tagen ab. Durch dieses Verfahren ist es<br />

möglich, vergrößertes Hämorrhoidalgewebe<br />

zu verkleinern. Gleichzeitig kann durch die<br />

Applikation der Ligatur im oberen Anteil des<br />

Hämorrhoidalgewebes bzw. im unteren Anteil<br />

der Rektumschleimhaut das nach distal<br />

verschobene Gewebe wieder in den oberen<br />

Analkanal hochgezogen und dort auf der<br />

Unterlage fixiert werden. Um ein vorzeitiges<br />

Abrutschen des Gummiringes zu verhindern,<br />

kann es sinnvoll sein, in den ligierten Knoten<br />

eine kleine Menge einer Sklerosierungsflüssigkeit<br />

einzubringen. Die Methode muss als<br />

43


44<br />

Abb. 4-6 Elastische Gummibandligatur<br />

in situ (Ansicht durch den Parks-Sperrer unter<br />

Anästhesiebedingungen)<br />

semioperative Maßnahme angesehen werden,<br />

da sie zu einer gezielten Gewebsreduktion<br />

führt. Andererseits hat sie selbstverständlich<br />

auch die Nebenwirkungen eines semioperativen<br />

Verfahrens, wobei gelegentliche Blutungen und<br />

Schmerzen im Vordergrund stehen. Schmerzen<br />

entstehen bei sachgerechter Applikation<br />

der Ligatur ausreichend weit proximal der<br />

sensiblen Zone des unteren und mittleren<br />

Analkanals (cave: Übergangsepithel) relativ<br />

selten. Bei weniger als 1% der Applikationen<br />

treten Blutungen insbesondere in der Phase der<br />

Abstoßung der Nekrose auf und können gelegentlich<br />

massiv sein. Ein Teil dieser Blutungen<br />

kann zu einem signifikanten Hb-Abfall führen<br />

und erfordert eine lokale Blutstillung. Sie ist<br />

Abb. 4-7 Ligaturulkus<br />

(2 Wochen nach Applikation der Ligatur)<br />

Hämorrhoidalleiden 4<br />

zumeist durch das Proktoskop möglich, wobei<br />

entweder eine Infrarotkoagulation oder eine<br />

Elektrokoagulation ausreichend ist. In extrem<br />

seltenen Fällen ist eine operative Umstechung<br />

erforderlich. Dennoch darf die Gefahr der möglichen<br />

Nachblutung nicht verharmlost werden.<br />

Der Patient muss entsprechend aufgeklärt sein.<br />

Eine Blutungsdiathese, eine Marcumarisierung<br />

sowie ein bereits stattgehabter Blutverlust<br />

aufgrund massiver Hämorrhoidalblutungen<br />

muss als Kontraindikation gelten. Wie auch<br />

bei der Sklerosierung muss eine exakte Indikationsstellung<br />

vorausgesetzt werden. Unter<br />

diesen Bedingungen erscheinen die Ergebnisse<br />

der Ligaturbehandlung sowohl in der Literatur<br />

als auch vor dem eigenen Erfahrungshintergrund<br />

so gut, dass das Blutungsrisiko in Kauf<br />

genommen werden kann.<br />

In der Literatur finden sich Einzelmitteilungen<br />

über septische Komplikationen nach der<br />

BARRON-Ligatur. Bei diesen wenigen Fällen<br />

bleibt unklar, ob nicht jeweils unter falscher<br />

Indikation bei einem anlaufenden Abszessgeschehen<br />

ligiert wurde. Sicherlich muss die<br />

Indikation zur Ligatur bei manifester Aids-Erkrankung<br />

und entsprechender Immunschwäche<br />

mit äußerster Zurückhaltung gestellt werden.<br />

Es hat nicht an weiteren Versuchen sowohl<br />

einer konservativen als auch einer semioperativen<br />

Behandlung des Hämorrhoidalleidens<br />

gefehlt. Hier sind insbesondere zu nennen die<br />

lokale Wärme- oder Kälteapplikation sowie die<br />

kryochirurgische Destruktion des Hämorrhoidalgewebes<br />

oder die Abtragung mittels Hochfrequenzstrom<br />

sowie Laserapplikation. Diese<br />

Verfahren haben keine allgemeine Verbreitung<br />

erfahren, da sie in der Anwendung und in<br />

den Ergebnissen keine Vorteile im Vergleich<br />

mit den etablierten und hier beschriebenen<br />

Verfahren bieten.<br />

Operative <strong>Therapie</strong><br />

Techniken: Im weiter fortgeschrittenen Stadium<br />

der Erkrankung, d. h. spätestens bei irreponiblen<br />

Vorfällen des Hämorrhoidalgewebes, sind<br />

operative Maßnahmen indiziert. Hier haben sich<br />

in den vergangenen Jahren zu den bekannten<br />

Operationsverfahren weitere, zum Teil konkur-


4 Hämorrhoidalleiden<br />

rierende Techniken etabliert, deren derzeitiger<br />

Stellenwert dargestellt werden muss.<br />

Eine Mittelstellung zwischen eingreifender<br />

Operation und der ambulant durchführbaren<br />

konservativen <strong>Therapie</strong> beansprucht dabei<br />

die dopplersonographisch gesteuerte Hämorrhoidalarterienligatur<br />

(HAL). Sie wurde von<br />

MORINAGA 1995 angegeben. Über ein spezielles<br />

Proktoskop mit einem Dopplertransducer<br />

werden die zuführenden Arterien aufgesucht.<br />

Distal des Dopplers befindet sich im Proktoskop<br />

ein seitliches Fenster. Über dieses Fenster ist die<br />

Umstechung des Gefäßes möglich. Als Zeichen<br />

der erfolgreichen Gefäßunterbindung erlischt<br />

der Schallimpuls. Die Maßnahme ist ohne<br />

Narkose (ggf. mit Sedierung) durchführbar.<br />

Bisher liegen nur wenige Erfahrungsberichte<br />

vor. Dabei wird eine Erfolgsrate von 93 %<br />

beim Fehlen von spezifischen Komplikationen<br />

angegeben.<br />

Es gibt noch keine Untersuchungen zu<br />

Langzeitergebnissen und zur Frage, ob drittgradige<br />

Polster durch die HAL wirklich dauerhaft<br />

verkleinert werden können. Interessant ist die<br />

Tatsache, dass neben den Hauptgefäßstämmen<br />

bei 3, 7 und 11 Uhr weitere Gefäße aufgefunden<br />

und ligiert werden. Hierzu sei auf die eingangs<br />

angeführten Ergebnisse der Arbeitsgruppe von<br />

FRITSCH und AIGNER verwiesen. Einige Autoren<br />

applizieren mehr als 10 Ligaturen über der<br />

Zirkumferenz des oberen Analkanals. Da die<br />

Hämorrhoidalarterienligatur ohne Anästhesie<br />

und ambulant durchführbar ist, wird sie zukünftig<br />

vielleicht eine Mittelstellung zwischen konservativer<br />

und operativer <strong>Therapie</strong> einnehmen.<br />

Die übrigen etablierten operativen <strong>Therapie</strong>verfahren<br />

sind die Vorgehensweisen nach MIL-<br />

LIGAN-MORGAN, PARKS, FANSLER-ARNOLD,<br />

FERGUSON und die Staplerhämorrhoidektomie<br />

nach LONGO. Grundsätzlich ist zu differenzieren<br />

zwischen offenen und geschlossenen Techniken,<br />

wobei unter offenen Techniken diejenigen zu<br />

verstehen sind, bei denen das Anoderm reseziert<br />

wird, unter geschlossenen Techniken solche,<br />

bei denen das Anoderm erhalten wird.<br />

Bei der anodermresezierenden Hämorrhoidektomie<br />

erfolgt eine Exzision des vergrößerten<br />

Polsters mit anschließender Sekundärheilung<br />

des entstandenen Defektes im Bereich der<br />

Operative Techniken zur Tab. 4-5<br />

Hämorrhoidentherapie<br />

Anoderm<br />

resezierende<br />

Techniken<br />

Hämorrhoidektomie<br />

nach<br />

MILLIGAN-MORGAN<br />

Hämorrhoidektomie<br />

nach FERGUSON<br />

Anoderm<br />

erhaltende<br />

Techniken<br />

submuköse<br />

Hämorrhoidektomie<br />

nach PARKS<br />

Hämorrhoidektomie<br />

mit Analkanalrekonstruktion<br />

nach<br />

FANSLER-ARNOLD<br />

Staplerhämorrhoidektomie(Hämorhoidopexie)<br />

nach LONGO<br />

Mukosa und des Anoderms bzw. der äußeren<br />

Haut (Operation nach MILLIGAN-MORGAN,<br />

vgl. Abb. 4-8 und 4-9). Die Hämorrhoidektomie<br />

nach FERGUSON modifiziert das Vorgehen nach<br />

MILLIGAN-MORGAN in der Weise, dass die Exzisionswunde<br />

des Anoderms schmaler angelegt<br />

und nachfolgend mit einer fortlaufenden Naht<br />

in sagittaler Richtung verschlossen wird. Dabei<br />

wird das Anoderm nicht in der gleichen Weise<br />

unterminiert und mobilisiert wie beim Vorgehen<br />

nach PARKS, sondern mit einer gewissen<br />

Spannung vernäht. Somit erfüllt die Operation<br />

nicht die Kriterien einer anodermerhaltenden<br />

Technik, wie etwa die submuköse Hämorrhoidektomie<br />

nach PARKS.<br />

Abb. 4-8 Hämorrhoidektomie nach<br />

MILLIGAN-MORGAN. Beginn der segmentären<br />

Exzision von außen<br />

45


46<br />

Abb. 4-9 Hämorrhoidektomie nach MILLIGAN-<br />

MORGAN. Nach Abschluss der segmentären Exzision<br />

verbleibt ein Wunddefekt zur Sekundärheilung.<br />

���<br />

����<br />

Die beiden im folgenden angeführten<br />

Techniken erhalten das Anoderm in Kenntnis<br />

seiner sensorischen Kontinenzfunktion. Das<br />

Hämorrhoidalgewebe wird unterhalb des losgelösten<br />

Anoderms ausgeschält. Das erhaltene<br />

Anoderm wird anschließend wieder im analen<br />

Kanal durch Naht fixiert (Operation n. PARKS<br />

oder FANSLER-ARNOLD, vgl. Abb. 4-10 bis<br />

4-15). Die beiden Verfahren verwenden verschiedene<br />

Schnittführungen zur Inzision des<br />

Anoderms und formen danach unterschiedlich<br />

konfigurierte anodermale Lappenplastiken, die<br />

nach intraanal eingeschlagen werden. Auf diese<br />

Weise ist es möglich, das Hämorrhoidalgewebe<br />

zirkulär abzutragen und den normalen anatomischen<br />

Aufbau des Analkanals durch die<br />

neuangelegte Zone des Anoderms wiederherzustellen.<br />

Die Staplerhämorrhoidektomie oder<br />

Staplerhämorrhoidopexie nach LONGO wird in<br />

Deutschland seit 1998 zunehmend durchgeführt.<br />

Hierbei wird das Hämorrhoidalgewebe und<br />

die angrenzende Rektummukosa zirkulär reseziert,<br />

ohne dabei das Anoderm zu inzidieren.<br />

Voraussetzung ist die Anlage einer zirkulären<br />

Tabaksbeutelnaht etwa 3 cm oberhalb der Linea<br />

dentata, also im Bereich der Basis der Hämorrhoidalsegmente.<br />

Die Tabaksbeutelnaht wird um<br />

Hämorrhoidalleiden 4<br />

Abb. 4-10 Hämorrhoidektomie nach<br />

FANSLER-ARNOLD. Schematische Darstellung der<br />

Situation bei Hämorrhoiden III. Grades<br />

Abb. 4-11 Hämorrhoidektomie<br />

nach FANSLER-ARNOLD. Befund bei Op-Beginn.<br />

Die vorgesehenen Exzisionslinien für die<br />

Anodermläppchen sind markiert<br />

den Zentraldorn des geöffnet eingeführten Zirkularstaplers<br />

verknotet. Dann wird der Stapler<br />

unter Reposition des Gewebes geschlossen und<br />

ausgelöst. Hierdurch wird ein zirkulärer Cuff<br />

mit Hämorrhoidalgewebe und Rektummukosa<br />

ausgestanzt und der Defekt mit einer zirkulären<br />

Klammernahtreihe verschlossen.<br />

Trotz subtotaler Entfernung der kranialen<br />

Anteile des Hämorrhoidalgewebes wird bei<br />

dieser Vorgehensweise keine Operationswunde<br />

im Bereich des Anoderms angelegt. Dies führt<br />

zu einem erheblich verbesserten Patientenkomfort<br />

und zur Verkürzung der Krankheitsdauer.<br />

Inzwischen liegen prospektiv randomisierte<br />

Studien vor, die die positiven Einzelerfahrun-


���<br />

����<br />

4 Hämorrhoidalleiden<br />

Abb. 4-13 Hämorrhoidektomie nach<br />

FANSLER-ARNOLD. Abschluss der Freipräparation<br />

des Läppchens<br />

���<br />

����<br />

Abb. 4-12 Hämorrhoidektomie nach FANSLER-<br />

ARNOLD. Freipräparation eines Anodermläppchens<br />

und Abtragung des darunterliegenden Hämorrhoidalgewebes,<br />

schematische Darstellung<br />

gen unterstützen. Die verfahrensabhängigen<br />

Komplikationen sind durch retrospektive Untersuchungen<br />

gut abgesichert.<br />

Indikationen für operative Verfahren: Für die<br />

anodermerhaltenden und anodermresezierenden<br />

Verfahren können unterschiedliche Indikationen<br />

gelten. Die Exzision ohne Deckung<br />

des Defektes führt zu Substanzverlusten im<br />

Anoderm, die bei entsprechendem Ausmaß<br />

unter Umständen Kontinenzstörungen aufgrund<br />

einer Diskriminationsschwäche nach sich ziehen<br />

können. Die Operation nach MILLIGAN-<br />

MORGAN kann daher insbesondere bei einzeln<br />

stehenden, vergrößerten Hämorrhoidalpolstern<br />

Abb. 4-14 Hämorrhoidektomie nach FANSLER-<br />

ARNOLD. Zirkuläre Rekontruktion des Analkanals<br />

mit Läppchenplastiken, schematisch<br />

Abb. 4-15 Hämorrhoidektomie nach<br />

FANSLER-ARNOLD. Situs bei Op.-Ende. Zwischen<br />

den Läppchen verbleibt ein <strong>Dr</strong>ainagegraben<br />

Abb. 4-16<br />

Staplerhämorrhoidektomie:<br />

Einsetzen des Instrumentariums<br />

47


48<br />

Abb. 4-17 Staplerhämorrhoidektomie:<br />

Anlage der Tabaksbeutelnaht<br />

empfohlen werden. Sie zeitigt in diesen Fällen<br />

hervorragende funktionelle Ergebnisse. Beim<br />

zirkulären Vorfall des Hämorrhoidalgewebes<br />

und des gesamten Anoderms (Analprolaps)<br />

empfiehlt sich dagegen eine anodermerhaltenden<br />

Operationstechnik, um einer sensorischen<br />

Inkontinenz durch Erhalt einer ausreichenden<br />

Menge Anoderms als sensibler Kontaktzone<br />

vorzubeugen.<br />

Die Indikation zur Staplerhämorrhoidektomie<br />

ist gegeben beim zirkulären, komplett<br />

reponiblen Prolaps des Anoderms und der<br />

Hämorrhoiden. Für segmentäre Prolapsformen<br />

ist die Exzision nach MILLIGAN-MORGAN oder<br />

eine segmentäre geschlossene Hämorrhoidektomie<br />

nach PARKS oder FANSLER-ARNOLD<br />

besser geegnet und billiger. Beim irreponiblen<br />

Prolaps (Hämorrhoidalleiden Grad IV) lässt<br />

sich mit dem Stapler kein befriedigendes Ergebnis<br />

erreichen, da das außen fixierte Gewebe<br />

Abb. 4-18 Staplerhämorrhoidektomie:<br />

Einführen des Staplers<br />

Hämorrhoidalleiden 4<br />

Abb. 4-19 Staplerhämorrhoidektomie:<br />

Situs bei Op-Ende. Ansicht der Klammernahtreihe<br />

nicht adäquat verkleinert und nach intraanal<br />

reponiert wird und somit die Konturen des<br />

Analrandes nicht geglättet werden.<br />

Ein fixierter Anal- und Hämorrhoidalprolaps<br />

(Hämorrhoiden Grad IV) eignet sich<br />

nicht für ein Staplerverfahren.<br />

Die Staplerhämorrhoidektomie wurde nach der<br />

Erstbeschreibung sehr schnell in die Routine<br />

übernommen, ohne dass eine Evaluation in<br />

klinischen Studien oder im Tierexperiment<br />

voranging. Zunächst war also wenig bekannt<br />

zu den verfahrensabhängigen Problemen und<br />

den Spätergebnissen dieser Technik. Die Probleme<br />

mit der neuen Vorgehensweise lassen<br />

sich an der Änderung der Namensgebung des<br />

Verfahrens ablesen. Zunächst wurde das Verfahren<br />

als PPH abgekürzt. Diese Bezeichnung<br />

zielte zunächst auf ein Painless Procedure for<br />

Hemorrhoids. Aufgrund juristischer Probleme<br />

in den USA erfolgte die »Umdeutung« zu<br />

procedure for prolapse and hemorrhoids. Im<br />

englischen Schrifttum wurden die Bezeichnungen<br />

»stapled haemorrhoidectomy« und<br />

»circumferential mucosectomy« verwendet.<br />

Dies zielt bereits darauf hin, dass durch eine<br />

entsprechend hohe Positionierung der Tabaksbeutelnaht<br />

auch die Entfernung der Mukosa<br />

des unteren Rektums möglich ist. Die gleiche<br />

Entwicklung ist ablesbar an der deutschen<br />

Bezeichnung »Stapler-Hämorrhoidektomie«<br />

und aktuell »Stapler-Hämorrhoidopexie«. Im<br />

deutschen Sprachraum gab es zwischenzeitlich<br />

wechselnde Begriffe: »Sperroperation«, »anales


4 Hämorrhoidalleiden<br />

lifting mit dem Stapler«, »Resektion mit dem<br />

Klammernahtgerät« und »supraanodermale Mukosektomie<br />

mit dem Stapler«. Je nach Meinung<br />

des Autors wurden dem Verfahren Wirkungen<br />

bzw. operative Möglichkeiten zugeschrieben,<br />

die eine erstauliche Bandbreite suggerieren.<br />

Wenn heute der Begriff »Hämorrhoidopexie«<br />

weithin verwendet wird, soll das bedeuten, dass<br />

es durch die Applikation der Klammernahtreihe<br />

oberhalb des Hämorrhoidalplexus möglich ist,<br />

das vergrößerte Hämorrhoidalgewebe sicher<br />

intraanal zu plazieren, ohne es abzutragen.<br />

Dabei wird dem Verfahren dann eine universelle<br />

Einsatzmöglichkeit in allen operativ zu<br />

behandelnden Situationen zugeschrieben. An<br />

dieser Vorstellung sind Zweifel angebracht, die<br />

sich bei zahlreichen unbefriedigenden Spätergebnissen<br />

mit gelegentlichen Zweiteingriffen<br />

bestätigen. Die Staplerhämorrhoidektomie<br />

erscheint nicht als das eine Verfahren für alle<br />

operativen Befunde und sie ist zudem auch<br />

keine Methode, die ohne besondere Erfahrung<br />

jederzeit anwendbar ist.<br />

Nachbehandlung: Die Nachbehandlung von<br />

Hämorrhoidenoperationen muss in diesem<br />

Rahmen nicht in Einzelheiten dargelegt werden.<br />

Grundsätzlich gilt, dass das Stopfrohr,<br />

das früher obligat war, heute keinen Platz<br />

in der postoperativen Behandlung mehr hat.<br />

Orale Abführmaßnahmen sind streng kontraindiziert.<br />

Stattdessen ist ein normal geformter<br />

Stuhl durch eine unmittelbar postoperativ<br />

wieder einsetzende schlackenreiche Ernährung<br />

gewünscht. Lokale Behandlungsmaßnahmen<br />

mit Sitz- oder Duschbädern sowie<br />

der Vorlage von Salbenkompressen mit den<br />

üblichen Hämorrhoidalsalben oder aber mit<br />

wundreinigenden Zubereitungen sind sinnvoll<br />

und helfen, die postoperativen Beschwerden<br />

zu lindern. Die regelmäßige digitale Austastung<br />

des Analkanals verfolgt zum einen den<br />

Sinn, postoperative Komplikationen, wie beispielsweise<br />

eine eitrige Verhaltung, rechtzeitig<br />

zu erkennen. Zum anderen wird durch die<br />

Austastung einem vorzeitigen Verkleben der<br />

intraanal liegenden Wundränder vorgebeugt.<br />

Der vorzeitige Wundverschluss kann als entscheidender<br />

Wegbereiter für die Entstehung<br />

von postoperativen septischen Komplikationen<br />

und Stenosen angesehen werden.<br />

Auch für die operativen <strong>Therapie</strong>verfahren<br />

gilt als oberster Grundsatz, dass zunächst eine<br />

Normalisierung der Funktion des Kontinenzorgans<br />

durch ballaststoffreiche Ernährung und<br />

durch Flüssigkeitszufuhr sowie das Vermeiden<br />

des Pressens bei der Defäkation angestrebt<br />

werden muss. Als nächster Schritt muss die<br />

veränderte Architektur des Analkanals korrigiert<br />

werden. Hierbei soll als Ergebnis erreicht<br />

werden, dass im oberen analen Kanal wieder<br />

ein Schwellkörperorgan zur Lumenabdichtung<br />

vorhanden ist. <strong>Therapie</strong>ziel kann niemals die<br />

vollständige Ausrottung des gesamten Hämorrhoidalgewebes<br />

sein.<br />

Durch eine operative <strong>Therapie</strong> soll der<br />

hämorrhoidale Schwellkörper in eine physiologische<br />

Lage und Größe zurückgebracht<br />

werden.<br />

Ergebnisse der operativen <strong>Therapie</strong>: In der<br />

Proktologie fehlt es im Allgemeinen an wissenschaftlichen<br />

Ergebnissen, die durch prospektive<br />

Studien abgesichert sind. So erfolgt weithin<br />

eine <strong>Therapie</strong>, die sich nicht an evidenzbasierten<br />

Empfehlungen orientieren kann. Man<br />

muss beispielsweise die Sklerotherapie der<br />

Hämorrhoiden weiterhin als aus der »Erfahrungsmedizin«<br />

übernommen bewerten.<br />

Für die operative Behandlung des Hämorrhoidalleidens<br />

liegt eine Metaanalyse von<br />

MAC RAE und MC LEOD aus 1995 vor. Sie<br />

zeigt auf, dass die operative Behandlung des<br />

Hämorrhoidalleidens effektiver ist als die früher<br />

häufiger geübte manuelle Dehnung. Die<br />

Erfolgsrate der Operation ist der konservativen<br />

<strong>Therapie</strong> signifikant überlegen (96% vs. 77%).<br />

Dabei ist die Komplikationsrate höher (18% vs.<br />

6%) und ebenso die Schmerzbelastung (83%<br />

vs. 10%). Die Gummiligatur ist effektiver als<br />

die Sklerosierung, und zwar über alle Stadien<br />

der Erkrankung betrachtet. In Deutschland<br />

werden Hämorrhoiden 3. Grades meist operativ<br />

versorgt. Die Gummiligatur könnte aber vorgeschaltet<br />

werden und die Operation dann bei<br />

mangelndem <strong>Therapie</strong>erfolg indiziert werden.<br />

Der Vergleich von operativer und konservativer<br />

49


50<br />

<strong>Therapie</strong> bzgl. der Erfolgsrate, Komplikationsrate<br />

und der Schmerzbelastung ist in diesem<br />

Zusammenhang als banal zu bewerten. Die<br />

Metaanalyse zeigt überdeutlich, dass keine<br />

evidenzbasierten Ergebnisse vorliegen, da<br />

bei diesen vermeintlich simplen Problemen<br />

alle subjektiv erfolgreichen <strong>Therapie</strong>ansätze<br />

verfolgt werden und trotz der Häufigkeit der<br />

Erkrankung keine prospektiven Studien inauguriert<br />

werden.<br />

Zusammenfassung: Das Hämorrhoidalleiden<br />

stellt wegen der ballaststoffarmen Ernährung<br />

in westlichen Industrienationen ein<br />

häufiges Krankheitsbild dar. Die Symptome<br />

sind relativ unspezifisch und äußern sich<br />

durch hellrote Blutungen, Juckreiz, Nässen,<br />

mitunter Schmerzen und Inkontinenzer-<br />

scheinungen. In der Diagnostik muss zumindest<br />

eine höher gelegene Blutungsquelle<br />

im Rektum ausgeschlossen werden. Jede<br />

<strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens muss<br />

eine Basistherapie mit ballaststoffreicher<br />

Ernährung, entsprechendem Defäkationsverhalten<br />

und Analhygiene beinhalten. Die<br />

weiterführende <strong>Therapie</strong> zielt immer auf<br />

die Verminderung der durch die Hämorrhoidalvergrößerung<br />

auftretenden Symptome<br />

und nicht auf die Eradikation des<br />

Hämorrhoidalplexus. So werden Symptome<br />

von erstgradig vergrößerten Hämorrhoiden<br />

meist konservativ therapiert. Bei zweit- und<br />

drittgradig vergrößerten Hämorrhoiden<br />

empfehlen sich als semikonservative Methode<br />

die Gummibandligatur oder bei mangelndem<br />

Erfolg eine operative <strong>Therapie</strong>.<br />

Hämorrhoidalleiden 4


5 Analvenenthrombose<br />

5 Analvenenthrombose<br />

Ätiopathogenese 52<br />

Diagnostik 52<br />

Differentialdiagnose 52<br />

<strong>Therapie</strong> 53<br />

Nachbehandlung 54<br />

51


52<br />

Vorbemerkung: Die Analvenenthrombose wird<br />

häufig als »äußere Hämorrhoide« bezeichnet.<br />

Diese Klassifizierung ist aber sicherlich falsch,<br />

da es sich hierbei nicht um eine Anschwellung<br />

des arteriovenösen Geflechts des Corpus cavernosum<br />

recti handelt, die auch zum Vorfall von<br />

Hämorrhoidalgewebe bis vor den Analkanal<br />

führen kann. Bei der Analvenenthrombose<br />

handelt es sich um eine lokale intravasale<br />

Thrombosierung am Analrand, im Bereich der<br />

venösen Zuflüsse zu den Venae haemorrhoidales<br />

inferiores, die unter der Haut gelegen<br />

sind und kreisförmig die Analöffnung umziehen.<br />

Man kann diese Venengeflechte bei der<br />

Inspektion gelegentlich als livide verfärbten<br />

Ring um den After herum wahrnehmen. Die<br />

Bezeichnung als äußere Hämorrhoide erscheint<br />

auch deswegen unzweckmäßig, weil sich die<br />

<strong>Therapie</strong> der perianalen Thrombose gänzlich<br />

von der <strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens<br />

unterscheidet.<br />

Ätiopathogenese<br />

Unter epidemiologischen Gesichtspunkten<br />

erscheint das männliche Geschlecht bevorzugt.<br />

Möglicherweise prädisponiert eine weiche<br />

Stuhlkonsistenz zu diesen Thrombosen. Andererseits<br />

ist auch auffällig, dass die Thrombosen<br />

mitunter jahreszeitlich gehäuft auftreten, was<br />

einen möglichen Zusammenhang zu äußeren<br />

Witterungsbedingungen nahelegen könnte.<br />

Die Entstehung dieser Thrombosen ist<br />

letztlich nicht geklärt, wenngleich unterstellt<br />

werden muss, dass lokale Bedingungen im<br />

Bereich der Gefäße im Sinne der Virchow’schen<br />

Trias die Thrombosierung auslösen. In erster<br />

Linie dürften also Stasefaktoren begünstigend<br />

wirken, die z. B. im Rahmen eines exzessiven<br />

Pressens bei der Defäkation oder auch durch<br />

unphysiologischen <strong>Dr</strong>uck von außen, etwa bei<br />

längerem Radfahren, entstehen. Zahlreiche<br />

Patienten geben aber an, dass die Thrombose<br />

spontan und ohne zeitlichen Zusammenhang<br />

zur Defäkation oder zu sonstigen Ereignissen<br />

aufgetreten ist. Der Patient bemerkt einen<br />

plötzlich vorhandenen, schmerzhaften Knoten<br />

außen am Analrand.<br />

Diagnostik<br />

Analvenenthrombose 5<br />

Die Diagnose einer perianalen Thrombose<br />

geschieht überlicherweise durch die direkte<br />

Inspektion. Die Thrombose schimmert durch<br />

die Haut als bläulich livider Knoten (vgl. Abb.<br />

5-1). Mitunter kommt ein bereits fortgeschrittenes<br />

Stadium der Thrombose mit beginnender<br />

Spontanperforation und dementsprechend<br />

einer zentralen Öffnung der Haut über dem<br />

Knoten zur Behandlung. Man kann dann in<br />

der Öffnung den Thrombus erkennen oder<br />

bereits schmieriges Sekret oder Eiter aufgrund<br />

der zunehmenden Nekrose des thrombotischen<br />

Materials und der Gefäßwand.<br />

Abb. 5-1 Kleine perianale Thrombose<br />

Differentialdiagnose<br />

Differentialdiagnostisch ist die Vorwölbung<br />

der perianalen Thrombose leicht von einem<br />

Abszess abzugrenzen. Der Abszess zeigt die<br />

typischen klinischen Zeichen der Entzündung<br />

mit Überwärmung und Rötung der Haut sowie<br />

zumeist auch bereits bestehenden Allgemeinsymptomen.<br />

Die Abgrenzung gegenüber einer<br />

thrombosierten Hämorrhoide erscheint dagegen<br />

mitunter problematisch. Diese differentialdiagnostische<br />

Abgrenzung ist aber zwingend<br />

erforderlich vor der einzuleitenden <strong>Therapie</strong>, da<br />

ansonsten durch die <strong>Therapie</strong> gefährliche Blutungssituationen<br />

für den Patienten entstehen<br />

können. Erschwert wird die Differentialdiagnose<br />

gegenüber der Hämorrhoidalthrombose<br />

dadurch, dass die perianalen Thrombosen nicht<br />

auf die Lokalisation im Bereich der Haut des<br />

Analrandes beschränkt bleiben. Sie können


5 Analvenenthrombose<br />

gelegentlich auch etwas weiter intraanal, in<br />

subanodermaler Lokalisation, gefunden werden.<br />

Immer ist dann aber das proximale Ende<br />

des indurierten Thromboseknotens distal der<br />

Dentatalinie zu tasten.<br />

Die digitale Austastung des Analkanals<br />

erlaubt also die sichere Differenzierung gegenüber<br />

einer Hämorrhoidalthrombose auch beim<br />

Vorliegen einer subanodermalen Lokalisation.<br />

Zusätzlich lässt sich palpatorisch auch eine<br />

Abgrenzung gegenüber einem Analkarzinom<br />

vornehmen, das sich eher derb und relativ<br />

indolent darstellt. Im Zweifelsfall lässt sich<br />

die Dignität erst durch die histologische Aufarbeitung<br />

nach Exzision sichern.<br />

Differentialdiagnose Tafel 5-1<br />

der Analvenenthrombose<br />

• thrombosierte Hämorrhoide<br />

• perianaler Tumor<br />

• Analkarzinom<br />

• Abszess<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Die weitaus meisten Thrombosen bleiben den<br />

spontan einsetzenden reparativen Vorgängen<br />

des Gefäßsystems überlassen. Dabei werden<br />

kleinere Thrombosen natürlich schneller resorbiert<br />

und die subjektive Beschwerdefreiheit<br />

kehrt früher zurück. Der Spontanverlauf der<br />

Erkrankung kann gelegentlich auch durch die<br />

<strong>Dr</strong>uckschädigung des bedeckenden Epithels<br />

zu einer Eröffnung mit Abgang von Blut und<br />

thrombotischem Material führen. In der Regel<br />

wird der Patient hierdurch bereits weitgehend<br />

beschwerdefrei.<br />

Die Mehrzahl der Analvenenthrombosen<br />

bilden sich spontan zurück und bedürfen<br />

keiner operativen <strong>Therapie</strong>.<br />

Falls der Patient sich aufgrund der starken<br />

Schmerzen in ärztliche Behandlung begibt,<br />

ist die <strong>Therapie</strong> der Wahl eine chirurgische<br />

Eröffnung der Thrombose in Lokalanästhesie.<br />

Abb. 5-2 Exzision einer perianalen Thrombose.<br />

Ovaläre Umschneidung der Thrombose.<br />

Hierbei bieten sich zwei Möglichkeiten an: Man<br />

kann den Knoten oberflächlich inzidieren, bis<br />

das Lumen des Gefäßes eröffnet ist. Im Weiteren<br />

läßt sich dann der intraluminäre Thrombus<br />

leicht exprimieren. Die zweite Möglichkeit besteht<br />

in einer ovalären Exzision des Thrombus<br />

unter Mitnahme eines Hautsegmentes und eines<br />

entsprechenden Segmentes des den Thrombus<br />

tragenden venösen Gefäßes (vgl. Abb. 5-2 und<br />

5-3). Die letztgenannte Maßnahme erscheint<br />

aus zwei Gründen der einfachen Inzision des<br />

Knotens überlegen. Zum einen wird durch die<br />

»en bloc«-Exzision von Haut, Subkutis und<br />

Vene der Gefäßanteil entfernt, der im Moment<br />

eine Bereitschaft zur Thrombose zeigt.<br />

Unabhängig von der Ursache der Thrombose<br />

Abb. 5-3 Exzision einer perianalen Thrombose.<br />

Präparat des exzidierten Thrombus.<br />

53


54<br />

erscheint diese Exzision des Gefäßabschnittes<br />

wünschenswert, wenn sie ohne Gefahr einer<br />

Nachblutung und mit einer einfachen Lokalanästhesie<br />

möglich ist.<br />

Dies ist bei den außen gelegenen perianalen<br />

Thrombosen und bei den meisten subanodermalen,<br />

d. h. weiter intraanal gelegenen<br />

Thrombosen der Fall. Durch die Entfernung<br />

des Gefäßabschnittes wird der Gefahr einer<br />

neuerlichen Rethrombosierung in den ersten<br />

Tagen nach der Exzision vorgebeugt. Bei der<br />

ausschließlichen Inzision ist die Rethrombosierungsrate<br />

mit bis zu 50 % relativ hoch. Zum<br />

anderen wird durch die Exzision des Hautgewebes<br />

eine Glättung am Analrand erreicht und<br />

einer Entstehung von Marisken als Spätzustand<br />

nach Thrombosen vorgebeugt. Häufig treten<br />

die Thrombosen multipel auf bzw. in mehreren<br />

gekammerten Gefäßabschnitten. Diese Befunde<br />

lassen sich erfahrungsgemäß durch eine »en<br />

bloc«-Exzision besser behandeln als durch<br />

multiple Inzisionen.<br />

Für die Lokalanästhesie sollte eine 0,5 %ige<br />

oder 1 %ige Zubereitung ohne Adrenalinzusatz<br />

verwendet werden. Auf diese Weise bleiben<br />

kleinere venöse Nachblutungen sichtbar. Sie<br />

lassen sich durch kurzzeitiges Auflegen einer<br />

blutstillenden Kompresse (Adrenalin 1: 1000)<br />

beherrschen. Besondere Probleme ergeben<br />

sich in den Fällen, bei denen unter der Diagnose<br />

einer perianalen bzw. subanodermalen<br />

Thrombose eine Hämorrhoidalthrombose operiert<br />

wurde. In diesem Fall kommt es zu einer<br />

arteriellen Blutung, die gelegentlich größere<br />

Ausmaße annehmen kann und dann unter den<br />

Bedingungen der Lokalanästhesie nur schwer<br />

zu stillen ist. Vor dem Beginn der Exzision<br />

sollte diese diagnostische Differenzierung<br />

daher unbedingt vorgenommen werden. Als<br />

Faustregel darf gelten, dass nur die Thrombose<br />

exzidiert werden kann, die man beim leichten<br />

Spreizen der Nates bis in ihren proximalen<br />

Anteil hin komplett zur Darstellung bringen<br />

kann, bzw. die man mit dem Finger komplett<br />

umfahren kann. Befunde in dieser Lokalisation<br />

am Analrand haben ihren Ursprung im Bereich<br />

des unteren venösen Plexus und können somit<br />

ohne die Gefahr einer arteriellen Nachblutung<br />

angegangen werden.<br />

Analvenenthrombose 5<br />

Vor Exzision einer ‚Analvenenthrom-<br />

bose’ muss diese differentialdiagnostisch<br />

von einem thrombosierten Hämorrhoidalknoten<br />

abgegrenzt werden.<br />

Nachbehandlung<br />

Im Anschluss an die Inzision oder Exzision<br />

wird auf die entstandene Wunde eine Salbenkompresse<br />

aufgelegt. Hier bieten sich entweder<br />

desinfizierende Salben oder die üblichen<br />

Hämorrhoidalpräparate an. Der Patient wird<br />

angehalten, in den ersten Tagen 2 – 3 x täglich<br />

ein Sitzbad durchzuführen. Desinfizierende<br />

Zusätze zu diesem Sitzbad sind nicht zwingend<br />

erforderlich, sie werden jedoch gelegentlich im<br />

Wundbereich als wohltuend empfunden. Es<br />

erscheint in den ersten postoperativen Tagen<br />

sinnvoll, 1 x täglich ein mullstreifenarmiertes<br />

Suppositorium in den Analkanal einzulegen.<br />

Auf diese Weise wird ein vorzeitiges Verkleben<br />

der Wundränder mit entsprechenden Sekretretentionen<br />

vermieden. Die Erkrankung kann eine<br />

kurze Arbeitsunfähigkeit von einigen Tagen<br />

bedingen. Empfehlenswert ist eine Kontrolle<br />

nach Ablauf von einer Woche, wobei kleinere<br />

Defekte zu diesem Zeitpunkt bereits epithelisiert<br />

sind. Der Bereich ist dann lediglich noch als<br />

eine schmale, radiär in den unteren analen<br />

Kanal einstrahlende Narbe zu erkennen.<br />

Zusammenfassung: Eine Analvenenthrombose<br />

entwickelt sich in den Vv. haemorrhoidales<br />

inferiores. Die Genese ist ungeklärt.<br />

Differentialdiagnostisch müssen thrombosierte<br />

Hämorrhoidalknoten, Abszesse und<br />

Analtumoren abgegrenzt werden. Die Mehrzahl<br />

der Analvenenhrombosen bildet sich<br />

spontan zurück. Bei starken Beschwerden<br />

oder Beschwerdepersistenz empfiehlt sich<br />

die Exzision in Lokalanästhesie, da bei der<br />

ausschließlichen Inzision die Rezidivquote<br />

bei über 50 % liegt.


6 Analfissur<br />

6 Analfissur<br />

Pathogenese 56<br />

Symptomatologie 57<br />

Diagnostik 57<br />

Differentialdiagnose 58<br />

<strong>Therapie</strong> 58<br />

Konservative <strong>Therapie</strong>möglichkeiten 58<br />

Nitroglyzerin 59<br />

Botulinumtoxin 60<br />

Operative Behandlungsverfahren 60<br />

Laterale Sphinkterotomie 60<br />

Operation nach Eisenhammer 61<br />

Fissurexzision 61<br />

Komplikationen 62<br />

Nachbehandlung 62<br />

55


56<br />

Vorbemerkung: Eine Analfissur ist kein »haarfeiner<br />

Riss«, wie dies der Begriff nahelegen könnte.<br />

Zumeist handelt es sich um ein tropfenförmiges,<br />

längsgestelltes Ulcus im unteren analen Kanal,<br />

im Bereich des Anoderms. Unter chirurgischen<br />

Gesichtspunkten stellt die Fissur nach der Fistel<br />

bzw. ihrer akuten Manifestation, dem Abszess,<br />

die zweithäufigste Analerkrankung dar. Ein<br />

behandlungsbedürftiges Hämorrhoidalleiden<br />

findet sich wesentlich seltener.<br />

Abb. 6-1 Chronische Fissur dorsal mit kleiner<br />

Vorpostenfalte<br />

Pathogenese<br />

Die Pathogenese des Fissurleidens ist nicht<br />

vollständig geklärt. Etwa 90 % der Fissuren<br />

finden sich im Bereich der hinteren Mittellinie.<br />

Dies muss so erklärt werden, dass hier aufgrund<br />

der straffen Fixation zur Steißbeinspitze hin<br />

ein Locus minoris resistentiae mit verminderter<br />

elastischer Aufdehnbarkeit des Analrandes<br />

besteht. Gleichzeitig sind im Bereich der hinteren<br />

Kommissur die meisten Analkrypten<br />

nachzuweisen. Die Kryptitis im Bereich einer<br />

dieser Krypten kann als Wegbereiter des Fissurgeschehens<br />

angesehen werden. Aufgrund einer<br />

entzündlich-ödematösen Durchtränkung des<br />

Gewebes und einer vermehrten Sekretabson-<br />

Analfissur 6<br />

derung aus dem Kryptenbereich kommt es zu<br />

einer Mazeration des benachbarten Anoderms<br />

mit entsprechend vermehrter Vulnerabilität.<br />

Ein Pressen bei der Defäkation oder eine harte<br />

Stuhlkonsistenz kann dann zur oberflächlichen<br />

Zerreißung des Gewebes führen. Gelegentlich<br />

können Fissuren auch als Restzustand nach<br />

spontaner Perforation kleiner, subanodermal<br />

gelegener Thrombosen oder ins Lumen perforierter,<br />

intersphinktärischer Abszesse bestehen<br />

bleiben.<br />

Die Fissur führt zur chronischen Entzündung<br />

im Bereich des Randgewebes und des<br />

Fissurgrundes mit zunehmender Infiltration<br />

des M. sphincter ani internus. Eine narbige<br />

Schrumpfung dieses Gewebes kann im weiteren<br />

Verlauf eine zunehmende Stenosierung des<br />

Anallumens bewirken. In der Literatur wurde<br />

der resultierende Sphinkterhypertonus auch als<br />

primär bestehend und somit als fissurauslösend<br />

diskutiert. Heute gehen die meisten Autoren<br />

davon aus, dass es sich eher um ein sekundäres<br />

Phänomen handelt. Man findet auch Fissuren<br />

ohne einen Sphinkterhypertonus bzw. eine unelastische<br />

Einengung des Anallumens, beispielsweise<br />

relativ häufig im Rahmen eines M. Crohn.<br />

Die zunehmende Vernarbung führt zu<br />

weiteren Sekundärveränderungen im Bereich<br />

der Fissur, wie Fibromen, der sogenannten<br />

Vorpostenfalte und gelegentlich auch subfissuralen<br />

Abszessen sowie marginalen Fisteln.<br />

Im deutschen Sprachgebrauch wird diese Fissur<br />

dann als chronische Fissur bezeichnet, im<br />

Gegensatz zur frischen Fissur ohne Sekundärveränderungen.<br />

Unter einer chronischen Analfissur<br />

versteht man eine Fissur mit Sekundärveränderungen.<br />

Im angloamerikanischen Sprachraum hat sich<br />

dieser Begriff nicht generell durchgesetzt. Hier<br />

wird die Chronizität der Fissur eher nur an der<br />

Dauer der Anamnese festgelegt, wonach dann<br />

zumeist nach einer Krankheitsdauer von mehr<br />

als 6 Wochen von einer chronischen Fissur<br />

ausgegangen wird. Wichtig ist die Abgrenzung<br />

sogenannter sekundärer Fissuren. Hierunter<br />

versteht man fissurähnliche Läsionen im Rah-


6 Analfissur<br />

men anderer Erkrankungen beispielsweise eines<br />

M. Crohn. Sie sind gekennzeichnet dadurch,<br />

dass kein Sphinkterhypertonus nachweisbar ist<br />

und dass sie atypisch außerhalb der hinteren<br />

oder vorderen Medianlinie liegen.<br />

Abb. 6-2 Chronische Fissur dorsal mit Vorpostenfalte<br />

und äußerer Fistelöffnung<br />

Sekundärveränderungen Tafel 6-1<br />

einer Analfissur<br />

• Tiefer Epitheldefekt mit freiliegender<br />

Internusmuskulatur und kallösen, unterminierbaren<br />

Fissurrändern<br />

• hypertrophierte Analpapille am<br />

oberen Fissurrand im Bereich der<br />

Linea dentata<br />

• Vorpostenfalte (sentinal tag) außen<br />

am distalen Fissurende ähnlich<br />

einer Mariske<br />

• Zeichen der lokalen chronischen<br />

Entzündung mit Beteiligung des Intersphinktärraumes<br />

(Fistel oder<br />

florider Abszess)<br />

• Ausbildung einer entzündlichen,<br />

narbigen Analstenose<br />

Symptomatologie<br />

Leitsymptom des Fissurleidens ist der stechende,<br />

quälende Defäkationsschmerz. Die Beschwerden<br />

halten nach der Defäkation mehrere Stunden<br />

an. Sie lassen dann im allgemeinen nach, wobei<br />

aber bereits durch Bewegung des Beckenbodens<br />

und der Sphinktermuskulatur neuerlich<br />

Schmerzen ausgelöst werden können. Häufig<br />

ist die Fissur vergesellschaftet mit Blutungen,<br />

die dann typischerweise als hellroter Blutstreifen<br />

entweder auf dem Toilettenpapier oder<br />

auf der Stuhlsäule angegeben werden. Nicht<br />

selten führt die Lage der Fissur im unteren<br />

analen Kanal, also unterhalb der muskulären<br />

Hochdruckzone, auch zu einem Nachtropfen<br />

von Blut bei der Defäkation.<br />

Seltener tritt eine schmierige Exsudation<br />

auf, die dann perianale Hautveränderungen<br />

und einen Pruritus ani hervorrufen kann. Die<br />

Patienten geben ein Gefühl der Verstopfung<br />

an, was Ausdruck einer zunehmenden narbigen<br />

Einengung sein kann. Bei weiter zunehmender<br />

Stenosierung des Analkanals kann sogar eine<br />

funktionelle Diarrhoe resultieren.<br />

Symptome einer Analfissur Tafel 6-2<br />

• stechender Schmerz<br />

• bei/nach Defäkation<br />

• Blutung<br />

Diagnostik<br />

• Nässen<br />

• Juckreiz<br />

• Stenosegefühl<br />

Die Fissur läßt sich zumeist bereits bei der<br />

Inspektion unter leichtem Spreizen der Nates<br />

erkennen. Schon der anamnestische Hinweis<br />

auf Schmerzen muss eher als Hinweis auf eine<br />

Fissur als auf ein behandlungsbedürftiges Hämorrhoidalleiden<br />

interpretiert werden.<br />

Die digitale Austastung des Analkanals<br />

kann die Diagnose der Fissur erhärten, insofern<br />

man an der typischen Lokalisation in der vorderen<br />

und hinteren Medianlinie eine Induration<br />

tasten kann. Diese digitale Austastung sollte<br />

aufgrund der hierdurch auslösbaren Beschwerden<br />

behutsam durchgeführt werden.<br />

57


58<br />

Differentialdiagnose<br />

Weitergehende instrumentelle Untersuchungen<br />

sind vor der <strong>Therapie</strong> dringend erforderlich.<br />

Nur sie erlauben eine differentialdiagnostische<br />

Abgrenzung gegenüber fissurähnlichen<br />

Läsionen aufgrund eines M. Crohn oder eines<br />

Analkarzinoms. Unter dem Blickwinkel defäkationsabhängiger<br />

Schmerzen sind differentialdiagnostisch<br />

der Abszess, die perianale<br />

Thrombose und die Hämorrhoidalthrombose<br />

abzugrenzen.<br />

Differentialdiagnose Tafel 6-3<br />

der Analfissur<br />

• fissuroide Crohnläsion<br />

• perforierte Analvenenthrombose<br />

• Analkarzinom<br />

• Analrhagade<br />

• Abszess<br />

• luetischer Primäraffekt<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Grundsätzlich stehen konservative und operative<br />

<strong>Therapie</strong>möglichkeiten zur Auswahl.<br />

Eine sorgfältige Indikationsstellung für die<br />

einzelnen <strong>Therapie</strong>verfahren ist erforderlich,<br />

um eine unnötig lange, frustrane Behandlung<br />

zu vermeiden. Die Harmlosigkeit des benignen<br />

Fissurleidens sollte den Therapeuten nicht zu<br />

einem halbherzigen Vorgehen veranlassen, da<br />

für den Patienten sonst unnötig lang dauernde<br />

Schmerzepisoden resultieren. Außerdem ist für<br />

die Wahl des <strong>Therapie</strong>verfahrens zu berücksichtigen,<br />

dass aus einer länger bestehenden<br />

Fissur mit eitriger Verhaltung im Bereich unter<br />

der Fissur sehr kompliziert verlaufende Fisteln<br />

entstehen können, die dann bei der operativen<br />

<strong>Therapie</strong> zu ausgedehnten Substanzverlusten<br />

in der Schließmuskulatur führen.<br />

Konservative <strong>Therapie</strong>möglichkeiten<br />

Häufig greifen die Patienten zu einer Eigenmedikation,<br />

die zumeist in einer Laxanzieneinnahme<br />

besteht. Hierdurch wird vorübergehend die<br />

Analfissur 6<br />

Stuhlentleerung erleichtert. Andererseits ist es<br />

aber einleuchtend, dass die konsistenzgeminderten<br />

Stühle zu einer mangelnden Aufdehnung<br />

des Analkanals führen und dass in diesem<br />

unelastischen Gewebe im weiteren Verlauf die<br />

Einrisse immer wieder rezidivieren. Im Regelfall<br />

sind Laxanzien somit kontraindiziert.<br />

Laxanzien sind in der Fissurbehandlung<br />

kontraindiziert.<br />

Eine adäquate konservative <strong>Therapie</strong> umfasst ein<br />

aufklärendes Gespräch mit dem Patienten über<br />

den Sinn einer schlackenreichen Ernährung und<br />

ausreichender Flüssigkeitszufuhr. Hierdurch<br />

wird eine weich geformte Stuhlkonsistenz erzielt,<br />

die bei der Defäkation zu einer elastischen<br />

Aufdehnung des Analkanals führt.<br />

An lokalen konservativen Maßnahmen<br />

sind anästhesierende Salben und insbesondere<br />

kortikoidfreie Salben und Suppositorien<br />

indiziert. Die Applikation von mullstreifenarmierten<br />

Zäpfchen erscheint besonders sinnvoll,<br />

da durch den Textilstreifen eine Applikation<br />

und lokale Wirkung des Zäpfchens im unteren<br />

analen Kanal erreicht wird.<br />

Symptomatische <strong>Therapie</strong> Tafel 6-4<br />

der Analfissur<br />

• ballaststoffreiche Kost<br />

• ggf. Analdehner<br />

• anästhesierende Salben/Suppositorien<br />

Nach wie vor wird von einigen Autoren eine<br />

Sklerosierung der Fissur empfohlen. Dies erscheint<br />

dann unsinnig und obsolet, wenn für<br />

die Injektion Substanzen wie zur Sklerosierung<br />

von Hämorrhoiden verwendet werden. Sie führen<br />

immer zu einer zunehmenden Vernarbung<br />

im Bereich der Fissur und programmieren das<br />

Rezidiv. Die Unterspritzung mit einem Lokalanästhetikum<br />

kann dagegen die Beschwerden<br />

lindern und so mitunter eine exakte Untersuchung<br />

überhaupt erst ermöglichen.<br />

Entsprechend der pathophysiologischen<br />

Entwicklung eines Sphinkterhypertonus bzw.<br />

einer unelastischen, zunehmenden Stenosierung


6 Analfissur<br />

des Analkanals im Verlauf des Fissurgeschehens<br />

erscheint die Dehnung des Afterkanals<br />

zur konservativen Fissurbehandlung sinnvoll.<br />

In den letzten Jahren hat sich zunehmend<br />

durchgesetzt, dass diese Dehnung durch den<br />

Patienten selbst mittels eines Plastikkonus<br />

durchgeführt wird. Es empfiehlt sich, den Patienten<br />

sorgfältig in den Gebrauch eines solchen<br />

Analdehners einzuweisen. Die Compliance<br />

des Patienten lässt sich erhöhen, wenn man<br />

ihn zunächst unter ärztlicher Aufsicht einen<br />

Dehnungsversuch durchführen läßt. Der Dehner<br />

sollte mit einem Gleitmittel, zweckmäßigerweise<br />

mit einer Hämorrhoidensalbe, eingestrichen<br />

sein und unter drehenden Bewegungen in den<br />

Analkanal eingeführt werden. Die Durchführung<br />

in Linksseitenlage erscheint einfacher als<br />

die Anwendung in gebeugter oder hockender<br />

Stellung. Der Patient sollte den Dehner mehrfach<br />

hintereinander einführen und ihn zuletzt<br />

etwas länger intraanal belassen. Der Spasmus<br />

in der Muskulatur wird auch günstig beeinflusst<br />

durch eine Kontraktion der Schließmuskulatur<br />

gegen den maximal eingeführten Dehner.<br />

Ganz anders zu bewerten ist die manuelle<br />

Dilatation des Analkanals unter Narkosebedingungen.<br />

Dieses immer noch propagierte<br />

Verfahren birgt bei mangelnder Erfahrung des<br />

Operateurs das Risiko einer unkontrollierten<br />

Sphinkterzerreißung in sich. Selbstverständlich<br />

kann durch dieses Verfahren eine Tonusminderung<br />

erreicht werden und die Fissur anschließend<br />

zur Abheilung kommen. Dennoch ist das<br />

Verfahren heute wegen der gelegentlich auftretenden,<br />

nicht korrigierbaren Inkontinenz nicht<br />

mehr als Standardverfahren zu empfehlen.<br />

Bezüglich der Erfolgsaussichten der manuellen<br />

oder instrumentellen Dilatation muss<br />

angemerkt werden, dass es bisher keine prospektiven<br />

Studien gibt, die den Erfolg der eigenständige<br />

Dehnungsbehandlung des Patienten<br />

mittels eines Analdehners abschätzen lassen.<br />

Dennoch erscheint im Einzelfall, insbesondere<br />

bei Fissuren mit Fehlen von Sekundärveränderungen,<br />

der Versuch mit diesem <strong>Therapie</strong>verfahren<br />

unbedingt gerechtfertigt. Für das<br />

Vorgehen der manuellen Dilatation in Narkose<br />

liegen Studien vor. Die beschriebenen Komplikationen<br />

legen aber den Schluss nahe, dass<br />

andere operative Verfahren überlegen sind,<br />

wenn man sich schon zur Behandlung mittels<br />

Narkose entschließen muss.<br />

Seit etwa 10 Jahren werden topisch wirksame<br />

Substanzen untersucht, die im Gegensatz<br />

zu symptomatisch wirksamen Substanzen (wie<br />

Lokalanästhetika oder wirkstofffreie Salben)<br />

und ähnlich der Dehnungsbehandlung einen<br />

kausalen <strong>Therapie</strong>ansatz verfolgen. Ausgehend<br />

vom primären Sphinkterhypertonus als<br />

möglicher Fissurursache wird durch lokale<br />

Salbenapplikation versucht, diesen Muskeltonus<br />

zu senken. Bestuntersuchte Substanz ist Nitroglyzerin.<br />

Des Weiteren wurden Diltiazem und<br />

Nifedipin als Calciumkanalblocker angewendet.<br />

Nitroglyzerin: Nitropräparate werden zumeist in<br />

einer Konzentration von 0,2 % ( bis 0,4 %) appliziert<br />

und können den Tonus des M. sphincter<br />

ani internus senken, die lokale Perfusion und<br />

damit die Sauerstoffutilisation verbessern und<br />

so die Fissur zur Abheilung bringen. Neueste<br />

Untersuchungen haben nachgewiesen, dass<br />

der drucksenkende Effekt nur etwa 2 Stunden<br />

anhält. Dies lässt Zweifel aufkommen an den<br />

zahlreichen früheren Dosisfindungsstudien mit<br />

der Empfehlung der 3 x täglichen Applikation.<br />

Als Nebenwirkungen ergeben sich Kopfschmerzen,<br />

die möglicherweise dosisabhängig sind.<br />

Mehrere Studien zur chronischen Fissur<br />

zeigten eine Senkung der Operationsfrequenz<br />

bei einer niedrigen Rate an Fissurrezidiven. In<br />

Multicenterstudien ließen sich diese Ergebnisse<br />

aber nicht reproduzieren. Hier zeigte sich keine<br />

Überlegenheit der Nitrosalbe gegenüber Placebo<br />

bezogen auf den Eintritt der Schmerzfreiheit<br />

und die Abheilung der Fissur. Interessant ist,<br />

dass die Studien überwiegend chronische Fissuren<br />

zum Gegenstand hatten, wobei in erster<br />

Linie die Anamnesedauer als Kriterium für<br />

die Chronizität diente. Die positiv bewerteten<br />

Studien haben zum Begriff der »chemischen<br />

Sphinkterotomie« geführt, die teilweise als<br />

Alternative zur lateralen Sphinkterotomie gesehen<br />

wird. Die chemische Sphinkterotomie<br />

kommt den Bemühungen der Kostensenkung<br />

entgegen und vermeidet einen irreversiblen<br />

Schaden am M. sphincter ani internus. Wegen<br />

der nicht überzeugenden Studienergebnisse<br />

59


60<br />

gibt es bis dato in Deutschland aber keine<br />

Nitrosalbe als Handelspräparat für die Indikation<br />

»Analfissur«.<br />

Bisher wurde in Deutschland keine<br />

Salbe mit Nitroglyzerin oder Kalziumantagonisten<br />

für die <strong>Therapie</strong> der Analfissur<br />

zugelassen.<br />

Botulinumtoxin: Auf demselben Prinzip der<br />

Tonussenkung der analen Muskulatur beruht<br />

die Anwendung des Botulinum-Toxins. Botulinum-Toxin<br />

führt bei der lokalen Injektion<br />

in den M. sphincter ani externus durch eine<br />

Hemmung der Acetylcholinfreisetzung zu einer<br />

reversiblen Lähmung diese Muskels mit einer<br />

Tonussenkung im Analkanal und nachfolgend<br />

möglicher Abheilung der Fissur. Die Dosierung<br />

ist in den einzelnen Studien unterschiedlich<br />

zwischen 5 und 25 Units. Die Wirkung auf die<br />

Muskulatur ist nach 8 - 12 Wochen spontan<br />

reversibel. Die Injektion von Botulinum-Toxin<br />

in den M. sphincter ani externus ist deswegen<br />

bemerkenswert, weil die Hypothese des<br />

Sphinkterhypertonus den M. sphincter ani<br />

internus betrifft. Ein erhöhter Tonus der quergestreiften<br />

Muskulatur ist eher nur schmerzreflektorisch<br />

erklärbar. Die passagere Lähmung<br />

dieses Muskels wäre dann gleichzusetzen mit<br />

einer symptomatischen <strong>Therapie</strong> und nicht<br />

mit einer kausalen Beeinflussung des primär<br />

erhöhten Internushypertonus. Botulinum-Toxin<br />

scheint neben der relaxierenden Wirkung eine<br />

spezielle Wirkung auf nozizeptive Rezeptoren in<br />

der quergestreiften Muskulatur zu entwickeln,<br />

was die Tatsache erklärt, dass die Schmerzfreiheit<br />

zumeist schon am ersten Tag nach der<br />

Injektion eintritt und die Relaxation erst am<br />

3. bis 4. Tag deutlich wird.<br />

Zusammenfassend sind die lokalen Maßnahmen<br />

zum Zweck der Tonussenkung bisher<br />

nicht eindeutig positiv zu bewerten. Wenn<br />

neben den bekannten wirksamen Substanzen<br />

nach weiteren Stoffen oder nach einer systemischen<br />

Anwendung der Substanzen, z. B.<br />

Nifedipin, Diltiazem oder Sildenafil gesucht<br />

wird, zeigt dies, dass die bisherigen <strong>Therapie</strong>ergebnisse<br />

noch nicht als zufriedenstellend<br />

bewertet werden.<br />

Analfissur 6<br />

Operative Behandlungsverfahren<br />

Eine Indikation zur operativen Behandlung ist<br />

dann gegeben, wenn die konservative <strong>Therapie</strong><br />

fehlschlägt und nicht zur dauerhaften Beschwerdefreiheit<br />

führt, oder wenn es unter einer<br />

konservativen <strong>Therapie</strong> zu einer Befundverschlechterung<br />

mit entsprechender Ausbildung<br />

von Sekundärveränderungen kommt. Für die<br />

operative <strong>Therapie</strong> ist das Augenmerk insbesondere<br />

auf diese Sekundärveränderungen zu<br />

richten, da sie etwa im Fall eines Abszesses oder<br />

einer Fistel so ausgeprägt sein können, dass sie<br />

unabhängig von der ursprünglich auslösenden<br />

Fissur einen selbständigen Krankheitswert erlangen<br />

und regelhaft chirurgisch angegangen<br />

werden müssen. Grundsätzlich konkurrieren<br />

zwei unterschiedliche operative <strong>Therapie</strong>ansätze.<br />

Die ist zum einen die sogenannte laterale<br />

Sphinkterotomie nach NOTARAS oder PARKS<br />

und zum anderen die Exzision der Fissur mit<br />

(Operation nach EISENHAMMER) oder ohne<br />

posteriore Sphinkterotomie.<br />

Laterale Sphinkterotomie: Die laterale Sphinkterotomie<br />

wird in der angloamerikanischen<br />

Literatur derzeit favorisiert. Das Prinzip beruht<br />

auf einer Tonussenkung der Internusmuskulatur<br />

durch eine Inzision des distalen Randes dieses<br />

Muskels links lateral bei 3 h oder 4 h über einen<br />

kleinen Hautschnitt unter Lokalanästhesie.<br />

Dabei wird der eigentliche Bereich der Fissur<br />

bei 6 h oder 12 h im Regelfall nicht tangiert.<br />

Lediglich bei ausgeprägten Sekundärveränderungen<br />

empfehlen die Autoren die zusätzliche<br />

Abb. 6-3 Operative Fissurbehandlung.<br />

Laterale Sphinkterotomie nach NOTARAS


6 Analfissur<br />

sparsame Exzision der Fissur ergänzend zur<br />

lateralen Sphinkterotomie. Als limitierend für<br />

dieses Verfahren müssen septische Prozesse<br />

im Bereich der Fissur (Abszesse oder Fisteln)<br />

angesehen werden. Sie sollten Anlass zur Fissurektomie<br />

sein, da ansonsten die Möglichkeit<br />

einer Infektionsausbreitung bis in die seitlichen<br />

Abschnitte des Analkanals besteht.<br />

Operation nach Eisenhammer: Die Operation<br />

nach EISENHAMMER verbindet regelmäßig<br />

beide skizzierten Bestandteile der Fissuroperation.<br />

Hier wird zunächst die Fissur im Bereich<br />

der hinteren Kommissur exzidiert, wobei es<br />

wichtig ist, den Bereich der Kryptenlinie mit zu<br />

entfernen. Diese Notwendigkeit wird vor dem<br />

Hintergrund der engen ätiologischen Beziehung<br />

zwischen Fissur und Kryptitis verständlich. Die<br />

Nichtbeachtung kann die Rezidiventstehung<br />

begünstigen. Danach wird der im Wundgrund<br />

freigelegte Unterrand des M. sphincter ani internus<br />

in der hinteren Mittellinie eingekerbt.<br />

Das Ausmaß der Einkerbung muß variabel gehandhabt<br />

werden, da bei regelmäßiger Inzision<br />

bis zur Linea dentata – wie dies von einigen<br />

Autoren angegeben wird - gelegentlich bereits<br />

Kontinenzstörungen auftreten. Für das Ausmaß<br />

der Sphinkterotomie muß berücksichtigt werden,<br />

dass die Muskelmasse beim weiblichen<br />

Geschlecht wesentlich schmaler angelegt ist<br />

als beim männlichen. Hier können keine allgemeingültigen<br />

Standardempfehlungen gegeben<br />

werden. Es empfiehlt sich grundsätzlich, bei der<br />

Sphinkterotomie eher zurückhaltend zu sein.<br />

Essentiell erscheint aus chirurgischer Sicht le-<br />

Abb. 6-4 Chronische Fissur: Fissurektomie,<br />

präoperativer Situs<br />

diglich die Durchtrennung der narbig indurierten<br />

Muskelanteile im unmittelbaren Bereich unter<br />

der Fissur. Nach Abschluss dieser sparsamen<br />

Einkerbung resultiert zumeist ein ausreichend<br />

elastischer Analkanal ohne die Gefahr eines<br />

Fissurrezidivs. Die Gefahr einer Inkontinenz<br />

aufgrund einer sogenannten Schlüssellochdeformität<br />

ist bei dieser Vorgehensweise zu<br />

vernachlässigen.<br />

Fissurexzision: In Deutschland wird heute<br />

weithin die Fissurektomie ohne regelhafte<br />

Sphinkterotomie als Standardeingriff bei der<br />

chronischen Analfissur durchgeführt. Das<br />

Verfahren ist nicht in neueren Studien untersucht.<br />

Der Eingriff erfolgt in Regional- oder<br />

Allgemeinanästhesie. Die Exzision des Fissurgewebes<br />

erfolgt segmentär weit außerhalb<br />

des Analrandes beginnend. Die perianale Haut<br />

wird oberflächlich exzidiert und dann nach<br />

intraanal das vernarbte Fissurgewebe unter<br />

Schonung des M. sphincter ani internus abgetragen.<br />

Die Separation des Fissurgrundes<br />

von der Internusmuskulatur kann aufgrund<br />

narbiger Verklebungen schwierig sein. Im<br />

proximalen Bereich werden die benachbarten<br />

Anteile der Kryptenlinie einschließlich dortiger<br />

Fibrome (hypertrophierter Papillen) ebenfalls<br />

mit exzidiert. Der Defekt bleibt offen (vgl. Abb.<br />

6-5). Die Exzision eines weiten Hautareals<br />

außen verfolgt den Sinn einer Vorbeugung des<br />

»Scheinrezidivs«. Die äußeren Wundanteile vernarben<br />

schneller als die intraanalen Bereiche.<br />

Dies birgt die Gefahr der Ausbildung einer quer<br />

am Analrand verlaufenden Narbenspange. Der<br />

Abb. 6-5 Chronische Fissur: Fissurektomie,<br />

postoperativer Situs<br />

61


62<br />

austretende Stuhl kann diese Narbe unterspülen<br />

und zur neuerlichen Ausbildung einer entzündlichen<br />

Defektwunde am Analrand führen. Die<br />

abschließende Sphinkterotomie in der hinteren<br />

Mittellinie (dorsale Sphinkterotomie), wie sie<br />

Eisenhammer propagiert hat, kann derzeit nicht<br />

mehr als obligat gelten.<br />

Die operative Standardtherapie der konservativ<br />

therapieresistenten Analfissur sollte<br />

die Exzision unter Mitnahme der Sekundärveränderungen<br />

sein.<br />

Komplikationen<br />

Oftmals finden sich septische Komplikationen<br />

der Analfissur, wie intersphinktäre Abszesse<br />

oder Analfisteln. Diese müssen mittherapiert<br />

werden. Im Verdachtsfall ist der intersphinktäre<br />

Raum ausreichend breit zu eröffnen und zu<br />

revidieren. Eine anhaltende Windinkontinenz<br />

nach zu ausgiebiger Sphinkterotomie wird als<br />

»Schlüssellochdeformität« des Analrandes bezeichnet<br />

und erfordert gelegentlich operative<br />

Korrekturmaßnahmen. Diese mögliche Komplikation<br />

ist im eigenen Kollektiv in 0,2 % der Fälle<br />

aufgetreten und somit bei entsprechend vorsichtiger<br />

Technik und sachkundiger Durchführung<br />

zu vernachlässigen. Sie kann im Übrigen auch<br />

nach zu ausgiebiger lateraler Sphinkterotomie<br />

auftreten. Als wesentliche, verfahrensabhängige<br />

Komplikation bei der lateralen Sphinkterotomie<br />

ist aber die unbemerkte Eröffnung einer Analkrypte<br />

durch die Präparation im intersphinktären<br />

und subanodermalen Raum anzusehen. Dies zieht<br />

regelhaft die Entstehung einer Fistel nach sich,<br />

die zudem durch die Tatsache kompliziert wird,<br />

dass bei der Präparation des intersphinktären<br />

Raumes der nach proximal hin verlaufende<br />

Spaltraum breit eröffnet wurde. Dies begünstigt<br />

eine proximale Ausbreitungsrichtung der entstehenden<br />

Fistel mit entsprechenden Problemen<br />

bei der operativen Behandlung.<br />

Nachbehandlung<br />

Für die Nachbehandlung nach Fissuroperationen<br />

gelten die üblichen Regeln der sonstigen<br />

Analfissur 6<br />

analen Operationen. Der Patient sollte frühzeitig<br />

Sitzbäder durchführen. Die Applikation von Salbenkompressen<br />

mit desinfizierenden Präparaten<br />

oder sog. Hämorrhoidalsalben kann die postoperativen<br />

Schmerzen lindern und die Wunde<br />

frühzeitig reinigen. Eine digitale Austastung<br />

des Analkanals zum Zweck der Verhinderung<br />

eines vorzeitigen Verklebens der Wundränder<br />

ist vom ersten postoperativen Tag an obligat.<br />

Sorgfältige proktoskopische Kontrollen sollten<br />

zusätzlich erfolgen, um Wundheilungsstörungen<br />

mit Sekretverhaltungen rechtzeitig zu erkennen.<br />

Für die zeitliche Abfolge dieser proktoskopischen<br />

Kontrolluntersuchungen lassen sich keine<br />

schematischen Richtlinien angeben. Es ist aber<br />

anzumerken, dass bei vorsichtiger Durchführung<br />

der Proktoskopie diese Untersuchung bereits sehr<br />

früh postoperativ ohne wesentliche Schmerzen<br />

erfolgen kann.<br />

Der Zeitraum bis zur definitiven Abheilung<br />

der Exzisionswunde ist bei posteriorer Lokalisation<br />

der Fissur mitunter auffallend lang.<br />

Dies mag, wie auch die Entstehung der Fissur<br />

selbst, darin begründet sein, dass die dorsale<br />

Kommissur eine mechanisch belastete Zone des<br />

Analkanals darstellt.<br />

Zusammenfassung: Eine Analfissur ist ein<br />

Ulkus im unteren Analkanal. Die Genese der<br />

Fissur ist nicht endgültig geklärt, wahrscheinlich<br />

können multiple Ursachen zu ein und<br />

demselben Krankheitsbild führen. Differentialdiagnostisch<br />

müssen insbesondere sekundäre<br />

Ursachen für eine Analfissur oder für anale<br />

Ulzera wie ein Analkarzinom, ein luetischer<br />

Primäraffekt oder ein Morbus Crohn ausgeschlossen<br />

werden Unter einer chronischen<br />

Analfissur versteht man eine Fissur mit Sekundärveränderungen.<br />

Der stechende Schmerz<br />

bei der Defäkation ist Leitsymptom der Analfissur.<br />

Ein konservativer <strong>Therapie</strong>versuch mit<br />

anästhesierenden oder den Sphinktertonus<br />

senkenden Medikamenten ist gerechtfertigt.<br />

Bei Beschwerdepersistenz sollte die Fissur<br />

unter Mitnahme der Sekundärveränderungen<br />

exzidiert werden. Eine laterale Sphinkterotomie<br />

sollte wegen einer erhöhten postoperativen<br />

Inkontinenzgefahr unterbleiben.


