Therapie - Dr. Kade
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PRAXISHANDBUCH<br />
KOLOPROKTOLOGIE<br />
Franz Raulf<br />
Gerd W. Kolbert<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />
Pharmazeutische Fabrik GmbH, Berlin
PRAXISHANDBUCH<br />
KOLOPROKTOLOGIE<br />
Franz Raulf<br />
Gerd W. Kolbert<br />
Tab.: 14-1<br />
Ein Service von <strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />
für Studium und Fortbildung
Vorwort<br />
Die erste Auflage dieses Praxishandbuchs ist bereits vor 15 Jahren erschienen.<br />
Da sich auf dem Gebiet der Koloproktologie inzwischen zahlreiche Neuerungen<br />
ergeben haben, wurde jetzt eine Überarbeitung erforderlich. Vor 15<br />
Jahren war beispielsweise der Erfolg des Staplerverfahrens zur Behandlung<br />
des Hämorrhoidalleidens noch nicht absehbar. In der Behandlung der<br />
chronischen Analfissur hat sich zwischenzeitlich durch die Einführung der<br />
Nitrosalbe und anderer Substanzen zur intraanalen <strong>Dr</strong>ucksenkung eine vermeintliche<br />
Änderung in Richtung auf ein konservatives Vorgehen ergeben,<br />
das andererseits aber die operativen Maßnahmen bisher nicht überflüssig<br />
macht. Die minimal-invasiven Operationstechniken am Kolorektum wurden<br />
fortentwickelt. Die Klassifizierung der kolorektalen Adenome wurde durch<br />
die Wien-Klassifikation so geändert, dass die Bewertung der Befunde unter<br />
Kollegen unterschiedlicher Fachrichtungen vereinheitlicht und verbessert<br />
wurde. Zwischenzeitlich wurde in Deutschland die Vorsorgekoloskopie für<br />
gesetzlich versicherte Patienten eingeführt. Alle diese Änderungen sind im<br />
proktologischen Alltag spürbar und erfordern somit eine Darstellung in dieser<br />
Neufassung des Praxishandbuchs.<br />
Das Buch wendet sich weiterhin an Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen,<br />
da die Koloproktologie in Deutschland interdisziplinär aufgestellt ist. Die<br />
neu geschaffene Zusatz-Qualifikation »Proktologie« wird unserer Disziplin<br />
in den kommenden Jahren Auftrieb geben. Eine fundierte Ausbildung der<br />
Ärzte kommt den betroffenen Patienten zugute. Der Schwerpunkt dieses Praxishandbuchs<br />
liegt aber weiterhin auf der chirurgischen Betrachtungsweise<br />
des Gebiets der Koloproktologie.<br />
Der Umfang des Buches hat durch die Darstellung der diagnostischen<br />
und therapeutischen Innovationen zugenommen. Durch die geänderte Ausstattung<br />
soll der Nutzen als Praxishandbuch noch besser zum Tragen kommen.<br />
Wir danken der Firma <strong>Dr</strong>. KADE für die Möglichkeit einer Neuauflage.<br />
Dieses verdient unsere besondere Wertschätzung, da <strong>Dr</strong>. KADE hierdurch<br />
einen nützlichen Service für die Fortbildung der koloproktologisch tätigen<br />
Kollegen leistet.<br />
Münster/Hannover im März 2006<br />
Franz Raulf<br />
Gerd W. Kolbert
Allgemeiner Teil<br />
Spezieller Teil<br />
Inhalt<br />
1. Anatomie des Anorektums 5<br />
2. Physiologie des Anorektums 9<br />
3. Koloproktologische Diagnostik 17<br />
4. Hämorrhoidalleiden 35<br />
5. Analvenenthrombose 51<br />
6. Analfissur 55<br />
7. Analabszess/Analfistel 63<br />
8. Pilonidalsinus 71<br />
9. Akne inversa 75<br />
10. Analekzem 79<br />
11. Anorektale Prolapsformen 83<br />
12. Rektumprolaps 91<br />
13. Anale Inkontinenz 99<br />
14. Kolorektale Funktionsstörungen 117<br />
15. Anale und perianale Neoplasien 127<br />
16. Tumoren des Kolorektums 143<br />
17. Entzündliche Darmerkrankungen 157<br />
18. Stomatherapie 169<br />
18. Anhang 176<br />
3
1 Anatomie des Anorektums<br />
1 Anatomie des Anorektums<br />
Muskuläre Anteile des Kontinenzorgans 6<br />
Epitheliale Anteile des Kontinenzorgans 6<br />
Subepitheliale Anteile des Kontinenzorgans 7<br />
Nervale Anteile des Kontinenzorgans 8<br />
5
6<br />
Vorbemerkung: Die anatomischen Strukturen<br />
des Anorektums werden verständlich vor dem<br />
Hintergrund der physiologischen Aufgabe, die<br />
es mit der Aufrechterhaltung der Kontinenz zu<br />
leisten hat. Dabei sind für die Haltefunktion<br />
insbesondere die folgenden anatomischen<br />
Bestandteile des insgesamt als Kontinenzorgan<br />
bezeichneten Bereichs verantwortlich<br />
(vgl. Abb. 1-1).<br />
1. Muskuläre Bestandteile des Kontinenzorgans<br />
M. sphincter ani internus<br />
M. sphincter ani externus<br />
M. puborectalis<br />
2. Epithelialer Anteil des Kontinenzorgans<br />
Anoderm<br />
Übergangsepithel<br />
3. Subepithelialer Anteil des Kontinenzorgans<br />
Plicae transversales<br />
Corpus cavernosum recti =<br />
Plexus haemorrhoidalis internus<br />
4. Nervale Anteile des Kontinenzorgans<br />
somatisch: Äste aus dem Plexus pudendus<br />
autonom: intramurale Dehnungsrezeptoren<br />
Entwicklungsgeschichtlich stoßen im Analkanal<br />
Ektoderm und Entoderm zusammen. Der<br />
sogenannte anatomische Analkanal wird dabei<br />
vom Ektoderm gebildet. Er endet in Höhe der<br />
Linea dentata. Diese Linea dentata ist aufgrund<br />
der Einziehungen der Kryptenlinie makroskopisch<br />
leicht zu erkennen und in ihrer anatomischen<br />
Höhe sicher festzulegen. Der chirurgische<br />
Analkanal umfasst auch den proximal dieses<br />
Bereichs gelegenen Anteil, bis in die Höhe des<br />
anorektalen Ringes. Dort erweitert sich der<br />
Canalis analis zur Ampulla recti.<br />
Muskuläre Anteile<br />
des Kontinenzorgans<br />
Die muskulären Anteile des Kontinenzorgans<br />
umgreifen den Analkanal in einer Weise,<br />
die man sich am ehesten als ineinander gesteckte<br />
Hohlzylinder vorstellen kann. Die<br />
innere Schicht dieser Hohlzylinder stellt der<br />
Anatomie des Anorektums 1<br />
M. sphincter ani internus dar, der als Fortsetzung<br />
der Ringmuskulatur des Rektums zu<br />
sehen ist. Es handelt sich hierbei um einen<br />
glatten Muskel, der zu einer ökonomischen<br />
Haltefähigkeit im Sinne einer Dauerkontraktion<br />
fähig ist und den Analkanal in Ruhe geschlossen<br />
hält.<br />
Um diese Ringmuskelschicht des M. sphincter<br />
ani internus herum liegt im unteren Anteil<br />
des Analkanals der quergestreifte M. sphincter<br />
ani externus. Ähnlich der quergestreiften<br />
Skelettmuskulatur ist er zu einer kurzzeitigen<br />
Maximalkontraktion im Sinne einer willkürlichen<br />
Aktion fähig. Er kann den Analkanal<br />
unter Funktionsbedingungen aktiv kraftvoll<br />
verschließen, wobei er sich nach kurzer Zeit<br />
erschöpft.<br />
Nach proximal schließt sich der ebenfalls<br />
quergestreifte M. puborectalis an, der entwicklungsgeschichtlich<br />
dem untersten Teil des M.<br />
Levator ani entspricht. Er bildet mit den drei<br />
Anteilen M. iliococcygeus, M. pubococcygeus<br />
und dem M. puborectalis die Levatorenplatte,<br />
die ihrerseits den muskulären Abschnitt des<br />
Beckenbodens darstellt. Der M. puborectalis<br />
ist die entscheidende <strong>Dr</strong>uckbarriere der<br />
Grobkontinenz. Er umgreift das Rektum von<br />
dorsal her in Form einer Schlinge, wobei er<br />
die ventralen Anteile ausspart und nach vorne<br />
in breiten, sehnigen Ansätzen zum Os pubis<br />
zieht. Eine Kontraktion dieses quergestreiften<br />
Muskels führt zu einem queren Verschluss des<br />
oberen Analkanals durch Ventralisation der<br />
Hinterwand des unteren Rektums im Sinne<br />
eines Quetschverschlusses. Der M. puborectalis<br />
zieht dabei die Rektumhinterwand unter die<br />
Vorderwand und verkleinert hierdurch den<br />
sogenannten anorektalen Winkel.<br />
Epitheliale Anteile<br />
des Kontinenzorgans<br />
Die epitheliale Auskleidung des Analkanals<br />
besteht in einer <strong>Dr</strong>eiteilung, wobei insbesondere<br />
das Epithel des distalen Anteils, also des anatomischen<br />
Analkanals, für die Kontinenzfunktion<br />
bedeutsam ist. Hier liegt das trockene, nicht<br />
verhornende Plattenepithel des Anoderms, das
1 Anatomie des Anorektums<br />
Plica transversalis recti superior<br />
Plica transversalis recti media (Kohlrausch)<br />
Ampulla recti<br />
Columna analis<br />
Sinus analis (Morgagnische Krypte)<br />
Linea dentata<br />
Intersphinktärer Spalt<br />
Fascia perinei transversalis<br />
Ausführungsgang der Proktodealdrüse<br />
Faserbündel des M. canalis ani<br />
Plexus haemorrhoidalis externus<br />
Linea anocutanea (Hilton)<br />
aufgrund seiner intensiven Versorgung mit<br />
sensiblen Nervenendigungen in der Lage ist,<br />
unterschiedliche Stuhlqualitäten wahrzunehmen.<br />
Oberhalb der Dentatalinie, im aus dem<br />
Entoderm stammenden Anteil des chirurgischen<br />
Analkanals, befindet sich eine Mukosa, die in<br />
ihrem Aufbau der Mukosa des Rektums ähnlich<br />
ist. Zwischen beiden Bereichen findet sich eine<br />
individuell unterschiedlich breit ausgebildete<br />
Zone des sogenannten Übergangsepithels<br />
(Transitionalzellbereich), das ebenfalls sensibel<br />
innerviert ist. Histologisch zeigt es einen zylindrischen<br />
Aufbau. Makroskopisch imponiert<br />
das Transitionalzellepithel weißlich gegenüber<br />
der rötlich schimmernden Mukosa oberhalb<br />
dieses Bezirks, die nicht mehr sensibel versorgt<br />
ist. Die Kenntnis der Transitionalzellzone<br />
und ihre sichere anatomische Festlegung ist<br />
von Bedeutung für kleine operative Eingriffe<br />
im analen Kanal, die aufgrund der sensiblen<br />
Versorgung dieser Zone ggf. eine Anästhesie<br />
erfordern. Das Anoderm setzt sich nach außen<br />
hin ab der Linea anocutanea (Hiltonsche Linie)<br />
in normales Hautepithel fort. Die Grenze zur<br />
äußeren Haut wird dadurch erkennbar, dass<br />
im Bereich der Haut wieder Hautanhangge-<br />
Anoderm<br />
Abb. 1-1<br />
Anatomie des Anorektums<br />
(Querschnitt)<br />
Plica transversalis recti inferior (Horton)<br />
bilde nachweisbar sind, die im Bereich des<br />
Anoderms fehlen.<br />
Subepitheliale Anteile<br />
des Kontinenzorgans<br />
Spatium extraperitoneale<br />
M. levator ani<br />
M. puborectalis<br />
M. sphincter ani externus, pars profunda<br />
Corpus cavernosum recti<br />
(Plexus haemorrhoidalis internus)<br />
Fossa ischiorectalis<br />
M. sphincter ani externus, pars superficialis<br />
M. sphincter ani internus<br />
M. sphincter ani externus, pars subcutanea<br />
Faserbündel des M. corrugator ani<br />
Subepithelial finden sich im Rektum 3 benannte<br />
Querfalten (plicae transversales), die<br />
muskulären Wülsten entsprechen. Die distale<br />
Falte wird als plica Horton, die mittlere als<br />
Kohlrauschsche Falte bezeichnet. Sie wirken<br />
als intraluminäre Motilitätsbremse und unterstützen<br />
die Kontinenzfunktion.<br />
Unmittelbar subepithelial gelegen findet<br />
sich im oberen Analkanal unter der Schleimhaut<br />
das Corpus cavernosum recti. Hierbei<br />
handelt es sich um ein arterio-venöses Gefäßgeflecht,<br />
das bei jedem Menschen vorhanden<br />
ist und umgangssprachlich als »Hämorrhoiden«<br />
bezeichnet wird. Der arterielle Zustrom zu<br />
diesem Gefäßgeflecht erfolgt im kranialen<br />
Anteil in der Tunica submucosa über Äste<br />
der A. haemorrhoidalis superior. Die venösen<br />
Abflüsse verlaufen teilweise submukös in die<br />
V. haemorrhoidalis superior und zum anderen<br />
7
8<br />
in Richtung auf die Venenstämme der Venae<br />
haemorrhoidales mediae, wobei sie ihren Weg<br />
durch den M. sphincter ani internus nehmen.<br />
Eine Kontraktion dieses Muskels, wie sie zur<br />
Aufrechterhaltung der Kontinenz in Ruhe<br />
besteht, führt dementsprechend zu einer partiellen<br />
Behinderung des venösen Abflusses<br />
bei gleichzeitig erhaltenem arteriellen Zufluss.<br />
Hierdurch vergrößern sich die Gefäßgeflechte<br />
des Corpus cavernosum recti und dichten dabei<br />
das Lumen des oberen Analkanals innen<br />
wirkungsvoll ab (Feinkontinenz). Die kaudalen<br />
Anteile der Äste der A. haemorrhoidalis superior<br />
durchbohren die muskuläre Rektumwand<br />
in gerader Richtung und erreichen so das<br />
Corpus cavernosum recti ohne einen längeren<br />
submukösen Verlauf. Zusätzlich bestehen auch<br />
arterielle Zuflüsse zum Corpus cavernosum<br />
recti aus der A. rectalis media, so dass aufgrund<br />
dieser redundanten Gefäßversorgung die<br />
Schwellkörperfunktion unter allen Umständen<br />
gewährleistet ist. Anatomisch bedeutsam ist<br />
zudem neben diesem funktionellen Kreislauf<br />
im Corpus cavernosum recti auch der nutritive<br />
Kreislauf dieses Schwellkörperapparates. Die<br />
nutritiven arteriellen Gefäße sind als zartes<br />
retikuläres Netz auf der Oberfläche des Corpus<br />
cavernosum recti erkennbar. Bei zunehmender<br />
Vergrößerung des Hämorrhoidalplexus geraten<br />
sie unter Spannung und können bei mechanischer<br />
Belastung einreißen. Dabei entleert sich<br />
hellrotes, arterielles Blut.<br />
Ein Hämorrhoidalgeflecht lässt sich also<br />
bei jedem Individuum mehr oder weniger<br />
deutlich ausgeprägt oberhalb der Dentatalinie<br />
nachweisen. Je nach Funktionszustand des M.<br />
sphincter ani internus und abhängig von divergierenden<br />
Untersuchungsbedingungen stellt<br />
sich das Schwellkörpergewebe unterschiedlich<br />
bzw. unterschiedlich stark angefüllt dar.<br />
Die Kontinenzfunktion des Corpus cavernosum<br />
recti wird unterstützt durch den M.<br />
canalis ani sowie den M. corrugator ani. Der<br />
M. canalis ani entspringt aus dem M. sphincter<br />
ani internus und der Längsmuskelschicht des<br />
Rektums. Er zieht in einzelnen Faserbündeln<br />
durch das Corpus cavernosum recti und fixiert<br />
durch sein fächerförmiges Einstrahlen in das<br />
Anoderm die Hämorrhoidalpolster im oberen<br />
Anatomie des Anorektums 1<br />
Anteil des Analkanals. Im Bereich der Linea<br />
dentata ist er mit kurzen Faserzügen straff<br />
ausgespannt, so dass er die Dentatalinie an<br />
ihrem Platz fixiert. Eine Gefügestörung dieses<br />
Muskels führt dementsprechend zu einer Distalverlagerung<br />
der Linea dentata und des Corpus<br />
cavernosum recti. Der M. corrugator ani besteht<br />
aus längsverlaufenden Faserbündeln, die in<br />
Verlängerung der äußeren Längsmuskelschicht<br />
des Rektums zur perianalen Haut ziehen. Eine<br />
Kontraktion der Muskelfasern führt zur Radiärfältelung<br />
der perianalen Haut und hierdurch<br />
zur Abdichtung des Analrandes.<br />
Nervale Anteile<br />
des Kontinenzorgans<br />
Die verschiedenen Funktionsbereiche des<br />
Kontinenzorgans sind durch nervale Strukturen<br />
untereinander sowie mit den höheren<br />
Nervenzentren verbunden. Während der M.<br />
sphincter ani internus autonom ist und über<br />
Dehnungsrezeptoren in der Rektumwand und<br />
den M. puborectalis gesteuert wird, erhalten<br />
die quergestreiften Muskelanteile ihre somatische<br />
Innervation aus dem untersten Lumbalplexus<br />
und dem Sakralmark. Anatomisch<br />
bedeutsam ist der Verlauf der Äste des N.<br />
pudendus, die im Beckenbodenniveau von<br />
lateral her an die quergestreifte Muskulatur<br />
heranziehen. Die Nervenäste verlaufen dabei<br />
etwa bei 2, 4, 8 und 10 Uhr innerhalb der<br />
Fossa ischiorectalis. Bei dieser Orientierung<br />
ist der Anus in Analogie zur Uhr so zu sehen,<br />
dass 6 Uhr der dorsalen Zirkumferenz, also<br />
der Richtung auf die Steißbeinspitze, entspricht.<br />
Zusammenfassung: Das Kontinenzorgan<br />
setzt sich aus muskulären, epithelialen,<br />
subepithelialen, hier insbesondere dem<br />
Corpus cavernosum recti, und nervalen<br />
Bestandteilen zusammen. Nur durch das<br />
Zusammenwirken aller einzelnen Komponenten<br />
ist es in der Lage, eine adäquate<br />
Kontinenzleistung mit einer entsprechenden<br />
Leistungsreserve aufrechtzuerhalten.
2 Physiologie des Anorektums<br />
2 Physiologie des Anorektums<br />
Kontinenz 10<br />
Einteilung der Kontinenzstörungen 10<br />
Faktoren der Kontinenz 10<br />
Beurteilung der Kontinenzleistung 13<br />
Defäkation 13<br />
9
10<br />
Vorbemerkung: Die wesentliche physiologische<br />
Aufgabe des Anorektums ist die Gewährleistung<br />
der Kontinenz der terminalen Strecke des<br />
Magen-/Darmtraktes. Die unterschiedlichen<br />
anatomischen Komponenten zur Aufrechterhaltung<br />
der Kontinenz stehen untereinander<br />
in enger Wechselwirkung, wobei neben den<br />
anatomischen Strukturen des Analkanals auch<br />
die Kapazitätsfunktion des Rektosigmoids und<br />
die Reflexabläufe zwischen oberem und unterem<br />
Gastrointestinaltrakt sowie unterem<br />
Gastrointestinaltrakt und dem anorektalen<br />
Abschlussorgan dieser Aufgabe zugeordnet<br />
sind.<br />
Kontinenz<br />
Kontinenz ist die Fähigkeit des Individuums, in<br />
jeder Körperhaltung, einschließlich der Bewegung<br />
des Körpers und im Schlaf, Darminhalt<br />
unterschiedlicher Aggregatzustände sicher zu<br />
kontrollieren. Eine perfekte Kontinenzleistung<br />
ermöglicht außerdem die Fähigkeit, den Stuhl<br />
koordiniert, d. h. in willentlicher Übereinstimmung<br />
mit den unwillkürlich ablaufenden<br />
Reflexmechanismen des Beckenbodens, abzusetzen.<br />
Kontinenz ist ein subjektiv erlebtes<br />
Phänomen, das bezüglich des Ausmaßes einer<br />
Störung dieser Fähigkeit einer sehr individuellen<br />
Beurteilung unterliegt. So lässt sich in<br />
einem Kollektiv gesunder und sich kontinent<br />
fühlender Individuen mit objektiven Messungen<br />
und medizinischen Beurteilungen bei<br />
ca. 3 - 15 % eindeutig eine gestörte Kontinenz<br />
nachweisen. Individuell wird diese Störung<br />
aber nicht als Krankheit erlebt.<br />
Einteilung der Kontinenzstörungen<br />
Üblicherweise wird eine Einteilung in drei Grade<br />
vorgenommen, entsprechend den unterschiedlichen<br />
Aggregatzuständen des Darminhaltes, die<br />
retiniert werden müssen. In diesem Fall bedeutet<br />
dann eine Inkontinenz Grad I den Verlust der<br />
Kontrolle der Winde. Eine Inkontinenz Grad<br />
II bedeutet den Verlust der Haltefähigkeit für<br />
Winde und flüssigen Stuhl und Inkontinenz<br />
Grad III entsprechend den Verlust auch für<br />
festen Stuhl. Bei dieser Definition bleiben alle<br />
Physiologie des Anorektums 2<br />
Störungen unberücksichtigt, die sich nicht<br />
in unmittelbarem Zusammenhang mit der<br />
Stuhlentleerung manifestieren. Ein längeres<br />
Nachschmieren von Stuhl nach der Defäkation<br />
oder eine Sekret- und Schleimabsonderung aus<br />
dem Analkanal kann den Betroffenen unter<br />
Umständen aber sogar mehr belasten als eine<br />
der oben beschriebenen, exakt klassifizierten<br />
Störungen. Auch diese Insuffizienz des analen<br />
Verschlussapparates, die sich nicht in dem<br />
direkten zeitlichen Zusammenhang mit der<br />
Darmentleerung manifestiert, muss als Störung<br />
der Kontinenz bzw. als eine Inkontinenz interpretiert<br />
werden, falls sie dem Patienten bewusst<br />
ist und einen Leidensdruck ausübt.<br />
Kontinenz ist aber auch eine Fähigkeit, die<br />
sich individuell im Laufe der Zeit verändern<br />
kann. Die Fähigkeit zur Kontinenz ist durch<br />
ein System mehrerer Komponenten im Sinne<br />
eines Regelkreises gesteuert, deren exaktes<br />
Zusammenwirken »Sicherheitsreserven« zusammenstellt,<br />
die jede einzelne Komponente<br />
nicht leisten könnte. Eine temporäre Überforderung<br />
eines der Systeme kann dabei lange<br />
Zeit kompensiert werden; andererseits ergeben<br />
sich gelegentlich doch Kontinenzschwächen.<br />
Die Muskulatur, die einen geformten Stuhl<br />
sicher retinieren kann, ist bei Durchfallepisoden<br />
gelegentlich bereits überfordert. Ein in seinem<br />
Gesamtzusammenhang nicht geschädigter<br />
Verschlussapparat kann durch einen Bolus in<br />
der Rektumampulle (Dyschezie) so überfordert<br />
bzw. kann die Muskulatur hier bereits soweit<br />
relaxiert sein, dass dünnflüssiger Stuhl an<br />
diesem Bolus vorbeiläuft und nicht gehalten<br />
werden kann.<br />
Faktoren der Kontinenz<br />
1. Rektum: Das Rektum ist in der Lage, die<br />
intestinale Passage schon oberhalb des Verschlussorgans<br />
des Analkanals zu verzögern.<br />
Die Motilität des Rektums unterscheidet sich<br />
von der in den übrigen Kolonabschnitten. Wir<br />
finden im Rektum vermehrt segmentale Kontraktionen<br />
und nur ausnahmsweise propulsive<br />
Wellen. Hierdurch kommt es zu einer Umkehr<br />
des <strong>Dr</strong>uckgradienten und dementsprechend zu<br />
einem retrograden Transport des Darminhaltes.