7 Analabszess/Analfistel<br />

7 Analabszess/Analfistel<br />

Ätiopathogenese 64<br />

Klassifikation der Abszesse 64<br />

Klassifikation der Analfisteln 64<br />

Symptomatologie 66<br />

Differentialdiagnostik 66<br />

<strong>Therapie</strong> 66<br />

<strong>Therapie</strong> des Analabszesses 67<br />

<strong>Therapie</strong> des Analfistel 68<br />

Ergebnisse 69<br />

Fistulotomie/Fistelektomie 68<br />

Fistelexzision mit plastischem Fistelverschluss 69<br />

Fadendrainage 69<br />

Nachbehandlung 69<br />

63


64<br />

Ätiopathogenese<br />

Analabszess und Analfistel stellen unter ätiologischen<br />

Gesichtspunkten eine Krankheitsentität<br />

dar. Es handelt sich um unterschiedliche Phasen<br />

derselben Erkrankung, wobei der Abszess die<br />

Akutmanifestation und die Fistel die chronische<br />

Verlaufsform darstellt. Gemeinsames<br />

Korrelat ist die Infektion im Bereich einer<br />

der Proktodealdrüsen im intersphinkterischen<br />

Raum. Ausgehend von dieser Entzündung<br />

entwickelt sich der Abszess entsprechend den<br />

vorgegebenen anatomischen Strukturen und<br />

kann durch den Durchbruch zur Haut oder zu<br />

Nachbarstrukturen der Wand des Analkanals<br />

Fisteln ausbilden. Die hierdurch entstehenden<br />

Fisteln lassen sich als typische Fisteln klassifizieren,<br />

da sich die Verlaufsrichtung aufgrund<br />

der vorgegebenen Ausbreitungswege immer<br />

ähnelt. Im Gegensatz dazu finden sich in seltenen<br />

Fällen auch atypisch verlaufende Fisteln<br />

bzw. Abszesse, die sich nicht an die typischen<br />

Ausbreitungswege halten. Sie haben zumeist<br />

eine traumatische Ursache oder entstehen<br />

beispielsweise im Rahmen eines analen M.<br />

Crohn. Die Lagebeziehung des Krankheitsherdes<br />

zu den unterschiedlichen Anteilen der<br />

analen Muskulatur ist für die <strong>Therapie</strong> von<br />

außerordentlich großer Bedeutung.<br />

Klassifikation der Abszesse<br />

Entsprechend ihrer Lokalisation lassen sich<br />

bei den typischen Abszessen drei Formen<br />

unterscheiden:<br />

1. der intersphinktäre Abszess<br />

2. der ischiorektale Abszess<br />

3. der pelvirektale Abszess<br />

Weitaus am häufigsten (etwa 60 %) findet<br />

sich die intersphinktäre Lokalisation des Abszesses.<br />

Sie kann entweder auf den Intersphinktärraum<br />

intraanal begrenzt sein oder<br />

nach distal herunterreichen. Der erstgenannte<br />

»hohe« intersphinktäre Abszess ist somit von<br />

außen nicht sichtbar. Die zweite Form entspricht<br />

dem typischen sichtbaren, analnah und<br />

oberflächlich gelegenen Perianalabszess. Der<br />

ischiorektale Abszess manifestiert sich durch<br />

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Analabszess/Analfistel 7<br />

Abb. 7-1 Analabszess: Schema der Lokalisationen<br />

1 pelvirektal 5 M. sphincter ani internus<br />

2 submukös 6 M. sphincter ani externus<br />

3 intersphinkterisch 7 M. puborectalis<br />

4 ischiorektal<br />

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eine Vorwölbung perianal, wobei er aber in der<br />

Tiefe, oberhalb der Fascia perinei superficialis,<br />

gelegen ist. Etwa 35 % der Abszesse entsprechen<br />

dieser Form. Die pelvirektale Abszess<br />

(


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7 Analabszess/Analfistel<br />

den Bereichen des Analkanals. Als klinische<br />

Besonderheit ist dieses Phänomen seit langem<br />

bekannt (GOODSALL’sche Regel). GOODSALL<br />

beschrieb bereits 1900 einen auffällig häufigen<br />

bogenförmigen Verlauf der Fisteln zur dorsalen<br />

Mittellinie.<br />

Die GOODSALL’sche Regel besagt, dass<br />

Fisteln der dorsalen Zirkumferenz meist<br />

bogenförmig zur Mittellinie verlaufen,<br />

Fisteln der ventralen Zirkumferenz meist<br />

einen geraden radiären Verlauf nehmen.<br />

Als typische Fisteln lassen sich in Analogie<br />

zur den Abszessen in ihrer Lagebeziehung zur<br />

analen Muskulatur unterscheiden:<br />

1. die intersphinktäre Fistel<br />

2. die transsphinktäre Fistel<br />

3. die suprasphinktäre Fistel<br />

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Abb. 7-2 Analfistel: Schema der Fistelverläufe.<br />

1 suprasphinkterisch 5 M. sphincter ani internus<br />

2 submukös 6 M. sphincter ani externus<br />

3 intersphinkterisch 7 M. puborectalis<br />

4 transsphinkterisch<br />

�<br />

�<br />

Als atypische Form findet man relativ häufig<br />

eine submukös bzw. subkutan oder subanodermal<br />

verlaufende Fistel, die oft ihren Ausgang<br />

von einer Analfissur nimmt. Sie kann deswegen<br />

auch als marginale Fistel der »Fissur mit<br />

Sekundärveränderungen« klassifiziert werden.<br />

Die extrem selten nachzuweisende atypische<br />

extrasphinktär verlaufende Fistel hat zumeist<br />

eine traumatische Ursache.<br />

Für alle Fisteln gilt, dass aus chirurgischer<br />

Sicht für die <strong>Therapie</strong> die Höhe des muskeldurchbohrenden<br />

Ganges entscheidend ist. Die<br />

unkomplizierte, typische intersphinkterische<br />

oder transsphinkterische Fistel hat ihren muskeldurchbohrenden<br />

Gang üblicherweise in der<br />

Ebene der Linea dentata oder distal dieser<br />

Lokalisation. Die suprasphinkterische Fistel<br />

entsteht durch die Abszessausbreitung nach<br />

proximal und sie umgreift dann die Puborektalisschlinge.<br />

Präoperativ sollte Klarheit bestehen<br />

über die Höhenlokalisation des muskeldurchbohrenden<br />

Ganges, da beispielsweise eine<br />

Muskeldurchtrennung distal der Dentatalinie<br />

üblicherweise nicht von einer entscheidenden<br />

Kontinenzstörung gefolgt ist. Dagegen ist die<br />

Durchtrennung der gesamten analen Muskulatur<br />

einschließlich der Puborektalisschlinge<br />

regelhaft mit einer kompletten Inkontinenz<br />

verbunden. Insgesamt zeigen etwa 95 % der<br />

Fisteln einen intersphinkterischen oder transsphinkterischen<br />

Verlauf, mit einer Höhe des<br />

muskeldurchbohrenden Ganges nicht oberhalb<br />

der Dentatalinie, so dass sie ohne wesentliche<br />

Kontinenzgefährdung angegangen werden<br />

können. Die suprasphinkterischen Fisteln haben<br />

nicht selten ihre Ursache in einer fehlerhaften<br />

Freilegung des vorangehenden Abszesses<br />

mit einer entsprechenden Manipulation im<br />

Abszessraum und nachfolgender Tamponade<br />

unter <strong>Dr</strong>uck. Dieses Manöver kann zu einer<br />

Infektverschleppung nach proximal und zur<br />

Schaffung einer hohen inneren Fistelöffnung<br />

im unteren Rektum führen. Im letztgenannten<br />

Fall würde eine iatrogene, atypisch gelegene<br />

extrasphinkterische Fistel resultieren.<br />

Eine Sonderform zwischen Abszess und<br />

Fistel nimmt der chronische, intersphinkterisch<br />

gelegene Analabszess ein. Hierbei findet sich im<br />

Spaltraum zwischen M. sphincter ani internus<br />

und externus ein Infiltrat von bis zu Haselnussgröße,<br />

wobei die innere Fistelöffnung mit ihrer<br />

Verbindung über den <strong>Dr</strong>üsenausführungsgang<br />

zur Linea dentata obliteriert ist und sich bis<br />

zur diesem Zeitpunkt auch noch kein äußeres<br />

Fistelostium aufgrund eines entsprechenden<br />

Abszessdurchbruchs ausgebildet hat. Diese Abszessformen<br />

können eine derbe Kapsel ausbilden.<br />

In den meisten Fällen besteht gleichzeitig eine<br />

65


66<br />

Analfissur, wobei dann der intersphinktärische<br />

Abszess in der hinteren Mittellinie lokalisiert<br />

ist. Seine Entstehung muss so interpretiert<br />

werden, dass es zur Infiltratbildung unterhalb<br />

der Fissur kommt, die aber aufgrund der Vernarbung<br />

des Fissurgrundes nicht nach außen<br />

zum Analrand durchbrechen kann.<br />

Symptomatologie<br />

Die Symptomatologie des Fistelleidens bzw. der<br />

Abszessbildung ist geprägt durch den entzündlichen<br />

Charakter der Erkrankung. Dies bedeutet<br />

im Regelfall eine Progredienz der Erkrankung<br />

nach Angehen der Infektion, mit gelegentlich<br />

ablaufenden selbstbegrenzenden Vorgängen im<br />

Sinne beispielsweise einer Abszessperforation.<br />

Die Patienten berichten über eine zunehmende<br />

Schmerzsymptomatik, die sich im Verlaufe<br />

der Entwicklung der Erkrankung zunehmend<br />

exakt an einer bestimmten Stelle des Analkanals<br />

lokalisieren lässt. Im weiteren Verlauf<br />

wird eine Schwellung außen erkennbar und<br />

tastbar und es stellen sich entzündliche Allgemeinsymptome<br />

mit Abgeschlagenheit und<br />

Fieberschüben ein.<br />

Eine druckdolente Schwellung verbunden<br />

mit entzündlichen Allgemeinsymptomen<br />

lässt klinisch auf einen Analabszess<br />

schließen.<br />

Im Gegensatz zur Schmerzsymptomatik beispielsweise<br />

bei der Fissur zeigt das Abszessgeschehen<br />

selten einen über längere Zeiträume<br />

rezidivierenden Charakter. Die Allgemeinsymptome<br />

führen den Patienten eher frühzeitig in<br />

ärztliche Behandlung. Gelegentlich sind die<br />

limitierenden Vorgänge der Infektabwehr so<br />

effektvoll, dass ein subjektiv wenig belastendes,<br />

chronisches Stadium der Fistelbildung entsteht,<br />

das für den Patienten keine weitere <strong>Therapie</strong><br />

wünschenswert macht.<br />

Differentialdiagnostik<br />

Die Differentialdiagnostik ist einfach bei äußerlich<br />

nachweisbaren typischen klinischen<br />

Zeichen des Infekts mit Vorwölbung und Über-<br />

Analabszess/Analfistel 7<br />

wärmung der Haut über dem Abszess und<br />

entsprechender Rötung sowie Allgemeinsymptomen.<br />

Differentialgnostische Probleme bereitet<br />

der hochsitzende intersphinktärische Abszess,<br />

der initial weder von außen per Inspektion<br />

noch bei der Palpation nachweisbar ist. Diese<br />

Abszessform führt zudem eher zu relativ uncharakteristischen,<br />

dumpfen Beschwerden, die<br />

erst im weiteren chronifizierenden Verlauf der<br />

Erkrankung exakt lokalisierbar werden.<br />

Im Rahmen der Differentialdiagnostik<br />

sollte nach Hinweisen für eine chronischentzündliche<br />

Darmerkrankung als möglicher<br />

Ursache der Abszedierung gefahndet werden.<br />

Eine seltenere Ursache für Abszedierungen am<br />

Analrand stellen einschmelzende Analkarzinome<br />

bzw. tiefsitzende Rektumkarzinome dar. Im<br />

Rahmen der Differentialdiagnostik erscheinen<br />

daher zumindest limitierte endoskopische Untersuchungen<br />

vor Beginn der <strong>Therapie</strong> zwingend<br />

erforderlich, um diese Erkrankungen<br />

auszuschließen.<br />

Nicht jede granulationsbesetzte Fistelöffung<br />

im perianalen Bereich entspricht einer<br />

Analfistel kryptoglandulären Ursprungs. Differentialdiagnostisch<br />

müssen hier auch Fisteln<br />

ausgehend von einer Akne inversa oder einem<br />

Pilonidalsinus abgegrenzt werden.<br />

Differentialdiagnose der Tafel 7-1<br />

kryptoglandulären Analfistel<br />

• Analfissur<br />

• Analkarzinom<br />

• Rektumkarzinom<br />

• M. Crohn<br />

• Akne inversa<br />

• Pilonidalsinus<br />

Nicht jede granulationsbesetzte Fistelöffung<br />

im perianalen Bereich entspricht einer<br />

Analfistel kryptoglandulären Ursprungs.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Die <strong>Therapie</strong> des Fistelleidens hat medizingeschichtliche<br />

Dimensionen und lässt sich bereits<br />

seit den Frühzeiten der Chirurgie in zahlreichen


7 Analabszess/Analfistel<br />

historischen Zeitzeugnissen belegen. Gleichzeitig<br />

ist sie im individuellen Fall sehr oft dadurch<br />

geprägt, dass trotz zahlreicher <strong>Therapie</strong>versuche<br />

eine Rezidivneigung besteht oder aber aufgrund<br />

von »Horrorgeschichten« von Betroffenen eine<br />

panische Angst vor einer nachfolgenden Inkontinenz<br />

zu konstatieren ist. Das entscheidende<br />

Problem in der Fisteltherapie scheint die exakte<br />

Kenntnis der anatomischen Verhältnisse und<br />

die subtile und zarte Operationstechnik zu<br />

sein, die es insbesondere vermeidet, bei der<br />

Fistelsondierung eine via falsa zu bohren. Bei<br />

kundiger und vorsichtiger operativer Technik<br />

kann die Fisteloperation andererseits für den<br />

Patienten zumeist eine dauerhafte Heilung<br />

und für den Operateur eine befriedigende<br />

<strong>Therapie</strong>maßnahme bedeuten.<br />

Entscheidend für den <strong>Therapie</strong>erfolg<br />

in der Behandlung einer Analfistel ist die<br />

exakte Kenntnis der anatomischen Verhältnisse.<br />

<strong>Therapie</strong> des Analabszesses<br />

Abszesse sind als Notfallindikation anzusehen<br />

und immer einer adäquaten chirurgischen<br />

<strong>Therapie</strong> zuzuführen. Eine notfallmäßige Entlastung<br />

durch Punktion und sparsame Inzision<br />

kann die Zeit bis zum Beginn der definitiven<br />

operativen <strong>Therapie</strong> erleichtern. Sie ersetzt<br />

aber nicht eine adäquate, d. h. ausreichend<br />

weite chirurgische Eröffnung. Eine abwartende,<br />

konservative <strong>Therapie</strong> mit Antibiotikagabe und<br />

Rotlicht bis zum »Reifwerden« des Abzsesses<br />

mit entsprechender Spontanperforation erscheint<br />

deswegen nicht gerechtfertigt, weil es<br />

hierdurch zu einer Ausuferung des septischen<br />

Geschehens kommen kann. Die anschließende<br />

Fisteltherapie birgt dann eine höhere Gefahr<br />

eines Kontinenzschadens. Die chirurgische Freilegung<br />

des Abszesses muß ausreichend sein, d.<br />

h. die Haut über dem Abszess muss großzügig<br />

»abgedeckelt« werden. Es erscheint müßig, über<br />

eine radiäre oder T-förmige Schnittführung zu<br />

diskutieren. Die Haut über dem Abszess sollte so<br />

weit abgetragen sein, dass eine anschließende<br />

Tamponade zur Gewährleistung eines ausrei-<br />

Abb. 7-3 Analabszess: Klinisches Bild<br />

Abb. 7-4 Analabszess: Endosonographisches Bild<br />

Abb. 7-5 Analabszess: Zustand nach<br />

operativer Freilegung<br />

chenden Abflusses aus dem Hohlraumsystem<br />

unnötig ist.<br />

Der Abszessraum sollte vorsichtig und<br />

nur unter Zuhilfenahme des Fingers ausgeräumt<br />

werden. Ein Debridement mit scharfen<br />

Instrumenten oder eine bohrende Applikation<br />

einer Tamponade scheint obsolet, da dies im<br />

67


68<br />

weichen, frisch entzündeten Gewebe zu einer<br />

Infektverschleppung nach proximal führt. Die<br />

primäre Spaltung einer Fistel im Rahmen der<br />

Abszessentlastung ist nur in den Fällen sinnvoll,<br />

in denen man einen sicheren Fistelnachweis<br />

ohne Sondierung mit scharfen Instrumenten<br />

und mit einem inneren Fistelostium maximal<br />

in Höhe der Dentatalinie führen kann. Im<br />

Zweifelsfall ist die zweizeitige Fistelspaltung<br />

vorzuziehen.<br />

<strong>Therapie</strong> der Analfistel<br />

Der Verlauf einer Fistel ist am einfachsten<br />

durch eine intraoperative Farbstoffinstillation<br />

mit nachfolgender Sondierung festzulegen (vgl.<br />

Abb. 7-6). Die präoperative Röntgendiagnostik<br />

führt zu Befunden, die nur extrem selten in<br />

den intraoperativen Situs übertragbar sind. Die<br />

routinemäßige Fistulographie kann inzwischen<br />

als obsolet angesehen werden. Eher hilfreich<br />

ist die NMR-Tomographie des Beckens zur<br />

Darstellung komplexer Fistelsysteme z.B. im<br />

Rahmen eines Mb. Crohn. Sie stellt die anatomischen<br />

Strukturen dar und erlaubt in Zweifelsfällen<br />

die Zuordnung der Abszessräume und<br />

Fistelgänge zu den muskulären Strukturen des<br />

Analkanals und Beckenbodens. Im geeigneten<br />

Fall kann die Fistel und der Abszess auch gut<br />

endosonographisch dargestellt werden (vgl.<br />

Abb. 7-4).<br />

Abb. 7-6 Analfistel: Intraoperative Sondierung<br />

des Fistelverlaufs<br />

Vorteil dieses Verfahren ist die intraoperative<br />

Verfügbarkeit des Equipments. Die intraoperative<br />

Sondierung der Fistel erfordert einfühlsame<br />

Vorsicht, um einen falschen Weg der Sonde zu<br />

Analabszess/Analfistel 7<br />

vermeiden. Knopfsonden sind spitz zulaufenden<br />

Sonden, wie etwa der früher verwendeten<br />

Rinnensonde, vorzuziehen.<br />

Die Fistelsondierung im akuten Entzündungsstadium<br />

bleibt wegen der erhöhten<br />

Gefahr einer via falsa dem erfahrenen<br />

Proktochirurgen vorbehalten.<br />

In der definitiven chirurgischen <strong>Therapie</strong> der<br />

Fisteln konkurrieren unterschiedliche Verfahren.<br />

Operative Verfahren der Tafel 7-2<br />

Fistelchirurgie<br />

• Fistulotomie (Fistelspaltung) / Fistulektomie<br />

• Fistelexzision mit plastischem<br />

• Verschluss des inneren Fistelostium<br />

• Fadendrainage<br />

Fistulotomie/Fistelektomie: Die Fistulotomie<br />

(Fistelspaltung) gilt heute als Standardverfahren.<br />

Hierbei wird das Fisteldach mitsamt<br />

Subkutangewebe und Haut mit dem Messer<br />

durchtrennt, die Fistel wird »gespalten«. Es<br />

resultiert statt des röhrenförmigen Ganges der<br />

Fistel ein breit offener Wundgraben. Zusätzlich<br />

zu der Durchtrennung des Fisteldaches<br />

werden anschließend die Randanteile von<br />

Haut und Subcutis so weit abgetragen, dass<br />

ein flacher Wundgraben resultiert. Wird diese<br />

Abflachung der Ränder nicht vorgenommen,<br />

können Scheinrezidive der Fistel dadurch entstehen,<br />

dass die Haut über der durchtrennten<br />

Fistel in kurzer Zeit wieder in Kontakt kommt<br />

und beide Hautränder miteinander verkleben.<br />

Die verbleibende Unterminierung in der Tiefe<br />

kann dann als Fistelrezidiv imponieren. Es<br />

ist nicht zwingend erforderlich, den Boden<br />

der Fistel zu exzidieren, also eine komplette<br />

»Fistulektomie« ergänzend zur »Fistulotomie«<br />

durchzuführen. Bei der Abtragung des Fistelbodens<br />

werden unnötigerweise kleinere Anteile<br />

der Muskulatur mitentfernt, die letztendlich<br />

kontinenzentscheidend sein können. Wichtig<br />

ist aber die Kurettage des Fistelbodens, um alles<br />

entzündliche Material der Proktodäaldrüse zu


7 Analabszess/Analfistel<br />

Abb. 7-7 Analfistel: Situs nach Fistelspaltung<br />

(Fistulotomie). Die Wundränder sind angeschrägt,<br />

der Fistelboden verbleibt in situ.<br />

entfernen. Ein glatt epithelisierter Fistelgrund<br />

ohne Nebengänge kann als eine Epithelinsel<br />

in der Mitte des bei der Fistelspaltung entstehenden<br />

Wunddefektes angesehen werden, so<br />

dass die Epithelisierung schneller vonstatten<br />

geht. Selbstverständlich müssen Nebengänge<br />

durch ausreichend breite Freilegung angegangen<br />

werden.<br />

Fistelexzision mit plastischem Fistelverschluss:<br />

Die Fistelexzision mit gleichzeitigem plastischen<br />

Verschluss des inneren Fistelostiums<br />

stellt eine zusätzliche, häufiger geübte Operationsmethode<br />

dar. Sie ist Fisteln mit hohem<br />

sphinkterdurchbohrenden Gang vorbehalten,<br />

etwa Fisteln traumatischer Genese oder im<br />

Rahmen entzündlicher Darmerkrankungen.<br />

Hier soll durch den plastischen Verschluss<br />

des inneren Fistelostiums bei gleichzeitiger<br />

Exzision des extra- und transsphinktärischen<br />

Anteiles die Durchtrennung einer größeren<br />

Muskelportion mit anschließender Inkontinenz<br />

vermieden werden.<br />

Fadendrainage: Während die Fadenbehandlung<br />

der Fistel nach Hippokrates heute entbehrlich<br />

geworden ist, besteht nach wie vor eine Indikation<br />

zur temporären Anwendung eines Fadens<br />

als <strong>Dr</strong>ainage der bestehenden Fistel. Insbesondere<br />

in der Situation der frischen Abszedierung<br />

kann es mitunter sehr nützlich sein, im Rahmen<br />

der ersten Operation bereits einen Faden in die<br />

aufgefundene Fistel einzulegen und ihn locker<br />

zu knüpfen. Dieser Faden wirkt als Docht<br />

und ist in der Lage, das Fistelsystem so zu<br />

drainieren, dass mit zunehmender Abheilung<br />

der Abszesswunde keine neuerliche Verhaltung<br />

auftritt. Auf diese Weise kann sich die lokale<br />

Entzündung stabilisieren und der weitere Verlauf<br />

bis zur definitiven Fistelspaltung in Ruhe<br />

abgewartet werden. Der in der Fistel liegende<br />

Faden führt über seinen Reiz auf das Gewebe<br />

zu einer schnellen Formierung der Fistel und<br />

einer Epithelisierung des Fistelganges. Durch<br />

die Fadendrainage können Nebengänge der<br />

Fistel ausreichend abdrainiert werden, so dass<br />

sie unter Umständen sogar verkleben und das<br />

Fistelsystem auf einen Hauptgang reduziert<br />

werden kann. Diese temporäre Fadendrainage<br />

der Fistel hat einen besonderen Platz in der<br />

Behandlung der Crohnfisteln.<br />

Ergebnisse<br />

Bezüglich der Rezidivrate ist der plastische<br />

Fistelverschluss der Fistelexzision bzw. Fistulektomie<br />

sicher unterlegen. Die besten Ergebnisse<br />

zeigt die Fistulotomie, die darum<br />

als Regelverfahren zu gelten hat. Besonderen<br />

Fistelformen, so namentlich den rektovaginalen<br />

oder anovaginalen Fisteln, ist die Technik des<br />

plastischen Fistelverschlusses vorbehalten. Bei<br />

den letztgenannten Fistelformen kann im Einzelfall<br />

die zusätzliche Anlage eine protektiven<br />

Kolostomie sinnvoll sein, um die Sicherheit des<br />

plastischen Verschlusses zu garantieren.<br />

Nachbehandlung<br />

Die Nachbehandlung einer Fisteloperation<br />

entspricht der üblichen Nachbehandlung septischer<br />

analer Operationen. Hier sollte eine<br />

flache und ausreichend breit eröffnete Wunde<br />

entstehen, die postoperativ die Applikation von<br />

Tamponaden überflüssig macht. Unter einer<br />

Behandlung mit Sitz- oder Duschbädern und<br />

der Vorlage von Salbenkompressen mit antiseptischen<br />

Zubereitungen läßt sich in mitunter<br />

erstaunlich kurzer Zeit eine Epithelisierung<br />

des Wundgrundes erreichen. Postoperativ ist<br />

es ferner wichtig, dass der Fistelgrund häufig<br />

ausgetastet wird, um einem vorzeitigen Verkleben<br />

der Wundränder entgegenzuwirken. Diese<br />

69


70<br />

digitale Austastung sollte zumindest in der<br />

ersten Woche postoperativ täglich durchgeführt<br />

werden. Eine zusätzliche Antibiotikagabe ist<br />

daneben nicht notwendig.<br />

Zusammenfassung: Der Analabszess und die<br />

Analfistel als kryptoglanduläre Entzündung<br />

bilden unter ätiologischen Gesichtspunkten<br />

eine Entität, wobei der Abszess das<br />

akute, die Fistel das chronische Stadium<br />

darstellt. Je nach Fistellokalisation<br />

werden intersphinktäre, ischiorektale und<br />

pelvirektale Abszesse unterschieden. Ein<br />

Abszess muss drainiert, sinnvollerweise<br />

breit entdeckelt werden. Die Fistelsuche im<br />

Entzündungsstadium bleibt dem erfahrenen<br />

Proktochirurgen vorbehalten. Je nach<br />

Höhe des muskeldurchbohrenden Anteils<br />

der Fistel kann diese gespalten, exzidiert<br />

oder mittels eines plastischen Verschlusses<br />

therapiert werden. Die geringste Rezidivrate<br />

hat die Fistelspaltung. Fistelformen im<br />

Rahmen eines Morbus Crohn bedürfen einer<br />

differenzierten Behandlung und werden<br />

oft vor definitiver Sanierung über lange<br />

Zeit nur mit einer losen Fadendrainage<br />

versorgt.<br />

Analabszess/Analfistel 7


8 Pilonidalsinus<br />

8 Pilonidalsinus<br />

Ätiopathogenese 72<br />

Klinik 73<br />

Differentialdiagnostik 73<br />

<strong>Therapie</strong> 73<br />

Nachbehandlung 74<br />

71


72<br />

Vorbemerkung: Unter einem Pilonidalsinus<br />

versteht man eine fistelbildende Entzündung<br />

im Subkutangewebe über dem Os sacrum mit<br />

enger Beziehung zur Rima ani und ohne Beziehung<br />

zu den Strukturen des Analkanals. Das<br />

Fistelsystem nimmt zudem seinen Ausgang<br />

auch nicht vom Os sacrum, wie dies die häufig<br />

gebrauchte Bezeichnung einer Steißbeinfistel<br />

nahelegen könnte. Typischerweise lassen sich<br />

bei dieser Erkrankung winzige Hautöffnungen<br />

in der Rima ani nachweisen, die als Primäröffnungen<br />

des Pilonidalsinus bezeichnet werden.<br />

Von der Primäröffnung aus zieht ein Gang in<br />

eine subkutan gelegene Höhle, die mit einem<br />

chronisch entzündichen Granulationsgewebe<br />

angefüllt ist. Zusätzlich treten im weiteren<br />

Verlauf der Erkrankung entweder durch die<br />

Spontaneröffnung von Abszessen oder durch<br />

die chirurgische Inzision weitere Öffnungen<br />

neben der Rima ani auf (sogenannte Sekundäröffnungen).<br />

Als Restzustand resultieren<br />

fistelnde Verbindungen zwischen Primär- und<br />

Sekundäröffnung. Im Hauptfistelgang lassen<br />

sich häufig Haare nachweisen, ohne dass hier<br />

Haarfolikel nachgewiesen werden können.<br />

Abb.8-1 Pilonidalsinus<br />

Ätiopathogenese<br />

Der Pilonidalsinus stellt nach heutigem Verständnis<br />

ein erworbenes Krankheitsbild dar. Der<br />

Krankheitsgipfel liegt zwischen dem 2. und 4.<br />

Lebensjahrzehnt. Früher ging man davon aus,<br />

dass es sich um ein kongenitales Krankheitsbild<br />

im Sinne einer Dermoidzyste oder auch eines<br />

persistierenden Neuroporus handeln könnte.<br />

Pilonidalsinus 8<br />

Insbesondere die Tatsache einer häufigen Rezidivierung<br />

der Erkrankung trotz kompletter<br />

Exzision muss als Hinweis darauf interpretiert<br />

werden, dass es sich um ein erworbenes Leiden<br />

handelt. Die Ursache für die Ansammlung von<br />

Haaren im Sinus pilonidalis ist nicht sicher<br />

geklärt. Am ehesten handelt es sich um ein multifaktorielles<br />

Geschehen, wobei begünstigende<br />

Faktoren wie starke Körperbehaarung, Adipositas,<br />

übermäßiges Schwitzen und mangelnde<br />

Körperhygiene eine Rolle spielen können. Möglicherweise<br />

werden ortsständige Haare durch<br />

die Bewegung der Gesäßbacken in den Porus<br />

eingerieben, wobei die Hornschuppen als Widerhaken<br />

fungieren und das Haar immer tiefer<br />

in die Kutis und Subkutis eindringen lassen.<br />

In der Tiefe entwickelt sich ein Fremdkörpergranulom,<br />

das sich sekundär infizieren kann.<br />

Andererseits wird von zahlreichen Autoren<br />

auch eine gewisse ätiologische Verwandtschaft<br />

mit der Akne inversa diskutiert, wobei dann<br />

die Hautverhältnisse in der Region der Rima<br />

ani eine Einspießung von Haaren begünstigen<br />

könnten. Im amerikanischen Schrifttum wird<br />

die Erkrankung wegen der möglicherweise<br />

mitbeteiligten mechanischen Komponente der<br />

Entzündungsausbreitung bzw. des Einspießens<br />

von Haaren auch »Jeep’s disease« genannt. Die<br />

Bezeichnungen Steißbeinfistel, Steißbeindermoid<br />

oder Dermoidzyste sind unzutreffend.<br />

Bezeichnungen Tab.: 8-1<br />

des Pilonidalsinus<br />

korrekt inkorrekt<br />

Pilonidalsinus Steißbeinfistel<br />

Sinus pilonidalis Raphefistel<br />

Pilonidalzyste Steißbeindermoid<br />

Haarnestgrübchen Sakradermoid<br />

Haarnestfistel Dermoidzyste<br />

‚Jeep´s disease’<br />

Der Pilonidalsinus muss ätiologisch von<br />

einer Dermoidzyste und von einem persistierenden<br />

Neuroporus abgegrenzt werden.


8 Pilonidalsinus<br />

Klinik<br />

Die Erkrankung kann sich entweder als akuter<br />

Abszess oder als chronische Fistel zeigen, gelegentlich<br />

finden sich aber auch reizlose, asymptomatische<br />

Einziehungen ohne anamnestische<br />

Hinweise auf eine abgelaufene Entzündung.<br />

Im Falle des akuten Abszesses läßt sich eine<br />

druckempfindliche Schwellung in der Rima ani<br />

oder etwas lateral mit den typischen klinischen<br />

Entzündungszeichen nachweisen. Gelegentlich<br />

kommt es zu einer spontanen Verkleinerung<br />

des Abszessgeschehens. In den meisten Fällen<br />

bricht er aber nach außen auf oder macht<br />

eine chirurgische Entlastung notwendig. Nach<br />

dieser Entlastung kann ein chronischer Sinus<br />

bzw. eine chronische Fistel zwischen Primär-<br />

und Sekundäröffnung entstehen, in denen<br />

Rezidivabszesse ablaufen. Im Langzeitverlauf<br />

ist gelegentlich eine Entartung zum Plattenepithelkarzinom<br />

möglich.<br />

Differentialdiagnostik<br />

Die differentialdiagnostische Abgrenzung gegenüber<br />

einer Analfistel ist zum einen durch<br />

die Proktoskopie und Sondierung und zum<br />

anderen häufig auch durch den typischen<br />

Tastbefund möglich. Im Fall der Pilonidalfistel<br />

tastet man nicht den zum Analkanal ziehenden<br />

derben Strang, wie man ihn üblicherweise bei<br />

einer Analfistel findet.<br />

Echte Dermoidzysten oder sogenannte<br />

Steißbeindermoide sind außerordentlich seltene<br />

Fehlbildungen, die sich Präsakralraum entwickeln.<br />

Falls sie sich über einen Fistelgang nach<br />

außen hin entleeren, mündet dieser Fistelgang<br />

zumeist analnah in der Rima ani. Üblicherweise<br />

findet sich hierbei nicht das klinische Bild<br />

einer Fistelbildung zwischen der an typischer<br />

Differentialdiagnose Tafel 8-1<br />

des Pilonidalsinus<br />

• kryptoglanduläre Analfistel<br />

• Dermoidzyste<br />

• Akne inversa<br />

• Crohnfistel<br />

Stelle gelegenen Primäröffnung und der Sekundäröffnung.<br />

Bei jedem analnahen Pilonidalsinus<br />

sollte proktoskopisch eine Analfistel ausgeschlossen<br />

werden.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Ein Pilonidalabszess wird in der Regel chirurgisch<br />

angegangen, wobei gelegentlich eine<br />

Stichinzision genügt, um den Patienten augenblicklich<br />

von den Schmerzen zu befreien.<br />

Man sollte dann im Intervall die operative<br />

Ausschneidung des gesamten Pilonidalsinus<br />

anstreben, da es ansonsten häufig zu Rezidivabszessen<br />

kommt.<br />

Abb. 8-2 Pilonidalabszess<br />

Der chronische Befund der Pilonidalfistel stellt<br />

im Regelfall ebenfalls eine Indikation zum chirurgischen<br />

Vorgehen dar. Ein kleiner asymptomatischer<br />

Sinus, der trocken ist, kann sicherlich<br />

mit konservativen Maßnahmen hinreichend<br />

behandelt werden. Zu diesen konservativen<br />

Maßnahmen würde in einem solchen Fall eine<br />

sorgfältige Hygiene wie die Extraktion evtl. im<br />

Fistelgang vorhandener Haare und die gelegentliche<br />

Verwendung einer Depilationscreme gehören.<br />

Eine definitive Indikation zur operativen<br />

Exzision stellt das ausgedehnte Fistelsystem mit<br />

mehrfach abgelaufener Verhaltung dar.<br />

In der operativen <strong>Therapie</strong> des Pilonidalsinus<br />

konkurrieren zwei Methoden, und zwar<br />

zum einen die Exzision und zum anderen die<br />

Fistelspaltung des primären Fistelgangs und<br />

der Fistelausläufer mit nachfolgender Kürettage<br />

des Wundgrundes. Das zuletzt genannte Verfahren<br />

wird von einigen Autoren dahingehend<br />

73


74<br />

Abb. 8-3 Pilonidalsinus: Situs nach Exzision<br />

modifiziert, dass hier ausschließlich lokale<br />

Säuberungsmaßnahmen im Bereich der Fistel<br />

durchgeführt werden, ohne das Fisteldach zu<br />

durchtrennen. Diese Maßnahmen sind mitunter<br />

sogar in Lokalanästhesie möglich. Bei intensiver<br />

lokaler Behandlung mit anschließender entsprechender<br />

Pflege werden hierbei Heilungsraten<br />

von annähernd 90 % angegeben. Die Spaltung<br />

der Fistel mit nachfolgender Kürettage erzeugt<br />

etwas größere Wundflächen als das skizzierte,<br />

extrem konservative Vorgehen, wobei die<br />

hier entstandenen Hautdefekte doch erheblich<br />

kleiner sind als bei der kompletten Exzision<br />

des gesamten Pilonidalsinus.<br />

Dennoch stellt die »en bloc«-Exzision des<br />

gesamten Pilonidalsinus unter Mitnahme eines<br />

keilförmigen Anteils des Subkutangewebes bis<br />

auf die Sakralfaszie die <strong>Therapie</strong> der Wahl dar.<br />

Dieses Verfahren kann in zwei Modifikationen<br />

durchgeführt werden. Zum einen kann<br />

der entstandene Defekt anschließend durch<br />

eine Naht primär verschlossen werden, z. B.<br />

durch Naht in der Mittellinie oder durch einen<br />

Schwenklappen, wobei hier keine direkte Narbe<br />

in der Mittellinie entsteht. Zum andereren kann<br />

die entstandene Wunde der offenen Granulation<br />

und Sekundärheilung überlassen bleiben.<br />

Sicherlich gilt die zuletzt skizzierte operative<br />

Möglichkeit mit Recht als Verfahren der Wahl,<br />

da hierbei die geringste Rezidivquote von 0<br />

bis 13% angegeben wird. Die postoperative<br />

Behandlungsdauer ist verlängert im Vergleich<br />

zu den anderen Verfahren. Das bedeutet aber<br />

nicht, dass der Patient während der gesamten<br />

Abheilungsphase arbeitsunfähig ist.<br />

Die operative Methode mit der geringsten<br />

Rezidivquote ist die Exzision mit anschließender<br />

offener Wundbehandlung.<br />

Nachbehandlung<br />

Pilonidalsinus 8<br />

Zur Nachbehandlung bei kompletter Exzision<br />

mit anschließender Sekundärheilung gehört<br />

die regelmäßige Wundinspektion und Austastung,<br />

um einem vorzeitigen Verkleben der<br />

Wundränder entgegenzuwirken. Eine lokale<br />

Ätzung des Wundgrundes mit Silbernitrat oder<br />

Policresulen vermag überschüssige Granulationen<br />

zu entfernen und die Epithelisierung vom<br />

Wundrand her zu erleichtern. Regelmäßige<br />

Ausspülungen des Wundgrundes in Verbindung<br />

mit der Applikation eine desinfizierenden Salbe<br />

oder einer Salbe zur enzymatischen Wundreinigung<br />

vermögen den Abheilungsprozess<br />

zu beschleunigen. Zur lokalen Pflege kann<br />

es nützlich sein, die benachbarte Haut in der<br />

postoperativen Phase regelmäßig zu rasieren,<br />

da die Haare sonst in den Wundgrund fallen<br />

und die Abheilung behindern. Die offene<br />

Sekundärheilung führt schließlich zu einer<br />

breiten, haarfreien Narbenzone, die eine gute<br />

Rezidivprophylaxe darstellt. Wenn eine Verwandschaft<br />

mit der Akne inversa diskutiert<br />

wird, ergibt sich hieraus auch das Prinzip der<br />

Exzision und Sekundärheilung als <strong>Therapie</strong> der<br />

Wahl, da so eine Narbe ohne Aknedisposition<br />

geschaffen wird.<br />

Zusammenfassung: Der Pilonidalsinus stellt<br />

eine erworbene Erkrankung wahrscheinlich<br />

mit genetischer Disposition dar. Die nicht<br />

abschließend bewiesene Theorie der Pathogenese<br />

geht von einer granulomatösen<br />

Entzündung durch eingespießte Haare mit<br />

anschließender Fistelbildung aus. Ein Bezug<br />

zur Sakralfaszie besteht nicht. Differentialdiagnostisch<br />

müssen eine Dermoidzyste,<br />

eine Analfistel oder eine Akne inversa<br />

abgegrenzt werden. Das Operationsverfahren<br />

mit der geringsten Rezidivrate ist<br />

die Exzision mit anschließender offener<br />

Wundbehandlung. Plastische Deckungsverfahren<br />

haben dagegen den Vorteil einer<br />

kürzeren Wundheilungdauer.


9 Akne inversa<br />

9 Akne inversa<br />

Pathogenese 76<br />

Klinik 76<br />

Differentialdiagnostik 76<br />

<strong>Therapie</strong> 77<br />

75


76<br />

Vorbemerkung: Die Akne inversa stellt eine<br />

Entzündung der Talgdrüsen und der Terminalhaarfollikel<br />

in den intertriginösen Räumen<br />

perianal, inguinal und axillär dar. Die perianale<br />

Erscheinungsform dieser Erkrankung wird<br />

von einigen Autoren auch als Hidradenitis<br />

suppurativa, Akne tetrade, apokrine Akne oder<br />

Pyodermia fistulans sinifica bezeichnet, was<br />

aus dermatologischer Sicht nicht korrekt ist,<br />

da sowohl die apokrinen als auch die ekkrinen<br />

Schweißdrüsen erst sekundär infiziert werden.<br />

In der Dermatologie ist eine flüchtige Infektion<br />

im Bereich der Schweißdrüsen bekannt, die als<br />

Hidradenitis suppurativa bezeichnet wird und<br />

die nicht zur chronischen Verlaufsform einer<br />

subkutanen Fistelbildung hin tendiert. Diese<br />

Form der Hidradenitis suppurativa heilt häufig<br />

narbenlos ab.<br />

Pathogenese<br />

Die Akne inversa entsteht durch eine Verhornungsstörung<br />

im Bereich des Talgdrüseninfundibulums<br />

mit nachfolgender Stase im<br />

Ausführungsorgan und der Ausbildung eines<br />

Pfropfes aus Hornlamellen. Sekundär kommt<br />

es dann zu einer bakteriellen Besiedlung diese<br />

Räume und folgender Ruptur mit granulomatöser<br />

Entzündungsreaktion. Auf Grund einer<br />

familiären Häufung wird auch eine genetische<br />

Disposition zur Verhornungsstörung diskutiert.<br />

Ein Nikotinabusus und eine Adipositas sind<br />

ebenso signifikante Risikofaktoren bei der<br />

Ausbildung einer Akne inversa. Männer scheinen<br />

bezüglich der perianalen Manifestation<br />

der Erkrankung etwas häufiger betroffen zu<br />

sein als Frauen.<br />

Die Akne inversa ist eine Entzündung<br />

der Talgdrüsen und der Terminalhaarfollikel.<br />

Klinik<br />

Die Entzündung bildet langstreckige Fisteln von<br />

der Perianalregion in Richtung auf die Oberschenkel<br />

oder in die Inguinalregion. Es bilden<br />

sich große konfluierende Entzündungsherde, die<br />

Akne inversa 9<br />

spontan aufbrechen oder – häufiger – operativ<br />

eröffnet werden müssen. Im weiteren Verlauf<br />

entsteht eine derbe Infiltration im Bereich<br />

der Haut und des Subkutangewebes, die im<br />

Vergleich zu einer normalen Narbenbildung<br />

auffallend derb und »holzhart« imponiert. Bei<br />

der perianalen Manifestation der Akne inversa<br />

finden sich zahlreiche Fistelöffnungen, die<br />

untereinander kommunizieren. Sie reichen<br />

gelegentlich eng an den Analrand heran. Bei<br />

der Sondierung und bei der Proktoskopie mit<br />

Sondierung der Kryptenregion wird aber keine<br />

Beziehung zum Analkanal sichtbar. Die Haut<br />

um die Fistelföffnungen herum ist deutlich<br />

verdickt und aufgequollen. Mitunter entleert<br />

sich auf <strong>Dr</strong>uck im Zentrum des indurierten<br />

Bezirkes eitriges oder auch dünnflüssiges Sekret<br />

aus mehreren Fistelöffnungen gleichzeitig.<br />

Das Sekret hat einen unangenehmen Geruch,<br />

der nicht selten zu einer gesellschaftlichen<br />

Isolation der Betroffenen führt.<br />

Abb. 9-1 Perianale Akne inversa<br />

Die Fisteln der Akne inversa haben<br />

keinen Bezug zu den Proktodäaldrüsen.<br />

Differentialdiagnostik<br />

Differentialdiagnostisch muss eine Furunkulose,<br />

bei solitärer Manifestation ein infiziertes<br />

Atherom oder aber eine kryptogene Entzündung<br />

mit Abszess und Fistel in Erwägung gezogen<br />

werden. Etwas fortgeschrittenere Erkrankungsmanifestationen<br />

erinnern gelegentlich aufgrund<br />

der multiplen Fistelöffnungen an ein<br />

atypisches Fistelgeschehen auf dem Boden


9 Akne inversa<br />

eines M. Crohn. Mitunter zeigt sich eventuell<br />

als Steroidfolge eine Kombination eines M.<br />

Crohn mit einer Akne inversa. Wichtig ist der<br />

Nachweis des simultanen Auftretens der Entzündung<br />

an den Prädilektionsstellen der Akne<br />

inversa. Das gleichzeitige Vorkommen der Akne<br />

inversa und kryptogener Entzündungen stellt<br />

ein seltenes Ereignis dar. Im Langzeitverlauf<br />

wurden bei persistierender Entzündungsaktivität<br />

Plattenepithelkarzinome auf dem Boden einer<br />

Akne inversa beschrieben.<br />

Differentialdiagnose Tafel 9-1<br />

der Akne inversa<br />

• Furunkulose<br />

• infiziertes Atherom<br />

• kryptoglanduläre Analfistel<br />

• Crohnfistel<br />

• Pilonidalsinus<br />

• Dermoid<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Die Akne inversa verläuft ohne Behandlung<br />

chronisch progredient und bezieht zunehmend<br />

größere Hautareale in die Entzündung ein.<br />

Insofern ergibt sich immer eine Behandlungsindikation.<br />

Da die Erkrankung sowohl das<br />

männliche als auch das weibliche Geschlecht<br />

betrifft, werden in einigen Fällen auch kosmetische<br />

Aspekte für die <strong>Therapie</strong>indikation<br />

bedeutsam. Die konservative <strong>Therapie</strong>, welche<br />

neben der antiandrogen wirksamen Hormontherapie<br />

und der Gabe von Antibiotika, Steroiden,<br />

oder Cyclosporin auch die Gabe von<br />

Retinoiden lokal oder systemisch umfasst, hat<br />

sich bei der ausgeprägten Akne inversa als nicht<br />

kurativ erwiesen. Ebenso führt die alleinige<br />

Abszessinzision nicht zu einem Ausheilen des<br />

Fistelgeschehens. Somit stellt die operative<br />

Exzision bei der Akne inversa die <strong>Therapie</strong><br />

der Wahl dar. Abszesse erfordern aufgrund<br />

entsprechender Schmerzen die frühzeitige Eröffnung.<br />

Bei der chronischen Verlaufsform der<br />

multiplen Fistelungen mit holzharter Vernarbung<br />

der Haut muß die großzügige Exzision der<br />

betroffenen Bezirke im Gesunden ggf. bis auf<br />

die Faszie erfolgen. Einige Autoren empfehlen<br />

die anschließende Hauttransplantation zur Defektverkleinerung.<br />

Die offene Sekundärheilung<br />

führt andererseits zu einer Vernarbung, wobei<br />

die entstehende Narbe nicht die Eigenschaften<br />

zeigt, die zur Akneentstehung prädisponieren.<br />

Aus diesem Grund erscheint es nicht sinnvoll,<br />

kleinere Defekte durch Hautverschiebungen aus<br />

der direkten Nachbarschaft zu decken. In der<br />

Umgebung des exzidierten Bereiches kann die<br />

Haut noch die gleiche Aknebereitschaft zeigen.<br />

Dies kann der Grund für die Entstehung neuer<br />

Infektionsherde sein. Das Wiederauftreten einer<br />

Akneläsion erfordert die erneute Exzision.<br />

<strong>Therapie</strong> der Wahl der Akne inversa ist<br />

die breitfächige Exzision, ggf. bis auf die<br />

Faszie, mit anschließender offener Wundbehandlung.<br />

Abb. 9-2 Z. n. Exzision der Akneläsionen<br />

Zusammenfassung: Die Akne inversa ist<br />

eine Entzündung der Talgdrüsen und<br />

Terminalhaarfollikel. Die Entzündung<br />

breitet sich im subkutanen Gewebe aus<br />

und kann fuchsbauartige Fistelsysteme<br />

bilden. Differentialdiagnostisch müssen<br />

u.a. kryptoglanduläre Fisteln oder auch<br />

Crohnfistel ausgeschlossen werden. Eine<br />

alleinige medikamentöse <strong>Therapie</strong> ist aus<br />

kurativer Sicht nicht indiziert. Die <strong>Therapie</strong><br />

der Wahl ist die Exzision, ggf. bis<br />

auf die Faszie, mit anschließender offener<br />

Wundbehandlung.<br />

77


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10 Analekzem<br />

10 Analekzem<br />

Symptomatologie 80<br />

Klinik 80<br />

Irritativ-toxisches Analekzem 80<br />

Endogenes Ekzem 80<br />

Allergisches Kontaktekzem 81<br />

Andere Dermatosen 81<br />

79


80<br />

Vorbemerkung: Für das Analekzem, wie für das<br />

hierdurch ausgelöste Leitsymptom des Juckreizes<br />

gilt, dass es sich in der überwiegenden<br />

Mehrzahl der Fälle um sekundäre Phänomene<br />

handelt. Das Analekzem stellt keine eigenständige<br />

Krankheitsentität dar, sondern ist als<br />

ein Symptom einer übergeordneten Störung<br />

zu bewerten.<br />

Symptomatologie<br />

Neben Nässen, Brennen und Blutungen stellt<br />

das wesentliche Symptom des Analekzems<br />

der quälende Juckreiz dar. Juckreiz ist ein<br />

Symptom, das als krankheitstypische Reaktionsweise<br />

des Hautorgans interpretiert werden<br />

muss. Der Juckreiz stellt eine Reaktionsweise<br />

der perianalen Haut auf Feuchtigkeit und in<br />

der Feuchtigkeit gelöste Reizstoffe dar. Der<br />

Hautkontakt zwischen den Nates vermag im<br />

Weiteren größere Hautareale in gleicher Weise<br />

zu schädigen und die Symptomatik des Juckreizes<br />

zu verschlimmern.<br />

Klinik<br />

Es werden entsprechend der Ätiopathogenese<br />

bei den protologischen Ekzemen drei Formen<br />

unterschieden:<br />

• irritativ-toxisches Ekzem<br />

• endogenes Ekzem<br />

• allergisches Kontaktekzem<br />

Irritativ-toxisches Analekzem: Das irritativtoxische<br />

Analekzem stellt die häufigste Ekzemform<br />

der Perianalregion dar. Es entsteht<br />

auf dem Boden einer Sekretabsonderung aus<br />

dem Analkanal (z.B. Inkontinenz, Fistel, Hämorrhoidalleiden)<br />

und nachfolgend aufgrund<br />

der Milieubedingungen einer feuchten Kammer.<br />

Die permanente Flüssigkeitseinwirkung der<br />

Haut führt zur progredienten Schädigung.<br />

Das Ausmaß des Ekzems ist abhängig von der<br />

Menge der Flüssigkeit, den chemischen Eigenschaften<br />

der Inhaltsstoffe und der Zeitdauer<br />

der Einwirkung (kumulativ-toxisches Ekzem).<br />

Zusätzlich können auch physikalische Einwirkungen<br />

auf die Haut (intensive Reinigung)<br />

Analekzem 10<br />

die Chronizität des Ekzems fördern. Neben<br />

Sekretabsonderungen aus dem Anus muss bei<br />

weiblichen Patienten differentialdiagnostisch<br />

auch an Sekretabgänge aus der Vagina oder<br />

an eine Blaseninkontinenz gedacht werden.<br />

Anatomische Varianten, wie beispielsweise eine<br />

vermehrte Radiärfältelung der perianalen Haut<br />

oder ein Trichteranus, können das Auftreten<br />

eines Ekzems der perianalen Haut begünstigen.<br />

Neben einer Flüssigkeitsretention zwischen<br />

den Hautfalten oder in der tiefen Einziehung<br />

des Trichteranus muss dabei auch – wie bei<br />

allen Formen der Inkontinenz – ein vermehrter<br />

Sekretabgang aus dem Analkanal erwogen<br />

werden. Die tiefen Einziehungen zwischen<br />

den Radiärfältelungen der perianalen Haut<br />

können für das Sekret wie Rinnen wirken<br />

und den Abfluss nach außen begünstigen.<br />

Die <strong>Therapie</strong> des irritativ-toxischen Ekzems<br />

besteht in der Behandlung der als ursächlich<br />

erkannten Störung.<br />

Das irritativ-toxische Analekzem ist<br />

die häufigste Ekzemform im perianalen<br />

Bereich.<br />

Endogenes Ekzem: Das endogene Ekzem beruht<br />

auf einer atopischen Diathese des Patienten.<br />

Der Nachweis ist evt. möglich aufgrund der<br />

Anamnese, z.B. Milchschorf als Kind, und<br />

des typischen Befallssmusters mit weiteren<br />

Ekzemläsionen an typischen Prädilektionsstellen<br />

wie Knie- und Ellenbeuge. Ein weißer<br />

Dermographismus kann hinweisend sein.<br />

Die <strong>Therapie</strong> besteht in einer kurzfristigen<br />

Abb.10-2 Anale Psoriasis


10 Analekzem<br />

Abb.10-1 Analekzem<br />

lokalen Kortisontherapie. Zusätzlich werden<br />

teerhaltige Präparate und UVA-Bestrahlungen<br />

angewandt.<br />

Allergisches Kontaktekzem: Das allergische<br />

Kontaktekzem zeigt morphologisch das gleiche<br />

Bild. Die Differenzierung erfolgt durch<br />

die sorgfältige Anamnese und ggf. Allergiediagnostik.<br />

Häufig wird es ausgelöst durch<br />

proktologische Salbenpräparate (Lokalanästhetika!)<br />

und Duftstoffe in Feuchttüchern oder<br />

Intimpflegeartikeln. Zur <strong>Therapie</strong> müssen alle<br />

extern angewandten Substanzen abgesetzt<br />

werden, geeignet zum Einsatz in der Analregion<br />

sind nur indifferente Präparate wie<br />

weiche Zinkpaste.<br />

Andere Dermatosen: Dermatosen als primäre<br />

Ursachen eines Analekzems sind sehr selten.<br />

Es gibt aber einige Hauterkrankungen, die in<br />

der Perianalregion ein ähnliches klinisches<br />

Bild zeigen wie ein Ekzem und die darum<br />

differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden<br />

müssen. Hierzu gehören insbesondere die<br />

Psoriasis inversa, eine anale Kandidose oder<br />

seltener ein Erythrasma. Die anale Psoriasis<br />

kann oft an der Rhagade in der Rima ani<br />

erkannt werden, die als pathognomonisches<br />

Zeichen gilt. Von besonderer Bedeutung sind<br />

die Tumorerkrankungen des Morbus Bowen und<br />

des extramammären M. Paget. Die Fehldeutung<br />

eines solchen Befundes als banales Ekzem kann<br />

die notwendige <strong>Therapie</strong> verzögern.<br />

Zusammenfassung: Mit die häufigste proktologische<br />

Erkrankungsform ist das Analekzem.<br />

Hauptformen des Analekzems sind das<br />

irritativ-toxische, das endogene Ekzem und<br />

das allergische Kontaktekzem. Das Ekzem<br />

ist meist Symptom einer übergeordneten<br />

Störung im Bereich des Anus. Die <strong>Therapie</strong><br />

beruht einerseits in der Behandlung der<br />

als ursächlich angesehenen Störung bzw.<br />

dem Vermeiden sämtlicher Noxen, andererseits<br />

in der dermatologischen <strong>Therapie</strong><br />

des hierdurch geschädigten Hautorganes<br />

mit entsprechenden Externa.<br />

81


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Beachten Sie den Basistext auf Seite 182


11 Anorektale Prolapsformen<br />

11 Anorektale Prolapsformen<br />

Nomenklatur 84<br />

Analprolaps - Hämorrhoidalprolaps 84<br />

Schleimhautprolaps 85<br />

Mukosaprolaps - Rektumvorderwandprolaps - Rektumprolaps 85<br />

Deszensus perinei und Rektozele 87<br />

Klinische Diagnostik 88<br />

Radiologische Diagnostik 88<br />

<strong>Therapie</strong> der Prolapserkrankungen 89<br />

83


84<br />

Vorbemerkung: Bevor im folgenden Kapitel das<br />

Krankheitsbild des Rektumprolapses dargestellt<br />

wird, soll hier die Differentialdiagnostik und<br />

Differentialtherapie aller »anorektalen Prolapsformen«<br />

dargelegt werden. Aufgrund der<br />

vermeintlich identischen Ätiopathogenese der<br />

Prolapserkrankungen werden sie in den Lehrbüchern<br />

gelegentlich als »Anorektaler Prolaps«<br />

abgehandelt. Das ist insofern nicht korrekt, als<br />

es sich beim Analprolaps und Rektumprolaps<br />

nicht um unterschiedliche Manifestationen<br />

einer einzigen Krankheitsentität handelt.<br />

Nomenklatur<br />

Die klinische Diagnostik der verschiedenen<br />

Prolapserkrankungen bereitet oft Probleme.<br />

Auch in der Literatur finden sich aufgrund<br />

ungenauer anatomischer Definitionen gelegentlich<br />

fehlerhafte Bezeichnungen. Die fehlerhafte<br />

Nomenklatur kann eine unsachgemäße <strong>Therapie</strong><br />

bedingen. Es gilt daher, die unterschiedlichen<br />

Krankheitsbilder exakt zu definieren, um den<br />

Patienten einer effizienten <strong>Therapie</strong> zuzuführen.<br />

Unter didaktischen Gesichtspunkten sollen die<br />

Prolapsformen im Bereich des Analkanals und<br />

Rektums hier entsprechend dem in Tab. 11-1<br />

vorgeschlagenen Schema eingeteilt werden.<br />

Unter Berücksichtigung des Ursprungsortes des<br />

prolabierenden Gewebes lassen sich Prolapse,<br />

die ihren Ursprung unterhalb der Levatorebene<br />

haben, von jenen unterscheiden, deren Ur-<br />

Anorektale Prolapsformen Tab. 11-1<br />

1. Ursprung unterhalb<br />

der Levatorebene<br />

Analprolaps<br />

(segmentär, zirkulär)<br />

Hämorrhoidalprolaps<br />

(Schleimhautprolaps)<br />

prolabierendes Fibrom,<br />

~ Adenom<br />

2. Ursprung oberhalb<br />

der Levatorebene<br />

»Mukosaprolaps«<br />

Rektumvorderwandprolaps<br />

Rektumprolaps<br />

(latent, manifest)<br />

Deszensus perinei<br />

Rektozele<br />

��<br />

����<br />

Anorektale Prolapsformen 11<br />

Abb. 11-1 Levatorebene schematisch<br />

sprung oberhalb liegt (vgl. Abb. 11-1). Unter<br />

der Levatorebene wird der Übergang vom<br />

Analkanal zur Rektumampulle verstanden,<br />

also das proximale Ende des chirurgischen<br />

Analkanals.<br />

Analprolaps - Hämorrhoidalprolaps<br />

Ein Analprolaps liegt immer dann vor, wenn<br />

Teile des Analkanals vor den Anus prolabiert<br />

sind. Der Ursprung des Gewebes liegt unterhalb<br />

der Levatorebene. Unter diesem Oberbegriff<br />

sind dementsprechend auch prolabierende<br />

Hämorrhoiden oder Fibrome (hypertrophe<br />

Papillen) zu subsumieren.<br />

Hier zeigt sich ein wesentliches Begriffsdefizit,<br />

was im folgendem erläutert werden<br />

soll. Entsprechend der möglichen Einteilung in<br />

einen anatomischen und einen chirurgischen<br />

Analkanal erfährt auch der Begriff des Analprolapses<br />

eine Zweiteilung. Der chirurgische<br />

Analkanal reicht bis zur Höhe der Puborektalisschlinge,<br />

oberhalb derer sich das Rektum<br />

zur Ampulla recti erweitert. Der anatomische<br />

Analkanal reicht nur bis zur Linea dentata. Im<br />

chirurgischen Analkanal finden sich proximal<br />

von Schleimhaut überzogene Bereiche und<br />

distal Bereiche mit dem trockenen Epithel des<br />

Anoderms. Die o. a. Definition des Analprolapses<br />

zielt auf den Begriff des chirurgischen<br />

Analkanals und schließt dementsprechend die<br />

von Mukosa überzogenen Hämorrhoidalpolster<br />

mit ein.