2 Physiologie des Anorektums<br />
Die Haustren in der Rektumampulle wirken<br />
ebenfalls dem anterograden Transport des<br />
Darminhaltes in Richtung auf die sensible Zone<br />
des oberen Analkanals entgegen. Außerdem ist<br />
die Ampulla recti in der Lage, sich plastisch<br />
an ein vermehrtes intraluminäres Angebot zu<br />
adaptieren (Compliance). Das Rektum nimmt<br />
somit teil an der Aufrechterhaltung der Kontinenz<br />
durch einen Rücktransport des Darminhaltes<br />
in die höher gelegenen Darmabschnitte.<br />
Eine subtotale oder totale Entfernung des Rektums<br />
führt daher zu einer Kontinenzeinbuße,<br />
die erst nach längerer Zeit und auch nur bei<br />
Unversehrtheit der übrigen Kontinenzfaktoren<br />
kompensiert werden kann.<br />
2. Sensible Kontinenzfaktoren: Die Füllung<br />
des unteren Rektums mit Darminhalt wird<br />
über Dehnungsrezeptoren in der Wand und<br />
in der Beckenbodenmuskulatur sowie im M.<br />
puborectalis registriert. Diese Dehnungsrezeptoren<br />
vermitteln über spinale Bahnen das<br />
Gefühl des Stuhldrangs. Anatomisch sind sie<br />
bisher nicht eindeutig definiert. Es lassen sich<br />
zwar freie Nervenendigungen in der Mukosa<br />
und Submukosa des Rektums nachweisen, die<br />
aber wohl nicht diesen Rezeptoren entsprechen.<br />
Auch nach tiefen Rektumanastomosen lässt sich<br />
experimentell durch eine Ballondilatation oberhalb<br />
der Anastomose eine Dehnung auslösen,<br />
die von rektosphinktären Reflexmechanismen<br />
gefolgt ist.<br />
3. Rektosphinktäre Reflexmechanismen: Die<br />
Dehnung des Rektums führt reflexhaft zu einer<br />
Relaxation des M. sphincter ani internus und<br />
mit geringer zeitlicher Verzögerung zu einer<br />
Kontraktion der quergestreiften Muskeln (M.<br />
spincter ani externus und M. puborectalis).<br />
Experimentell lässt sich die Internusrelaxation<br />
bereits bei Dehnung des Rektums mit einem<br />
Volumen von ca. 15 ml auslösen. Sie ist nicht<br />
nachweisbar beim Morbus Hirschsprung. Die<br />
Abfolge von Internusrelaxation und anschließender<br />
Kontraktion der Puborektalisschlinge<br />
sowie der Externusmuskulatur wird als Kontinenzreaktion<br />
bezeichnet. Auch unter körperlicher<br />
Bewegung tritt eine Tonussteigerung bzw.<br />
eine Kontraktion der Externusmuskulatur auf,<br />
die zum Teil mechanisch im Sinne der beschriebenen<br />
Kontinenzreaktion ausgelöst wird.<br />
4. Anoderm: Das Anoderm als nicht verhornendes,<br />
trockenes Epithel des unteren Analkanals<br />
nimmt ebenfalls an der sensiblen Kontinenzfunktion<br />
teil. Die oberen Anteile des Anoderms<br />
kommen bei der Internusrelaxation mit dem<br />
Darminhalt in Kontakt. Auf diese Weise können<br />
die unterschiedlichen Aggregatzustände<br />
wahrgenommen werden. Die auf die Internusrelaxation<br />
unmittelbar folgende Kontraktion<br />
der quergestreiften Muskulatur kann dann<br />
willentlich verstärkt werden, wenn eine Defäkation<br />
unerwünscht ist.<br />
5. M. puborectalis: Die distale Portion des M.<br />
levator ani wird als M. puborectalis bezeichnet.<br />
Dieser Muskel umgreift das untere Rektum in<br />
Form einer Schlinge von dorsal und inseriert<br />
mit seinen nach ventral gerichteten Schenkeln<br />
am Os pubis. Der Muskel ist in der Lage, durch<br />
eine kräftige Willkürkontraktion die anorektale<br />
Abwinkelung zu verstärken und die Rektumhinterwand<br />
unter die Rektumvorderwand zu<br />
ziehen. Dieser Mechanismus gilt als Teil der<br />
muskulären Kontinenz und lässt sich am besten<br />
vergleichen mit einem Quetschverschluss.<br />
Histologisch finden sich im M. puborectalis<br />
rote und weiße Muskelfasern mit unterschiedlichem<br />
Gehalt an Myoglobin. Histochemisch<br />
zeigt sich, daß die roten Fasern mehr oxydative<br />
Enzyme enthalten und die weißen Fasern mehr<br />
Phosphorylase. Diese befähigt sie zu einem<br />
unterschiedlichen Stoffwechsel. Die roten Typ<br />
I-Fasern können eine tonische Aktivität aufrechterhalten.<br />
Die weißen Typ II-Fasern führen<br />
eine kurzdauernde, schnelle Kontraktion aus.<br />
Die Innervation des M. puborectalis kommt<br />
aus dem lumbosakralen Plexus in Höhe L5 bis<br />
S3. Die tonische Daueraktivität des Muskels<br />
wird gesteuert über einen propriorezeptiven<br />
Reflexmechanismus, als dessen Rezeptoren die<br />
Muskelspindeln in der Muskulatur angesehen<br />
werden. Die Ganglien des Reflexbogens liegen<br />
im Sakralmark.<br />
6. M. sphincter ani externus: Der M. sphincter<br />
ani externus hat den gleichen histologi-<br />
11
12<br />
schen Aufbau und die gleiche biochemische<br />
Funktionsweise wie der M. puborectalis. Er<br />
ist schwächer entwickelt und umscheidet den<br />
Analkanal bzw. den M. sphincter ani internus<br />
als ein zirkulär verlaufender Muskel. In<br />
kraniokaudaler Richtung lassen sich zumeist<br />
drei Portionen innerhalb dieses Muskels unterscheiden,<br />
und zwar eine obere Portion (M.<br />
sph. ani ext. profundus) und eine untere Portion<br />
(- superficialis) sowie eine oberflächliche<br />
Portion (- subcutaneus). Wie der M. puborectalis<br />
ist auch der M. sphincter ani externus in<br />
einer gewissen tonischen Dauerkontraktion.<br />
In Ruhe zeigen sich im intakten Muskel immer<br />
ableitbare Aktionspotentiale. Während<br />
der Defäkation kommt es bei vollständiger<br />
Erschlaffung der quergestreiften Muskeln zu<br />
einem Potentialverlust.<br />
7. M. sphincter ani internus: Der M. sphincter<br />
ani internus ist der wesentliche Faktor der<br />
Kontinenz in Ruhe. Als glatter Muskel ist er<br />
zu einer Dauerkontraktion fähig. Andererseits<br />
ermöglicht er im Rahmen der reflexhaften<br />
Relaxation bei Dehnung der Ampulle die<br />
Defäkation. Er stellt die Verlängerung der<br />
Ringmuskulatur des Rektums dar und ist zumindest<br />
in seinem unteren Anteil aganglionär.<br />
<strong>Dr</strong>uckmessungen zeigen, daß er ca. 70 % des<br />
Ruhetonus im Analkanal leistet. Unter einer<br />
Spinalanästhesie mit entsprechender Ausschaltung<br />
der quergestreiften Muskelanteile ist das<br />
anorektale Ruhedruckprofil im Wesentlichen<br />
unverändert. Dies unterstreicht die Bedeutung<br />
des M. sph. ani internus als wesentlichen muskulären<br />
Kontinenzfaktor in Ruhe.<br />
8. Corpus cavernosum recti: Das Corpus cavernosum<br />
recti entspricht den sogenannten<br />
Hämorrhoiden. Es hat Schwellkörperfunktion<br />
und ist hierdurch in der Lage, entsprechend<br />
den Erfordernissen zusätzlich zu den bisher<br />
erwähnten Faktoren der Kontinenz, den oberen<br />
Analkanal intraluminär abzudichten. Das<br />
Corpus cavernosum recti befindet sich oberhalb<br />
der Linea dentata im oberen analen Kanal. Hier<br />
findet sich aufgrund der in diesem Bereich<br />
am stärksten ausgebildeten Muskelmasse der<br />
quergestreiften Muskulatur die kontinenzent-<br />
Physiologie des Anorektums 2<br />
scheidende Hochdruckzone. Die Funktion der<br />
Hochdruckzone wird durch die hämorrhoidalen<br />
Schwellkörper unterstützt. An der Kontinenzleistung<br />
in Ruhe ist das Corpus cavernosum<br />
recti zu ca. 10 % beteiligt. Die für die Schwellkörperfunktion<br />
wesentliche Gefäßarchitektur<br />
des Corpus cavernosum recti ist im Kapitel<br />
»Anatomie des Anorektums« beschrieben.<br />
9. M. canalis ani: Der M. canalis ani integriert<br />
durch seine Insertion im Anoderm das Corpus<br />
cavernosum recti in das Kontinenzorgan und<br />
konzentriert durch seine Verlaufsrichtung die<br />
Kraft des M. sph. ani internus auf den Bereich<br />
der Dentatalinie. Zirkuläre Schnitte im<br />
Analkanal durchtrennen diesen Muskel und<br />
können dementsprechend zur Kontinenzstörung<br />
führen.<br />
10. Anorektaler Winkel: Der anorektale Winkel<br />
wird aufrechterhalten durch den M. puborectalis<br />
und die übrigen Beckenbodenmuskeln. Physiologisch<br />
ist eine Abwinkelung der Achse des<br />
Analkanals zur Achse des Rektums von etwa<br />
95° bis 100°. Eine Vergrößerung dieses Winkels<br />
tritt auf im Rahmen von Gefügestörungen des<br />
Beckenbodens, so z. B. beim Deszensus perinei.<br />
Gleichzeitig kann mit diesen Gefügestörungen<br />
eine Inkontinenz vergesellschaftet sein.<br />
11. Beckenboden: Die Form des Beckenbodens<br />
wird durch muskuläre (M. levator ani)<br />
und ligamentäre Strukturen ausgebildet. Der<br />
Beckenboden trägt das Rektum bzw. bildet<br />
insgesamt mit seiner rektumnahen Komponente<br />
des M. puborectalis den anorektalen Winkel<br />
aus. Gefügestörungen des Beckenbodens führen<br />
zumeist über ein Tiefertreten der inneren Anteile<br />
des Beckenbodens zu einer Vergrößerung<br />
des anorektalen Winkels und begünstigen<br />
hierdurch eine Inkontinenz. Wesentlich für<br />
das Ausmaß der Inkontinenz dürfte aber die<br />
durch den Deszensus induzierte neurogene<br />
Schwächung der Muskulatur sein.<br />
12. Nervus pudendus: Die Äste aus dem Plexus<br />
pudendus innervieren die quergestreiften<br />
Anteile der analen Muskulatur. Eine langdauernde<br />
Überdehnung der Nerven, etwa im
2 Physiologie des Anorektums<br />
Rahmen mehrfacher Schwangerschaften, beim<br />
Deszensus perinei oder beim Rektumprolaps,<br />
führt zur irreversiblen Schädigung einzelner<br />
Nervenfasern und damit zu einer Denervation<br />
der versorgten Muskulatur. Das Ergebnis ist eine<br />
zunehmende neurogene Inkontinenz.<br />
Beurteilung der Kontinenzleistung<br />
Der anamnestische Hinweis auf eine Störung<br />
der Kontinenz lässt sich mit klinischen und<br />
instrumentellen Untersuchungen objektivieren.<br />
Das Ergebnis muss eine Beurteilung der<br />
individuellen Situation und eine Quantifizierung<br />
des Ausmaßes des Funktionsdefizits<br />
sein, anhand derer sich Empfehlungen für die<br />
<strong>Therapie</strong> gewinnen lassen. Im Kapitel »Anale<br />
Inkontinenz« wird deutlich, dass die objektive<br />
Festlegung des Ausmaßes der Inkontinenz<br />
anhand von Untersuchungsparametern häufig<br />
nicht möglich ist. Oft lassen sich auch Befund<br />
und subjektive Beschwerdesymptomatik des<br />
Betroffenen nicht in Einklang bringen.<br />
Das eingangs angeführte Raster der Einteilung<br />
in drei Grade entsprechend den einzelnen<br />
Aggregatzuständen des Darminhalts wird dabei<br />
einer differenzierten Beurteilung der jeweiligen<br />
Situation nicht gerecht. Insbesondere bei den<br />
angeborenen Formen der Inkontinenz, die im<br />
Kindesalter zur Diagnostik gelangen, sind die<br />
anamnestischen Angaben – nicht zuletzt aus<br />
Scham der Eltern – oft unpräzise. Zahlreiche<br />
Autoren haben sich um die Erstellung von<br />
Einteilungskriterien bemüht, die neben dem<br />
individuellen Empfinden der Störung auch<br />
die objektiv nachweisbaren Funktionsdefizite<br />
berücksichtigen. Auf diese Weise lassen sich<br />
Scores erstellen, die einen interindividuellen<br />
Vergleich der Kontinenzstörungen ermöglichen.<br />
In eine solche Einteilung muss neben<br />
der Beschreibung des Aggregatzustandes des<br />
nicht zu kontrollierenden Darminhalts auch die<br />
Häufigkeit der Inkontinenzsituationen (Häufigkeit<br />
der Stuhlentleerung, Diskriminationsvermögen,<br />
Länge der Warnperiode) eingehen.<br />
Zu berücksichtigen sind die Möglichkeit der<br />
Kompensation der Störung (Gebrauch von<br />
Vorlagen, Pflegebedarf) sowie die sekundären<br />
somatischen (z. B. Analekzem) oder psychi-<br />
Strukturen des Tafel 2-1<br />
Kontinenzorgans<br />
• Kapazitätsorgan Rektum<br />
• Dehnungsrezeptoren des Rektums<br />
• sensibles Anoderm<br />
• Mm. puborectalis, sphincter ani internus<br />
und externus<br />
• Corpus cavernosum recti<br />
• M. canalis ani<br />
• anorektaler Winkel<br />
• M. levator ani<br />
• ligamentäre Strukturen<br />
• viszerale und somatische Nerven<br />
Das Kontinenzorgan setzt sich aus muskulären,<br />
sensiblen, nervalen und kapazitativen<br />
Komponenten zusammen!<br />
schen Schäden und objektiv nachweisbaren<br />
Leistungsdefizite (Durchzugsmanometrie, Compliance<br />
des Rektums).<br />
Im Fall der erworbenen Inkontinenz des<br />
Erwachsenen lassen sich durch die Anamnese<br />
bereits mehr Hinweise zur Ätiologie der Inkontinenz<br />
bekommen als bei den kindlichen Formen.<br />
Hier haben die objektiven Messparameter<br />
(<strong>Dr</strong>uckmessungen, anales Elektromyogramm)<br />
eher den Sinn einer Bestätigung der vermuteten<br />
Ursache und ermöglichen die Planung der<br />
operativen Korrektur. Aus den anamnestischen<br />
Angaben des Patienten lassen sich auch Scores<br />
erstellen, die insbesondere für <strong>Therapie</strong>vergleiche<br />
und Verlaufskontrollen von Wert sind.<br />
Defäkation<br />
Die Defäkation wird eingeleitet durch die Dehnung<br />
der Rektumwand aufgrund des eintretenden<br />
Stuhlbolus. Als reflexhafte Antwort<br />
erfolgt die Relaxation des M. sphincter ani<br />
internus. Der weitere Ablauf hängt ab von<br />
einem gewissen Einsatz der Bauchpresse und<br />
13
14<br />
der willkürlichen Relaxation des M. sphincter<br />
ani externus.<br />
Die Defäkation kann durch eine willkürliche<br />
Kontraktion des M. puborectalis verhindert<br />
werden. Wenn die Defäkation ablaufen kann,<br />
erschlafft der M. puborectalis. Zur Entleerung<br />
ist dann die Erhöhung des intraabdominellen<br />
<strong>Dr</strong>ucks durch ein entsprechendes Pressen<br />
erforderlich. Mit dem ansteigenden intraabdominellen<br />
<strong>Dr</strong>uck wird eine Kontraktion der<br />
Levatormuskulatur ausgelöst, die sich abflacht<br />
und anhebt und hierdurch einen Zug auf den<br />
Eingang des Analkanals ausübt. Der anorektale<br />
Winkel wird abgeflacht und der Analkanal<br />
eröffnet.<br />
Physiologie des Anorektums 2<br />
Kelly-Holschneider-Score zur Beurteilung einer analen Tab. 2-1<br />
Inkontinenz in der Kinderchirurgie<br />
Beurteilungskriterien Befund Bewertung<br />
Stuhlhäufigkeit normal (1-2x täglich)<br />
mehrmals (3-5x täglich)<br />
sehr oft (> 6x täglich)<br />
Stuhlkonsistenz normal geformt<br />
breiig<br />
flüssig<br />
Stuhlschmieren nicht<br />
bei Stress, Durchfall<br />
ständig<br />
Sensibilität normal (incl. Diskrimination)<br />
nur Völlegefühl (keine Diskrimination)<br />
vollständig fehlend<br />
Anorektales Ruhedruckprofil 20-24 mm Hg und höher<br />
14-19-mm Hg<br />
< 13 mm Hg<br />
Maximale Willkürkontraktion 30 mm Hg und höher<br />
20-29 mm Hg<br />
< 19 mm Hg<br />
Adaptionsreaktion normal<br />
kleine Amplitude, verkürzt<br />
nicht nachweisbar<br />
Auswertung:<br />
Störungen dieser Reflexabläufe sind denkbar.<br />
Es sind auch fixierende Operationsverfahren<br />
für den Rektumhals bzw. den oberen Analkanal<br />
beschrieben, die die Öffnungsfunktion<br />
verbessern sollen. Sie sind aber bisher nicht<br />
in größeren Kollektiven untersucht.<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2<br />
1<br />
0<br />
12 – 14 Punkte gute Kontinenzleistung<br />
10 – 11 Punkte befriedigende Kontinenzleistung<br />
6 – 9 Punkte ausreichende Kontinenzleistung<br />
0 – 5 Punkte inkontinent
2 Physiologie des Anorektums<br />
Cleveland-Clinic-Score zur Beurteilung einer Inkontinenz beim Erwachsenen Tab. 2-2<br />
Wie oft verlieren Sie<br />
unkontrolliert festen Stuhl?<br />
Wie oft verlieren Sie<br />
unkontrolliert flüssigen Stuhl?<br />
Wie oft verlieren Sie<br />
unfreiwillig Winde?<br />
0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte<br />
nie < 1 mal<br />
im Monat<br />
nie < 1 mal<br />
im Monat<br />
nie < 1 mal<br />
im Monat<br />
Wie oft tragen Sie Vorlagen? nie < 1 mal<br />
im Monat<br />
Wie oft müssen Sie wegen<br />
Stuhlproblemen Ihre festen Lebensgewohnheiten<br />
ändern?<br />
Auswertung:<br />
Die Summe der Punkte zeigt die Kontinenzleistung an:<br />
CCIS 0 perfekte Kontinenz<br />
CCIS 1-7 gute Kontinenz<br />
CCIS 8-14 moderate Inkontinenz<br />
CCIS 15-20 schwere Inkontinenz<br />
nie < 1 mal<br />
im Monat<br />
> 1 mal<br />
im Monat<br />
> 1 mal<br />
im Monat<br />
> 1 mal<br />
im Monat<br />
> 1 mal<br />
im Monat<br />
> 1 mal<br />
im Monat<br />
> 1 mal<br />
pro Woche<br />
> 1 mal<br />
pro Woche<br />
> 1 mal<br />
pro Woche<br />
> 1 mal<br />
pro Woche<br />
> 1 mal<br />
pro Woche<br />
meist<br />
täglich<br />
meist<br />
täglich<br />
meist<br />
täglich<br />
meist<br />
täglich<br />
meist<br />
täglich<br />
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Beachten Sie den Basistext auf Seite 182
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
Basisdiagnostik 18<br />
Anamnese und Symptomatologie 18<br />
Blutung 18<br />
Anale Schmerzen 19<br />
Pruritus ani 19<br />
Vorwölbung /Gewebsvorfall 21<br />
Stuhlgewohnheiten 21<br />
Körperliche Untersuchung 21<br />
Inspektion 22<br />
Palpation 23<br />
Rektoskopie 24<br />
Proktoskopie 24<br />
Erweiterte Diagnostik 25<br />
Koloskopie 25<br />
Endosonographie 26<br />
Manometrie 27<br />
Anale Endosonographie 26<br />
Rektale Endosonographie 26<br />
Anale Endosonographie bei Abszessen und Fisteln 27<br />
Neurologische Diagnostik 29<br />
Ableitung des EMG mit Oberflächenelektroden 29<br />
Ableitung des EMG mit der konzentrischen Nadelelektrode 29<br />
Ableitung der PNTML 30<br />
Klinische Relevanz der EMG-Diagnostik 31<br />
Radiologische Diagnostik 32<br />
Kolon-Doppelkontrast-Untersuchung 32<br />
Schnittbildtechniken 32<br />
Fistulographie 33<br />
Defäkographie 33<br />
Transitzeitbestimmung 33<br />
17
18<br />
Basisdiagnostik<br />
Die koloproktologische Diagnostik steht vor<br />
dem Problem, dass die vom Patienten geklagten<br />
Symptome sehr allgemein sind und mit<br />
zahlreichen Erkrankungen in Zusammenhang<br />
gebracht werden können, die zudem sowohl<br />
benigne als auch maligne Leiden umfassen.<br />
Gleichzeitig handelt es sich um Erkrankungen<br />
in einem körperlichen Tabubereich, was dazu<br />
führt, dass die Patienten die Symptome zum<br />
Teil ebenfalls tabuisieren. Insbesondere werden<br />
subjektive Anzeichen einer Fehlfunktion<br />
im Sinne einer analen Inkontinenz zunächst<br />
verschwiegen, da sie weit in diese Tabuzone<br />
hineinreichen.<br />
Aus diesem Grund ist es wichtig, für den<br />
ersten Kontakt mit dem Patienten und die nachfolgende<br />
Untersuchung ein Vertrauensverhältnis<br />
zu schaffen, das der Angst des Patienten und<br />
der notwendigen Enttabuisierung gerecht wird.<br />
Die Standarddiagnostik umfasst neben<br />
einer sorgfältigen Anamnese eine klinische<br />
Befunderhebung und im Anschluss daran eine<br />
unterschiedlich weit auszudehnende instrumentelle<br />
Untersuchung. Gleichzeitig führen<br />
die differentialdiagnostischen Überlegungen<br />
bei koloproktologischen Patienten nicht selten<br />
tief in benachbarte Bereiche unterschiedlicher<br />
medizinischer Disziplinen. So kann beispielsweise<br />
eine histopathologische Untersuchung<br />
oder ein mikroskopischer oder kultureller Erregernachweis<br />
erforderlich werden oder auch eine<br />
allergologische Diagnostik. Bei funktionellen<br />
Störungen wird regelhaft eine neurophysiologische<br />
Untersuchung erforderlich, deren<br />
Aussagekraft deutlich abhängig ist von der<br />
Erfahrung des Untersuchers.<br />
Die diagnostische Abklärung des Anorektums<br />
und Beckenbodens zielt auf die Erkennung<br />
morphologischer Pathologika und die<br />
Detektion möglicher funktioneller Störungen.<br />
Pathologische Befunde sind deswegen leicht<br />
nachzuweisen, weil die Region gut zugänglich<br />
ist. Einige der Befunde sind prima vista bei der<br />
Betrachtung von außen erkennbar, die intraanalen<br />
und intrarektalen Befunde sind mit starren<br />
Untersuchungsinstrumenten ohne größeren<br />
Aufwand erreichbar. Insofern behalten die<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
starren Instrumente trotz der Fortentwicklung<br />
der flexiblen Untersuchungstechniken einen<br />
Stellenwert in der Basisdiagnostik koloproktologischer<br />
Erkrankungen.<br />
Anamnese und Symptomatologie<br />
Es wurde bereits angeführt, dass die Symptomatologie<br />
unterschiedlicher proktologischer<br />
Erkrankungen recht uniform ist. Die Patienten<br />
berichten über Schmerzen oder einen perianalen<br />
Juckreiz sowie Blutabgänge oder die<br />
Ausscheidung von schleimigem oder eitrigem<br />
Sekret. Um die Erkrankung bereits durch die<br />
Anamnese näher eingrenzen zu können, ist es<br />
wichtig, durch gezielte Fragen zu den Symptomenkomplexen<br />
die ungenauen Angaben des<br />
Patienten zu präzisieren. Es hat sich bewährt,<br />
dieses jeweils nach einem festen Schema ablaufen<br />
zu lassen, da hierdurch auch die Fragen<br />
zu den Symptomen aus dem oben skizzierten<br />
Tabubereich, etwa der Inkontinenz, nicht<br />
vergessen werden. Durch eine schematische<br />
anamnestische Befragung ergibt sich dann<br />
in zahlreichen Fällen bereits eine Verdachtsdiagnose,<br />
die u. U. das weitere diagnostische<br />
Procedere modifiziert.<br />
Blutung: Am Beispiel der Blutung lässt sich<br />
diese anamnestische Problemeingrenzung gut<br />
verdeutlichen. Zu erfragen sind die Blutungsqualitäten:<br />
• Seit wann?<br />
• Wie oft?<br />
• Welche Menge an Blut?<br />
• Welche Farbe?<br />
• Blutung nur im Zusammenhang<br />
• mit der Stuhlentleerung?<br />
• Blut am Papier, – in der Toilette, – auf dem<br />
• Stuhl aufgelagert, – in der Unterwäsche?<br />
Natürlich ist der simple Rückschluss - helles<br />
Blut = Hämorrhoidalblutung, dunkles Blut =<br />
Kolonblutung - nicht zulässig, da letztendlich<br />
bei jeder Blutung ein kolorektales Karzinom<br />
sicher ausgeschlossen werden muss. Dabei<br />
fehlen einerseits die Ressourcen, um jede Blutungsangabe<br />
mit einer kompletten Koloskopie<br />
zu beantworten. Andererseits lässt die Anga-
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
be »Blut am Papier« aber mit einer gewissen<br />
Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass die<br />
Blutungsquelle am Analrand oder im unteren<br />
Analkanal liegt. Also ist als erster Schritt eine<br />
Rektoskopie und Proktoskopie durchzuführen.<br />
Alter sowie Tumorerkrankungen in der Eigen-<br />
oder Familienanamnese sind als Risikofaktoren<br />
eines kolorektalen Karzinoms zu bewerten und<br />
erfordern darum die komplette Abklärung des<br />
Kolons.<br />
Zum Problem der okkulten Blutung wird<br />
auf das Kapitel »Erweiterte Diagnostik« verwiesen.<br />
Jede peranale Blutung sollte zumindest<br />
durch eine Proktorektoskopie abgeklärt<br />
werden.<br />
Anale Schmerzen: Ähnlich wie beim Symptom<br />
der Blutung, lassen sich auch bei der Angabe<br />
»Schmerzen am After« bereits aufgrund der<br />
Anamnese verwertbare Aussagen machen.<br />
• Wo werden die Schmerzen angegeben?<br />
• Wann treten sie auf?<br />
• Seit wann erstmalig?<br />
• Wie lang andauernd?<br />
• Schmerzcharakter stechend - dumpf?<br />
• Ausstrahlend wohin?<br />
• Ist der Schmerz beeinflussbar?<br />
• Defäkationsabhängige Zu- oder<br />
• Abnahme der Schmerzen<br />
• Gibt es weitere Symptome,<br />
• z.B. Fieber?<br />
Der Abszess und die perianale Thrombose<br />
zeigen sich sehr oft durch akut einsetzende Beschwerden,<br />
wobei die Patienten den Zeitpunkt<br />
des Schmerzbeginns exakt festlegen können.<br />
Die Fissur bereitet längere Zeit Beschwerden,<br />
die eine wechselnde Intensität haben, bevor der<br />
Patient ärztliche Behandlung sucht. Schmerzen<br />
am Analrand mit Beginn der Defäkation und<br />
langsamem Rückgang nach der Defäkation<br />
sind pathognomonisch für eine Fissur. Die<br />
Schmerzen werden als schneidend und stechend<br />
an umschriebener Stelle angegeben.<br />
Im Fall des Abszesses oder der perianalen<br />
Thrombose berichtet der Patient spontan im<br />
Zusammenhang mit »klopfenden« Schmerzen<br />
von einer tastbaren Schwellung am Analrand.<br />
Der Abszess als entzündliche Erkrankung kann<br />
bereits Allgemeinsymptome ausgelöst haben,<br />
die der Patient ebenfalls angibt.<br />
Stechende Schmerzen während und<br />
nach der Defäkation sind fast pathognomonisch<br />
für eine Analfissur.<br />
Alle bisher beschriebenen Schmerzzustände<br />
lassen sich noch am ehesten als Schmerzen<br />
zusammenfassen, die oberflächlich im Bereich<br />
des Analrandes ausgelöst werden. Hiervon<br />
zu trennen sind solche Schmerzen, die eher<br />
dumpfen und unbestimmbaren Charakter haben<br />
und in die Tiefe des Anorektums oder des<br />
Perineums projiziert werden.<br />
Diese in die Tiefe projizierten Beschwerden<br />
werden eher ausgelöst durch funktionelle<br />
Fehlbelastungen des Beckenbodens und der<br />
Beckenorgane im Rahmen von Gefügestörungen,<br />
wie dem latenten oder manifesten<br />
Rektumprolaps, beispielsweise in Verbindung<br />
mit einem Ulcus simplex recti oder einem<br />
Deszensus perinei.<br />
Als klinisch definierte Besonderheit in<br />
diesem Formenkreis muss die Proctalgia fugax<br />
angesehen werden, die auf einer Spastik der<br />
Beckenbodenmuskulatur beruht und anhand<br />
ihres typischen intermittierenden Auftretens<br />
definiert wird. Die krampfartig einschießenden<br />
Schmerzen in der Tiefe des Perineums dauern<br />
zumeist Sekunden bis zu wenigen Minuten.<br />
Bei der Beurteilung des Symptoms analer<br />
Schmerzen muss selbstverständlich die individuelle<br />
Beurteilung von Schmerzempfindungen<br />
mitberücksichtigt werden. Eine Quantifizierung<br />
und auch eine Klassifizierung der Schmerzen<br />
sind dabei nur bedingt möglich.<br />
Pruritus ani: Juckreiz und Brennen sind wie<br />
der Oberflächenschmerz ein Symptom der<br />
Schädigung des trockenen Epithels intraanal<br />
und perianal. Folgende anamnestische Fragen<br />
sind zu stellen:<br />
• Seit wann besteht das Problem?<br />
• Besteht es kontinuierlich oder mit<br />
• Unterbrechungen?<br />
19
20<br />
• Besteht eine Verbindung mit<br />
• der Stuhlentleerung?<br />
• Konsistenz des Stuhles?<br />
• Reinigungsgewohnheiten: Seife –<br />
• Feuchttücher – Salbenanwendung?<br />
• Neigung zum Kratzen?<br />
Hautprobleme sind in der perianalen Region<br />
deswegen häufig, weil sie wechselnden mechanischen<br />
und chemischen Reizen ausgesetzt ist.<br />
Die Krankheitsursachen, die in der Perianalregion<br />
einen Juckreiz auslösen können, lassen<br />
sich in zwei Gruppen unterteilen. Zum einen<br />
kann der Juckreiz im Rahmen einer lokalen<br />
Dermatose als primäres Krankheitssymptom<br />
entstehen, zum anderen entsteht der Juckreiz<br />
aber häufiger als sekundäres Symptom einer<br />
Affektion der perianalen Haut aufgrund einer<br />
proktologischen Erkrankung bzw. Funktionsstörung<br />
des Analorgans. Hier führt die Funktionsstörung<br />
zu einer Besiedlung der perianalen Haut<br />
mit Darmbakterien, deren Metaboliten einen<br />
lokalen Reiz auslösen. Gleichzeitig versteht<br />
es sich von selbst, dass die Störung der Kontinenzfunktion<br />
zu Schleimabgängen aus dem<br />
After führen kann, der die perianale Haut mazeriert<br />
und als Symptom einen lokalen Juckreiz<br />
auslöst. Nässende Wunden oder sezernierende<br />
Fistelöffnungen führen in ihrer unmittelbaren<br />
Umgebung zum gleichartigen Beschwerdebild.<br />
Der Hautkontakt zwischen den Nates vermag<br />
im weiteren größere Hautareale in gleicher<br />
Weise zu schädigen und die Symptomatik des<br />
Juckreizes zu verschlimmern. Diese sekundär<br />
ausgelösten Formen des Juckreizes stellen also<br />
eine Reaktionsweise der perianalen Haut auf<br />
Feuchtigkeit und in der Feuchtigkeit gelöste<br />
Reizstoffe dar.<br />
Häufige Ursachen des primären Juckreizes<br />
sind die Formen des generalisierten Ekzems, die<br />
auch in der Perianalregion auftreten können<br />
(atopisches Ekzem), sowie die Psoriasis. Eine<br />
Kontaktdermatitis, etwa nach der topischen<br />
Anwendung eines Lokalanästhetikums oder<br />
anderer allergisierender Substanzen, findet<br />
sich etwa gleich häufig. Perianale Affektionen<br />
sexuell übertragbarer Krankheiten (Condylomata<br />
acuminata) können ebenfalls als primäre<br />
Ursachen eines Juckreizes in Frage kommen.<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
Insgesamt sind diese Ursachen des Juckreizes<br />
aber selten und treffen nur bei etwa 10 % der<br />
symptomatischen Patienten zu.<br />
In der überwiegenden Zahl der Fälle wird<br />
der Juckreiz als ein sekundäres Phänomen<br />
ausgelöst durch eine lokale Schädigung der<br />
Haut auf dem Weg über ein irritativ-toxisches<br />
Analekzem aufgrund einer analen Erkrankung.<br />
Hier kann gelegentlich eine Pilzbesiedlung<br />
ebenfalls als sekundäres Phänomen nachgewiesen<br />
werden, da diese Infektionen auch<br />
durch das feuchte Milieu begünstigt werden.<br />
Die <strong>Therapie</strong> richtet sich auf die ursächliche<br />
Erkrankung. Eine antimykotische <strong>Therapie</strong> kann<br />
nicht dauerhaft erfolgreich sein, wenn es sich<br />
um eine sekundäre Besiedlung handelt.<br />
Die <strong>Therapie</strong> des ‚Juckreizes’ richtet<br />
sich vornehmlich auf die ursächliche Erkrankung<br />
und nicht nur auf das hierdurch<br />
ausgelöste Symptom.<br />
Selbstverständlich kann der Juckreiz auch<br />
Symptom einer psychogenen Reaktionsweise<br />
mit Fixierung auf den analen Bereich sein.<br />
Bevor jedoch eine Klassifizierung als »Pruritus<br />
sine materia« erfolgt, sollten alle in Frage<br />
kommenden Ursachen abgeklärt sein.<br />
Zur Differentialdiagnostik scheint es aus<br />
chirurgischer Sicht bedeutsam, neben den<br />
typischen, häufigen analen Erkrankungen wie<br />
Fissur, Fistel oder Hämorrhoidalleiden auch die<br />
selteneren Problembereiche der beginnenden<br />
analen Kontinenzstörung, etwa auf dem Boden<br />
von Prolapserkrankungen oder sonstigen<br />
Gefügestörungen des Beckenbodens, sicher<br />
auszuschließen. Die beginnende Störung der<br />
Kontinenz kann der oberflächlichen klinischen<br />
Diagnostik entgehen, und sie kann überdies<br />
dem Patienten nicht als echte Störung des<br />
Verschlussorgans bewusst sein. Es kann aber<br />
durchaus in diesem Stadium bereits zu einer<br />
vermehrten Sekretion aus dem Analkanal kommen<br />
mit entsprechender lokaler Beeinflussung<br />
der perianalen Haut. In der weiteren Differentialdiagnostik<br />
lassen sich die primären Ursachen<br />
des Juckreizes mikrobiologisch, serologisch<br />
oder mikroskopisch (z. B. Wurmeier, Oxyuren)<br />
nachweisen.
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
Vorwölbung / Gewebsvorfall: Einen Prolaps<br />
von Anoderm, Hämorrhoidalgewebe oder<br />
Rektummukosa beschreibt der Patient häufig<br />
zunächst mit Problemen bei der Analhygiene<br />
durch Nachschmieren oder ständiges Nässen.<br />
Weiterhin wird oft von einem Stuhldranggefühl<br />
berichtet. Zu erfragen sind folgende<br />
Begleiterscheinungen im Zusammenhang mit<br />
einem Prolaps:<br />
• Wann erstmalig bemerkt?<br />
• Wie oft und wie lange bestehend?<br />
• Welche Größe hat der Vorfall?<br />
• Zusammenhang mit der Stuhlentleerung?<br />
• Spontan rückläufig?<br />
• Digital zu reponieren?<br />
• Vorfall aus dem After, aus der Scheide,<br />
• oder aus beiden Körperöffnungen?<br />
• Behinderung der Darmentleerung<br />
• durch den Vorfall?<br />
• Darmentleerung nicht komplett möglich?<br />
• Manueller Gegendruck erforderlich?<br />
• Behinderung der Miktion?<br />
Der Rektumprolaps ist dem Patienten unter<br />
Umständen bewusst, lange bevor er ständig<br />
eventriert ist. Die anamnestische Angabe eines<br />
Vorfalls muss Anlass geben, den Patienten in<br />
Hockstellung auf der Toilette pressen zu lassen.<br />
Das exakte Ausmaß eines Vorfalls (Hämorrhoidal-<br />
oder Rektumprolaps) ist häufig erst<br />
in dieser physiologischen Defäkationshaltung<br />
beurteilbar. Ein Vorfall aus der Vagina aufgrund<br />
einer Rektozele kann ein erhebliches Defäkationshindernis<br />
darstellen, sodass die betroffenen<br />
Frauen die Entleerung nur durch manuellen<br />
Gegendruck erreichen können.<br />
Ein manifester Rektumprolaps kann oft<br />
nur in physiologischer Defäkationshaltung<br />
erkannt und beurteilt werden.<br />
Stuhlgewohnheiten: Zur Abklärung von Stuhlgewohnheiten<br />
und Defäkationsverhalten sollten<br />
die folgenden Punkte im Rahmen der Anamneseerhebung<br />
abgefragt werden:<br />
• Wie häufig erfolgt die Entleerung<br />
• normalerweise?<br />
• Wie ist die Konsistenz?<br />
• Verändern sich Frequenz und Konsistenz?<br />
• Hat sich in der letzten Zeit eine<br />
• Änderung ergeben?<br />
• Erfordernis von Laxantien oder Klistieren<br />
• bzw. Einläufen?<br />
• Notwendigkeit des Pressens?<br />
• Entleerung schmerzhaft?<br />
• Entleerung mit Blutungen?<br />
Wesentlicher Bestandteil der Anamneseerhebung<br />
ist die Klärung der Stuhlgewohnheiten<br />
bzw. des Defäkationsverhaltens. Kurzfristige<br />
Änderungen der Stuhlgewohnheiten sowie<br />
paradoxe Diarrhoen bzw. der Wechsel der<br />
Konsistenz (Warnsymptome!) können für eine<br />
Obstruktion im linken Kolon oder Rektum sprechen.<br />
Ein stetiger Wechsel von Diarrhoen und<br />
Obstipation eventuell verbunden mit Schmerzen<br />
vor der Entleerung können auf einen Reizdarm<br />
hinweisen. Stuhlentleerungsstörungen mit<br />
vermehrtem Pressen oder frustranen Pressversuchen<br />
können auf eine mangelhafte Rektumfüllung<br />
vor der Einleitung der Defäkation<br />
hinweisen oder durch einen Entleerungsdrang<br />
bei einem Rektum- oder Hämorrhoidalprolaps<br />
verursacht sein.<br />
Zusammenfassend werden also im Wesentlichen<br />
die folgenden anamnestischen Angaben<br />
verwertet:<br />
• Blutung<br />
• Schmerzen<br />
• Juckreiz<br />
• Nässen/Ausfluss<br />
• Schwellung/Tumor<br />
• Vorfall<br />
• Stuhlfrequenz / -konsistenz<br />
• Beginn und Dauer der Symptome<br />
• Defäkationsverhalten<br />
• Kontinenzverhalten<br />
• Voroperationen<br />
Körperliche Untersuchung<br />
Die körperliche Untersuchung beginnt mit der<br />
Entkleidung des Patienten. Der Untersucher<br />
kann dabei unter Umständen aus der Ver-<br />
21
22<br />
��<br />
schmutzung der Unterwäsche bereits auf eine �������<br />
anale Inkontinenz oder eine sekretfördernde<br />
Analfistel rückschließen. Es ist somit wichtig,<br />
auch diesen Beginn der körperlichen Untersuchung<br />
zu beobachten.<br />
Wegen des engen Zusammenhangs der<br />
analen Erkrankungen mit höher im Darm<br />
gelegenen Störungen beginnt jede körperliche<br />
Untersuchung mit der Palpation des Abdomens.<br />
Dabei ist auf Narben nach früheren<br />
Darmoperationen zu achten sowie auf tastbare<br />
Resistenzen oder etwa Hernien. Tastbare Re-<br />
sistenzen treten nicht nur als Folge maligner<br />
Erkrankungen auf, sondern gelegentlich auch<br />
als Walze im linken Unterbauch bei einer Sigmadivertikulitis<br />
oder als druckschmerzhafter<br />
Konglomerattumor bei chronisch-entzündlichen<br />
Darmerkrankungen.<br />
Nach dieser allgemeinen körperlichen<br />
Untersuchung des Patienten erfolgt die Lagerung<br />
in die für die vorgesehene proktologische<br />
Untersuchung gewünschte Position. Untersuchungen<br />
sind sowohl in Knie-Ellenbogenlage,<br />
in Linksseitenlage als auch in Steinschnittlage<br />
möglich. Egal in welcher Position die Unter-<br />
suchung durchgeführt wird, ist für die weitere<br />
Befunderhebung in der perianalen Region und<br />
auch intraanal neben der Beschreibung eine<br />
exakte Lokalisationangabe erforderlich. Es hat<br />
sich bewährt, die Orientierung am Anus analog<br />
zur Uhr vorzunehmen und die Stundenangaben<br />
unabhängig von der Untersuchungsposition so<br />
zu beziehen, dass die Angabe »sechs Uhr« immer<br />
in Richtung auf die Steißbeinspitze hin zu sehen<br />
ist. Auf diese Weise entfällt die zusätzliche<br />
Angabe der jeweiligen Untersuchungsposition.<br />
Die Angabe ‚6 Uhr’ ist unabhängig<br />
von der Lagerung des Patienten und bezeichnet<br />
immer die Position in Richtung<br />
Steißbeinspitze.<br />
Inspektion<br />
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�������<br />
Die Inspektion des Anus ergibt nicht selten<br />
eine »prima-vista«-Diagnose. Adäquate Lichtverhältnisse<br />
sind besonders zur Diagnose von<br />
Hautveränderungen unabdingbar. Die peri-<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
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Abb. 3-1 Lagerung zur proktologischen Untersuchung<br />
(schematisch): Steinschnittlage, Linksseitenlage, Knie-<br />
Ellenbogenlage<br />
anale Thrombose ist sicherlich die häufigste<br />
per Inspektion nachweisbare Analerkrankung.<br />
Zahlreiche Analabszesse werden ebenfalls bereits<br />
bei der Inspektion an den typischen Zeichen<br />
der Rötung und Vorwölbung erkannt.<br />
Eine solitär gelegene Fistelöffnung läßt auf<br />
ein typisches Analfistelsystem schließen. Der<br />
Sichtbefund mehrerer äußerer Öffnungen lenkt<br />
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3 Koloproktologische Diagnostik<br />
hingegen den Verdacht eher in Richtung eines<br />
perianalen Fistelsystems auf dem Boden einer<br />
Akne inversa oder unter Umständen auch auf<br />
ein atypisches Fistelsystem bei M. Crohn. Die<br />
Akne inversa läßt sich diagnostisch weiter absichern,<br />
wenn sich gleichzeitig Aknemanifestationen<br />
im Gesicht und in den Achselhöhlen<br />
bzw. am Körperstamm finden. Als eine weitere<br />
relativ häufige Blickdiagnose sind Condylomata<br />
acuminata zu erwähnen. Verziehungen<br />
des Afters aus der Mittellinie liefern Hinweise<br />
z. B. auf eine traumatische Sphinkterverletzung.<br />
Schließlich können durch die Aufforderung<br />
zum aktiven Kneifen oder Pressen bereits<br />
verschiedene Prolapsformen, wie Anal-, Hämorrhoidal-<br />
oder Rektumprolaps differenziert<br />
werden.<br />
Gute Lichtverhätnisse sind Voraussetzung<br />
für eine adäquate proktologische<br />
Untersuchung.<br />
Palpation<br />
Nach der Inspektion schließt sich die digitale<br />
Untersuchung des Analkanals an. Hierbei empfiehlt<br />
es sich, den gut mit einem Gleitmittel<br />
befeuchteten Finger vorsichtig einzuführen,<br />
um unnötige Schmerzen für den Patienten zu<br />
vermeiden. Sinnvoll ist das vorsichtige Umkreisen<br />
der äußeren Analöffnung, um hierdurch<br />
die gesamte Zirkumferenz mit dem Gleitmittel<br />
zu befeuchten.<br />
Bei der digitalen Untersuchung des Analkanals<br />
lassen sich neben der Funktionsfähigkeit<br />
der Schließmuskulatur auch intramurale Tumoren<br />
oder Läsionen im Bereich des Anoderms<br />
gut beurteilen. Zur sicheren Abklärung der<br />
Funktionsfähigkeit der Schließmuskulatur ist<br />
es erforderlich, die Muskulatur unter unterschiedlichen<br />
Funktionsbedingungen der Ruhe,<br />
der Kontraktion und evtl. auch beim Pressen zu<br />
beurteilen. Zunächst wird der Tonus in Ruhe<br />
beurteilt, der im Rahmen eines Fissurgeschehens<br />
nicht selten erhöht ist. In diesen Fällen<br />
gelingt es nur schwer, mit dem Finger in den<br />
Analkanal einzudringen. Unter Umständen<br />
besteht als Spätfolge eines Fissurleidens eine<br />
narbige Stenosierung im Bereich des unteren<br />
Analkanals. Anschließend wird der Patient<br />
aufgefordert, aktiv zu kneifen. Hierbei kann mit<br />
dem eingelegten Finger die Funktionsfähigkeit<br />
der willkürlich agierenden quergestreiften Muskulatur<br />
beurteilt werden. Bei entsprechender<br />
Übung läßt sich die Externusmuskulatur von<br />
der Puborektalisschlinge differenzieren, die<br />
in unterschiedlichem Maße geschwächt sein<br />
können. Die Puborektalisschlinge entspricht<br />
der Muskelportion, auf die der gebeugte Zeigefinger<br />
aufgelegt werden kann, wenn er bei<br />
der Austastung des oberen Analkanal nach<br />
dorsal zeigt. Eine diffuse Schwächung der<br />
Muskulatur über allen Portionen ist dabei von<br />
einer umschriebenen narbigen Defektbildung<br />
abzugrenzen. Im ersten Fall kann man durch<br />
Zug mit dem eingelegten Finger – in Richtung<br />
nach dorsal oder nach den Seiten – den Anus<br />
neben dem eingeführten Finger zum Klaffen<br />
bringen. Im anderen Fall läßt sich der narbige<br />
Defekt entweder als Induration oder bei der<br />
Aufforderung zur Kontraktion als nicht agierender<br />
Anteil der Zirkumferenz des Muskels tasten.<br />
Gleichzeitig ist hierbei natürlich auf äußerlich<br />
erkennbare Narbenbildungen zu achten, die<br />
auf einen Zusammenhang der Inkontinenz mit<br />
früheren Verletzungen oder Operationen schließen<br />
lassen. Beim Fehlen einer Narbenbildung<br />
drängt sich der Verdacht einer neurogenen<br />
Schwächung der Muskulatur auf.<br />
Mit dem tastenden Finger können auch<br />
ventrale Rektozelen gut diagnostiziert werden,<br />
wobei dann der Finger das Septum rectovaginale<br />
oberhalb der Sphinktermuskulatur in<br />
die Vagina vorwölbt. Die Austastung erlaubt<br />
zusätzlich, Rauhigkeiten oder höckrige Vorwölbungen<br />
im Bereich des Analkanals oder<br />
des unteren Rektums zu ertasten, so etwa eine<br />
Analfissur bzw. den indurierten Rand dieser<br />
Fissur. Tiefsitzende Rektumkarzinome oder<br />
Rektumpolypen sind digital nachweisbar, wobei<br />
die letzteren aufgrund der weichen Konsistenz<br />
gelegentlich mit dem Finger »übersehen« werden.<br />
Hämorrhoiden sind normalerweise nicht<br />
tastbar. Thrombosierte Hämorrhoidalknoten<br />
können aber ähnlich den Analfibromen in der<br />
Höhe der Linea dentata ertastet werden. Alle<br />
digital erhobenen Befunde sollten entsprechend<br />
23
24<br />
der Lokalisation auf dem Zifferblatt der Uhr<br />
und in ihrer Höhenangabe festgehalten werden.<br />
Bei Muskeldefekten kann man aufgrund der<br />
digitalen Austastung in etwa die Defektgröße<br />
abschätzen.<br />
Rektoskopie<br />
Unter den instrumentellen Untersuchungen<br />
gelten zumindest die starren endoskopischen<br />
Untersuchungen – die Rektosigmoidoskopie<br />
und Proktoskopie – als unersetzliche Routineuntersuchungen.<br />
Die flexiblen Instrumente<br />
werden eher im Sinne einer weitergehenden<br />
Diagnostik bei Problemfällen eingesetzt.<br />
Die Rektoskopie sollte nach Applikation<br />
eines Einmalklysmas und anschließender Entleerung<br />
durchgeführt werden. Damit wird<br />
üblicherweise eine völlige Reinigung des Darmes<br />
über die gesamte Gerätelänge von 30 cm<br />
erzielt. Bei dieser starren Untersuchung sollte<br />
eine Untersuchungshöhe von mindestens 15<br />
cm ab Linea anocutanea erreicht werden. So<br />
ist zumindest das gesamte Rektum starr untersucht.<br />
Die vollständige Gerätelänge von<br />
30 cm läßt sich aufgrund der Knickbildung<br />
des rektosigmoidalen Übergangsbereiches oft<br />
nicht ausnutzen. Zur ausschließlichen endoskopischen<br />
Untersuchung empfiehlt sich ein<br />
schmallumiges Instrument (Durchmesser 16<br />
mm), das beim etwaigen Nachweis eines Polypen<br />
schnell zur Biopsie gegen ein dickeres<br />
Instrument (Durchmesser 20 mm) ausgetauscht<br />
werden kann. Die Routine-PE aus dem Rektum,<br />
sofern erforderlich, sollte im Bereich der<br />
Hinterwand des Rektums entnommen werden,<br />
da es präsakral seltener zu einer freien Perforation<br />
kommt.<br />
Besonders bei Tumoren im distalen Rektum<br />
ist die starre Rektoskopie der flexiblen Untersuchung<br />
vorzuziehen, da hierdurch genauer<br />
der Abstand zur Linea dentata und die Lage<br />
des Tumors beurteilt werden können.<br />
Proktoskopie<br />
Die Proktoskopie erreicht eine Übersicht über<br />
den analen Kanal und das untere Rektum. Sie<br />
sollte zweckmäßigerweise nach der Rektoskopie<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
durchgeführt werden, da unter diesen Bedingungen<br />
das Rektum bereits entfaltet ist. Zum<br />
anderen kann über das offene Proktoskop ein<br />
Teil der Luft entweichen, was dem Patienten<br />
Erleichterung bereitet.<br />
Proktoskope werden in zwei Ausführungen<br />
angeboten: einmal als sogenanntes Fensterproktoskop<br />
mit einer seitlichen Öffnung bei<br />
geschlossener Spitze (Proktoskop nach BLOND<br />
oder MORGAN-BOEHM) und zum anderen als<br />
vorne offenes Proktoskop. Letzteres kann entweder<br />
vorne gerade (Proktoskop nach MORGAN<br />
oder LOCKHART-MUMMERY) oder angeschrägt<br />
(Proktoskop nah LLOYD-DAVIES oder ANDER-<br />
SON) sein.<br />
Das seitlich offene Fensterproktoskop bietet<br />
Vorteile bei der Sklerosierungstherapie, während<br />
das vorne offene Proktoskop eine gute Übersicht<br />
für Biopsien oder beispielsweise die Hämorrhoidenbehandlung<br />
mit elastischen Ligaturen bietet.<br />
Auch kann im Rahmen einer Funktionsproktoskopie,<br />
also nach Aufforderung zum Pressen,<br />
ein interner Rektumprolaps oder ein Prolaps<br />
der vorderen Rektumwand ggf. verbunden mit<br />
einem Ulcus simplex recti sehr gut mit dem<br />
vorne offenen Proktoskop beurteilt werden.<br />
Rektoskopie und Proktoskopie sind immer<br />
in Ergänzung zur digitalen Untersuchung und<br />
äußeren Inspektion erforderlich. Der entscheidende<br />
Vorteil dieser Untersuchungsmethoden<br />
ist ihre leichte Verfügbarkeit und gefahrlose<br />
Handhabung. Wesentliches Ergebnis der starren<br />
endoskopischen Untersuchung ist eine Überprüfung<br />
der digital erhobenen Befunde mit kleinen<br />
Zusatzinformationen aus dem digital nicht mehr<br />
erreichbaren Bereich. Es ist ohne weiteres möglich,<br />
dass ein Adenom ohne Entartung aufgrund<br />
der Weichheit des Gewebes auch dem geübten<br />
Untersucher bei der Tastung entgeht. Auch bei<br />
einer so klassischen »Blickdiagnose« wie den<br />
Condylomata acuminata ist die instrumentelle<br />
Untersuchung obligat. Die Kondylome können<br />
bekanntermaßen auch intraanal wachsen. Das<br />
Rezidiv ist programmiert, wenn diese intraanalen<br />
Läsionen nicht mitentfernt werden.<br />
Der zusätzliche Einsatz eines Spreizspekulums<br />
kann in besonderen Fällen die Übersicht<br />
im unteren analen Kanal verbessern.<br />
Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass bei
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
Verwendung dieses Instruments ein Segment<br />
des Analkanals komplett von innen bis nach<br />
außen eingestellt wird und so kleine operative<br />
Eingriffe erleichtert werden, wie etwa die<br />
Abtragung eines Analfibroms.<br />
Die Basisdiagnostik im Rahmen der<br />
proktologischen Untersuchung besteht aus<br />
Anamnese, Inspektion, Palpation, Rektoskopie<br />
und Proktoskopie.<br />
Erweiterte Diagnostik<br />
Besondere Fragestellungen ergeben sich immer<br />
dann, wenn für die vom Patienten angegebenen<br />
Beschwerden im Rahmen der bisher skizzierten<br />
Untersuchungen kein adäquates Korrelat gefunden<br />