11 Anorektale Prolapsformen<br />

Abb.11-2 Zirkulärer ödematöser Analprolaps<br />

Im Gegensatz hierzu sieht man nicht selten<br />

Prolapse, die nur Anteile des anatomischen<br />

Analkanals umfassen und die dementsprechend<br />

ausschließlich von trockenem Anoderm bedeckt<br />

sind. Auch beim Spreizen der Nates wird<br />

nur der Bereich bis zur Linea dentata außen<br />

sichtbar. Diesen Analprolaps im engeren Sinn<br />

könnte man korrekterweise als »Anodermprolaps«<br />

bezeichnen. Der Begriff ist bisher nicht<br />

gebräuchlich. Im Interesse einer sachgerechten<br />

Begrifflichkeit sollte allein dieser Anodermprolaps<br />

mit der Bezeichnung »Analprolaps« belegt<br />

werden. Im angloamerikanischen Schrifttum<br />

wird unter dem »anal prolapse« genau dieser<br />

Befund verstanden. Im deutschen Sprachgebrauch<br />

wird der Begriff eher im oben angegebenen<br />

Sinne des Vorfalls von Gewebe aus dem<br />

gesamten chirurgischen Analkanal verwendet.<br />

Falls zusätzlich zum Analprolaps Schleim-<br />

hautanteile außen sichtbar werden, muss dann<br />

von einem Hämorrhoidalprolaps gesprochen<br />

werden. Beide Formen können zirkulär oder<br />

auch nur segmentär auftreten.<br />

Der Analprolaps bezeichnet nur den<br />

Vorfall anodermalen Gewebes aus dem<br />

anatomischen Analkanal.<br />

Schleimhautprolaps<br />

��<br />

����<br />

Es ist selbstverständlich, dass große prolabierende<br />

Hämorrhoiden sekundär auch Anteile<br />

der Schleimhaut aus dem oberen chirurgischen<br />

Analkanal mit nach außen verlagern. Zuweilen<br />

wird dieser Schleimhautprolaps im klinischen<br />

Alltag als das Stadium 1 eines Rektumprolapses<br />

bezeichnet. Regelhaft sind aber alle Anteile<br />

des Analkanals, also auch das Anoderm, mit<br />

vorverlagert. Dieser Befund hat keine Beziehung<br />

zum Rektumprolaps, auch nicht die<br />

einer Vorstufe, da beim Rektumprolaps der<br />

Analkanal üblicherweise nicht mit prolabiert.<br />

Auf dieses wesentliche differentialdiagnostische<br />

Kriterium wird später noch eingegangen. In<br />

der schematischen Einteilung erscheint der<br />

Begriff eher überflüssig.<br />

Der Begriff des Schleimhautprolapses in<br />

Verbindung mit einem Analprolaps führt<br />

zur Begriffsverwirrung und sollte daher<br />

nicht verwendet werden.<br />

Mukosaprolaps - Rektumvorderwandprolaps<br />

- Rektumprolaps<br />

Der auch in der angloamerikanischen Literatur<br />

häufiger verwendete Begriff »Mukosaprolaps«<br />

muß vom oben erwähnten Begriff<br />

»Schleimhautprolaps« getrennt werden, denn<br />

er kann gelegentlich als eine echte Vorstufe<br />

des Rektumprolapses gelten. Der Rektumprolaps<br />

stellt eine Invagination dar, die regelhaft<br />

als innere Invagination beginnt. Diese ist nur<br />

proktoskopisch oder durch eine Defäkographie<br />

nachweisbar. Sie wird gelegentlich als »Muko-<br />

Abb. 11-3 Rektumvorderwandprolaps schematisch<br />

85


86<br />

saprolaps« bezeichnet, wenngleich sehr früh<br />

auch die tieferen Schichten der Rektumwand<br />

mit invaginieren. Der Begriff ist trotzdem<br />

hilfreich, da er die Basis für den Begriff des<br />

»mucosa-prolapse-syndrome« gibt, auf das<br />

später noch eingegangen wird.<br />

Die Prolapstendenz oberhalb der Levatorebene<br />

bzw. die innere Invagination beginnt<br />

sehr oft zunächst im Bereich der Rektumvorderwand,<br />

da die Schlingenkonfiguration der<br />

Puborektalismuskulatur mit ihrer Öffnung an<br />

der vorderen Zirkumferenz hier einen gewissen<br />

Locus minoris resistentiae schafft. Der Begriff<br />

des Rektumvorderwandprolapses zielt dabei<br />

im Gegensatz zum Mukosaprolaps auf einen<br />

segmentären Vollwandprolaps des Rektums<br />

(Vorfall aller Wandschichten). Abb. 11-3 zeigt<br />

die weitere Entwicklung. Die vorfallenden Anteile<br />

üben einen Ventilmechanismus aus, der<br />

durch forciertes Pressen (Pfeil des Schemas!)<br />

verstärkt wird.<br />

Abb. 11-4 Rektumvorderwandprolaps –<br />

Ansicht im Proktoskop<br />

��<br />

����<br />

Das Stadium der zirkulären inneren Invagination<br />

des Rektumprolapses wird als latenter<br />

Rektumprolaps bezeichnet. Der Zeitraum bis<br />

zur Entwicklung eines äußerlich sichtbaren,<br />

manifesten Rektumprolapses kann unter Umständen<br />

Jahrzehnte umfassen. Der Befund ist<br />

am einfachsten bei der starren Endoskopie als<br />

zirkuläre Invagination zu diagnostizieren. Der<br />

Anorektale Prolapsformen 11<br />

Abb. 11-5 Latenter Rektumprolaps –<br />

die innere Invagination ist durch den klaffenden<br />

Analkanal erkennbar<br />

latente Prolaps muß als sichere Vorstufe zur<br />

Entwicklung eines manifesten Rektumprolapses<br />

aufgefasst werden, wenngleich nicht alle Patienten<br />

dieses Vollbild der Erkrankung entwickeln.<br />

Schon während der latenten Krankheitsphase<br />

kommt es zu einer ständigen Überdehnung<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Abb. 11-6 Anatomische Veränderungen<br />

des Beckenbodens und pelvinen Kolons beim<br />

manifesten Rektumprolaps.<br />

1 Invagination des Rektums<br />

2 vergrößerter Rektum-Kreuzbein-Abstand<br />

3 mangelhafte Fixation der<br />

»lateralen Ligamente«<br />

4 Elongation des Rektosigmoid<br />

5 vertiefter Douglas-Raum<br />

6 aufgeweichte Beckenbodenmuskulatur<br />

7 unveränderter anatomischer Aufbau<br />

des unteren Analkanals


11 Anorektale Prolapsformen<br />

des Beckenbodens mit nachfolgender neurogener<br />

Minderung der analen Kontinenz. Die<br />

Leitsymptome des latenten Prolapsgeschehens<br />

decken sich mit denen des Mukosaprolapses<br />

(frustraner Stuhldrang, Bolusgefühl, inkomplette<br />

Entleerung), wobei aber mit zunehmender<br />

Krankheitsdauer die Inkontinenzsymptomatik<br />

mehr in den Vordergrund tritt.<br />

Die schematische Darstellung des manifesten<br />

Rektumprolapses (Abb. 11-6) verdeutlicht,<br />

dass der anatomische Aufbau des Analkanals<br />

durch den Rektumprolaps nicht verändert<br />

wird, sondern dass sich die Linea dentata<br />

noch an ihrem angestammten Platz befindet.<br />

Es handelt sich, wie oben erwähnt, um einen<br />

Prolaps ausschließlich von Anteilen oberhalb<br />

der Levatorebene.<br />

Deszensus perinei und Rektozele<br />

Diese beiden Befunde müssen ebenfalls als<br />

Prolapsgeschehen interpretiert werden. Beim<br />

Deszensus perinei wird durch die Invagination<br />

des Darmes die gesamte Levatorebene mit<br />

nach distal verlagert. Der herabdrängende Darm<br />

schiebt den gesamten Analkanal einschließlich<br />

der muskulären Anteile vor sich her, ohne dass<br />

sich Schleimhautanteile durch das Anallumen<br />

nach außen drängen. Bei der klinischen Untersuchung<br />

tritt der After deutlich tiefer, zumeist<br />

bis über die Horizontallinie. Der Pathomechanismus<br />

dieser Erkrankung muss im Sinne eines<br />

Rektumprolapses gedeutet werden, wobei es aber<br />

aufgrund eines suffizienten Muskelschlusses und<br />

bindegewebiger Verankerung noch nicht zum<br />

Austritt von intraluminären Gewebsanteilen<br />

durch den Anus kommt. Im Gegensatz zu dem<br />

anatomisch festgelegten Begriff des Deszensus<br />

perinei zielt der Begriff des »Descending perineum<br />

syndrome« auch auf die pathophysiologischen<br />

Begleitphänomene des Deszensus mit der klinischen<br />

Symptomatik von Schmerzen, <strong>Dr</strong>uckgefühl<br />

auf den Beckenboden, inkompletter Entleerung,<br />

Kontinenzdefiziten und einem nachweisbaren Ulcus<br />

simplex recti. Im klinischen Sprachgebrauch<br />

hat sich der Begriff des DPS eingebürgert, der<br />

gelegentlich schon zum alleinigen Nachweis der<br />

Senkung verwendet wird.<br />

Abb. 11-7 Ausgeprägter Deszensus perinei<br />

Abb. 11-8 Anteriore Rektozele<br />

Der Deszensus perinei als Zustand sollte<br />

begrifflich von dem ‚descending perineum<br />

syndrome’ (DPS) mit seinem pathophysiologischen<br />

Begleitphänomen getrennt<br />

werden.<br />

Die Rektozele muß in gleicher Weise interpretiert<br />

werden. Hier verbleibt der muskuläre Beckenboden<br />

im Rahmen des Prolapsgeschehens<br />

an seinem fixierten Platz. Durch den <strong>Dr</strong>uck<br />

des Prolapsgeschehens kommt es lediglich zu<br />

Ausbuchtungen der Rektumampulle oberhalb<br />

des Beckenbodens, entsprechend dem möglichen<br />

<strong>Dr</strong>uckgradienten. Sehr häufig prolabiert<br />

die Rektumwand durch den Introitus vaginae<br />

im Sinne einer anterioren Rektozele. Dieser<br />

87


88<br />

Befund wurde in der chirurgischen Diagnostik<br />

früher unterbewertet. Derzeit wird er aufgrund<br />

neuentwickelter Operationsverfahren<br />

eher überbewertet.<br />

Klinische Diagnostik<br />

Wichtigster diagnostischer Schritt bei der klinischen<br />

Untersuchung ist neben der üblichen<br />

proktologischen Abklärung eine »Funktionsdiagnostik«.<br />

Sinnvollerweise lässt man den<br />

Patienten in Hockstellung auf der Toilette<br />

pressen und kann dann erkennen, ob Anteile<br />

des Analkanals oder Rektums nach außen<br />

prolabieren, oder ob z. B. ein Deszensus perinei<br />

auftritt. Bei der digitalen Untersuchung fällt<br />

unter Umständen ein verminderter Tonus oder<br />

eine verminderte aktive Kontraktionskraft auf.<br />

Dieses kann Ausdruck einer länger bestehenden<br />

Prolapstendenz mit entsprechender neurogener<br />

Schwächung der Muskulatur sein. Ein solcher<br />

Befund sollte Anlass sein, den Patienten zumindest<br />

auf dem Untersuchungsstuhl pressen<br />

zu lassen. Die oben angegebene Untersuchung<br />

in Hockstellung auf der Toilette ist nicht immer<br />

durchführbar, wenngleich sie zweifelsohne eine<br />

bessere Aussage ermöglicht als das Pressen<br />

auf dem Untersuchungsstuhl. Es wurde bereits<br />

erwähnt, dass die inneren Prolapsformen, also<br />

der latente Rektumprolaps und der Mukosaprolaps,<br />

lediglich im Rahmen der instrumentellen<br />

Diagnostik erkannt werden können. Wichtig<br />

ist, dass nicht unter Luftabschluss untersucht<br />

wird. Koloskopisch läßt sich die Rektumampulle<br />

immer nur aufgespannt darstellen. Allein die<br />

Untersuchung mit dem starren Instrument<br />

unter Entfernung des Sichtfensters oder die<br />

Untersuchung durch das vorn offene Prok-<br />

Klinische Diagnostik Tafel 11-1<br />

der Prolapsformen<br />

• Anamnese<br />

• Inspektion<br />

• Palpation<br />

• Pressen in physiologischer Defäkationshaltung<br />

• Funktionsproktoskopie<br />

Anorektale Prolapsformen 11<br />

toskop gestatten die Diagnose eines inneren<br />

Prolapsgeschehens.<br />

Manchmal tritt endoskopisch als Korrelat<br />

des latenten Prolapsgeschehens ein sogenanntes<br />

Ulcus simplex recti auf. Im angloamerikanischen<br />

Schrifttum wird dieser Befund als »mucosaprolapse-syndrome«<br />

bezeichnet. Die Veränderungen<br />

entstehen durch die mechanische Alteration<br />

der tiefertretenden Mukosa in der noch<br />

suffizient funktionierenden Muskelschlinge.<br />

Radiologische Diagnostik<br />

Die übliche Doppelkontrastdarstellung des<br />

Kolons gestattet nur selten Hinweise auf ein<br />

Prolapsgeschehen. Andererseits lässt sich die<br />

Rektozele mitunter bereits auf diesen Aufnahmen<br />

erkennen. Es gilt, das Augenmerk auf<br />

diesen diskreten Befund zu lenken.<br />

Bei der überwiegenden Zahl der Patienten<br />

mit einem Rektumprolaps ist in der Kolondoppelkontrastdarstellung<br />

eine auffallend vermehrte<br />

Elongation des Sigma und des oberen Rektums<br />

nachzuweisen. Man darf darum vice versa vielleicht<br />

schließen, dass bei einem röntgenologisch<br />

auffallenden Befund einer Elongation des Sigma<br />

und des Rektums differentialdiagnostisch an<br />

ein Prolapsgeschehen gedacht werden kann. Als<br />

weiterführende röntgenologische Untersuchung<br />

bietet sich das Defäkogramm an. Im Defäkogramm<br />

erkennt man die innere Invagination,<br />

noch bevor das Prolapsgeschehen außen manifest<br />

geworden ist. Zusätzlich lässt sich auf<br />

den Standardaufnahmen des Defäkogramms<br />

das Ausmaß des Deszensus perinei bestimmen.<br />

Ein Tiefertreten des Beckenbodens um mehr als<br />

5 cm muss als pathologisch angesehen werden.<br />

Außerdem zeigt das Defäkogramm beim Prolapspatienten<br />

einen vergrößerten anorektalen<br />

Winkel. Der letztgenannte Befund ist Ausdruck<br />

einer beginnenden Funktionseinbuße der Puborektalismuskulatur.<br />

Bezüglich der Beurteilung des Stellenwertes<br />

der Obstipation im Rahmen der Entwicklung<br />

eines Rektumprolapses sind die Befunde der<br />

Defäkogramme von Bedeutung, bei denen<br />

die Patienten trotz maximalen Pressens kein<br />

Kontrastmittel entleeren können. Hinter diesem<br />

Befund verbirgt sich gelegentlich eine soge-


11 Anorektale Prolapsformen<br />

nannte Outlet obstruction. Rektale Formen der<br />

Obstipation können vermutlich Ursache oder<br />

Folge von Gefügestörungen des Beckenbodens<br />

sein. Trotzdem sollte die diagnostische Wertigkeit<br />

des Defäkogramms relativiert werden.<br />

Die Indikation ist wegen der Strahlenbelastung<br />

zurückhaltend zu stellen, die wesentlichen<br />

Befunde sind immer auch klinisch eruierbar.<br />

Die dynamische NMR-Defäkographie kann<br />

als Alternative gesehen werden, bisher ist für<br />

die Routine aber noch kein diagnostischer<br />

Vorteil erwiesen.<br />

Als grundlegende der zur Verfügung stehenden<br />

diagnostischen Maßnahmen soll nochmals<br />

die digitale Untersuchung und Inspektion<br />

des Anus hervorgehoben werden. Durch eine<br />

sorgfältige Diagnostik ist es immer möglich,<br />

den Ursprungsort des prolabierenden Gewebes<br />

sicher zu bestimmen. Die Zuordnung zu<br />

den Bereichen unterhalb oder oberhalb der<br />

Levatorebene erfordert im weiteren Verlauf<br />

unterschiedliche therapeutische Schritte. Die<br />

Diagnostik muß darum diese Frage unbedingt<br />

klären. Der häufigste Fehler in der <strong>Therapie</strong><br />

des Rektumprolapses ist, dass ein kleiner Rektumprolaps<br />

als Analprolaps bezeichnet wird<br />

und die notwendigen therapeutischen Schritte<br />

unterbleiben. Als Folge davon verläuft das nicht<br />

adäquat therapierte Rektumprolapsgeschehen<br />

progredient bis zur zunehmenden und letztlich<br />

nicht mehr korrigierbaren neurogenen analen<br />

Inkontinenz. Der Rektumprolaps ist nicht<br />

erst dann behandlungsbedürftig, wenn er zu<br />

einer ständigen und nicht mehr reponiblen<br />

Eventration von Darmanteilen aus dem After<br />

geführt hat.<br />

Wesentliches Diagnostikum in der Beurteilung<br />

eines Prolapsgeschehens ist die klininiche<br />

und instrumentelle Untesuchung.<br />

<strong>Therapie</strong> der<br />

Prolapserkrankungen<br />

Unter Berücksichtigung der eingangs angegebenen<br />

Einteilung lässt sich schematisiert sagen,<br />

dass Prolapsformen mit ihrem Ursprung unterhalb<br />

der Levatorebene immer durch transanale<br />

Resektion des Gewebes angegangen werden<br />

können. Regeleingriff im Fall des Prolapses<br />

von oberhalb der Levatorebene ist zumeist die<br />

abdominelle Rektopexie. Die Abortivformen<br />

des Prolapses wie beispielsweise die anteriore<br />

Rektozele oder der Mukosaprolaps bzw. der<br />

latente Rektumprolaps werden in jüngster<br />

Zeit durch eine sogenannte STARR-Operation<br />

(Stapled TransAnal Rectal Resection) operativ<br />

behandelt. Hierbei werden durch ein Klammernahtgerät<br />

jeweils ein semizirkuläres Vollwandresektat<br />

anterior und posterior entnommen<br />

und so die Rektozele gerafft bzw. der interne<br />

Mukosaprolaps reseziert. Erste frühfunktionelle<br />

Ergebnisse sind vielversprechend. Die<br />

Bewertung des definitiven Stellenwerts dieser<br />

neuen Operationsmethode kann jedoch nur<br />

durch prospektive Untersuchungsreihen und<br />

einer sorgfältige Analyse der funktionellen<br />

Langzeitresultate erfolgen.<br />

Abb. 11-9 Transanale Rektumwandresektion<br />

mittels Stapler (STARR-Operation)<br />

Ein segmentärer Prolaps eines Hämorrhoidalpolsters<br />

lässt sich sehr gut mittels einer offenen<br />

Exzision nach MILLIGAN-MORGAN angehen.<br />

Das Verfahren ist bei sachgerechter Durchführung<br />

fast risikolos. Es zeigt hervorragende<br />

Ergebnisse und ist darum als Regelverfahren<br />

etabliert. Nach dem gleichen Verfahren kann<br />

man einen segmentären Prolaps des Anoderms<br />

oder einen Schleimhautprolaps bei prolabierenden<br />

Hämorrhoiden abtragen. Im letzteren Fall<br />

muß die Exzisionslinie bis deutlich oberhalb der<br />

Linea dentata geführt werden, was technisch<br />

keine Probleme bereitet.<br />

89


90<br />

Probleme bereitet die operative Abtragung<br />

eines zirkulären Hämorrhoidalprolapses, da<br />

hier regelhaft auch das gesamte Anoderm<br />

von seinem angestammten Platz nach außen<br />

verlagert ist. Für diese Fälle bieten sich die<br />

sogenannten »geschlossenen Hämorrhoidektomietechniken«<br />

an. Es sei verwiesen auf die<br />

Methoden nach PARKS, FANSLER-ARNOLD<br />

oder LONGO (vgl. auch Kap. 4). Als Alternative<br />

wird eine Exzision nach MILLIGAN-MORGAN<br />

in mehreren Sitzungen empfohlen. Es muss<br />

davor gewarnt werden, im Rahmen solcher<br />

mehrzeitiger Exzisionen zuviel Anoderm zu<br />

entfernen, da es als Folge davon zu einer<br />

sensorischen Inkontinenz kommen kann. Zur<br />

Behandlung der zirkulären Prolapsformen<br />

von unterhalb der Levatorebene erscheinen<br />

die geschlossenen Techniken der Hämorrhoidenoperation<br />

unverzichtbar.<br />

Zusammenfassung: Die anorektalen Prolapsformen<br />

bedürfen einer exakten Nomenklatur.<br />

Es sollte zwischen Prolapsformen<br />

ausgehend von oberhalb und unterhalb der<br />

Levatorebene unterschieden werden. Ein<br />

Rektumprolaps und ein Analprolaps sind<br />

zwei unterschiedliche Krankheitsentitäten<br />

und nicht unterschiedliche Stadien der gleichen<br />

Erkrankung. Eine versierte klinische<br />

Untersuchung verbunden mit einer starren<br />

Endoskopie stellt die Basis der Diagnostik<br />

dar. Die operative <strong>Therapie</strong> richtet sich<br />

nach dem Ursprung des Prolapsgeschehens.<br />

Prolapse von unterhalb der Levatorebene<br />

werden transanal reseziert. Prolapse von<br />

oberhalb der Levatoreben sollten bei ausgeprägten<br />

Befund von abdominal operiert<br />

werden.<br />

Anorektale Prolapsformen 11


12 Rektumprolaps<br />

12 Rektumprolaps<br />

Ätiologie 92<br />

Pathogenese 92<br />

Klassifikation 93<br />

Symptomatologie 93<br />

Diagnostik 93<br />

Differentialdiagnostik 94<br />

<strong>Therapie</strong> 94<br />

Perineal reponierende Verfahren 95<br />

Perineal oder transanal resezierende Verfahren 95<br />

Abdominelle fixierende Verfahren ohne und mit Resektion 96<br />

Ergebnisse 96<br />

91


92<br />

Vorbemerkung: Im Rahmen der differentialdiagnostischen<br />

Überlegungen zu den anorektalen<br />

Prolapsformen wurde das morphologische<br />

Bild des Rektumprolapses bereits skizziert.<br />

Er stellt sich dar als eine Invagination, die in<br />

unterschiedlicher Höhe des Rektums beginnen<br />

kann.<br />

Ätiologie<br />

Die Ätiologie des Rektumprolapses ist bisher<br />

nicht geklärt. Der häufig geäußerten Meinung,<br />

dass dem Prolapsgeschehen eine »Beckenbodenschwäche«<br />

vorausgeht, muss entgegengehalten<br />

werden, dass in zahlreichen Fällen einer<br />

bereits manifesten Prolapserkrankung noch<br />

keine Inkontinenz besteht und auch elektromyographisch<br />

keine wesentliche Denervation<br />

der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur<br />

faßbar ist. Bei Schädigung der Cauda equina<br />

findet sich häufiger ein Rektumprolaps,<br />

dennoch tritt er bei diesen Läsionen nicht<br />

regelhaft auf. Auch eine direkte Verletzung<br />

der quergestreiften Muskulatur des Analkanals<br />

und des Beckenbodens führt trotz kompletter<br />

Inkontinenz nicht regelhaft zum Auftreten<br />

eines Rektumprolapses.<br />

Abb.12-1 Manifester Rektumprolaps<br />

Pathogenese<br />

Die Pathogenese der Rektumprolapserkrankung<br />

erscheint besser verständlich als ihre Ätiologie.<br />

Die Invagination verläuft progredient über<br />

die latente zur manifesten Krankheitsphase.<br />

Extremformen können irreponibel sein<br />

und trophische Störungen der Schleimhaut<br />

Rektumprolaps 12<br />

oder sogar Wandnekrosen des ausgestülpten<br />

Rektums induzieren. Der manifeste Prolaps<br />

tritt zunächst nur unter den Bedingungen des<br />

Pressens bei der Defäkation aus. Im weiteren<br />

Verlauf kann er aber schon bei leichter intraabdomineller<br />

<strong>Dr</strong>uckerhöhung, beispielsweise<br />

im Gehen, austreten.<br />

Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung<br />

finden sich anatomische Veränderungen<br />

im Bereich des Beckenbodens und des pelvinen<br />

Kolons, die überwiegend als Endpunkt der Pathogenese<br />

verstanden werden. Möglicherweise<br />

kann ein Teil dieser anatomischen Strukturdefekte<br />

aber auch als Faktor der Ätiologie<br />

interpretiert werden.<br />

Folgende anatomische Veränderungen<br />

sind fassbar:<br />

• Das Rektum ist auffallend mobil und<br />

• am Os sacrum nur mangelhaft fixiert.<br />

• Es besteht eine Elongation des<br />

• Rektosigmoid.<br />

• Die peritoneale Umschlagsfalte und<br />

• der Douglas’sche Raum sind auffallend<br />

• tief (Cul-de-sac).<br />

• Die Muskulatur des Beckenbodens und<br />

• des Analkanals ist weich und klafft.<br />

• In einigen Fällen ist die Auskleidung des<br />

• Analkanals defizitär angelegt (Corpus<br />

• cavernosum recti und L. dentata fehlen,<br />

• Anoderm erscheint verschmälert)<br />

Als Ursache der ersten drei genannten Veränderungen<br />

wäre eine Fehlbildung im weitesten<br />

Sinne denkbar, so z. B. eine mangelhafte Verklebung<br />

der Peritonealblätter der Excavatio<br />

rectovesicalis bzw. der Excavatio rectovaginalis<br />

als Ursache der tiefen peritonealen Umschlagsfalte.<br />

Aufgrund der Untersuchungen von PARKS<br />

muss die Schwäche der quergestreiften Muskulatur<br />

des Beckenbodens und des M. sphincter<br />

ani externus aber neurogen, d. h. als Folge der<br />

Überdehnung der Pudendusäste im Rahmen<br />

des anhaltenden <strong>Dr</strong>ucks durch den sich entwickelnden<br />

Prolaps interpretiert werden. Die<br />

nicht selten nachzuweisende Verschmälerung<br />

der anodermalen Zone in Verbindung mit einer<br />

fehlenden Einziehung der L. dentata und<br />

einem Fehlen des Corpus cavernosum recti ist


12 Rektumprolaps<br />

ebenfalls als eine anlagebedingte Fehlbildung<br />

zu interpretieren.<br />

Möglicherweise können auch funktionelle<br />

Störungen des Beckenbodens mit einer paradoxen<br />

Aktivitätssteigerung in der quergestreiften<br />

Muskulatur beim Pressen über ein langfristiges<br />

forciertes Pressen zur Prolapsentstehung<br />

prädisponieren.<br />

Klassifikation<br />

Für den Rektumprolaps läßt sich ein latentes<br />

Stadium der Erkrankung, während desssen<br />

der Prolaps nur endoskopisch oder im Defäkogramm<br />

erkennbar ist (Stad. I), von einem<br />

manifesten Stadium trennen, in dem der Prolaps<br />

auch außerhalb des Analkanals sichtbar ist.<br />

Im Regelfall bleibt die anatomische Konfiguration<br />

des Analkanals durch die Invagination<br />

des Rektums unbeeinflußt (Stad. II). Erst im<br />

Spätstadium wird der Analkanal mit eventriert<br />

(Stad. III), wohl passiv infolge der kompletten<br />

Erweichung der Beckenboden- und Schließmuskulatur.<br />

Einteilung des Tab.12-1<br />

Rektumprolapses<br />

Grad I latenter Prolaps,<br />

interne Intussuszeption<br />

Grad II manifester Prolaps,<br />

Analkanal nicht eventeriert<br />

Grad III manifester Prolaps,<br />

Analkanal eventeriert<br />

Symptomatologie<br />

Insbesondere im latenten Krankheitsstadium ist<br />

die klinische Symptomatik häufig von Obstipationsbeschwerden,<br />

Blut- und Schleimabgängen<br />

sowie einem nicht näher bestimmbaren<br />

<strong>Dr</strong>uckgefühl im Anorektum mit gelegentlich<br />

frustranem Stuhlgang sowie dem Gefühl einer<br />

inkompletten Entleerung geprägt. Den Vorfall<br />

bemerkt der Patient erst in der manifesten<br />

Krankheitsphase und dann zunächst auch nur<br />

anlässlich der Defäkation.<br />

Abb.12-2 Klinische Diagnostik des Rektumprolaps:<br />

Der Anus klafft bei Zug an den nates.<br />

Diagnostik<br />

Die diagnostische Abklärung stützt sich insbesondere<br />

auf die proktoskopische Untersuchung<br />

bzw. die direkte Inspektion beim Vorliegen eines<br />

manifesten Rektumprolapses. Wichtig erscheint<br />

die Untersuchung unter den dynamischen Bedingungen<br />

des Pressens. Dies betrifft sowohl<br />

die proktoskopische Untersuchung, als auch die<br />

Untersuchung in Hockstellung auf der Toilette<br />

zum Nachweis des manifesten Prolapses.<br />

Das Defäkogramm, also die Röntgendarstellung<br />

des Rektums im seitlichen Strahlengang<br />

unter dynamischen Bedingungen,<br />

Abb.12-3 Patientin wie in Abb. 12-2. Anus klafft<br />

bei Zug mit dem eingelegten Finger nach dorsal.<br />

belegt in Zweifelsfällen die innere Invagination<br />

deutlicher als die Proktoskopie. Gleichzeitig<br />

kann durch das Defäkogramm ein begleitender<br />

Schaden im Bereich des Beckenbodens (Deszensus<br />

perinei, Abflachung des anorektalen<br />

Winkels) abgeschätzt werden. Andererseits<br />

ist dies beim manifesten Rektumprolaps aber<br />

unerheblich für die <strong>Therapie</strong>indikation.<br />

93


94<br />

Abb.12-4 Patientin wie in Abb. 12-2. Eventration<br />

des Prolapses beim Betätigen der Bauchpresse.<br />

Bei längerem Bestehen der Prolapserkrankung<br />

tritt als wesentliches subjektives Symptom<br />

eine zunehmende Inkontinenz hinzu. Die diagnostische<br />

Abklärung der Inkontinenz umfasst<br />

neben der digitalen Untersuchung und ggf.<br />

<strong>Dr</strong>uckmessung auch eine elektromyographische<br />

Untersuchung zum Nachweis des neurogenen<br />

Schadens an der Muskulatur. Da auch neurogene<br />

Inkontinenzen ohne gleichzeitig bestehenden<br />

Rektumprolaps vorgefunden werden,<br />

ist der sichere Nachweis des Rektumprolapses<br />

differentialtherapeutisch von Bedeutung. Beim<br />

gleichzeitigen Vorliegen eines Prolapses muss<br />

dieser vor einer kontinenzverbessernden Muskeloperation<br />

beseitigt werden.<br />

Eine komplette diagnostische Abklärung<br />

des Kolons zum Ausschluss höher im Darm<br />

gelegener Läsionen ist obligat. Das ist angesichts<br />

des allgemeinen Charakters der subjektiven<br />

Beschwerden unmittelbar einleuchtend.<br />

Präoperativ ist also die Durchführung einer<br />

Koloskopie obligat. In der Kolonkontrastdarstellung<br />

zeigt sich typischerweise eine Elongation<br />

des Sigmas oder des linken Kolons und<br />

oft auch eine Erweiterung der Ampulla recti<br />

(Rektozele) sowie ein vergrößerter Rektum-<br />

Kreuzbein-Abstand.<br />

Vor der operativen <strong>Therapie</strong> eines Rektumprolapses<br />

sollte das gesamte Kolon<br />

untersucht werden.<br />

Differentialdiagnostik<br />

Rektumprolaps 12<br />

Im Rahmen der Differentialdiagnostik muss<br />

ein Hämorrhoidalprolaps oder Analprolaps<br />

sicher abgegrenzt werden. Durch die digitale<br />

Untersuchung und die Inspektion beim Pressen<br />

auf der Toilette sollte dies immer möglich sein.<br />

Dennoch wird gerade die Differentialdiagnostik,<br />

wie erwähnt, mitunter vernachlässigt – oft mit<br />

der Folge einer inadäquaten Behandlung.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Das wesentliche Problem in der <strong>Therapie</strong> anorektaler<br />

Prolapssyndrome ist aber die Indikationsstellung<br />

im Fall eines latenten oder auch<br />

nur kleinen Rektumprolapses. In Fällen einer<br />

gesicherten Diagnose eines kleinen Rektumprolapses<br />

sind Hämorrhoidenoperationen – auch in<br />

der modernen Variante der Staplerhämorrhoidopexie<br />

unsinnig, da sie keine kausale <strong>Therapie</strong><br />

der zugrundeliegenden Invagination des Darmes<br />

darstellen. Beim latenten Rektumprolaps<br />

können konservative <strong>Therapie</strong>versuche eher<br />

erfolgreich sein. Die Patienten sollen hierbei<br />

unter Anwendung rektaler Entleerungshilfen<br />

(Klysma) und Vermeiden des Pressens bei der<br />

Defäkation der weiteren Prolapstendenz entgegenwirken.<br />

Eine Indikation zum operativen<br />

Vorgehen ergibt sich dann unter Umständen<br />

erst, wenn Zeichen einer beginnenden analen<br />

Inkontinenz faßbar werden. Ein kleiner, außen<br />

sichtbarer Rektumprolaps stellt dagegen immer<br />

eine Operationsindikation dar. Es kann nicht<br />

davon ausgegangen werden, dass dieser Prolaps<br />

in der Folgezeit keine weitere Größenzunahme<br />

erfährt. Mit Sicherheit wird es im weiteren Verlauf<br />

zu einer zunehmenden Kontinenzschwäche<br />

kommen, so dass also zu einem rechtzeitigen<br />

operativen Vorgehen geraten werden muss. Die<br />

beginnende neurogene Schwächung der Muskulatur<br />

des Beckenbodens bzw. des Analkanals<br />

läßt sich elektromyographisch verifizieren.<br />

Anhand des EMG’s sollte die Indikation zur<br />

operativen Behandlung des frühen rektalen<br />

Prolapsgeschehens gestellt werden, bevor eine<br />

irreversible Inkontinenz eingetreten ist. Beim<br />

obstipierten Patienten muss dabei über eine


12 Rektumprolaps<br />

synchrone Resektion nachgedacht werden, die<br />

aus Gründen einer postoperativen Besserung<br />

der Probleme wünschenswert sein kann.<br />

Gänzlich anders stellt sich die <strong>Therapie</strong><br />

im Fall eines kindlichen Rektumprolapses dar.<br />

Durch die Steilstellung des Os sacrum in der<br />

frühkindlichen Lebensphase ist die Entwicklung<br />

eines Prolapses bei forciertem Pressen relativ<br />

leicht möglich. Die <strong>Therapie</strong> ist dabei konservativ.<br />

Die Eltern müssen um die pathophysiologische<br />

Bedeutung des Pressens wissen und dürfen<br />

das Kleinkind im Rahmen der Sauberkeitserziehung<br />

nicht überstrapazieren. Im Bedarfsfall<br />

muß der Prolaps digital reponiert werden.<br />

Zur operativen <strong>Therapie</strong> des Rektumprolapses<br />

werden unterschiedliche Maßnahmen angegeben,<br />

die den jeweils als wesentlich erachteten<br />

pathophysiologischen Befund berücksichtigen:<br />

• Das mobile und mangelhaft fixierte Rektum<br />

• wird von retrorektal oder abdominell fixiert.<br />

• Ein elongiertes Rektosigmoid<br />

• wird ggf. reseziert.<br />

• Die tiefe peritoneale Umschlagsfalte<br />

• wird angehoben.<br />

• Die klaffenden Muskeln des Beckenbodens<br />

• werden ggf. gerafft.<br />

Als bestes <strong>Therapie</strong>verfahren kann dasjenige<br />

gelten, das die meisten dieser Gesichtspunkte<br />

berücksichtigt. Die heute gebräuchlichen Verfahren<br />

können entsprechend ihrem operativen<br />

Ansatz in 3 Gruppen eingeteilt werden.<br />

Perineal reponierende Verfahren<br />

Diese Verfahren, z. B. THIERSCH-Ring, Narbenring<br />

nach SARAFOFF, beruhen auf der falschen<br />

Vorstellung des Rektumprolapses als einer Hernie.<br />

Durch ein subkutanes Widerlager soll diese<br />

Hernie reponiert werden. Es leuchtet unmittelbar<br />

ein, dass hierdurch lediglich das manifeste<br />

Stadium in ein latentes Stadium zurückgeführt<br />

wird. Im Regelfall verbleibt postoperativ ein<br />

interner Prolaps mit der Gefahr eines frühen<br />

Rezidivs. Analoges gilt auch für Verfahren,<br />

die durch eine Muskelraffung von perineal<br />

(anteriore Levatorenplastik) oder retroanal<br />

her (Postanal repair) den Prolaps »reponieren«,<br />

wenngleich sie temporär eine Besserung der<br />

begleitenden Inkontinenz bewirken können.<br />

Insbesondere beim THIERSCH-Ring wird häufig<br />

eine unelastische Stenose des Analrandes geschaffen<br />

mit entsprechend schwerer subjektiver<br />

Behinderung. Diese Einlage eines Fadens oder<br />

<strong>Dr</strong>ahts ist heute obsolet.<br />

Perineale operative Verfahren zur <strong>Therapie</strong><br />

des Rektumprolapses beruhen auf dem<br />

falschen <strong>Therapie</strong>ansatz der Reposition<br />

einer Hernie.<br />

Perineal oder transanal<br />

resezierende Verfahren<br />

Die Operationsmethode nach REHN-DELORME<br />

reseziert transanal überschüssige Schleimhaut<br />

und rafft dann die verbliebene Muskulatur der<br />

Darmwand zu einem verdickten Muskelwulst.<br />

Hierdurch wird eine verbesserte muskuläre<br />

Abschlussleistung geschaffen und es tritt im<br />

Idealfall keine Schleimhaut mehr nach außen<br />

aus. Der Muskelwulst soll »wie ein Pessar« auf<br />

dem Beckenboden liegen. Auch bei diesem<br />

Verfahren ist die Rezidivquote relativ hoch.<br />

Dennoch hat es weiterhin einen Stellenwert<br />

in der Behandlung des Rektumprolapses beim<br />

alten Patienten.<br />

Die Resektion über einen dorsalen Zugang<br />

(Rezidivrate 11 %) oder die transanale Resektion<br />

der gesamten Darmwand nach ALTEMEIER vermögen<br />

bzgl. der Rezidivrate eher zu befriedigen.<br />

Diese Verfahren stellen somit eine mögliche<br />

Alternative zum abdominellen Vorgehen bei<br />

eingeschränkter Operabilität dar.<br />

Abb. 12-5 Perineale Resektion nach Altemeier<br />

95


96<br />

Resezierende transanale Verfahren<br />

sind bei eingeschränkter Operabilität eine<br />

Alternative zu einem transabdominellen<br />

Vorgehen.<br />

Abdominelle fixierende Verfahren<br />

ohne und mit Resektion<br />

Die abdominellen Operationsverfahren haben<br />

nach Literaturangaben mit 0 bis etwa 20 % die<br />

niedrigsten Rezidivraten. Alle derzeit verbreiteten<br />

Operationen fußen auf dem Verfahren nach<br />

SUDECK, der bereits 1922 die tiefe Auslösung<br />

des Rektums aus der Sakralhöhle mit Nahtfixation<br />

und nachfolgender Verklebung der Wundflächen<br />

als hinreichend sicheres Verfahren mit<br />

niedriger Rezidivrate angegeben hat. Andere<br />

Autoren haben dieses Vorgehen zur Senkung<br />

der Rezidivrate mit einer Resektion des elongierten<br />

Rektosigmoid (FRYKMAN-GOLDBERG)<br />

kombiniert. Zusätzlich sind Modifikationen<br />

des Verfahrens angegeben worden, bei denen<br />

eine Fixation des ausgelösten Rektums am<br />

Os sacrum mit Ivalon (WELLS, RIPSTEIN),<br />

Marlex (KEIGHLEY) oder Faszienstreifen (ORR-<br />

LOYGUE) erfolgt. Die Kombination der Resektion<br />

und Fremdköperimplantation ist wegen<br />

der Gefahr eines Infekts des alloplastischen<br />

Materials kritisch zu sehen.<br />

Abdominelle fixierende Ver- Tafel 12-1<br />

fahren ohne und mit Resektion<br />

• Rektopexie nach SUDECK<br />

• Rektopexie mit alloplastischem Material<br />

• (WELLS, RIPSTEIN)<br />

• Rektopexie mit autologem Material<br />

• (ORR-LOYGUE)<br />

• Resektionsrektopexie<br />

• nach FRYKMAN-GOLDBERG<br />

In den letzten Jahrzehnten ist der funktionelle<br />

Gesichtspunkt der Obstipation im Zusammenhang<br />

mit einem Rektumprolaps in den Vordergrund<br />

des Interesses getreten. Möglicherweise<br />

ist ein verstärktes Pressen bei der Defäkation<br />

aufgrund einer Obstipation als Wegbereiter der<br />

Prolapsentstehung zu werten. Die Elongation<br />

Rektumprolaps 12<br />

der Rektosigmoid ist dabei unter Umständen<br />

im Sinne eines Passagehindernisses wirksam.<br />

Aus diesem Grunde erscheint die synchrone<br />

Resektion dieses Darmabschnittes bei der Rektopexie<br />

bzw. der Auslösung aus der Sakralhöhle<br />

wünschenswert. Möglicherweise wird<br />

eine postoperativ neu auftretende Obstipation<br />

begünstigt durch eine zu tiefe Auslösung des<br />

Rektums mit Durchtrennung der Innervation<br />

im Bereich der sogenannten lateralen Ligamente.<br />

Diese Beobachtung konnte nicht in<br />

allen Studien nachvollzogen werden. Einige<br />

Autoren glauben durch die Resektion auf eine<br />

Durchtrennung der lateralen Ligamente ohne<br />

eine gleichzeitig erhöhte Rezidivrate verzichten<br />

zu können.<br />

Ergebnisse<br />

Unter dem Gesichtspunkt einer niedrigen Rezidivrate<br />

hat sich die Ivalon-rectopexy nach<br />

WELLS mit Recht als ein weitverbreitetes<br />

Verfahren etabliert. Unter dem Blickwinkel<br />

der durch die Operation zu bessernden Obstipationsneigung<br />

erscheint indes die Resektionsrektopexie<br />

nach FRYKMAN-GOLDBERG<br />

derzeit als der Goldstandard. Dennoch hat die<br />

tiefe Auslösung nach SUDECK ohne Fremdkörperimplantation<br />

weiterhin einen gesicherten<br />

Wert in der operativen Behandlung des<br />

Rektumprolapses. Dagegen berücksichtigt die<br />

ausschließliche anatomische Korrektur der<br />

Verhältnisse am Beckenboden nicht die der<br />

Prolapsentstehung möglicherweise zugrunde<br />

liegenden funktionellen Störungen, die die<br />

Patienten mit einem verstärkten Pressen zu<br />

kompensieren versuchen.<br />

Die postoperativ anhaltende Inkontinenz<br />

gehen einige Autoren mit einer Raffung der<br />

Levatorenschenkel von abdominell nach erfolgter<br />

Auslösung des Rektums an. Dabei ist<br />

die Gefahr einer zusätzlichen Schädigung der<br />

im Beckenbodenniveau verlaufenden Pudendusäste<br />

gegeben. PARKS hat deswegen die<br />

zweizeitige Postanal repair etwa 3 – 6 Monate<br />

postoperativ vorgeschlagen, da sich bei ca.<br />

70 % der präoperativ inkontinenten Patienten<br />

in diesem Zeitraum die Inkontinenz spontan<br />

hinreichend bessert. Außerdem stellt sich im


12 Rektumprolaps<br />

Hinblick auf eine »Inkontinenzprophylaxe« die<br />

Forderung nach einer frühzeitigen operativen<br />

Behandlung des Rektumprolapses. Die sich<br />

anbahnende Inkontinenz muss bereits in der<br />

latenten Krankheitsphase als Indikation zur<br />

abdominellen Rektopexie gelten.<br />

Die Operation nach REHN-DELORME hat<br />

einen gewissen Stellenwert in der Behandlung<br />

des kleinen Rezidivs. Ein solcher Befund nach<br />

korrekt durchgeführter tiefer Auslösung beruht<br />

dann zumeist auf einer Invagination des<br />

untersten Rektumanteils, da der Beckenboden<br />

aufgrund des langen Verlaufs der Erkrankung<br />

postoperativ kein Widerlager mehr bildet.<br />

Hier kann die Resektion der »überschüssigen«<br />

Schleimhaut insbesondere mit einer nachfolgenden<br />

Postanal repair hinreichend sein.<br />

Die transanale Resektion nach ALTEMEIER<br />

zeitigt zufriedenstellende Ergebnisse und wird<br />

von einigen Autoren als <strong>Therapie</strong> der Wahl<br />

bewertet. Zumindest beim älteren Patienten<br />

stellt sie bei eingeschränkter Operabilität eine<br />

gute Option dar, da sie in einer Regionalanästhesie<br />

durchführbar ist. Bei uneingeschränkter<br />

Operabilität erscheint der abdominelle Zugang<br />

wegen der besseren Korrektur der begleitenden<br />

funktionellen Probleme überlegen.<br />

Zusammenfassung: Der Rektumprolaps ist<br />

eine Invagination des Rektums. Die Ätiologie<br />

ist noch ungeklärt. Die Invagination<br />

verläuft progredient von einer Intussuszeption<br />

bis zum manifesten Rektumvollwandprolaps.<br />

Wesentliche Symptome sind neben<br />

dem Vorfall, Stuhlentleerungsstörungen,<br />

Inkontinenzerscheinungen und, besonders<br />

beim manifesten Prolaps, Schmerzen. Differentialdiagnostisch<br />

muss der Rektumprolaps<br />

von Prolapsfromen distal der Levatorebene<br />

abgegrenzt werden. Operative Ansatzpunkte<br />

sind die transanale oder perineale<br />

Resektion des prolabierenden Rektums<br />

oder die transabdominelle Fixation, ggf.<br />

mit Resektion des Sigmas. Während die<br />

transanalen Verfahren für multimorbide<br />

Patienten geeigneter erscheinen, werden<br />

die besseren funktionellen Ergebnisse und<br />

Rezidivraten durch die transabdominellen<br />

Verfahren erreicht.<br />

97


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13 Anale Inkontinenz<br />

13 Anale Inkontinenz<br />

Ätiopathogenese 100<br />

Sensorische Inkontinenz aufgrund des Verlusts sensibler Rezeptoren 100<br />

Sensorische Inkontinenz aufgrund der Irritation sensibler Rezeptoren 101<br />

Inkontinenz aufgrund eines muskulären Schadens 101<br />

Inkontinenz aufgrund eines neurogenen Schadens 101<br />

Mischformen 101<br />

Diagnostik 102<br />

Anamnese 102<br />

Körperliche Untersuchung 103<br />

Apparative Diagnostik 104<br />

<strong>Therapie</strong> der Inkontinenz 105<br />

Konservative <strong>Therapie</strong> 106<br />

Beratung und Aufklärung zur Verhaltensänderung 106<br />

Medikamentöse <strong>Therapie</strong> 106<br />

Übungsverfahren 107<br />

<strong>Therapie</strong> übergeordneter Störungen 109<br />

Operative <strong>Therapie</strong> 109<br />

Rekonstruktive Chirurgie des Kontinenzorgans 109<br />

Plastische Wiederherstellung des sensiblen Analkanals 109<br />

Muskuläre Wiederherstellung 110<br />

Sphinkterrekonstruktion 110<br />

Schließmuskelersatz 111<br />

Mechanische Korrektur des neurogenen Schadens 112<br />

Sakrale Nervenstimulation 114<br />

Augmentation des Sphinkters 114<br />

Stomaanlage 114<br />

Ergebnisse der chirurgischen <strong>Therapie</strong> 115<br />

99


100<br />

Vorbemerkung: In den Kapiteln zur Anatomie<br />

und Physiologie sowie bei der Darstellung<br />

der proktologischen Diagnostik wurde bereits<br />

vieles zum Problem der analen Inkontinenz<br />

gesagt. Im Rahmen der Darstellung des Gesamtkomplexes<br />

lassen sich daher Wiederholungen<br />

nicht vermeiden. Es wurde deutlich, dass die<br />

Kontinenz teils reflektorisch, teils willentlich<br />

verstärkt gewährleistet wird. Husten führt beispielsweise<br />

zu einer reflektorischen Erhöhung<br />

des intraabdominellen <strong>Dr</strong>uckes, die gefolgt ist<br />

von einer unwillkürlichen Tonussteigerung in<br />

der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur<br />

mit konsekutiver Verstärkung der anorektalen<br />

Abwinkelung. Das Zusammenspiel der Teile des<br />

Kontinenzorgans wird im Sinne von Regelkreisen<br />

koordiniert und steht unter der Kontrolle<br />

des Cortex. Damit werden auch psychische<br />

Einflüsse auf die Kontinenz verständlich.<br />

Für die diagnostische Abklärung von Störungen<br />

der Kontinenz ist es wichtig zu wissen,<br />

dass die einzelnen Komponenten der Kontinenz<br />

in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt<br />

sein können. Zudem ist nicht in allen Fällen<br />

nur eine einzelne anatomische Struktur<br />

geschädigt, sondern es liegt ein komplexer<br />

Schaden mehrerer Kontinenzfaktoren vor. Die<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

laienhafte Vorstellung von dem »Schließmuskel«<br />

als einzigem Faktor der analen Kontinenz<br />

wird diesen komplexen Funktionsstörungen<br />

nicht gerecht.<br />

Ätiopathogenese<br />

Unter praktisch-therapeutischen Gesichtspunkten<br />

scheint es sinnvoll, die unterschiedlichen<br />

Formen der analen Inkontinenz entsprechend<br />

der Ätiologie einzuteilen. Wir erhalten so<br />

Hinweise auf die Ursache der Störung und auf<br />

eine mögliche <strong>Therapie</strong>.<br />

Bei isolierten Schäden einzelner Komponenten<br />

des Kontinenzorgans (z.B. Rezeptorverlust,<br />

traumat. Sphinkterläsion, Traktionsschaden<br />

des N. pudendus) ist oft schon die<br />

Anamnese wegweisend.<br />

Sensorische Inkontinenz aufgrund des<br />

Verlusts sensibler Rezeptoren<br />

Dazu gehören z. B. die Fälle einer Hämorrhoidenoperation<br />

nach WHITEHEAD. Bei dieser<br />

Operation wurde gelegentlich das gesamte<br />

Anoderm entfernt mit der Folge des vollständigen<br />

»Gefühlsverlustes«.<br />

Übersicht: Atiologie der Inkontinenz Tafel 13-1<br />

Störungen der Sensorik:<br />

Nerval<br />

Rezeptorverlust<br />

Rezeptorirritation<br />

Störungen der Sphinkterfunktion:<br />

Traumatisch<br />

Myopathisch<br />

Neoplastisch<br />

Entzündlich<br />

Neurogene Störung der motorischen Innervation:<br />

Peripher<br />

Spinal<br />

Zerebral<br />

Störungen der Reservoirfunktion:<br />

Entzündlich<br />

Postoperativ<br />

Korrektur kongenitaler Defekte<br />

Funktionell<br />

diabet. Polyneuropathie<br />

Whitehead-Hämorrhoidektomie<br />

intraanale Tumoren, prolab. Fibrom, Rektumprolaps<br />

Geburtstrauma, iatrogen, Pfählungsverletzung<br />

Dystrophia myotonica, Dermatomyositis, hyperthyreote Myopathie<br />

infiltrierend wachsende Tumoren<br />

vernarbende Entzündung z. B. bei M. Crohn<br />

Traktion des N. pudendus, Rektumprolaps, »idiopathisch«<br />

Querschnitt, Kaudasyndrom, Tabes, Meningomyelozele<br />

vaskuläre/degenerative Schäden in Kortex oder Pons, MS, psychoorganisch<br />

Proktitis (CED, radiogen, ischämisch)<br />

tiefe Rektumresektion, Reflexstörung postoperativ, Pouch<br />

Analatresie, M. Hirschsprung<br />

Dyschezie, Diarrhoe, Reflexstörung, Rektumprolaps, stenosierender Tumor


13 Anale Inkontinenz<br />

Abb. 13-1 Fistelspaltung als Inkontinenzursache<br />

Die betroffenen Patienten bemerken den Stuhldurchtritt<br />

erst dann, wenn er in Kontakt mit<br />

der äußeren Haut kommt. Auf entsprechendes<br />

Befragen beschreiben die Patienten dieses<br />

Kontinenzdefizit meist sehr genau.<br />

Sensorische Inkontinenz aufgrund der<br />

Irritation sensibler Rezeptoren<br />

Alle Faktoren, die das trockene Anoderm irritieren,<br />

können zu einer Relaxation der Schließmuskulatur<br />

mit entsprechender Undichtigkeit<br />

führen. So kann z. B. Feuchtigkeit aus dem<br />

oberen Analkanal nach distal gelangen bei<br />

vergrößerten Hämorrhoiden oder bei einer<br />

Diarrhoe, die nicht selten durch Laxanzien<br />

ausgelöst wird. Ein prolabierendes Fibrom<br />

kann einen Stuhlbolus imitieren und zur Relaxation<br />

führen. Entzündliche Zustände, z. B.<br />

beim M. Crohn, können ebenfalls das Anoderm<br />

irritieren.<br />

Abb. 13-2 Dammriss III. Grades als<br />

Inkontinenzursache<br />

Die Patienten geben einen Sekretabgang per<br />

anum an oder ein Nachschmieren von Stuhl<br />

nach der Defäkation. Ein prolabierender Tumor<br />

kann bei der Reinigung des Afters am Ende der<br />

Stuhlentleerung oft außen getastet werden.<br />

Inkontinenz aufgrund eines<br />

muskulären Schadens<br />

Eine lokale Schädigung der quergestreiften<br />

Muskulatur ist oft Folge eines Dammrisses<br />

oder von Fisteloperationen. Die Inkontinenzsymptomatik<br />

setzt dann meist exakt mit dem<br />

Zeitpunkt der Läsion ein.<br />

Inkontinenz aufgrund eines<br />

neurogenen Schadens<br />

Hierunter fällt die häufig anzutreffende sog.<br />

idiopathische Inkontinenz der älteren Frau. Eine<br />

langfristige Überdehnung des Beckenbodens<br />

durch Gravidität oder forciertes Pressen bei der<br />

Defäkation kann zu einem Dehnungsschaden<br />

der im Beckenboden verlaufenden Pudendusäste<br />

führen. Es kommt zu einer zunehmenden<br />

Denervation und Funktionseinbuße der quergestreiften<br />

Beckenboden- und Analmuskulatur.<br />

Auch bei jungen Menschen können Beckenbodenfunktionsstörungen<br />

und Prolapssyndrome<br />

zu einer solchen Überdehnung mit konsekutiver<br />

Inkontinenz führen (z. B. Deszensus perinei,<br />

Rekto-Zystozele, Rektumprolaps, Deszensus<br />

uteri). Es ist mithin unzutreffend, dieses Krankheitsbild<br />

als idiopathisch zu bezeichnen, da die<br />

Genese sehr wohl geklärt ist.<br />

Mischformen<br />

Viele Inkontinenzformen sind multifaktoriell<br />

bedingt. Funktionsstörungen des Gastrointestinaltraktes,<br />

insbesondere eine Diarrhoe<br />

oder ein Colon irritabile-Syndrom, können<br />

eine Inkontinenz verursachen oder verstärken;<br />

ein defekter analer Verschluss bei muskulärer<br />

Insuffizienz nach Fisteloperationen oder<br />

Dammriss kann aber auch eine mangelhafte<br />

Eindickung und damit Durchfälle mit subjektiver<br />

Verschlimmerung der Kontinenzstörung<br />

induzieren. Zusätzlich können mehrere der<br />

101


102<br />

angeführten Einzelfaktoren der Kontinenz<br />

gleichzeitig gestört sein. So kennen wir Missbildungen,<br />

die neben der Muskulatur auch die<br />

epitheliale Auskleidung des Analkanals betreffen.<br />

Die tiefe Rektumanastomose kann neben<br />

einem Reservoirverlust auch zu lokalen Nervenschäden<br />

mit einem entsprechend gestörten<br />

Reflexverhalten führen. Tumoren in der Nähe<br />

des Analkanals können die Sensorik stören, bei<br />

infiltrativem Wachstum die Muskelaktivität<br />

behindern und Nerven zerstören. Stenosen<br />

führen über einen Dyscheziemechanismus zu<br />

einer Konsistenzminderung des Stuhles. In<br />

der Folge können dann subklinische Formen<br />

einer neurogenen oder muskulären Inkontinenz<br />

manifest werden.<br />

Unvollständige Schädigungen der Teile<br />

werden normalerweise lange kompensiert,<br />

manchmal kommt es aber durch die zusätzliche,<br />

z.B. operative Schädigung eines anderen Teilorgans<br />

zur Überlastung des Kontinenzorgans<br />

(z. B. Fissuroperation mit Internussphinkterotomie<br />

bei vorbestehendem neurogenen Schaden).<br />

Beim Rektumprolaps handelt es sich um einen<br />

sehr komplexen Schaden. Die Inkontinenz<br />

tritt in der Regel erst mit fortschreitender<br />

Schädigung des Kontinenzorgans auf. In der<br />

Frühphase besteht oft sogar eine Superkontinenz,<br />

die zu vermehrtem Pressen bei der<br />

Defäkation Anlass gibt. Eine Obstipation mit<br />

harten Faeces bei verzögerter Darmpassage,<br />

eine spastische Kontraktion des Rektosigmoid<br />

mit Passage von breiigen oder Bleistiftstühlen<br />

bei Colon irritabile oder oder eine mangelhafte<br />

Öffnung des Analkanals trotz Füllung der<br />

Ampulle z. B. bei einer outlet obstruction oder<br />

bei einer Analstenose führen zu vermehrtem<br />

Pressen bei der Stuhlpassage und damit zu<br />

einer Degeneration des Gewebes.<br />

Diagnostik<br />

Die Stuhlinkontinenz berührt einen körperlichen<br />

Tabubereich, was dazu führt, dass die<br />

Patienten die Symptome zum Teil ebenfalls<br />

tabuisieren. Insbesondere werden subjektive<br />

Anzeichen einer Fehlfunktion im Sinne einer<br />

analen Inkontinenz zunächst verschwiegen,<br />

da sie weit in diese Tabuzone hineinreichen.<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