werden konnte. Die besonderen Fragestellungen<br />
engen sich auf zwei Problemkreise<br />
ein, und zwar zum einen den Verdacht einer<br />
malignen Erkrankung weiter proximal im<br />
Darm und zum anderen einer benignen, d. h.<br />
einer chronisch-entzündlichen oder auch funktionellen<br />
Darmerkrankung.<br />
Koloskopie<br />
Die hohe Koloskopie stellt heute das Verfahren<br />
der ersten Wahl zur Beurteilung der Schleimhautbeschaffenheit<br />
des Kolons dar. Für den<br />
Ausschluss einer malignen Darmerkrankung<br />
gilt, dass die peranale Blutung bis zur sicheren<br />
Abklärung des gesamten unteren Darmtrakts<br />
als potentiell durch ein Karzinom bedingt<br />
anzusehen ist. Hieraus folgt, dass bei der Abklärung<br />
einer analen Blutung nach erfolgter<br />
Rektoskopie oder auch partiellen flexiblen<br />
Koloskopie mit negativem Ergebnis die Diagnostik<br />
nicht beendet ist. Die totale Koloskopie<br />
kann heute als das Verfahren der ersten Wahl<br />
hierzu angesehen werden. Gleichzeitig kann<br />
die diagnostische Maßnahme der Koloskopie<br />
jederzeit etwa durch eine Polypektomie zu<br />
einer therapeutischen Maßnahme ausgeweitet<br />
werden. Weitere Indikationen zur Durchführung<br />
einer Koloskopie sind Obstipation, Diarrhoe,<br />
abdominelle Schmerzen und Verlaufs- und<br />
Indikationen zur Durchführung Tafel 3-1<br />
einer Koloskopie<br />
• peranale Blutung<br />
• positiver Hemofec<br />
• Obstipation<br />
• abdominelle Schmerzen<br />
• Verlaufs- und <strong>Therapie</strong>kontrolle<br />
bei CEDE<br />
• Kontrolluntersuchung nach kolorektalen<br />
Neoplasien<br />
<strong>Therapie</strong>kontrollen bei chronisch entzündlichen<br />
Darmerkrankungen.<br />
Die Koloskopie und koloskopische Polypektomie<br />
kann eine Prophylaxe des kolorektalen<br />
Karzinoms sichern. Aus diesem Grund wurde<br />
in Deutschland zum letzten Quartal 2002 die<br />
Vorsorge-Koloskopie eingeführt. Berechtigt<br />
sind sozialversicherte Personen, die das 55.<br />
Lebensjahr vollendet haben. Eine zweite Untersuchung<br />
ist 10 Jahre später vorgesehen. Ein<br />
solches Programm gibt es derzeit weltweit nur<br />
in Deutschland.<br />
Die Vorsorge-Koloskopie ist als Screening-<br />
Untersuchung bei asymptomatischen Personen<br />
mit durchschnittlichem Risiko der Entwicklung<br />
eines kolorektalen Karzinoms vorgesehen.<br />
Das sind etwa 75% der Patienten mit einem<br />
kolorektalen Karzinom. Bei den restlichen<br />
25% entwickelt sich das Karzinom aufgrund<br />
besonderer Risiken (hereditäre Karzinome,<br />
chronische entzündliche Darmerkrankungen),<br />
so dass hierbei auch besondere Strategien zur<br />
Vorsorge verfolgt werden müssen.<br />
Die Rationale des Früherkennungsprogramms<br />
ist die Tatsache, dass sich bis zu 90%<br />
der Karzinome aus Adenomen als benignen<br />
Vorstufen entwickeln (Adenom-Karzinom-<br />
Sequenz, s.a. Kap. 16). Der Beginn der Untersuchung<br />
mit dem vollendeten 55. Lebensjahr<br />
erscheint als ein begründeter Kompromiss<br />
aufgrund der Altersverteilung der Karzinomerkrankung<br />
und der Beobachtung, dass die<br />
Entwicklung des Adenoms zum Karzinom etwa<br />
den Zeitraum einer Dekade beansprucht.<br />
25
26<br />
Die Gesamtkomplikationsrate bei der diagnostischen<br />
und therapeutischen Koloskopie ist<br />
mit 0,4% niedrig. Erreicht werden kann diese<br />
niedrige Komplikationsrate durch Beachten<br />
von Vorsichtsmaßnahmen, wie das Vorschieben<br />
nur bei freier Sicht, kein Vorschieben gegen<br />
Widerstand und Achten auf Kontraindikationen<br />
zur Koloskopie wie z. B. ischämische Nekrosen<br />
oder eine akute Divertikulitis. Die Blutung und<br />
die Perforation sind die Hauptkomplikationen,<br />
wobei die Rate jeweils bei den diagnostischen<br />
Koloskopien deutlich unter der bei therapeutischen<br />
Koloskopien liegt.<br />
Endosonographie<br />
Die Endosonographie des Anorektums hat<br />
einen festen Stellenwert in der Diagnostik,<br />
wobei sich 3 Indikationsbereiche festlegen<br />
lassen. Diese beinhalten die Beurteilung der<br />
Sphinktermuskulatur, die Detektion von Abszessen<br />
und Fisteln und die Beurteilung von<br />
Rektumtumoren und perirektalen Prozessen.<br />
Vorteil der Endosonographie ist die hohe Verfügbarkeit<br />
der Untersuchungsmethode, die<br />
geringe Patientenbelastung und durch die<br />
hohe Auflösung moderner Schallköpfe bis zu<br />
20 MHz die exakte Darstellung von Strukturen<br />
der Rektumwand, womit durch wenig<br />
invasive Mittel klare <strong>Therapie</strong>entscheidungen<br />
für den Patienten getroffen werden können.<br />
Bei unklaren septischen Prozessen kann eine<br />
Endosonographie intraoperativ dem Operateur<br />
richtungsweisende Hilfen geben, die direkt in<br />
den operativen Situs übertragbar sind.<br />
Anale Endosonographie: Die anale Endosonographie<br />
stellt ein ideales Verfahren zur Darstellung<br />
von Muskeldefekten dar. Der Sondendurchmesser<br />
beträgt heute weniger als<br />
2 cm. Durch die Möglichkeit einer axialen<br />
360°-Darstellung der Sphinktermuskultur können<br />
Defekte in Bezug auf Lage und Anatomie<br />
dargestellt werden. Epithel und subepithelialer<br />
Raum stellen sich als echodichte zirkuläre<br />
Zone dar. Der M. sphincter internus bildet<br />
sich als hypodenser Ring mit einer Stärke von<br />
ca. 2 mm, der M. sphincter ani externus als<br />
hyperdenser Ring ab. Die drei Portionen des<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
M. sphincter ani externus mit pars profunda,<br />
pars superficialis und pars subcutanea lassen<br />
sich endosonographisch nicht streng voneinander<br />
trennen. Die Puborektalisschlinge<br />
kann gut als ebenfalls hyperdense Struktur<br />
oberhalb des M. sphincter externus profundus<br />
dargestellt werden.<br />
Die Echogenität ändert sich besonders<br />
beim Internusmuskels mit dem Altern durch<br />
die Zunahme kollagener Fasern. Dies zeigt<br />
sich durch eine Zunahme der hyperdensen<br />
Strukturen beim endoanalen Ultraschall. Der<br />
Analkanal kann für die Endosonographie in<br />
drei Abschnitte eingeteilt werden. Im kranialen<br />
Abschnitt stellt sich die U- oder V-förmige<br />
Puborektalisschlinge mit dem oberen Anteil des<br />
M. sphincter ani externus profundus dar. Im<br />
mittleren Abschnitt findet sich der M. sphincter<br />
ani externus superficialis und der M. sphincter<br />
ani internus. Dessen unteres Ende markiert den<br />
Übergang in den unteren Abschnitt mit dem<br />
M. sphincter ani externus subcutaneus. Als geschlechtsspezifischer<br />
Unterschied verschmelzen<br />
bei der Frau im anterioren Anteil die pars profunda<br />
und die pars superficialis des M. sphincter<br />
externus und können so auch nicht in verschiedenen<br />
Etagen separat dargestellt werden.<br />
Durch eine anale Endosonographie<br />
lassen sich Defekte des M. sphincter ani<br />
internus und externus exakt nachweisen.<br />
Rektale Endosonographie: Die Endosonographie<br />
des Rektums nimmt besonders bei der<br />
Diagnostik rektaler Tumore und den daraus<br />
zu folgernden <strong>Therapie</strong>entscheidungen einen<br />
hohen Stellenwert ein. Es können sowohl die<br />
Eindringtiefe des Tumors als auch perirektale<br />
Lymphknoten und die mögliche Infiltration<br />
der Sphinktermuskulatur dargestellt werden.<br />
Bereits mit hochauflösenden 10 MHz-Sonden<br />
liegt bei erfahrenen Untersuchern die Sensitivität<br />
für die Detektion der Infiltrationstiefe weit<br />
über 90%, für die Detektion von perirektalen<br />
Lymphknoten über 80 %.<br />
Die Rektumwand zeigt endosonographisch<br />
einen typischen fünfschichtigen Aufbau, wobei<br />
sich hyperdense und hypodense Schichten<br />
abwechseln.
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
A B<br />
Abb. 3-2 Rektumwand<br />
(Endosonographischer Normalbefund im Detail)<br />
A Grenzschicht<br />
Sondenkopf / Mukosa<br />
B Mukosa /Submukosa<br />
C Grenzschicht<br />
Submukosa /M. propria<br />
C<br />
D<br />
E<br />
D M. propria<br />
E Grenzschicht<br />
M. propria /Serosa bzw.<br />
perirektales Fett<br />
Die innerste hyperdense Schicht stellt die Grenzschicht<br />
zwischen Schallsonde und Mukosa<br />
des Rektums dar. Zentrifugal folgt auf diese<br />
eine hypodense Schicht, welche der Mukosa<br />
und Submukosa des Rektums entspricht. Eine<br />
Differenzierung der Infiltration zwischen Mukosa<br />
und Submukosa ist mit hochauflösenden<br />
Sonden im Bereich von 20 MHz inzwischen<br />
möglich geworden. Die nächste, wieder hyperdense<br />
Schicht stellt die Grenze zwischen<br />
Submukosa und Muscularis propria dar. Dieser<br />
folgt dann als hypodense Schicht die eigentliche<br />
Lamina muscularis propria, deren Infiltration<br />
einem Tumorstadium T2 beim kolorektalen<br />
Karzinom entsprechen würde. Die nächste hyperdense<br />
Zone widerum stellt die Grenzschicht<br />
zwischen Muscularis propria und Serosa bzw.<br />
perirektalem Fett dar. Ein Durchbruch dieser<br />
Grenzschicht entspräche einem Tumorstadium<br />
T3 beim kolorektalen Karzinom.<br />
Die Endosonographie ist heute das diagnostische<br />
Mittel der Wahl zur Diagnostik von<br />
Infiltrationstiefe und Lymphknotenstatus des<br />
Rektumkarzinoms, wobei aufgrund dieser Befunde<br />
dann die Indikation zur neoadjuvanten<br />
<strong>Therapie</strong> oder auch lokalen Exzision z.B. beim<br />
uT1-Karzinom gestellt werden kann. Eine<br />
ähnlich hohe Auflösung wie der endorektale<br />
Ultraschall zeigt heute nur noch die Dünnschicht-MRT,<br />
die jedoch nicht flächendeckend<br />
zur Diagnostik zur Verfügung steht.<br />
Die rektale Endosonographie ist heute<br />
wesentliches Diagnostikum zur Entscheidung<br />
der <strong>Therapie</strong>modalitäten beim Rektumkarzinom.<br />
Anale Endosonographie bei Abszessen und<br />
Fisteln: Bei Abszessen, die durch eine klinische<br />
Untersuchung nicht exakt zu lokalisieren sind,<br />
hat die endoanale Sonographie inzwischen<br />
einen festen Stellenwert in der Diagnostik.<br />
Sie ist ein einfaches, kostengünstiges, schnell<br />
verfügbares Verfahren ohne Strahlenbelastung,<br />
welches den Patienten wenig kompromittiert<br />
und eine hohe Sensitivität zur Detektion von<br />
intersphinktären, retro- und ischiorektalen<br />
Abszessen besitzt. Als besonderer Vorteil stellt<br />
sich die Verfügbarkeit intraoperativ dar. Dies<br />
setzt voraus, dass der Chirurg selber mit der<br />
Untersuchungstechnik vertraut ist. Die Darstellung<br />
von Fistelgängen kann durch Instillation<br />
z. B. von H 2O 2 noch verdeutlicht werden. Besonders<br />
kleine, intersphinktäre Abszesse, die<br />
der klinischen und digitalen Untersuchung<br />
kaum zugänglich sind, können durch einen<br />
endoanalen Ultraschall nachgewiesen werden<br />
und so die Indikation zu einer operativen<br />
Versorgung gestellt werden. Weiterhin können<br />
bei komplexen Fisteln mit Abszedierungen die<br />
Ausbreitung der Fistel bzw. des Abszesses,<br />
z.B. bei Hufeisenfisteln bis auf die Gegenseite,<br />
mittels präoperativer Endosonographie verifiziert<br />
werden.<br />
Manometrie<br />
Der Wert der analen <strong>Dr</strong>uckmessung im Rahmen<br />
der Inkontinenzdiagnostik wird zumeist<br />
überschätzt. Ihr wird nachgesagt, dass sie die<br />
Funktion des Schließmuskelsystems objektiv<br />
abbilden könne. Dabei muss aber bedacht<br />
werden, dass es kein einheitliches Instrumentarium<br />
und keine »Normalwerüte« gibt, die<br />
27
28<br />
Abb. 3-3 Endosonographisches Bild eines<br />
Rektumkarzinoms (uT 3 )<br />
Abb. 3-4 Endosonographisches Bild eines<br />
intersphinktären Abszesses (A = Abszesshöhle)<br />
Inkontinenz oder Kontinenz belegen könnten.<br />
Die <strong>Dr</strong>uckmessung ist also abhängig vom<br />
jeweils verwendeten Instrumentarium, und<br />
jeder Untersucher muß seine eigenen Normwerte<br />
definieren. Ein einzelner Wert ist dabei<br />
diagnostisch wenig aussagekräftig. Sich<br />
ändernde Werte beispielsweise im Rahmen<br />
einer Übungsbehandlung sind bei gleichen<br />
Untersuchungsbedingungen aber im Sinne<br />
einer <strong>Therapie</strong>kontrolle verwertbar.<br />
<strong>Dr</strong>uckänderungen unter Reflexbedingungen<br />
sind dagegen ein wichtiges diagnostisches Kri-<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
terium. Bei Luftinsufflation ins Rektum sinkt<br />
der intraanale <strong>Dr</strong>uck, sofern das Reflexverhalten<br />
ungestört ist (Internusrelaxation). Das Fehlen<br />
des <strong>Dr</strong>uckabfalls ist beim M. Hirschsprung<br />
diagnostisch wegweisend. Insofern kommt der<br />
<strong>Dr</strong>uckmessung in der Diagnostik der Obstipation<br />
ein gewisser Stellenwert zu.<br />
Für die Durchführung stehen unterschiedliche<br />
Messsysteme zur Verfügung. Mikrotipkatheter<br />
erlauben eine elektronische, exakt<br />
reproduzierbare Messung bei einem relativ<br />
hohen Preis des Katheters. Preiswerter sind<br />
Messsysteme mit wassergefüllten Ballons oder<br />
offen perfundierte Katheter, wobei die letztgenannten<br />
ihre hohe Messgenauigkeit mit einem<br />
schwierigen Handling durch den Untersucher<br />
erkaufen. Verbreitet ist die Perfusionsmanometrie<br />
mittels eines 8-Kanal-<strong>Dr</strong>uckmessgerätes.<br />
Hierbei kann eine Vektor-Volumen-Manometrie<br />
erfolgen, die Asymmetrien des Sphinkterorgans<br />
aufgrund von Muskeldefekten bildlich darstellt.<br />
Diese Technik hat aber noch keinen definierten<br />
klinischen Wert erreicht und sich darum nicht<br />
flächendeckend als Standard etabliert.<br />
Für wissenschaftliche Fragestellungen ist<br />
eine <strong>Dr</strong>uckmessung im Kolorektum oberhalb<br />
des Analkanals zur Messung der Motilität<br />
entwickelt worden, die sog. Barostat-Motilitätsuntersuchung.<br />
Hierbei werden Tonus<br />
und phasische Kontraktionen der Darmwand<br />
fortlaufend registriert. Auch diese Messungen<br />
sind eher wichtig zur Klärung pathologischer<br />
Motilitätsmuster bei Problemen der Obstipation<br />
als bei einer Inkontinenz.<br />
Als Messparameter können mit Einkanal-<br />
Messsystemen (Sonde im Analkanal) erfasst werden:<br />
• Ruhedruck als Ausdruck der<br />
• Internusfunktion<br />
• Sphinkterdruckprofil in Ruhe,<br />
• bestimmbar mittels Duchzugsmanometrie<br />
• als Ausdruck der Analkanallänge und<br />
• der Lokalisation der Hochdruckzone<br />
• Max. Kneifdruck als Ausdruck<br />
• der Externusfunktion<br />
Für die weiteren Messungen sind Zweikanal-<br />
Messsysteme (Sonden im Rektum und Analkanal)<br />
erforderlich.
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
• <strong>Dr</strong>uckverlauf beim Husten (Stressinkon-<br />
tinenztest). Stressinkontinenz liegt vor,<br />
• wenn der Rektumdruck den Analkanal-<br />
• druck übersteigt.<br />
• <strong>Dr</strong>uckverlauf beim Pressen (Defäkations-<br />
• test). Ruhedruck nimmt ab um etwa 50%.<br />
• Ggf. Hinweis auf Koordinationsstörung.<br />
• <strong>Dr</strong>uckverlauf bei Rektumdehnung.<br />
• Senkung des Analkanaldrucks fehlt bei<br />
• M. Hirschsprung.<br />
• Bestimmung der sensorischen Schwellen<br />
• (rektale Perzeption, Stuhldrangvolumen,<br />
• maximal tolerierbares Volumen), Bei<br />
• verminderter Perzeption kann eine Internus-<br />
• relaxation vor der wahrgenommenen<br />
• Stuhlfüllung erfolgen (Überlaufinkontinenz).<br />
• Die Perzeption und das Stuhldrangvolu-<br />
• men können erhöht sein bei neurogener<br />
• Schädigung bei Diabetes oder Multipler<br />
• Sklerose. Das maximale tolerierbare<br />
• Volumen ist herabgesetzt bei viszeraler<br />
• Hyperalgesie oder bei eingeschränkter<br />
• rektaler Compliance. Die Compliance der<br />
• Rektumwand ist definiert als der<br />
• Quotient <strong>Dr</strong>uck/Volumen im Rektum.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der<br />
anale Ruhedruck und der Kneifdruck als Maß<br />
für die muskuläre Kontraktionskraft des Sphinkterapparates<br />
gelten können. Die Beurteilung der<br />
neurogenen Reflexabläufe durch Husten- und<br />
Pressversuch, die Internusrelaxation und die<br />
Überprüfung der Sensibilität sowie der Rektumcompliance<br />
erlauben gewisse Rückschlüsse<br />
auf die Ätiopathogenese einer Störung des<br />
Kontinenzapparates. Die <strong>Dr</strong>uckmessung liefert<br />
aber nur einen diagnostischen Baustein, der<br />
durch andere Maßnahmen wie Endoskopie,<br />
Endosonographie, röntgenologische Bildgebung<br />
und neurophysiologische Tests weiter<br />
abgesichert werden muss.<br />
Die Wertigkeit der Manometrie in der<br />
Diagnostik der Inkontinenz wird generell<br />
überschätzt. Ihr Stellenwert liegt eher in<br />
der Verlaufskontrolle der <strong>Therapie</strong>.<br />
Neurologische Diagnostik<br />
Die klinische Funktionsprüfung des Kontinenzapparates<br />
untersucht in erster Linie die motorische<br />
Aktivität der quergestreiften Muskulatur<br />
(Ruhetonus, aktive Kontraktion). Gleichzeitig<br />
kann aber auch durch einfache Bestimmung<br />
des Analreflexes ein Hinweis auf das reflexive<br />
Verhalten der Muskulatur gewonnen werden.<br />
Änderungen des intraanalen <strong>Dr</strong>ucks lassen<br />
weitere Reflexfunktionen nachvollziehen, z.B.<br />
die Frage der fehlenden Internusrelaxation beim<br />
M. Hirschsprung. Aufwändig sind Prüfungen<br />
der Sensibilität des Anoderms, die insbesondere<br />
als Messung von Temperaturunterschieden<br />
entwickelt wurden. Mit neurophysiologischen<br />
Methoden ist eine exakte und quantifizierbare<br />
Beurteilung der Kontinenzleistung möglich. Die<br />
unterschiedlichen Techniken und die Interpretation<br />
der Ergebnisse sind für den Proktologen<br />
wissenswert.<br />
Ableitung des EMG mit Oberflächenelektroden:<br />
Verwendet werden Klebeelektroden oder Plugelektroden.<br />
Gemessen wird immer die globale<br />
elektrische Aktivität aller Beckenbodenmuskeln.<br />
Man muss einkalkulieren, dass der Patient beispielsweise<br />
die auxiliäre Glutealmuskulatur mit<br />
anspannt. Dies kann jedoch klinisch beobachtet<br />
und somit berücksichtigen werden.<br />
Die Methode ist nicht invasiv, birgt somit<br />
keine Infektionsgefahr. Sie ist sehr gut geeignet<br />
zur <strong>Therapie</strong>kontrolle bei der Biofeedbacktherapie.<br />
Es ist aber nicht möglich, Potentiale motorischer<br />
Einheiten zu beurteilen. Die Methode<br />
ist nicht gut geeignet zur Abklärung eines<br />
Anismus. Man findet gehäuft falsch-positive<br />
Ergebnisse, da M. sph. ani externus und M.<br />
puborectalis zusammen erfasst werden.<br />
Das Oberfächen-EMG erlaubt eine Beurteilung<br />
der globalen elektrischen Aktivität<br />
der Sphinktermuskulatur.<br />
Ableitung des EMG mit der konzentrischen<br />
Nadelelektrode: Diese Form des EMG stellt<br />
die Standardmethode zur neurologischen<br />
Beurteilung der quergestreiften Muskulatur<br />
29
30<br />
dar. Es gelingt der Nachweis einer myogenen<br />
Schädigung, eines Muskeldefekts und auch<br />
einer neurogenen Schädigung. Die neurogene<br />
Schädigung stellt die häufigste Ursache einer<br />
analen Inkontinenz dar.<br />
Bei einer neurogenen Schädigung kann<br />
durch die Einzelpotentialanalyse und die Beurteilung<br />
des Aktivitätsmusters die Schädigung<br />
nachgewiesen oder ausgeschlossen werden;<br />
sie kann quantifiziert werden und es kann<br />
zwischen einem floriden und chronischen<br />
Stadium der Schädigung unterschieden werden.<br />
Diese Fragestellungen sind insbesondere bei<br />
der Begutachtung nach Becken- oder Wirbelsäulenverletzungen<br />
von Bedeutung.<br />
Die Untersuchung ist invasiv. Man muss<br />
nach Hautdesinfektion die Nadel perkutan<br />
vorschieben. Dabei besteht die Gefahr einer<br />
Kontamination, z.B. Induktion einer Fistel und<br />
der Auslösung einer Blutung. Die Muskulatur<br />
wird unter unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />
in Ruhe, bei maximaler Willkürinnervation<br />
und beim Pressen untersucht sowie unter<br />
Reflexbedingungen, sodass die Untersuchung<br />
auch einen längeren Zeitraum beansprucht.<br />
• Bewertet werden bei der Einzel-<br />
• potentialanalyse folgende Parameter:<br />
• die Amplitude<br />
• die Potentialdauer<br />
• die Phasenzahl (ab 4 Phasen =<br />
polyphasisches Potential)<br />
Polyphasische Potentiale sind Reinnervationsphänomene.<br />
Sie entstehen dadurch, dass denervierte<br />
Muskelfasern durch benachbarte<br />
Axone reinnerviert werden.<br />
In der Standarduntersuchung sollen 20<br />
Potentiale an unterschiedlichen Positionen<br />
abgeleitet werden. Normal ist eine Dauer von<br />
2 – 8 msec. und eine Amplitude von 0,3 bis 1,5<br />
mVolt bei einer Polyphasierate von nicht mehr<br />
als 20%. Die Befundinterpretation erfordert eine<br />
besondere neurophysiologische Erfahrung.<br />
Bewertet wird auch das Maximalmuster<br />
der Potentiale bei kräftiger Willkürinnervation.<br />
Hierbei kommt es zur Überlagerung von Potentialen<br />
(Interferenz). Das dabei entstehende<br />
Interferenzmuster kann bei neurogener Schädi-<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
gung als pathologisch (»gelichtetes Interferenzmuster«)<br />
bewertet werden. Beim Pressen kommt<br />
es normalerweise zur Aktivitätshemmung.<br />
Beim Muskeldefekt kann mit der Nadelelektrode<br />
unter der Narbe nach Muskelaktivität<br />
gesucht werden und so eine Landkarte<br />
des Defekts (mapping) erstellt werden. Hierzu<br />
sind immer mehrere schmerzhafte Einstiche<br />
erforderlich, sodass diese Untersuchung mit<br />
Recht durch die Endosonographie vollkommen<br />
verdrängt wurde. Wichtig ist der Nachweis<br />
einer Kombination eines Muskeldefektes mit<br />
einem ausgedehnten neurogenen Schaden. In<br />
diesen Fällen sind die Erfolgsaussichten der<br />
Defektrekonstruktion weniger günstig.<br />
Zur Diagnose eines Sphinkterdefektes<br />
wurde das Nadel-EMG zugunsten der Endosonographie<br />
verlassen.<br />
Ableitung der PNTML (pudendal nerve terminal<br />
motor latency): Die PNTML entspricht<br />
der motorischen Latenz der Endstrecke des N.<br />
pudendus. Sie erlaubt eine Aussage bezüglich<br />
des morphologischen Zustands dieses Nerven.<br />
Gemessen wird nicht eine Nervenleitgeschwindigkeit,<br />
weil auch die neuromuskuläre Übertragung<br />
und Leitung bis in die Muskelfasern<br />
mitgemessen wird. Es wird nicht am Ende<br />
des Nervs abgeleitet, sondern die muskuläre<br />
Antwort mitgemessen.<br />
Der Nerv wird transmukös über eine Elektrode<br />
an der Fingerspitze gereizt, die Antwort<br />
erfolgt über eine Elektrode an der Fingerbasis,<br />
die über dem Externus liegt (Dantec ® St. Mark`s<br />
Pudendal Nerve Electrode). Es kommt darauf<br />
an, die Fingerspitze so nah wie möglich am<br />
Ursprung des N. pudendus zu positionieren und<br />
dann bei wiederholter Messung die kürzeste<br />
Latenz zu bestimmen.<br />
Die PNTML weist die Intaktheit des Nervus<br />
pudendus im Sinne einer qualitativen<br />
Analyse nach. Die Normwerte liegen in einem<br />
sehr engen Bereich, so dass Pathologica<br />
sicher festlegbar sind. Die Erfahrung hat aber<br />
gezeigt, dass die Ergebnisse kein klares Indikationskriterium<br />
zu operativen Eingriffen der<br />
Kontinenzverbesserung ergeben.
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
Klinische Relevanz der EMG-Diagnostik: Die<br />
Arbeitsgruppen, allen voran die des St. Marks<br />
Hospitals mit Parks, Swash und dem Pathologen<br />
Morson, haben in den 1970er Jahren die<br />
neurogene Inkontinenz elektrophysiologisch<br />
und pathologisch-anatomisch klären können.<br />
Die schrittweise Denervation als degenerativer<br />
Vorgang führt zwar zur Reinnervation, letztlich<br />
aber doch zum zunehmenden Funktionsverlust.<br />
Histologisch wird dies erkennbar an einer<br />
Faserhypertrophie und -atrophie sowie an der<br />
Änderung des Verhältnisses von Typ 1- zu<br />
Typ 2-Fasern der Muskulatur. Die früher als<br />
idiopathisch bezeichnete Form der Inkontinenz<br />
hat dadurch eine kausale Erklärung gefunden.<br />
Sie stellt zudem die zahlenmäßig häufigste<br />
Form der Inkontinenz dar. Deswegen bleibt<br />
auch heute noch als wesentliche Frage bei der<br />
Abklärung einer analen Inkontinenz die nach<br />
dem Vorhandensein bzw. dem Ausmaß einer<br />
neurogenen Schädigung.<br />
Der Nachweis eines Muskeldefekts erfolgt<br />
heute endosonographisch und nicht mehr<br />
durch ein elektromyographisches »mapping«.<br />
Für die operative Versorgung eines Muskeldefekts<br />
entscheidend ist die Kombination mit<br />
einer neurogenen Schädigung. Hierbei ist dann<br />
die Quantifizierung des Schadens durch das<br />
EMG mit der konzentrischen Nadelelektrode<br />
entscheidend für die operative Indikationsstellung.<br />
Bei Fehlbildungen im Rahmen der unterschiedlichen<br />
Formen der Analatresie kann man<br />
elektromyographisch nach einer evtl. vorhandenen<br />
Muskelschlinge suchen, um beim Durchzug<br />
den Darm in diese Schlinge zu positionieren.<br />
Im Rahmen der <strong>Therapie</strong> einer Inkontinenz<br />
läßt sich der Erfolg elektromyographisch bewerten.<br />
Er ist aber nicht messbar durch eine<br />
Veränderung des Einzelpotentials, weil die<br />
neurogene Schädigung durch die zur Verfügung<br />
stehenden Operationsmethoden nicht<br />
verbessert wird. Wir können nur bei maximaler<br />
Willkürinnervation eine bessere Rekrutierung<br />
der motorischen Einheiten feststellen,<br />
was im übrigen schon mit der Ableitung des<br />
Oberflächen-EMG’s möglich ist.<br />
Aktuell ist der Einsatz des EMG bei der<br />
sakralen Nervenstimulation. Hier wird die<br />
optimale Position der Stimulationselektrode<br />
unter Auswahl der geeigneten sakralen Nervenaustrittsstelle<br />
durch den elektromyographisch<br />
messbaren Stimulationserfolg festgelegt.<br />
Die EMG-Diagnostik ist extrem untersucherabhängig.<br />
Die Methode beinhaltet viele<br />
Fehlermöglichkeiten, sodass nicht jeder Neurologe<br />
als kompetent in der EMG-Diagnostik<br />
gelten kann. Dies gilt erst recht für Proktologen,<br />
die diese Technik ohne Zusammenarbeit<br />
mit einem Neurophysiologen durchführen.<br />
Hierbei werden dann Aussagen getroffen, die<br />
die Methode nicht leisten kann und die somit<br />
falsch sind. Automatische EMG-Analysegeräte<br />
können diesen Mangel keineswegs wettmachen.<br />
Sie ersetzen insbesondere bei der Einzelpotentialanalyse<br />
nicht die jahrelange Übung zum<br />
Erwerb neurophysiologischer Erfahrung.<br />
Die Interpretation der Ergebnisse der<br />
neurophyiologischen Diagnostik der<br />
Sphinktermuskulatur bedarf fortgeschrittener<br />
proktologischer und neurologischer<br />
Erfahrung, besonders im Hinblick auf eine<br />
operative <strong>Therapie</strong>entscheidung.<br />
Grundsätzlich ist die ausschließliche Untersuchung<br />
der analen Muskulatur bzw. des N.<br />
pudendus auch nicht für alle Fragestellungen<br />
ausreichend. Erst die weiterführenden Untersuchungen<br />
von evozierten Potentialen und<br />
der Messung von Reflexlatenzen lassen höher<br />
gelegene Ursachen der Inkontinenz sicher ausschließen.<br />
Wenngleich diese Ursachen selten<br />
sind, da sich spinale Schäden naturgemäß selten<br />
in einer isolierten Inkontinenz zeigen, ist deren<br />
differentialdiagnostische Bewertung insbesondere<br />
bei Begutachtungen unerlässlich.<br />
Einen gewissen Stellenwert beansprucht<br />
die EMG-Diagnostik auch bei der Abklärung der<br />
rektalen Entleerungsstörungen und Schmerzzustände.<br />
Eine paradoxe Aktivitätszunahme beim<br />
Kneifen (Anismus) oder die fehlende Relaxation<br />
des Externus beim Pressen (spastic pelvic floor<br />
syndrome) lassen sich besser im Nadel-EMG<br />
als mit Oberflächenelektroden nachweisen. Ein<br />
Pudendus-Kompressionssyndrom lässt sich<br />
elektromyographisch nicht beweisen.<br />
31
32<br />
Die minimale klinische Klärung neurogener<br />
Störungen umfasst natürlich auch die Auslösung<br />
des Analreflexes durch Reizung der perianalen<br />
Haut entweder mit einem Spatel oder mit<br />
einer Nadel. Das komplette Fehlen lässt keine<br />
Differenzierung zu zwischen Afferenz, Efferenz<br />
und spinaler Umschaltung. Bei normwertiger<br />
Efferenz (z.B. gemessen durch die PNTML)<br />
und normwertiger Afferenz (gemessen durch<br />
somato-sensibel evozierte Potentiale, SSEP)<br />
kann ein verzögerter Analreflex Ausdruck<br />
einer spinalen Schädigung sein, was natürlich<br />
weiter abgeklärt werden muss.<br />
Radiologische Diagnostik<br />
Kolon-Doppelkontrast-Untersuchung: Die früher<br />
als Standardverfahren durchgeführte Doppelkontrastdarstellung<br />
des Dickdarms oder<br />
Dünndarms hat wegen der flächendeckenden<br />
Verbreitung der Endoskopie und ihrer technischen<br />
Fortentwicklung erheblich an Bedeutung<br />
verloren. Intestinale Stenosen werden<br />
mitunter noch im Kontrasteinlauf dargestellt.<br />
Man kann dabei auch gut auf die Wirksamkeit<br />
als Passagehindernis rückschließen, wenn<br />
eine prästenotische Dilatation nachweisbar ist.<br />
Die Entwicklung geht zweifelsfrei aber in die<br />
Richtung eines Hydro- oder Pneumo-CT bzw.<br />
eines NMR-Sellink. Die Multi-Slice-Technik<br />
des CT und die Zunahme der Rechnerkapazität<br />
ermöglichen die Darstellung des Darmprozesses<br />
mit der Dokumentation des endoluminären<br />
Hindernisses und gleichzeitig die Darstellung<br />
der benachbarten Strukturen und deren Beteiligung<br />
an dem intestinalen Hindernis.<br />
Schnittbildtechniken: Die Schnittbildverfahren<br />
zeigen heute bei Prozessen im Beckenboden<br />
eine bessere Auflösung als in früheren Jahren.<br />
Dies gilt auch für die Darstellung der tumornahen<br />
Umgebungsstrukturen bei tiefsitzenden<br />
Rektumtumoren. Dennoch ist die endoluminäre<br />
Sonographie sehr gut in der Lage, die Fragestellung<br />
der Infiltrationstiefe eines Tumors und des<br />
regionalen Lymphknotenstatus zu klären.<br />
In der Diagnostik der akuten Divertikulitis<br />
hat sich das CT als Standardmethode durchgesetzt.<br />
Im Gegensatz zum KE zeigt die Com-<br />
Koloproktologische Diagnostik 3<br />
Indikationen zum CT Tafel 3-2<br />
• Divertikulitis<br />
• Malignome des Kolorektums<br />
• Abszesse (incl. CT-gesteuerter <strong>Dr</strong>ainage)<br />
• Komplikationen nach kolorektalen Eingriffen<br />
• virtuelle Koloskopie<br />
• Tumornachsorge<br />
putertomographie heute durch die verbesserte<br />
Auflösung eine Wandinfiltration, intramurale<br />
Abszesse und die Beziehung des entzündlichen<br />
Darmsegments zur Umgebung. Analoges gilt<br />
für postoperative Komplikationen nach Kolonresektionen<br />
und deren entzündliche Folgen<br />
im Abdominalraum. Die Möglichkeit einer<br />
CT-gesteuerten Abszesspunktion erlaubt ein<br />
interventionelles Vorgehen, das im Einzelfall<br />
ein ungleich geringeres Risiko darstellt als<br />
ein Reeingriff. Die computertomographische<br />
Darstellung des Beckeninnenraumes hat einen<br />
festen Stellenwert in der Nachsorge des durch<br />
Amputation behandelten Rektumkarzinoms.<br />
In der Nachsorge des operierten Rektumkarzinoms<br />
ist die Differenzierung zwischen<br />
Narbe und Rezidiv mitunter im NMR sicherer<br />
als im CT. Die PET-Untersuchung scheint als<br />
zusätzliche Technik geeignet für den Nachweis<br />
einer Metastasierung beim kolorektalen<br />
Karzinom bzw. zur Differenzierung zwischen<br />
Narbe und lokoregionärem Rezidiv nach der<br />
Rektumamputation.<br />
Die virtuelle Koloskopie mittels NMR erscheint<br />
der Darstellung des Kolons im CT wegen<br />
der fehlenden Strahlenbelastung überlegen. Die<br />
Vorsorge mittels einer virtuellen Koloskopie<br />
erscheint aber nicht generell empfehlenswert,<br />
da die synchrone Biopsieentnahme bzw. Polypektomie<br />
nicht möglich ist.<br />
Die Muskulatur des kleinen Beckens und<br />
Beckenbodens lässt sich im NMR anatomiegerecht<br />
darstellen. In der Zuordnung komplexer<br />
entzündlicher Prozesse zu den anatomischen<br />
Strukturen im Becken ist die Kernspintomographie<br />
allen anderen röntgenologischen Tech-
3 Koloproktologische Diagnostik<br />
niken überlegen. In der Inkontinenzdiagnostik<br />
gelingt die Darstellung der Anteile der Schließmuskulatur<br />
mit der Frage einer traumatischen<br />
Läsion endosonographisch zumeist besser als<br />
mittels NMR.<br />
Indikationen zum NMR Tafel 3-3<br />
• Staging des Rektumkarzinoms<br />
• entzündliche Prozesse des Beckenbodens,<br />
als dynamische Untersuchung: Senkungs- und<br />
Prolapszustände<br />
• virtuelle Koloskopie<br />
• Tumornachsorge<br />
Fistulographie: In der präoperativen Darstellung<br />
komplexer Analfisteln konkurrieren Endosonographie<br />
und NMR. Die früher routinemäßig<br />
durchgeführte Fisteldarstellung durch Instillation<br />
von Kontrastmitteln (Fistulographie)<br />
kann inzwischen keinerlei diagnostischen Wert<br />
mehr beanspruchen. Sie wird dennoch häufig<br />
indiziert, wobei dann Befunde resultieren, die<br />
nicht in einen operativen Situs übertragbar<br />
sind und deren Interpretation durch den operativen<br />
Befund zumeist revidiert wird. Das<br />
Bemühen um Strahlenhygiene sollte diese<br />
Untersuchungsmaßnahmen endlich beenden.<br />
Wenn eine Fisteldarstellung erforderlich ist,<br />
sollte sie mittels NMR oder bei entsprechender<br />
Erfahrung des Untersuchers mittels Endosonographie<br />
erfolgen. Die Indikation hierzu stellt<br />
der Operateur, die routinemäßige Bereitstellung<br />
solcher Aufnahmen zur Vorstellung beim Chirurgen<br />
ist unnötig.<br />
Defäkographie: Funktionelle Störungen des<br />
Anorektums bzw. Beckenbodens werden noch<br />
weithin mit einer konventionellen Defäkographie<br />
abgeklärt. Hier muss die Strahlenbelastung<br />
in Anrechnung gebracht werden, da sehr häufig<br />
jüngere Frauen betroffen sind. Alternativ<br />
steht an einigen Zentren eine dynamische<br />
NMR-Untersuchung zur Verfügung. Die auf<br />
diese Weise darstellbaren Probleme erfordern<br />
aber keineswegs grundsätzlich eine bildgebende<br />
Klärung. Sie können auch mit klinischen<br />
Untersuchungsmethoden soweit geklärt werden,<br />
dass über eine evtl. Operationsindikation<br />
entschieden werden kann. Die konventionelle<br />
Defäkographie muß seltener indiziert, die dynamische<br />
NMR in Sondersituationen ggf. auch<br />
unter Inkaufnahme einer Vorstellung in einem<br />
Zentrum durchgeführt werden.<br />
Transitzeitbestimmung: Einen gewissen Stellenwert<br />
für die Abklärung einer Obstipation hat<br />
nach wie vor die Transitzeitbestimmung mittels<br />
röntgendichter Marker. Sie erlaubt die Differenzierung<br />
zwischen Kolontransportstörung und<br />
rektaler Entleerungsstörung. Dennoch ergibt<br />
sich aus der Transitzeitbestimmung in der Regel<br />
nur die Indikation zur konservativen <strong>Therapie</strong><br />
und nicht ab einem gewissen »Zeitlimit« die<br />
klare Indikation zu einer Kolonteilresektion.<br />
33
Für den akuten Fall<br />
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Beachten Sie den Basistext auf Seite 182
4 Hämorrhoidalleiden<br />
4 Hämorrhoidalleiden<br />
Anatomie und Physiologie 36<br />
Pathogenese des Hämorrhoidalleidens 37<br />
Klassifi kation 38<br />
Symptomatologie 40<br />
Differentialdiagnostik 40<br />
<strong>Therapie</strong> 42<br />
Konservative <strong>Therapie</strong> 42<br />
Basistherapie 42<br />
Sklerosierungsbehandlung 43<br />
Gummibandligatur 43<br />
Operative <strong>Therapie</strong> 44<br />
Techniken 44<br />
Indikationen für operative Verfahren 47<br />
Nachbehandlung 49<br />
Ergebnisse der operativen <strong>Therapie</strong> 49<br />
35
36<br />
Vorbemerkung: Die Hämorrhoiden entsprechen<br />
dem Corpus cavernosum recti, wie es sich im<br />
dynamischen Bild seiner funktionellen Bestimmung<br />
als lumenabdichtender Schwellkörperapparat<br />
des oberen analen Kanales darstellt.<br />
Im Gegensatz dazu wird der Begriff des Corpus<br />
cavernosum recti vom Anatomen eher statisch<br />
gesehen, als struktureller Teil der Wand des<br />
oberen analen Kanals, der in der deskriptiven<br />
Anatomie darzulegen ist. Es gibt aus anatomischer<br />
Sicht den Normalzustand einer kissenartigen<br />
Unterfütterung der Schleimhaut des oberen<br />
analen Kanals mit entsprechender Vorwölbung,<br />
wobei das Gefäßkissen aus arteriovenösen<br />
Gefäßknäueln gebildet wird. Die funktionelle<br />
Anatomie erkennt diesen Normalzustand des<br />
Corpus cavernosum recti als Schwellkörper<br />
zur Feinregulierung der Verschlussfähigkeit<br />
des Afters im Sinne einer Teilkomponente des<br />
anorektalen Kontinenzorgans. Entsprechend<br />
den unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />
im Zustand der Kontinenzfunktion (bei<br />
geschlossenem Analkanal), im Zustand der<br />
Defäkationsfunktion (bei geöffnetem Analkanal)<br />
und während des Durchtritts des Stuhles<br />
sowie unmittelbar nach der Beendigung der<br />
Defkäkation lassen sich die Polster in unterschiedlicher<br />
Größe nachweisen.<br />
Die Kenntnis um die Funktion des Corpus<br />
cavernosum recti ist nicht neu. Bereits 1928 hat<br />
STIEVE darauf hingewiesen, dass der Hämorrhoidalplexus<br />
als Teil des Kontinenzapparates<br />
anzusehen ist. STELZNER, STAUBESAND und<br />
MACHLEIDT haben 1962 im mikroskopischen<br />
Nachweis den Schwellkörperapparat als aus<br />
arteriovenösen Gefäßanastomosen bestehend<br />
beschrieben. KÜGLER hat 1968 anhand von<br />
Sauerstoffmessungen im Hämorrhoidalblut<br />
bewiesen, dass es sich hierbei um arterielles<br />
Blut handelt und die Varizentheorie dadurch<br />
widerlegt.<br />
Anatomie und Physiologie<br />
Die Hämorrhoiden erhalten ihre Füllung über<br />
arterielle Zuflüsse innerhalb der Tunica submucosa.<br />
Der venöse Abstrom aus den Gefäßpolstern<br />
erfolgt über kleine Sammelvenen, die ihren<br />
Verlauf durch den M. sphincter ani internus<br />
Hämorrhoidalleiden 4<br />
nehmen und im intersphinktärischen Raum<br />
zu größeren Venenstämmen zusammenlaufen.<br />
Teilweise erfolgt der Verlauf auch transsphinktär<br />
zu Sammelvenen in den Paraproktien. Der<br />
M. sphincter ani internus hat dabei die Funktion<br />
einer <strong>Dr</strong>osselung des venösen Abstroms. Ein<br />
kontrakter M. sphincter ani internus vermag<br />
bei erhaltenem arteriellen Zufluss das Corpus<br />
cavernosum recti zu vergrößern und hierdurch<br />
das Lumen des oberen Analkanals abzudichten.<br />
Die <strong>Dr</strong>osselfunktion des M. sphincter ani<br />
internus wirkt sich insbesondere aus bei der<br />
Füllung der Rektumampulle mit Stuhl, dessen<br />
Volumen noch nicht zur Internusrelaxation und<br />
Einleitung des Defäkation ausreicht. In diesen<br />
Fällen gewährleisten der Tonus der Muskulatur<br />
und das gefüllte Corpus cavernosum recti die<br />
Abdichtung.<br />
Die Darstellung der Durchblutung des<br />
Hämorrhoidalplexus bedarf einer Ergänzung.<br />
Im Rahmen der Diskussion um die Staplerhämorrhoidektomie<br />
als einer »Sperroperation der<br />
Durchblutung« und um die Wirkungsweise der<br />
»dopplersonographisch gesteuerten Hämorrhoidalarterienligatur«<br />
(HAL) hat eine Arbeitsgruppe<br />
von Anatomen und Chirurgen um FRITSCH<br />
und AIGNER neue Untersuchungen zum Verteilungsmuster<br />
der Gefäßäste der A. rectalis<br />
superior vorgelegt. Dabei zeigt sich, dass die<br />
arteriellen Zuflüsse zum Corpus cavernosum<br />
recti im kranialen Anteil submukös verlaufen.<br />
Im kaudalen Anteil unmittelbar in Höhe der<br />
Linea dentata strahlen aber noch Äste von<br />
weit lateral ein, die aus Gefäßästen stammen,<br />
die außerhalb der Submukosa verlaufen. Diese<br />
Gefäße ziehen gerade durch die Muskulatur<br />
in das Corpus cavernosum recti. Sie können<br />
darum in der üblichen Ebene der Gefäßligatur<br />
bei der HAL nicht unterbunden werden.<br />
Gleichzeitig wurde durch diese Untersuchungen<br />
nochmals die Redundanz der Durchblutung<br />
des Corpus cavernosum recti dargestellt, da es<br />
auch Zuflüsse aus der A. rectalis media erhält.<br />
KOLBERT konnte an dopplersonographischen<br />
Nachuntersuchungen zeigen, dass die Staplerhämorrhoidektomie<br />
aus den gleichen Gründen<br />
nicht als »Sperroperation« wirksam ist.