Aus diesem Grund ist es wichtig, für den ersten<br />

Kontakt mit dem Patienten und die nachfolgende<br />

Untersuchung ein Klima zu schaffen, das<br />

der Angst des Patienten und der notwendigen<br />

Enttabuisierung gerecht wird.<br />

Die Standarddiagnostik umfasst neben<br />

einer sorgfältigen Anamnese eine klinische<br />

Befunderhebung und im Anschluss daran eine<br />

unterschiedlich weit auszudehnende instrumentelle<br />

Untersuchung.<br />

Anamnese<br />

Da der betroffene Patient die Klagen über eine<br />

Kontinenzschwäche wegen der Tabuisierung<br />

dieser körperlichen Fehlfunktion vermeidet, ist<br />

es wichtig, von Seiten des Untersuchers regelrecht<br />

nachzufragen. Als eine Screeningfrage<br />

kann dabei gelten: Können Sie die Winde immer<br />

einhalten? Diese Leistung des Kontinenzapparates<br />

wird bei zunehmender Funktionseinbuße<br />

als erste defizitär empfunden. Wenn diese Frage<br />

bejaht wird, erfolgt die weitere Frage nach der<br />

Haltefähigkeit für durchfällige und feste Stühle.<br />

Hieraus ergibt sich die gängige Einteilung der<br />

Inkontinenz in drei Schweregrade.<br />

Einteilung der Tab.13-1<br />

analen Inkontinenz<br />

Grad I Undicht für Winde<br />

Grad II Undicht für Winde und<br />

flüssigen Stuhl<br />

Grad III Undicht für Winde, flüssigen<br />

und festen Stuhl<br />

Wichtig sind auch die anamnestischen Fragen<br />

nach perianalen Hautsymptomen wie Juckreiz<br />

und Brennen, die oft dadurch ausgelöst werden,<br />

dass die Haut mit Sekreten aus dem undichten<br />

Afterkanal benetzt wird. Des Weiteren ist zu<br />

fragen nach einem Gewebsvorfall aus dem<br />

After, den Stuhl- und Ernährungsgewohnheiten<br />

und nach der Medikamenteneinnahme.<br />

Bei der Anamnese kann bereits zwischen<br />

plötzlichem Auftreten nach einer Verletzung<br />

(Geburtstrauma, Pfählung, Operation) und<br />

einem schleichenden Beginn unterschieden


13 Anale Inkontinenz<br />

werden, bei dem die Patienten keinen genauen<br />

Zeitpunkt angeben können. Von frühen, nur in<br />

Extremsituationen pathologischer Stuhlkonsistenz<br />

bemerkten Ereignisse, z. B. unfreiwilligem<br />

Windabgang oder Inkontinenz bei Diarrhoe bis<br />

hin zum Verlust der Fähigkeit, geformten Stuhl<br />

zu halten, vergehen oft mehrere Jahre. Nach<br />

den möglichen Ursachen dieser Inkontinenz<br />

muss gezielt gefragt werden, da die Patienten<br />

die Zusammenhänge selten erkennen. Beim<br />

Rektumprolaps steht der Schleimabgang sowie<br />

das Gefühl einer unvollständigen Entleerung<br />

im Vordergrund, die Inkontinenz entwickelt<br />

sich erst nach längerem Verlauf.<br />

Es ist erstaunlich, dass ein Rektumprolaps<br />

dem Patienten oft nicht bewusst ist, obwohl er<br />

bei jedem Stuhlgang austritt. Andererseits wissen<br />

einige Patienten um den Vorfall, ohne ihn<br />

als mögliche Inkontinenzursache zu bewerten.<br />

Bei den Fragen zu den Stuhlgewohnheiten interessieren<br />

die Konsistenz und die Frequenz sowie<br />

insbesondere die Fragen nach einer kurzfristig<br />

eingetretenen Änderung. Das letztgenannte<br />

Phänomen kann als Hinweis auf paradoxe<br />

Diarrhoen im Rahmen einer Tumorobstruktion<br />

gewertet werden. Bei den Fragen zur Ernährung<br />

können Lebensmittelunverträglichkeiten<br />

erkennbar werden, die Durchfälle bedingen<br />

und den Konztinenzmechanismus überfordern.<br />

Abschließend ist nach früheren Ereignissen<br />

wie Operationen oder Entbindungen zu fragen,<br />

die eine Rückwirkung auf den Kontinenzapparat<br />

haben können. Die regelmäßige Frage<br />

nach einer Belastungsinkontinenz der Blase bei<br />

Frauen kann schon in einem frühen Stadium<br />

auf die gleichzeitige neurogene Schädigung<br />

der analen Muskulatur hinweisen.<br />

Die Einteilung der Inkontinenz in drei<br />

Grade berücksichtigt nicht weitere wesentliche<br />

Störungen, die sich nicht im direkten<br />

Zusammenhang mit der Defäkation ergeben<br />

wie Nachschmieren von Flüssigkeit nach der<br />

Defäkation oder unabhängig von der Defäkation,<br />

imperativer Stuhldrang und Tenesmen und<br />

insbesondere inkonstante Störungen, die den<br />

Betroffenen zwingen, aus Sicherheitsgründen<br />

Vorlagen zu tragen. Wertvoller als die starre<br />

Einteilung in drei Grade ist die Beurteilung der<br />

Kontinenzsituation durch Scoresysteme. Hier-<br />

durch wird auch der subjektive Leidensdruck des<br />

individuellen Patienten gemessen. Mit diesen<br />

Scores lassen sich zudem die <strong>Therapie</strong>erfolge<br />

nach operativer und konservativer <strong>Therapie</strong> dokumentieren.<br />

Der Cleveland-Clinic-Score (vgl.<br />

Kapitel 2) erstellt ein Punktesystem zwischen<br />

0 und 20 Punkten. Die komplette Inkontinenz<br />

führt dabei zur Summe von 20 Punkten.<br />

Aussagekräftiger als die Einteilung der<br />

Inkontinenz in drei Schweregrade ist die<br />

Bewertung der Kontinenzleistung durch<br />

objektivierbare Scoresysteme.<br />

Körperliche Untersuchung<br />

Die körperliche Untersuchung beginnt mit dem<br />

Entkleiden des Patienten. Es wurde bereits<br />

darauf hingewiesen, dass der Untersucher aus<br />

der Verschmutzung der Unterwäsche bereits auf<br />

eine anale Inkontinenz rückschließen kann.<br />

Wegen des engen Zusammenhangs der analen<br />

Erkrankungen mit höher im Darm gelegenen<br />

Störungen beginnt jede körperliche Untersuchung<br />

mit der Palpation des Abdomens. Dabei<br />

ist insbesondere auf Narben nach früheren<br />

Operationen zu achten sowie auf tastbare<br />

Resistenzen.<br />

Die Inspektion der Dammregion ermöglicht<br />

die Diagnostik der komplexen Schäden<br />

von Anal-, Hämorrhoidal-, Rektumprolaps;<br />

Descensus perinei, -vaginae, -uteri; Rekto- und<br />

Zystozele. Dabei ist es aber erforderlich, sowohl<br />

in Ruhe als auch unter dynamischen Bedingungen<br />

bei forcierter Bauchpresse zu untersuchen.<br />

Nach den jeweils prolabierenden Strukturen<br />

(Anoderm, Mukosa mit Hämorrhoidalplexus,<br />

Rektumschleimhaut oder Rektumwand) wird<br />

zwischen Anal-, Hämorrhoidal- oder Rektumprolaps<br />

unterschieden.<br />

Deformierungen des Anus, Narben nach<br />

Episiotomie, Abszess- oder Fisteloperationen<br />

und das Fehlen einer normalen Radiärfältelung<br />

der Analhaut bei der Inspektion deuten auf<br />

einen lokalisierten Sphinkterdefekt hin; ein<br />

Klaffen des Afters in Ruhe oder beim Spreizen<br />

der Nates mit Sichtbarwerden der Schleimhaut<br />

des oberen Analkanals oder gar des unteren<br />

103


104<br />

Rektums kann als Hinweis auf einen massiven<br />

neurogenen Schaden gedeutet werden. Der Zug<br />

des in den Analkanal eingeführten Fingers nach<br />

dorsal oder nach der Seite verstärkt oft noch<br />

das weite Klaffen der Muskulatur.<br />

Grundsätzlich lässt sich die Funktionsfähigkeit<br />

der Muskulatur bei der digitalen<br />

Untersuchung des Analkanals mit einiger<br />

Übung sicher beurteilen. Bei der Darstellung<br />

der klinischen Diagnostik wurde bereits auf die<br />

wesentlichen Dinge hingewiesen. Es ist wichtig,<br />

die Muskulatur unter unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />

der Ruhe, der Kontraktion<br />

und evtl. auch beim Pressen oder Husten zu<br />

beurteilen. Bei entsprechender Erfahrung lässt<br />

sich digital auch die Analkanallänge bewerten<br />

und hierdurch auf die gesamte zur Verfügung<br />

stehende Muskelmenge rückschließen.<br />

Apparative Diagnostik<br />

Unter den instrumentellen Untersuchungen<br />

gelten zumindest die starren endoskopischen<br />

Untersuchungen – die Rektosigmoidoskopie<br />

und Proktoskopie – als unersetzliche Routineuntersuchungen.<br />

Die flexiblen Instrumente<br />

werden eher im Sinne einer weitergehenden<br />

Diagnostik bei Problemfällen und zur Ausschlussdiagnostik<br />

bei rektoskopisch nachgewiesenen<br />

Befunden eingesetzt. Die Proktoskopie<br />

erreicht eine Übersicht über den analen Kanal<br />

und das untere Rektum. Sie zeigt beispielsweise<br />

entzündliche oder postoperative Läsionen des<br />

Anoderms an und lässt dementsprechend auf<br />

eine sensorische Kontinenzschwäche schließen.<br />

Beide Untersuchungen sollten aber immer auch<br />

unter »funktionellen Gesichtspunkten« durchgeführt<br />

werden, d.h. mit einem Pressakt des<br />

Patienten. Auf diese Weise kann ein latenter<br />

Rektumprolaps erkannt werden.<br />

Die weiterführenden Untersuchungen zur<br />

Abklärung einer Stuhlinkontinenz können ein<br />

weites Spektrum diagnostischer Maßnahmen<br />

umfassen, die darum nicht »routinemäßig«<br />

zur Anwendung kommen. Sie umfassen insbesondere<br />

eine endorektale Sonographie, eine<br />

anorektale Manometrie und eine elektromyographische<br />

Untersuchung der quergestreiften<br />

Muskulatur des Analkanals und Beckenbodens.<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

Wesentliches Ergebnis der <strong>Dr</strong>uckmessung ist<br />

nicht so sehr die Festlegung darauf, ob hier<br />

ein erniedrigter Ruhedruck und ein erniedrigter<br />

<strong>Dr</strong>uck bei maximaler Willkürkontraktion<br />

vorliegt, sondern vielmehr die Form der<br />

<strong>Dr</strong>uckkurve bei einer Durchzugsmanometrie<br />

mit Festlegung der Länge der analen Hochdruckzone.<br />

Das Ausmaß eines Defektes in der Muskulatur<br />

lässt sich am besten endosonographisch<br />

darstellen. In früheren Jahren wurde<br />

ein elektromyographisches Mapping mit der<br />

konzentrischen Nadelelektrode durchgeführt.<br />

Mit der Entwicklung der Endosonographie ist<br />

diese schmerzhafte Untersuchung inzwischen<br />

vollkommen verlassen worden. Bereits durch<br />

die einfache digitale Untersuchung lässt sich die<br />

Größe eines Muskeldefekts bzw. eine Narbe in<br />

der Muskulatur wesentlich präziser bestimmen<br />

als durch die <strong>Dr</strong>uckmessung. Die <strong>Dr</strong>uckmessung<br />

ist für die Inkontinenzdiagnostik von<br />

untergeordneter Bedeutung. Die Abschätzung<br />

des Ausmaßes einer neurogenen Schädigung<br />

erfordert besondere neurophysiologische Erfahrung.<br />

Sie ist wünschenswert zur präoperativen<br />

Bewertung des zu erwartenden <strong>Therapie</strong>erfolgs.<br />

Die Bestimmung der sog. PNTML versucht eine<br />

Quantifizierung. Sie hat sich aber im klinischen<br />

Alltag nicht als wesentlicher Parameter für die<br />

Indikationsstellung zu operativen Maßnahmen<br />

etabliert. Die Überprüfung des Analreflexes ist<br />

leicht möglich, die Bewertung einer Seitendifferenz,<br />

einer abgeschwächten oder sehr lebhaften<br />

Reflexantwort gelegentlich schwierig.<br />

Im bisher skizzierten Ablauf der Anamnese<br />

und proktologischen Untersuchung finden sich<br />

die wesentlichen Details, die für die Abklärung<br />

einer Inkontinenz von Bedeutung sind.<br />

Die diagnostische Klärung einer Inkontinenz<br />

sollte unter chirurgisch-proktologischen Gesichtspunkten<br />

grundsätzlich zielgerichtet und<br />

dadurch effizient erfolgen. Es ist vorteilhaft,<br />

von Beginn an die standardisierten <strong>Therapie</strong>optionen<br />

im Blickfeld zu haben. Dann kann die<br />

Diagnostik zumeist mit einfachen klinischen<br />

Maßnahmen erfolgen. Die schematisierte komplette<br />

Abfolge aller möglichen diagnostischen<br />

Verfahren erscheint verzichtbar. Unter dem<br />

Blickwinkel der chirurgisch-operativen Op-


13 Anale Inkontinenz<br />

tionen werden die einzelnen Komponenten<br />

des Kontinenzorgans in der nachfolgenden<br />

Weise abgefragt:<br />

Finden sich außen Narben?<br />

Man sucht nach Residuen einer Voroperation<br />

oder Verletzung.<br />

Wie ist der Ruhetonus?<br />

Er erlaubt einen Rückschluss auf die<br />

Funktion des M. sph. ani internus.<br />

Wie ist die maximale Willkürkontraktion?<br />

Sie erlaubt eine Rückschluss auf die<br />

Funktion der Puborektalis-Schlinge und<br />

des M. sph. ani externus<br />

Wie lang ist der Analkanal zu tasten?<br />

Hieraus ergibt sich eine Einschätzung der<br />

gesamten Muskelmenge<br />

Lassen sich Narben in der<br />

Muskulatur tasten?<br />

Sie sind erkennbar an der fehlenden<br />

Aktivität beim Kneifen und lassen auf<br />

traumatisch oder operativ bedingte<br />

Defekte schließen.<br />

Was ändert sich beim Betätigen<br />

der Bauchpresse?<br />

Auf diese Weise kann ein Rektumprolaps,<br />

ein Deszensus perinei oder eine Rektozele<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Zeigt sich bei der Proktoskopie<br />

das Anoderm intakt?<br />

Größere Defekte können eine sensorische<br />

Inkontinenz bedingen.<br />

Schließt sich der Analkanal nach der Untersuchung<br />

auffallend langsam?<br />

Dieses Phänomen kann Ausdruck einer<br />

neurogenen Schädigung sein.<br />

Nach dieser diagnostischen Klärung sind mögliche<br />

operative <strong>Therapie</strong>ansätze und dementsprechend<br />

auch konservative Problemlösungen<br />

erkennbar. Sie werden durch die weiterführenden<br />

Untersuchungen der Endosonographie und<br />

ggf. Manometrie nur noch abgesichert bzw.<br />

differentialdiagnostisch eingeengt. Wichtig<br />

kann die gastroenterologische und neurologische<br />

Zusatzuntersuchung sein, um beispielsweise<br />

Stoffwechselstörungen oder spinale oder<br />

höhere Läsionen bzw. Systemerkrankungen<br />

auszuschließen. Zuletzt ergeben sich dann<br />

neben einer differenzierten indikatorischen<br />

Auswahl der Patienten auch Hinweise auf die<br />

chirurgisch erreichbaren Erfolge der Wiederherstellungsoperation.<br />

Demzufolge ist es sehr<br />

wesentlich, im Rahmen der präoperativen<br />

Diagnostik konservativ adäquat therapierbare<br />

Formen der Inkontinenz auszufiltern und bei<br />

den operativ zu behandelnden Fällen differenzierte<br />

Aussagen zu treffen über das Ausmaß<br />

und die Lokalisation der zugrunde liegenden<br />

Störung.<br />

Die Option einer operativen <strong>Therapie</strong><br />

der analen Inkontinenz lässt sich durch<br />

eine klinische Untersuchung und ggf. Endosonographie<br />

mit hinreichender Sicherheit<br />

klären.<br />

<strong>Therapie</strong> der Inkontinenz<br />

Entsprechend der Differenzierung der Inkontinenzform<br />

kann eine Strategie der Wiederherstellung<br />

der Kontinenz erstellt werden, die<br />

häufig konservative und operative Möglichkeiten<br />

kombiniert.<br />

Differenzierte <strong>Therapie</strong> der Tafel 13-2<br />

Inkontinenzformen<br />

1. Konservative <strong>Therapie</strong> der<br />

analen Inkontinenz<br />

a) Beratung (Aufklärung,<br />

Verhaltensänderung)<br />

b) Medikamentöse <strong>Therapie</strong><br />

c) Übungsverfahren (Biofeedback,<br />

Schwellstromtherapie)<br />

Fortsetzung S.106<br />

105


106<br />

2. <strong>Therapie</strong> übergeordneter Störungen<br />

der Kontinenz<br />

a) Behandlung einer Diarrhoe,<br />

antiinflammatorische <strong>Therapie</strong><br />

b) Operative <strong>Therapie</strong> der Prolapsformen<br />

3. Rekonstruktive Chirurgie des<br />

Kontinenzorgans<br />

a) plastische Wiederherstellung<br />

des sensiblen Analkanals<br />

b) muskuläre Wiederherstellung<br />

(Sphinkterrekonstruktion, Schließmuskelersatzdurch<br />

dyn. Grazilisplastik<br />

oder artificial bowel sphincter)<br />

c) mechanische Korrektur des neurog.<br />

Schadens (postanal repair, ant.<br />

Levatarenplastik)<br />

d) sakrale Nervenstimulation<br />

e) Augmentation des Sphinkters<br />

(Silicon-Injektion, Secca®)<br />

f) Stomaanlage als Umwandlung in<br />

kotrollierte Inkontinenz<br />

Die unterschiedlichen <strong>Therapie</strong>optionen zur<br />

Behandlung der analen Inkontinenz sollen im<br />

Folgendem nach der Gliederung in der vorstehenden<br />

Tabelle beschrieben werden.<br />

Konservative <strong>Therapie</strong><br />

Die konservative <strong>Therapie</strong> der analen Inkontinenz<br />

stützt sich auf mehrere Säulen. Zum einen<br />

wird den Patienten eine Beratung bezüglich<br />

einer möglichen Problemlösung gegeben und<br />

zum anderen gibt es Ansätze zu einer medikamentösen<br />

<strong>Therapie</strong>. Als <strong>Dr</strong>ittes wird eine<br />

passive und aktive Übungsbehandlung unter<br />

Anleitung durchgeführt, die letztendlich in ein<br />

lebenslanges aktives Training des Patienten<br />

übergehen muss.<br />

Beratung und Aufklärung zur Verhaltensänderung:<br />

Die Beratung des Patienten beginnt mit<br />

einer genauen Erhebung der Vorgeschichte. Ein<br />

Hilfsangebot zur Problemlösung stützt sich auf<br />

Empfehlungen hinsichtlich der anamnestisch<br />

verifizierten möglichen Angriffspunkte. Zu-<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

nächst muss die bevorzugte Kostform erfragt<br />

werden. Bei eingeschränkter Kontinenzleistung<br />

ist es zumeist sinnvoll eine eher schlackenarme<br />

Kost einzuhalten als eine schlackenreiche. Die<br />

festere Konsistenz des Darminhaltes überfordert<br />

den Kontinenzmechanismus seltener als weiche<br />

Stühle. Die additive Gabe von flüssigkeitsbindenden<br />

Schlackenstoffen ist im Einzelfall in<br />

ihrer Wirkung zu überprüfen. Alimentär bedingte<br />

Diarrhoen sind durch eine entsprechende<br />

Kostberatung zu vermeiden. Mitunter ergeben<br />

sich Ansätze zu einer Beeinflussung der Häufigkeit<br />

der Inkontinenzepisoden durch das Führen<br />

eines Stuhltagebuchs. Dabei ergeben sich dann<br />

Hinweise darauf, dass ein prophylaktischer<br />

Toilettenbesuch zu bestimmten Tageszeiten<br />

sinnvoll sein kann (Toilettentraining). In diesem<br />

Zusammenhang ist in geeigneten Fällen auch<br />

immer die Möglichkeit einer Programmierung<br />

der Stuhlentleerung z.B. durch rektale Entleerungshilfen<br />

wie CO 2-freisetzende Suppositorien<br />

oder Klistiere zu überlegen.<br />

Medikamentöse Therpie: Eine medikamentöse<br />

<strong>Therapie</strong> beschränkt sich bei der Behandlung<br />

der analen Inkontinenz im wesentlichen auf<br />

Medikamente zur Motilitätshemmung und<br />

ggf. zur Verbesserung einer gestörten Gallensäurenresorption.<br />

Eine solche Medikation<br />

sollte aber bei gehäuften durchfälligen<br />

Stuhlentleerungen unbedingt versucht werden<br />

und der Patient sollte diese Medikation auch<br />

längerfristig verwenden. Die Dosierung erfolgt<br />

dann anhand des sich einstellenden Erfolgs<br />

bzw. der Verfestigung der Stuhlkonsistenz.<br />

Bei einer Überdosierung kann gelegentlich die<br />

Gabe eines Laxans bzw. von rektalen Entleerungshilfen<br />

erforderlich sein. Dass Laxanzien<br />

und sogenannte »Weichmacher« des Stuhles<br />

bei einer Kontinenzschwäche kontraindiziert<br />

sind, versteht sich von selbst. Insbesondere<br />

nach Operationen wird häufig ungerechtfertigterweise<br />

ein sogenannter »Weichmacher«<br />

verordnet, was dann ein operativ bedingtes<br />

Kontinenzdefizit umso deutlich manifest werden<br />

lässt.<br />

Die medikamentöse <strong>Therapie</strong> umfasst desweiteren<br />

topisch wirkende Substanzen für die<br />

Pflege der perianalen Haut und des durch die


13 Anale Inkontinenz<br />

gehäuften Stuhlentleerungen gelegentlich in<br />

Mitleidenschaft gezogenen Anoderms. Im Regelfall<br />

und zur Langzeittherapie werden dabei<br />

hautpflegende Substanzen verwendet, wie<br />

beispielsweise einfache Wund- und Heilsalben.<br />

Die Verwendung einer Paste kann immer dann<br />

empfohlen werden, wenn ein erosives Ekzem<br />

mit einer gewissen Sekretabsonderung besteht.<br />

Zur ausschließlichen <strong>Therapie</strong> der Folge einer<br />

inkontinenzgeschädigten perianalen Haut sind<br />

topisch wirkende Kortikosteroide zumeist entbehrlich.<br />

Die Langzeittherapie sollte mit inerten<br />

Substanzen erfolgen.<br />

In geeigneten Fällen können zusätzlich<br />

Analtampons verordnet werden. Hierbei handelt<br />

es sich um Tampons unterschiedlicher Größe<br />

und Form, die entsprechend der individuellen<br />

anatomischen Konfiguration des Analkanals<br />

eingesetzt werden können und die sich dann<br />

durch die Körperwärme und aus dem unteren<br />

Rektum aufgesaugte Flüssigkeit ausdehnen<br />

und so den Analkanal verschließen.<br />

Übungsverfahren: Ein passives und aktives<br />

Training der Schließmuskulatur, das nach einer<br />

entsprechenden Lernphase vom Patienten eigenständig<br />

als ein lebenslanges Training fortgeführt<br />

wird, stellt eine weitere wesentliche Säule<br />

der konservativen Inkontinenzbehandlung dar.<br />

Da die Kontinenzdefizite, wie oben erwähnt,<br />

ganz unterschiedliche Ursachen haben können,<br />

lässt sich nicht schlagwortartig sagen, dass dem<br />

betroffenen Patienten mit einem sogenannten<br />

Sphinktertraining als pauschaler Empfehlung<br />

geholfen werden kann. Nicht selten haben die<br />

Patienten neben einer motorischen Schwäche<br />

auch sensorische Defizite bzw. sie haben in<br />

ihrem Verhalten bei der Defäkation verlernt, die<br />

richtigen Muskelgruppen zur Aufrechterhaltung<br />

der Verschlussleistung zu innervieren. Schon<br />

bei der klinischen Untersuchung fällt auf, dass<br />

der Patient bei der Aufforderung zum Kneifen<br />

zunächst beispielsweise nur die auxiliäre<br />

Glutealmuskulatur betätigt. Bei wiederholter<br />

Aufforderung zur Kontraktion unter digitaler<br />

Bewusstmachung, dass die anale Muskulatur<br />

zu innervieren ist, gelingt es diesen Patienten<br />

dann, eine gewisse Aktivität in der analen Muskulatur<br />

aufzubauen. Diese übende Behandlung<br />

sollte möglichst häufig unter Anleitung eines<br />

kundigen Physiotherapeuten erfolgen. Längere<br />

Zeiten einer ineffizienten Übungsbehandlung<br />

mit entsprechender Frustration des Patienten<br />

werden dann vermieden.<br />

Es kann zusätzlich sinnvoll sein, im Rahmen<br />

der Übungsbehandlung initial eine Elektrostimulation<br />

mittels Schwellstrom durchzuführen.<br />

Diese Schwellstromtherapie kann<br />

programmiert mit wechselnden Stromstärken<br />

und Änderungen der Stromapplikation anhand<br />

eines Übungsprotokolls erfolgen. Der<br />

Patient verspürt dabei den Stromimpuls in<br />

der Muskulatur und erlangt schnell wieder<br />

das Gefühl für die Betätigung der entsprechenden<br />

Muskelgruppen. Im weiteren Verlauf<br />

muss dann eine passive Übungsbehandlung<br />

mittels eines Biofeedback-Trainings hinzukommen.<br />

Das Biofeedback-Training sollte in<br />

ein festes Programm mit einem definierten<br />

Trainingsablauf eingebaut sein. Dies erfordert<br />

intensive Kontrollen durch den Therapeuten.<br />

Die Bewertung der beiden <strong>Therapie</strong>verfahren<br />

stellt sich in kontrollierten Studien wesentlich<br />

kritischer dar als in den »Anwendungsbeobachtungen«,<br />

die von zahlreichen Autoren<br />

publiziert wurden.<br />

Die Arbeitsgruppe am St. Marks-Hospital<br />

in London hat im Jahre 2003 eine randomisierte<br />

kontrollierte Studie zum Biofeedback<br />

vorgelegt, die eine neue, kritische Bewertung<br />

dieser <strong>Therapie</strong>form nahelegt. Die Studie umfaßte<br />

4 Patientengruppen mit konservativer<br />

<strong>Therapie</strong>. In allen Gruppen gleich erfolgte die<br />

anamnestische Befragung des Patienten und die<br />

strukturierte Bewertung sowie die psychologische<br />

Betreuung und Anleitung des Patienten<br />

im Umgang mit der Stuhlinkontinenz.<br />

In der Gruppe I erfolgten keine weiteren<br />

Maßnahmen. Falls zuvor schon eine motilitätshemmende<br />

Medikation erfolgt war, wurde<br />

diese fortgeführt und der Patient in die »erfolgsadaptierte«<br />

Dosierung dieser Medikamente<br />

besonders eingewiesen. Die Patienten<br />

der zweiten Gruppe erhielten zusätzlich zu<br />

diesen skizzierten Maßnahmen Anweisungen<br />

für Schließmuskelübungen unter einmaliger<br />

digitaler Kontrolle durch den Untersucher.<br />

Sie wurden dann angehalten täglich fünfzig<br />

107


108<br />

anhaltende und fünfzig kurze Kontraktionen<br />

durchzuführen. In der dritten Gruppe erhielten<br />

die Patienten eine computergestützte Biofeedback-Behandlung,<br />

wobei sie mehrfach wieder<br />

einbestellt wurden. In der vierten Gruppe erhielten<br />

die Patienten das gleiche Programm<br />

und zusätzlich ein Biofeedback-Gerät für die<br />

Heimanwendung. Sie sollten täglich 20 min. die<br />

Biofeedback-<strong>Therapie</strong> durchführen. Bewertet<br />

wurde dann die Patientenzufriedenheit, sowie<br />

die Einschätzung der Lebensqualität bzw. von<br />

Angstzuständen oder Depressionen nach der<br />

Behandlung. Unerwarteterweise zeigte sich bei<br />

den Kontroll-Untersuchungen, dass durch das<br />

Biofeedback die therapeutische Effektivität im<br />

Vergleich zur konservativ beratenden Behandlung<br />

des Patienten nicht verbessert wurde. Nach<br />

einem Jahr gaben 74 % aller Patienten an, dass<br />

die Situation subjektiv besser sei als vor Beginn<br />

der Behandlung. Die Autoren schließen daraus,<br />

dass die Betreuung durch den Untersucher bzw.<br />

Therapeuten von entscheidender Bedeutung<br />

ist. Aktuell zeichnet sich bereits eine Reaktion<br />

einzelner Kostenträger auf diese Studie ab. Aus<br />

der Sicht der betroffenen Patienten muss aber<br />

die Forderung nach einer intensiven Beratung<br />

und Betreuung erhoben werden, die im Einzelfall<br />

sehr zeitaufwändig und dementsprechend<br />

mit Kosten verbunden ist.<br />

Die Wertigkeit des Biofeedbacktrainings<br />

zur <strong>Therapie</strong> der analen Inkontinenz wird<br />

aktuell in Frage gestellt.<br />

Neben allen konservativen <strong>Therapie</strong>empfehlungen<br />

ist über eine mögliche Prophylaxe der<br />

Inkontinenz aufzuklären. Immer wieder ist<br />

der Hinweis erforderlich, dass es wichtig ist,<br />

ein zu kräftiges Pressen bei der Defäkation zu<br />

vermeiden, da es Wegbereiter eines Prolapses<br />

sein kann. Erleichtert wird die Stuhlentleerung<br />

durch eine schlackenreiche Kost mit adäquater<br />

Flüssigkeitszufuhr. Bei gefährdeten Patienten,<br />

z.B. mit rektalen Entleerungsstörungen sind<br />

rektale Entleerungshilfen (Klistier, Lecicarbon-<br />

Supp.) statt oraler Laxanzien indiziert. Ein<br />

prophylaktisches Beckenbodentraining etwa<br />

nach dem im folgendem skizzierten Vorschlag<br />

kann sehr wertvoll sein.<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

Patientenmerkblatt zur Trainingsbehandlung<br />

bei Beckenbodenschwäche<br />

Die Beckenbodenschwäche führt zu<br />

einer langsam zunehmenden Undichtigkeit<br />

von Blase und Afterkanal. Dabei kann<br />

man durch ein Training der Beckenbodenmuskulatur<br />

die Probleme bessern.<br />

Übung A: Legen Sie sich<br />

auf den Rücken und schlagen Sie die<br />

gestreckten Beine übereinander.<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Hüften etwas anheben, ggf.<br />

Kissen unterlegen.<br />

Gesäßmuskulatur zusammenkneifen<br />

und Oberschenkel gegeneinanderpressen<br />

Muskeln im Beckenboden so<br />

anspannen, als wollten Sie Urin<br />

oder Durchfall zurückhalten.<br />

Alle Muskeln 5 – 10 Sekunden<br />

gespannt halten.<br />

Normal atmen!<br />

Übung B: Die Übung können Sie auch<br />

im Knien, Sitzen oder Stehen machen. Dabei<br />

werden dann die Beine nicht übereinandergeschlagen<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Füße leicht nach außen drehen, so<br />

dass sich die Fersen berühren.<br />

Muskeln von Gesäß, Beckenboden<br />

und Oberschenkeln anspannen.<br />

Muskeln (wie bei Übung A:)<br />

5 – 10 Sekunden gespannt halten !<br />

Übung mehrmals täglich wiederholen !<br />

Übung C:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Aufrecht sitzen, mit den Füßen am<br />

Boden und den Fersen gegeneinander.<br />

Hände über Kreuz auf die Innenseiten<br />

der Knie legen und nach außen<br />

drücken. Dabei die Knie zusammenpressen.<br />

Entspannen Sie sich.<br />

Übung 10 – 15 x<br />

wiederholen ! Fortsetzung S. 109


13 Anale Inkontinenz<br />

Unabhängig von diesen Übungen sollten<br />

Sie beim Wasserlassen den Urinstrahl 2 – 4<br />

x durch Zukneifen der Schließmuskula tur<br />

unterbrechen. Auch diese Maßnahme kräftigt<br />

die Muskulatur und ist ungefährlich.<br />

Außerdem sollten Sie jedes Auftreten eines<br />

<strong>Dr</strong>uckgefühls auf den Beckenboden<br />

vermeiden. Dies kommt insbesondere vor<br />

bei schwerem Heben, falschem Bücken<br />

und langem Stehen. Unbedingt vermeiden<br />

sollten Sie ein starkes Pressen bei der Stuhlentleerung<br />

oder ein andauerndes Pressen<br />

bei vergeblichem Stuhldrang.<br />

Bei unvermeidbaren Belastungen (Husten,<br />

Niesen, Heben, Tragen) sollten Sie nach<br />

Möglichkeit die Beckenbodenmuskulatur<br />

angespannt halten!<br />

Die konservative <strong>Therapie</strong> der analen<br />

Inkontinenz gliedert sich in Beratung und<br />

Aufklärung, medikamentöse <strong>Therapie</strong> und<br />

aktive bzw. passive Übungsbehandlung<br />

der Sphinktermuskulatur. Der Stellenwert<br />

besonders der Biofeedbackbehandlung<br />

wird in jüngerer Zeit in Frage gestellt.<br />

Die Schwellstromtherapie ist ebenfalls nicht<br />

evidenzbasiert.<br />

<strong>Therapie</strong> übergeordneter Störungen: Die Be-<br />

handlung einer Diarrhoe oder die antiinflammatorische<br />

<strong>Therapie</strong> im Rahmen einer chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankung geht<br />

selbstverständlich jeder chirurgischen <strong>Therapie</strong><br />

voran. Die <strong>Therapie</strong>prinzipien bei Stoffwechselstörungen<br />

und chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankungen sind gut festgelegt. Sie<br />

lassen sich aus den Lehrbüchern der Gastroenterologie<br />

entnehmen.<br />

Differentialdiagnostisch entscheidend<br />

bei der <strong>Therapie</strong> der Prolapsformen ist die<br />

Trennung zwischen einem Analprolaps und<br />

einem Rektumprolaps. Dies klingt banal, ist<br />

in der täglichen Praxis aber als häufiges Problem<br />

erfahrbar. Die operative Korrektur eines<br />

Analprolapses erfolgt bei entsprechender Beschwerdesymptomatik<br />

durch eine geschlossene<br />

Hämorrhoidektomie. Zur <strong>Therapie</strong> des Rektumprolapses<br />

sei auf Kap. 12 verwiesen.<br />

Operative <strong>Therapie</strong><br />

Rekonstruktive Chirurgie des Kontinenzorgans:<br />

Nachfolgend werden die etablierten Operationsverfahren<br />

zur Kontinenzverbesserung dargestellt,<br />

die im Bereich des Kontinenzapparates<br />

vorgenommen werden.<br />

Plastische Wiederherstellung des sensiblen<br />

Analkanals: Das Anoderm als Rezeptorfläche<br />

der sensiblen Afferenzen kann durch lokale<br />

Einflüsse irritiert oder nach Operationen,<br />

massiven Entzündungen oder Verletzungen<br />

weitgehend oder komplett entfernt sein. Hieraus<br />

resultiert eine korrekturbedürftige Kontinenzschwäche.<br />

Die heute obsolete »ultraradikale Hämorrhoidektomie«<br />

nach Whitehead erfolgte<br />

ungeachtet der Funktion des Anoderms als<br />

Rezeptorfläche so, dass neben dem Hämorrhoidalplexus<br />

auch das gesamte Anoderm operativ<br />

entfernt wurde. Ein solches Vorgehen hat zur<br />

Folge, dass eine komplette sensorische Inkontinenz<br />

besteht und der Patient trotz erhaltener<br />

muskulärer Kontinenz den Stuhldurchtritt erst<br />

bemerkt, wenn der Stuhl in Kontakt kommt<br />

mit der äußeren Haut.<br />

Die operative Korrektur des vollständig<br />

entfernten Anoderms erfolgt durch Verschiebung<br />

der perianalen Haut nach intraanal. Hierfür<br />

sind zwei operative Verfahren gebräuchlich,<br />

nämlich zum einen die Schwenklappenplastik<br />

nach Ferguson mit einem bogenförmigen Einschwenken<br />

eines Haut-/Subkutislappens von<br />

perianal nach intraanal und zum anderen die<br />

Korrektur durch kleinere Verschiebelappenplastiken<br />

von Haut und Subkutangewebe, die<br />

am Analrand mobilisiert werden und dann<br />

zungenförmig nach intraanal verschoben und<br />

dort im Bereich der Rektumschleimhaut fixiert<br />

werden. Das letztgenannte Verfahren der U-<br />

Lappenplastik nach Fansler-Arnold ist als das<br />

weniger aufwändige Verfahren zu bewerten.<br />

Bei glatter Einheilung der Hautläppchen wird<br />

wieder eine Zone mit adäquater Sensibilität<br />

im unteren Analkanal aufgebaut.<br />

Mitunter kommt es durch prolabierende Tumoren<br />

zu einer Irritation der sensiblen Rezeptoren<br />

im Analkanal, wenn beispielsweise ein großes<br />

109


110<br />

Abb.13-3 Whiteheadkorrektur:<br />

Verschiebelappenplastik nach FERGUSON,<br />

präoperative Planung<br />

Abb.13-4 Whiteheadkorrektur: Situs<br />

nach einseitiger Fergusonplastik<br />

Analfibrom an der Dentatalinie den Analkanal<br />

irritiert. Aufgrund eines solchen im Analkanal<br />

befindlichen Tumors kann es zu einer<br />

Relaxation der Schließmuskulatur zur Unzeit<br />

kommen mit der Folge eines unfreiwilligen<br />

Stuhlabganges. In allen Fällen erscheint die<br />

Abtragung des Tumors als adäquate <strong>Therapie</strong><br />

zur Behebung der Fehlfunktion.<br />

Muskuläre Wiederherstellung: Die Wiederherstellung<br />

einer muskulären Hochdruckzone<br />

im Analkanal kann prinzipiell durch eine Rekonstruktion<br />

der geschädigten, ortsständigen<br />

Muskulatur oder durch eine Schließmuskelersatzplastik<br />

erreicht werden.<br />

Sphinkterrekonstruktion: Die häufigste Ursache<br />

für Sphinkterläsionen sind Geburtstraumata<br />

sowie Operationsfolgen, beispielsweise nach<br />

Fistelspaltungen. Im Rahmen einer Geburtsverletzung<br />

erfolgt die Rekonstruktion der ein-<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

gerissenen Muskelanteile unmittelbar nach<br />

der Entbindung durch den Gynäkologen. Die<br />

Muskelenden werden dargestellt und durch<br />

Nähte wieder adaptiert. Diese Maßnahme führt<br />

in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu<br />

einem funktionell guten Ergebnis. In Einzelfällen<br />

kommt es aber zur sekundären Ruptur der<br />

Nähte, beispielsweise durch eine Infektion im<br />

Bereich der Narbe. In diesen Fällen verbleibt<br />

ein Kontinenzdefizit, das sekundär Anlass gibt,<br />

die Muskulatur operativ wieder aufzubauen.<br />

Bei der Muskelrekonstruktion wird zunächst<br />

die Hautnarbe eröffnet und dann das subkutan<br />

liegende Narbengewebe soweit freipräpariert,<br />

dass die zu den Seiten zurückgewichenen<br />

Muskelenden sichtbar werden. Diese Muskelenden<br />

werden ein Stück weit freipräpariert und<br />

Abb.13-5 Sonographische Darstellung eines<br />

Externusdefektes bei 10 bis 11 Uhr. (siehe Pfeile)<br />

Abb.13-6 Sphinkterrekonstruktion:<br />

Darstellung der freipräparierten, narbig veränderten<br />

Muskelstümpfe beidseits.


13 Anale Inkontinenz<br />

auf diese Weise mobilisiert, so dass sie dann<br />

wieder miteinander vernäht werden können.<br />

Die sekundäre Muskelrekonstruktion ist<br />

auch lange Zeit nach dem Ereignis noch erfolgversprechend<br />

durchführbar. Limitierend für<br />

den Erfolg der Operation ist aber das Ausmaß<br />

des Defektes. Bei einem weitgehenden Defekt<br />

von etwa der Hälfte der Zirkumferenz ist der<br />

Wiederaufbau schwierig. Hier besteht eine<br />

Gefahr der Überdehnung und Gefügestörung<br />

der Muskulatur durch den Zug an den mobilisierten<br />

Muskelenden. Bei einer Naht unter entsprechender<br />

Spannung kann zudem sekundär<br />

noch eine Ruptur der Nähte ablaufen.<br />

Auch noch nach Jahrzehnten kann eine<br />

Sphinkterrekonstruktion nach Trauma mit<br />

gutem Erfolg durchgeführt werden.<br />

Weiterhin limitierend für den Erfolg der sekundären<br />

Muskelrekonstruktion ist eine zusätzlich<br />

zum Defekt bestehende neurogene Schädigung<br />

erheblichen Ausmaßes. In diesem Fall gelingt<br />

es zwar, wieder eine zirkuläre Muskelschlinge<br />

aufzubauen. Die nachfolgende Aktion ist aber<br />

aufgrund der weit fortgeschrittenen Denervation<br />

eingeschränkt, so dass keine zufriedenstellende<br />

Funktion erreicht wird.<br />

Bei der Indikation zur Durchführung einer<br />

Muskelrekonstruktion ist zu bedenken, dass die<br />

Operation am Analrand in potentiell infiziertem<br />

Gebiet abläuft. Dies erfordert entsprechende<br />

Sicherheitsmaßnahmen (präoperative Spülung<br />

des Darmes, präoperative Antibiose, postoperative<br />

Nahrungskarenz) und eine adäquate<br />

Erfahrung des Operateurs. Operationstechnisch<br />

ist der Eingriff nicht sehr aufwändig, insofern<br />

ergeben sich auch keine spezifischen Kontraindikationen.<br />

Aufgrund dieser bei entsprechender<br />

Erfahrung des Operateurs relativ einfachen<br />

Durchführbarkeit ist die Indikation zur Rekonstruktionsoperation<br />

eigentlich immer dann<br />

gegeben, wenn aufgrund der Defektgröße und<br />

der Restinnervation der Muskulatur ein Erfolg<br />

erwartet werden kann. In sofern ist ein Versuch<br />

der Rekonstruktion der autochthonen Muskulatur<br />

auch vor einer geplanten Schließmuskelersatzplastik<br />

immer sorgfältig zu erwägen.<br />

Schließmuskelersatz: Die Idee, den Funktionsausfall<br />

der analen Schließmuskulatur durch<br />

einen künstlichen Schließmuskelersatz zu kompensieren,<br />

ist nicht neu. Aktuell werden zwei<br />

unterschiedliche operative <strong>Therapie</strong>verfahren<br />

verfolgt und zwar zum einen die dynamische<br />

Grazilisplastik und zum anderen das Konzept<br />

des artificial-bowel-sphincter (ABS).<br />

Die dynamische Grazilisplastik beruht<br />

auf einem Verfahren, dass zu Beginn der 50er<br />

Jahre des vergangenen Jahrhunderts von Kinderchirurgen<br />

entwickelt wurde. Der M. gracilis<br />

wird an der Innenseite des Kniegelenkes gelöst<br />

und unter Erhalt seiner Durchblutung und Innervation<br />

mobilisiert. Über einen subkutanen<br />

Tunnel wird er um den Analkanal geschlungen<br />

und vermag so eine gewisse <strong>Dr</strong>uckbarriere<br />

aufzubauen. Die Ergebnisse der Grazilisplastik<br />

waren über Jahrzehnte unzureichend. Zwar<br />

hat sie in der Kinderchirurgie zur Kompensation<br />

angeborener Störungen einen gewissen<br />

Stellenwert erlangt. In der operativen Behandlung<br />

der erworbenen Inkontinenz beim<br />

Erwachsenen war das Verfahren aber immer<br />

subjektiv unbefriedigend, da die betroffenen<br />

Patienten zuvor das normale reflexgesteuerte<br />

Kontinenzverhalten erfahren hatten.<br />

Eine wesentliche Neuerung hat sich dadurch<br />

ergeben, dass in den 1980er Jahren<br />

das Konzept der dynamischen Grazilisplastik<br />

entwickelt wurde. Hierbei wird neben der<br />

Grazilistransposition ein Stimulator an den<br />

Muskel angelegt, der den Muskel kontinuierlich<br />

unter einen Kontraktionsreiz setzt. Dies<br />

führt zum Umbau der motorischen Fasern<br />

und auf Dauer zur Entwicklung einer statischen<br />

Haltekomponente des transponierten<br />

quergestreiften Muskels. Über einen externen<br />

Magnet muss die Stimulation zur Defäkation<br />

ausgeschaltet werden und nach Beendigung der<br />

Defäkation wieder neu angeschaltet werden.<br />

Das Operationsverfahren ist technisch somit<br />

aufwändig, das verwendete Instrumentarium<br />

zudem auch teuer. Als verfahrenabhängiges<br />

Problem ist die Infektionsgefahr zu erwähnen,<br />

die durch das implantierte Fremdkörpermaterial<br />

begünstigt wird. Das Problem der<br />

trophischen Störung des Muskels durch die<br />

Transposition ist bei entsprechender operativer<br />

111


112<br />

Erfahrung heutzutage gelöst. In der Initialphase<br />

der Etablierung des Verfahrens hat dies<br />

dazu geführt, dass mehrzeitig operiert wurde.<br />

Zunächst erfolgte die Transposition des Muskels<br />

und nach entsprechender Einheilung und<br />

Überprüfung der Vitalität des Muskelgewebes<br />

dann zweizeitig die Implantation des Schrittmachers<br />

und die Dynamisierung des Muskels.<br />

Die Implantation des Artificial-bowelsphincter<br />

(ABS) ist technisch weniger aufwändig.<br />

Das verwendete Instrumentarium liegt<br />

preislich aber in den gleichen Größenordnung.<br />

Es wird ein flüssigkeitsgefüllter Schlauch zirkulär<br />

um den Analkanal implantiert, der mit<br />

einem Reservoir verbunden ist, welches über<br />

eine Pumpe bedient werden kann. Der <strong>Dr</strong>uckgradient<br />

zwischen Reservoir und implantiertem<br />

Cuff ist so ausgelegt, dass sich der Cuff<br />

spontan füllt und das Lumen des Analkanals<br />

abdichtet. Zur Defäkation muss über eine<br />

Betätigung der Pumpe der Cuff in Richtung<br />

auf das Ballonreservoir entleert werden. Nach<br />

Beendigung der Defäkation erfolgt die Füllung<br />

des Cuffs wiederum automatisch entsprechend<br />

dem bestehenden <strong>Dr</strong>uckgradienten.<br />

Bei diesem Verfahren ist somit kein körpereigener<br />

Muskel zu mobilisieren. Es wird<br />

aber ein relativ großer Fremdkörper um den<br />

Analkanal eingebracht mit einer entsprechend<br />

großen Gefahr einer sekundären Infektion.<br />

Die Infektion ist als wesentlicher Grund dafür<br />

anzusehen, dass im weiteren Verlauf in etwa<br />

ein <strong>Dr</strong>ittel der Fälle Probleme entstehen, die bis<br />

zur Explantation des eingebrachten Systems<br />

führen können. Trotz sorgfältiger operativer<br />

Techniken bei der Implantation lässt sich die<br />

Infektion aufgrund der Nähe des Materials zum<br />

Analkanal nicht immer verhindern.<br />

Das Einbringen größerer Fremdkörper<br />

analnah birgt die hohe Gefahr einer primären<br />

oder sekundären Infektion des Implantates<br />

mit konsekutiver Explantation.<br />

Für beide heute gebräuchlichen Verfahren zum<br />

künstlichen Schließmuskelersatz werden Ergebnisse<br />

berichtet, die von einer Verbesserung bzw.<br />

vollständigen Wiederherstellung der Kontinenz<br />

in bis zu 70% der Fälle ausgehen. Begleitend zur<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

Nachuntersuchung bezüglich der Kontinenzfunktion<br />

gibt es zahlreiche Berichte über eine<br />

entsprechende Besserung der Lebensqualität.<br />

Die Operationsverfahren sollten darum heutzutage<br />

in das Konzept der operativen Schließmuskelwiederherstellung<br />

einbezogen werden.<br />

Als besonderes Problem stellt sich der Preis<br />

des verwendeten Instrumentariums dar. Der<br />

Stellenwert der Verfahren ist aber sicherlich so<br />

festzulegen, dass sie erst nach Fehlschlagen der<br />

konservativen und bisher skizzierten operativen<br />

<strong>Therapie</strong>verfahren zur Anwendung kommen<br />

sollten. Insbesondere eine Muskelrekonstruktion<br />

des verletzten Schließmuskels sollte vor der<br />

Implantation eines künstlichen Schließmuskels<br />

versucht werden. Bezüglich der Indikation bei<br />

einer ausgeprägten neurogenen Schädigung<br />

ist zu bedenken, dass durch die ausgiebige<br />

Untertunnelung der Perianalregion natürlich<br />

in Einzelfällen Reststrukturen der Innervation<br />

zusätzlich geschädigt werden können. Ein<br />

fehlgeschlagener Schließmuskelersatz führt zu<br />

einer Situation, die unter Umständen nur noch<br />

mittels eines Kolostomas kompensiert werden<br />

kann. Diese Probleme sind mit dem Patienten<br />

vor Durchführung der Operation deutlich zu<br />

besprechen. In Wertung der Komplikationen<br />

bei beiden skizzierten Operationsverfahren ist<br />

derzeit eher der dynamischen Grazilisplastik<br />

der Vorzug zu geben. Sie verwendet körpereigenes<br />

Material und mit den eingebrachten<br />

<strong>Dr</strong>ahtelektroden eine kleinere Menge Fremdkörpermaterial.<br />

Die Indikation zum ABS ist<br />

dementsprechend gegeben nach Fehlschlag<br />

der dynamischen Grazilisplastik.<br />

Mechanische Korrektur des neurogenen Schadens:<br />

Bei einer neurogenen Schädigung stellt<br />

die Sphinkterraffung (als Postanal repair oder<br />

als anteriore Levatorenplastik) eine mechanische<br />

Korrekturmöglichkeit dar, deren Einsatz<br />

im individuellen Fall in Erwägung zu ziehen<br />

ist, wenngleich es sich bei diesen Operationen<br />

nicht um kausal eingreifende Verfahren handelt.<br />

Ursache der neurogenen Inkontinenz ist die<br />

schrittweise Denervation der quergestreiften<br />

Muskulatur des analen Verschlussapparates<br />

durch Überdehnung des Nervus pudendus im<br />

Sinne eines Traktionsschadens. Dieser Mecha-


13 Anale Inkontinenz<br />

nismus ist mit operativen Maßnahmen nicht<br />

kausal zu korrigieren.<br />

Bei der Postanal repair nach PARKS wird<br />

über einen Zugang dorsal des Afters der intersphinktäre<br />

Spalt zwischen M. sphincter ani<br />

internus und externus dargestellt. In diesem<br />

Spaltraum wird nach proximal hin präpariert<br />

und der Internus mitsamt dem Analkanal und<br />

unterem Rektum nach ventral abgedrängt. Dann<br />

werden die pubococcygeale, die puborektale<br />

und die externe Muskulatur durch Nähte zwischen<br />

beiden Seiten gerafft. Theoretisch ergibt<br />

sich als Ergebnis dieses Eingriffs:<br />

1. eine Verkleinerung des anorektalen<br />

Winkels und somit eine Verstärkung des<br />

Klappenmechanismus durch die Ventralisation<br />

des Analkanals,<br />

2. eine Verlängerung des Analkanals und<br />

somit der Kontaktzeit des Stuhles mit<br />

der Wand des Analkanals,<br />

3. eine größere »Vorspannung« in der<br />

erhaltenen Muskulatur, aus der trotz der<br />

partiellen Denervation eine verbesserte<br />

Aktivität resultiert. Dieses Phänomen<br />

kann auch über eine Verbesserung der<br />

tonischen Aktivität der Internusmuskulatur<br />

erklärt werden, die vor einer neuerlichen<br />

Überdehnung geschützt wird.<br />

Abb. 13-7 Postanal repair: Situs bei Abschluss<br />

der Operation, vor dem Hautverschluss. Der Anus<br />

ist ventralisiert, die V-förmige Hautinzision muss<br />

Y-förmig verschlossen werden.<br />

Diese Postulate von Parks sind häufig untersucht<br />

worden. Dabei konnte insbesondere keine<br />

Verbesserung des intraanalen <strong>Dr</strong>ucks gemessen<br />

werden. Dennoch gibt es zahlreiche klinische<br />

Studien, die eine gewisse Besserung der Kontinenzschwäche<br />

bei den Patienten nach einer<br />

Postanal repair dokumentieren. Das spezifische<br />

Problem dieses Operationsverfahrens besteht<br />

darin, dass die Effekte, die sich durch die Raffung<br />

erzielen lassen, nicht von längerer Dauer<br />

sind. Untersuchungen zu den Spätergebnissen<br />

haben gezeigt, dass sich die Kontinenz im Laufe<br />

einiger Jahre nach erfolgter Operation wieder<br />

verschlechtert. Aus diesem Grunde ist dieses<br />

Operationsverfahren heutzutage nur noch sehr<br />

wenigen Fällen vorbehalten.<br />

Bei der anterioren Levatorenplastik werden<br />

über einen Schnitt am Damm die beiden<br />

nach ventral an der Vagina vorbei zum Os<br />

pubis ziehenden Schenkel des M. puborectalis<br />

dargestellt. Sie werden zwischen Analkanal<br />

und Vagina durch Nähte miteinander vereinigt<br />

und schaffen so ein anterior gelegenes,<br />

muskuläres Widerlager. Ursprünglich wurde<br />

die anteriore Levatorenplastik nach Versagen<br />

der postanal repair als Zweiteingriff<br />

angeschlossen (total pelvic floor repair). Die<br />

Frühergebnisse dieser Eingriffe, die insbesondere<br />

in der Arbeitsgruppe von Keighley<br />

untersucht wurden, waren sehr gut. Dies hat in<br />

der Folgezeit dazu geführt, dass man bei einer<br />

kontinenzverbessernden Operation aufgrund<br />

einer neurogenen Schädigung zunächst mit<br />

dem ventralen Eingriff begonnen hat und den<br />

Eingriff der Postanal repair als metachronen<br />

Zweiteingriff indiziert hat. Gleichzeitig wurde<br />

durch die Intensivierung der endoluminären<br />

Sonographie vermehrt der Nachweis von umschriebenen<br />

Sphinkterdefekten post partum<br />

geführt, die klinisch zumeist nicht aufgrund<br />

einer äußeren Narbe in der Haut erkennbar<br />

waren. Diese »okkulten« Sphinkterverletzungen<br />

betrafen aufgrund des geburtstraumatischen<br />

Schädigungsmechanismus immer die vordere<br />

Zirkumferenz der Externusmuskulatur. Im Rahmen<br />

der anterioren Levatorenplastik wurden<br />

dann diese Muskelläsionen mit angegangen.<br />

Dies hat zu besseren Frühergebnissen der ventralen<br />

Raffung der Muskulatur geführt.<br />

113


114<br />

Abb.13-8 Anteriore Levatorenplastik:<br />

Situs nach Anlage der Nähte der Puborektalisschenkel.<br />

Der M. sphinkter ani externus<br />

ist separat freipräpariert<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weiterhin<br />

die Indikation zu muskelraffenden Verfahren<br />

bei der neurogenen analen Inkontinenz sehr<br />

kritisch gesehen werden muss. Die anteriore<br />

Levatorenplastik hat derzeit aber eine etwas<br />

größere Bedeutung als die Postanal repair.<br />

Insbesondere beim gleichzeitigen Nachweis<br />

eines anterioren Externusdefektes in Verbindung<br />

mit einer neurogenen Schädigung ist<br />

die Indikation zur anterioren Levatorenplastik<br />

gegeben. Die Risiken der Operation sind<br />

gering und auch beim älteren Patienten gut<br />

kalkulierbar, so dass in entsprechend geeigneten<br />

Fällen der Versuch einer operativen<br />

Kontinenzverbesserung gerechtfertigt ist. Beide<br />

Operationsverfahren haben nach wie vor auch<br />

einen gewissen Stellenwert als Zweiteingriff<br />

nach abdomineller Rektopexie bei postoperativ<br />

trotz konservativer <strong>Therapie</strong>maßnahmen<br />

anhaltender Inkontinenz.<br />

Sakrale Nervenstimulation: Für die Indikation<br />

der neurogenen analen Inkontinenz aufgrund<br />

eines Traktionsschadens des Nervus pudendus<br />

ist in neuerer Zeit die sakrale Nervenstimulation<br />

entwickelt worden. Dieses Verfahren stellt ein<br />

bestechendes Konzept dar.<br />

Bei der sakralen Nervenstimulation werden<br />

die Nervenwurzeln des N. pudendus an<br />

den Austrittsstellen im Bereich der sakralen<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

Foramina (S2 bis S4) stimuliert. Dies kompensiert<br />

bei entsprechender Stimulationsstärke<br />

die gestörte Nervenleitung zur quergestreiften<br />

analen Muskulatur. Durch das Verfahren wird<br />

also entfernt vom Erfolgsorgan ein Stimulus<br />

gesetzt, der das Erfolgsorgan in seiner Funktion<br />

verbessert. Die Implantation erfolgt von der<br />

Dorsalseite des Os sacrum, so dass der Eingriff<br />

die Implantation von Fremdkörpermaterial<br />

in der Nähe des Analkanals vermeidet. Dies<br />

zeichnet ihn deutlich vor den beiden beschriebenen<br />

operativen Verfahren zum künstlichen<br />

Schließmuskelersatz aus. Voraussetzung für<br />

das Gelingen der sakralen Nervenstimulation<br />

ist die morphologische Intaktheit des Nervus<br />

pudendus und auch natürlich die vollständige<br />

Intaktheit einer zirkulär agierenden Muskulatur.<br />

Vor Durchführung dieses Verfahrens ist also<br />

wiederum darauf hinzuweisen, dass ein größerer<br />

Muskeldefekt durch eine direkte Rekonstruktionsoperation<br />

überbrückt werden sollte.<br />

Augmentation des Sphinkters: In jüngster Zeit<br />

werden Verfahren zur Augmentation der ortsständigen<br />

Muskulatur propagiert, über deren<br />

Wertigkeit zum jetzigen Zeitpunkt noch keine<br />

Aussage möglich ist. Es handelt sich zum einen<br />

um die Injektion von Silikon-Mikroballons und<br />

zum anderen um die Temperaturkontrollierte<br />

Radiofrequenzapplikation (Secca-Verfahren).<br />

Mit dem letztgenannten Verfahren soll eine<br />

elektrothermische Muskelraffung erreicht werden.<br />

Durch die lokale Hitzeeinwirkung wird<br />

eine strukturelle Veränderung des Kollagens<br />

erzielt. Die Fasern fusionieren bei 45 °C und<br />

schrumpfen auf 1/3 ihrer Länge. Beide Verfahren<br />

schaffen wohl eine bessere Barrierefunktion,<br />

ohne aber durch eine Verbesserung<br />

der Elastizität auch das Reflexverhalten zu<br />

optimieren.<br />

Stomaanlage: Nicht selten verbleibt nach Fehlschlagen<br />

aller genannten operativen Maßnahmen<br />

nur die Anlage einer Kolostomie als<br />

ultima ratio. Für den Patienten erscheint diese<br />

Option zunächst inakzeptabel. Trotzdem schafft<br />

das sorgfältig geplante und perfekt angelegte<br />

Stoma eine Situation, die unter dem Blickwinkel<br />

der Lebensqualität der vorbestehenden


13 Anale Inkontinenz<br />

Inkontinenz überlegen sein kann. Die modernen<br />

Pflegesysteme und die Irrigation erlauben eine<br />

hygienisch einwandfreie Versorgung eines<br />

Stomas und machen den Stomaträger nicht<br />

mehr automatisch zum Außenseiter in der<br />

Gesellschaft.<br />

Ergebnisse der chirurgischen <strong>Therapie</strong>: Der<br />

inkontinente Patient erwartet von einer operativen<br />

Behandlung die komplette Wiederherstellung<br />

der Kontinenz durch einen einmaligen<br />

operativen Eingriff. Dies ist verständlich und<br />

das Konzept erscheint auch bestechend. Dennoch<br />

ist es für die präoperative Aufklärung<br />

des Patienten von großer Wichtigkeit, mit dem<br />

<strong>Therapie</strong>angebot der operativen Kontinenzwiederherstellung<br />

nicht zu große Erwartungen zu<br />

wecken. Eine Restitutio ad integrum ist in keinem<br />

Fall möglich, eine Funktionsverbesserung<br />

lässt sich dagegen in vielen Fällen erreichen.<br />

Auf diese graduelle Verbesserung als maximal<br />

mögliches <strong>Therapie</strong>ergebnis ist der Patient<br />

präoperativ bereits hinzuweisen. Gleichzeitig<br />

ist der Patient darauf hinzuweisen, dass das<br />

erreichbare Ergebnis möglicherweise nicht<br />

dauerhaft perfekt bleibt, sondern dass sich im<br />

Laufe von Jahren wiederum ein zunehmendes<br />

Kontinenzdefizit einstellen kann. Dies hängt<br />

mit den physiologischen Alterungsvorgängen<br />

zusammen, denen natürlich auch die operierte<br />

Muskulatur unterworfen ist.<br />

Auch seitens des Operateurs dürfen keine<br />

zu großen Erwartungen an die operativen<br />

Möglichkeiten der Kontinenzwiederherstellung<br />

geknüpft werden. Eine graduelle Verbesserung<br />

bedeutet, dass der Patient auch postoperativ<br />

weiterer konservativer Unterstützung bedarf<br />

und betreut werden muss, wenn die verbleibenden<br />

Defizite subjektiv belastend sind. Nicht<br />

zuletzt kann es im Rahmen der operativen<br />

Eingriffe auch zu Wundheilungsstörungen<br />

kommen, die eine anfänglich gute Rekonstruktion<br />

aufgrund des Wundinfektes mit partieller<br />

Muskelnekrose wieder verschlechtern. Die präoperative<br />

Aufklärung muss darum sachgerecht<br />

und fair erfolgen. Die Indikationsstellung zur<br />

operativen Kontinenzverbesserung muss so<br />

gewählt werden, dass davon auszugehen ist,<br />

dass eine subjektiv unzureichende Kontinenz-<br />

situation operativ partiell verbesserbar ist. Dies<br />

bedeutet, dass geringfügige Störungen der<br />

Kontinenz keinesfalls operativ angegangen<br />

werden sollten.<br />

Minimale Kontinenzdefizite stellen keine<br />

Indikation für eine kontinenzverbessernde<br />

Operation dar.<br />

Die Bewertung des postoperativen Ergebnisses<br />

ist durch Funktionstests nicht adäquat<br />

möglich. Auch in prospektiven Studien wird<br />

der Vergleich beispielsweise der prä- und postoperativen<br />

<strong>Dr</strong>uckwerte oder der drucktechnisch<br />

gemessenen Analkanallänge nicht als Indikator<br />

des Operationserfolges verwendet. In allen<br />

Studien werden immer wieder die subjektiven<br />

Bewertungen der Patienten als Kriterium für<br />

den Operationserfolg herangezogen. Diese<br />

subjektiven Angaben lassen sich gut in Kontinenz-Scores<br />

und auch in Lebensqualität-Scores<br />

erfassen. Insofern ist es gerechtfertigt, bei<br />

Verbesserung eines Scores von einem Erfolg<br />

der Operation auszugehen, wenngleich sich<br />

keine signifikante Verbesserung der Ergebnisse<br />

der Funktionstests belegen lässt.<br />

Die Angaben für eine postoperative Kontinenzverbesserung<br />

bei Rekonstruktionen des<br />

traumatisch geschädigten Sphinkters liegen<br />

zwischen 50 und 90 %. Diese Zahlen berücksichtigen<br />

nicht die unterschiedliche Genese der<br />

Sphinkterläsion und auch nicht die Zeitdauer<br />

zwischen dem traumatischen Ereignis und der<br />

später durchgeführten Sphinkterrekonstruktion.<br />

Insbesondere für den im Rahmen einer<br />

Entbindung geschädigten Sphinkter zeigen<br />

sich aber gute Ergebnisse bei der sekundären<br />

Rekonstruktion auch Jahre nach dem auslösenden<br />

Ereignis.<br />

Die abdominelle Rektopexie zur Korrektur<br />

des Rektumprolapses führt in etwa 70 %<br />

zu einer zufriedenstellenden postoperativen<br />

Kontinenzleistung. Bei den übrigen Patienten<br />

können sekundäre Muskelraffungen wie die<br />

Postanal repair oder die anteriore Levatorenplastik<br />

versucht werden. Diese Verfahren sind<br />

unter dieser Indikationsstellung aber allenfalls<br />

mit einer Verbesserungsrate von etwa 50 %<br />

zu bewerten. Somit verbleibt beim Gesamt-<br />

115


116<br />

kollektiv der Patienten mit einem manifesten<br />

Rektumprolaps nach Durchführung der operativen<br />

<strong>Therapie</strong> in 10 – 15 % eine unzureichende<br />

Kontinenzleistung als dauerhaftes Problem.<br />

Dies hängt zusammen mit dem Ausmaß der<br />

neurogenen Schädigung durch den lange Zeit<br />

bestehenden Prolaps. Letztendlich ergibt sich<br />

aus diesem <strong>Therapie</strong>defizit die Forderung der<br />

frühzeitigen Diagnose und operativen <strong>Therapie</strong><br />

des Rektumprolapses.<br />

Die Ergebnisse der Postanal repair unter<br />

der Indikation einer neurogenen analen Inkontinenz<br />

wurden in früheren Jahren besser<br />

bewertet als in den Studien der letzten Jahre.<br />

Das besondere Problem dieses Eingriffs ist,<br />

dass durch die Muskelraffung natürlich die<br />

neurogene Situation nicht verbessert wird.<br />

Etwa die Hälfte der Patienten empfindet direkt<br />

postoperativ eine gewisse Verbesserung<br />

der Kontinenzleistung. Die Operation ist aber<br />

wegen der schlechten Langzeitergebnisse weitestgehend<br />

verlassen worden.<br />

Für die anteriore Levatorenplastik gelten<br />

möglicherweise die gleichen Aussagen,<br />

wenn sie lediglich unter der Indikation einer<br />

neurogenen Inkontinenz durchgeführt wird.<br />

Derzeit liegen noch keine ausreichenden Langzeitergebnisse<br />

für dieses Operationsverfahren<br />

vor. Die Kombination der Levatorenplastik<br />

mit einer Rekonstruktion eines anterioren<br />

Externusdefektes scheint aber wegen dieser<br />

Defektrekonstruktion insgesamt ein etwas<br />

besseres Ergebnis zu bringen.<br />

Beim Schließmuskelersatz gilt sowohl für<br />

die dynamische Gracilisplastik als auch für die<br />

Implantation des Arteficial-bowel-Sphincter<br />

(ABS), dass diese Operationen den ausgedehnteren<br />

Muskelzerstörungen mit entsprechend<br />

schlechterer Ausgangssituation vorbehalten<br />

sind. Die Studien geben dementsprechend eine<br />

subjektive Verbesserung der Kontinenzleistung<br />

von 70 – 80 % an. Bei beiden Operationsverfahren<br />

sind ausgiebige Untersuchungen<br />

durchgeführt worden mit prä- und postoperativem<br />

Vergleich von Lebensqualität-Scores. Die<br />

Ergebnisse sprechen für die Durchführung der<br />

Ersatzplastiken in den entsprechend ausgedehnt<br />

geschädigten Fällen. Zu berücksichtigen ist<br />

neben dem Kostenfaktor die hohe periope-<br />

Anale Inkontinenz 13<br />

rative Morbidität dieser Eingriffe aufgrund<br />

einer Infektion des implantierten Fremdkörpermaterials.<br />

Gemessen an der Gesamtzahl inkontinenter<br />

Patienten werden operative Eingriffe<br />

sehr selten vorgenommen. Epidemiologische<br />

Daten gehen davon aus, dass etwa 5 – 10 %<br />

der Bevölkerung eine Kontinenzschwäche haben,<br />

von denen etwa die Hälfte eine ärztliche<br />

Behandlung sucht. Die Zahlen der Eingriffe<br />

zur operativen Kontinenzverbesserung sind<br />

nicht exakt nachzuvollziehen, sie liegen aber<br />

in einer Größenordnung von max. 1 ‰ der<br />

in den erwähnten epidemiologischen Zahlen<br />

enthaltenen Patienten. Dies zeigt, dass<br />

die kontinenzverbessernden Operationen im<br />

chirurgischen Alltag ein marginales Problem<br />

darstellen. Im Gegenzug lässt sich darum aber<br />

schlussfolgern, dass die wenigen Eingriffe eine<br />

besondere Erfahrung voraussetzen und dass es<br />

sich darum um »Zentrumseingriffe« handelt.<br />

Zusammenfassung: Insgesamt wird nur<br />

ein sehr geringer Anteil der inkontinenten<br />

Patienten einer operativen <strong>Therapie</strong><br />

zugeführt. Die chirurgische <strong>Therapie</strong> der<br />

analen Inkontinenz kann kausal die zugrunde<br />

liegende Ursache behandeln oder<br />

unabhängig hiervon eine Optimierung der<br />

Kontinenzleistung erbringen. Eine Restitutio<br />

ad integrum kann von einer operativen<br />

Maßnahme bezüglich der Kontinenzleistung<br />

nicht erwartet werden. Muskelrekonstruktive<br />

Operationen bei einem definierten<br />

Muskeldefekt erbringen auch Jahre nach<br />

der Schädigung noch gute Behandlungserfolge.<br />

Alle raffenden Verfahren ohne<br />

zugrunde liegenden Muskeldefekt zeigen<br />

nur eine passagere Kontinenzverbesserung.<br />

Aufwändige Rekonstruktionen oder<br />

die Implantation von Fremdköpermaterial<br />

bleiben ausgedehnt geschädigten Fällen<br />

vorbehalten. Als ultima ratio ist ein gut<br />

zu versorgendes Stoma häufig die bessere<br />

Wahl.