4 Hämorrhoidalleiden<br />
���<br />
Die Gefäßversorgung des Corpus cavernosum<br />
recti ist redundant. Eine Sperr- ���<br />
operation (zirkuläre Unterbrechung aller<br />
zuführenden Gefäße in einer Höhe) kann<br />
daher nicht gelingen.<br />
Die Defäkation wird eingeleitet mit der reflexhaften<br />
Internusrelaxation. Wenn im weiteren<br />
Verlauf die Willkürkomponente der quergestreiften<br />
Muskulatur ebenfalls im Sinne einer<br />
Defäkation beeinflusst wird, kommt es zum<br />
langsamen Durchtritt der Stuhlsäule durch den<br />
oberen analen Kanal. In dieser Phase kann der<br />
durchtretende Stuhl selbst durch <strong>Dr</strong>uck auf<br />
die Hämorrhoidalpolster die Entleerung durch<br />
die internusdurchbohrenden Gefäße bewirken,<br />
da der M. sphincter ani internus in diesem<br />
Augenblick nicht kontrahiert ist.<br />
Pathogenese des<br />
Hämorrhoidalleidens<br />
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Abb. 4-1 Corpus cavernosum recti im Zustand der<br />
Kontinenz (schematisch). Der M. sphincter ani internus<br />
ist kontrahiert, der venöse Abstrom aus dem Corpus<br />
cavernosum recti gedrosselt, das Corpus cavernosum<br />
recti leistet die »Feinkontinenz«. Erkennbar ist auch<br />
die Redundanz der Durchblutung des Hämorrhoidalplexus.<br />
Die art. Zuflüsse zur Wand des Analkanals A.<br />
rectalis sup., A. rectalis media und A. rectalis inf. sind<br />
schematisch dargestellt.<br />
���<br />
Probleme in diesem Funktionsablauf kön���<br />
nen sich insbesondere ergeben durch eine zu<br />
kleinvolumige Stuhlportion oder aber durch<br />
ein nicht zeitgerechtes, forciertes Betätigen<br />
der Bauchpresse. Beide Fehlfunktionen kön-<br />
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nen sich insofern wechselseitig bedingen, als<br />
eine kleine Stuhlportion nicht zur reflexhaften<br />
Internusrelaxation führt und somit die<br />
��������<br />
����<br />
Entleerung dieser kleinen Stuhlportion den<br />
forcierten Einsatz der Bauchpresse erforderlich<br />
macht. Unter solchen unphysiologischen<br />
Defäkationsbedingungen kommt es dann zu<br />
���<br />
����������<br />
einem Anpressen der Stuhlsäule gegen die noch<br />
gefüllten Hämorrhoidalpolster, die bei dieser<br />
Abwärtsbewegung ebenfalls mit nach distal<br />
Abb. 4-2 Corpus cavernosum recti im Zustand der<br />
Defäkation (schematisch). Die Defäkation wird eingeleitet<br />
durch eine Relaxation des M. sphincter ani<br />
hin bewegt werden. Die Hämorrhoidalpolster internus (rektoanaler Inhibitionsreflex). Hierdurch<br />
werden durch ein Gerüst muskulärer (siehe M. wird der venöse Rückstrom möglich und das Corpus<br />
canalis ani) und fibroelastischer Fasern in der<br />
Position im oberen analen Kanal gehalten. Eine<br />
cavernosum recti entleert.<br />
langdauernde Traumatisierung des Aufhänge- sind. Gleichzeitig werden durch die Abwärtsapparates<br />
der Hämorrhoiden vermag Schäden bewegung Scherkräfte auf die Gefäße wirksam,<br />
zu verursachen, die mit einer dauerhaften die zu Gefäßwandschäden mit Thrombosierun-<br />
Distalverlagerung des Corpus cavernosum gen und unter Umständen dauerhaft gestörter<br />
recti und einem entsprechend gestörten ana- Durchblutung der Polster führen. Durch die<br />
tomischen Aufbau des Analkanals verbunden mechanische Beanspruchung der Schleim-<br />
37
38<br />
hautoberfläche kommt es zur Eröffnung von<br />
Gefäßen mit entsprechenden Blutungen. Diese<br />
Blutungen stammen in der Regel nicht aus dem<br />
kavernösen Gefäßplexus, sondern aus arteriellen<br />
Gefäßen an der Oberfläche der Polster, die<br />
im Übrigen auch makroskopisch gut erkennbar<br />
sind. LIERSE hat darauf hingewiesen, dass im<br />
Corpus cavernosum recti neben dem funktionellen<br />
Kreislauf der arteriovenösen Gefäßknäuel<br />
ein nutritiver Kreislauf nachzuweisen ist, dessen<br />
arterielle Gefäße an der Oberfläche der Polster<br />
verlaufen. Sie sind bei einer pathologischen<br />
Vergrößerung der Polster beim Hämorrhoidalleiden<br />
an der Oberfläche ausgespannt und<br />
darum leicht verletzlich.<br />
Klassifikation<br />
Der Vorgang einer »unphysiologischen Defäkation«<br />
führt auf Dauer zu einer Änderung des<br />
anatomischen Aufbaus mit vergrößerten Hämorrhoidalpolstern<br />
bei Störung des Blutumlaufs<br />
in den Gefäßsystemen und einer zunehmenden<br />
Distalverlagerung, im Extremfall bis zu einem<br />
andauernden Prolaps aus dem analen Kanal<br />
heraus. Hierdurch werden Krankheitssymptome<br />
ausgelöst, die man zweckmäßigerweise als<br />
Hämorrhoidalleiden umschreiben sollte. Der<br />
Therapeut behandelt also nicht die Hämorrhoiden,<br />
sondern das Hämorrhoidalleiden.<br />
Das Hämorrhoidalleiden wird zumeist anhand<br />
einer Stadieneinteilung der vergrößerten<br />
Hämorrhoidalpolster klassifiziert, die neben<br />
der Größenzunahme auch die Dislokation des<br />
Hämorrhoidalgewebes nach distal hin berücksichtigt.<br />
Unter Hämorrhoiden ersten Grades<br />
werden flach erhabene Polster im oberen analen<br />
Kanal verstanden, die nur proktoskopisch<br />
nachzuweisen sind, und die per definitionem<br />
ins Lumen des vorn offenen Proktoskops prolabieren.<br />
Bei dieser Klassifizierung ergeben<br />
sich Probleme insofern, als in diesem frühen<br />
Stadium die Abgrenzung zwischen Normalbefund<br />
und bereits krankhafter Hämorrhoidalvergrößerung<br />
sehr schwierig ist. Entsprechend<br />
den unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />
ist davon auszugehen, dass das Hämorrhoidalgewebe<br />
im Funktionszustand der Kontinenz<br />
Hämorrhoidalleiden 4<br />
proktoskopisch größer imponiert und etwas<br />
weiter ins Lumen des Proktoskops hineinfällt<br />
als im Zustand der beginnenden Defäkation. Im<br />
Stadium 1 ist also der Normalbefund endoskopisch-makroskopisch<br />
nicht sicher vom bereits<br />
krankhaften Befund des Hämorrhoidalleidens<br />
zu differenzieren. In diesem Krankheitszustand<br />
ist die subjektive Symptomatik des Patienten<br />
entscheidend für den Krankheitswert der<br />
Funktionsstörung.<br />
Hämorrhoiden ersten Grades können<br />
nicht durch Inspektion und Palpation, sondern<br />
nur proktoskopisch nachgewiesen<br />
werden.<br />
Zweitgradig vergrößerte Hämorrhoidalpolster<br />
(vgl. Abb. 4-3) prolabieren bei der Defäkation<br />
bis in den distalen analen Kanal oder auch bis<br />
vor den After. Sie ziehen sich aber mit dem<br />
Ende der Defäkation spontan wieder in den<br />
Analkanal zurück.<br />
Abb. 4-3 Hämorrhoiden II. Grades<br />
(Ansicht im Proktoskop)<br />
<strong>Dr</strong>ittgradig vergrößerte Polster (vgl. Abb. 4-4)<br />
retrahieren sich nicht mehr. Sie müssen digital<br />
reponiert werden oder sind während eines<br />
längeren Zeitraums außerhalb des Analkanals<br />
nachzuweisen.<br />
Die von einigen Autoren zusätzlich vorgenomene<br />
Einteilung in Hämorrhoiden vierten<br />
Grades (vgl. Abb. 4-5) berücksichtigt die
4 Hämorrhoidalleiden<br />
Abb. 4-4 Hämorrhoiden III. Grades<br />
im weiteren Verlauf gelegentlich auftretende<br />
Einklemmung des ausgetretenen Polsters mit<br />
Perfusionsstörungen und Ausbildung von<br />
Thrombosen, die aufgrund ihrer Größenzunahme<br />
und Schmerzhaftigkeit unter Umständen<br />
dauerhaft die Reposition des ausgetretenen<br />
Hämorrhoidalpolsters unmöglich macht. Diese<br />
Prolapsformen sind aber nach Rückgang der<br />
akuten Thrombosierung reversibel. Zusätzlich<br />
gibt es Formen der Eventration des Hämorrhoidalgewebes<br />
mit Vernarbung und hierduch<br />
bedingter Irreponibilität. Diese Befunde sind<br />
Abb. 4-5 Hämorrhoiden IV. Grades mit<br />
ödematösem Analprolaps<br />
Stadieneinteilung des Tab. 4-1<br />
Hämorrhoidalleidens<br />
Stadium 1 proktoskopisch sichtbar<br />
vergrößerte Polster<br />
Stadium 2 Prolaps bei der Defäkation,<br />
spontane Retraktion<br />
Stadium 3 Prolaps nur manuell reponibel<br />
Stadium 4 Prolaps irreponibel<br />
aufgrund Fibrose oder<br />
Thrombosierung<br />
selten. Sie wurden in der Vergangenheit von<br />
englischen Autoren darum auch nicht als<br />
separates Stadium des Hämorrhoidalleidens<br />
erwähnt. Im Rahmen der Diskussion um die<br />
Indikationsbreite der Staplerhämorrhoidektomie<br />
ist die Einteilung in 4 Grade aber wieder von<br />
Bedeutung.<br />
Die Bezeichnung »äußere Hämorrhoiden«<br />
für die Hämorrhoidalvergrößerung dritten<br />
und vierten Grades erscheint nicht nützlich.<br />
Fälschlicherweise werden von einigen Autoren<br />
perianale Thrombosen als äußere Hämorrhoiden<br />
bezeichnet. Als Hämorrhoiden sollte nur das<br />
Gewebe bezeichnet werden, das ursprünglich<br />
seinen Platz oberhalb der Dentatalinie im<br />
oberen analen Kanal hat und das bei Größenzunahme<br />
und Dislokation nach außen<br />
Symptome eines Hämorrhoidalleidens erzeugt.<br />
Entsprechend der Lokalisation der arteriellen<br />
Hauptzuflüsse finden sich die vergrößerten<br />
Hämorrhoidalpolster sehr oft bei 3 Uhr, 7<br />
Uhr und 11 Uhr, bezogen auf die Zirkumferenz<br />
des Analkanals. Durch die Anordnung<br />
zeigt das reguläre Corpus cavernosum recti<br />
im geschlossenen Zustand des Analkanals eine<br />
sternförmige Konfiguration durch die Einziehung<br />
zwischen den drei Haupterhebungen. Die<br />
Größenzunahme des Hämorrhoidalgewebes im<br />
Rahmen eines fortgeschrittenen Hämorrhoidalleidens<br />
führt dann bei dauerhaftem Prolaps des<br />
Hämorrhoidalgewebes auch zu einer <strong>Dr</strong>eiteilung<br />
der Polster, wobei aber zwischen den Polstern<br />
häufig kleinere sogenannte Satellitenknoten des<br />
Hämorrhoidalgewebes ausgebildet sind.<br />
39
40<br />
Symptomatologie<br />
Die Symptomatologie des Hämorrhoidalleidens<br />
ist im Vergleich zu den übrigen Erkrankungen<br />
des Anorektums monoton. Es zeigt<br />
sich ein relativ uniformes Beschwerdebild,<br />
das im Wesentlichen geprägt ist durch Blutungen,<br />
einen Juckreiz der perianalen Haut<br />
und Schmerzen. Dies hat dazu geführt, alle<br />
subjektiv wahrnehmbaren Probleme intraanal<br />
und am Analrand als »hämorrhoidalen Symptomenkomplex«<br />
zusammenzufassen. Der Begriff<br />
wurde insbesondere von BLOND propagiert.<br />
Bei sorgfältiger Klassifizierung der Symptome<br />
und Ausschluss anderer analer Erkrankungen,<br />
die nicht ihr Substrat in vergrößerten Hämorrhoidalpolstern<br />
haben, wird die Symptomatologie<br />
präziser und lässt sich unter Umständen<br />
sogar mit den unterschiedlichen Stadien des<br />
Hämorrhoidalleidens korrelieren. Dieses lässt<br />
sich dann etwas vereinfacht so darstellen, dass<br />
die leichte Hämorrhoidalvergrößerung des<br />
Hämorrhoidalleidens im Stadium 1 durch das<br />
Leitsymptom der Blutung geprägt ist.<br />
Die hellrote Blutung ist Leitsymptom<br />
von erstgradig vergrößerten Hämorrhoidalpolstern.<br />
Der passagere Prolaps von Hämorrhoidalgewebe<br />
führt aufgrund der Vorverlagerung von<br />
Schleimhautanteilen über die Sekretion von<br />
Schleim zu einer Befeuchtung der perianalen<br />
Haut mit einem Feuchtigkeitsgefühl und<br />
konsekutivem Juckreiz. Dieses Stadium des<br />
temporären hämorrhoidalen Vorfalls hat als<br />
Leitsymptom den perianalen Juckreiz und<br />
weniger häufig nur Symptome einer Blutung.<br />
Die weitere Vergrößerung mit permanentem<br />
Prolaps des Hämorrhoidalgewebes oder aber<br />
Vorverlagerung größerer Gewebsanteile bis in<br />
den unteren analen Kanal hinein hat zur Folge<br />
das Symptom nicht näher bestimmbarer dumpfer<br />
Schmerzen und eines dumpfen <strong>Dr</strong>uckgefühls<br />
im analen Kanal, ähnlich einem Fremdkörpergefühl.<br />
Die vergrößerten Hämorrhoidalpolster<br />
vermögen unter Umständen sogar durch eine<br />
Hämorrhoidalleiden 4<br />
Internusrelaxation einen frustranen Stuhldrang<br />
auszulösen. Gleichzeitig behindern sie durch<br />
eine partielle Obturation des Lumens am Ende<br />
der Defäkation die komplette Entleerung und<br />
führen zu einem Stuhlnachschmieren, das<br />
der Patient unter Umständen als zunehmende<br />
Inkontinenzsymptomatik erlebt. Das unbestimmbare<br />
Schmerzgefühl lässt die betroffenen<br />
Patienten gelegentlich als Psychopathen<br />
erscheinen.<br />
Ein exakt lokalisierbares Schmerzgefühl<br />
mit entsprechend quälender Schmerzsymptomatik<br />
ist dagegen im Rahmen eines Hämorrhoidalleidens<br />
ein äußerst seltenes Ereignis und<br />
korreliert im Regelfall mit einer Thrombosierung<br />
innerhalb eines Hämorrhoidalpolsters im<br />
Stadium 4 (vgl. Abb. 4-5).<br />
Es erscheint in Kenntnis der differenten<br />
Strukturen des Anorektums heute nicht mehr<br />
gerechtfertigt, alle möglichen Beschwerdebilder<br />
als hämorrhoidalen Symptomenkomplex<br />
zu bezeichnen. Hier ist eine differenzierende<br />
Betrachtungsweise erforderlich, die die völlig<br />
unterschiedlichen pathogenetischen Voraussetzungen<br />
der Analerkrankungen berücksichtigt.<br />
Symptome des Tafel 4-1<br />
Hämorrhoidalleidens<br />
• hellrote tropfende, spritzende Blutung<br />
• Blutspuren am Toilettenpapier<br />
• Juckreiz<br />
• Nässen<br />
• Prolapsgefühl<br />
• Feinkontinenzstörung<br />
• Stuhldrang<br />
• Gefühl der inkompletten Entleerung<br />
Differentialdiagnostik<br />
Unter dem Gesichtspunkt des Leitsymptoms<br />
der Blutung kann eine Vielzahl von Differentialdiagnosen<br />
zum Hämorrhoidalleiden
4 Hämorrhoidalleiden<br />
gesehen werden. Das diagnostische Dilemma<br />
dabei ist, dass es neben dem differential-<br />
diagnostischen Ausschluss anderer benigner<br />
Erkrankungen immer um den sicheren Ausschluss<br />
eines kolorektalen Karzinoms gehen<br />
muss. Dabei sind die anamnestischen Hinweise<br />
einer unterschiedlichen Farbe des Blutes nur<br />
bedingt verwertbar. Die gedankliche Differenzierung<br />
- dunkelrotes Blut = blutende Läsion<br />
im Kolon, hellrotes Blut = blutende Läsion im<br />
Bereich der Hämorrhoidalpolster - kann nur<br />
als grobes Kriterium gelten. Dennoch vermag<br />
die anamnestische Schilderung der Blutfarbe<br />
sowie der Blutungsqualität und des Charakters<br />
der Blutung (Blut aufgelagert auf dem<br />
Stuhl; Blut vermischt mit dem Stuhl; Blut am<br />
Toilettenpapier, Blut in die Toilettenschüssel<br />
spritzend) die Stringenz und Konsequenz des<br />
diagnostischen Procedere zu beeinflussen. Eine<br />
spritzende Blutung am Ende der Defäkation<br />
kann beispielsweise nur aus einem Bereich des<br />
Analkanals oder unteren Rektums stammen,<br />
der im Moment des maximalen Pressens bei<br />
der Defäkation bis zum Analrand heruntertritt.<br />
Eine Blutung, die sich nur als Auflagerung auf<br />
dem Toilettenpapier manifestiert, stammt mit<br />
einer hohen Wahrscheinlichkeit vom Analrand<br />
oder aus dem unteren analen Kanal. In<br />
diesen Fällen muss nicht immer die ansonsten<br />
zwingende Abklärung des gesamten Kolons<br />
erfolgen. Erfahrungsgemäß beeinflusst dabei<br />
die diagnostische Erfahrung und endoskopische<br />
Urteilsfähigkeit des Untersuchers das Ausmaß<br />
der zur differentialdiagnostischen Abklärung<br />
erforderlichen Maßnahmen.<br />
Unter den benignen Läsionen des Analkanals<br />
muss insbesondere die Blutung aus einer<br />
Analfissur als häufige Differentialdiagnose zur<br />
Hämorrhoidalblutung angesehen werden. Leitsymptom<br />
der Fissur ist der defäkationsabhängige<br />
Schmerz. Die Blutung bei der Fissur ist oft<br />
erkennbar als eine hellrote, spritzende Blutung<br />
bei der Defäkation oder aber als streifenförmig<br />
der Stuhlsäule aufgelagerte Blutspur.<br />
Unter dem Gesichtspunkt des Schmerzes<br />
gilt für den stechenden, oberflächlichen<br />
Schmerz, dass er im Regelfall nicht durch<br />
ein Hämorrhoidalleiden bedingt ist. Lediglich<br />
die akute Hämorrhoidalthrombose vermag<br />
aufgrund einer Inkarzeration bzw. Einklemmung<br />
der Sphinktermuskulatur einen solchen<br />
Schmerz auszulösen. Eher muss bei der<br />
Abklärung des dumpfen, unbestimmbaren<br />
Schmerzes im Anorektum ein behandlungsbedürftiges<br />
Hämorrhoidalleiden ausgeschlossen<br />
werden. Insbesondere die übrigen Formen des<br />
anorektalen Prolapses weisen häufiger als das<br />
Hämorrhoidalleiden dieses Beschwerdebild<br />
auf. Je größer der prolabierende Gewebsanteil<br />
ist, umso deutlicher wird die Symptomatik,<br />
und umso eher stellen sich zusätzlich zu den<br />
Schmerzen Störungen der Kontinenz mit Tenesmen,<br />
einem frustranen Stuhldrang sowie<br />
dem Gefühl einer inkompletten Stuhlentleerung<br />
ein. Alle diese Symptome lassen differen-<br />
tialdiagnostisch natürlich auch wieder an ein<br />
kolorektales Karzinom denken, das im Fall<br />
einer hierdurch bedingten Kontinenzstörung<br />
unter Umständen relativ kurzstreckig oberhalb<br />
des Analkanals wächst.<br />
Auf die im klinischen Bereich außerordentlich<br />
wichtige und für die <strong>Therapie</strong> bedeutsame<br />
Differentialdiagnostik der anorektalen Prolapsformen<br />
wird im Kapitel 11 eingegangen.<br />
Unter dem Gesichtspunkt der differentialdiagnostischen<br />
Abklärung eines perianalen<br />
Juckreizes müssen neben vergrößerten Hämorrhoiden<br />
insbesondere der segmentäre Rektumvorderwandprolaps<br />
und die perianalen Hautaffektionen<br />
abgeklärt werden. Der segmentäre<br />
Rektumvorderwandprolaps führt vermutlich<br />
häufiger als die Hämorrhoidalvergrößerung<br />
zu einer Distalverlagerung von Schleimhautanteilen<br />
und einer hierdurch bedingten partiellen<br />
Relaxation der Schließmuskulatur mit<br />
konsekutivem Durchschmieren von Schleim<br />
durch den Analkanal bis in den Bereich der<br />
äußeren Haut. In diesen Fällen ist der Juckreiz<br />
und ein evtl. auftretendes Analekzem als ein<br />
sekundäres Phänomen aufgrund des feuchten<br />
Milieus zu interpretieren.<br />
Die selteneren Formen der primären,<br />
d. h. durch Erkrankungen der perianalen Haut<br />
bedingten Ekzeme erfordern mitunter eine sorgfältige<br />
Analyse der in Frage kommenden Ursachen<br />
und in entsprechenden Fällen neben einer<br />
dermatologischen Untersuchung unter Umständen<br />
auch eine allergologische Diagnostik.<br />
41
42<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Etwas vereinfacht wird häufig eine abgestufte<br />
<strong>Therapie</strong> entsprechend der Gradeinteilung des<br />
Hämorrhoidalleidens empfohlen. Zusammengefasst<br />
würde die Empfehlung dann etwa lauten,<br />
dass erstgradige Hämorrhoiden sklerosiert,<br />
zweitgradige Hämorrhoiden sklerosiert oder mit<br />
einer elastischen Gummibandligaturbehandlung<br />
verkleinert, drittgradige Hämorrhoiden operiert<br />
werden. Eine solchermaßen schematisierte Vorgehensweise<br />
wird einer differenzierten <strong>Therapie</strong><br />
des Hämorrhoidalleidens nicht gerecht. Die<br />
<strong>Therapie</strong> ist individuell zu gestalten, wobei<br />
die unterschiedlichen Stadien der Erkrankung<br />
zu berücksichtigen sind. Insgesamt basiert die<br />
<strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens auf einer<br />
Reposition und Refixation der prolabierenden<br />
Hämorrhoidalpolster sowie einer Verkleinerung<br />
der Polster auf ihre physiologische Größe.<br />
Keinesfalls ist eine komplette Zerstörung des<br />
gesamten Hämorrhoidalkomplexes beabsichtigt.<br />
Ziel ist eine Wiederherstellung der normalen<br />
Anatomie und Physiologie.<br />
Ziel einer jeden Hämorrhoidaltherapie<br />
ist eine Wiederherstellung der Anatomie<br />
und physiologischen Verhältnisse und nicht<br />
die Zerstörung des gesamten Hämorrhoidalplexus.<br />
Konservative <strong>Therapie</strong><br />
Hämorrhoidalleiden 4<br />
Symptomorientierte Differentialdiagnosen Tab. 4-2<br />
des Hämorrhoidalleidens<br />
Symptom Blutung Symptom Schmerz Symptom Juckreiz<br />
Analkarzinom Perianalvenenthrombose Rektumprolaps<br />
kolorektales Karzinom inkarzerierter Analprolaps Analekzem<br />
Adenom Fissur Analfistel<br />
Fissur Abszess perianale Dermatosen<br />
perforierte Thrombose<br />
Basistherapie: Vor dem Einsatz von konservativen<br />
oder operativen Maßnahmen am Hämorrhoidalplexus<br />
ist eine grundsätzlich zu<br />
empfehlende Basistherapie einzuleiten. Diese<br />
Basistherapie, die gleichzeitig ein weiteres<br />
Fortschreiten des Leidens verhindern soll,<br />
besteht aus einer Ernährungsberatung zur<br />
Stuhlregulation durch ballaststoffreiche Kost<br />
zur Erhöhung des Stuhlvolumens verbunden<br />
mit einer Trinkmenge von mindestens<br />
zwei Litern täglich. Zusätzlich sollte jegliches<br />
Pressen im Rahmen des Defäkationsvorganges<br />
vermieden werden. Des Weiteren können<br />
Hygienemaßnahmen, wie die Reinigung mit<br />
klarem Wasser, Hautirritationen bessern. Entsprechende<br />
tägliche körperliche Aktivität zur<br />
Anregung der Darmmotilität und eine eventuelle<br />
Gewichtsreduktion können ebenfalls<br />
eine Verbesserung der Symptome vergrößerter<br />
Hämorrhoidalpolster herbeiführen.<br />
Die symptomatische <strong>Therapie</strong> kann insbesondere<br />
bei akuten entzündlichen oder ödematösen<br />
Beschwerden durch die Applikation von<br />
Salben und Suppositorien unterstützt werden. Es<br />
existieren jedoch keine exakten Studien, die einen<br />
Basistherapie des Tafel 4-2<br />
Hämorrhoidalleidens<br />
• Stuhlregulation<br />
• Defäkationsverhalten<br />
• Körperliche Aktivität<br />
• Gewichtsreduktion
4 Hämorrhoidalleiden<br />
Einfluss dieser Medikamente auf das eigentliche<br />
Hämorrhoidalleiden beweisen.<br />
Eine ballaststoffreiche Ernährung gehört<br />
zu jeder <strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens.<br />
Sklerosierungsbehandlung: Die Sklerosierung<br />
wird in zwei unterschiedlichen Modifikationen<br />
durchgeführt:<br />