14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />

14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />

Obstipation 118<br />

Klassifikation 118<br />

Verzögerter Kolontransit 118<br />

Rektale Entleerungsstörungen 118<br />

Diagnostik 119<br />

<strong>Therapie</strong> 120<br />

Diarrhoe 122<br />

Diagnostik 122<br />

<strong>Therapie</strong> 123<br />

Reizdarmsyndrom (Colon irritabile) 123<br />

Ätiologie 123<br />

Klassifikation 123<br />

Symptomatologie 124<br />

Diagnostik 124<br />

<strong>Therapie</strong> 124<br />

117


118<br />

Vorbemerkung: Zu den Funktionsstörungen<br />

des Darmes und Afters gehören die Obstipation<br />

und die Diarrhoe. Zweifelsfrei ist hier auch die<br />

Inkontinenz zu subsumieren. Gerade zu diesem<br />

Problem sind in den letzten Jahrzehnten<br />

wesentlich Erkenntnisse gewonnen worden,<br />

so dass sie in einem separaten Kapitel dargestellt<br />

wird.<br />

Das Reizdarmsyndrom soll ebenfalls in diesem<br />

Kapitel mit dargestellt werden, wenngleich<br />

es sich hierbei um eine funktionelle Störung<br />

handelt, d.h. um ein Kranheitsbild, für das sich<br />

bei der konventionell orientierten Diagnostik<br />

keine Ursache finden lässt und das zweifelsfrei<br />

eine benigne Entität mit einem Verlauf über<br />

einen längeren Zeitraum darstellt.<br />

Obstipation<br />

Die Obstipation ist ein vom Patienten häufig<br />

geklagtes Symptom. Zu berücksichtigen ist,<br />

dass der Laie unter einer »Verstopfung« völlig<br />

unterschiedliche Sachverhalte subsumiert. Der<br />

Patient berichtet über eine ihn persönlich nicht<br />

zufriedenstellende Entleerung des Darmes,<br />

wobei er unter der allgemeinen Symptomatik<br />

einer Verstopfung nicht differenziert zwischen<br />

der Stuhlkonsistenz (zu hart ), der Stuhlfrequenz<br />

(zu selten, zu kleine Portion), evtl. mit der<br />

Stuhlentleerung verbundenen Beschwerden<br />

und der Notwendigkeit eines forcierten Pressens<br />

zur Stuhlentleerung. Dieses subjektive Gefühl<br />

einer unzureichenden Stuhlentleerung ist der<br />

entscheidende Anlass, eine Selbstmedikation<br />

mit Hilfe eines Laxans vorzunehmen. Über die<br />

medizinische Bedeutung des unreflektierten<br />

Abusus von Laxanzien wurde in früheren Jahren<br />

ausreichend diskutiert. Aus medizinischer<br />

Sicht muss der Begriff der Obstipation strenger<br />

gefasst und eindeutig definiert werden. Seit<br />

1998 werden für die Diagnose »Obstipation«<br />

die revidierten Rom-Kriterien verwendet.<br />

• Heftiges Pressen bei mindestens 25 %<br />

• der Defäkationen<br />

• Harte Stühle bei mindestens 25 %<br />

• der Defäkationen<br />

• Gefühl der inkompletten Entleerung bei<br />

• mindestens 25 % der Defäkationen<br />

Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />

• Gefühl der analen Blockierung bei<br />

• mindestens 25 % der Defäkationen<br />

• Manuelle Entleerungshilfe erforderlich<br />

• bei mindestens 25 % der Defäkationen<br />

• 2 oder weniger Stuhlentleerungen<br />

• pro Woche<br />

Mindestens 2 der Symptome müssen während<br />

des letzten Jahres über wenigstens 3 Monate<br />

bestanden haben.<br />

Die Symptomatik umfasst unterschiedliche<br />

Formen der Obstipation. Wesentlich ist die<br />

Trennung zwischen einer Kolontransitverzögerung<br />

und einer rektalen Entleerungsstörung.<br />

Klassifikation<br />

Verzögerter Kolontransit: Bei einem Großteil<br />

der Patienten liegt eine Transitzeitverlängerung<br />

(slow-transit Obstipation) im Kolon vor.<br />

Die Ursache hierfür ist in den meisten Fällen<br />

unklar. Die Obstipation tritt trotz ausreichender<br />

Ballaststoffzufuhr auf. Die Kontraktionen<br />

des Kolons scheinen rarefiziert und der Darm<br />

spricht schlecht auf Prokinetika an. Veränderungen<br />

der intramuralen Nervenplexus (intestinale<br />

neuronale Dysplasie) werden diskutiert<br />

bzw. sind in einigen Fällen nachweisbar. Die<br />

Obstipation tritt auf bei neurologischen Erkrankungen<br />

wie dem M. Parkinson, der viszeralen<br />

Neuropathie im Rahmen eines Diabetes und<br />

nach Querschnittsläsionen. Diskutiert wird auch<br />

eine Beeinträchtigung der Motilität der höheren<br />

Kolonabschnitte durch eine Beeinträchtigung<br />

der rektalen Entleerung. Als morphologische<br />

Besonderheit lässt sich in einzelnen Fällen<br />

röntgenologisch ein Megakolon oder Megarektum<br />

nachweisen.<br />

Rektale Entleerungsstörungen: Von diesen<br />

Formen der gestörten Kolonfunktion kann eine<br />

rektale Obstipation aufgrund von Funktionsstörungen<br />

des Beckenbodens oder Formvarianten<br />

des Rektums (Rektumprolaps, Rektozele, Descensus<br />

perinei) abgegrenzt werden. Bei diesen<br />

Formen der Obstipation kommt es letztendlich<br />

aufgrund der Fuktionsstörung in der terminalen<br />

Strecke zu einer insgesamt für die Defäkation


14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />

nicht ausreichenden prokinetischen Aktivität<br />

der proximalen Kolonabschnitte mit dem Effekt<br />

einer Stuhlretention und Stuhlimpaktierung in<br />

der Rektumampulle.<br />

Als klassisches Beispiel einer Behinderung<br />

der rektalen Entleerung kann der Morbus<br />

Hirschsprung gelten. Das segmentäre Fehlen der<br />

intramuralen Ganglien verhindert die reflexhafte<br />

Internusrelaxation am Defäkationsbeginn. Die<br />

Behinderung der Entleerung führt in kurzer Zeit<br />

zur Megaisierung des vorgeschalteten Rektums<br />

und Kolons. Die Erkrankung wird nachgewiesen<br />

durch den positiven Ausfall der Acetylcholinesterasereaktion<br />

in der nativen Rektumbiopsie.<br />

Der Morbus Hirschsprung ist durch eine<br />

fehlende reflexhafte Internusrelaxation zu<br />

Beginn der Defäkation charakterisiert.<br />

Im Erwachsenenalter finden sich funktionelle<br />

Obstruktionen des Anorektums und Beckenbodens,<br />

die in jüngster Zeit gern unter dem<br />

Begriff der Beckenbodendysfunktion subsumiert<br />

werden. Die meisten Autoren verstehen<br />

hierunter nur die obstruktiven, entleerungsbehindernden<br />

Probleme. Die Inkontinenz ist<br />

begrifflich aber sicher auch eine Dysfunktion<br />

des Beckenbodens. Ob dieser Begriff also hilfreich<br />

ist, sei dahingestellt. Gleichzeitig zu den<br />

Entleerungsproblemen sind Veränderungen der<br />

morphologischen Strukturen des Anorektums<br />

erkennbar (innerer Rektumprolaps, Intussuszeption,<br />

Rektozele, Enterozele, Deszensus perinei,<br />

solitäres Rektumulkus) bzw. können pathologische<br />

Funktionsabläufe während der Defäkation<br />

sichtbar gemacht werden (Anismus, Strainodynie,<br />

Dyssynergie zwischen Rektumampulle<br />

und Sphinktermuskulatur). Einige Autoren<br />

sehen in den Funktionsabläufen eine Analogie<br />

zur Blasenentleerung und bewerten die muskuläre<br />

Rektumwand wie einen »Detrusor« der<br />

Defäkation. Die funktionellen Untersuchungen<br />

können diese Analogie aber deswegen nicht<br />

eindeutig nachweisen, da das Rektum ein<br />

nach proximal offenes System darstellt und<br />

die Konsistenz des Stuhles andere plastische<br />

Eigenschaften der Rektumwand (Compliance)<br />

bedingt. Die morphologisch nachweisbaren<br />

Veränderungen können häufig nicht eindeutig<br />

als Ursache oder Folge der Entleerungsstörung<br />

festgelegt werden.<br />

Als Anismus wird vielfach die Gruppe der<br />

Funktionsstörungen bezeichnet, die verdachtsweise<br />

durch eine Regulationsstörung im Bereich<br />

der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur<br />

bedingt sind. Besser wäre es, die Bezeichnung<br />

»rektale Obstipation« oder »outlet obstruction«<br />

als Oberbegriff dieser Störungen zu verwenden.<br />

Als Anismus wird korrekterweise eine Störung<br />

bezeichnet, bei der es im Moment des Pressen<br />

zu einer paradoxen Erregungssteigerung in<br />

der quergestreiften Muskulatur kommt. Dieser<br />

Effekt beruht auf einer fokalen Dystonie und ist<br />

elektromyographisch fassbar. Die betroffenen<br />

Patienten versuchen, durch forciertes Pressen<br />

dennoch eine Entleerung zu erreichen, was<br />

möglicherweise sekundär Gefügestörungen<br />

des Beckenbodens bis zur Inkontinenz induzieren<br />

kann. Im Gegensatz dazu beschreiben<br />

einige Autoren die gestörten Reflexabläufe<br />

zur Öffnung der glatten und quergestreiften<br />

Beckenbodenmuskulatur als »spastic pelvic<br />

floor syndrome«. Beide Entitäten sind nicht<br />

abschließend definiert. Sie werden möglicherweise<br />

häufig fehldiagnostiziert.<br />

Selbstverständlich können auch umschriebene<br />

Lumeneinengungen am Darm Anlass<br />

für eine »Verstopfung« sein. Sie imponieren<br />

üblicherweise durch die auffallend kurze Anamnesedauer<br />

(Warnsymptome!). Funktionelle<br />

Störungen, die sich als Obstipation manifestieren,<br />

haben im Regelfall in der Erinnerung des<br />

Patienten bereits eine lange Vorgeschichte.<br />

Diagnostik<br />

Die Standarddiagnostik umfasst die Anamnese,<br />

die proktologische Standarduntersuchung einschließlich<br />

der Überprüfung des Anorektums<br />

unter Funktionsbedingungen des Kneifen und<br />

Pressens sowie die Koloskopie zur sicheren<br />

Ausschlussdiagnostik eines stenosierenden<br />

Prozesses. Danach ist beim Verdacht einer<br />

slow-transit-Obstipation eine <strong>Therapie</strong> mit<br />

Ballaststoffen im Sinne einer Testbehandlung<br />

sinnvoll.<br />

Die Transitzeitbestimmung als Teil der<br />

weiterführenden Diagnostik erfolgt beim Ver-<br />

119


120<br />

sagen der Testbehandlung. Sie wird durchgeführt<br />

mit röntgendichten Markern und erlaubt<br />

die Bestimmung der Passagezeit in Stunden.<br />

Die Gesamtpassagezeit wird dabei bestimmt<br />

durch eine einmalige Röntgenaufnahme 5<br />

Tage nach der Gabe von 20 röntgendichten<br />

Markern. Ein Verbleiben von mehr als vier<br />

Markern (= 20 %) nach fünf Tagen wird als<br />

pathologisch bewertet (Hinton-Test). Tägliche<br />

Röntgenaufnahmen und die mehrfache Gabe<br />

von röntgendichten Markern ermöglichen<br />

eine genauere Abklärung und quantitative<br />

Auswertung des Transports im Bereich einzelner<br />

Kolonabschnitte. Der Normwert für die<br />

Passagezeit von ca. 60 Stunden ergibt aber<br />

keine eindeutige <strong>Therapie</strong>indikation. Wichtig<br />

sind allenfalls die erheblich verlängerten Werte<br />

von deutlich über 60 Stunden.<br />

Rektale Entleerungsstörungen werden weiterführend<br />

abgeklärt durch die konventionelle<br />

Defäkographie oder eine dynamische NMR-Defäkographie.<br />

Nachteilig ist die Strahlenbelastung<br />

der konventionellen Defäkographie und<br />

die mangelnde Verfügbarkeit der dynamischen<br />

NMR-Defäkographie. Beide Untersuchungen<br />

erbringen andererseits auch nur eine wenig<br />

valide Aussage. Falls sich bei diesen Untersuchungen<br />

ein Hinweis für eine outlet obstruction<br />

ergibt, läßt sich ein Anismus als Sonderform<br />

dieser Störung ggf. elektromyographisch oder<br />

manometrisch weiter abklären.<br />

Der Nachweis eines Megakolons oder Megarektums<br />

ist endoskopisch nicht immer eindeutig<br />

möglich. Die konventionelle Kolon-Doppelkontrastdarstellung<br />

hat darum in der weiterführenden<br />

Diagnostik ebenfalls noch einen Platz.<br />

Für die Indikation zu operativen Maßnahmen<br />

erscheint der Nachweis bzw. Ausschluss<br />

eines Megakolons/Megarektums wesentlich.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

In der <strong>Therapie</strong> der Obstipation lässt sich oft<br />

kein für den Patienten befriedigendes Ergebnis<br />

erreichen, da von seiner Seite aus eine falsche<br />

Erwartungshaltung besteht. Aus diesem Grund<br />

ist der erste Schritt der <strong>Therapie</strong> die umfassende<br />

Aufklärung des Patienten über normale<br />

Stuhlgewohnheiten und über eine sinnvolle<br />

Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />

Lebensweise, die insbesondere eine ausreichend<br />

schlackenreiche Ernährung und eine<br />

adäquate Flüssigkeitszufuhr umfasst. In den<br />

letzten Jahren ist häufig auf Zusammenhänge<br />

zwischen Fasergehalt in der Nahrung und<br />

intestinaler Transitzeit hingewiesen worden.<br />

Trotz der grundsätzlich sinnvollen Empfehlung<br />

zur Einhaltung einer schlackenreichen<br />

Ernährung lassen sich bisher aber die Formen<br />

der Obstipation nicht diagnostisch fassen, bei<br />

denen die Patienten von einer schlackenreichen<br />

Kost sicher profitieren.<br />

Wichtig ist die Differenzierung zwischen<br />

der Obstipation aufgrund einer Transportstörung<br />

im Kolon und der rektalen Entleerungsstörung.<br />

Grundsätzlich sollte die <strong>Therapie</strong> beider<br />

Störungen möglichst konservativ erfolgen. Für<br />

die wenigen operativ zu behandelnden Patienten<br />

ist die genaue Analyse der vorliegenden<br />

Störung besonders wichtig. Es liegen viele<br />

Erfahrungsberichte vor, die eine hohe Misserfolgsrate<br />

bei der operativen <strong>Therapie</strong> aufzeigen.<br />

Dabei ist unmittelbar einleuchtend, dass<br />

eine Kolonresektion bei einer rektalen Entleerungsstörung<br />

keinen Sinn machen kann und<br />

andererseits ein Eingriff mit Teildurchtrennung<br />

der analen Muskulatur die Kontinenz gefährdet.<br />

Der obstipierte Patient mit normalem Transit<br />

und normaler Entleerungsfunktion sollte<br />

ausschließlich konservativ behandelt werden.<br />

Wenn die Testbehandlung mit Ballaststoffen<br />

misslingt, braucht der Patient Laxantien. <strong>Therapie</strong><br />

der Wahl ist dann derzeit die Gabe von<br />

Makrogol. Die Prokinetika haben enttäuscht.<br />

In den übrigen Medikamentengruppen, wie<br />

den Anthrachinonderivaten und den diphenolischen<br />

Laxanzien, werden vom Patienten<br />

die Nebenwirkungen solcher Medikamente<br />

falsch eingeschätzt, die als pflanzlich gelten.<br />

Gerade die pflanzlichen Anthrachinonderivate<br />

(Sennesblätter, Aloe) haben daher eine weite<br />

Verbreitung erfahren.<br />

In ihrer sinnvollen Wirkung unterbewertet<br />

sind dagegen die bereits seit langem in die <strong>Therapie</strong><br />

eingeführten rektalen Entleerungshilfen,<br />

wie z. B. CO2-freisetzende Suppositorien oder<br />

Klistiere. Sie haben mit Recht einen Stellenwert<br />

in der Behandlung der rektalen Formen<br />

der Obstipation.


14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />

Stufentherapie bei Tafel 14-1<br />

normalem Transit und<br />

normaler Entleerungsfunktion<br />

• Aufklärung<br />

• Ballaststoffe (Gelbildner)<br />

• rektale Entleerungshilfen (Klistier, CO2-Supp.)<br />

• osmotische Laxanzien (Makrogol)<br />

• Prokinetika (Tegaserod)<br />

Für den Patienten mit einer Transitzeitverlängerung<br />

und normaler Entleerungsfunktion gilt<br />

dieselbe <strong>Therapie</strong>empfehlung. Beim Versagen<br />

der Ballststoffgabe kann ein Laxans indiziert<br />

sein. Eine Indikation zur Resektion ist nur gegeben,<br />

wenn in einem solchen Fall ein Megakolon<br />

oder Megarektum nachweisbar wird. Dies kann<br />

ein sog. idiopathisches Megakolon sein oder<br />

aber die seltene Form eines M. Hirschsprung<br />

beim Erwachsenen.<br />

Die Resektion wird auch empfohlen, wenn<br />

eine intestinale neuronale Dysplasie (IND)<br />

vorliegt. Der Nachweis ist schwierig zu führen<br />

(Zupfpräparat der gesamten Darmwand)<br />

und gelingt häufig erst postoperativ. Dabei<br />

ist der subtotalen Kolektomie der Vorzug<br />

zu geben gegenüber einer Teilresektion. Die<br />

Anastomosierung erfolgt entweder als Ileo-<br />

Rektostomie oder Zoeko-Rektostomie. Der<br />

Erhalt der Ileozoekalklappe scheint postoperativ<br />

seltener zu Diarrhoen zu führen und so<br />

das funktionelle Ergebnis zu verbessern. Das<br />

Ergebnis ist schlecht, wenn zusätzlich ein<br />

Entleerungsproblem vorliegt. Entscheidend ist<br />

also die sorgfältige Auswahl der Patienten bzw.<br />

die sichere präoperative Klärung der IND. In<br />

Wertung aller präoperativen Tests muss man<br />

bei der Indikation zur Resektion außerdem<br />

Stufentherapie bei Transit- Tafel 14-2<br />

zeitverlängerung und normaler<br />

Entleerungsfunktion<br />

• Aufklärung<br />

• osmotische Laxanzien (Makrogol)<br />

• stimulierende Laxanzien (Bisacodyl, Picosulfat)<br />

• ev. Ballaststoffe (Gelbildner)<br />

bedenken, dass die Ursachen der Obstipation<br />

auch psychogenen Einflüssen unterliegen.<br />

Bei Patienten mit normalem Transit und<br />

gestörter Entleerungsfunktion lassen sich keine<br />

einheitlichen <strong>Therapie</strong>empfehlungen geben.<br />

Grundsätzlich gilt auch hier die Empfehlung<br />

einer konservativen <strong>Therapie</strong>, die sich insbesondere<br />

auf rektale Entleerungshilfen wie<br />

CO2-freisetzende Suppositorien oder Klistiere<br />

bezieht. Da die Störungen der Entleerungsfunktion<br />

ein uneinheitliches Patientenklientel umfassen,<br />

gibt es auch unterschiedliche operative<br />

Empfehlungen, die sämtlich nur an kleinsten<br />

Kollektiven überprüft sind. Eine Resektion<br />

oder operative Verkleinerung der Rektumampulle<br />

wird angegeben bei einer Inertia recti.<br />

Sie erscheint noch am ehesten rational, wenn<br />

röntgenologisch auch eine Megaisierung des<br />

Rektums vorliegt. Die operative Durchtrennung<br />

von Anteilen der Sphinktermuskulatur (beispielsweise<br />

beim Anismus) hat sich wegen des<br />

Risikos der nachfolgenden Inkontinenz nicht als<br />

Regeleingriff etabliert. Fixierende Maßnahmen<br />

an den muskulären und ligamentären Strukturen<br />

des Beckenbodens machen allenfalls einen<br />

Sinn, wenn grobe Fehlformationen bestehen.<br />

Diese führen aber gleichzeitig auch zu einer<br />

Schädigung des N. pudendus, sodass oftmals<br />

die Inkontinenzsymptomatik im Vordergrund<br />

des Beschwerdebildes steht. Es sei darum nachdrücklich<br />

betont, dass die Obstipation aufgrund<br />

einer rektalen Entleerungsstörungen möglichst<br />

konservativ behandelt werden sollte. Eine<br />

Biofeedback-<strong>Therapie</strong> scheint in vielen Fällen<br />

noch am ehesten erfolgversprechend.<br />

Patienten mit einer Verlängerung des Transits<br />

und einer rektalen Entleerungsstörung bieten<br />

die schlechtesten Chancen für eine erfolgreiche<br />

<strong>Therapie</strong>. Hier sollte immer zunächst mit<br />

Stufentherapie bei Tafel 14-3<br />

normalem Transit und gestörter<br />

Entleerungsfunktion<br />

• Aufklärung<br />

• Ballaststoffe (Gelbildner)<br />

• rektale Entleerungshilfen (Klistier, CO2-Supp.)<br />

• ev. Biofeedbacktraining<br />

121


122<br />

konservativen Maßnahmen versucht werden,<br />

die rektale Entleerung zu verbessern (Klistiere,<br />

Irrigation, Biofeedback). Bei extremem<br />

Leidensdruck empfehlen einige Autoren einen<br />

<strong>Therapie</strong>versuch durch die Anlage einer Kolostomie<br />

oder Ileostomie. Ein Misserfolg dieser<br />

Maßnahme wird dann als Hinweis auf eine<br />

psychogene Ursache der Störung interpretiert.<br />

Bei dieser Sichtweise bleibt aber unberücksichtigt,<br />

dass nach wie vor ein erhebliches Defizit<br />

an Erkenntnissen bezüglich der Transportfunktion<br />

des Dünndarms und einer hierdurch<br />

ausgelösten Obstipation bzw. abdominellen<br />

Schmerzsymptomatik besteht.<br />

Stufentherapie bei Verlänge- Tafel 14-4<br />

rung des Transits und einer<br />

rektalen Entleerungsstörung<br />

• Aufklärung<br />

• Ballaststoffe (Gelbildner)<br />

• rektale Entleerungshilfen (Klistier, CO2-Supp.)<br />

• osmotische Laxanzien (Makrogol)<br />

• stimulierende Laxanzien (Bisacodyl, Picosulfat)<br />

• ev. Biofeedbacktraining<br />

Zusammenfassung: Das Krankheitsbild der<br />

Obstipation gliedert sich in zwei Grundformen,<br />

den verzögerten Kolontransit und<br />

die rektale Entleerungsstörung sowie deren<br />

Mischformen. Der Begriff ‚Obstipation’ wurde<br />

anhand der Rom-II-Kriterien eindeutig<br />

definiert. Neben Anamnese und klinischer<br />

Untersuchung können eine Transitzeitbestimmung,<br />

Defäkographie und Kolon-Doppelkontrastdarstellung<br />

weiteren Aufschluss<br />

über die Genese der Obstipation geben.<br />

Die <strong>Therapie</strong> ist primär immer eine konservative<br />

mit Aufklärung, Ballaststoffen,<br />

Entleerungshilfen und ggf. der Gabe von<br />

Laxantien. Eine operative <strong>Therapie</strong> mit<br />

Kolonresektion oder Stomaanlage sollte<br />

erst nach Ausschöpfen aller konservativen<br />

Möglichkeiten erfolgen.<br />

Diarrhoe<br />

Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />

Der Durchfall, die der Obstipation genau entgegengesetzte<br />

klinische Symptomatik, wird vom<br />

Patienten anders interpretiert, weil er in zahlreichen<br />

Fällen perakut einsetzt und aufgrund<br />

der extremen Belastung des Kontinenzapparates<br />

sehr schnell ein Defizit an Kontinenz offenbart,<br />

das den Betroffenen in seinem täglichen<br />

Leben weitgehend einschränken kann. Der<br />

Durchfall wird auch vom Laien zumeist als<br />

Symptom einer Störung gesehen, die in engem<br />

Zusammenhang mit der zuvor aufgenommenen<br />

Nahrung (im Sinne einer »Nahrungsmittelvergiftung«)<br />

steht. Eine infektiöse Gastroenteritis<br />

ist andererseits als häufigste Ursache für das<br />

Auftreten von Diarrhoen zu sehen. Durchfälle<br />

im Rahmen von Malabsorptionssyndromen oder<br />

insbesondere im Rahmen einer Maldigestion auf<br />

dem Boden einer Laktoseintoleranz sind dem<br />

Patienten nicht selten seit längerem bewusst<br />

und veranlassen ihn automatisch zu einem<br />

bestimmten Kostverhalten.<br />

Aus chirurgischer Sicht bedeutsam sind<br />

erworbene Malabsorptionszustände beispielsweise<br />

aufgrund einer Ileitis terminalis oder<br />

postoperativer Zustände und Störungen der<br />

Motilität des Dickdarms im Rahmen einer<br />

Divertikulose, Obstruktionen auf dem Boden<br />

einer Divertikulitis oder als Symptom maligner<br />

oder chronisch-entzündlicher Stenosen. Sie<br />

sind mit unterschiedlich zwingender Indikation<br />

operativ anzugehen.<br />

Analnah sitzende Adenome oder ausgedehnte<br />

Formen des Ulcus simplex recti führen<br />

zu einer lokalen Vermehrung der Schleimproduktion,<br />

die der Patient u. U. als Diarrhoe erlebt.<br />

Diagnostik<br />

In der diagnostischen Abklärung der Diarrhoe<br />

haben mikrobiologische und serologische Untersuchungen<br />

für die infektiösen Formen eine<br />

zentrale Bedeutung. Für die auf Motilitätsstörungen<br />

oder einer umschriebenen Lumenobstruktion<br />

beruhenden Formen sind die bildgebenden<br />

Verfahren des Kolonkontrasteinlaufs<br />

nach wie vor wertvoll. Zur Abklärung der<br />

nichtinfektiösen Ursachen einer Diarrhoe im


14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />

Rahmen der entzündlichen Darmerkrankungen<br />

hat sich die flexible Endoskopie als Primärmethode<br />

etabliert. Endoskopisch kann bereits<br />

bei der starren Rektoskopie gelegentlich eine<br />

pseudomelanotische Verfärbung der Schleimhaut<br />

nachgewiesen werden, die auf einen<br />

Laxanzienabusus als Ursache der Diarrhoe<br />

schließen lässt. Der Patient gibt das häufig<br />

nicht sofort an.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Die <strong>Therapie</strong> bei den infektiösen Erkrankungen<br />

erfolgt entweder erregerspezifisch oder<br />

– so in den meisten Fällen – symptomatisch,<br />

da es zu einer Selbstlimitierung des Krankheitsgeschehens<br />

kommt. Benigne Stenosen<br />

ohne adäquate Reaktion auf eine konservative<br />

<strong>Therapie</strong> oder maligne Stenosen müssen einer<br />

operativen Behandlung zugeführt werden.<br />

Die Behandlung der chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankungen erfolgt insbesondere in<br />

kritischen, hochakuten Krankheitsphasen nach<br />

einem interdisziplinären Konzept konservativer,<br />

intensivmedizinischer und operativer<br />

Maßnahmen.<br />

Zusammenfassung: Bei der Diarrhoe müssen<br />

infektiöse, malabsorbtive und maldigestive<br />

Ursachen unterschieden werden.<br />

Entsprechend ihrere Genese werden die<br />

verschiedenen Formen mikrobiologisch,<br />

im Hinblick auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten<br />

oder endoskopisch abgeklärt.<br />

Die <strong>Therapie</strong> richtet sich nach der<br />

Ursache, ist primär konservativ und nur<br />

im Rahmen einer Stenosierung oder nicht<br />

weiter konservativ therapierbaren Colitis<br />

dann auch operativ.<br />

Reizdarmsyndrom<br />

Unter dem Krankheitsbild des Reizdarmsyndroms<br />

(Colon irritabile) verbirgt sich die häufigste<br />

gastroenterologische Erkrankung mit<br />

funktionellem Hintergrund ohne den bisherigen<br />

Nachweis einer organischen Ursache.<br />

Ätiologie<br />

Die Ätiologie ist ebenso offen wie die Frage,<br />

ob es sich bei diesem Krankheitsbild um eine<br />

solitäre Krankheitsentität handelt. Diskutiert<br />

werden Veränderungen in den Wechselbeziehungen<br />

zwischen dem enterischen Nervensystem<br />

und dem ZNS. Es besteht eine viszerale<br />

Hyperalgesie, die möglicherweise auf einer<br />

Veränderung der Sensitivität der Neurorezeptoren<br />

oder der zentralen Modulation der<br />

Schmerzsensationen beruht. Zusätzlich werden<br />

psychogene Einflüsse wirksam.<br />

Klassifikation<br />

Der Begriff des Reizdarmsyndroms ist definiert<br />

anhand der Symptomatologie von Beschwerden,<br />

die vom Darm ausgehen, keine organischen<br />

Ursachen erkennen lassen und über mindestens<br />

12 Wochen der letzten 12 Monate persistieren<br />

oder rezidivieren (s.a. Rom-II-Kriterien). Es<br />

werden beim Reizdarmsyndrom insgesamt vier<br />

Untergruppen, der Schmerz-Typ, der Diarrhoe-<br />

Typ, der Obstipations-Typ und der Gas-Bläh-<br />

Typ unterschieden. Zwischen den Untergruppen<br />

gibt es fließende Übergänge.<br />

Rom-II-Kriterien für Tafel 14-5<br />

das Reizdarmsyndrom<br />

Mindestens 12 Wochen in den vergangenen<br />

12 Monaten mit abdominalen Schmerzen oder<br />

Beschwerden, die zwei der folgenden<br />

Merkmale beinhalten:<br />

• Erleichterung bei der Darmentleerung<br />

• Änderung der Stuhlhäufigkeit<br />

• Änderung der Stuhlkonsistenz<br />

und/oder mehrere der folgenden Symptome<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

abnorme Stuhlhäufigkeit (> 3/Tag<br />

oder < 3/Woche)<br />

abnorme Stuhlform bei > 25 % der Defäkation<br />

abnorme Stuhlpassage bei >25 % der<br />

Defäkation<br />

Schleimabgang bei > 25 % der Defäkation<br />

Blähungen oder das Gefühl des Aufgetriebenseins<br />

in > 25 % der Tage<br />

123


124<br />

Symptomatologie<br />

Von den Patienten werden häufig krampfartige<br />

oder stechende Bauchschmerzen geschildert,<br />

die mit Einleitung der Defäkation gemindert<br />

werden. Weiterhin neigen die Patienten zu<br />

Durchfällen oder Verstopfung, zum Teil auch<br />

im Wechsel. Assoziiert mit den Beschwerden<br />

werden auch ausgeprägte Blähungen und ein<br />

Völlegefühl angegeben.<br />

Diagnostik<br />

In der Diagnostik sind organische Ursachen<br />

der Beschwerden auszuschließen. Hierzu kann<br />

mitunter eine extreme Ausweitung der Untersuchungen<br />

erforderlich werden, wenn die<br />

betroffenen Patienten aufgrund einer psychischen<br />

Fehlhaltung immer wieder auf eine<br />

Abklärung drängen. Dies mag natürlich auch<br />

seinen Grund darin haben, dass die körperlichen<br />

Beschwerden in einigen Fällen so gravierend<br />

sind, dass ein Nichtbetroffener kaum einen<br />

Zugang zu diesen Beschwerden hat.<br />

Als diagnostisches Dilemma muss es gewertet<br />

werden, dass die Symptome des Colon<br />

irritabile sämtlich auch von malignen Darmerkrankungen<br />

ausgelöst werden können. Aus<br />

diesem Grund muss gefordert werden, dass die<br />

Diagnose eines Colon irritabile lediglich als<br />

Ausschlussdiagnose gestellt wird. Es erscheint<br />

dabei sinnvoll, organische Befunde ohne spezielle<br />

<strong>Therapie</strong>indikationen zum Zeitpunkt des<br />

Nachweises nicht unter dem Begriff des Colon<br />

irritabile zu subsumieren. Ein ausgeprägter<br />

Divertikelbesatz des Kolons stellt trotz der<br />

begleitenden »Colon-irritabile-Symptomatik«<br />

einen erwähnenswerten Befund dar, da hier im<br />

weiteren Verlauf evtl. entzündliche Schübe oder<br />

Divertikelkomplikationen ablaufen können,<br />

die durch die globale Bezeichnung »Colon<br />

irritabile« verharmlost würden.<br />

Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms<br />

kann erst gestellt werden, wenn entsprechende<br />

Differentialdiagnosen ausgeschlossen<br />

sind.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />

Die <strong>Therapie</strong> ist symptomatisch, das heißt in<br />

diesem Fall, dass das vorherschende Symptom<br />

– Diarrhoe, Obstipation oder Meteorismus – als<br />

Ziel der <strong>Therapie</strong> angegangen wird. Dabei<br />

werden alle etablierten <strong>Therapie</strong>prinzipien<br />

versucht: bei Obstipation schlackenreiche Kost,<br />

osmotische Laxanzien, Prokinetika, bei Diarrhoe<br />

Loperamid, Cholestyramin, bei Schmerzen<br />

Spasmolytika, Anticholinergika, trizyklische<br />

Antidepressiva oder aktuell Tegaserod, das<br />

zurzeit in Deutschland noch nicht zugelassen<br />

ist. Keines diese <strong>Therapie</strong>prinzipien kann<br />

vorhersagbare Erfolge zeitigen. Neben der<br />

symptomorientierten medikamentösen <strong>Therapie</strong><br />

können alle Formen psychosomatischer<br />

Interventionen, z.B. autogenes Training, und<br />

Beeinflussung der individuellen Lebensumstände<br />

z. B. sportliche Betätigung empfohlen<br />

werden, sofern der Patient dieser <strong>Therapie</strong><br />

zugänglich ist.<br />

<strong>Therapie</strong> des Reizdarm- Tab. 14-1<br />

syndroms entsprechend des<br />

jeweiligen Leitsymptoms<br />

Leitsymptom <strong>Therapie</strong>empfehlung<br />

Falsche Vorstellung<br />

bzgl. Stuhlfrequenz<br />

Niedrige Stuhlfrequenz<br />

Ausführliche<br />

Information<br />

Ballaststoffe,<br />

Tegaserod<br />

Chronische Diarrhoe Loperamid<br />

Blähungen Keine Ballaststoffe,<br />

kein Sorbit, Kost überprüfen,<br />

Polisiloxan<br />

Aufgetriebenes<br />

Abdomen<br />

Prokinetika, Tegaserod<br />

Schmerz Anticholinergika,<br />

Muskelrelaxantien<br />

Verdacht einer psych.<br />

Fehlleistung<br />

Psychotherapie,<br />

Antidepressiva


14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />

Zusammenfassung: Das Reizdarmsyndrom<br />

(RDS) ist eine der häufigsten gastroenterologischen<br />

Erkrankungen. Ätiologisch<br />

wird eine viszerale Hypersensibilität diskutiert,<br />

wobei die eigentliche Ursache noch<br />

nicht geklärt ist. Je nach Symptomatologie<br />

werden insgesamt vier Untergruppen<br />

unterschieden. Die Diagnose eines<br />

RDS wird anhand der Symptome und der<br />

Beschwerdedauer gestellt und darf erst<br />

nach Ausschluss von organischen Ursachen<br />

fixiert werden. Die <strong>Therapie</strong> ist nicht kausal<br />

sondern symptomatisch.<br />

125


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15 Anale und perianale Neoplasien<br />

15 Anale und perianale Neoplasien<br />

Benigne Tumoren der Analregion 129<br />

Virusinduzierte Tumoren 129<br />

Condylomata acuminata 129<br />

Ätiopathogenese und Übertragungswege 129<br />

Symptomatologie 130<br />

Diagnostik 130<br />

Differentialdiagnostik 130<br />

<strong>Therapie</strong> 130<br />

Krankheitsverlauf 131<br />

Bowenoide Papulose 131<br />

Ätiopathogenese und Übertragungswege 131<br />

Symptomatologie 131<br />

Diagnostik 132<br />

Differentialdiagnostik 132<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 132<br />

Präkanzerosen und Karzinome 132<br />

Morbus Bowen 132<br />

Ätiopathogenese 132<br />

Symptomatologie 132<br />

Diagnostik 133<br />

Morbus Paget 133<br />

Differentialdiagnostik 133<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 133<br />

Symptomatologie 133<br />

Diagnostik 133<br />

Differentialdiagnostik 134<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 134<br />

127


128<br />

Analkarzinom 135<br />

Analrandkarzinom 135<br />

Ätiologie 135<br />

Symptomatologie 136<br />

Diagnostik 136<br />

Differentialdiagnostik 136<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 136<br />

Analkanalkarzinom 137<br />

Ätiologie 137<br />

Symptomatologie 137<br />

Diagnostik 137<br />

Differentialdiagnostik 138<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 138<br />

Nachsorge 139<br />

Prognose 139<br />

Anorektales Melanom 139<br />

Ätiologie 139<br />

Symptomatologie 139<br />

Klinik 140<br />

Diagnostik 140<br />

Differentialdiagnostik 140<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 140<br />

Prognose 141<br />

Anale und perianale Neoplasien 15<br />

Nicht-epitheliale Tumoren der Analregion 141<br />

Tumoren des Analkanals und der Rektumwand 141<br />

Retrorektale Tumoren 141


15 Anale und perianale Neoplasien<br />

Vorbemerkung: Unter die Tumorbildungen<br />

der Analregion sind neben den benignen und<br />

malignen Neubildungen des anatomischen<br />

Analkanals auch solche Tumoren zu subsumieren,<br />

die im oberen Anteil des chirurgischen<br />

Analkanals ihren Ursprung haben. Die Diagnostik<br />

stützt sich auf eine identische Strategie<br />

und auch die <strong>Therapie</strong> verfolgt die gleichen<br />

Prinzipien. Zusätzlich sind hierunter die seltenen<br />

benignen und malignen Neubildungen<br />

in der Wand des unteren Rektums bzw. des<br />

retrorektalen Raumes zu zählen.<br />

Benigne Tumoren<br />

der Analregion<br />

Unter den benignen Tumoren mit Ursprungsort<br />

intramural im oberen Analkanal und auch im<br />

unteren Rektum überwiegen die Fibrome. Seltener<br />

werden Lipome, Myome, und Neurinome<br />

bzw. deren Mischformen nachgewiesen.<br />

Der häufigste benigne Tumor im anatomischen<br />

Analkanal ist das sogenannte<br />

Analfibrom. Hierbei handelt es sich um eine<br />

Hypertrophie einer Papille aus dem Bereich<br />

der Linea dentata. Die häufig vorgenommene<br />

Bezeichnung als »Analpolyp« ist insofern irreführend,<br />

als diese von Plattenepithel überzogenen,<br />

hypertrophierten Papillen niemals der<br />

Adenom-Karzinom-Sequenz unterliegen. Der<br />

Begriff Analpolyp ist zur sicheren Klassifizierung<br />

dieser Fibrome oder hypertrophierten<br />

Papillen mithin verzichtbar.<br />

Abb.15-1 Buschke-Löwenstein-Tumor<br />

Die Analfibrome sind zumeist digital tastbar. Sie<br />

bilden gelegentlich einen länglichen Stiel aus,<br />

der ein Prolabieren eines solchen Fibroms bis<br />

vor den Afterkanal ermöglicht. Prolabierende<br />

Fibrome können sich durch Irritationen des<br />

Anoderms ungünstig auf die Kontinenzfunktion<br />

auswirken. Die <strong>Therapie</strong> besteht in einer<br />

chirurgischen Abtragung. Diese Abtragung<br />

ist in den meisten Fällen mit der elektrischen<br />

Schlinge durch das Proktoskop problemlos<br />

möglich, wenn der Stiel des Fibroms zuvor mit<br />

einem Lokalanästhetikum infiltriert wurde.<br />

Virusinduzierte Tumoren<br />

Condylomata acuminata<br />

Bei den Condylomata acuminata (Feigwarzen)<br />

handelt es sich um eine der häufigsten<br />

perianalen und analen Tumore. Condylomata<br />

acuminata können perianal und intraanal sowie<br />

in den benachbarten Regionen der Haut in den<br />

Leisten bzw. auf den Labien oder im Bereich<br />

der Skrotalhaut nachgewiesen werden. Beim<br />

männlichen Geschlecht ist die Glans penis<br />

bzw. der Sulcus coronarius eine Prädilektionsstelle.<br />

Intraanal ist zumeist die Zone des<br />

Anoderms betroffen. In etwa 10 % der Fälle<br />

sind die Condylome jedoch auch oberhalb der<br />

Dentatalinie nachzuweisen. Die Erscheinungsformen<br />

von Condylomata acuminata variieren<br />

von einzeln stehenden weißlichen Knötchen<br />

über rasenartige Ausdehnung bis zu großen<br />

Riesenkondylomen (Condylomata gigantea),<br />

welche bei destruierendem Wachstum auch als<br />

Buschke-Löwenstein-Tumore bezeichnet werden.<br />

Bei infiltrierendem Wachstum werden die<br />

Buschke-Löwenstein-Tumore dann bereits der<br />

Gruppe der verrukösen Karzinome zugeteilt.<br />

Ätiopathogenese und Übertragungswege:<br />

Condylomata acuminata sind virusinduzierte<br />

Tumore, hervorgerufen durch menschliche<br />

Papillomviren aus der Gruppe der Papovaviren.<br />

Am häufigsten sind die HPV-Typen 6 oder 11<br />

nachweisbar, in seltenen Fällen jedoch auch<br />

HPV-16, welches mit einem erhöhten Entartungsrisiko<br />

für die Entwicklung von Platten-<br />

129


130<br />

epithelkarzinomen einhergeht. Die Durchseuchung<br />

der Bevölkerung ist hoch, virusinduierte<br />

Antikörper können bei über 60 % der sexuell<br />

aktiven Bevölkerung nachgewiesen werden.<br />

Die Übertragung erfolgt am häufigsten sexuell,<br />

jedoch werden auch Schmierinfektionen,<br />

insbesondere bei Kleinkindern diskutiert.<br />

Symptomatologie: Patientien mit Condylomata<br />

acuminata schildern meist einen ausgeprägten<br />

Juckreiz verbunden mit einem analen Nässen.<br />

Auch werden bei intensiver Analhygiene<br />

Blutspuren am Toilettenpapier beschrieben.<br />

Einzeln stehende Condylome und ein rein intraanaler<br />

Befall verursachen mitunter keinerlei<br />

Beschwerden und werden im erst im Rahmen<br />

einer klinischen Untersuchung diagnostiziert.<br />

Der Schmerz ist kein Leitsymptom von Kondylomen,<br />

kann jedoch bei ausgeprägtem Befall<br />

mit oberflächigen Wunden im Anoderm auftreten.<br />

Ebenso kommt es bei massivem Befall<br />

zu Reinigungsproblemen, wobei sich dann ein<br />

übel riechendes Sekret absondern kann.<br />

Abb. 15-2 Condylomata acuminata:<br />

Präoperativer Befund.<br />

Diagnostik: Die Diagnose von perianalen Condylomata<br />

acuminata ist eine Blickdiagnose.<br />

Die meist weißlichen Knötchen zeigen sich<br />

nach Spreizen der Nates. Obligat ist eine zusätzliche<br />

Proktoskopie und Rektoskopie, um<br />

einen intraanalen Befall bzw. eine Ausbreitung<br />

oberhalb der Linea dentata zu verifizieren.<br />

Im Zweifelsfall können die Feigwarzen mit<br />

5 % Essigsäure betupft werden, wobei sie sich<br />

typischischerweise weiß anfärben. Eine weiterführende<br />

Diagnostik auf andere sexuell über-<br />

Anale und perianale Neoplasien 15<br />

tragbare Erkrankungen wie Lues, Gonorrhoe<br />

oder HIV sollte durchgeführt werden. Ebenso<br />

sollte einen Untersuchung des Sexualpartners<br />

erfolgen um, die Möglichkeit einer Reinfektion<br />

auszuschließen.<br />

Zur Prophylaxe in der <strong>Therapie</strong> von<br />

Condylomata acuminata sollte der Sexualpartner<br />

ebenfalls untersucht werden.<br />

Differentialdiagnostik: Differentialdiagnostisch<br />

müssen Condylomata acuminata von Condylomata<br />

lata im Stadium II einer Lues unterschieden<br />

werden. Die Diagnose einer Lues erfolgt<br />

serologisch oder durch Spirochätennachweis<br />

im Dunkelfeldmikroskop. Weiterhin können<br />

kleinere Plattenepithelkarzinome ähnlich<br />

imponieren wie konfluierende Condylomata<br />

acuminata.<br />

<strong>Therapie</strong>: Die <strong>Therapie</strong> der Condylomata acuminata<br />

richtet sich nach Anzahl, Menge und Lokalisation<br />

der Tumoren. Bei einzeln stehenden<br />

perianalen Condylomen kann ein konservativer<br />

<strong>Therapie</strong>versuch mit Chemotherapeutika unternommen<br />

werden. Eine <strong>Therapie</strong> mit Podophyllin<br />

sollte unterbleiben, da die Substanz potientiell<br />

mutagen und teratogen wirken kann. Heute<br />

sollte diesbezüglich nur noch das Podophyllotoxin<br />

(Wartec®, Condylox®) benutzt werden.<br />

Die Zulassung dieser Substanzen bezieht sich<br />

jedoch nicht auf den intraanalen Bereich. Eine<br />

weitere Möglichkeit der Behandlung bietet die<br />

Immunmodulation mit Imiquimod (Aldara®),<br />

wobei auch hier die Indikation zur Behandlung<br />

nur bei einzelnen Condylomen und perianalem<br />

Befall besteht. Beide Substanzen können als<br />

Nebenwirkung ausgeprägte Hautreizungen<br />

hervorrufen.<br />

Bei massivem perianalen und/oder intraanalem<br />

Befall ist die chirurgische <strong>Therapie</strong><br />

Mittel der Wahl in der Behandlung der Feigwarzen.<br />

Zunächst sollten mehrere Histologien<br />

gewonnen werden, um eine maligne Entartung<br />

auszuschließen bzw. durch DNA-Hybridisierung<br />

eine erhöhtes Entartungsrisiko nachzuweisen.<br />

Der Kondylomrasen kann mit Kochsalzlösung<br />

unterspritzt und anschließend chirurgisch abgetragen<br />

werden. Dies birgt jedoch die Gefahr


15 Anale und perianale Neoplasien<br />

Abb. 15-3 Condylomata acuminata: Befund<br />

nach operativer Abtragung<br />

einer zu tiefen Exzision mit besonders bei intranalem<br />

Befall konsekutiver Narbenbildung. Da<br />

Kondylome nur intraepithelial wachsen, können<br />

sie auch mittels Elektrokoagulation abgetragen<br />

werden. Hierbei kann durch kontinuierliche<br />

Wasserapplikation (Wet shaving) eine zu tiefe<br />

thermische Schädigung der Haut vermieden<br />

werden. Anschließend werden die destruierten<br />

Condylome mit dem scharfen Löffel abgetragen.<br />

Auch besteht die Möglichkeit der Destruktion<br />

mit dem Laser (CO 2, NdYAG), wobei wegen der<br />

Verteilung von Viren-DNA im Operationssaal<br />

durch die Laservaporisation entsprechende<br />

Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden sollten.<br />

Durch die Anwendung der ‚wet-shave-<br />

Technik’ werden Condylome schonend<br />

chirurgisch abgetragen und eine thermische<br />

Schädigung tieferer Hautstrukturen<br />

vermieden.<br />

Krankheitsverlauf: Bei einzeln stehenden Condlyomen<br />

wird eine Spontanheilungsquote mit<br />

bis zu 30 % angegeben. Die Rezidivquote nach<br />

adäquater <strong>Therapie</strong> ist mit ebenfalls ca. 30 %<br />

relativ hoch. Dahingehend sollten operierte<br />

Patienten engmaschig nachuntersucht werden,<br />

um Rezidive frühestmöglich zu erkennen und<br />

zu therapieren. Die Diagnose einer Sanierung<br />

sollte so erst nach Abheilung aller Wunden<br />

nach etwa drei Monaten gestellt werden und<br />

weitere klinische Kontrollen sollten erfolgen.<br />

Zusammenfassung: Condylomata acuminata<br />

(Feigwarzen) gehören zu den sexuell<br />

übertragbaren Erkrankungen und dürfen<br />

nicht mit Condylomata lata (Lues II) verwechselt<br />

werden. Die Diagnose ist eine<br />

Blickdiagnose. Einzeln stehende perianale<br />

Kondylome können lokal mit Chemotherapeutika<br />

(Wartec®, Condylox®, Aldara®)<br />

behandelt werden. Condylomrasen und intranale<br />

Condylome werden am besten durch<br />

Elektrokoagulation mit Wasserapplikation<br />

(‚wet-shave-Technik’) entfernt. Spontanremissions-<br />

und Rezidivraten liegen bei ca.<br />

30 %. Eine engmaschige Nachsorge und<br />

eine Partneruntersuchung sollten immer<br />

erfolgen.<br />

Bowenoide Papulose<br />

Die bowenoide Papulose ist eine virusinduzierte<br />

Erkrankung mit einem Häufigskeitgipfel zwischen<br />

dem 20. und 40. Lebensjahr. Nicht zu<br />

verwechseln ist die bowenoide Papulose mit<br />

dem M. Bowen, da beide Krankheitsentitäten<br />

differente Behandlungsmuster haben. Die<br />

bowenoide Papulose neigt im Gegensatz zum<br />

M. Bowen zu Spontanheilungen.<br />

Ätiopathogenese und Übertragungswege:<br />

Hervorgerufen wird die bowenoide Papulose<br />

durch Papillomviren meist vom Typ HPV<br />

16. Teils kommen auch Kombinationen mit<br />

HPV 6,11 und 18 vor. Risikofaktoren für die<br />

bowenoide Papulose sind Promiskuität, Immunsupression<br />

und eine HIV-Erkrankung. Die<br />

Übertragung erfolgt meist beim Geschlechtsverkehr,<br />

aber auch eine Übertragung durch<br />

Schmierinfektionen wird diskutiert.<br />

Symptomatologie: Häufig sind Patienten mit<br />

einer bowenoiden Papulose symptomfrei. Mitunter<br />

klagen sie über einen leichten Juckreiz.<br />

Das Erscheinungsbild ist geprägt durch<br />

multiple, scharf begrenzte, rasch wachsende,<br />

flache papulöse grau-braune bis braun-rötliche<br />

Hautveränderungen bis zu einem Durchmesser<br />

von 10 mm. Die Oberfläche ist glatt samtartig<br />

131


132<br />

bis fein verrukös. Die Prädilektionsstellen sind<br />

der Penis, die Vulva und die perianale und<br />

intraanale Region.<br />

Diagnostik: Die Diagnostik ist primär eine klinische<br />

durch Inspektion und Palpation. Durch<br />

eine Proktorektoskopie sollte ein intraanaler<br />

Befall ausgeschlossen werden. Weiterhin sollte<br />

die Verdachtsdiagnose durch eine histologische<br />

Untersuchung mit Typisierung der HPV<br />

erfolgen.<br />

Differentialdiagnostik: Als Differentialdiagnose<br />

zur bowenoiden Papulose kommt ein M. Bowen,<br />

Condylomata plana, seborrhoische Warzen<br />

und ein Lichen ruber planus in Betracht. Die<br />

Abgrenzung zu einem M. Bowen kann nicht<br />

histologisch erfolgen, da beide Krankheitsbilder<br />

ein identisches histologisches Bild zeigen.<br />

Die Differenzierung muss hier über die Klinik<br />

und den Krankheitsverlauf erfolgen. Ein M.<br />

Bowen hat seinen Häufigkeitsgipfel jenseits<br />

des 50. Lebensjahres, wächst sehr langsam,<br />

tritt zumeist in Einzelherden auf und kann<br />

nach Jahren entarten.<br />

Histologisch kann eine bowenoide Papulose<br />

nicht von einem M. Bowen unterschieden<br />

werden.<br />

Differentialdiagnose Tafel 15-1<br />

der bowenoiden Papulose<br />

• M. Bowen<br />

• Condylomata plana<br />

• Lichen ruber planus<br />

• seborrhoische Warze<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Der Krankheitsverlauf<br />

der bowenoiden Papulose ist<br />

geprägt durch rasch wachsende, teils dann<br />

konfluierende Papeln, welche kaum Symptome<br />

machen. Häufig neigen diese Papeln zu einer<br />

Spontanremission und entarten sehr selten<br />

nach längerer Krankheitsdauer. Wichtig sind<br />

zunächst die Diagnosesicherung und die Abgrenzung<br />

zu einem M. Bowen. Bei Vorliegen<br />

der Diagnose einer bowenoiden Papulose kann<br />

Anale und perianale Neoplasien 15<br />

zunächst konservativ abwartend therapiert<br />

werden.<br />

Die bowenoide Papulose neigt zu<br />

Spontanheilungen.<br />

Kommt es zu keiner Spontanremission kann mit<br />

5-Fluoruracil (Verrumal-Lsg ®) therapiert werden.<br />

Neuerdings gibt es auch Berichte über Behandlungserfolge<br />

mit Imiquimod (Aldara®) oder<br />

mit Interferongel (Fiblaferon®). Bei Persistenz<br />

kann die bowenoide Paulose auch chirurgisch<br />

exzidiert oder mit dem Laser abgetragen werden.<br />

Wichtig sind dann regelmäßige Nachsorgen zur<br />

frühzeitigen Erkennung eines Rezidivs.<br />

Präkanzerosen und Karzinome<br />

Morbus Bowen<br />

Der Morbus Bowen gilt besonders bei langjähriger<br />

Krankheitsdauer als obligate Präkanzerose<br />

mit hoher Penetranz für die Entwicklung eines<br />

Karzinoms. Die Erkrankung ist geschlechtsunspezifisch<br />

und kann zwar nach neueren<br />

Erkenntnissen in jedem Lebensalter auftreten,<br />

hat ihren Krankheitsgipfel jedoch jenseits des<br />

fünfzigsten Lebensjahres. Oft wird die Diagnose<br />

eines Morbus Bowen, da er für den Ungeübten<br />

häufig mit einem Analekzem verwechselt wird,<br />

erst im malignen Stadium diagnostiziert.<br />

Der M. Bowen ist eine obligate<br />

Präkanzerose.<br />

Ätiopathogenese: Der Morbus Bowen kann<br />

durch eine Infektion mit humanen Papillomviren<br />

der Typen 16,18 und 58 hervorgerufen<br />

werden. Weiterhin spielen die Altersdisposition<br />

und auch Kanzerogene wie z. B. eine<br />

chronische Arsenintoxikation eine Rolle in<br />

der Entstehung.<br />

Symptomatologie: Die Symptome des M. Bowen<br />

sind gering. Mitunter klagen die Patienten<br />

besonders nach Exulzeration des Tumors über<br />

Juckreiz, Nässen und Blutungen. Schmerzen<br />

werden meist nur nach Infiltration benachbarter<br />

Strukturen angegeben.


15 Anale und perianale Neoplasien<br />

Diagnostik: Der Morbus Bowen tritt meist<br />

als solitäre Läsion auf, kann mitunter aber<br />

auch mutiple Herde aufweisen und dann sogar<br />

konfluieren. Die Läsion hat eine unregelmäßige<br />

Kontur, ist aber zur gesunden Haut hin<br />

scharf abgegrenzt. Sie ist flach bis leicht erhaben,<br />

hyperkeratotisch bis schuppend und von<br />

braunroter Farbe. Ihr Durchmesser kann bis zu<br />

mehreren Zentimetern betragen. Die Diagnose<br />

wird meist durch eine reine Inspektion und<br />

Palpation gestellt und dann histologisch durch<br />

eine Probebiopsie gesichert. Obligat sollte eine<br />

Proktorektoskopie erfolgen, um einen intraanalen<br />

Befall auszuschließen.<br />

Abb. 15-4 Atypisch multilokulär<br />

auftretender Morbus Bowen<br />

Differentialdiagnostik: Differentialdiagostisch<br />

muss ein Morbus Bowen, besonders im Hinblick<br />

auf die weitere <strong>Therapie</strong>, von einer bowenoiden<br />

Papulose abgegrenzt werden. Dies erfolgt<br />

durch das klinische Erscheinungsbild, den<br />

Krankheitsverlauf und das Patientenalter. Eine<br />

histologische Unterscheidung zwischen beiden<br />

Krankheitsbildern ist nicht möglich. Weiterhin<br />

muss der Morbus Bowen von einem Analekzem,<br />

einem Lichen ruber planus und einem Morbus<br />

Paget abgegrenzt werden.<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Der Morbus<br />

Bowen ist eine sehr langsam wachsende Präkanzerose,<br />

die erst nach Jahren des Wachstums<br />

die Basalmembran überschreitet und dann in<br />

ein invasives spinozelluläres Karzinom übergeht.<br />

Meist kommt es dann auch zu Ulzerationen<br />

als Zeichen eines invasiven Wachstums.<br />

Die Metastasierung erfolgt sowohl lymphogen<br />

als auch hämatogen. Eine Spontanregression<br />

ist im Unterschied zur bowenoiden Papulose<br />

nicht zu erwarten. Wegen des Überganges in<br />

ein invasives Karzinom und der fehlenden<br />

Spontanregression sollte der Morbus Bowen<br />

bei Diagnosestellung durch eine chirurgische<br />

Exzision weit im Gesunden therapiert werden.<br />

Eine konservative oder abwartende <strong>Therapie</strong><br />

ist nicht indiziert. Nach Exzison sollte eine<br />

engmaschige Nachsorge zum frühzeitigen<br />

Erkennen von Lokalrezidiven erfolgen.<br />

Die <strong>Therapie</strong> der Wahl des Morbus<br />

Bowen ist die chirurgische Exzision weit<br />

im Gesunden.<br />

Zusammenfassung: Der Morbus Bowen<br />

ist eine sehr langsam wachsende, durch<br />

Papillomviren oder Kanzerogene wie Arsen<br />

hervorgerufene obligate Präkanzerose. Häufig<br />

wird ein M. Bowen erst nach Übergang<br />

in ein spinozelluläres Karzinom diagnostiziert.<br />

Abzugrenzen ist die Erkrankung von<br />

einem Analekzem und einer bowenoiden<br />

Papulose. Die <strong>Therapie</strong> der Wahl ist die<br />

Exzision weit im Gesunden.<br />

Morbus Paget<br />

Der extramammäre Morbus Paget der anogenitalen<br />

Region ist eine an die apokrinen<br />

Schweißdrüsen gebundene relativ seltene Erkrankung.<br />

Die Erkrankung tritt meist im hohen<br />

Lebensalter auf, ist nicht geschlechtsspezifisch<br />

und ist mit weiteren Karzinomen, wie z. B. dem<br />

tiefsitzenden Rektumkarzinom, assoziiert.<br />

Symptomatologie: Das dominierende Symptom<br />

des ist der Juckreiz bei ekzematösen Hautveränderungen.<br />

Im weiteren Verlauf klagen die<br />

Patienten dann auch über Brennen, Nässen<br />

und Blutungen.<br />

Diagnostik: Der Morbus Paget imponiert beim<br />

perianalen Befall durch eine ekzematöse, scharf<br />

begrenzte Hautveränderungen, welche auf<br />

133


134<br />

Abb. 15-5<br />

M. Paget perianal und genital<br />

die normale antiekzematöse <strong>Therapie</strong> nicht<br />

ansprechen. Es zeigen sich gerötete, weiche<br />

Hautareale, die teils schuppen oder auch nässen.<br />

Die eigentliche Diagnose kann erst durch<br />

eine Probebiopsie gestellt werden, wobei dann<br />

die typischen ‚Pagetzellen’, d. h. neoplastische<br />

Epithelzellen der sekretorischen Anteile<br />

apokriner <strong>Dr</strong>üsen diagnostiziert werden. Der<br />

extramammäre Morbus Paget ist somit ein<br />

Adenokarzinom der apokrinen Schweißdrüsen.<br />

Auf jeden Fall muss durch eine Proktorektoskopie<br />

sowohl ein intraanaler Befall als auch<br />

ein assoziiert vorkommendes tiefsitzendes<br />

Rektumkarzinom ausgeschlossen werden.<br />

Bei Diagnose eines analen extramammären<br />

Morbus Paget muss ein assoziiertes<br />

vorkommendes Rektumkarzinom ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Differentialdiagnostik: Differentialdiagnostisch<br />

muss ein Morbus Paget von einem therapieresistenten<br />

Analekzem unterschieden werden.<br />

Weiterhin muss er von einem Lichen ruber<br />

planus, einem Morbus Bowen oder auch einer<br />

Psoriasis inversa abgegrenzt werden.<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Ein Morbus<br />

Paget zeichnet sich durch einen langsamen,<br />

flächenhaften Wachstumsverlauf aus.<br />

Anale und perianale Neoplasien 15<br />

Abb. 15-6 M. Paget: Situs nach<br />

kompletter Exzision<br />

Ein Morbus Paget besitzt mikrosko-<br />

pisch meist eine deutlich weitere flächenhafte<br />

Ausbreitung als makroskopisch zu<br />

vermuten wäre.<br />

Nach langjährigem Wachstum kann er sich,<br />

nach primär perianalem Befall, nach intraanal<br />

ausbreiten. Die Prognose eines Morbus Paget<br />

wird bestimmt vom Zeitpunkt der Diagnosestellung,<br />

dem Grad der hämato- und lymphogenen<br />

Metastasierung und von simultan auftretenden<br />

Zweitkarzinomen des distalen Rektums. Die<br />

<strong>Therapie</strong> der Wahl besteht in einer frühzeitigen<br />

Exzision weit im Gesunden mit genauer<br />

Untersuchung der Schnittränder, da der Tumor<br />

häufig mikroskopisch häufig sehr viel weiter<br />

fortgeschritten ist, als dies makroskopisch zu<br />

vermuten wäre. Bei sehr großer Ausdehnung<br />

werden auch Erfolge mit einer <strong>Therapie</strong> ähnlich<br />

der eines Analkanalkarzinomes mit einer<br />

kombinierten Radiochemotherapie (50Gy, 5-<br />

Fluorouracil und Mitomycin C) beschrieben,<br />

wobei diese <strong>Therapie</strong> durch Studien nicht sicher<br />

evaluiert ist. Die Wahl der <strong>Therapie</strong> ist somit<br />

abhängig sowohl von der Breiten- als auch<br />

von der Tiefenausdehnung des Tumors bei<br />

Diagnosestellung. Eine engmaschige Nachsorge<br />

ist obligat, um frühzeitig ein lokales Rezidiv<br />

zu erkennen.


15 Anale und perianale Neoplasien<br />

Zusammenfassung: Der perianale Morbus<br />

Paget ist ein seltenes, langsam flächenhaft<br />

wachsendes Karzinom der sekretorischen<br />

Anteile apokriner Schweißdrüsen. Er muss<br />

differentialdiagnostisch besonders von<br />

einem therapieresistenten Analekzem unterschieden<br />

werden. Die <strong>Therapie</strong> der Wahl<br />

besteht in der histologischen Diagnosesicherung,<br />

gefolgt von einer Exzision weit<br />

im Gesunden.<br />

Analkarzinom<br />

Das Analkarzinom als maligne epitheliale<br />

Läsion der Analregion stellt ein relativ seltenes<br />

Tumorgeschehen dar, das weniger als 2 % der<br />

malignen Tumoren des Gastrointestinaltrakts<br />

ausmacht.<br />

Die makroskopische Klassifikation stützt<br />

sich auf die Lokalisation des Ursprungsortes und<br />

unterscheidet zwischen Analkanalkarzinomen<br />

(etwa 70 %) und Analrandkarzinomen (etwa<br />

30 %). Der histologische Aufbau ist vielgestaltig,<br />

was sich dadurch erklärt, dass im Bereich des<br />

Analkanals an der Grenze von Ektoderm und<br />

Entoderm unterschiedliche epitheliale und<br />

mesenchymale Strukturen nachzuweisen sind.<br />

Da das Analkarzinom besonders zu Beginn<br />

der Manifestation bei der klinischen Untersuchung<br />

wenig auffällig imponiert, ergibt sich die<br />

Forderung, dass alles Gewebe, das am Analrand<br />

und intraanal abgetragen wird, histologisch<br />

untersucht werden muss. Häufig fallen die<br />

Analkarzinome durch eine derbe Induration<br />

ohne entzündliche Begleitkomponente auf. Zu<br />

berücksichtigen ist bei der klinischen Untersuchung<br />

bzw. der Austastung fernerhin, dass<br />

Analkarzinome aus dem oberen analen Kanal<br />

gelegentlich intramural bzw. subepithelial bis<br />

an den Analrand vorwachsen können und dort<br />

derb imponieren. Wegen der unterschiedlichen<br />

therapeutischen Konsequenzen ist die<br />

Trennung zwischen Analkanalkarzinom und<br />

Analrandkarzinom wichtig.<br />

Alles exzidierte Gewebe des Analrandes<br />

und des Analkanals muss histologisch zur<br />

Dignitätsbestimmung untersucht werden.<br />

Analrandkarzinom<br />

Obwohl häufig in Bezug auf das Analkarzinom<br />

keine Unterscheidung zwischen Analrand- und<br />

Analkanalkarzinom vorgenommen wird, sollte<br />

dies in Hinblick auf unterschiedliche <strong>Therapie</strong>ansätze<br />

und Prognosen immer erfolgen. Als<br />

Analrand wird ein ca. 5 cm breiter Hautstreifen<br />

distal der Linea anocutanea bezeichnet.<br />

Analrandkarzinome (Plattenepithelkarzinome,<br />

Spinaliome, Stachelzelltumore) sind langsam<br />

wachsende, lokal infiltrierende Hauttumore<br />

dieser Zone und sollten auch wie Hauttumore<br />

behandelt werden. Der Altersgipfel der Erkrankung<br />

liegt im 5. bis 6. Lebensjahrzehnt mit<br />

einer Geschlechterverteilung von 4:1 männlich<br />

zu weiblich.<br />

Im Hinblick auf die therapeutische Konsequenz<br />

sollte beim Analkarzinom zwischen<br />

einem Analrand- und einem Analkanalkarzinom<br />

unterschieden werden.<br />

Histologische Typisierung Tafel 15-2<br />

des Analrandkarzinomes<br />

WHO 1989/96<br />

• Plattenepithelkarzinom<br />

• Plattenepithelkarzinom in situ (Mb. Bowen)<br />

• Verukköses Karzinom<br />

• Basalzellkarzinom (Basaliom)<br />

• Andere: Morbus Paget extramammär<br />

Ätiologie: Auslösende Faktoren für die Entwicklung<br />

eines Analkarzinomes sind chronische<br />

Entzündungen wie z.B. ein langjähriges Fistelleiden,<br />

ein Morbus Crohn oder eine Radiatio.<br />

Auch Viruserkrankungen, wie z.B. Kondylome,<br />

können Vorläufer eines Analrandkarzinomes<br />

sein. Eine weitere Risikogruppe stellen immunsupprimierte<br />

Patienten wie nach Nierentrans-<br />

135


136<br />

plantation oder bei HIV dar. Analkarzinome<br />

entstehen selten de novo, sondern wachsen<br />

meist auf einer durch die vorgenannten Ursachen<br />

vorgeschädigten Haut.<br />

Symptomatologie: Das Analrandkarzinom<br />

zeigt im Anfangsstadium nur unspezifische<br />

Symptome wie einen Pruritus. Nässen und<br />

Blutungen treten erst nach Ulzerationen auf.<br />

Schmerzen entstehen meist erst nach Infiltration<br />

benachbarter Strukturen wie z. B. des<br />

Sphinkterapparates.<br />

Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose eines Analrandkarzinomes<br />

wird durch Inspektion, Palpation<br />

und Krankheitsverlauf gestellt. Es tastet<br />

sich ein derber glatter bis verrukköser Tumor,<br />

der kaum entzündliche Begleiterscheinungen<br />

zeigt. In fortgeschrittenen Stadien finden sich<br />

auch ein ulzerierter nässender Tumor. Es sollte<br />

immer eine Proktorektoskopie erfolgen, um ein<br />

Übergreifen des Tumors auf den Analkanal<br />

auszuschließen. Abhängig vom Ausmaß des<br />

Einteilung der T-Stadien Tab. 15-1<br />

des Analrandkarzinomes<br />

T1 Tumor misst 2 cm oder weniger in<br />

seiner größten Ausdehnung und wächst<br />

rein oberflächlich oder exophytisch<br />

(oberflächige Lage Stratum papillare<br />

infiltriert, keine Infiltration Stratum<br />

reticulare)<br />

T2 Tumor misst in seiner größten Ausdehnung<br />

mehr als 2 cm, jedoch nicht<br />

mehr als 5 cm, oder Tumor mit minimaler<br />

Infiltration in die Dermis (Grenze zum<br />

Stratum reticulare erreicht)<br />

T3 Tumor misst in seiner größten Ausdehnung<br />

mehr als 5 cm oder Tumor mit<br />

tiefer Infiltration in die Dermis (Infiltration<br />

Stratum reticulare oder Subcutis<br />

erreicht)<br />

T4 Tumor mit Ausdehnung<br />

auf benachbarte Strukturen<br />

(Muskel, Knochen etc.)<br />

Anale und perianale Neoplasien 15<br />

Tumors und dem Ergebnis der Probeexzision<br />

sollten eine Sonographie bzw. Endosonographie<br />

zur Bestimmung der Tiefenausdehnung<br />

und weitere Untersuchungen wie Sonographie<br />

der Leistenlymphknoten und CT bzw. MRT des<br />

Beckens erfolgen. Die weiteren therapeutischen<br />

Schritte werden abhängig gemacht von der<br />

Tumorausdehnung, der Tiefeninfiltration und<br />

dem Grading des Tumors.<br />

Differentialdiagnostik: Differentialdiagnostisch<br />

müssen vom Analrandkarzinom das maligne<br />

Melanom, das Analkanalkarzinom, sowie<br />

Condylome oder benigne Erkrankungen wie<br />

nässende ulzerierende Ekzeme abgegrenzt<br />

werden. Häufige Fehldiagnosen sind Hämorrhoiden,<br />

schlecht heilende Wunden oder auch<br />

Fissuren.<br />

Abb. 15-7<br />

Analrandkarzinom<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Das Analrandkarzinom<br />

ist ein langsam wachsender<br />

Hauttumor des höheren Lebensalters. Es metastasiert<br />

lymphogen meist in die regionalen<br />

Leistenlymphknoten und erst spät nach Infiltration<br />

tieferer Schichten auch hämatogen. Zum<br />

Zeitpunkt der Diagnosestellung liegt bei 15 %<br />

der Patienten abhängig von der Tumorausbreitung<br />

bereits eine lymphogene Metastasierung<br />

vor. Im Stadium T1/2 bei guter bis mäßiger<br />

Differenzierung wird das Analrandkarzinom<br />

wie ein Hautkarzinom durch primäre chirurgische<br />

Exzision mit entsprechendem Sicherheitsabstand<br />

therapiert.


15 Anale und perianale Neoplasien<br />

Die <strong>Therapie</strong> des kleinen T1-2 -Analrandkarzinoms<br />

erfolgt primär chirurgisch.<br />

Bei höheren Tumorstadien oder bei sphinkternaher<br />

Lage mit der Gefahr einer operationsbedingten<br />

analen Inkontinenz wird auch das<br />

Analrandkarzinom ähnlich dem Analkanalkarzinom<br />

mit einer Radiotherapie oder einer<br />

kombinierten Radiochemotherapie behandelt.<br />

Eine abdominoperineale Amputation ist nur<br />

bei analkanalnaher Lage nach Persistenz nach<br />

Radiochemotherapie und bei einem Rezidiv indiziert.<br />

Bei Befall von Leistenlymphknoten wird<br />

sowohl die radikale chirurgische Entfernung<br />

als auch die Radiatio der Region mit 45-50<br />

Gy empfohlen. Eine engmaschige Nachsorge<br />

wird zum frühzeitigen Erkennen eines Rezidivs<br />

für die Zeitdauer von mindestens fünf Jahren<br />

empfohlen.<br />

Zusammenfassung: Das Analrandkarzinom<br />

ist ein langsam wachsendes Karzinom, das<br />

meist auf bereits vorgeschädigter (Condylome,<br />

Morbus Crohn. Fistelleiden) Haut<br />

entsteht. Es sollte differentialdiagnostisch<br />

wegen unterschiedlicher <strong>Therapie</strong>n vom<br />

Analkanalkarzinom abgegrenzt werden.<br />

Kleinere Tumoren bis zum Stadium T1/2<br />

werden chirurgisch exzidiert, weiter fortgeschrittene<br />

Karzinom werden wie das Analkanalkarzinom<br />

multimodal behandelt.<br />

Analkanalkarzinom<br />

Das Analkanalkarzinom macht etwa 1 % aller<br />

kolorektalen Karzinome aus. Der Analkanal<br />

wird kranial vom Oberrand des M. puborectalis<br />

und kaudal von der Linea anocutanea begrenzt.<br />

Die epitheliale Auskleidung des Analkanals<br />

besteht kranial der Linea dentata im Bereich<br />

der Transitionalzone aus Übergangsepithel, im<br />

oberen Anteil distal der Linea dentata aus nicht<br />

verhornendem Plattenepithel und im unteren<br />

Anteil aus verhornendem Plattenepithel jeweils<br />

ohne Hautanhangsgebilde.<br />

Im Gegensatz zum Analrandkarzinom sind<br />

Frauen etwas häufiger vom Analkanalkarzinom<br />

betroffen als Männer. Ca. 75% der Analkanalkarzinome<br />

entstehen aus dem Übergangsepithel<br />

proximal der Linea dentata, ca. 25% aus dem<br />

Plattenepithel distal der Linea dentata. Der<br />

Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen<br />

dem 6. und 7. Lebensjahrzehnt.<br />

Ätiologie: Als Risikofaktoren für die Entwicklung<br />

eines Analkanalkarzinomes zählen eine HPV<br />

Infektion (HPV 16), ein Immundefizit, häufiger<br />

Analverkehr und auch ein Nikotinabusus.<br />

Symptomatologie: Das Analkanalkarzinom äußert<br />

sich meist durch unspezifische Symptome<br />

wie Juckreiz, Nässen und peranale Blutungen.<br />

Bei Infiltration der Sphinktermuskulatur kommt<br />

es zunehmend zu Kontinenzproblemen und<br />

Schmerzen auch unabhängig von der Defäkation.<br />

Ca. 10 % der Analkanalkarzinome werden<br />

wegen ihrer geringen Symptomatik erst im<br />

Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen oder<br />

urologischen Untersuchungen diagnostiziert.<br />

Diagnostik: Jedes therapierefraktäre Ulkus im<br />

Analkanal sollte unter der Verdachtsdiagnose<br />

eines Analkanalkarzinomes diagnostiziert werden.<br />

Die primäre Diagnostik geschieht durch Inspektion<br />

nach Spreizen der Nates und Palpation<br />

des Analkanals. Durch eine Proktorektoskopie<br />

kann die genaue Lage des Karzinoms verifiziert<br />

werden. Als weiterführende Untersuchung<br />

sind die Bestimmung von CEA und SCC, eine<br />

Sonographie des Abdomens und/oder eine CT<br />

oder MRT des Beckens und der Leistenregion,<br />

eine Koloskopie sowie ein Röntgen-Thorax<br />

angezeigt. Mittels einer hoch auflösenden<br />

Endosonographie kann die Infiltrationstiefe<br />

des Tumors bestimmt werden.<br />

Kleinere Tumoren von weniger als einem<br />

Zentimeter Durchmesser können mittels Totalbiopsie<br />

entfernt werden. Größere Tumoren<br />

sollten zur weiteren <strong>Therapie</strong>planung zur Bestimmung<br />

der Malignität und des Gradings<br />

biopsiert werden. Hierbei ist die Unterscheidung<br />

zwischen einem Plattenepithelkarzinom<br />

und einem auf den Analkanal übergreifenden<br />

Adenokarzinom des Rektums bzw. einem recht<br />

seltenen primären Adenokarzinom der Proktodäaldrüsen<br />

wichtig.<br />

137


138<br />

T-Stadien des Tab. 15-2<br />

Analkanalkarzinomes<br />

Tis Carcinoma in situ<br />

T1 Tumor < 2 cm oder 1/3 der Zirkumferenz<br />

oder Länge des Analkanals umfassend,<br />

keine Infiltration des äußeren Schließmuskels<br />

T2 Tumor > 2 cm aber < 5 cm in größter<br />

Ausdehnung oder mehr als 1/3 der<br />

Zirkumferenz oder Länge des Analkanals<br />

umfassend oder Infiltration des äußeren<br />

Schließmuskels<br />

T3 Tumorgröße > 5 cm in größter Ausdehnung<br />

oder Infiltration von Rektum oder<br />

perianaler Haut<br />

T4 Tumor jeder Größe mit Infiltration benachbarter<br />

Organe, wie Vagina, Urethra oder<br />

Harnblase (Befall der Sphinktermuskulatur<br />

wird nicht als T4 bezeichnet !)<br />

Histologische Typisierung Tafel 15-3<br />

des Analkanalkarzinomes<br />

WHO 1989/96<br />

Plattenepithelkarzinom (kloakogenes Karzinom)<br />

• großzellig verhornendes<br />

• großzellig nicht-verhornendes<br />

• basaloides<br />

Adenokarzinom<br />

• vom rektalen Typ<br />

• der Analdrüsen<br />

• in anorektalen Fisteln<br />

Kleinzelliges (»oat cell«) Karzinom<br />

Undifferenziertes Karzinom<br />

Ein therapieresistentes Ulkus im Analkanal<br />

muss histologisch auf ein Analkanalkarzinom<br />

untersucht werden.<br />

Anale und perianale Neoplasien 15<br />

Differentialdiagnostik: Häufige Fehldiagnosen<br />

des Analkanalkarzinoms sind blutende Hämorrhoiden,<br />

Fissuren, andere schlecht heilende<br />

Wunden oder ein chronisches Analekzem.<br />

Differentialdiagnostisch müssen Präkanzerosen<br />

wie der M. Paget oder der M. Bowen<br />

ebenso abgegrenzt werden wie das anorektale<br />

Melanom, das Basaliom und das Analrandkarzinom.<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Das Analkanalkarzinom<br />

wächst primär als lokal infiltrierender<br />

Tumor. Es nimmt je nach Lage und Infiltrationstiefe<br />

des Tumors drei Metastasierungswege<br />

nach inguinal, iliakal oder mesorektal ein. Die<br />

Metastasierung des Analkanalkarzinoms erfolgt<br />

frühzeitig lymphogen entlang der großen<br />

Gefäße und später hämatogen in Leber und<br />

Lunge. Kleinere Plattenepithelkarzinome im<br />

Stadium pTis ohne nachgewiesene Lymphknotenmetastasen<br />

und ohne Infiltration der<br />

Linea dentata können bei guter Differenzierung<br />

lokal exzidiert werden und bedürfen dann,<br />

bis auf eine engmaschige Nachsorge, keiner<br />

weiteren <strong>Therapie</strong>.<br />

Gut differenzierte Analkanalkarzinome<br />

im Stadium pTis können lokal chirurgisch<br />

exzidiert werden.<br />

Bei größeren Tumoren im Stadium T1 mit<br />

tieferer Infiltration ist unklar, ob die alleinige<br />

Exzision bessere Ergebnisse erbringt als die<br />

Radiochemotherapie. Bei allen höheren Tumorstadien,<br />

insbesondere auch beim Nachweis<br />

von Lymphknotenmetastasen, ist die primäre<br />

<strong>Therapie</strong>, abgesehen von der Diagnosesicherung<br />

durch eine Biopsie, keine chirurgische. Neuere<br />

Studien haben ergeben, dass eine kombinierte<br />

Radiochemotherapie der alleinigen Radiotherapie<br />

überlegen ist. Das <strong>Therapie</strong>schema<br />

besteht aus einer sechswöchigen Bestrahlung<br />

mit insgesamt 50,4 Gy, wobei begleitend in<br />

der ersten und fünften Woche 5-Fluoruracil<br />

und Mitomycin C appliziert werden. In aktuell<br />

laufenden Studien werden Mitomycin C gegen<br />

Cisplatin getestet, wobei eine abschließende<br />

Beurteilung noch nicht erfolgen kann. Simultan<br />

wird bei Tumoren ab zwei Zentimeter eine Be-


15 Anale und perianale Neoplasien<br />

strahlung der Leistenlymphknoten empfohlen.<br />

Bei vorbestehender Inkontinenz oder drohender<br />

Ulzeration kann ein protektives Stoma vor<br />

Radiatio angelegt werden. Frühestens nach<br />

sechs Wochen, besser erst nach drei Monaten<br />

sollte ein Restaging mit Biopsiestanzen aus<br />

dem Bestrahlungsgebiet erfolgen. Bei Tumorpersistenz<br />

oder im Falle eines Tumorrezidives<br />

muss eine abdominoperineale Amputation<br />

erwogen werden.<br />

Das Adenokarzinom des Analkanals<br />

wird primär behandelt wie ein tiefsitzendes<br />

Rektumkarzinom. Inwieweit auch hier eine<br />

neoadjuvante <strong>Therapie</strong> vor abdominoperinealer<br />

Amputation eine Prognoseverbesserung<br />

erbringen kann, ist noch nicht geklärt.<br />

Abb. 15-8 Analkanalkarzinom mit<br />

submukösem Wachstum.<br />

Nachsorge: Die Nachsorge des therapierten<br />

Analkanalkarzinoms sollte engmaschig über<br />

mindesten fünf Jahre mit körperlicher Untersuchung,<br />

Proktorektoskopie, Endosonographie,<br />

Sonographie des Abdomens, Röntgenthorax und<br />

CT des Beckens und der Leisten erfolgen.<br />

Prognose: Bei gut differenzierten Tumoren<br />

kleiner fünf Zentimeter, die distal lokalisiert<br />

waren, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate<br />

bis zu 85%. Bei nicht lokal exzidierbaren Tumoren<br />

im proximalen Analkanal sinkt diese<br />

auf ca. 50% ab.<br />

Zusammenfassung: Das Analkanalkarzinom<br />

wächst langsam infiltrierend und sollte<br />

wegen unterschiedlicher <strong>Therapie</strong>modalitäten<br />

vom Analrandkarzinom unterschieden<br />

werden. Differentialdiagnostisch muss besonders<br />

ein tiefsitzendes Rektumkarzinom<br />

ausgeschlossen werden. Im Stadium Tis und<br />

eingeschränkt T1 ist die <strong>Therapie</strong> eine rein<br />

chirurgische. Alle höheren Stadien werden<br />

primär radiochemotherapiert und erst bei<br />

Tumorpersistenz oder bei einem Rezidiv<br />

chirurgisch durch eine abdominoperineale<br />

Amputation behandelt.<br />

Anorektales Melanom<br />

Das anorektale Melanom ist ein seltener Tumor<br />

und betrifft nur 1 – 3 % aller malignen<br />

Melanome. Es entsteht aus entarteten Melanoblasten<br />

der Analhaut. Der Altersmedian liegt<br />

jenseits des 60. Lebensjahres, eine eindeutige<br />

Geschlechtsspezifität zeigte sich bisher nicht.<br />

In der Literatur sind bisher kaum mehr als 500<br />

Fälle eines anorektalen malignen Melanomes<br />

beschrieben worden.<br />

Ätiologie: Der Entstehungsmechanismus des<br />

anorektalen malignen Melanoms ist noch nicht<br />

geklärt. Die UV-Einstrahlung kann bei nicht<br />

dem Sonnenlicht ausgesetzter Körperregion<br />

keine Rolle spielen. Der Tumor entsteht aus<br />

Melanoblasten des Anorektums, beginnt meist<br />

etwas distal der Linea dentata und breitet sich<br />

dann submukös auf das distale Rektum aus.<br />

Jedoch werden auch maligne Melanome beschrieben,<br />

die ihren Ausgang von Melanozyten<br />

des distalen Rektums nehmen. Die Inzidenz ist<br />

bei HIV-positiven Patienten erhöht. Beispiele<br />

von Spontanremissionen und aggressiven<br />

Verläufen bei immunsupprimierten Patienten<br />

zeigen die Bedeutung von immunologischen<br />

Faktoren bei der Tumorprogression.<br />

Symptomatologie: Die Symptomatologie des<br />

malignen Melanoms ist eher unspezifisch. Patienten<br />

äußern mitunter ein <strong>Dr</strong>uckgefühl, sowie<br />

Nässen und einen Juckreiz. Im Frühstadium<br />

139


140<br />

wird das maligne Melanom häufig im Rahmen<br />

einer Vorsorgeuntersuchung oder z.B. einer<br />

Hämorrhoidektomie zufällig diagnostiziert.<br />

Klinik: Bei dem malignen Melanom handelt es<br />

sich um einen meist im Bereich der Linea dentata<br />

wachsenden Tumor. Dieser kann pigmentiert<br />

sein, jedoch werden in 30 – 50% Prozent<br />

der Fälle auch amelanotische, unpigmentierte<br />

Tumoren beschrieben. Häufig hat der Tumor<br />

zum Zeitpunkt der Diagnose eine gewisse<br />

Tumordicke und Tiefeninvasion erreicht, was<br />

sich als prognostisch schlechter Faktor erweist.<br />

Bei der klinischen Untersuchung imponiert der<br />

Tumor als leicht erhabene Veränderung, in<br />

seiner pigmentierten Form mit schwärzlichem<br />

Farbton, in der amelanotischen Form kaum<br />

von der Umgebung zu unterscheiden. Beim<br />

fortgeschrittenen Tumor zeigen sich zentrale<br />

Ulzerationen.<br />

Diagnostik: Die Diagnostik beginnt mit der<br />

Inspektion und Palpation des Tumors. Mittels<br />

Proktorektoskopie kann die Ausbreitung in<br />

Richtung des distalen Rektums bestimmt werden.<br />

Die Sonographie der Leistenlymphknoten<br />

bzw. die CT von Becken und Leisten sollten eine<br />

lymphonoduläre Metastasierung klären. Durch<br />

eine hochauflösende Endosonographie und<br />

folgender Probebiopsie kann dann die vertikale<br />

Tumordicke nach BRESLOW und die Invasionstiefe<br />

nach CLARK bestimmt werden. Es werden<br />

histologisch fünf unterschiedliche Typen des<br />

malignen Melanoms unterschieden.<br />

Histologische Einteilung Tafel 15-4<br />

des malignen Melanoms<br />

nach Typen<br />

• Superfiziell spreitendes Melanom (SSM)<br />

• Lentigo-maligna Melanom (LMM)<br />

• Noduläres Melanom (NM)<br />

• Akrolentiginöses Melanom (ALM)<br />

• Nicht klassifizierbares Melanom (UCM)<br />

Anale und perianale Neoplasien 15<br />

Entsprechend seiner lymphonodulären Metastasierung<br />

wird das maligne Melanom klinisch<br />

in drei Stadien eingeteilt:<br />

Stadieneinteilung des Tab. 15-3<br />

malignen Melanoms<br />

Stadium I lokalisiertes Tumorwachstum<br />

Stadium II lokalisiertes Tumorwachstum<br />

mit regionären Lymphknotenmetastasen<br />

Stadium III lokalisiertes Tumorwachstum<br />

mit Fernmetastasen<br />

Differentialdiagnostik: Das maligne Melanom<br />

kann für den Ungeübten leicht mit einem<br />

Hämorrhoidalknoten oder einer Perianalvenenthrombose<br />

verwechselt werden. Histologisch<br />

muss beim ulzerierten Tumor besonders auch<br />

das pigmentierte Basalzellkarzinom abgegrenzt<br />

werden.<br />

Häufig wird das maligne Melanom des<br />

Anorektums als Zufallsbefund in einem<br />

Resektat z.B. im Rahmen einer Hämorrhoidektomie<br />

diagnostiziert.<br />

Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Da es sich<br />

beim malignen Melanom um einen biologisch<br />

aggressiven Tumor handelt, hängt die<br />

Prognose wesentlich von der frühzeitigen<br />

Erkennung und entsprechenden konsequenten<br />

<strong>Therapie</strong> ab. <strong>Therapie</strong> der Wahl ist die<br />

Exzision weit im Gesunden, im individuellen<br />

Fall unter Opferung des Kontinenzorganes im<br />

Sinne einer abdominoperinealen Amputation.<br />

Eine eindeutige Überlegenheit dieses Eingriffs<br />

gegenüber der ausgedehnten lokalen Exzision<br />

lässt sich andererseits nicht aufzeigen, so<br />

dass – in Wertung der Lebensqualität – die<br />

<strong>Therapie</strong>option den möglichen Organerhalt<br />

berücksichtigen sollte.<br />

<strong>Therapie</strong> der Wahl beim anorektalen<br />

malignen Melanom ist die Exzision weit<br />

im Gesunden ggf. auch unter Opferung des<br />

Kontinenzorganes.


15 Anale und perianale Neoplasien<br />

Eine prophylaktische Lymphknotendissektion<br />

wird nicht empfohlen, befallene Lymphknoten<br />

werden im Rahmen der operativen <strong>Therapie</strong><br />

jedoch mit entfernt. Eine adjuvante <strong>Therapie</strong><br />

mit Radiochemotherapie oder Immuntherapie<br />

findet sich bei der Behandlung des anorektalen<br />

Melanoms im Gegensatz zur Behandlung<br />

des kutanen malignen Melanoms noch in der<br />

klinischen Erprobung und kann nicht generell<br />

empfohlen werden.<br />

Abb. 15-9 Anales Melanom<br />

Prognose: Die Prognose des anorektalen Melanoms<br />

hängt wesentlich von der Tumordicke<br />

und der Invasionstiefe ab. Zwischen 40 und 70<br />

Prozent der Melanome haben zum Zeitpunkt der<br />

Diagnosestellung bereits lymphogen und/oder<br />

hämatogen metastasiert. Die 5-Jahres-Überlebensrate<br />

beträgt nur zwischen 5 und 22%. Bei<br />

einer Fernmetastasierung ist die Prognose meist<br />

infaust. Eine intensive Nachsorge mit Proktorektoskopie<br />

und Schnittbilduntersuchungen des<br />

kleinen Beckens sollte zumindest in den ersten<br />

fünf Jahren nach der Primärtherapie durchgeführt<br />

werden, um frühzeitig lokale Rezidive<br />

nachweisen und therapieren zu können.<br />

Zusammenfassung: Das maligne Melanom<br />

ist ein seltenes, jedoch biologisch<br />

aggressives Malignom des Anorektums.<br />

Differentialdiagnostisch kann das maligne<br />

Melanom in der Frühphase besonders mit<br />

einem Hämorrhoidalknoten oder einer Perianalvenenthrombose<br />

verwechselt werden.<br />

Essentiell ist die frühzeitige Diagnose und<br />

konsequente chirurgische <strong>Therapie</strong>. Die<br />

Prognose ist bei lokaler Metastasierung und<br />

besonders bei einer Fernmetastasierung als<br />

schlecht zu bewerten.<br />

Nicht-epitheliale Tumoren<br />

der Analregion<br />

Tumoren des Analkanals und<br />

der Rektumwand<br />

Selten werden im Analkanal und im distalen<br />

Rektum maligne, nichtepitheliale Tumoren,<br />

ausgehend von den tiefen Schichten von Analkanal<br />

und Darmwand, nachgewiesen. Diese<br />

malignen Tumoren (Fibrosarkom, Liposarkom,<br />

Leiomyosarkom, Rhabdomyosarkom, Neurosarkom)<br />

imponieren üblicherweise aufgrund<br />

des Tastbefundes oder ggf. durch eine Prolapssymptomatik<br />

oder eine Stenosierung des<br />

Anallumens bzw. des distalen Rektums. Die<br />

<strong>Therapie</strong> zielt dabei möglichst auf die primäre,<br />

komplette lokale Exzision. Die histologische<br />

Aufarbeitung mittels Schnellschnitt vermag<br />

häufig nicht, zweifelsfrei die Dignität zu klären.<br />

Auch die endgültige histologische Aufarbeitung<br />

erlaubt bei den seltenen Tumoren gelegentlich<br />

keine sichere Klassifizierung, so dass in diesen<br />

Fällen eine engmaschige Kontrolle des Lokalbefundes<br />

durchzuführen ist.<br />

Selten findet sich perianal auch die Manifestation<br />

eines malignen Lymphoms, das<br />

sich zumeist als eine liquide Einschmelzung,<br />

ähnlich einem Analabszess, zeigt. Die operative<br />

Freilegung solcher Einschmelzungen ist nicht<br />

unproblematisch, da hier eine geschwächte<br />

Situation der körperlichen Abwehr besteht. Aus<br />

differentialdiagnostischen Überlegungen heraus<br />

kann es vor einer Abszesseröffnung sinnvoll<br />

sein, eine solche Ursache mittels Untersuchung<br />

des Blutbildes auszuschließen.<br />

Retrorektale Tumoren<br />

Das letztgenannte diagnostische Problem findet<br />

sich auch bei den präsakral gelegenen,<br />

retrorektalen Tumoren, deren polymorphes<br />

histologisches Bild oftmals darin begründet ist,<br />

dass es sich hierbei um Fehlbildungen handelt,<br />

die unterschiedliche Anteile des Keimgewebes<br />

beinhalten. Die Tumoren sind entweder zystisch<br />

oder solide. Unter den zystischen Tumoren<br />

141


142<br />

finden sich gelegentlich auch Duplikaturen des<br />

Rektums oder eines weiter proximal gelegenen<br />

Teiles des Intestinaltrakts.<br />

Das klinische Bild offenbart eine zunehmende<br />

Raumforderung, die oftmals erst im<br />

Erwachsenenalter manifest wird. Der operative<br />

Zugang zu den Tumoren sollte nach<br />

Möglichkeit die Strukturen des Anorektums<br />

unangetastet lassen und beispielsweise über<br />

einen posterioren Zugang zum Präsakralraum<br />

erfolgen.<br />

Zusammenfassung: Die nichtepithelialen<br />

Tumoren der anorektalen Region stellen<br />

seltene Tumorentitäten dar. Nur eine<br />

adäquate prätherapeutische Diagnostik<br />

kann operative Zugangswege und weiteres<br />

therapeutisches Procedere klären. Oft<br />

kann Dignität und Prognose der Tumore<br />

erst nach chirurgischer Entfernung geklärt<br />

werden.<br />

Anale und perianale Neoplasien 15


16 Tumoren des Kolorektums<br />

16 Tumoren des Kolorektums<br />

Kolorektale Polypen 144<br />

Epidemiologie 144<br />

Klassifikation von Kolon- und Rektumpolypen 144<br />

Adenom-Karzinom-Sequenz 145<br />

<strong>Therapie</strong> kolorektaler Polypen 146<br />

Nachsorge nach Polypektomie 148<br />

Kolorektales Karzinom 148<br />

Epidemiologie 148<br />

Ätiopathogenese 149<br />

Symptomatik 149<br />

Klassifikation 149<br />

Früherkennung und Prävention 149<br />

Diagnostik 152<br />

Operative <strong>Therapie</strong> 152<br />

Aktuelle Entwicklungen beim Rektumkarzinom 153<br />

Adjuvante und neoadjuvante <strong>Therapie</strong> 154<br />

Prognose 154<br />

Nachsorge 155<br />

143


144<br />

Kolorektale Polypen<br />

Unter einem Polypen im Dickdarm wird<br />

eine Gewebsvermehrung nicht-neoplastischer<br />

oder neoplastischer Art verstanden, wobei<br />

die Möglichkeit einer malignen Transformation<br />

für einige neoplastische Formen gesichert<br />

ist.<br />

Epidemiologie<br />

Etwa 10 % aller Menschen in westlichen Ländern<br />

entwickeln im Laufe ihres Lebens kolorektale<br />

Polypen. Die Wahrscheinlichkeit, kolorektale<br />

Polypen zu entwickeln, steigt besonders ab dem<br />

50. Lebensjahr an und liegt bei über 40 % ab<br />

dem 70. Lebensjahr. Die Verteilung kolorektaler<br />

Polypen im Kolonrahmen ist unterschiedlich.<br />

So befinden sich ca. 10 % im C. ascendens,<br />

und je ca. 30-35 % im C. sigmoideum und<br />

im Rektum.<br />

Klassifikation von Kolon-<br />

und Rektumpolypen<br />

Die neoplastischen Polypen werden anhand<br />

ihrer histologischen Struktur analog zum<br />

überwiegenden Aufbau des <strong>Dr</strong>üsengewebes<br />

in tubuläre, tubulovillöse und villöse Adenome<br />

eingeteilt. Nach der Häufigkeit überwiegen<br />

die tubulären Adenome mit 75 %, gefolgt von<br />

tubulovillösen Adenomen mit 15 % und den<br />

villösen Adenomen mit 10 % aller Polpyen.<br />

Bei Diagnose sind bis zu 40 % der villösen<br />

Tumoren des Kolorektums 16<br />

Adenome bereits entartet, während dies nur<br />

bei ca. 20 % der tubulovillösen und bei ca. 5 %<br />

der tubulären Adenome der Fall ist.<br />

Aufgrund der makroskopischen Wuchsform<br />

unterscheidet man den gestielten Polypen von<br />

breitbasigen Polypen.<br />

Die Vorstufen der karzinomatösen Entartung<br />

werden bei den neoplastischen Polypen<br />

anhand der Zahl der mitotischen Zellen<br />

histologisch definiert. Die früher gebräuchliche<br />

Einteilung nach Dysplasiegraden I bis III<br />

(leichtgradig, mittelgradig und schwergradig)<br />

ist heute ersetzt durch die Einteilung nach der<br />

modifizierten Wien-Klassifikation der gastrointestinalen<br />

epithelialen Tumoren mit dem neuen<br />

Begriff der intraepithelialen Neoplasie. Derzeit<br />

werden beide Einteilungen noch nebeneinander<br />

verwendet. Durch die Wien-Klassifikation ist<br />

aber eine Änderung eingetreten insofern, als<br />

der frühere Grad II (mittelgradige Dysplasie)<br />

entfallen ist. Die Kategorie 3 entspricht dem<br />

früheren Grad I und Grad II. Sämtliche Kategorien<br />

4 entsprechen dem früheren Grad III<br />

(»Adenom mit schwergradiger Dysplasie«). Die<br />

Kategorie 5 entspricht dem Stadium T1 des<br />

kolorektalen Karzinoms, da hier ein invasives<br />

Wachstum vorliegt.<br />

Polypen können multipel vorkommen.<br />

Der Nachweis von mehr als 100 Polypen wird<br />

als Polypose definiert. Die familiäre Polypose<br />

(fam. Adenomatosis coli) ist eine autosomaldominant<br />

vererbte Erkrankung, die als obligate<br />

Präkanzerose anzusehen ist. Die betroffenen<br />

Patienten müssen deswegen rechtzeitig<br />

kolektomiert werden. Multiple Polypen in<br />

Klassifikation der Kolon- und Rektumpolypen Tab.16-1<br />

Neoplastische Polypen Nichtneoplastische Polypen<br />

Adenome: metaplastischer Polyp<br />

Tubuläres<br />

Adenom<br />

Tubulovillöses<br />

Adenom<br />

Villöses Adenom entzündlicher Polyp<br />

Adenokarzinom hamartomatöse Polypen:<br />

Peutz-Jeghers-<br />

Polyp<br />

juveniler Polyp


16 Tumoren des Kolorektums<br />

Modifizierte Tab. 16-2<br />

Wien-Klassifikation der<br />

kolorektalen Adenome<br />

Kat. 1 keine Neoplasie<br />

Kat. 2 »indefinite« (fragliche) Neoplasie<br />

Kat. 3 geringgradige intraepitheliale<br />

Neoplasie / low-grade adenoma<br />

(Adenom mit leichter Dysplasie)<br />

Kat. 4 Hochgradige intraepitheliale Neoplasie<br />

Kat. 4.1 High-grade adenoma<br />

(Adenom mit schwerer Dysplasie)<br />

Kat. 4.2 Nichtinvasives Karz. (Carcinoma in situ)<br />

Kat. 4.3 Verdacht auf invasives Karzinom<br />

Kat. 4.4 Intramukosales Karzinom<br />

Kat. 5 Submukosales invasives Karzinom (d.h.<br />

mindestens T1-Karzinom mit Invasion<br />

der Submukosa oder tieferer Schichten.<br />

Nach der Infiltrationstiefe in der<br />

Submukosa wird in sm1, sm2 und<br />

sm3 unterschieden.)<br />

definierten Kolonabschnitten rechtfertigen<br />

mitunter Segmentresektionen. Unter einem<br />

GARDNER-Syndrom versteht man das gleichzeitige<br />

Vorkommen einer familiären Adenomatose<br />

mit Knochen- und Bindegewebstumoren.<br />

Metaplastische Polypen imponieren makroskopisch<br />

durch eine im Vergleich zur Mukosa<br />

eher helle Färbung. Sie stellen die häufigsten<br />

polypösen Befunde im Kolon dar, wobei ihr<br />

Nachweis keine Konsequenzen hat.<br />

Entzündliche Polypen bilden sich im Bereich<br />

von Schleimhautregeneraten bei entzündlichen<br />

Wandläsionen, etwa beim M. Crohn.<br />

Bei der Peutz-Jeghers-Polyposis handelt es<br />

sich um eine einfach-dominant vererbte Erkrankung,<br />

die gekennzeichnet ist durch Pigmentflecken<br />

im Bereich der Wangenschleimhaut und<br />

perioral in Verbindung mit hamartomatösen<br />

Darmpolypen. Der Nachweis eines einzelnen<br />

Peutz-Jeghers-Polypen sollte Anlass sein zu<br />

einer einmaligen endoskopischen Kontrolle<br />

nach etwa 3jährigem Intervall. Eine Karzinomentstehung<br />

auf dem Boden einer Peutz-<br />

Jeghers-Polyposis findet sich extrem selten.<br />

Bei den juvenilen Polypen handelt es sich<br />

ebenfalls um nichtneoplastische Polypen, die<br />

zumeist im oberen Analkanal oder im Rektum<br />

lokalisiert sind. Mitunter treten sie multipel auf.<br />

Im Fall der juvenilen Polypose besteht ein geringes<br />

Entartungsrisiko.<br />

Adenom-Karzinom-Sequenz<br />

Die Entstehung von 70-80 % kolorektaler Karzinome<br />

aus Adenomen kann als gesichert<br />

gelten. Die Entwicklungsdauer eines kolorektalen<br />

Karzinoms aus einem Adenom kann<br />

bis zu 10 Jahre betragen. Zur Entwicklung<br />

eines Karzinomes bedarf es unterschiedlicher<br />

aufeinander folgender molekulargenetischer<br />

Veränderungen, welche von einem normalen<br />

Epithel über ein hyperproliferatives Epithel<br />

zum Adenom und schließlich zum Karzinom<br />

führen. Hierbei spielen sowohl Onkogene als<br />

auch Tumorsuppressorgene eine Rolle. Am<br />

besten untersucht sind bis heute Veränderungen<br />

im K-ras-Onkogen sowie bei den Tumorsuppressorgenen<br />

das p-53-Gen, das APC-Gen, das<br />

MCC-Gen und das DCC-Gen. Es sind immer<br />

mehrere genetische Veränderungen nötig, um<br />

letztendlich aus einem normalen Epithel ein<br />

Karzinom entstehen zu lassen. In den letzten<br />

Jahren wurde ein weiterer Entstehungsweg des<br />

kolorektalen Karzinomes aufgedeckt, wobei<br />

dieses ‚de-novo’ ohne die Entstehung eines<br />

Adenomes sich direkt als infiltrierendes, flaches<br />

Karzinom entwickeln kann. Das Entartungsrisiko<br />

liegt bei einer Polypengröße von unter 10<br />

Millimeter bei ca. 0,4 % und steigt bei einem<br />

Durchmesser von mehr als 40 Millimeter auf<br />

bis zu 70 % an. Breitbasigkeit oder villöser<br />

Aufbau machen die Entartung wahrscheinlicher.<br />

Schleimhautulzerationen oder Induration<br />

des Polypengewebes können ebenfalls auf<br />

eine maligne Transformation hinweisen. Man<br />

schätzt heute, dass ca. 5 % aller Adenome<br />

die Potenz zur malignen Entartung in sich<br />

tragen und weiterhin sich die überwiegende<br />

Mehrzahl der kolorektalen Karzinome aus<br />

Adenomen entwickelt. Daher gilt die komplette<br />

145


146<br />

Abtragung von Adenomen etwa im Rahmen<br />

einer Koloskopie als Karzinomprophylaxe. Die<br />

neoplastischen Veränderungen beginnen in der<br />

Mukosa mit stark atypischen Proliferationen.<br />

Nach der Definition der WHO gilt diese atypische<br />

Proliferation so lange noch nicht als<br />

Karzinom, wie die Lamina muscularis mucosae<br />

nicht erreicht ist. Diese Einteilung gründet<br />

auf der anatomischen Grundlage, dass in der<br />

Wand des Kolons die Lymphgefäße nur bis<br />

zur Lamina muscularis mucosae reichen. Das<br />

atypische Zellwachstum oberhalb dieser Zone<br />

kann daher noch keine lymphogene Metastasierung<br />

auslösen. Eine lokale chirurgische<br />

Behandlung aller auf die Mukosa begrenzten<br />

Adenome bis zur Kategorie IV der mod. Wien-<br />

Klassifikation erscheint daher gerechtfertigt.<br />

Mit Überschreitung der Lamina muscularis<br />

mucosae und Infiltration der Submukosa liegt<br />

ein Karzinom im T1-Stadium vor.<br />

<strong>Therapie</strong> kolorektaler Polypen<br />

Der Nachweis eines adenomatösen Polypen<br />

anlässlich einer partiellen endoskopischen<br />

Untersuchung sollte regelhaft die totale Koloskopie<br />

zur Suche nach weiteren Polypen nach<br />

sich ziehen. Die Abtragung mittels Biopsiezange,<br />

Schlingenpolypektomie oder Exzision<br />

bei transanal erreichbarer Höhe kann als Karzinomprophylaxe<br />

gelten. Alle aufgefundenen<br />

Polypen sollten abgetragen werden. Anhand<br />

der histologischen Aufarbeitung des Stieles<br />

bzw. der Basis des Polypen wird die Effizienz<br />

Abb. 16-1 Chromoendoskopische Darstellung<br />

eines Kolonpolpyen<br />

Tumoren des Kolorektums 16<br />

dieser lokalen <strong>Therapie</strong> überprüft und ggf. eine<br />

weitergehende operative Indikation gestellt.<br />

Um eine solche Aussage treffen zu können, ist<br />

die komplette Entfernung und Aufarbeitung<br />

Abb. 16-2 Unterspritzung eines Kolonpolypen mit<br />

angefärbter Adrenalin-Kochsalz-Lösung<br />

(Totalbiopsie) des Polypen nötig.<br />

Der Pathologe kann aufgrund der Morphologie<br />

des Polpyen und unter Berücksichtigung der<br />

histologischen Schnitte darüber entscheiden,<br />

ob im individuellen Fall eine Nachresektion<br />

erforderlich ist. Die ausschließliche Probeexzision<br />

aus einem adenomatösen Polypen<br />

erlaubt keine Aussage darüber, ob nicht doch<br />

in den nicht biopsierten Anteilen des Polypen<br />

ein invasives Karzinom vorliegt.<br />

Entsprechend der oben aufgeführten mod.<br />

Wien-Klassifikation zeigen Befunde der Kategorie<br />

1 und 2 Probleme der histologischen<br />

Beurteilung an, die sich aus Fehlern bei der<br />

Biopsieentnahme oder bei unsicherer Korrelation<br />

zwischen makroskopischem und<br />

mikroskopischem Befund ergeben können.<br />

Hier sind ggf. neuerliche Biopsieentnahmen<br />

im Rahmen des Follow-up erforderlich.<br />

Für die Einteilung in die Kategorien 3 bis 5<br />

der mod. Wien-Klassifikation ist nach wie vor die<br />

Beziehung der Polypen zur Lamina muscularis<br />

mucosae von Bedeutung. Oberhalb (lumenwärts)<br />

dieser Zone finden sich keine Lymphgefäße.<br />

Aus diesem Grund ist bei dieser Ausdehnung<br />

des Polypenwachstums auch keine potentielle<br />

lymphogene Ausbreitung möglich. Die Kategorien<br />

3 und 4 beschreiben darum low-grade- und<br />

high-grade-Adenome, deren Nachweis nicht


16 Tumoren des Kolorektums<br />

Abb. 16-3 Abtragungsstelle eines Kolonpolypen<br />

nach endoskopischer Mukosaresektion<br />

die klinischen Konsequenzen haben wie der<br />

Nachweis einer Kategorie 5, die ja das Vorliegen<br />

eines invasiven Karzinoms anzeigt.<br />

Die Kategorien 3 und 4 beschreiben zwar<br />

eine unterschiedliche maligne Potenz aufgrund<br />

zellulärer Kriterien und der Wuchsform<br />

des Tumorzellhaufens innerhalb der Lamina<br />

mucosa. Bei korrekter Abtragung des Polypen<br />

und sicher möglicher kompletter histologischer<br />

Beurteilung ergibt sich aber in keinem Fall eine<br />

Indikation für weitergehende chirurgische Maßnahmen,<br />

da die Lamina muscularis mucosae<br />

nicht durchbrochen ist. Die durch die Wien-<br />

Klassifikation neu eingeführten Begriffe des<br />

»Carcinoma in situ« und des »intramukosalen<br />

Karzinoms« sind insofern zunächst irreführend.<br />

Sie sind aus dem mikroskopischen Aufbau<br />

der Tumoren aber als sinnvoll zu bewerten,<br />

wenngleich immer zu berücksichtigen ist,<br />

dass sich wegen der fehlenden lymphogenen<br />

Metastasierungstendenz keine chirurgischen<br />

Konsequenzen ergeben. Die aufsteigende Differenzierung<br />

der Befunde innerhalb der Kategorie<br />

4 gibt einen klinisch wichtigen Hinweis<br />

auf eine im Einzelfall höhere maligne Potenz<br />

der Polypen bei immer aber fehlendem infiltrativen<br />

Wachstum in die Lamina muscularis<br />

mucosae bzw. über diese Schicht hinaus. Die<br />

Kategorie 5 ist identisch mit dem T1-Stadium<br />

des kolorektalen Karzinoms. Das T1-Karzinom<br />

ist im Einzelfall mit einer lokalen <strong>Therapie</strong><br />

unter kurativem Ansatz behandelbar. Für die<br />

Entscheidung zur ausschließlichen lokalen<br />

<strong>Therapie</strong> ist die Bewertung der Infiltrationstiefe<br />

und des Gradings ausschlaggebend. Neben<br />

der Bewertung der Infiltration der Lamina<br />

muscularis mucosae (T1) ist auch die weitere<br />

Infiltrationstiefe in die Submukosa (sm1 bis<br />

sm3) wichtig. Eine Infiltration bis sm3 (unteres<br />

<strong>Dr</strong>ittel, nahe der Lamina muscularis propria)<br />

schließt eine lokale Behandlung mit kurativem<br />

Anspruch aus! Zusätzlich wird das Grading<br />

entsprechend G1 bis G3 festgelegt. Zusätzlich<br />

sollte bei Abtragung eines T1-Karzinomes, falls<br />

pathologisch möglich, die Lymphgefäßinvasion<br />

(L0 oder L1)) und die Veneninvasion (V0<br />

oder V1) des Tumors mit beschrieben werden.<br />

Hieraus läßt sich ein T1-Karzinom mit lowrisk-Situation<br />

bzgl. einer bereits stattgehabten<br />

Metastasierung von einer high-risk-Situation<br />

abgrenzen.<br />

Einteilung der T1-Karzinome Tab. 16-3<br />

in Risikoklassen<br />

Low-risk T1 sm1 oder sm2, G1 oder G2, L0, V0<br />

High-risk T1 sm3 oder G3 oder L1 oder V1<br />

Abb.16-4 Transanale Tumorabtragung: Exposition<br />

des Befundes mit Haltefäden<br />

Das Karzinom der low-risk-Klassifikation ist<br />

lokal kurativ therapierbar, d.h. es erfordert<br />

keine Radikaloperation mit Lymphadenektomie.<br />

Bei einer lokalen, transanalen Abtragung<br />

von T1-Rektumkarzinomen ist zusätzlich aber<br />

die Größe der Läsion zu berücksichtigen. Eine<br />

lokale Abtragung eines Karzinoms mit einem<br />

Durchmesser von über 3 cm wird als nicht<br />

ausreichend angesehen.<br />

147


148<br />

Nachsorge nach Polypektomie<br />

Nach Abtragung nichtneoplastischer Polypen<br />

besteht keine Notwendigkeit einer routinemäßigen<br />

endoskopischen Nachsorge. Die endoskopische<br />

Abtragung eines kolorektalen Adenoms<br />

macht routinemäßige Kontrollen erforderlich,<br />

die in einem entsprechend dem histologischen<br />

Ergebnis festzulegenden Intervall erfolgen. So<br />

sollte nach kompletter Abtragung eines oder<br />

mehrerer Adenome eine Nachsorgekoloskopie<br />

nach 3 Jahren erfolgen, bei dann adenomfreiem<br />

Kolon nach weiteren 5 Jahren erneut. Nach<br />

R0-Abtragung eines pT1-Karzinomes vom<br />

low-risk-Typ erfolgen Kontrollendoskopien<br />

nach 6, 24 und 60 Monaten. Sollte histopathologisch<br />

ein low-risk-Karzinom als R1-Resektion<br />

definiert werden, muss endoskopisch<br />

oder chirurgisch nachreseziert werden, sollte<br />

ein high-risk-pT1-Karzinom festgestellt werden,<br />

muss chirurgisch nachreseziert werden.<br />

Nachsorgeschema Tab. 16-4<br />

nach Polypektomie<br />

Typ des<br />

Polypen<br />

Hyperplast<br />

bzw. kein<br />

Adenom<br />

unvollständige<br />

Polypektomie<br />

Koloskopie-<br />

Intervall<br />

Nächste<br />

Intervalle<br />

keine > 55a im<br />

Abstand von<br />

10 Jahren<br />

innerhalb von<br />

3 Monaten<br />

abhängig von<br />

Histologie<br />

Adenome 3 Jahre 5 Jahre<br />

Karzinom pT1,<br />

G1/G2 und L0<br />

Karzinom pT1,<br />

G3/G4 oder L1<br />

6 Monate 3 Jahre,<br />

dann 5 Jahre<br />

chir. Resektion<br />

indiziert<br />

3 Jahre,<br />

dann 5 Jahre<br />

Tumoren des Kolorektums 16<br />

Zusammenfassung: Bei den kolorektalen<br />

Polypen werden neoplastische von nichtneoplastischen<br />

Polypen unterschieden.<br />

Die neoplastischen Veränderungen der<br />

kolorektalen Adenome sollten nach der<br />

mod. Wien-Klassifikation festgelegt werden.<br />

Nach der Theorie der Adenom-Karzinom-<br />

Sequenz entstehen bis zu 80% der Adenokarzinome<br />

des Kolons aus Adenomen.<br />

Zur Entwicklung eines Adenomkarzinoms<br />

aus einem Adenom bedarf es einer Reihe<br />

unterschiedlicher aufeinander folgender<br />

molekulargenetischer Veränderungen von<br />

Onkogenen und Tumorsuppressorgenen.<br />

Therapeutisch und zur histologischen Differenzierung<br />

sollten sämtliche kolorektale<br />

Polypen komplett abgetragen werden. Auch<br />

für die Sondergruppe der sog. kolorektalen<br />

low-risk-Karzinome kann eine lokale endoskopische<br />

Abtragung ohne Lymphadenektomie<br />

ausreichend sein. Die Abtragung<br />

neoplastischer kolorektaler Polypen macht<br />

eine regelmäßige Nachsorge entsprechend des<br />

histologischen Ergebnisses erforderlich.<br />

Kolorektales Karzinom<br />

Epidemiologie<br />

Zur Epidemiologie des kolorektalen Karzinoms<br />

sind in den letzten Jahren zahlreiche Einzelfaktoren<br />

bekannt geworden, die aber alle zusammen<br />

bisher keine gesicherten Erkenntnisse<br />

zur Ursachenforschung ergeben haben, welche<br />

sich in einem geänderten <strong>Therapie</strong>konzept oder<br />

in einem Konzept zur Prophylaxe niedergeschlagen<br />

hätten.<br />

Die Inzidenz der Erkrankung steigt in den<br />

westlichen Industrienationen an. Etwa 60 %<br />

aller kolorektalen Karzinome finden sich im<br />

Rektum, weitere 20 % im Sigma. Kolon transversum<br />

und Kolon deszendens sind relativ<br />

selten betroffen. Das Rektumkarzinom zeigt<br />

eine Zunahme der Inzidenz. Weiterhin steigt<br />

die Inzidenz mit dem Lebensalter an. Über 90 %<br />

der kolorektalen Karzinome entstehen nach<br />

dem 50. Lebensjahr mit einem Altersgipfel


16 Tumoren des Kolorektums<br />

zwischen dem 60. und dem 75. Lebensjahr.<br />

Das kumulative Risiko, an einem kolorektalen<br />

Karzinom zu erkranken, liegt in der westlichen<br />

Welt bei ca. 6 %. Seit 1978 steht die Mortalität<br />

des kolorektalen Karzinoms in der BRD an zweiter<br />

Stelle unter den malignen Erkrankungen<br />

(Inzidenz 41 bis 52/100000/Jahr).<br />

Ätiopathogenese<br />

Es werden als prädisponierende Faktoren sowohl<br />

genetische als auch sozioökonomische<br />

Faktoren diskutiert. Die sozioökonomischen<br />

Faktoren dürften überwiegend auf unterschiedlichen<br />

Ernährungs- und Lebensgewohnheiten<br />

beruhen. Die vermehrte Aufnahme von ungesättigten<br />

Fettsäuren und proteinreicher Ernährung,<br />

verbunden mit einer ballaststoffarmen<br />

Kost und körperlicher Inaktivität, erhöht das<br />

Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu<br />

erkranken. Eine fettreiche Kost führt zur vermehrten<br />

Ausscheidung von neutralen Sterolen<br />

und Gallensäuren, die von Darmbakterien zu<br />

karzinogenen Metaboliten abgebaut werden<br />

können. Ein sicherer Beweis dieser Hypothese<br />

steht aber noch aus. Weitere exogene<br />

Faktoren sind Alkohol- und Nikotinabusus<br />

sowie die Einnahme von anthrachinonhaltigen<br />

Laxanzien.<br />

Während für die Gruppe der sporadisch<br />

auftretenden kolorektalen Karzinome noch<br />

kein genetisch prädisponierender Faktor identifiziert<br />

werden konnte, ist dieser z. B. bei der<br />

FAP (familiäre adenomatöse Polypose) mit<br />

einer autosomal-dominant vererbten Mutation<br />

auf dem APC-Gen bekannt. Für das HNPCC<br />

(hereditäres nonpolypöses Colorectales Carcinom)<br />

sind bereits sechs Genlokalisationen<br />

bekannt, deren Veränderungen zur Ausbildung<br />

eines kolorektalen Karzinoms führen können.<br />

Aufgrund des fehlenden Phänotyps mussten<br />

klinische Kriterien, die sog. Amersterdam II-<br />

Kritierien (vgl. Tafel 16-1) erstellt werden, um<br />

diese Risikogruppe zu charakterisieren.<br />

Als weitere Risikofaktoren zur Entwicklung<br />

von kolorektalen Karzinomen gelten<br />

eine positive Familienanamnese, kolorektale<br />

Adenome und chronisch entzündliche Darmerkrankungen.<br />

So steigt bei Patienten mit einer<br />

Pancolitis ulcerosa die Wahrscheinlichkeit, ein<br />

kolorektales Karzinom zu entwickeln, nach 10<br />

Jahren auf 40 % an.<br />

Symptomatik<br />

Das kolorektale Karzinom verursacht im Frühstadium<br />

für den Patienten kaum Symptome. Bei<br />

tiefsitzenden Karzinomen sind Leitsymptome<br />

die peranale Blutung und Blut- und Schleimbeimengungen<br />

bei der Defäkation. Das Karzinom<br />

im Kolon aszendens und Kolon transversum<br />

wächst meist symptomlos und äußert sich im<br />

fortgeschrittenen Stadium. Dann finden sich<br />

Gewichtsverlust, Leistungsknick und insbesondere<br />

beim Karzinom des linken Kolons eine<br />

Stenosesymptomatik mit paradoxen Diarrhoen<br />

und Änderungen der Stuhlgewohnheiten. Bei<br />

6 bis 16 % der kolorektalen Karzinome ist<br />

das Ileusstadium bzw. die Obstruktion erstes<br />

Symptom des Karzinoms.<br />

Klassifikation<br />

Als Standardklassifikation für das kolorektale<br />

Karzinom gilt die UICC-TNM-Klassifikation,<br />

welche neben der Infiltrationstiefe des Tumors<br />

(T-Stadium) die lymphonoduläre Metastasierung<br />

(N-Stadium) und die Fernmetastasierung<br />

(M-Stadium) berücksichtigt. Weitere prognostische<br />

Parameter sind Differenzierung des Tumors<br />

in ein gutes (G1), mäßiges (G2), schlechtes (G3)<br />

und undiffernenziertes (G4) Stadium und die<br />

Radikalität der Resektion (R0 kein Residualtumor,<br />

R1 mikroskopischer Residualtumor, R2<br />

makroskopischer Residualtumor).<br />

Früherkennung und Prävention<br />

Trotz entsprechender Aufklärung der Bevölkerung<br />

wird die Diagnose des kolorektalen Karzinoms<br />

weiterhin sowohl durch den Patienten<br />

selbst als auch durch den Arzt verschleppt.<br />

Die Symptome werden zunächst verharmlost<br />

und die diagnostische Abklärung wird aufgeschoben.<br />

Fortschritte in der Behandlung des<br />

kolorektalen Karzinoms erscheinen aber nur<br />

mit einer frühzeitigen Diagnose und somit dem<br />

Tumornachweis in einem früheren Stadium<br />

149


150<br />

möglich, da die chirurgische <strong>Therapie</strong> verbunden<br />

mit der adjuvanten und neoadjuvanten<br />

<strong>Therapie</strong> einen maximalen Standard erreicht<br />

hat und kausale konservative <strong>Therapie</strong>formen<br />

noch nicht in Sicht sind.<br />

Die Koloskopie und koloskopische Polypektomie<br />

kann eine Prophylaxe des kolorektalen<br />

Karzinoms leisten. Aus diesem Grund wurde<br />

in Deutschland zum letzten Quartal 2002 die<br />

Vorsorgekoloskopie eingeführt. Berechtigt<br />

sind sozialversicherte Personen, die das 55.<br />

Lebensjahr vollendet haben. Eine zweite Un-<br />

Tumoren des Kolorektums 16<br />

TNM-Klassifikation des kolorektalen Karzinoms Tab.16-5<br />

T1 Infiltration der Submukosa<br />

T2 Infiltration der Muscularis propria<br />

T3 Infiltration durch die Muscularis propria in die Subserosa oder nicht<br />

peritonealisiertes, perikolisches oder perirektales Gewebe<br />

T4 Infiltration anderer Organe oder Strukturen und/oder Perforation<br />

des viszeralen Peritoneums<br />

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen<br />

N1 Metastasen in 1-3 regionären Lymphknoten<br />

N2 Metastasen in 4 oder mehr regionären Lymphknoten<br />

M0 Keine Fernmetastasen<br />

M1 Fernmetastasen<br />

UICC-TNM-Stadieneinteilung des kolorektalen Karzinoms Tab. 16-6<br />

UICC-Stadium T-Stadium N-Stadium M-Stadium Dukes-Stadium (Rektum)<br />

Stadium I T1,T2 N0 M0 Dukes A<br />

Stadium IIa T3 N0 M0 Dukes B<br />

Stadium IIb T4 N0 M0<br />

Stadium IIIa T1,T2 N1 M0 Dukes C<br />

Stadium IIIb T3,T4 N1 M0<br />

Stadium IIIc jedes T N2 M0<br />

Stadium IV jedes T jedes N M1 Dukes D<br />

tersuchung ist 10 Jahre später vorgesehen. Ein<br />

solches Programm gibt es derzeit weltweit nur<br />

in Deutschland. Es ist als Screening-Untersuchung<br />

bei asymptomatischen Personen mit<br />

durchschnittlichem Risiko der Entwicklung<br />

eines kolorektalen Karzinoms vorgesehen.<br />

Eine Vorsorgekoloskopie kann als<br />

Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms<br />

gelten.