Die Methode nach BLANCHARD, die eine<br />
weltweite Verbreitung gefunden hat, versucht<br />
durch die Injektion einer öligen Substanz paravasal<br />
neben das zuführende arterielle Gefäß<br />
oberhalb des Hämorrhoidalgewebes eine <strong>Dr</strong>osselung<br />
des arteriellen Zuflusses und hierdurch<br />
eine Verkleinerung des Hämorrhoidalgewebes<br />
und eine geringere Blutungsbereitschaft zu erzeugen.<br />
In der Regel werden an jedes zuführende<br />
Gefäß bei 3,7 und 11Uhr im Abstand von drei<br />
oder vier Wochen jeweils drei Depots in unterschiedlicher<br />
Höhenlokalisation gespritzt. Verwendet<br />
wird in den meisten Fällen 5%iges Phenolöl.<br />
Die Sklerotherapie nach BLOND, die nahezu<br />
nur in Deutschland durchgeführt wird,<br />
verwendet stärker sklerosierend wirkende Substanzen,<br />
die in streng festgelegter Dosierung<br />
in das Hämorrhoidalgewebe injiziert werden<br />
und durch die nachfolgende Sklerosierung das<br />
Hämorrhoidalgewebe schrumpfen lassen. Diese<br />
Methode war insbesondere bei der früher häufigen<br />
Verwendung chininhaltiger Substanzen<br />
aufgrund der Gefahr einer Allergisierung und<br />
hierdurch bedingt gelegentlich auftretender<br />
Allgemeinreaktionen nicht ungefährlich. Heute<br />
wird darum im allgemeinen 4%ige Polidocanollösung<br />
verwendet.<br />
Insgesamt muss festgestellt werden, dass<br />
der Wert der Sklerosierung zunehmend in der<br />
Diskussion ist. Bei sorgfältiger Indikationsstellung<br />
kann die Sklerosierung einen gewissen<br />
Stellenwert in der Behandlung des beginnenden<br />
Hämorrhoidalleidens beanspruchen.<br />
Andererseits zeigen prospektive Studien gerade<br />
unter der Indikation »Blutung« keine Vorteile<br />
der Sklerosierung im Vergleich mit der ausschließlichen<br />
Empfehlung einer schlackenreichen<br />
Ernährung. Als ähnlich effektiv kann die<br />
Behandlung des Hämorrhoidalgewebes mittels<br />
Infrarotkoagulation angesehen werden, wobei<br />
die Statistiken bezüglich des Wiederauftretens<br />
einer Blutung eine etwas bessere Wirkung durch<br />
die Sklerotherapie erwarten lassen.<br />
Die gleichzeitige Applikation von Hämorrhoidalsalben<br />
oder Suppositorien vermag<br />
ebenfalls die Symptome des beginnenden Hämorrhoidalleidens<br />
günstig zu beeinflussen. In<br />
einigen Fällen hat diese topische Behandlung<br />
auch adjuvanten Charakter bei der Durchführung<br />
weitergehender lokaler Behandlungsmaßnahmen<br />
an den Hämorrhoiden, so z. B. als<br />
Nachbehandlung nach Operationen.<br />
Bei der Beurteilung des Behandlungsergebnisses<br />
der hier skizzierten Maßnahmen ist<br />
immer zu berücksichtigen, dass das beginnende<br />
Hämorrhoidalleiden, das sich insbesondere<br />
durch das Leitsymptom der Blutung manifestiert,<br />
auch einen Spontanverlauf hat, der nicht<br />
exakt vorhersagbar ist. Es kann davon ausgegangen<br />
werden, dass in mehr als 30 % der Fälle<br />
die gelegentlichen Blutungsepisoden von langen<br />
Phasen mit Blutungsfreiheit gefolgt sind.<br />
Die Ursachen hierfür sind bisher nicht bekannt.<br />
Gummibandligatur: Die Behandlung des Hämorrhoidalleidens<br />
durch elastische Gummibandligaturen<br />
wurde von BARRON angegeben.<br />
Bei der Gummibandligatur wird mit einem<br />
einfachen Instrumentarium Hämorrhoidalgewebe<br />
durch das Proktoskop in den Ligaturzylinder<br />
hineingezogen, von dem aus die<br />
Basis des Gewebes dann mit einem Gummiring<br />
ligiert wird. Das dauerelastisch abgeschnürte<br />
Gewebe nekrotisiert und fällt nach etwa 10<br />
– 20 Tagen ab. Durch dieses Verfahren ist es<br />
möglich, vergrößertes Hämorrhoidalgewebe<br />
zu verkleinern. Gleichzeitig kann durch die<br />
Applikation der Ligatur im oberen Anteil des<br />
Hämorrhoidalgewebes bzw. im unteren Anteil<br />
der Rektumschleimhaut das nach distal<br />
verschobene Gewebe wieder in den oberen<br />
Analkanal hochgezogen und dort auf der<br />
Unterlage fixiert werden. Um ein vorzeitiges<br />
Abrutschen des Gummiringes zu verhindern,<br />
kann es sinnvoll sein, in den ligierten Knoten<br />
eine kleine Menge einer Sklerosierungsflüssigkeit<br />
einzubringen. Die Methode muss als<br />
43
44<br />
Abb. 4-6 Elastische Gummibandligatur<br />
in situ (Ansicht durch den Parks-Sperrer unter<br />
Anästhesiebedingungen)<br />
semioperative Maßnahme angesehen werden,<br />
da sie zu einer gezielten Gewebsreduktion<br />
führt. Andererseits hat sie selbstverständlich<br />
auch die Nebenwirkungen eines semioperativen<br />
Verfahrens, wobei gelegentliche Blutungen und<br />
Schmerzen im Vordergrund stehen. Schmerzen<br />
entstehen bei sachgerechter Applikation<br />
der Ligatur ausreichend weit proximal der<br />
sensiblen Zone des unteren und mittleren<br />
Analkanals (cave: Übergangsepithel) relativ<br />
selten. Bei weniger als 1% der Applikationen<br />
treten Blutungen insbesondere in der Phase der<br />
Abstoßung der Nekrose auf und können gelegentlich<br />
massiv sein. Ein Teil dieser Blutungen<br />
kann zu einem signifikanten Hb-Abfall führen<br />
und erfordert eine lokale Blutstillung. Sie ist<br />
Abb. 4-7 Ligaturulkus<br />
(2 Wochen nach Applikation der Ligatur)<br />
Hämorrhoidalleiden 4<br />
zumeist durch das Proktoskop möglich, wobei<br />
entweder eine Infrarotkoagulation oder eine<br />
Elektrokoagulation ausreichend ist. In extrem<br />
seltenen Fällen ist eine operative Umstechung<br />
erforderlich. Dennoch darf die Gefahr der möglichen<br />
Nachblutung nicht verharmlost werden.<br />
Der Patient muss entsprechend aufgeklärt sein.<br />
Eine Blutungsdiathese, eine Marcumarisierung<br />
sowie ein bereits stattgehabter Blutverlust<br />
aufgrund massiver Hämorrhoidalblutungen<br />
muss als Kontraindikation gelten. Wie auch<br />
bei der Sklerosierung muss eine exakte Indikationsstellung<br />
vorausgesetzt werden. Unter<br />
diesen Bedingungen erscheinen die Ergebnisse<br />
der Ligaturbehandlung sowohl in der Literatur<br />
als auch vor dem eigenen Erfahrungshintergrund<br />
so gut, dass das Blutungsrisiko in Kauf<br />
genommen werden kann.<br />
In der Literatur finden sich Einzelmitteilungen<br />
über septische Komplikationen nach der<br />
BARRON-Ligatur. Bei diesen wenigen Fällen<br />
bleibt unklar, ob nicht jeweils unter falscher<br />
Indikation bei einem anlaufenden Abszessgeschehen<br />
ligiert wurde. Sicherlich muss die<br />
Indikation zur Ligatur bei manifester Aids-Erkrankung<br />
und entsprechender Immunschwäche<br />
mit äußerster Zurückhaltung gestellt werden.<br />
Es hat nicht an weiteren Versuchen sowohl<br />
einer konservativen als auch einer semioperativen<br />
Behandlung des Hämorrhoidalleidens<br />
gefehlt. Hier sind insbesondere zu nennen die<br />
lokale Wärme- oder Kälteapplikation sowie die<br />
kryochirurgische Destruktion des Hämorrhoidalgewebes<br />
oder die Abtragung mittels Hochfrequenzstrom<br />
sowie Laserapplikation. Diese<br />
Verfahren haben keine allgemeine Verbreitung<br />
erfahren, da sie in der Anwendung und in<br />
den Ergebnissen keine Vorteile im Vergleich<br />
mit den etablierten und hier beschriebenen<br />
Verfahren bieten.<br />
Operative <strong>Therapie</strong><br />
Techniken: Im weiter fortgeschrittenen Stadium<br />
der Erkrankung, d. h. spätestens bei irreponiblen<br />
Vorfällen des Hämorrhoidalgewebes, sind<br />
operative Maßnahmen indiziert. Hier haben sich<br />
in den vergangenen Jahren zu den bekannten<br />
Operationsverfahren weitere, zum Teil konkur-
4 Hämorrhoidalleiden<br />
rierende Techniken etabliert, deren derzeitiger<br />
Stellenwert dargestellt werden muss.<br />
Eine Mittelstellung zwischen eingreifender<br />
Operation und der ambulant durchführbaren<br />
konservativen <strong>Therapie</strong> beansprucht dabei<br />
die dopplersonographisch gesteuerte Hämorrhoidalarterienligatur<br />
(HAL). Sie wurde von<br />
MORINAGA 1995 angegeben. Über ein spezielles<br />
Proktoskop mit einem Dopplertransducer<br />
werden die zuführenden Arterien aufgesucht.<br />
Distal des Dopplers befindet sich im Proktoskop<br />
ein seitliches Fenster. Über dieses Fenster ist die<br />
Umstechung des Gefäßes möglich. Als Zeichen<br />
der erfolgreichen Gefäßunterbindung erlischt<br />
der Schallimpuls. Die Maßnahme ist ohne<br />
Narkose (ggf. mit Sedierung) durchführbar.<br />
Bisher liegen nur wenige Erfahrungsberichte<br />
vor. Dabei wird eine Erfolgsrate von 93 %<br />
beim Fehlen von spezifischen Komplikationen<br />
angegeben.<br />
Es gibt noch keine Untersuchungen zu<br />
Langzeitergebnissen und zur Frage, ob drittgradige<br />
Polster durch die HAL wirklich dauerhaft<br />
verkleinert werden können. Interessant ist die<br />
Tatsache, dass neben den Hauptgefäßstämmen<br />
bei 3, 7 und 11 Uhr weitere Gefäße aufgefunden<br />
und ligiert werden. Hierzu sei auf die eingangs<br />
angeführten Ergebnisse der Arbeitsgruppe von<br />
FRITSCH und AIGNER verwiesen. Einige Autoren<br />
applizieren mehr als 10 Ligaturen über der<br />
Zirkumferenz des oberen Analkanals. Da die<br />
Hämorrhoidalarterienligatur ohne Anästhesie<br />
und ambulant durchführbar ist, wird sie zukünftig<br />
vielleicht eine Mittelstellung zwischen konservativer<br />
und operativer <strong>Therapie</strong> einnehmen.<br />
Die übrigen etablierten operativen <strong>Therapie</strong>verfahren<br />
sind die Vorgehensweisen nach MIL-<br />
LIGAN-MORGAN, PARKS, FANSLER-ARNOLD,<br />
FERGUSON und die Staplerhämorrhoidektomie<br />
nach LONGO. Grundsätzlich ist zu differenzieren<br />
zwischen offenen und geschlossenen Techniken,<br />
wobei unter offenen Techniken diejenigen zu<br />
verstehen sind, bei denen das Anoderm reseziert<br />
wird, unter geschlossenen Techniken solche,<br />
bei denen das Anoderm erhalten wird.<br />
Bei der anodermresezierenden Hämorrhoidektomie<br />
erfolgt eine Exzision des vergrößerten<br />
Polsters mit anschließender Sekundärheilung<br />
des entstandenen Defektes im Bereich der<br />
Operative Techniken zur Tab. 4-5<br />
Hämorrhoidentherapie<br />
Anoderm<br />
resezierende<br />
Techniken<br />
Hämorrhoidektomie<br />
nach<br />
MILLIGAN-MORGAN<br />
Hämorrhoidektomie<br />
nach FERGUSON<br />
Anoderm<br />
erhaltende<br />
Techniken<br />
submuköse<br />
Hämorrhoidektomie<br />
nach PARKS<br />
Hämorrhoidektomie<br />
mit Analkanalrekonstruktion<br />
nach<br />
FANSLER-ARNOLD<br />
Staplerhämorrhoidektomie(Hämorhoidopexie)<br />
nach LONGO<br />
Mukosa und des Anoderms bzw. der äußeren<br />
Haut (Operation nach MILLIGAN-MORGAN,<br />
vgl. Abb. 4-8 und 4-9). Die Hämorrhoidektomie<br />
nach FERGUSON modifiziert das Vorgehen nach<br />
MILLIGAN-MORGAN in der Weise, dass die Exzisionswunde<br />
des Anoderms schmaler angelegt<br />
und nachfolgend mit einer fortlaufenden Naht<br />
in sagittaler Richtung verschlossen wird. Dabei<br />
wird das Anoderm nicht in der gleichen Weise<br />
unterminiert und mobilisiert wie beim Vorgehen<br />
nach PARKS, sondern mit einer gewissen<br />
Spannung vernäht. Somit erfüllt die Operation<br />
nicht die Kriterien einer anodermerhaltenden<br />
Technik, wie etwa die submuköse Hämorrhoidektomie<br />
nach PARKS.<br />
Abb. 4-8 Hämorrhoidektomie nach<br />
MILLIGAN-MORGAN. Beginn der segmentären<br />
Exzision von außen<br />
45
46<br />
Abb. 4-9 Hämorrhoidektomie nach MILLIGAN-<br />
MORGAN. Nach Abschluss der segmentären Exzision<br />
verbleibt ein Wunddefekt zur Sekundärheilung.<br />
���<br />
����<br />
Die beiden im folgenden angeführten<br />
Techniken erhalten das Anoderm in Kenntnis<br />
seiner sensorischen Kontinenzfunktion. Das<br />
Hämorrhoidalgewebe wird unterhalb des losgelösten<br />
Anoderms ausgeschält. Das erhaltene<br />
Anoderm wird anschließend wieder im analen<br />
Kanal durch Naht fixiert (Operation n. PARKS<br />
oder FANSLER-ARNOLD, vgl. Abb. 4-10 bis<br />
4-15). Die beiden Verfahren verwenden verschiedene<br />
Schnittführungen zur Inzision des<br />
Anoderms und formen danach unterschiedlich<br />
konfigurierte anodermale Lappenplastiken, die<br />
nach intraanal eingeschlagen werden. Auf diese<br />
Weise ist es möglich, das Hämorrhoidalgewebe<br />
zirkulär abzutragen und den normalen anatomischen<br />
Aufbau des Analkanals durch die<br />
neuangelegte Zone des Anoderms wiederherzustellen.<br />
Die Staplerhämorrhoidektomie oder<br />
Staplerhämorrhoidopexie nach LONGO wird in<br />
Deutschland seit 1998 zunehmend durchgeführt.<br />
Hierbei wird das Hämorrhoidalgewebe und<br />
die angrenzende Rektummukosa zirkulär reseziert,<br />
ohne dabei das Anoderm zu inzidieren.<br />
Voraussetzung ist die Anlage einer zirkulären<br />
Tabaksbeutelnaht etwa 3 cm oberhalb der Linea<br />
dentata, also im Bereich der Basis der Hämorrhoidalsegmente.<br />
Die Tabaksbeutelnaht wird um<br />
Hämorrhoidalleiden 4<br />
Abb. 4-10 Hämorrhoidektomie nach<br />
FANSLER-ARNOLD. Schematische Darstellung der<br />
Situation bei Hämorrhoiden III. Grades<br />
Abb. 4-11 Hämorrhoidektomie<br />
nach FANSLER-ARNOLD. Befund bei Op-Beginn.<br />
Die vorgesehenen Exzisionslinien für die<br />
Anodermläppchen sind markiert<br />
den Zentraldorn des geöffnet eingeführten Zirkularstaplers<br />
verknotet. Dann wird der Stapler<br />
unter Reposition des Gewebes geschlossen und<br />
ausgelöst. Hierdurch wird ein zirkulärer Cuff<br />
mit Hämorrhoidalgewebe und Rektummukosa<br />
ausgestanzt und der Defekt mit einer zirkulären<br />
Klammernahtreihe verschlossen.<br />
Trotz subtotaler Entfernung der kranialen<br />
Anteile des Hämorrhoidalgewebes wird bei<br />
dieser Vorgehensweise keine Operationswunde<br />
im Bereich des Anoderms angelegt. Dies führt<br />
zu einem erheblich verbesserten Patientenkomfort<br />
und zur Verkürzung der Krankheitsdauer.<br />
Inzwischen liegen prospektiv randomisierte<br />
Studien vor, die die positiven Einzelerfahrun-
���<br />
����<br />
4 Hämorrhoidalleiden<br />
Abb. 4-13 Hämorrhoidektomie nach<br />
FANSLER-ARNOLD. Abschluss der Freipräparation<br />
des Läppchens<br />
���<br />
����<br />
Abb. 4-12 Hämorrhoidektomie nach FANSLER-<br />
ARNOLD. Freipräparation eines Anodermläppchens<br />
und Abtragung des darunterliegenden Hämorrhoidalgewebes,<br />
schematische Darstellung<br />
gen unterstützen. Die verfahrensabhängigen<br />
Komplikationen sind durch retrospektive Untersuchungen<br />
gut abgesichert.<br />
Indikationen für operative Verfahren: Für die<br />
anodermerhaltenden und anodermresezierenden<br />
Verfahren können unterschiedliche Indikationen<br />
gelten. Die Exzision ohne Deckung<br />
des Defektes führt zu Substanzverlusten im<br />
Anoderm, die bei entsprechendem Ausmaß<br />
unter Umständen Kontinenzstörungen aufgrund<br />
einer Diskriminationsschwäche nach sich ziehen<br />
können. Die Operation nach MILLIGAN-<br />
MORGAN kann daher insbesondere bei einzeln<br />
stehenden, vergrößerten Hämorrhoidalpolstern<br />
Abb. 4-14 Hämorrhoidektomie nach FANSLER-<br />
ARNOLD. Zirkuläre Rekontruktion des Analkanals<br />
mit Läppchenplastiken, schematisch<br />
Abb. 4-15 Hämorrhoidektomie nach<br />
FANSLER-ARNOLD. Situs bei Op.-Ende. Zwischen<br />
den Läppchen verbleibt ein <strong>Dr</strong>ainagegraben<br />
Abb. 4-16<br />
Staplerhämorrhoidektomie:<br />
Einsetzen des Instrumentariums<br />
47
48<br />
Abb. 4-17 Staplerhämorrhoidektomie:<br />
Anlage der Tabaksbeutelnaht<br />
empfohlen werden. Sie zeitigt in diesen Fällen<br />
hervorragende funktionelle Ergebnisse. Beim<br />
zirkulären Vorfall des Hämorrhoidalgewebes<br />
und des gesamten Anoderms (Analprolaps)<br />
empfiehlt sich dagegen eine anodermerhaltenden<br />
Operationstechnik, um einer sensorischen<br />
Inkontinenz durch Erhalt einer ausreichenden<br />
Menge Anoderms als sensibler Kontaktzone<br />
vorzubeugen.<br />
Die Indikation zur Staplerhämorrhoidektomie<br />
ist gegeben beim zirkulären, komplett<br />
reponiblen Prolaps des Anoderms und der<br />
Hämorrhoiden. Für segmentäre Prolapsformen<br />
ist die Exzision nach MILLIGAN-MORGAN oder<br />
eine segmentäre geschlossene Hämorrhoidektomie<br />
nach PARKS oder FANSLER-ARNOLD<br />
besser geegnet und billiger. Beim irreponiblen<br />
Prolaps (Hämorrhoidalleiden Grad IV) lässt<br />
sich mit dem Stapler kein befriedigendes Ergebnis<br />
erreichen, da das außen fixierte Gewebe<br />
Abb. 4-18 Staplerhämorrhoidektomie:<br />
Einführen des Staplers<br />
Hämorrhoidalleiden 4<br />
Abb. 4-19 Staplerhämorrhoidektomie:<br />
Situs bei Op-Ende. Ansicht der Klammernahtreihe<br />
nicht adäquat verkleinert und nach intraanal<br />
reponiert wird und somit die Konturen des<br />
Analrandes nicht geglättet werden.<br />
Ein fixierter Anal- und Hämorrhoidalprolaps<br />
(Hämorrhoiden Grad IV) eignet sich<br />
nicht für ein Staplerverfahren.<br />
Die Staplerhämorrhoidektomie wurde nach der<br />
Erstbeschreibung sehr schnell in die Routine<br />
übernommen, ohne dass eine Evaluation in<br />
klinischen Studien oder im Tierexperiment<br />
voranging. Zunächst war also wenig bekannt<br />
zu den verfahrensabhängigen Problemen und<br />
den Spätergebnissen dieser Technik. Die Probleme<br />
mit der neuen Vorgehensweise lassen<br />
sich an der Änderung der Namensgebung des<br />
Verfahrens ablesen. Zunächst wurde das Verfahren<br />
als PPH abgekürzt. Diese Bezeichnung<br />
zielte zunächst auf ein Painless Procedure for<br />
Hemorrhoids. Aufgrund juristischer Probleme<br />
in den USA erfolgte die »Umdeutung« zu<br />
procedure for prolapse and hemorrhoids. Im<br />
englischen Schrifttum wurden die Bezeichnungen<br />
»stapled haemorrhoidectomy« und<br />
»circumferential mucosectomy« verwendet.<br />
Dies zielt bereits darauf hin, dass durch eine<br />
entsprechend hohe Positionierung der Tabaksbeutelnaht<br />
auch die Entfernung der Mukosa<br />
des unteren Rektums möglich ist. Die gleiche<br />
Entwicklung ist ablesbar an der deutschen<br />
Bezeichnung »Stapler-Hämorrhoidektomie«<br />
und aktuell »Stapler-Hämorrhoidopexie«. Im<br />
deutschen Sprachraum gab es zwischenzeitlich<br />
wechselnde Begriffe: »Sperroperation«, »anales
4 Hämorrhoidalleiden<br />
lifting mit dem Stapler«, »Resektion mit dem<br />
Klammernahtgerät« und »supraanodermale Mukosektomie<br />
mit dem Stapler«. Je nach Meinung<br />
des Autors wurden dem Verfahren Wirkungen<br />
bzw. operative Möglichkeiten zugeschrieben,<br />
die eine erstauliche Bandbreite suggerieren.<br />
Wenn heute der Begriff »Hämorrhoidopexie«<br />
weithin verwendet wird, soll das bedeuten, dass<br />
es durch die Applikation der Klammernahtreihe<br />
oberhalb des Hämorrhoidalplexus möglich ist,<br />
das vergrößerte Hämorrhoidalgewebe sicher<br />
intraanal zu plazieren, ohne es abzutragen.<br />
Dabei wird dem Verfahren dann eine universelle<br />
Einsatzmöglichkeit in allen operativ zu<br />
behandelnden Situationen zugeschrieben. An<br />
dieser Vorstellung sind Zweifel angebracht, die<br />
sich bei zahlreichen unbefriedigenden Spätergebnissen<br />
mit gelegentlichen Zweiteingriffen<br />
bestätigen. Die Staplerhämorrhoidektomie<br />
erscheint nicht als das eine Verfahren für alle<br />
operativen Befunde und sie ist zudem auch<br />
keine Methode, die ohne besondere Erfahrung<br />
jederzeit anwendbar ist.<br />
Nachbehandlung: Die Nachbehandlung von<br />
Hämorrhoidenoperationen muss in diesem<br />
Rahmen nicht in Einzelheiten dargelegt werden.<br />
Grundsätzlich gilt, dass das Stopfrohr,<br />
das früher obligat war, heute keinen Platz<br />
in der postoperativen Behandlung mehr hat.<br />
Orale Abführmaßnahmen sind streng kontraindiziert.<br />
Stattdessen ist ein normal geformter<br />
Stuhl durch eine unmittelbar postoperativ<br />
wieder einsetzende schlackenreiche Ernährung<br />
gewünscht. Lokale Behandlungsmaßnahmen<br />
mit Sitz- oder Duschbädern sowie<br />
der Vorlage von Salbenkompressen mit den<br />
üblichen Hämorrhoidalsalben oder aber mit<br />
wundreinigenden Zubereitungen sind sinnvoll<br />
und helfen, die postoperativen Beschwerden<br />
zu lindern. Die regelmäßige digitale Austastung<br />
des Analkanals verfolgt zum einen den<br />
Sinn, postoperative Komplikationen, wie beispielsweise<br />
eine eitrige Verhaltung, rechtzeitig<br />
zu erkennen. Zum anderen wird durch die<br />
Austastung einem vorzeitigen Verkleben der<br />
intraanal liegenden Wundränder vorgebeugt.<br />
Der vorzeitige Wundverschluss kann als entscheidender<br />
Wegbereiter für die Entstehung<br />
von postoperativen septischen Komplikationen<br />
und Stenosen angesehen werden.<br />
Auch für die operativen <strong>Therapie</strong>verfahren<br />
gilt als oberster Grundsatz, dass zunächst eine<br />
Normalisierung der Funktion des Kontinenzorgans<br />
durch ballaststoffreiche Ernährung und<br />
durch Flüssigkeitszufuhr sowie das Vermeiden<br />
des Pressens bei der Defäkation angestrebt<br />
werden muss. Als nächster Schritt muss die<br />
veränderte Architektur des Analkanals korrigiert<br />
werden. Hierbei soll als Ergebnis erreicht<br />
werden, dass im oberen analen Kanal wieder<br />
ein Schwellkörperorgan zur Lumenabdichtung<br />
vorhanden ist. <strong>Therapie</strong>ziel kann niemals die<br />
vollständige Ausrottung des gesamten Hämorrhoidalgewebes<br />
sein.<br />
Durch eine operative <strong>Therapie</strong> soll der<br />
hämorrhoidale Schwellkörper in eine physiologische<br />
Lage und Größe zurückgebracht<br />
werden.<br />
Ergebnisse der operativen <strong>Therapie</strong>: In der<br />
Proktologie fehlt es im Allgemeinen an wissenschaftlichen<br />
Ergebnissen, die durch prospektive<br />
Studien abgesichert sind. So erfolgt weithin<br />
eine <strong>Therapie</strong>, die sich nicht an evidenzbasierten<br />
Empfehlungen orientieren kann. Man<br />
muss beispielsweise die Sklerotherapie der<br />