16 Tumoren des Kolorektums<br />

Das sind etwa 75% der Patienten mit einem<br />

kolorektalen Karzinom. Bei den restlichen<br />

25% entwickelt sich das Karzinom aufgrund<br />

besonderer Risiken, sodass hierbei auch besondere<br />

Strategien zur Vorsorge verfolgt werden<br />

müssen. So sollte bei der FAP (familiäre adenomatöse<br />

Polypose), die ein 100%iges Risiko zur<br />

Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms in<br />

sich birgt, bereits ab dem zehnten Lebensjahr<br />

jährlich eine Rektosigmoidoskopie durchgeführt<br />

werden und vor dem 20. Lebensjahr eine restaurative<br />

Proktokolektomie erfolgen, um die<br />

Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms<br />

zu vermeiden. Bei dem HNPCC (hereditäres<br />

nicht-polypöses Colorectales Carcinom) wird<br />

wegen des fehlenden Phänotyps (bei einem<br />

Lebenszeitrisiko von 80% zur Entwicklung<br />

eines kolorektalen Karzinoms) beim Vorliegen<br />

der Amsterdam-II-Kritierien (vgl. nachfolgende<br />

Tafel) ab dem 25. Lebensjahr jährlich<br />

eine Koloskopie empfohlen. Nach Detektion<br />

eines kolorektalen Karzinoms sollte dies nach<br />

tumorchirurgischen Gesichtspunkten reseziert<br />

und engmaschig koloskopisch nachgesorgt<br />

werden.<br />

Auch Patienten mit chronisch entzündlichen<br />

Darmerkrankungen haben gegenüber der<br />

asymptomatischen Bevölkerung ein erhöhtes<br />

Amsterdam-II-Kriterien Tafel 16-1<br />

für das HNPCC (alle Kriterien<br />

müssen erfüllt sein)<br />

• Mindestens drei Familienangehörige mit<br />

HNPCC-assoziiertem Karzinom (Kolon / Rektum,<br />

Endometrium, Dünndarm, Nierenbecken/Ureter)<br />

• Einer davon Verwandter ersten Grades<br />

der beiden anderen<br />

• Erkrankungen in mindestens zwei<br />

aufeinander folgenden Generationen<br />

• Mindestens ein Patient mit der Diagnose<br />

eines Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr<br />

• Ausschluss einer FAP<br />

Risiko zur Entwicklung eines kolorektalen<br />

Karzinoms. So wird zur Früherkennung bei<br />

der Colitis ulcerosa nach mehr als 8-jährigem<br />

Verlauf, bei der Linksseitenkolitis bei<br />

mehr als 15-jährigem Verlauf jährlich eine<br />

Koloskopie und beim Nachweis hochgradiger<br />

intraepithelialer Neoplasien dann bereits eine<br />

Proktokolektomie empfohlen. Eine generelle<br />

Empfehlung zur präventiven endoskopischen<br />

Überwachung bei Vorliegen eines Morbus Crohn<br />

wird zurzeit noch nicht gegeben.<br />

Präventive Koloskopie zur Früherkennung von Tafel 16-7<br />

kolorektalen Polypen und Karzinomen<br />

Normalbevölkerung ab dem 55. Lebensjahr alle 10 Jahre<br />

Patienten mit kolorektalen Adenomen 3 Jahre nach Abtragung des Polypen, falls ohne<br />

Befund dann nach fünf Jahren<br />

Erstgradig Verwandte von Patienten mit<br />

kolorektalem Adenom vor dem 50. LJ<br />

Erstgradig Verwandte von<br />

Patienten mit FAP<br />

Erstgradig Verwandte von Patienten<br />

mit HNPCC<br />

10 Jahre vor Indexpatienten, falls ohne<br />

Befund alle 10 Jahre<br />

bei Genträgern ab dem 10. Lebensjahr humangenetische<br />

Beratung und jährliche Rektosigmoidoskopie, falls Adenome<br />

Koloskopie<br />

ab dem 25. Lebensjahr jährliche Koloskopie<br />

Patienten mit Colitis ulcerosa bei Pancolitis länger als 8 Jahre oder Linksseitencolitis länger<br />

als 15 Jahre jährliche Koloskopie mit Stufenbiopsien<br />

Patienten mit Morbus Crohn keine generelle Empfehlung<br />

151


152<br />

Diagnostik<br />

Die präoperative Diagnostik des kolorektalen<br />

Karzinoms beinhaltet neben einer ausführlichen<br />

Anamnese und klinischen Untersuchung<br />

obligat eine Koloskopie zur bioptischen Diagnosesicherung<br />

und zum Ausschluss weiterer<br />

intraluminärer Tumoren. Ist eine komplette<br />

Koloskopie vor der operativen <strong>Therapie</strong> nicht<br />

möglich, sollten die kranialen Kolonabschnitte<br />

durch einen Kolonkontrasteinlauf oder durch<br />

eine CT-Kolonographie abgeklärt werden und<br />

eine komplette Koloskopie spätestens 3 bis 6<br />

Monate nach operativer <strong>Therapie</strong> erfolgen.<br />

Weiterhin sollten präoperativ eine Sonographie<br />

des Abdomens, eine Röntgenaufnahme des<br />

Präoperative Diagnostik Tafel 16-2<br />

des Rektumkarzinoms<br />

• Anamnese<br />

• Rö-Thorax<br />

• digitale Untersuchung<br />

• starre Rektoskopie<br />

• Koloskopie<br />

• Endosonographie<br />

• Sonographie Abdomen<br />

• ggf. CT oder MRT<br />

• ggf. Manometrie<br />

Tumoren des Kolorektums 16<br />

Thorax und eine Bestimmung des CEA-Wertes<br />

zur späteren Verlaufskontrolle im Rahmen der<br />

Nachsorge durchgeführt werden. Zur präoperativen<br />

Diagnostik des Rektumkarzinoms<br />

sollte zusätzlich eine starre Rektoskopie zur<br />

genauen Lokalisation des Befundes erfolgen<br />

(vgl. nachfolgende Übersicht). Neben der digitalen<br />

Untersuchung kann in bestimmten Fällen<br />

eine Manometrie zur Prüfung der Sphinkterfunktion<br />

sinnvoll sein. Eine Endosonographie<br />

kann mit einer Sensitivität von über 90% die<br />

Tiefeninfiltration eines Rektumtumors, mit<br />

einer Sensitivität von bis zu 70% vergrößerte<br />

perirektale Lymphknoten nachweisen und<br />

damit zur Klärung der Indikation einer neoadjuvanten<br />

<strong>Therapie</strong> des Rektumkarzinoms oder<br />

beim Nachweis einer low-risk-Situation einer<br />

lokalen Abtragung beitragen. Gegebenenfalls<br />

kann auch eine CT oder ein Dünnschicht-<br />

MRT die Ausbreitung des Tumors verifizieren.<br />

Operative <strong>Therapie</strong><br />

Bei der <strong>Therapie</strong> des kolorektalen Karzinoms<br />

muss bzgl. der operativen Taktik zwischen dem<br />

Kolonkarzinom und dem Rektumkarzinom<br />

unterschieden werden. Da die intramurale<br />

Ausbreitung des kolorektalen Karzinoms nur<br />

wenige Millimeter beträgt, wird das Resekti-<br />

Chirurgische <strong>Therapie</strong> des Kolonkarzinoms – Resektionsausmaß Tab. 16-8<br />

Karzinom Coecum /C. ascendens Hemikolektomie rechts mit stammnahem Absetzen der Art.<br />

ileocolica und Art. colica dextra mit Ileo-Transversostomie<br />

Karzinom rechte Flexur/prox.<br />

C. transversum<br />

erweiterte Hemikolektomie rechts mit stammnahem Absetzen<br />

zusätzlich der Art. colica media und Ileo-Deszendostomie<br />

Karzinom C. transversum Transversumresektion mit stammnahem Absetzen der Art.<br />

colica media und Aszendo-Deszendostomie<br />

Karzinom linke Flexur / dist. C. transversum erweiterte Hemikolektomie links mit stammnahem<br />

Absetzen der Art. colica media und Art. colica sinistra<br />

mit Transversosigmoidostomie<br />

Karzinom C. descendens Hemikolektomie links mit stammnahem Absetzen der Art.<br />

mesenterica inferior und Transversorektostomie<br />

Karzinom C. sigmoideum Sigmaresektion mit Absetzen der Art. mesenterica inferior<br />

und Deszendorektostomie


16 Tumoren des Kolorektums<br />

onsausmaß im Wesentlichen durch die Gefäßversorgung<br />

und das hierdurch definierte<br />

Lymphabflussgebiet bestimmt. Hierdurch<br />

ergeben sich typische Vorgehensweisen zur<br />

Resektion von Kolonsegmenten abhängig von<br />

der Tumorlokalisation (vgl. Tabelle 16-8).<br />

Perioperative Antibiotikaprophylaxe und<br />

subtile Operationstechnik, teils schon als standardisierter<br />

laparoskopischer Eingriff, haben die<br />

elektive Resektion zu einem Eingriff mit einer<br />

niedrigen Komplikationsrate werden lassen. Die<br />

früher übliche Vorbereitung mit orthograder<br />

Darmlavage wurde in bestimmten kolorektalen<br />

Zentren bereits zugunsten einer ‚fast-track-<br />

Chirurgie‘ verlassen, wobei keine präoperative<br />

Darmlavage mehr durchgeführt wird und die<br />

Patienten frühzeitig wieder voll enteral ernährt<br />

werden. Erste vergleichende Studienergebnisse<br />

zeigen eher einen Vorteil in Bezug auf<br />

die Anastomosenheilung in der Gruppe ohne<br />

Darmlavage und mit frühzeitiger enteraler<br />

Ernährung. Zusätzlich wurde das Augenmerk<br />

trotz der inzwischen eingeführten maschinellen<br />

Nahtapparate auf eine Verbesserung der Nahttechnik<br />

bei der Anastomosierung gerichtet.<br />

Als Ergebnis ist heute die einreihige Naht in<br />

Einzelknopftechnik oder als fortlaufende Naht<br />

mit exakter Adaptierung der Wandschichten<br />

»auf Stoß« als Standardtechnik etabliert.<br />

Aktuelle Entwicklungen beim<br />

Rektumkarzinom<br />

Die exakte Kenntnis der Lymphabflusswege<br />

aus den unterschiedlichen Rektumetagen und<br />

der intramuralen Ausbreitung des Rektumkarzinoms<br />

hat zu einem Wandel der <strong>Therapie</strong><br />

geführt. Insbesondere die Arbeiten von HEALD,<br />

der die Bedeutung der totalen mesorektalen<br />

Exzision (TME) beim Rektumkarzinom im<br />

mittleren und unteren <strong>Dr</strong>ittel belegen konnte,<br />

hatten einen Wandel der Operationstechnik<br />

beim Rektumkarzinom zur Folge. Heute werden<br />

mehr Rektumkarzinome kontinenzerhaltend<br />

reseziert. Die abdominoperineale Amputation gilt<br />

besonders für das Karzinom der mittleren Rektumetage<br />

nicht mehr als Vorgehen der Wahl.<br />

Es besteht außerdem Einigkeit darüber,<br />

dass das Karzinom der oberen Rektumetage<br />

immer kontinenzerhaltend operiert wird. Dies<br />

erfolgt über eine anteriore Rektumresektion mit<br />

einer kolorektalen Anastomose unter partieller<br />

Mitnahme des Mesorektums bis 5 cm distal des<br />

tastbaren Tumorunterrandes.<br />

Das Karzinom der mittleren und unteren<br />

Etage sollte möglichst ebenfalls kontinenzerhaltend,<br />

ggf. unter Anlage eines Kolonpouches<br />

zur Verbesserung der postoperativen Entleerungsfunktion<br />

und Kontinenzleistung, reseziert<br />

werden. Entscheidend ist aber ein erreichbarer<br />

Sicherheitsabstand von 2 cm (Stad. T2) bis 3<br />

cm (Stad. T3) am nicht ausgespannten Präparat<br />

und die totale Entfernung des Mesorektums.<br />

Entsprechend der Differenzierung des Tumors<br />

(Grading) und der Tumorgröße muss im individuellen<br />

Fall auch ein größerer Sicherheitsabstand<br />

gewählt werden. Dieses ist aufgrund<br />

der anatomisch-technischen Probleme mitunter<br />

leichter unter Zuhilfenahme von Nahtapparaten<br />

möglich. Eine abdominoperineale Resektion mit<br />

Anlage eines definitiven Kolostomas sollte bei<br />

supraanalen Rektumtumoren, bei denen kein<br />

adäquater Sicherheitsabstand erreicht werden<br />

kann, bei sphinkterinfiltrierenden Tumoren<br />

und bei bereits präoperativ unzureichender<br />

Kontinenzleistung als Operationsmethode der<br />

Wahl gesehen werden.<br />

Bei der operativen <strong>Therapie</strong> des Rektumkarzinomes<br />

des mittleren und unteren<br />

<strong>Dr</strong>ittels ist heute eine totale mesorektale<br />

Exzison (TME) obligat.<br />

Abb. 16-5 Aufgespanntes Vollwandexzisat<br />

eines low-risk-Rektumkarzinomes<br />

153


154<br />

Eine Sonderform der operativen Behandlung<br />

stellt die transanale Vollwandresektion von<br />

sogenannten »low-risk-Karzinomen« (s.a. Tab<br />

16-3) des Rektums dar. Diese gut bis mäßig<br />

differenzierten, auf maximal das obere <strong>Dr</strong>ittel<br />

der Submukosa übergreifenden (T1sm1, G1 oder<br />

G2, Durchmesser < 2 cm) Rektumkarzinome<br />

haben ein lymphogenes Metastasierungsrisiko<br />

von weniger als 5 %. Somit erscheint es in<br />

ausgewählten Fällen gerechtfertigt, diese ohne<br />

eine Lymphadenektomie mit entsprechendem<br />

lokalem Sicherheitsabstand zu resezieren. Dies<br />

erfolgt entweder in der offenen Technik nach<br />

PARKS oder als transanale endoskopische<br />

Mikrochirurgie (TEM).<br />

Adjuvante und<br />

neoadjuvante <strong>Therapie</strong><br />

Für das Kolonkarzinom ist eine adjuvante<br />

<strong>Therapie</strong> nach operativer Behandlung für das<br />

UICC-Stadium III indiziert. Für das Stadium<br />

I und II wird eine Behandlung derzeit nicht<br />

empfohlen. In ausgewählten Fällen, wie z.B.<br />

Tumoreröffnung intraoperativ oder ein Stadium<br />

T4N0 kann auch im Stadium II eine adjuvante<br />

<strong>Therapie</strong> sinnvoll sein. Unter den verschiedenen<br />

<strong>Therapie</strong>schemata kam bisher am häufigsten<br />

als first-line <strong>Therapie</strong> das MAYO-Schema mit<br />

5-FU und Folinsäure zur Anwendung. Neuere<br />

Studien belegen einen Überlebensvorteil bei<br />

Anwendung des FOLFOX-Schemas (LV/5-FU2<br />

und Oxaliplatin) gegenüber dem MAYO-Schema.<br />

Als palliative <strong>Therapie</strong>schemata oder als<br />

second-line <strong>Therapie</strong>n werden neben den oben<br />

genannten auch das FOLFIRI-Protokoll mit<br />

Irinotecan oder als Monotherapie das Capecitabine<br />

empfohlen. Die <strong>Therapie</strong>empfehlungen<br />

sind aber anhaltend im Fluss.<br />

Für das Rektumkarzinom ist eine adjuvante<br />

<strong>Therapie</strong> in den Stadien II und III immer dann<br />

indiziert, wenn präoperativ keine neoadjuvante<br />

<strong>Therapie</strong> erfolgt ist. Als Standardtherapie gilt<br />

eine kombinierte Radiochemotherapie ab der<br />

4. bis 6. Woche postoperativ. Die Bestrahlung<br />

erfolgt fraktioniert bis zu einer Gesamtdosis von<br />

50,4 Gy. Für R0-resezierte Rektumkarzinome<br />

im Stadium I wird keine adjuvante <strong>Therapie</strong><br />

empfohlen.<br />

Tumoren des Kolorektums 16<br />

Derzeit wird eine neoadjuvante <strong>Therapie</strong> entweder<br />

als präoperative Radiochemotherapie in<br />

der Standarddosierung oder als Kurzzeitvorbestrahlung<br />

für die Stadien II und III des Rektumkarzinoms<br />

empfohlen. Hierbei muss vor der<br />

neoadjuvanten <strong>Therapie</strong> die Tiefeninfiltration<br />

des Tumors und eine mögliche lymphonoduläre<br />

Metastasierung entweder durch eine exakte<br />

Endosonographie (uT und uN) oder durch ein<br />

Dünnschicht-MRT (cT und cN) ermittelt werden.<br />

Ob die kombinierte Radiochemotherapie in der<br />

Standarddosierung präoperativ über 6 Wochen<br />

oder eine Kurzzeitvorbestrahlung mit 5x5Gy<br />

über eine Woche das überlegene Verfahren<br />

darstellt, ist derzeit Gegenstand laufender Studien.<br />

Ein Nebeneffekt der präoperativen Radiochemotherapie<br />

in Standarddosierung ist eine<br />

im Einzelfall deutlichere Tumorschrumpfung.<br />

Dies kann insbesondere bei sphinkternahen<br />

Tumoren einen Vorteil bezüglich des Spinktererhalts<br />

erbringen.<br />

Bei intendiertem Sphinktererhalt des<br />

analnah sitzenden Rektumkarzinoms<br />

scheint die neoadjuvante <strong>Therapie</strong> über<br />

6 Wochen wegen der besseren Tumorverkleinerung<br />

der Kurzzeitvorbestrahlung<br />

überlegen zu sein.<br />

Prognose<br />

Die tägliche Praxis zeigt trotz Propagierung<br />

der Vorsorgemaßnahmen, dass ein Großteil<br />

der Tumorpatienten erst im fortgeschrittenen<br />

Krankheitsstadium zur <strong>Therapie</strong> kommt. Nach<br />

wie vor sind etwa 10 – 15 % der kolorektalen<br />

Karzinome zum Zeitpunkt der Diagnosestellung<br />

bereits inoperabel. Mindestens ebenso<br />

viele Tumorpatienten kommen im Ileus zur<br />

Operation. In diesen Fällen konnten die Ergebnisse<br />

durch die moderne Intensivmedizin<br />

und schonendere Narkoseverfahren verbessert<br />

werden. In prospektiven Studien konnte zudem<br />

gezeigt werden, dass das mehrzeitige operative<br />

Vorgehen dem primär resezierenden Vorgehen<br />

nicht prinzipiell überlegen ist. Auch bei<br />

älteren Patienten können sogar ausgedehnte<br />

Resektionen im Ileus durch die Elimination<br />

septischer Herde den postoperativen Verlauf


16 Tumoren des Kolorektums<br />

günstig beeinflussen. Besonders für das Rektumkarzinom<br />

konnte durch die oben genannte<br />

Verfeinerung der Operationsmethoden mit TME<br />

und schichtgerechtem Präparieren die Lokalrezidivquote<br />

auf unter 5% gesenkt werden. Die<br />

5-Jahresüberlebensquote für das kolorektale<br />

Karzinom liegt heute für das Stadium I (T1/2N0)<br />

bei 85-95%, für das Stadium II (T3/4N0) bei<br />

60-80% und für das Stadium III (TxN1/2) bei<br />

30-60%, im Stadium IV (TxNxM1) bei weniger<br />

als 5%. Über alle Stadien betrachtet liegt die<br />

5-Jahresüberlebensrate bei 40-60%.<br />

Nachsorge<br />

Ziel der Nachsorge ist die frühzeitige Erkennung<br />

des lokoregionären Rezidivs und einer<br />

noch operablen Fernmetastase. Da Rezidive<br />

oder Fernmetastasen häufig im Anfangsstadium<br />

symptomlos sind und da bis zu 80%<br />

der Befunde in den ersten zwei Jahren postoperativ<br />

auftreten, sollte die Nachsorge in<br />

diesem Zeitraum engmaschig erfolgen. Nach<br />

fünf Jahren werden praktisch keine Rezidive<br />

mehr festgestellt. Für das Stadium I wird keine<br />

gesonderte Nachsorge empfohlen. Ab dem<br />

Stadium II sollte eine Nachsorge anhand des<br />

unten aufgeführten Schemas erfolgen. (vgl.<br />

Tab. 16-9).<br />

Trotz frühzeitiger Erkennung eines Rezidives<br />

oder einer Fernmetastasierung ist für die<br />

Gesamtgruppe der nachgesorgten Patienten<br />

der statistische Überlebenszeitgewinn nach<br />

erneuter entsprechender <strong>Therapie</strong> marginal.<br />

Die Nachsorge hat aber neben der medizinischen<br />

Qualitätssicherung und Ergebniskontrolle<br />

auch die Aufgabe einer psychosomatischen<br />

und sozialen Rehabilitation der Patienten.<br />

Als Tumormarker hat sich das CEA bewährt.<br />

Ein Anstieg dieses Parameters kann dem diagnostisch<br />

fassbaren Rezidiv vorausgehen und<br />

in zweifelhafter Nachsorgesituation Anlass<br />

für weitergehende Untersuchungen wie CT,<br />

NMR oder auch PET sein. Schließlich muss die<br />

Nachsorge wegen einer erhöhten Wahrscheinlichkeit<br />

eines metachronen Karzinoms nach<br />

fünf Jahren wieder in eine programmgerechte<br />

Vorsorge einmünden.<br />

Zusammenfassung: Das kolorektale Karzinom<br />

steht bezogen auf die Mortalität an<br />

zweiter Stelle der malignen Erkrankungen.<br />

Als Risikogruppen für die Entwicklung eines<br />

kolorektalen Karzinoms gelten Verwandte von<br />

Adenom- oder Karzinompatienten, Patienten<br />

mit bestimmten Keimbahnmutationen (z. B.<br />

FAP, HNPCC) und Patienten mit einer chro-<br />

Nachsorgeempfehlung bei Patienten mit kolorektalem Karzinom Tab.16-9<br />

ab UICC-Stadium II und III<br />

Untersuchung Monate<br />

3 6 12 18 24 36 48 60<br />

Anamnese, körperl. Untersuchung, CEA X X X X X X<br />

Koloskopie X*) X**)<br />

Abdomensonographie X X X X X X X<br />

Rektoskopie / Sigmoidoskopie ***) X X X X<br />

Spiral-CT ****) X<br />

Röntgen-Thorax (kein Konsens)<br />

*) falls keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist<br />

**) bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren<br />

***) nur beim Rektumkarzinom ohne adjuvante/neoadjuvante Radiochemotherapie<br />

****) nur beim Rektumkarzinom 3 Monate nach Abschluss der <strong>Therapie</strong> als Ausgangsbefund<br />

155


156<br />

nisch entzündlichen Darmerkrankung. Die<br />

kolorektalen Karzinome werden nach der<br />

UICC-TNM-Klassifikation eingeteilt. Das beste<br />

Verfahren zur Prävention des kolorektalen<br />

Karzinomes ist die Koloskopie mit Abtragung<br />

aller kolorektalen Polypen. Kolonkarzinome<br />

werden entsprechend der Lymphabflussgebiete<br />

und der arteriellen Versorgung reseziert. Ab<br />

dem Stadium UICC III wird eine adjuvante<br />

<strong>Therapie</strong> empfohlen. Das Rektumkarzinom<br />

kann im mittleren und distalen <strong>Dr</strong>ittel im<br />

Stadium UICC II und III neoadjuvant vorbehandelt<br />

werden. Die Resektion muss hier<br />

eine totale mesorektale Exzision beinhalten.<br />

Low-risk-Rektumkarzinome können im Einzelfall<br />

auch ohne Lymphadenektomie lokal<br />

transanal reseziert werden. Für das Stadium<br />

UICC II und III wird, falls keine neoadjuvante<br />

<strong>Therapie</strong> erfolgt ist, eine adjuvante <strong>Therapie</strong><br />

empfohlen. Da die Mehrheit der Rezidive und<br />

Fernmetastasen in den ersten Jahren nach der<br />

Primärtherapie auftreten, wird für diese Zeit<br />

eine programmierte Nachsorge empfohlen.<br />

Tumoren des Kolorektums 16


17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />

17 Entzündliche Darmerkrankungen<br />

Colitis ulcerosa 158<br />

Diagnostik 158<br />

Konservative <strong>Therapie</strong> 158<br />

Operative <strong>Therapie</strong> 159<br />

Morbus Crohn 159<br />

Diagnostik 160<br />

Konservative <strong>Therapie</strong> 161<br />

Operative <strong>Therapie</strong> 162<br />

Operative Indikationen bei analen Crohnläsionen 162<br />

Andere Kolitiden 164<br />

Lymphozytäre Kolitis / Kollagene Kolitis 164<br />

Infektiöse Kolitis 164<br />

Medikamentös-toxische Kolitis 164<br />

Ischämische und radiogene Kolitis 164<br />

Antibiotikaassoziierte Kolitis / Pseudomembranöse Kolitis 165<br />

Diversionskolitis 165<br />

Divertikulose / Divertikulitis 165<br />

Ätiologie 165<br />

Pathogenese 165<br />

Klinik 166<br />

Diagnostik 166<br />

<strong>Therapie</strong> 166<br />

Konservative <strong>Therapie</strong> 166<br />

Chirurgische <strong>Therapie</strong> 167<br />

<strong>Dr</strong>ingliche Operationsindikationen 167<br />

Elektive Operationsindikationen 167<br />

157


158<br />

Vorbemerkung: Unter den entzündlichen Erkrankungen<br />

des Dickdarms findet sich neben<br />

solchen mit einer bekannten Ätiologie eine<br />

große Gruppe von Erkrankungen mit bisher unbekannter<br />

Ursache. Die zahlenmäßig häufigste<br />

Erkrankung mit bekannter Ätiologie ist die<br />

infektiöse Kolitis, die entweder durch Bakterien,<br />

Viren, Protozoen oder Pilze ausgelöst wird.<br />

Ihre differentialdiagnostische Zuordnung ist<br />

serologisch oder durch den Erregernachweis in<br />

Biopsiepartikeln möglich. Eine infektiöse Kolitis<br />

verläuft in der Regel selbstlimitierend.<br />

Unter dem Begriff der »chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankungen« werden die<br />

beiden idiopathischen Kolitiden »Colitis ulcerosa«<br />

und »Morbus Crohn« subsumiert, die im<br />

Gegensatz zu den infektiösen Erkrankungen<br />

niemals einen selbstlimitierenden Verlauf zeigen.<br />

Differentialdiagnostisch bedeutsam ist<br />

jedoch, dass zahlreiche Formen der infektiösen<br />

Kolitiden ein makroskopisches Bild an<br />

der Darmwand auslösen, das dem der beiden<br />

chronisch-entzündlichen Erkrankungen ähnlich<br />

ist. Eine infektiöse Kolitis kann gelegentlich<br />

länger persistieren, so dass sich die sichere<br />

Zuordnung der Erkrankung oft erst aus dem<br />

Langzeitverlauf ergibt.<br />

Einteilung der entzündliche<br />

Darmerkrankungen<br />

1 Erkrankungen mit ungeklärter Ursache<br />

Colitis ulcerosa<br />

Morbus Crohn<br />

Lymphozytäre Kolitis<br />

Kollagene Kolitis<br />

2 Erkrankungen mit bekannter Ursache<br />

Infektiöse Kolitis<br />

Medikamentös-toxische Kolitis<br />

Ischämische Kolitis<br />

Radiogene Kolitis<br />

Pseudomembranöse Kolitis<br />

Diversionskolitis<br />

Divertikulitis<br />

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn müssen<br />

zunächst als Gegenstand einer internistischgastroenterologischen<br />

Diagnostik und <strong>Therapie</strong><br />

Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />

gesehen werden. Dennoch vermag die operative<br />

<strong>Therapie</strong> während des Krankheitsverlaufs positive<br />

Effekte zu leisten, wobei sich namentlich<br />

beim M. Crohn in den letzten Jahrzehnten ein<br />

Indikationswandel ergeben hat, durch den<br />

die chirurgische <strong>Therapie</strong> nicht mehr auf die<br />

konservativ nicht beherrschbare Situation<br />

beschränkt ist.<br />

Colitis ulcerosa<br />

Bei der Colitis ulcerosa beschränken sich die<br />

entzündlichen Veränderungen primär auf die<br />

Mukosa des Kolorektums. Sie breitet sich flächenhaft<br />

und kontinuierlich von distal nach<br />

proximal aus, wobei das Rektum regelhaft<br />

befallen ist. Der anatomische Analkanal ist<br />

dagegen selten betroffen. Das Anoderm und<br />

die Schließmuskulatur sind nur in seltenen<br />

Ausnahmefällen beteiligt. Analfisteln treten<br />

bei der Colitis ulcerosa in etwa 3 % der Fälle<br />

auf.<br />

Diagnostik<br />

Für die Differentialdiagnostik ist dieses makroskopische<br />

Verteilungsmuster hilfreich. Es<br />

ist nach wie vor sinnvoll, als »Faustregel« zu<br />

unterstellen, dass ein entzündlicher Befall des<br />

Analkanals mit Fistelbildungen dringend verdächtig<br />

auf einen M. Crohn ist. Zur Abgrenzung<br />

gegenüber den entzündlichen Erkrankungen,<br />

insbesondere der Campylobacter-Enterokolitis,<br />

sind umfangreiche endoskopisch-bioptische<br />

und mikrobielle Untersuchungen nötig.<br />

Histologisch ist die Erkrankung klassifiziert<br />

durch eine kontinuierliche und proportionierte<br />

Entzündung, die auf die Mukosa begrenzt ist<br />

und gehäuft Kryptenabszesse zeigt.<br />

Konservative <strong>Therapie</strong><br />

Die medikamentöse <strong>Therapie</strong> berücksichtigt die<br />

stadienabhängig unterschiedliche entzündliche<br />

Aktivität der Erkrankung und verfolgt darum<br />

unterschiedliche <strong>Therapie</strong>ansätze beim leichten<br />

bis mittelschweren Schub und beim schweren<br />

Schub. Ebenso besteht Konsens über Ersatzpräparate<br />

bei chronisch aktiver, steroidabhängiger


17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />

Operationsindikationen bei einer Colitis ulcerosa Tab. 17-1<br />

Absolut Relativ<br />

freie Perforation Misserfolg der konservativen <strong>Therapie</strong><br />

fulminante Kolitis mit Sepsis ausgedehnter Kolonbefall mit schwerer<br />

Beeinträchtigung<br />

toxisches Megakolon Karzinomrisiko bei langer Krankheitsdauer und<br />

totalem Kolonbefall<br />

Ileus<br />

massive Blutung<br />

Entzündung und über die Empfehlung einer<br />

Medikation zum Remissionserhalt. Insgesamt<br />

kommen derzeit 5-ASA-Präparate, Steroide,<br />

Cyclosporin, Tacrolimus, Azathioprin, 6-Mercaptopurin<br />

und MTX zum Einsatz. Wichtig<br />

für die <strong>Therapie</strong>entscheidung ist auch das<br />

Ausmaß der Entzündung bezogen auf den<br />

Verlauf des Kolons (Pankolitis, Linkskolitis,<br />

Proktitis). Dosierungsempfehlungen lassen sich<br />

aus den Leitlinien der Fachgesellschaften z.B.<br />

der DGVS entnehmen.<br />

Operative <strong>Therapie</strong><br />

Die Colitis ulcerosa ist durch Entfernung des<br />

betroffenen Darmanteils chirurgisch heilbar.<br />

Standardverfahren ist heute die Kolektomie<br />

mit transanaler Anastomosierung mit einem<br />

Ileumpouch. Voraussetzung für dieses Verfahren<br />

ist ein intakter muskulärer Verschluss<br />

des Analkanals. Durch den Ileumpouch wird<br />

ein analnahes Reservoir geschaffen, so dass<br />

ein befriedigendes Kontinenzverhalten resultiert.<br />

Üblicherweise haben die Patienten<br />

postoperativ nach einer Phase der Adaption<br />

eine Stuhlfrequenz von 4 – 7 Stühlen täglich<br />

bei gering eingeschränkter Kontinenz. In Notsituationen<br />

(z. B. toxisches Megacolon) ist<br />

auch ein zweizeitiges operatives Vorgehen<br />

möglich. Postoperativ kann eine »Pouchitis«<br />

Probleme bereiten. Bei älteren Patienten können<br />

Kontinenzprobleme auftreten. Nach wie vor<br />

haben darum in Einzelfällen die Kolektomie<br />

mit ileorektaler Anastomose und die Prokto-<br />

kolektomie mit endständigem Ileostoma ihre<br />

Berechtigung.<br />

Gerade die letztgenannten relativen Indikationen<br />

ergeben sich in einem interdisziplinären<br />

<strong>Therapie</strong>regime zwischen konservativem und<br />

operativem Therapeuten. Für die Kolektomie<br />

aus karzinomprophylaktischer Indikation ist<br />

der bioptische Nachweis von Dysplasien im Remissionsstadium<br />

der Erkrankung entscheidend.<br />

Eine psychosomatische <strong>Therapie</strong> erscheint bei<br />

der Colitis ulcerosa erfolgreicher als im Fall<br />

des M. Crohn.<br />

Zusammenfassung: Die Colitits ulcerosa<br />

ist eine auf die Mukosa beschränkte, sich<br />

vom Rektum kontinuierlich nach kranial<br />

ausbreitende Entzündung. Eine anale Fistelbildung<br />

ist selten und lässt im Zweifelsfall<br />

eher auf einen Morbus Crohn schließen. Die<br />

medikamentöse <strong>Therapie</strong> beinhaltet neben<br />

5-ASA-Präparaten je nach Entzündungaktivität<br />

auch Steroide und andere Immunsuppressiva.<br />

Eine operative <strong>Therapie</strong> kommt bei<br />

akuten Komplikationen, bei mangelndem<br />

medikamentösen <strong>Therapie</strong>erfolg und zur<br />

Karzinomprophylaxe in Betracht. Die Colitis<br />

ulcerosa ist durch komplette Entfernung<br />

des Kolons chirurgisch heilbar.<br />

Morbus Crohn<br />

Die Erkrankung wurde erstmals 1932 von<br />

CROHN, GINSBURG und OPPENHEIMER als<br />

159


160<br />

Ileitis terminalis beschrieben. Sie kann aber<br />

alle Abschnitte des Gastrointestinaltrakts betreffen.<br />

Die Ätiologie des M. Crohn ist unklar;<br />

vermutlich ist sie multifaktoriell bedingt, wobei<br />

möglicherweise eine genetische Prädisposition,<br />

autoimmunologische und entzündliche<br />

Vorgänge beteiligt sind.<br />

Der Morbus Crohn kann sämtliche Abschnitte<br />

des Verdauungstraktes befallen.<br />

Diagnostik<br />

Beim M. Crohn breitet sich die Entzündung<br />

nicht primär flächenhaft in der Schleimhaut aus<br />

wie bei der Colitis ulcerosa, sondern sie durchsetzt<br />

die Wandschichten des Darmes vertikal.<br />

Histologisch zeigt die transmurale Entzündung<br />

ein diskontinuierliches und disproportioniertes<br />

Verteilungsmuster. Kryptenabszesse sind selten<br />

nachweisbar. Der Nachweis von Epitheloidzell-Granulomen<br />

ist nicht eindeutig, da sie<br />

beispielsweise auch bei der Yersiniose, der<br />

Campylobacter-Enterokolitis oder der Darmtuberkulose<br />

gefunden werden.<br />

Die Diagnose des M. Crohn stützt sich<br />

auf den Nachweis einer Gruppe von Symptomen,<br />

die makroskopisch (diskontinuierliche<br />

Entzündung, Ileumbeteiligung) oder mikroskopisch<br />

(disproportionierte Entzündung,<br />

normaler Becherzellgehalt im entzündeten<br />

Darmabschnitt, Lymphfollikel in Mukosa und<br />

Submukosa), durch Röntgendarstellung oder<br />

endoskopisch im Bereich des Intestinaltrakts<br />

(enterokutane Fisteln) oder der äußeren Haut<br />

(fissurale Hautläsionen) verifiziert werden<br />

und die zudem über einen längeren Zeitraum<br />

(chronisches Analleiden) bestehen müssen.<br />

Es gibt kein isoliertes Symptom oder einen<br />

einzelnen Laborparameter, der das Vorliegen<br />

eines M. Crohn beweist.<br />

Im Analbereich respektiert die Entzündung<br />

bei ihrer vertikalen Ausbreitungsrichtung die<br />

vorgegebenen Wandschichten und Spalträume<br />

nicht, wenngleich viele der Fisteln dennoch<br />

vorzugsweise im Bereich der Analkrypten<br />

beginnen. Die weitere Ausbreitungsrichtung<br />

erfolgt dann aber regellos, was die chirurgische<br />

<strong>Therapie</strong> problematisch macht.<br />

Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />

Kriterien zur Diagnose Tab. 17-2<br />

eines M. Crohn<br />

makroskopisch mikroskopisch<br />

diskontinuierliche<br />

Ausbreitung der<br />

Entzündung<br />

Fisteln<br />

(anal, enterokutan,<br />

enteroenteral, etc.)<br />

Ileumbeteiligung der<br />

Entzündung<br />

diskontinuierliche<br />

Störung der Kryptenarchitektur<br />

diskontinuierliche<br />

Infiltration der Mukosa<br />

durch Lymphozyten<br />

und Plasmazellen<br />

normaler Becherzellgehalt<br />

Pflastersteinrelief ggf. Epitheloidzell-<br />

Granulome<br />

Pseudopolypen<br />

fissurale und aphtoide<br />

Läsionen<br />

Bis zu 20 % der Crohnerkrankungen zeigen<br />

ihre Erstmanifestation durch anorektale<br />

Komplikationen eines Morbus Crohn.<br />

Als pathognomonisch für den analen M. Crohn<br />

darf die auffallend sulzig-livide Beschaffenheit<br />

der perianalen Haut gelten. Wichtig ist die Tatsache,<br />

dass der M. Crohn in bis zu 20% der Fälle<br />

seine Erstmanifestation mit einem Analbefall<br />

zeigt. In diesen Fällen kann der makroskopisch<br />

typische Befund wegweisend sein und, auch<br />

wenn er überraschenderweise angetroffen<br />

wird, bereits intraoperativ das chirurgische<br />

Konzept modifizierend beeinflussen, wie z. B.<br />

bei Fisteln die Einlage einer Fadendrainage<br />

statt einer Spaltung. Für die anschließende<br />

diagnostische Abklärung erscheint zumindest<br />

Typische anale Symptome Tafel 17-1<br />

eines M. Crohn<br />

• livide durchschimmernde perianale Haut<br />

• multiple Fisteln<br />

• helles Fistelsekret<br />

• fissuroide Läsionen<br />

• ödematöse Mariske


17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />

Abb. 17-1 Anale Crohnläsionen: Fissuroide Läsion<br />

und Fistelöffnung, livide Farbe der Haut<br />

Abb. 17-2 Anale Crohnläsionen:<br />

Multiple Fistelöffnungen<br />

die totale Koloskopie mit Inspektion des terminalen<br />

Ileums oder auch ein CT oder NMR<br />

in SELLINK-Technik unerlässlich.<br />

Konservative <strong>Therapie</strong><br />

Die Aktivität der Erkrankung lässt sich mit<br />

Aktivitätsindizes bestimmen, die eine Festlegung<br />

anhand objektiver Daten ermöglichen,<br />

die dann zur <strong>Therapie</strong>planung hilfreich sind.<br />

Einzelne Laborparameter können die Aktivität<br />

nicht hinreichend definieren.<br />

Die <strong>Therapie</strong> des Patienten mit einem M.<br />

Crohn ist im Regelfall eine Langzeitbehandlung.<br />

Aufgrund der ungeklärten Ätiologie müssen<br />

in jedem Fall unterschiedliche <strong>Therapie</strong>ansätze<br />

berücksichtigt werden, die zeitlich nacheinander<br />

oder sogar gleichzeitig zu verfolgen sind.<br />

Im Regelfall bedarf der Crohnpatient einer<br />

Abb. 17-3 Anale Crohnläsionen: Multiple<br />

Rhagaden, livide Hautverfärbung, Fistelostium<br />

mit auffallend hellem Sekret<br />

interdisziplinären Betreuung, zumindest durch<br />

den Gastroenterologen und den Chirurgen.<br />

In Einzelfällen kann eine psychosomatische<br />

Beeinflussung der Erkrankung sinnvoll sein.<br />

Die übrigen medizinischen Disziplinen werden<br />

bedarfsweise in die Behandlung eingebunden.<br />

Die medikamentöse <strong>Therapie</strong> berücksichtigt,<br />

ähnlich wie bei der Colitis ulcerosa, unterschiedliche<br />

Verlaufsformen der Erkrankung,<br />

nämlich den akuten Schub, den chronisch<br />

aktiven Verlauf, den steroidabhängiger Verlauf<br />

und die Remission. Medikamente der ersten<br />

Wahl im Schub sind topisch oder systemisch<br />

verabreichte Kortikoide. Die steroidabhängige,<br />

chronisch aktive Erkrankung wird mit<br />

Azathioprin oder 6-Mercaptopurin behandelt.<br />

Infliximab gilt als Reservemedikation. Eine generelle<br />

Medikation zum Remissionserhalt wird<br />

nicht empfohlen. In der <strong>Therapie</strong> des M. Crohn<br />

sind die medikamentösen Konzepte immer<br />

individualisiert auf den einzelnen Patienten<br />

auszurichten. Dosierungsempfehlungen lassen<br />

sich aus den Leitlinien der Fachgesellschaften<br />

z.B. der DGVS entnehmen.<br />

161


162<br />

Operative <strong>Therapie</strong><br />

Absolute Indikationen zur chirurgischen <strong>Therapie</strong><br />

ergeben sich bei Versagen der konservativen<br />

<strong>Therapie</strong> oder bei Komplikation der <strong>Therapie</strong>.<br />

Zu den absoluten Indikationen zählen dementsprechend:<br />

• freie Perforation<br />

• Ileus<br />

• nicht beherrschbare Blutung<br />

• großer intraabdomineller Abszess<br />

Relative Indikationen ergeben sich nach längerem<br />

Krankheitsverlauf. Sie zeigen letztlich<br />

an, dass sich die Erkrankung refraktär verhält<br />

gegenüber der eingeschlagenen konservativen<br />

<strong>Therapie</strong>. Zu diesen Indikationen zählen:<br />

• wirksame Stenose<br />

• Konglomerattumorbildung<br />

• intestinale Fistelung<br />

Nicht generell festzulegende Indikationen zur<br />

chirurgischen <strong>Therapie</strong> stellen die chronisch<br />

wenig aktiven Verläufe mit deutlicher subjektiver<br />

Beeinträchtigung dar. Häufig ergibt sich<br />

postoperativ eine deutliche subjektive Besserung.<br />

Außerdem können durch die Resektion<br />

in diesen Fällen Kortikoide eingespart werden.<br />

Die Resektionsbehandlung kann je nach Aktivitätsindex<br />

eine Vorbereitung mit Kortikoiden<br />

und/oder einer funktionellen Darmausschaltung<br />

mittels vollresorbierbarer Diäten erforderlich<br />

machen. Die Rezidivrate der Erkrankung liegt<br />

nach der Resektion bei 60 % innerhalb der<br />

ersten 10 Jahre postoperativ, was als Ausdruck<br />

dafür anzusehen ist, dass der M. Crohn nicht<br />

chirurgisch heilbar ist. Gleichzeitig ist die<br />

hohe Rezidivrate der Grund für die sparsame<br />

Resektion als operativem Prinzip, da auf diese<br />

Weise chirurgisch induzierte Kurzdarmsyndrome<br />

vermieden werden.<br />

Der Morbus Crohn ist durch eine<br />

operative <strong>Therapie</strong> nicht heilbar.<br />

Operative Indikationen<br />

bei analen Crohnläsionen<br />

Das morphologische Bild der analen Crohnmanifestationen<br />

umfaßt neben der Analfissur, den<br />

Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />

Ulzerationen und Marisken auch Abszesse und<br />

hieraus folgend Fisteln (vgl. Abb. 17-1 – 17-<br />

3). Die erstgenannten Befunde werden häufig<br />

übersehen, da der anale Crohn als »fistelnde«<br />

Erkrankung typisiert wird. Dennoch erscheinen<br />

operative Maßnahmen auch in diesen Fällen<br />

dann indiziert, wenn im Randbereich der Fissuren<br />

oder Ulzerationen Unterminierungen des<br />

Gewebes bestehen. Diese Unterminierungen<br />

können zu Stuhlretentionen Anlass geben.<br />

Die Stase des Stuhls unterhält das entzündliche<br />

Geschehen und bereitet unter Umständen<br />

Schmerzen. Die in Lehrbüchern gelegentlich<br />

noch beschriebene auffallende Schmerzlosigkeit<br />

analer Crohnläsionen besteht sicher nur in<br />

sehr wenigen Fällen. Eine sparsame operative<br />

Glättung dieser Wulstbildungen tangiert<br />

die Muskulatur nicht und kann demzufolge<br />

keine Verschlechterung der Kontinenz nach<br />

sich ziehen.<br />

Im Fall der Crohnabszesse und Fisteln wurde<br />

früher aus Angst vor einer Inkontinenz oder<br />

nicht abheilenden Wunden ein restriktiv-konservatives<br />

Vorgehen empfohlen. Heute werden<br />

die <strong>Therapie</strong>prinzipien aktiver gestaltet.<br />

Alle Abszesse müssen zwingend eröffnet<br />

werden. Die eitrige Verhaltung destruiert das<br />

muskuläre Sphinkterorgan und begünstigt die<br />

Entstehung eines generalisierten septischen Geschehens.<br />

Eine alleinige konservative <strong>Therapie</strong>,<br />

z. B. mit Metronidazol, ist ineffektiv.<br />

Unter den Fisteln sind typische Analfisteln<br />

mit distal gelegenem muskeldurchbohrenden<br />

Gang zu beobachten. Diese »Fisteln bei M.<br />

Crohn« können zumeist nach den üblichen<br />

chirurgischen Prinzipien gespalten werden.<br />

Atypische »Fisteln durch den M. Crohn«, die die<br />

anatomischen Grenzen missachten, erfordern<br />

hingegen eine zurückhaltende <strong>Therapie</strong>. Hier<br />

kann gelegentlich ein plastischer Verschluss des<br />

inneren Fistelostiums erfolgreich sein. Es wird<br />

empfohlen, diese Fisteln mit einer Fadendrainage<br />

zu versorgen (vgl. Abb. 17-4). Hierdurch<br />

lässt sich eine rezidivierende Verhaltung innerhalb<br />

des Systems verhindern. Seitengänge<br />

der Fistel verkleben gelegentlich, so dass im<br />

weiteren Verlauf ein plastischer Fistelverschluss<br />

möglich wird. Die Fadendrainage sollte also als<br />

vorübergehende Maßnahme angesehen werden.


17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />

Abb. 17-4 Crohnfistel mit Fadendrainage<br />

Dabei sollte auch nur der muskeldurchbohrende<br />

Anteil mit dem Faden angeschlungen werden.<br />

Hautbrücken und extrasphinktäre Fistelanteile<br />

können ohne Kontinenzgefährdung primär<br />

ausreichend weit eröffnet werden. Der locker<br />

geknüpfte Faden bereitet aufgrund seiner Beweglichkeit<br />

gelegentlich Missempfindungen.<br />

Aus diesem Grunde erscheint es nicht ratsam,<br />

den perianalen Bereich mit mehreren<br />

Fadenschlingen zu versehen.<br />

Bei einem Morbus Crohn ist die Versorgung<br />

einer ohne Kontinenzgefährdung<br />

nicht spaltbaren Fistel mit einer Langzeitfadendrainage<br />

eine gute <strong>Therapie</strong>option.<br />

Die Frage einer Stuhlausschaltung mittels<br />

Kolostomie oder Ileostomie zur Sanierung<br />

einer Crohnfistel kann nur im Einzelfall entschieden<br />

werden. Es lässt sich jedoch generell<br />

sagen, dass die alleinige Passageausschaltung<br />

die Fistelsekretion nur vorübergehend bessert.<br />

Nach der Rückverlagerung bricht die Fistel im<br />

Regelfall erneut auf. Die Stuhlableitung kann<br />

aber die Bedingungen für eine lokale Sanierung<br />

des Fistelsystems verbessern, so dass man nach<br />

der Stomaanlage nicht auf operative Maßnahmen<br />

an der Fistel verzichten sollte. Dies gilt<br />

insbesondere für rektovaginale Fisteln, die die<br />

betroffenen Patientinnen zumeist erheblich<br />

beeinträchtigen.<br />

Crohnläsionen ohne Muskelbeteiligung wie<br />

Fissuren, Ulzerationen und Marisken stellen<br />

aufgrund der Schmerzsymptomatik und der<br />

möglichen Entzündungsinduktion als Folge<br />

einer Stuhlretention durchaus eine Indikation<br />

zur Exzision dar. Analstrikturen können operativ<br />

erweitert werden. Eine Analstenose oder<br />

Stenose des distalen Rektums bei gleichzeitig<br />

nachweisbarem schweren entzündlichen Befall<br />

des linken Kolons und des Rektums muss aber<br />

als prognostisch ungünstiger Parameter für die<br />

dauerhafte Erhaltung der Kontinenz gelten.<br />

Je weiter oral der Darmbefall lokalisiert ist,<br />

desto eher lassen sich die analen Läsionen<br />

chirurgisch erfolgreich therapieren. Wichtig<br />

erscheint die Wahl des geeigneten Zeitpunktes<br />

für die Operation. Ein Abszess sollte ohne<br />

längere Vorbereitung ausreichend breit eröffnet<br />

werden. Elektive Eingriffe wie Fistelspaltung<br />

oder Fistelverschluss sollten in Abstimmung<br />

mit dem konservativen Therapeuten festgelegt<br />

werden. Eine vorbereitende <strong>Therapie</strong> kann<br />

durch eine individuelle Dosisanpassung die<br />

Operationsbedingungen verbessern. Andererseits<br />

erscheint eine Vorbereitung mittels<br />

Elementardiät für anale Eingriffe verzichtbar.<br />

Größere Bedeutung kommt der Steroidbehandlung<br />

zu, falls sie aufgrund der Gesamtsituation<br />

erforderlich ist. Alle erforderlichen Maßnahmen<br />

lassen sich aber nicht schematisiert, sondern<br />

nur individuell beurteilen.<br />

Zusammenfassung: Der Morbus Crohn kann<br />

sämtliche Abschnitte des Verdauungstraktes<br />

befallen. Seine Ätiologie ist unverändert<br />

nicht geklärt. Die Ausbreitung ist im Verdaungstrakt<br />

diskontinuierlich. Histologisch<br />

findet sich eine transmurale Entzündlung<br />

mit disproportionierter Störung der Kryptenarchitektur.<br />

Das Vorliegen von Epitheloidzell-Granulomen<br />

in der Histologie<br />

ist nicht obligat für einen Morbus Crohn.<br />

Makroskopisch finden sich beim Morbus<br />

Crohn neben den diskontinuierlichen Entzündungsherden<br />

Stenosen, Pseudopolypen,<br />

Fisteln und im Analbereich fissuroide Läsionen.<br />

Die konservative medikamentöse<br />

<strong>Therapie</strong> richtet sich nach der Krankheitsaktivität.<br />

Medikament der ersten Wahl<br />

im Schub sind topische bzw. systemische<br />

Kortikoide. Für den Remissionserhalt gibt<br />

163


164<br />

es keine generelle Empfehlung einer durchgehenden<br />

medikamentösen <strong>Therapie</strong>. Eine<br />

operative <strong>Therapie</strong> ist bei entsprechenden<br />

Komplikationen angezeigt. Besonders für<br />

die anale Manifestation eines Morbus Crohn<br />

gilt, dass akute Abszedierungen operativ<br />

versorgt werden müssen. Der Morbus Crohn<br />

als Erkrankung des gesamten Verdauungstraktes<br />

ist operativ nicht heilbar.<br />

Andere Kolitiden<br />

Lymphozytäre Kolitis /<br />

Kollagene Kolitis<br />

Bei beiden Formen handelt es sich möglicherweise<br />

um Autoimmunerkrankungen, die anhand<br />

unterschiedlicher mikroskopischer Kriterien<br />

definiert werden. Leitsymptom sind Durchfälle.<br />

Der endoskopische Befund ist makroskopisch<br />

unauffällig und somit nicht richtungweisend.<br />

Die <strong>Therapie</strong> beider Erkrankungen erfolgt mit<br />

entzündungshemmenden Substanzen und Antidiarrhoika.<br />

Ballaststoffreiche oder glutenfreie<br />

Kost kann im individuellen Fall die Diarrhoe<br />

günstig beeinflussen.<br />

Infektiöse Kolitis<br />

Unter den entzündlichen Darmerkrankungen<br />

mit bekannter Ätiologie haben die infektiösen<br />

Kolitiden aufgrund ihres gehäuften Vorkommens<br />

eine große Bedeutung. Andererseits bieten<br />

sie in Europa nur in extrem seltenen Fällen<br />

eine operative Indikation.<br />

Im Rahmen der Aids-Erkrankung kommt<br />

es häufig zu bakteriellen Infektionen des Gastrointestinaltrakts.<br />

Hierbei handelt es sich<br />

überwiegend um Infektionen mit Mykobakterien,<br />

Salmonellen, Shigellen, Campylobacter<br />

und Clostridium difficile. Abhängig von den<br />

sexuellen Gewohnheiten und aufgrund einer<br />

lokalen Gewebsschädigung im Analkanal und<br />

im unteren Rektum zeigen sich vermehrt Infektionen<br />

mit Chlamydia trachomatis und anale<br />

Manifestationen einer Lues oder Gonorrhoe.<br />

Zahlenmäßig überwiegen die Infektionen mit<br />

Mykobakterien und Salmonellen. Infolge der<br />

Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />

Immunschwäche kommt es dabei auch zu<br />

bakteriämischen Verlaufsformen mit entsprechenden<br />

<strong>Therapie</strong>problemen. Die <strong>Therapie</strong><br />

erfolgt entsprechend dem Erregernachweis mit<br />

Antibiotika bzw. Tuberkulostatika.<br />

Medikamentös-toxische Kolitis<br />

Zahlreiche Medikamente können im Darmtrakt<br />

oberflächliche (erosive) und tiefere (ischämische)<br />

Läsionen induzieren. Insbesondere<br />

gilt dies für nichtsteroidale Antiphlogistika.<br />

Die <strong>Therapie</strong> besteht im Absetzen der Medikation.<br />

Ischämische und radiogene Kolitis<br />

Die ischämische Kolitis und die radiogene<br />

Kolitis führen bei rezidivierenden perianalen<br />

Blutungen oder zunehmender Lumenstenosierung<br />

im Rahmen der chronischen Vernarbung<br />

zur operativen <strong>Therapie</strong>. Eine kausal wirksame,<br />

konservative <strong>Therapie</strong> steht in beiden Fällen<br />

nicht zur Verfügung. Als Regeleingriff bietet<br />

sich die Segmentresektion an. Ein solches<br />

Vorgehen kann aber bei analnahem Sitz eines<br />

Strahlenschadens (etwa nach intrakavitärer<br />

Bestrahlung) unmöglich werden. Aufgrund der<br />

radiogenen Schädigung der Nachbarstrukturen<br />

ist eine koloanale Anastomose in diesen Fällen<br />

ebenfalls mit einer hohen Insuffizienzrate<br />

behaftet.<br />

Als Sonderfall einer ischämischen Läsion<br />

der Darmwand kann der anorektale Ergotismus<br />

gelten. Die direkte Einwirkung ergotaminhaltiger<br />

Suppositorien auf die Rektumwand kann<br />

über eine umschriebene Vasokonstriktion zur<br />

lokalen Nekrose führen. Eine Dosisabhängigkeit<br />

muß unterstellt werden, wenngleich sie nicht<br />

ausreichend sicher definiert ist. Im Regelfall<br />

geht die lokale Schädigung von der Schleimhaut<br />

des Analkanals und des Rektums, also vom<br />

Applikationsort der Zäpfchen, aus. Sie erreicht<br />

dabei auch den Bereich der perianalen Haut,<br />

so dass die Läsionen für den Patienten sichtbar<br />

werden und Schmerzen bereiten. In den letzten<br />

Jahren wurden diese Läsionen seltener beobachtet,<br />

da sich die Kenntnis der Nebenwirkung<br />

allgemein durchgesetzt hat. Die Hersteller der


17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />

Suppositorien haben die Packungen auch mit<br />

entsprechenden Hinweisen versehen.<br />

Antibiotikaassoziierte Kolitis /<br />

Pseudomembranöse Kolitis<br />

Beide Formen werden ausgelöst durch das<br />

Toxin von Clostridium diffizile, das unter einer<br />

Antibiotikatherapie vermehrt im Darm auftreten<br />

kann. Leitsymptom sind Diarrhoen mit starker<br />

Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Bei<br />

der pseudomembranösen Form werden im<br />

Darm weißlich-gelbe Plaques nachgewiesen,<br />

die entzündlichen Gewebsresten entsprechen.<br />

Die antibiotikaassoziierte Kolitis bildet keine<br />

Plaques aus, sondern nur flächenhafte Schleimhautrötungen<br />

im Sigma. Die <strong>Therapie</strong> erfolgt<br />

mit Metronidazol oder bei stärkeren Symptomen<br />

mit Vancomycin. Symptomatisch wirken<br />

auch Ionenaustauscher wie Colestyramin.<br />

Diversionskolitis<br />

In ausgeschalteten Darmsegmenten bilden sich<br />

entzündlich imponierende Schleimhautveränderungen,<br />

die nicht in allen Fällen Beschwerden<br />

auslösen. Bei blutig-schleimigen Sekretabgängen<br />

und abdominellen Schmerzen kann eine<br />

antiinflammatorische Medikation (5-ASA,<br />

Kortikoide) in topischer Anwendung versucht<br />

werden. Die Pathogenese der Veränderungen ist<br />

nicht geklärt, die Schleimhautveränderungen<br />

werden häufig nachgewiesen. Sie bilden sich<br />

nach der Aufhebung der Stuhlausschaltung<br />

zurück.<br />

Divertikulose / Divertikulitis<br />

Längs der Wand des Dickdarmes können sich<br />

im Bereich der Gefäßdurchtrittsstellen durch die<br />

Muskelschicht Aussackungen der Schleimhaut<br />

bilden, die als (Pseudo)-Divertikel bezeichnet<br />

werden. Die Epidemiologie der Divertikulose<br />

zeigt eine erhöhte Inzidenz im höheren Lebensalter.<br />

Bis zum 50. Lebensjahr sind Männer häufiger<br />

betroffen als Frauen. In den Ländern der<br />

<strong>Dr</strong>itten Welt ist die Divertikelkrankheit seltener.<br />

Dies hat zu der Annahme geführt, dass eine<br />

schlackenreiche Kost über die Beschleunigung<br />

der intestinalen Passagezeit der Entwicklung<br />

von Divertikeln vorbeugen kann.<br />

Ätiologie<br />

Unter ätiologischen Gesichtspunkten kann<br />

unterstellt werden, dass die <strong>Dr</strong>uckverhältnisse<br />

im Lumen des Darmes eine entscheidende<br />

Rolle bei der Entstehung der Divertikel spielen.<br />

Andererseits scheint es nicht so zu sein, dass<br />

die Steigerung des intraluminalen <strong>Dr</strong>uckes<br />

ausschließlich Folge einer Verlangsamung der<br />

intestinalen Passage ist. Die Entstehung von<br />

Divertikeln muss darum in den Ländern der<br />

westlichen Welt auch unabhängig vom ätiologischen<br />

Gesichtspunkt der schlackenarmen<br />

Ernährung gesehen werden. Die Annahme einer<br />

<strong>Dr</strong>ucksteigerung infolge einer Tonusstörung<br />

aufgrund einer gestörten Kolonfunktion hat<br />

dazu geführt, dass die unkomplizierte Divertikulose<br />

in engem ätiologischen Zusammenhang<br />

mit dem Colon irritabile gesehen wird.<br />

Zusätzlich kommt es im Alter zum Umbau der<br />

Textur der Wandschichten des Darmes. Eine<br />

Schwächung der Längsmuskulatur mit vermehrtem<br />

Einbau von Elastinfasern und Veränderungen<br />

des Kollagens können möglicherweise<br />

die Ausstülpung der Divertikel begünstigen.<br />

Pathogenese<br />

Entscheidend ist im individuellen Fall die weitere<br />

Pathogenese der Divertikulose. Symptomlose<br />

Divertikel, die anlässlich der diagnostischen<br />

Abklärung von Kolonbefunden nachgewiesen<br />

werden, werden als Divertikulose bezeichnet. Im<br />

Bereich des Divertikels können sich entzündliche<br />

Krankheitsschübe abspielen, die von innen<br />

nach außen zunehmend die Darmwandschichten<br />

in den Entzündungsvorgang einschließen<br />

bis hin zur Peridivertikulitis und Perikolitis.<br />

Das Ausmaß der entzündlichen Aktivität der<br />

Erkrankung korreliert dabei nicht mit der Zahl<br />

der nachweisbaren Divertikel.<br />

Die Divertikulitis entwickelt sich auf dem<br />

Boden einer Stase von Darminhalt innerhalb<br />

der Divertikel. Der Darminhalt löst dann <strong>Dr</strong>ucknekrosen<br />

aus, die zur Durchwanderung von<br />

Bakterien führen. Hinzu kommen Mikroper-<br />

165


166<br />

forationen, die die Entzündung weiterleiten.<br />

Das Versagen der lokalen Infektabwehr in<br />

der Mukosa und Submukosa führt ebenfalls<br />

zu einer zunehmenden Durchwanderung der<br />

gesamten Dickdarmwand mit entzündlicher<br />

Arrosion der Appendices epiploicae oder von<br />

Nachbarorganen. Diese Durchwanderung<br />

kann schleichend erfolgen und erst durch<br />

die Ausbildung von Fisteln zu Nachbarorganen,<br />

insbesondere Harnblase oder benachbarten<br />

Darmschlingen, manifest werden.<br />

Die Anzahl der Divertikel korreliert<br />

nicht mit der entzündlichen Aktivität der<br />

Erkrankung.<br />

Klinik<br />

Das klinische Bild der Divertikulitis verläuft<br />

zumeist in Schüben, wobei im Schub eine<br />

lokale Schmerzhaftigkeit im linken Unterbauch<br />

bis hin zur lokalen Abwehrspannung<br />

bestehen kann. In den Entzündungsprozess<br />

ist auch bei ausgedehntem Divertikelbesatz<br />

des gesamten Kolons aufgrund der hier herrschenden<br />

intraluminalen <strong>Dr</strong>uckverhältnisse<br />

zumeist nur das Sigma einbezogen. Im Schub<br />

bestehen entzündliche Allgemeinsymptome<br />

und fast regelhaft auch Zeichen der intestinalen<br />

Passagebehinderung. Mit zunehmendem<br />

Krankheitsverlauf verbleibt auch zwischen<br />

den entzündungsaktiven Phasen eine tastbare<br />

Walze im linken Unterbauch. Neben der Ausbildung<br />

von Fisteln zu Nachbarorganen kann<br />

insbesondere eine zunehmende Stenosierung<br />

des Darmlumens während des chronischen<br />

Verlaufs der Divertikulitis eine chirurgische<br />

Behandlung erforderlich machen.<br />

Diagnostik<br />

In der Phase der akuten Entzündung ist die<br />

Diagnostik wesentlich vom Lokalbefund im<br />

linken Unterbauch beeinflusst. Sonographisch<br />

zeigt sich ein Darmsegment mit Wandverdickung<br />

und ggf. auch Divertikeln. Die Peridivertikulitis<br />

kann einen reflexreichen Halo<br />

zeigen, ein Abszess wird als echoarme Raumforderung<br />

evt. mit Lufteinschluss sichtbar.<br />

Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />

Die Diagnose wird gestützt durch die Laborparameter.<br />

Diagnostisch ist heute die MS-CT-<br />

Untersuchung wegweisend. Sie weist auch<br />

freie Luft im Rahmen einer Perforation nach,<br />

die ansonsten mit einer nativen Röntgenaufnahme<br />

des Abdomens erkannt werden kann.<br />

Differentialdiagnostisch muß bei der akuten<br />

entzündlichen Schmerzsysmptomatik an alle<br />

übrigen entzündlichen Erkrankungsursachen<br />

der Organe des Abdomens (akute Kolitiden,<br />

CED, Appendizitis und kolorektales Karzinom)<br />

und auch des Beckens gedacht werden.<br />

Die Untersuchungsmethode der Wahl<br />

bei der akuten Divertikulitis ist die Computertomographie.<br />

Im Intervall erfolgt eine Koloskopie, mit der<br />

die wesentlichen Differentialdiagnosen der<br />

sonstigen entzündlichen Darmerkrankungen<br />

und des Kolonkarzinoms abgeklärt werden.<br />

Entzündliche Stenosen und enterische Fisteln<br />

sind gelegentlich im Kolondoppelkontrast<br />

besser beurteilbar.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Gegenstand der <strong>Therapie</strong> ist weniger die Divertikulose<br />

als vielmehr die Divertikulitis und die<br />

progrediente entzündliche Komplikation.<br />

Konservative <strong>Therapie</strong>: Die symptomlose Divertikulose<br />

sollte zur Empfehlung einer schlackenreichen<br />

Ernährung Anlass geben. Es muß aber<br />

angemerkt werden, dass bislang kein Nachweis<br />

eine präventiven Effektes für die Entstehung<br />

von Divertikelkomplikationen geführt werden<br />

konnte. Die medikamentöse Langzeittherapie<br />

mit Substanzen, die sich in der Behandlung der<br />

übrigen chronisch entzündlichen Darmerkrankungen<br />

bewährt haben, ist in der Behandlung<br />

der Divertikulose entbehrlich.<br />

Die Divertikulitis erfordert im akuten entzündlichen<br />

Schub den abgestuften Einsatz<br />

aller zur Verfügung stehenden konservativen<br />

<strong>Therapie</strong>maßnahmen bis hin zur kompletten<br />

Nahrungskarenz und zur bilanzierten Infusionsbehandlung.<br />

Zusätzlich ist eine antibiotische<br />

<strong>Therapie</strong> obligat.


17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />

Chirurgische <strong>Therapie</strong>: Die chirurgische <strong>Therapie</strong><br />

zielt auf die konservativ nicht beherrschbaren<br />

Komplikationen im akuten Erkrankungsstadium<br />

entsprechend der Stadien II und III der klinischen<br />

Einteilung nach Hansen und Stock. Außerdem<br />

sind die Spätfolgen der rezidivierenden<br />

Erkrankung wie Stenosen und Fistelbildungen<br />

operativ anzugehen.<br />

Stadieneinteilung Tab. 17-3<br />

der Divertikulitits nach<br />

Hansen / Stock (1999)<br />

Stad. 0 Divertikulose<br />

Stad. I blande Divertikulitis<br />

Stad. II akute Divertikulitis<br />

Stad. IIa Phlegmone<br />

Stad. IIb Abszess<br />

Stad. IIc freie Perforation<br />

Stad. III chronisch-rezidivierende Divertikulitis<br />

<strong>Dr</strong>ingliche Operationsindikationen: Unter den<br />

Divertikelkomplikationen mit dringlicher Indikation<br />

sind in erster Linie die freie Perforation<br />

und die Blutung zu nennen. Profuse Blutungen<br />

aus Divertikeln sind eher selten. Sie scheinen<br />

im Ausmaß und in der Häufigkeit mit einer<br />

mehr proximalen Lokalisation der Divertikel<br />

zu korrelieren. Blutungen aus Divertikeln<br />

verlaufen jedoch bezüglich der Intensität und<br />

Dauer unterschiedlich. Sie sistieren zumeist<br />

spontan. Dennoch sollte die endoskopische<br />

Klärung der Blutungsursache in der Blutung<br />

angestrebt werden. Dabei ist im Einzelfall<br />

eine endoskopische Blutstillung möglich. Eine<br />

dringliche Operationsindikation ergibt sich bei<br />

lebensbedrohlicher Blutung, die konservativ<br />

nicht beherrscht werden kann.<br />

Die freie Perforation macht mitunter ein<br />

mehrzeitiges operatives Vorgehen erforderlich<br />

und ist dann mit einer Letalität von annähernd<br />

50 % belastet. Diese vital bedrohliche<br />

Komplikation ist prognostisch so zu bewerten,<br />

dass hierdurch ein septisches Krankheitsbild<br />

ausgelöst wird, dessen Überwindung ganz<br />

entscheidend abhängig ist vom Ausmaß der<br />

intraabdominellen Entzündungsausbreitung.<br />

Daher stellt insbesondere die freie Perforation<br />

eine absolut dringliche Indikation zur<br />

operativen Intervention dar. Die ausgedehnte<br />

Peritonitis (Hinchey Grad III und IV) macht<br />

zumeist Mehrfacheingriffe erforderlich.<br />

Ein Abszess kann im geeigneten Fall mit<br />

einer interventionellen <strong>Dr</strong>ainage unter CT-<br />

Kontrolle erreicht werden. Hierdurch lässt<br />

sich die Operation auf einen frühelektiven<br />

Zeitpunkt verschieben.<br />

Klassifikation der Tab. 17-4<br />

perforierten Divertikulitis<br />

nach Hinchey (1978)<br />

Grad I mesenteriale Phlegmone<br />

oder Abszeß<br />

Grad II parakolischer Abszess<br />

mit Quadrantenperitonitis<br />

Grad III diffuse eitrige Peritonitis<br />

Grad IV diffuse kotige Peritonitis<br />

Elektive Operationsindikationen: Die Indikation<br />

zur Elektivoperation im Intervall ist<br />

heute nicht mehr strittig. Die nicht passierbare<br />

Stenose und die persistierende Fistel werden<br />

operiert. Der zweite Entzündungsschub, also<br />

das Krankheitsrezidiv, stellt eine Resektionsindikation<br />

im Intervall dar. Immunsupprimierte<br />

Patienten und jüngere Patienten (< 40 Jahre)<br />

sollten möglichst bereits nach dem ersten Schub<br />

operiert werden. Zu berücksichtigen ist für<br />

das operative Vorgehen, dass die Letalität im<br />

komplikationsfreien Intervall der Divertikulitis<br />

unter 1 % liegt, was die Indikation in Richtung<br />

auf ein frühzeitiges chirurgisches Eingreifen<br />

nach dem ersten manifesten Entzündungsschub<br />

beeinflussen kann. Die Intervalloperation wird<br />

derzeit zunehmend als laparoskopisch-assistierter<br />

Eingriff vorgenommen.<br />

Die zunehmende Stenosierung des Lumens<br />

lässt sich im Zweifelsfall, wie oben bereits<br />

erwähnt, im Kolondoppelkontrast besser darstellen<br />

als bei der Koloskopie. Die fehlende<br />

Aufweitbarkeit trotz Gabe eines Spasmolyti-<br />

167


168<br />

kums kann in direkter Korrelation zum Ausmaß<br />

der postentzündlichen Wandstarre gesehen<br />

werden und Anlass für die Empfehlung zur<br />

elektiven Resektion sein. Oftmals stellt sich die<br />

Stenose aufgrund einer Divertikulitis relativ<br />

langstreckig dar. Der sichere Malignomausschluß<br />

mittels endoskopischer Untersuchung<br />

ist obligat, wenn der Patient trotz entsprechender<br />

Indikation die Resektion ablehnt.<br />

Gelegentlich bleiben Zweifel an der Dignität<br />

der Stenose, so dass erst die Untersuchung<br />

des Resektats verläßlich Aufschluss gibt. In<br />

jüngster Zeit hat aber die Fortentwicklung der<br />

Röntgendiagnostik (MS-CT, Kolon-Hydro-CT,<br />

virtuelle Koloskopie mit CT oder NMR) für<br />

diese Fragestellungen entscheidende Vorteile<br />

erbracht. Die Indikation des operativen Eingriffs<br />

wird durch diese Verfahren abgesichert<br />

und ein unnötiger Aufschub mit der Gefahr<br />

des nächsten Schubs vermieden.<br />

Fistelbildungen zur Blase stellen immer<br />

eine Indikation zur elektiven Resektion unter<br />

Aufhebung der Fistel dar. Eine Pneumaturie<br />

gilt als sicherer Beleg für das Vorliegen einer<br />

Fistel, auch wenn röntgenologisch kein Übertritt<br />

in die Blase nachgewiesen werden kann.<br />

Eine gedeckte Perforation mit Nachweis eines<br />

Paravasats in der Röntgendarstellung gilt insbesondere<br />

in Verbindung mit fortbestehenden<br />

rezidivierenden Entzündungsschüben als zwingende<br />

Indikation zur Elektivoperation.<br />

Entsprechend der Einteilung nach Hansen<br />

und Stock lassen sich die chirurgischen Indikationen<br />

und der jeweilige Operationszeitpunkt<br />

folgendermaßen festlegen:<br />

Stadium Operationsindikation Operationszeitpunkt<br />

0 keine<br />

I Nach dem 1. Schub bei immunsuppr. Patient Intervalloperation<br />

IIa gegeben Frühelektiv<br />

Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />

Zusammenfassung: Die Divertikulose oder<br />

deren Entzündungsstadium, die Divertikulitis,<br />

ist eine zunehmende Erkrankung in<br />

westlichen Industrieländern. Neben einer<br />

ballaststoffarmen Ernährung spielen nach<br />

neueren Erkenntnissen auch Störungen<br />

und Alterungsprozesse im Kollagenstoffwechsel<br />

eine Rolle bei der Entstehung.<br />

Eine Divertikulitis entsteht im Rahmen<br />

einer Stuhlimpaktion in den Divertikeln<br />

mit nachfolgender <strong>Dr</strong>uckschädigung, bakterieller<br />

Infektion der Wandschichten und<br />

nach Durchwanderung entzündlicher Umgebungsreaktion.<br />

Eine blande Divertikulose<br />

ist symptomlos oder äußert sich durch vermehrten<br />

Meteorismus oder Völlegefühl. Die<br />

Symptome der Divertikulitis reichen je nach<br />

Entzündungsaktivität von mäßigen linksseitigen<br />

Unterbauchbeschwerden bis zum<br />

akuten Abdomen z. B. bei einer Perforation.<br />

Die Untersuchungsmethode der Wahl bei der<br />

Divertikulose ist die Koloskopie, im akuten<br />

Entzündungsstadium die CT. Therapeutisch<br />

wird bei der Divertikulose ballaststoffreiche<br />

Kost empfohlen, im Entzündungsstadium<br />

primär die konservative <strong>Therapie</strong> mit Nahrungskarenz<br />

und Antibiotika. Die Indikation<br />

zur operativen Intervention besteht akut<br />

bei Perforation oder nicht interventionell<br />

beherrschbarer Abszedierung, elektiv bei<br />

rezidivierenden Schüben, bei Fistelbildung<br />

und bei Stenosen.<br />

IIb gegeben Frühelektiv, evt. nach Abszessdrainage<br />

IIc gegeben notfallmäßig<br />

III Nach dem 2. Schub oder bei chronischen<br />

Komplikationen (Fistel/Stenose)<br />

Intervalloperation,<br />

selten notfallmäßig (Ileus)


18 Stomatherapie<br />

18 Stomatherapie<br />

Stomaanlage 170<br />

Stomaversorgung 171<br />

Maßnahmen zur Stuhlregulierung 171<br />

Irrigation 172<br />

Stomakomplikationen 172<br />

169


170<br />

Vorbemerkung: Der Anteil der Stomaträger<br />

in der BRD muß auf etwa 100000 geschätzt<br />

werden. Jedes Jahr kommen etwa 30000 hinzu<br />

(Angaben lt. BVMed e.V.) ). Trotz Zunahme der<br />

das Stoma vermeidenden tiefen Kontinenzresektion<br />

des Rektums beim Karzinomleiden<br />

sind diese Zahlen in etwa konstant geblieben.<br />

In den letzten Jahrzehnten fand sich nämlich<br />

gleichzeitig ein Anstieg in der Zahl der chronisch-entzündlichen<br />

Darmkrankheiten. Die Indikation<br />

zur Stomaanlage umfasst somit neben<br />

den malignen Erkrankungen auch verschiedene<br />

benigne Leiden, die entweder zeitlich befristet<br />

oder auf Dauer ein Stoma erfordern.<br />

Entscheidende Folge der Stomaanlage ist<br />

der Verlust der Kontinenz. Diese Tatsache kann<br />

von Nichtbetroffenen kaum in ihrer Bedeutung<br />

erfasst werden. Für den Betroffenen stellt sie<br />

eine Behinderung dar, die – obwohl sie sich<br />

durch die modernen Pflegemittel oft sehr gut<br />

versorgen lässt – zu einer Außenseiterposition<br />

in unserer Gesellschaft führen kann. Die<br />

Funktion des natürlichen Afters ist mit so<br />

ausgeprägten Tabuisierungen belegt, dass der<br />

Gesunde auf die Schaffung einer »widernatürlichen«<br />

Situation der Stuhlentleerung mit Angst,<br />

Ablehnung und Unverständnis reagiert.<br />

Der Stomapatient findet sich trotz der<br />

Einsicht in die Notwendigkeit der Operation<br />

postoperativ zunächst in der gleichen Lage mit<br />

Angst und psychischer Abneigung gegenüber<br />

der neugeschaffenen Situation. Die Aufgabe<br />

der Stomatherapie besteht also darin, dem<br />

Patienten bei der Bewältigung dieses Problems<br />

zu helfen. Die Stomatherapie verfolgt somit<br />

einen ganzheitlichen Ansatz, der neben der<br />

somatischen Pflege auch psychosomatische<br />

und psychosoziale Aspekte berücksichtigen<br />

muß. Patienten mit malignen Erkrankungen<br />

bedürfen dabei eines anderen Zugangs als die<br />

Patienten mit benignen Leiden, da jene neben<br />

der Einschränkung der Lebensqualität auch<br />

mit einer Verkürzung ihres weiteren Lebens<br />

rechnen müssen.<br />

Aus diesen Bedingungen der <strong>Therapie</strong> ergibt<br />

sich, dass sie nicht Sache eines einzelnen<br />

Arztes sein kann. In erster Linie betrifft sie den<br />

Hausarzt und den Operateur. Aber letztlich<br />

muß jede ärztliche Maßnahme die Situation<br />

Stomatherapie 18<br />

des Stomaträgers berücksichtigen und insofern<br />

auch »Stomatherapie« sein. Die Betreuung durch<br />

Betroffene in Selbsthilfegruppen hat sich als<br />

ausgezeichnete Hilfe erwiesen. (Kontaktadresse:<br />

Deutsche ILCO, Landshuter Str. 30, 85356<br />

Freising). Die Bemühungen der Industrie um<br />

technische Verbesserungen der Pflegesysteme<br />

haben ferner dazu geführt, dass es bei sachkundiger<br />

Anwendung der Produkte kaum noch<br />

Versorgungsprobleme gibt. Die medizinisch<br />

unterstützende pflegerische Versorgung hat<br />

sich dabei als notwendig erwiesen, was zur<br />

Ausbildung sachkundiger und erfahrener Stomatherapeuten<br />

geführt hat.<br />

Stomaanlage<br />

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen<br />

einem Kolostoma, Ileostoma und einem Urostoma.<br />

Das Ileostoma fördert einen nur mäßig<br />

eingedickten Stuhl, der zudem kontinuierlich<br />

austritt. Es muß prominent angelegt sein, d.<br />

h. das Hautniveau überragen, damit der Stuhl<br />

ohne Benetzung der Haut in den Beutel abtropfen<br />

kann. Der Dünndarmstuhl ist aggressiv und<br />

führt zu Hautreizungen. Gleiche Bedingungen<br />

sind bei einem Urostoma erforderlich, da es<br />

hier zu wässrigen Ausscheidungen kommt.<br />

Die Pflege des Kolostomas ist einfacher. Es<br />

liegt üblicherweise im Hautniveau und fördert<br />

diskontinuierlich. Im geeigneten Fall läßt sich<br />

auch ein Kolostoma leicht prominent anlegen<br />

und so besser versorgen.<br />

Bereits bei der Stomaanlage sind diese<br />

Bedingungen einzukalkulieren. Es hat sich<br />

als unumgänglich herausgestellt, dass die<br />

Stomaposition präoperativ im Liegen, Sitzen<br />

und Stehen markiert wird. Das Stoma muss<br />

mit einem Klebebeutel abdeckbar sein und<br />

deswegen in einem faltenfreien Bereich der<br />

Haut mit entsprechendem Abstand von knöchernen<br />

Vorsprüngen wie dem Beckenkamm<br />

und vom Nabel liegen. Selbstverständlich<br />

muß der Patient das Stoma zur Versorgung<br />

einsehen können, da er sonst ständig auf eine<br />

Hilfsperson angewiesen ist.


18 Stomatherapie<br />

Stomaversorgung<br />

Wesentlich ist die schrittweise Einführung<br />

in die Stomaversorgung in der frühen postoperativen<br />

Phase, wobei von vorneherein auf<br />

die eigenständige Durchführung durch den<br />

Patienten unter Assistenz der Pflegefachkraft<br />

zu achten ist. Der Patient darf nicht von einer<br />

Hilfsperson abhängig werden und muss darum<br />

recht bald allein die Versorgung durchführen<br />

können.<br />

Die Reinigung der Haut um das Stoma<br />

erfolgt mit Wasser und weichem Papier, ggf. mit<br />

fettfreier Seife. Handelsübliche Pflasterentferner<br />

können nützlich sein. Sie sind hautfreundlicher<br />

als Waschbenzin. Nach Trocknung der Haut<br />

kann bei Problempatienten eine Hautschutzlotion<br />

aufgebracht werden. Diese Maßnahme<br />

ist sicherlich bei gesunden Hautverhältnissen<br />

nicht obligat. Die Lösungen enthalten Adstringentien,<br />

die die Haut widerstandsfähiger<br />

machen gegenüber der ständigen Applikation<br />

der Klebefläche des Beutels. Eine Enthaarung<br />

der peristomalen Haut ist auf jeden Fall erforderlich.<br />

Für die Beutelversorgung gelten einige<br />

grundsätzliche Hinweise. Im Bereich einer Sigmakolostomie<br />

ist im Regelfall die Anwendung<br />

eines einfachen Klebebeutels ausreichend. Eine<br />

hydrokolloide Basisplatte wird erforderlich bei<br />

peristomalen Hautreizungen. Die integrierten<br />

Beutelsysteme mit schmaler Hydrokolloidbasis<br />

und zusätzlichem Klebering stellen einen<br />

brauchbaren Kompromiss dar. Im Gegensatz zu<br />

den früher verwendeten Karaya-Basisplatten<br />

werden von der Industrie heute fast ausschließlich<br />

hydrokolloide Haftflächen angeboten.<br />

Sie werden zum Wechsel komplett entfernt.<br />

Der Stomaträger selbst sollte aber über dieses<br />

Vorgehen entscheiden, da der jeweils komplette<br />

Wechsel durch die Entfernung der Haftfläche<br />

mit Schmerzen verbunden sein kann. Alternativ<br />

kann ein zweiteiliges System gewählt werden,<br />

bei dem nur der Beutel ausgetauscht wird und<br />

die Basisplatte verbleibt. Dieses System ist an<br />

einer Ileostomie besonders wertvoll. Hier kann<br />

zusätzlich ein Ausstreifbeutel gewählt werden,<br />

wenn der Darminhalt sehr dünnflüssig ist und<br />

der Beutel dementsprechend oft gewechselt<br />

werden muss. Im Bedarfsfall kann die Stuhl-<br />

konsistenz durch Absorbermaterialien im Beutel<br />

verändert werden.<br />

Grundsätzlich sollte die Beutelöffnung<br />

genau auf das Stoma »passen«. Der Operateur<br />

muss sich um eine kreisrunde Eröffnung der<br />

Haut bemühen. Die Beutelunterfläche sollte<br />

als Öffnung eine Fläche freigeben, die keine<br />

größeren Hautareale freilässt, da es hier sonst zu<br />

Hautirritationen durch Darminhalt kommt. Für<br />

das kreisrunde Stoma bieten die Hersteller Beutel<br />

mit Öffnungen in jeder Größe an, so dass es<br />

problemlos möglich ist, einen passenden Beutel<br />

zu verordnen. Es empfiehlt sich, das Stoma mit<br />

einem der zahlreichen Messsysteme exakt zu<br />

vermessen. Der häufigste Versorgungsfehler ist<br />

die Wahl einer zu breiten Hautöffnung. Ovale<br />

Stomaöffnungen müssen in der Regel von Hand<br />

zugeschnitten werden. »Eigenkonstruktionen«<br />

mit dickem Pflasterverband und »Textilbeilage«<br />

sind unnötig und nutzen nicht die Vorteile der<br />

technisch hochentwickelten Produkte mit semipermeablen<br />

Haftflächen und Aktivkohlefilter.<br />

Nützlich sind textilbezogene Beutelrückseiten<br />

oder separate Textilbezüge, die einer Irritation<br />

der Haut durch die Wirkung einer »feuchten<br />

Kammer« vorbeugen. Für die Versorgung eines<br />

»Problemstomas« in unebenen Hautarealen sind<br />

Pasten auf Polypectin- oder Polysaccharidbasis<br />

erhältlich, die Hautfalten ausgleichen können<br />

und so eine glatte Unterfläche schaffen. Sie<br />

verhindern ein vorzeitiges Abheben durch<br />

Stuhlunterspülung der Haftfläche. In seltenen<br />

Fällen kann die Verwendung eines Beutels mit<br />

konvex gewölbter Grundplatte als Ausgleich<br />

einer Hauteinziehung und Stomaretraktion<br />

sinnvoll sein. In der Regel sind »Eigenkonstruktionen«<br />

Maßnahmen des alleingelassenen und<br />

schlecht beratenen Patienten oder das Ergebnis<br />

einer rigide sparsamen Verschreibungspraxis,<br />

obwohl es sich bei Produkten für die Stomaversorgung<br />

um Hilfsmittel handelt, die das<br />

ärztliche Budget nicht belasten.<br />

Maßnahmen<br />

zur Stuhlregulierung<br />

Der Patient mit einem Kolostoma sollte eigene<br />

Erfahrungen sammeln bezüglich der blähenden<br />

171


172<br />

Wirkung der Speisen und der Gesamttrinkmenge.<br />

Ein Ernährungsprotokoll zeigt schnell die<br />

Faktoren in der Nahrung auf, die Störungen<br />

verursachen und dementsprechend vermieden<br />

werden sollten. Für den Patienten mit einem<br />

Ileostoma ergeben sich Möglichkeiten einer<br />

medikamentösen Beeinflussung der Darmtätigkeit<br />

mit peristaltikhemmenden Mitteln.<br />

Die Dosierung sollte sich unter vorsichtiger<br />

Dosissteigerung am Erfolg orientieren.<br />

Irrigation<br />

Nachdem alle Versuche zur Schafffung eines<br />

»kontinenten« Stomas problematisch geblieben<br />

sind (Erlanger Magnetverschluss, glattmuskuläre<br />

Sphinkterersatzplastik, Sakralanus mit dyn.<br />

Grazilisplastik), verbleibt bei geeigneten Patienten<br />

die seit langem propagierte Methode der<br />

Irrigation als eine hervorragende Möglichkeit<br />

zur Erlangung einer »Scheinkontinenz«. Das<br />

Prinzip besteht in einer Spülung des zuführenden<br />

Darmschenkels mit körperwarmem Wasser,<br />

das über ein spezielles System mit konischem<br />

Einfüllstutzen eingebracht wird. Durch die<br />

Form und das Material des Stutzens ist eine<br />

Verletzung des Darmes ausgeschlossen. Voraussetzung<br />

ist ein komplikationslos eingeheiltes<br />

Sigmastoma. Die Spülmenge ist individuell<br />

festzulegen, wobei in der Erprobungsphase<br />

mit 500 – 1500 ml begonnen wird.<br />

Die Irrigation gliedert sich in 4 Phasen:<br />

1. Anspülphase: Etwa 200 ml Leitungs-<br />

wasser werden eingebracht. Hierdurch<br />

wird der Stuhl im terminalen Anteil<br />

aufgeweicht.<br />

2. Einlaufphase: Die nach der Erprobungsphase<br />

festgelegte Gesamtmenge<br />

wird zügig eingebracht, ohne dass dabei<br />

Bauchschmerzen auftreten dürfen. Der<br />

Patient selbst steuert die Geschwindigkeit.<br />

3. Entleerungsphase: Einige Minuten nach<br />

Abschluss der Einlaufphase beginnt<br />

spontan die Entleerung des Darminhalts<br />

und der eingebrachten Spülfüssigkeit.<br />

Stomatherapie 18<br />

4. Nachentleerungsphase: Etwa 1 h lang<br />

kann es noch zu kleineren Entleerungen<br />

kommen. Der Patient trägt darum<br />

noch den situativ verschlossenen Spül-<br />

beutel. Erst nach dieser Zeit erfolgt<br />

die definitive Versorgung mit einer<br />

sogenannten Stomakappe.<br />

Es ist selbstverständlich, dass zur Durchführung<br />

der Irrigation ein industriell gefertigtes Set<br />

verwendet werden sollte. Diese Sets enthalten<br />

zudem eine bebilderte Anleitung.<br />

Stomakomplikationen<br />

Die möglichen Stomakomplikationen lassen<br />

sich in Früh- und Spätkomplikationen einteilen.<br />

Den Frühkomplikatonen liegen in hohem Maße<br />

operationstechnische Fehler zugrunde, die<br />

dementsprechend vermieden oder kurzfristig<br />

korrigiert werden sollten.<br />

Die Fehlposition eines Stomas in Hautfalten,<br />

in der Narbe oder im nicht einsehbaren Bereich<br />

des Abdomens kann durch eine präoperative Planung<br />

sicher vermieden werden. Ödem, Retraktion<br />

oder Nekrose in der postoperativen Phase sind<br />

gelegentlich das Ergebnis unzureichender Mobilisation<br />

des Darmes. Hier ist unter Umständen<br />

die frühzeitige Reintervention erforderlich. Das<br />

gleiche gilt für Infektionen mit nachfolgender<br />

Defektheilung. Die angesprochenen Probleme<br />

können im Rahmen der Sekundärheilung Pflegeprobleme<br />

schaffen, die die Lebensqualität<br />

des Patienten erheblich einschränken. Auch<br />

die Tatsache, dass ein Stoma nur als temporäre<br />

Maßnahme gedacht ist, darf nicht zu Nachlässigkeiten<br />

in der Planung führen.<br />

Stomakomplikationen Tafel 18-1<br />

• Hautirritationen<br />

• Fehlposition<br />

• Stomaretraktion<br />

• Stomastenose<br />

• Stomaprolaps<br />

• parastomale Hernie


18 Stomatherapie<br />

Abb. 18-1 Stomakomplikationen: peristomale<br />

Hernie, tief eingezogener Stomarand<br />

Abb. 18-2 Stomakomplikationen:<br />

Anus praeter-Prolaps<br />

Zu den Spätkomplikationen sind peristomale<br />

Hautprobleme, peristomale Hernien,<br />

Anus praeter-Prolaps sowie die Retraktion<br />

und Stenose des Stomas zu zählen (vgl. Abb.<br />

18 -1 – 18 -3).<br />

Abb. 18-3 Stomakomplikationen: Stenose<br />

und Fehlposition (zu weit kaudal, Stoma für<br />

Patient nicht einsehbar).<br />

Die Hautprobleme sind eine Domäne konservativer<br />

<strong>Therapie</strong>bemühungen. Mitunter gelingt<br />

eine Besserung nur nach ausgiebiger Beratung<br />

und Suche nach dem auslösenden Agens. Stomatherapeuten<br />

kommt hier ihre Erfahrung und<br />

die Kenntnis der unterschiedlichen Pflegesysteme<br />

zugute. Der Wechsel vom Klebebeutel zu<br />

einem System mit Hautschutzplatte gilt als der<br />

erste Schritt zur Besserung einer peristomalen<br />

Dermatitis. Eine offene Salbenbehandlung ist<br />

dem unterlegen, da hier keine sichere Beutelversorgung<br />

möglich ist. Eine Dermatitis, reaktiv<br />

auf die Klebemasse des Pflasters – erkennbar<br />

am Muster auf der Haut -, sollte zum Wechsel<br />

des Präparates führen.<br />

Die übrigen genannten Spätkomplikationen<br />

müssen als Gegenstand chirurgischer Korrekturoperationen<br />

gelten, wenngleich es keine<br />

standardisierten Indikationen zum Reeingriff<br />

gibt. Die Korrekturoperation wird angestrebt,<br />

wenn die pflegerischen Möglichkeiten ausgeschöpft<br />

sind. Dies ist bei der Stenose und der<br />

Retraktion relativ frühzeitig der Fall, weshalb<br />

die Indikation großzügig zu stellen ist. Peristomale<br />

Hernie und Prolaps sind relativ häufige<br />

Ereignisse. Sie zeigen, dass die Fixierung des<br />

ausgeleiteten Darmanteils technisch nur mangelhaft<br />

möglich ist im Vergleich zur normalen<br />

anatomischen Fixierung des Rektums und<br />

Analkanals im knöchernen Becken. Mit einer<br />

gewissen Häufigkeit dieser Komplikationen<br />

muss trotz sorgfältiger Technik also gerechnet<br />

werden. Etwa 40 % der Stomaträger erleiden<br />

173


174<br />

im Laufe der Zeit diese »stomaimmanenten«<br />

Komplikationen. Nach der Korrekturoperation<br />

ist die Gefahr des Rezidivs nicht unerheblich,<br />

was insbesondere im Fall der Hernie die Indikation<br />

zur Korrektur mitbeeinflusst.<br />

Die Beseitigung des Prolapses kann frühzeitig<br />

durchgeführt werden, zumal diese Korrektur<br />

nicht selten ohne großen operativen Aufwand<br />

und ohne Gefährdung des Patienten möglich<br />

ist. In der Behandlung der kleinen peristomalen<br />

Hernie kann zunächst eine Leibbinde nützlich<br />

sein. Empfehlenswert ist eine geschlossene<br />

Binde in Kombination mit einer regelmäßigen<br />

Irrigation, sofern diese noch möglich ist. Die<br />

Binde mit Öffnung für den Stomabeutel kann<br />

durch den verstärkten Rand der Öffnung sogar<br />

nachteilig für die Prolapsentwicklung sein,<br />

da der Rand als zusätzliches Hypomochlion<br />

für den herausdrängenden Darm wirkt. Die<br />

operative Korrektur der peristomalen oder<br />

parastomalen Hernie muss die hohe Rezidivquote<br />

dieses Eingriffs mit berücksichtigen. In<br />

Einzelfällen sind im Laufe der Krankheitsgeschichte<br />

mehrere Korrekturen erforderlich.<br />

Durch die Narbenverhältnisse gestalten sich<br />

die Eingriffe von Mal zu Mal schwieriger,<br />

so dass nicht selten eine Transposition des<br />

Stomas zur Gegenseite erforderlich wird. Die<br />

Indikation zur Hernienkorrektur ergibt sich<br />

dann, wenn das Stoma nicht mehr adäquat<br />

versorgt werden kann.<br />

Der Verlust der Irrigationsmöglichkeit<br />

kann ebenfalls, insbesondere bei Patienten<br />

mit einem Stoma aus benigner Indikation und<br />

mit uneingeschränkter Lebenserwartung, als<br />

Indikation zum Korrektureingriff gelten.<br />

Stomatherapie 18<br />

Zusammenfassung: Die Anlage eines Stomas<br />

kann auf Grund benigner oder maligner<br />

Leiden notwendig werden. Sie ist immer<br />

verbunden mit dem Verlust der Kontinenz.<br />

Es werden je nach Anlage das Kolostoma,<br />

das Ileostoma und das Urostoma unterschieden.<br />

Bei dünnflüssigen Ausscheidungen<br />

muss das Stoma zur Vermeidung<br />

peristomaler Hautirritationen prominent<br />

angelegt werden. Bei korrekt angelegtem<br />

Stoma ist heute durch moderne Vorsorgungssysteme<br />

eine geruchs-, flüssigkeits-<br />

und gasdichte Versorgung möglich. Durch<br />

stuhlregulierende Maßnahmen und/oder<br />

durch Irrigation kann die Versorgung weiter<br />

optimiert werden. Stomakomplikationen<br />

in der Frühphase nach Anlage sind meist<br />

operationstechnisch bedingt. Spätkomplikationen<br />

wie Stomaprolaps oder parastomale<br />

Hernien sind oft auch bei optimaler Technik<br />

nicht vermeidbar, so dass Korrektureingriffe<br />

nötig werden.


175


176<br />

Lehrbücher der<br />

Koloproktologie und<br />

Monographien zu<br />

Einzelproblemen<br />

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Lehrbuch der Proktologie.<br />

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Disorders. Springer, Berlin, Heidelberg,<br />

New York, 1993<br />

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DÄV, Köln, 1990<br />

Buhr, H.J., Runkel, N. (Hrsg.): Operationskurs<br />

Kolorektales Karzinom. J.A. Barth,<br />

Heidelberg, Leipzig, 1998<br />

Brühl, W., Wienert, V., Herold, A.:<br />

Aktuelle Proktologie. UNI-MED, Bremen,<br />

2. Aufl. 2005<br />

Caspary, W.F., Stein, J. (Hrsg.): Darmkrankheiten.<br />

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Gastroenterologische Endoskopie. Thieme,<br />

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der Wissenschaftlichen Medizinischen<br />

Fachgesellschaften unter http:<br />

//www.awmf-online.de<br />

Leitlinien der Deutschen<br />

Gesellschaft für Verdauungs- und<br />

Stoffwechselkrankheiten unter http:<br />

//www.dgvs.de/leitlinien.htm<br />

177


178<br />

Sachwortregister<br />

Adenokarzinom 134, 137, 138,<br />

139, 144, 148ff<br />

Adenom 129, 144ff, 149, 151, 155<br />

Adenom-Karzinom-Sequenz 25,<br />

129, 143, 145, 148<br />

AIDS 44, 164<br />

Akne inversa 23, 66, 76, 77<br />

Allergisches Kontaktekzem 79, 80, 81<br />

Ampulla recti 6, 11, 84, 94<br />

Amsterdam-Kriterien 151<br />

Analabszess<br />

Klassifikation 64<br />

<strong>Therapie</strong> 67<br />

Anale intraepitheliale Neoplasie<br />

144, 145, 151<br />

Analekzem<br />

endogen 79, 80, 81<br />

irritativ-toxisch 20, 79, 80<br />

Kontaktekzem 80, 81<br />

Analekzem 42, 80, 81<br />

Analfibrom 23, 25, 110, 129<br />

Analfissur<br />

akute 56<br />

chronische 56, 61<br />

medikamentöse <strong>Therapie</strong> 58ff<br />

operative <strong>Therapie</strong> 60<br />

Pathogenese 56<br />

Analfissur 19, 23, 41, 56ff, 162<br />

Analfistel<br />

Exzision 69<br />

Fadendrainage 69<br />

intersphinktär 65<br />

Klassifikation 64<br />

M. Crohn 162<br />

plastischer Verschluss 162<br />

suprasphinktär 65<br />

<strong>Therapie</strong> 68<br />

transsphinktär 65<br />

Analfistel 22, 33, 42, 64ff, 162<br />

Analkanalkarzinom 135, 137ff<br />

Analkarzinom<br />

Analkanalkarzinom 137<br />

Analrandkarzinom 135, 136,<br />

Klassifikation 135<br />

Analkarzinom 42, 53, 58, 62,<br />

66, 128, 135ff<br />

Analpapille 57<br />

Analpolyp 129<br />

Analprolaps 39, 42, 48, 84, 85,<br />

89, 90, 94, 109<br />

Analrandkarzinom 135ff<br />

Analtumor 54<br />

Analtumor, benigne 129<br />

Analvenenthrombose 52ff<br />

Anatomie<br />

Analkanal 6<br />

Beckenboden 6<br />

Gefäßversorgung 8<br />

Innervation 8<br />

Proktodealdrüse 64<br />

Sphinkterapparat 6<br />

Anismus 29, 31, 119, 120, 121<br />

Anoderm 6, 7, 8, 11, 13, 45, 46, 47, 48,<br />

84, 85, 100, 101, 109, 129<br />

anorektaler Winkel 6, 12, 13, 88,<br />

93, 100, 113<br />

Anus praeter 173<br />

Artificial bowel sphincter 106, 111, 112<br />

Ballaststoffe 119, 120, 121, 122, 124<br />

Basalzellkarzinom 135, 140<br />

Benigne Tumoren<br />

Adenom 144ff<br />

Benigne Tumoren 129<br />

Biofeedback 105, 107, 108, 121, 122<br />

Blutung, peranale 19, 25, 137, 149<br />

Botulinumtoxin 55, 60<br />

Bowenoide Papulose 127, 131, 132<br />

Buschke-Löwenstein-Tumor 129<br />

Carcinoma in situ 138, 147<br />

Colitis ulcerosa 151, 158ff<br />

Colon irritabile 123ff<br />

Condylomata acuminata 24, 129ff<br />

Corpus cavernosum recti 7, 8, 12, 13, 36ff<br />

Defäkation 13, 21, 52, 118, 119, 123<br />

Defäkographie 17, 33, 85, 89, 120, 122<br />

Dermatosen 42, 79, 81<br />

Dermoidzyste 72, 73, 74<br />

Deszensus perinei 83, 87<br />

Diarrhoe 21, 25, 57, 100, 101, 106,<br />

109, 118, 122ff, 165<br />

Diversionskolitis 157, 158, 165<br />

Divertikulitis<br />

Hinchey-Klassifikation 167<br />

Klassifikation 167<br />

Operation 167


Stadieneinteilung 168<br />

Divertikulose 122, 157, 165ff<br />

Dynamische Grazilisplastik 111<br />

Ekzem<br />

atopisch 20<br />

endogen 79, 80<br />

Endoskopie 29, 32, 86, 90, 123<br />

Endosonographie<br />

anale 26<br />

bei Abszess 27<br />

rektale 26<br />

Endosonographie 26ff, 104, 136,<br />

137, 139, 140, 152, 154<br />

Erythrasma 81<br />

Fadendrainage 63, 68, 69, 70, 160, 162, 163<br />

Familiäre adenomatöse Polypose<br />

(FAP) 149, 151<br />

Feigwarzen 129, 130, 131<br />

Ferguson-Plastik 109, 110<br />

Fissur, anal 19, 23, 41, 42, 56ff, 136,<br />

138, 162, 163<br />

Fistel, anal 26, 27, 30, 64ff, 80,<br />

138, 162, 163<br />

Fisteldarstellung, radiologisch 33<br />

Funktionsproktoskopie 24, 88<br />

Geburtstrauma 100, 102, 110<br />

Gonorrhoe 130, 164<br />

Goodsall-Regel 65<br />

Gummibandligatur 35, 43, 44, 50<br />

Haarnestgrübchen 72<br />

Hämorrhoiden<br />

Basistherapie 42<br />

Gummibandligatur 43f<br />

Hämorrhoidalprolaps 48<br />

Klassifikation 35, 38<br />

Operation nach Fansler-Arnold<br />

45, 46, 47, 49<br />

Operation nach Longo 45, 46<br />

Operation nach Milligan-Morgan<br />

45, 46, 48<br />

Pathophysiologie 37<br />

Sklerosierung 43, 44, 49,<br />

Hämorrhoiden 7, 12, 23, 24, 36ff, 58,<br />

59, 84, 85, 89, 101, 136, 138<br />

Hautanhangsgebilde 7, 137<br />

Hidradenitis suppurativa 76<br />

HIV-Infektion 130, 131, 136, 139<br />

HNPCC 149, 151, 156<br />

HP-Viren 129, 131, 132, 133<br />

Hufeisenfistel 27<br />

Hypertrophe Analpapille 57, 61, 84, 129<br />

Inkontinenz anale<br />

Artifical bowel sphinkter 106,<br />

111, 112, 116<br />

Biofeedback 105, 107, 108, 109,121, 122<br />

Dynamische Grazilisplastik 106, 111f<br />

Einteilung 102, 103<br />

Elektrostimulation 107<br />

Endosonographie 104, 105<br />

Klassifikation 100, 101, 102<br />

Manometrie 104, 105<br />

neurologische Untersuchung 105<br />

Postanal Repair 106, 112ff<br />

Sakralnervenstimulation 99, 106, 110<br />

Scores 103, 115, 116<br />

Sphinkterrekonstruktion 99, 106,<br />

110, 111, 115<br />

Stomaanlage 99, 106, 114<br />

<strong>Therapie</strong> 99, 105<br />

Inkontinenz anale 3, 10, 12ff, 29ff, 69,<br />

80, 89, 92ff, 100ff, 137, 139, 162<br />

Innervation<br />

Analsphinkter 11<br />

Beckenboden 8<br />

Inspektion 17, 22, 23, 24, 25, 38, 52,<br />

57, 66, 88, 89, 93<br />

Invagination 85, 86, 87, 88, 92, 93, 94, 97<br />

Juckreiz 19, 20, 40, 41, 42, 50, 57, 80,<br />

102, 130, 131, 132, 133, 137, 139<br />

Juveniler Polyp 144<br />

Karzinom kolorektales<br />

low-risk 147, 148, 152, 153, 154, 156<br />

Nachsorge 155<br />

Operation 153<br />

Prävention 149<br />

<strong>Therapie</strong> 152, 153, 154<br />

Karzinom kolorektales 18, 41, 42,<br />

145, 148ff<br />

Kneifdruck 28, 29<br />

Knie-Ellenbogen-Lage 22<br />

Kolitis 158ff, 164, 165<br />

Kolondoppelkontrast 88, 166, 167<br />

Kolorektale Funktionsstörung<br />

Anismus 119<br />

Diarrhoe 122<br />

Morbus Hirschsprung 119, 121<br />

Obstipation 118<br />

outlet obstruktion 120<br />

179


180<br />

Reizdarmsyndrom 125<br />

Transitzeit 120, 121, 122<br />

Kolorektale Funktionsstörung 3, 118ff<br />

Koloskopie<br />

Indikation 25<br />

interventionelle 32<br />

Perforation 26<br />

Koloskopie 17, 18, 25, 26, 32, 33,<br />

94, 137, 146ff, 155, 168<br />

Kondylome 24, 130, 131<br />

Kontaktallergie 20<br />

Kontaktekzem, allergisches 81<br />

Kontinenzorgan 6ff, 36, 49, 99, 100,<br />

102, 105, 106, 109, 140<br />

Kontinenzstörung 9, 10, 12, 13, 20, 40,<br />

41, 47, 61, 65, 101<br />

Krypten 56, 64<br />

Kryptitis 56, 61<br />

Laterale Sphinkterotomie 55, 60, 62<br />

Laxantien 120, 122<br />

Lentigo-maligna-Melanom 140<br />

Levator ani 6, 12<br />

Levatorenplastik 95, 113ff<br />

Ligaturbehandlung 44<br />

Linea dentata 6, 8, 12, 23, 24, 36, 46,<br />

57, 61, 64, 65, 84, 85, 87, 89, 129,<br />

130, 137, 138, 139, 140<br />

Linksseitenlage 22, 59<br />

Lues 130, 131, 164<br />

Manometrie 17, 27, 28, 29, 104, 105, 152<br />

Mariske 54, 57, 160, 163<br />

Melanom anorektales 128, 139<br />

Morbus Bowen 81, 127, 132ff<br />

Morbus Crohn<br />

Abszess 162<br />

anal 160ff<br />

anales Ulkus 137<br />

Fistel 64, 70, 77, 160, 163<br />

operative <strong>Therapie</strong> 162, 163<br />

Morbus Crohn 23, 56, 62, 64, 70,<br />

77, 100, 101, 135, 137, 145, 151, 158ff<br />

Morbus Hirschsprung 11, 119<br />

Morbus Paget 127, 133, 134, 135<br />

Mukosaprolaps 83, 85<br />

Nadelelektromyographie 29, 30, 31, 32<br />

Nässen 20, 21, 40, 50, 57, 80, 130, 132<br />

Neoplasie, intraepithelial 144, 145, 151<br />

Neuropathie, diabetische 100<br />

Obstipation 118ff<br />

Outlet-Obstipation 89, 102, 119, 120<br />

Oxyuren 20<br />

Palpation 17, 22, 23, 25, 38, 66, 88,<br />

103, 137, 140<br />

Papillomviren 129, 131, 132, 133<br />

Passagezeit 120, 165<br />

Perianalvenenthrombose 42, 140, 141<br />

Pfählung 102<br />

Pilonidalsinus 3, 66, 72ff<br />

Pilonidalzyste 72<br />

Plattenepithelkarzinom 73, 77, 130,<br />

135, 137, 138<br />

PNTML 30, 32, 104<br />

Podophyllin 130<br />

Polypen, kolorektale<br />

Klassifikation 144<br />

Nachsorge 148<br />

<strong>Therapie</strong> 146<br />

Postanal repair 96, 106, 112ff<br />

Präkanzerosen 127, 132, 138<br />

Proktalgia fugax 19<br />

Proktitis 100, 159<br />

Proktodealdrüse 64<br />

Proktoskopie 17, 19, 24, 62, 73, 76,<br />

93, 104, 130<br />

Prolaps, anorektal<br />

Deszensus perinei 87<br />

Mukosaprolaps 85<br />

Nomenklatur 84<br />

Rektumvorderwandprolaps 84, 85, 86<br />

Schleimhautprolaps 84, 85, 89<br />

STARR-Operation 89<br />

Prolaps, anorektal 84ff<br />

Pruritus ani 17, 19, 57<br />

Psoriasis 20, 80, 134<br />

Puborektalisschlinge 23, 26, 65, 84<br />

Rehn-Delorme-Operation 95, 97<br />

Reizdarmsyndrom 118, 123ff<br />

Rektoskopie 17, 19, 24, 25, 123, 130,<br />

152,155<br />

Rektozele 21, 23, 83, 84, 87, 89,<br />

105, 118, 119<br />

Rektumamputation 32<br />

Rektumkarzinom 23, 27, 28, 32, 33, 66,<br />

133, 134, 139, 143, 147, 152ff<br />

Rektumprolaps<br />

Ätiopathogenese 92<br />

Klassifikation 93<br />

Operation nach Altemeier 95, 97


Operation nach Frykman-Goldberg 96<br />

Operation nach Rehn-Delorme 95, 97<br />

Operation nach Sudeck 96<br />

Rektumprolaps 3, 13, 19, 21, 23, 24,<br />

42, 84ff, 100, 103, 109, 115, 118<br />

Rektumtumor 26, 32, 152, 153<br />

Rektumulkus 119<br />

Reservoirstörung 100, 102<br />

Rhagade 81, 161<br />

Ruhedruck 28, 29, 104<br />

Schlüssellochdeformität 61, 62<br />

Schmerzen, anal 17, 19<br />

Sigma 88, 94, 97, 148, 165, 166<br />

Sinus pilonidalis 72<br />

Sitzbad 54<br />

Sklerosierung<br />

Kontraindikation 44<br />

nach Blanchard 43<br />

nach Blond 43<br />

Sklerosierung 43, 44, 49, 58<br />

Sonographie<br />

endoanale 27<br />

endorektale 104<br />

Sphincter ani 6ff, 11ff, 26, 56, 59,<br />

60, 61, 65, 92, 113<br />

Sphinkterdefekt 30, 103, 113<br />

Sphinkterdruckmessung 12<br />

Sphinkterotomie, laterale 55, 60<br />

Sphinkterrekonstruktion 99, 106, 110ff, 115<br />

Stapler-Operation 36, 39, 45ff<br />

Steinschnittlage 22<br />

Stomaanlage 99, 106, 114, 122,<br />

163, 169, 170<br />

Stomakomplikation 169, 172ff<br />

Stomaversorgung 169, 171<br />

Stuhldrang 11, 21, 40, 41, 87, 103, 109<br />

Stuhlfrequenz 21, 118, 124, 159<br />

Stuhlkonsistenz 14, 56, 58, 103,<br />

106, 118, 171<br />

Stuhlschmieren 14<br />

Superkontinenz 102<br />

Thrombose perianal 19, 22, 39, 52ff, 58<br />

TNM-Klassifikation 149, 150, 156<br />

Transitzeit 17, 33, 118ff<br />

Tumoren, benigne 129<br />

Überlaufinkontinenz 29<br />

Ulcus simplex recti 19, 24, 87, 122<br />

Untersuchungsposition 22<br />

Verletzung, geburtstraumatisch 113<br />

Verödung 43ff<br />

verruköses Karzinom 129<br />

Virchow‘sche Trias 52<br />

virtuelle Koloskopie 32, 168<br />

Virusinduzierte Tumore 129<br />

Whitehead-Anus 100, 109, 110<br />

Wien-Klassifikation, modifizierte 145<br />

181


182<br />

DR. KADE PHARMAZEUTISCHE FABRIK GMBH, Berlin/ Konstanz.<br />

Posterisan ® corte Salbe, Salbe, Salbe mit Analdehner.<br />

Posterisan ® corte Zäpfchen, Zäpfchen. Wirkstoff: Hydrocortisonacetat.<br />

Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: 1 g<br />

Posterisan corte Salbe enthält 3,3 mg Hydrocortisonacetat als<br />

arzneilich wirksamen Bestandteil. Sonstige Bestandteile: Phenoxyethanol,<br />

gereinigtes Wasser, gelbes Vaselin und Wollwachs<br />

(enth. Butylhydroxytoluol). 1 Posterisan corte Zäpfchen enthält<br />

3,3 mg Hydrocortisonacetat als arzneilich wirksamen Bestandteil.<br />

Sonstige Bestandteile: Hartfett, mittelkettige Triglyceride. Anwendungsgebiete:<br />

Salbe: akutes, juckendes, gerötetes Analekzem.<br />

Zäpfchen: Juckreiz und Entzündungen im Analbereich bei Hämorrhoidalleiden,<br />

Analfissuren und Ekzemen. Gegenanzeigen: Keine<br />

Anwendung bei: Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil des<br />

Arzneimittels, spezifischen Hautprozessen (z. B. Tuberkulose, Lues,<br />

Gonorrhoe) im Behandlungsbereich, Varizellen und Vakzinationsreaktionen,<br />

bakteriellen Hautinfektionen und Mykosen, perioraler<br />

Dermatitis und Rosacea. Bei länger dauernder Anwendung in<br />

hoher Dosierung auf eine mögliche systemische Wirkung achten.<br />

Keine Anwendung bei Säuglingen. Anwendung bei Kindern unter<br />

12 Jahren nur unter strenger ärztlicher Aufsicht. Nebenwirkungen:<br />

Häufig: allergische Hautreaktionen (allergische Follikulitiden,<br />

Lokalreaktion, Blutung, Brennen, Juckreiz, Trockenheit, Spannung<br />

im Analbereich). Selten: bei länger dauernder Anwendung Hautatrophien,<br />

Steroidakne, Teleangiektasien, Striae.<br />

Darreichungsformen und Packungsgrößen: OP mit 25 g Salbe<br />

(N1), OP mit 50 g Salbe (N2), OP mit 100 g Salbe (N3), OP 25 g<br />

Salbe mit Analdehner (N1), OP mit 10 Zäpfchen (N1), OP mit 20<br />

Zäpfchen (N2). Stand: Juni 2005<br />

DR. KADE PHARMAZEUTISCHE FABRIK GMBH, Berlin/Konstanz,<br />

DoloPosterine ® N Salbe, Creme, Creme in Einmaltuben,<br />

Creme mit Analdehner, DoloPosterine ® N Zäpfchen, Zäpfchen,<br />

Zäpfchen mit Mulleinlage (Haemotamp), DoloPosterine ® N<br />

Kombi-Packung, Salbe und Zäpfchen. Wirkstoff: Cinchocainhydrochlorid.<br />

Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: 1 g<br />

DoloPosterine N Salbe enthält 5,0 mg Cinchocainhydrochlorid<br />

als arzneilich wirksamen Bestandteil. Sonstige Bestandteile:<br />

Aluminiumstearat, Butylhydroxytoluol, Cetylstearylalkohol,<br />

Citronensäure-Monohydrat, Glycerolmonostearat, Isopropylmyristat,<br />

Magnesiumstearat, Palmitoylascorbinsäure, Parfümöl<br />

Kamille PH, Pentaerythritoldicocosfettsäureester, Propylenglycol,<br />

hochdisperses Siliciumdioxid, methyliert, weißes Vaselin (enth.<br />

α-Tocopherol), gereinigtes Wasser. 1 DoloPosterine N Zäpfchen<br />

bzw. 1 DoloPosterine N Zäpfchen mit Mulleinlage (Haemotamp)<br />

enthält 6,0 mg Cinchocainhydrochlorid als arzneilich wirksamen<br />

Bestandteil. Sonstige Bestandteile: Butylhydroxytoluol, Citronensäure-Monohydrat,<br />

Geruchsstoffe, Glycerolmonostearat, Hartfett,<br />

Palmitoylascorbinsäure, Propylenglycol, mittelkettige Triglyceride.<br />

DoloPosterine N Kombi-Packung: Zusammensetzung s. DoloPosterine<br />

N Salbe und DoloPosterine N Zäpfchen. Anwendungsgebiete:<br />

Creme: zur symptomatischen Linderung von akuten<br />

Schmerzen im Analbereich. Zäpfchen: Juckreiz und Schmerzen im<br />

Analbereich bei Hämorrhoidalleiden. Kombi-Packung: Juckreiz und<br />

Schmerzen im Analbereich bei Hämorrhoidalleiden, Analfissuren<br />

und Rhagaden sowie Ekzemen. Gegenanzeigen: Keine Anwendung<br />

bei Überempfindlichkeit gegen Cinchocainhydrochlorid oder<br />

einen anderen Bestandteil des Arzneimittels und Kindern unter<br />

12 Jahren. Gleichzeitige Anwendung anderer Lokalanästhetika<br />

sollte vermieden werden. Nebenwirkungen: Häufig: lokale Überempfindlichkeitsreaktionen<br />

im Afterbereich (Jucken, Brennen, Rötung,<br />

Bläschenbildung). Sehr selten: generalisiertes Kontaktekzem<br />

(Rötung, Bläschenbildung mit Ausbreitung).<br />

Darreichungsformen und Packungsgrößen: OP mit 25 g Creme<br />

(N1), OP mit 50 g Creme (N2), OP mit 100 g Creme (N3), OP mit<br />

10 x 2,5 g Creme in Einmaltuben (N1), OP mit 25 g Creme mit<br />

Analdehner (N1), OP mit 10 Zäpfchen (N1), OP mit 20 Zäpfchen<br />

(N2), OP mit 10 Zäpfchen mit Mulleinlage (Haemotamp) (N1),<br />

Kombi-Packung (N1) mit 25 g Salbe und 10 Zäpfchen.<br />

Stand: Juli 2005


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />

Pharmazeutische Fabrik GmbH<br />

Rigistraße 2<br />

12277 Berlin<br />

Telefon: 030 / 72 08 2-0<br />

Telefax: 030 / 72 08 2-200<br />

Internet: www.kade.de<br />

E-Mail: info@kade.de<br />

Autoren:<br />

<strong>Dr</strong>. med. Franz Raulf<br />

Chefarzt Chirurgie II / Koloproktologie<br />

Raphaelsklinik Münster<br />

Loerstraße 23<br />

48143 Münster<br />

E-Mail: franz.raulf@t-online.de<br />

<strong>Dr</strong>. med. Gerd W. Kolbert<br />

Facharzt für Chirurgie - Koloproktologie<br />

edh · End- und Dickdarmzentrum Hannover<br />

Mendelssohnstraße 26<br />

30173 Hannover<br />

Internet: www.ed-hannover.de<br />

E-Mail: info@ed-hannover.de<br />

Grafisches Konzept und Realisierung:<br />

Peix Pharma, Berlin<br />

Internet: www.peix.de<br />

E-Mail: info@peix.de<br />

© <strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong> Pharmazeutische Fabrik GmbH


<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />

Pharmazeutische Fabrik GmbH<br />

Rigistraße 2, 12277 Berlin<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong>:<br />

Führender Hersteller<br />

von Verordnungsproktologika<br />

Für das Kassenrezept:<br />

DoloPosterine ® N<br />

Posterisan ® corte<br />

Für das grüne Rezept:<br />

Posterisan ®<br />

Posterisan akut ®<br />

Posterine ®

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