Hämorrhoiden weiterhin als aus der »Erfahrungsmedizin«<br />
übernommen bewerten.<br />
Für die operative Behandlung des Hämorrhoidalleidens<br />
liegt eine Metaanalyse von<br />
MAC RAE und MC LEOD aus 1995 vor. Sie<br />
zeigt auf, dass die operative Behandlung des<br />
Hämorrhoidalleidens effektiver ist als die früher<br />
häufiger geübte manuelle Dehnung. Die<br />
Erfolgsrate der Operation ist der konservativen<br />
<strong>Therapie</strong> signifikant überlegen (96% vs. 77%).<br />
Dabei ist die Komplikationsrate höher (18% vs.<br />
6%) und ebenso die Schmerzbelastung (83%<br />
vs. 10%). Die Gummiligatur ist effektiver als<br />
die Sklerosierung, und zwar über alle Stadien<br />
der Erkrankung betrachtet. In Deutschland<br />
werden Hämorrhoiden 3. Grades meist operativ<br />
versorgt. Die Gummiligatur könnte aber vorgeschaltet<br />
werden und die Operation dann bei<br />
mangelndem <strong>Therapie</strong>erfolg indiziert werden.<br />
Der Vergleich von operativer und konservativer<br />
49
50<br />
<strong>Therapie</strong> bzgl. der Erfolgsrate, Komplikationsrate<br />
und der Schmerzbelastung ist in diesem<br />
Zusammenhang als banal zu bewerten. Die<br />
Metaanalyse zeigt überdeutlich, dass keine<br />
evidenzbasierten Ergebnisse vorliegen, da<br />
bei diesen vermeintlich simplen Problemen<br />
alle subjektiv erfolgreichen <strong>Therapie</strong>ansätze<br />
verfolgt werden und trotz der Häufigkeit der<br />
Erkrankung keine prospektiven Studien inauguriert<br />
werden.<br />
Zusammenfassung: Das Hämorrhoidalleiden<br />
stellt wegen der ballaststoffarmen Ernährung<br />
in westlichen Industrienationen ein<br />
häufiges Krankheitsbild dar. Die Symptome<br />
sind relativ unspezifisch und äußern sich<br />
durch hellrote Blutungen, Juckreiz, Nässen,<br />
mitunter Schmerzen und Inkontinenzer-<br />
scheinungen. In der Diagnostik muss zumindest<br />
eine höher gelegene Blutungsquelle<br />
im Rektum ausgeschlossen werden. Jede<br />
<strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens muss<br />
eine Basistherapie mit ballaststoffreicher<br />
Ernährung, entsprechendem Defäkationsverhalten<br />
und Analhygiene beinhalten. Die<br />
weiterführende <strong>Therapie</strong> zielt immer auf<br />
die Verminderung der durch die Hämorrhoidalvergrößerung<br />
auftretenden Symptome<br />
und nicht auf die Eradikation des<br />
Hämorrhoidalplexus. So werden Symptome<br />
von erstgradig vergrößerten Hämorrhoiden<br />
meist konservativ therapiert. Bei zweit- und<br />
drittgradig vergrößerten Hämorrhoiden<br />
empfehlen sich als semikonservative Methode<br />
die Gummibandligatur oder bei mangelndem<br />
Erfolg eine operative <strong>Therapie</strong>.<br />
Hämorrhoidalleiden 4
5 Analvenenthrombose<br />
5 Analvenenthrombose<br />
Ätiopathogenese 52<br />
Diagnostik 52<br />
Differentialdiagnose 52<br />
<strong>Therapie</strong> 53<br />
Nachbehandlung 54<br />
51
52<br />
Vorbemerkung: Die Analvenenthrombose wird<br />
häufig als »äußere Hämorrhoide« bezeichnet.<br />
Diese Klassifizierung ist aber sicherlich falsch,<br />
da es sich hierbei nicht um eine Anschwellung<br />
des arteriovenösen Geflechts des Corpus cavernosum<br />
recti handelt, die auch zum Vorfall von<br />
Hämorrhoidalgewebe bis vor den Analkanal<br />
führen kann. Bei der Analvenenthrombose<br />
handelt es sich um eine lokale intravasale<br />
Thrombosierung am Analrand, im Bereich der<br />
venösen Zuflüsse zu den Venae haemorrhoidales<br />
inferiores, die unter der Haut gelegen<br />
sind und kreisförmig die Analöffnung umziehen.<br />
Man kann diese Venengeflechte bei der<br />
Inspektion gelegentlich als livide verfärbten<br />
Ring um den After herum wahrnehmen. Die<br />
Bezeichnung als äußere Hämorrhoide erscheint<br />
auch deswegen unzweckmäßig, weil sich die<br />
<strong>Therapie</strong> der perianalen Thrombose gänzlich<br />
von der <strong>Therapie</strong> des Hämorrhoidalleidens<br />
unterscheidet.<br />
Ätiopathogenese<br />
Unter epidemiologischen Gesichtspunkten<br />
erscheint das männliche Geschlecht bevorzugt.<br />
Möglicherweise prädisponiert eine weiche<br />
Stuhlkonsistenz zu diesen Thrombosen. Andererseits<br />
ist auch auffällig, dass die Thrombosen<br />
mitunter jahreszeitlich gehäuft auftreten, was<br />
einen möglichen Zusammenhang zu äußeren<br />
Witterungsbedingungen nahelegen könnte.<br />
Die Entstehung dieser Thrombosen ist<br />
letztlich nicht geklärt, wenngleich unterstellt<br />
werden muss, dass lokale Bedingungen im<br />
Bereich der Gefäße im Sinne der Virchow’schen<br />
Trias die Thrombosierung auslösen. In erster<br />
Linie dürften also Stasefaktoren begünstigend<br />
wirken, die z. B. im Rahmen eines exzessiven<br />
Pressens bei der Defäkation oder auch durch<br />
unphysiologischen <strong>Dr</strong>uck von außen, etwa bei<br />
längerem Radfahren, entstehen. Zahlreiche<br />
Patienten geben aber an, dass die Thrombose<br />
spontan und ohne zeitlichen Zusammenhang<br />
zur Defäkation oder zu sonstigen Ereignissen<br />
aufgetreten ist. Der Patient bemerkt einen<br />
plötzlich vorhandenen, schmerzhaften Knoten<br />
außen am Analrand.<br />
Diagnostik<br />
Analvenenthrombose 5<br />
Die Diagnose einer perianalen Thrombose<br />
geschieht überlicherweise durch die direkte<br />
Inspektion. Die Thrombose schimmert durch<br />
die Haut als bläulich livider Knoten (vgl. Abb.<br />
5-1). Mitunter kommt ein bereits fortgeschrittenes<br />
Stadium der Thrombose mit beginnender<br />
Spontanperforation und dementsprechend<br />
einer zentralen Öffnung der Haut über dem<br />
Knoten zur Behandlung. Man kann dann in<br />
der Öffnung den Thrombus erkennen oder<br />
bereits schmieriges Sekret oder Eiter aufgrund<br />
der zunehmenden Nekrose des thrombotischen<br />
Materials und der Gefäßwand.<br />
Abb. 5-1 Kleine perianale Thrombose<br />
Differentialdiagnose<br />
Differentialdiagnostisch ist die Vorwölbung<br />
der perianalen Thrombose leicht von einem<br />
Abszess abzugrenzen. Der Abszess zeigt die<br />
typischen klinischen Zeichen der Entzündung<br />
mit Überwärmung und Rötung der Haut sowie<br />
zumeist auch bereits bestehenden Allgemeinsymptomen.<br />
Die Abgrenzung gegenüber einer<br />
thrombosierten Hämorrhoide erscheint dagegen<br />
mitunter problematisch. Diese differentialdiagnostische<br />
Abgrenzung ist aber zwingend<br />
erforderlich vor der einzuleitenden <strong>Therapie</strong>, da<br />
ansonsten durch die <strong>Therapie</strong> gefährliche Blutungssituationen<br />
für den Patienten entstehen<br />
können. Erschwert wird die Differentialdiagnose<br />
gegenüber der Hämorrhoidalthrombose<br />
dadurch, dass die perianalen Thrombosen nicht<br />
auf die Lokalisation im Bereich der Haut des<br />
Analrandes beschränkt bleiben. Sie können
5 Analvenenthrombose<br />
gelegentlich auch etwas weiter intraanal, in<br />
subanodermaler Lokalisation, gefunden werden.<br />
Immer ist dann aber das proximale Ende<br />
des indurierten Thromboseknotens distal der<br />
Dentatalinie zu tasten.<br />
Die digitale Austastung des Analkanals<br />
erlaubt also die sichere Differenzierung gegenüber<br />
einer Hämorrhoidalthrombose auch beim<br />
Vorliegen einer subanodermalen Lokalisation.<br />
Zusätzlich lässt sich palpatorisch auch eine<br />
Abgrenzung gegenüber einem Analkarzinom<br />
vornehmen, das sich eher derb und relativ<br />
indolent darstellt. Im Zweifelsfall lässt sich<br />
die Dignität erst durch die histologische Aufarbeitung<br />
nach Exzision sichern.<br />
Differentialdiagnose Tafel 5-1<br />
der Analvenenthrombose<br />
• thrombosierte Hämorrhoide<br />
• perianaler Tumor<br />
• Analkarzinom<br />
• Abszess<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Die weitaus meisten Thrombosen bleiben den<br />
spontan einsetzenden reparativen Vorgängen<br />
des Gefäßsystems überlassen. Dabei werden<br />
kleinere Thrombosen natürlich schneller resorbiert<br />
und die subjektive Beschwerdefreiheit<br />
kehrt früher zurück. Der Spontanverlauf der<br />
Erkrankung kann gelegentlich auch durch die<br />
<strong>Dr</strong>uckschädigung des bedeckenden Epithels<br />
zu einer Eröffnung mit Abgang von Blut und<br />
thrombotischem Material führen. In der Regel<br />
wird der Patient hierdurch bereits weitgehend<br />
beschwerdefrei.<br />
Die Mehrzahl der Analvenenthrombosen<br />
bilden sich spontan zurück und bedürfen<br />
keiner operativen <strong>Therapie</strong>.<br />
Falls der Patient sich aufgrund der starken<br />
Schmerzen in ärztliche Behandlung begibt,<br />
ist die <strong>Therapie</strong> der Wahl eine chirurgische<br />
Eröffnung der Thrombose in Lokalanästhesie.<br />
Abb. 5-2 Exzision einer perianalen Thrombose.<br />
Ovaläre Umschneidung der Thrombose.<br />
Hierbei bieten sich zwei Möglichkeiten an: Man<br />
kann den Knoten oberflächlich inzidieren, bis<br />
das Lumen des Gefäßes eröffnet ist. Im Weiteren<br />
läßt sich dann der intraluminäre Thrombus<br />
leicht exprimieren. Die zweite Möglichkeit besteht<br />
in einer ovalären Exzision des Thrombus<br />
unter Mitnahme eines Hautsegmentes und eines<br />
entsprechenden Segmentes des den Thrombus<br />
tragenden venösen Gefäßes (vgl. Abb. 5-2 und<br />
5-3). Die letztgenannte Maßnahme erscheint<br />
aus zwei Gründen der einfachen Inzision des<br />
Knotens überlegen. Zum einen wird durch die<br />
»en bloc«-Exzision von Haut, Subkutis und<br />
Vene der Gefäßanteil entfernt, der im Moment<br />
eine Bereitschaft zur Thrombose zeigt.<br />
Unabhängig von der Ursache der Thrombose<br />
Abb. 5-3 Exzision einer perianalen Thrombose.<br />
Präparat des exzidierten Thrombus.<br />
53
54<br />
erscheint diese Exzision des Gefäßabschnittes<br />
wünschenswert, wenn sie ohne Gefahr einer<br />
Nachblutung und mit einer einfachen Lokalanästhesie<br />
möglich ist.<br />
Dies ist bei den außen gelegenen perianalen<br />
Thrombosen und bei den meisten subanodermalen,<br />
d. h. weiter intraanal gelegenen<br />
Thrombosen der Fall. Durch die Entfernung<br />
des Gefäßabschnittes wird der Gefahr einer<br />
neuerlichen Rethrombosierung in den ersten<br />
Tagen nach der Exzision vorgebeugt. Bei der<br />
ausschließlichen Inzision ist die Rethrombosierungsrate<br />
mit bis zu 50 % relativ hoch. Zum<br />
anderen wird durch die Exzision des Hautgewebes<br />
eine Glättung am Analrand erreicht und<br />
einer Entstehung von Marisken als Spätzustand<br />
nach Thrombosen vorgebeugt. Häufig treten<br />
die Thrombosen multipel auf bzw. in mehreren<br />
gekammerten Gefäßabschnitten. Diese Befunde<br />
lassen sich erfahrungsgemäß durch eine »en<br />
bloc«-Exzision besser behandeln als durch<br />
multiple Inzisionen.<br />
Für die Lokalanästhesie sollte eine 0,5 %ige<br />
oder 1 %ige Zubereitung ohne Adrenalinzusatz<br />
verwendet werden. Auf diese Weise bleiben<br />
kleinere venöse Nachblutungen sichtbar. Sie<br />
lassen sich durch kurzzeitiges Auflegen einer<br />
blutstillenden Kompresse (Adrenalin 1: 1000)<br />
beherrschen. Besondere Probleme ergeben<br />
sich in den Fällen, bei denen unter der Diagnose<br />
einer perianalen bzw. subanodermalen<br />
Thrombose eine Hämorrhoidalthrombose operiert<br />
wurde. In diesem Fall kommt es zu einer<br />
arteriellen Blutung, die gelegentlich größere<br />
Ausmaße annehmen kann und dann unter den<br />
Bedingungen der Lokalanästhesie nur schwer<br />
zu stillen ist. Vor dem Beginn der Exzision<br />
sollte diese diagnostische Differenzierung<br />
daher unbedingt vorgenommen werden. Als<br />
Faustregel darf gelten, dass nur die Thrombose<br />
exzidiert werden kann, die man beim leichten<br />
Spreizen der Nates bis in ihren proximalen<br />
Anteil hin komplett zur Darstellung bringen<br />
kann, bzw. die man mit dem Finger komplett<br />
umfahren kann. Befunde in dieser Lokalisation<br />
am Analrand haben ihren Ursprung im Bereich<br />
des unteren venösen Plexus und können somit<br />
ohne die Gefahr einer arteriellen Nachblutung<br />
angegangen werden.<br />
Analvenenthrombose 5<br />
Vor Exzision einer ‚Analvenenthrom-<br />
bose’ muss diese differentialdiagnostisch<br />
von einem thrombosierten Hämorrhoidalknoten<br />
abgegrenzt werden.<br />
Nachbehandlung<br />
Im Anschluss an die Inzision oder Exzision<br />
wird auf die entstandene Wunde eine Salbenkompresse<br />
aufgelegt. Hier bieten sich entweder<br />
desinfizierende Salben oder die üblichen<br />
Hämorrhoidalpräparate an. Der Patient wird<br />
angehalten, in den ersten Tagen 2 – 3 x täglich<br />
ein Sitzbad durchzuführen. Desinfizierende<br />
Zusätze zu diesem Sitzbad sind nicht zwingend<br />
erforderlich, sie werden jedoch gelegentlich im<br />
Wundbereich als wohltuend empfunden. Es<br />
erscheint in den ersten postoperativen Tagen<br />
sinnvoll, 1 x täglich ein mullstreifenarmiertes<br />
Suppositorium in den Analkanal einzulegen.<br />
Auf diese Weise wird ein vorzeitiges Verkleben<br />
der Wundränder mit entsprechenden Sekretretentionen<br />
vermieden. Die Erkrankung kann eine<br />
kurze Arbeitsunfähigkeit von einigen Tagen<br />
bedingen. Empfehlenswert ist eine Kontrolle<br />
nach Ablauf von einer Woche, wobei kleinere<br />
Defekte zu diesem Zeitpunkt bereits epithelisiert<br />
sind. Der Bereich ist dann lediglich noch als<br />
eine schmale, radiär in den unteren analen<br />
Kanal einstrahlende Narbe zu erkennen.<br />
Zusammenfassung: Eine Analvenenthrombose<br />
entwickelt sich in den Vv. haemorrhoidales<br />
inferiores. Die Genese ist ungeklärt.<br />
Differentialdiagnostisch müssen thrombosierte<br />
Hämorrhoidalknoten, Abszesse und<br />
Analtumoren abgegrenzt werden. Die Mehrzahl<br />
der Analvenenhrombosen bildet sich<br />
spontan zurück. Bei starken Beschwerden<br />
oder Beschwerdepersistenz empfiehlt sich<br />
die Exzision in Lokalanästhesie, da bei der<br />
ausschließlichen Inzision die Rezidivquote<br />
bei über 50 % liegt.
6 Analfissur<br />
6 Analfissur<br />
Pathogenese 56<br />
Symptomatologie 57<br />
Diagnostik 57<br />
Differentialdiagnose 58<br />
<strong>Therapie</strong> 58<br />
Konservative <strong>Therapie</strong>möglichkeiten 58<br />
Nitroglyzerin 59<br />
Botulinumtoxin 60<br />
Operative Behandlungsverfahren 60<br />
Laterale Sphinkterotomie 60<br />
Operation nach Eisenhammer 61<br />
Fissurexzision 61<br />
Komplikationen 62<br />
Nachbehandlung 62<br />
55
56<br />
Vorbemerkung: Eine Analfissur ist kein »haarfeiner<br />
Riss«, wie dies der Begriff nahelegen könnte.<br />
Zumeist handelt es sich um ein tropfenförmiges,<br />
längsgestelltes Ulcus im unteren analen Kanal,<br />
im Bereich des Anoderms. Unter chirurgischen<br />
Gesichtspunkten stellt die Fissur nach der Fistel<br />
bzw. ihrer akuten Manifestation, dem Abszess,<br />
die zweithäufigste Analerkrankung dar. Ein<br />
behandlungsbedürftiges Hämorrhoidalleiden<br />
findet sich wesentlich seltener.<br />
Abb. 6-1 Chronische Fissur dorsal mit kleiner<br />
Vorpostenfalte<br />
Pathogenese<br />
Die Pathogenese des Fissurleidens ist nicht<br />
vollständig geklärt. Etwa 90 % der Fissuren<br />
finden sich im Bereich der hinteren Mittellinie.<br />
Dies muss so erklärt werden, dass hier aufgrund<br />
der straffen Fixation zur Steißbeinspitze hin<br />
ein Locus minoris resistentiae mit verminderter<br />
elastischer Aufdehnbarkeit des Analrandes<br />
besteht. Gleichzeitig sind im Bereich der hinteren<br />
Kommissur die meisten Analkrypten<br />
nachzuweisen. Die Kryptitis im Bereich einer<br />
dieser Krypten kann als Wegbereiter des Fissurgeschehens<br />
angesehen werden. Aufgrund einer<br />
entzündlich-ödematösen Durchtränkung des<br />
Gewebes und einer vermehrten Sekretabson-<br />
Analfissur 6<br />
derung aus dem Kryptenbereich kommt es zu<br />
einer Mazeration des benachbarten Anoderms<br />
mit entsprechend vermehrter Vulnerabilität.<br />
Ein Pressen bei der Defäkation oder eine harte<br />
Stuhlkonsistenz kann dann zur oberflächlichen<br />
Zerreißung des Gewebes führen. Gelegentlich<br />
können Fissuren auch als Restzustand nach<br />
spontaner Perforation kleiner, subanodermal<br />
gelegener Thrombosen oder ins Lumen perforierter,<br />
intersphinktärischer Abszesse bestehen<br />
bleiben.<br />
Die Fissur führt zur chronischen Entzündung<br />
im Bereich des Randgewebes und des<br />
Fissurgrundes mit zunehmender Infiltration<br />
des M. sphincter ani internus. Eine narbige<br />
Schrumpfung dieses Gewebes kann im weiteren<br />
Verlauf eine zunehmende Stenosierung des<br />
Anallumens bewirken. In der Literatur wurde<br />
der resultierende Sphinkterhypertonus auch als<br />
primär bestehend und somit als fissurauslösend<br />
diskutiert. Heute gehen die meisten Autoren<br />
davon aus, dass es sich eher um ein sekundäres<br />
Phänomen handelt. Man findet auch Fissuren<br />
ohne einen Sphinkterhypertonus bzw. eine unelastische<br />
Einengung des Anallumens, beispielsweise<br />
relativ häufig im Rahmen eines M. Crohn.<br />
Die zunehmende Vernarbung führt zu<br />
weiteren Sekundärveränderungen im Bereich<br />
der Fissur, wie Fibromen, der sogenannten<br />
Vorpostenfalte und gelegentlich auch subfissuralen<br />
Abszessen sowie marginalen Fisteln.<br />
Im deutschen Sprachgebrauch wird diese Fissur<br />
dann als chronische Fissur bezeichnet, im<br />
Gegensatz zur frischen Fissur ohne Sekundärveränderungen.<br />
Unter einer chronischen Analfissur<br />
versteht man eine Fissur mit Sekundärveränderungen.<br />
Im angloamerikanischen Sprachraum hat sich<br />
dieser Begriff nicht generell durchgesetzt. Hier<br />
wird die Chronizität der Fissur eher nur an der<br />
Dauer der Anamnese festgelegt, wonach dann<br />
zumeist nach einer Krankheitsdauer von mehr<br />
als 6 Wochen von einer chronischen Fissur<br />
ausgegangen wird. Wichtig ist die Abgrenzung<br />
sogenannter sekundärer Fissuren. Hierunter<br />
versteht man fissurähnliche Läsionen im Rah-
6 Analfissur<br />
men anderer Erkrankungen beispielsweise eines<br />
M. Crohn. Sie sind gekennzeichnet dadurch,<br />
dass kein Sphinkterhypertonus nachweisbar ist<br />
und dass sie atypisch außerhalb der hinteren<br />
oder vorderen Medianlinie liegen.<br />
Abb. 6-2 Chronische Fissur dorsal mit Vorpostenfalte<br />
und äußerer Fistelöffnung<br />
Sekundärveränderungen Tafel 6-1<br />
einer Analfissur<br />
• Tiefer Epitheldefekt mit freiliegender<br />
Internusmuskulatur und kallösen, unterminierbaren<br />
Fissurrändern<br />
• hypertrophierte Analpapille am<br />
oberen Fissurrand im Bereich der<br />
Linea dentata<br />
• Vorpostenfalte (sentinal tag) außen<br />
am distalen Fissurende ähnlich<br />
einer Mariske<br />
• Zeichen der lokalen chronischen<br />
Entzündung mit Beteiligung des Intersphinktärraumes<br />
(Fistel oder<br />
florider Abszess)<br />
• Ausbildung einer entzündlichen,<br />
narbigen Analstenose<br />
Symptomatologie<br />
Leitsymptom des Fissurleidens ist der stechende,<br />
quälende Defäkationsschmerz. Die Beschwerden<br />
halten nach der Defäkation mehrere Stunden<br />
an. Sie lassen dann im allgemeinen nach, wobei<br />
aber bereits durch Bewegung des Beckenbodens<br />
und der Sphinktermuskulatur neuerlich<br />
Schmerzen ausgelöst werden können. Häufig<br />
ist die Fissur vergesellschaftet mit Blutungen,<br />
die dann typischerweise als hellroter Blutstreifen<br />
entweder auf dem Toilettenpapier oder<br />
auf der Stuhlsäule angegeben werden. Nicht<br />
selten führt die Lage der Fissur im unteren<br />
analen Kanal, also unterhalb der muskulären<br />
Hochdruckzone, auch zu einem Nachtropfen<br />
von Blut bei der Defäkation.<br />
Seltener tritt eine schmierige Exsudation<br />
auf, die dann perianale Hautveränderungen<br />
und einen Pruritus ani hervorrufen kann. Die<br />
Patienten geben ein Gefühl der Verstopfung<br />
an, was Ausdruck einer zunehmenden narbigen<br />
Einengung sein kann. Bei weiter zunehmender<br />
Stenosierung des Analkanals kann sogar eine<br />
funktionelle Diarrhoe resultieren.<br />
Symptome einer Analfissur Tafel 6-2<br />
• stechender Schmerz<br />
• bei/nach Defäkation<br />
• Blutung<br />
Diagnostik<br />
• Nässen<br />
• Juckreiz<br />
• Stenosegefühl<br />
Die Fissur läßt sich zumeist bereits bei der<br />
Inspektion unter leichtem Spreizen der Nates<br />
erkennen. Schon der anamnestische Hinweis<br />
auf Schmerzen muss eher als Hinweis auf eine<br />
Fissur als auf ein behandlungsbedürftiges Hämorrhoidalleiden<br />
interpretiert werden.<br />
Die digitale Austastung des Analkanals<br />
kann die Diagnose der Fissur erhärten, insofern<br />
man an der typischen Lokalisation in der vorderen<br />
und hinteren Medianlinie eine Induration<br />
tasten kann. Diese digitale Austastung sollte<br />
aufgrund der hierdurch auslösbaren Beschwerden<br />
behutsam durchgeführt werden.<br />
57
58<br />
Differentialdiagnose<br />
Weitergehende instrumentelle Untersuchungen<br />
sind vor der <strong>Therapie</strong> dringend erforderlich.<br />
Nur sie erlauben eine differentialdiagnostische<br />
Abgrenzung gegenüber fissurähnlichen<br />
Läsionen aufgrund eines M. Crohn oder eines<br />
Analkarzinoms. Unter dem Blickwinkel defäkationsabhängiger<br />
Schmerzen sind differentialdiagnostisch<br />
der Abszess, die perianale<br />
Thrombose und die Hämorrhoidalthrombose<br />
abzugrenzen.<br />
Differentialdiagnose Tafel 6-3<br />
der Analfissur<br />
• fissuroide Crohnläsion<br />
• perforierte Analvenenthrombose<br />
• Analkarzinom<br />
• Analrhagade<br />
• Abszess<br />
• luetischer Primäraffekt<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Grundsätzlich stehen konservative und operative<br />
<strong>Therapie</strong>möglichkeiten zur Auswahl.<br />
Eine sorgfältige Indikationsstellung für die<br />
einzelnen <strong>Therapie</strong>verfahren ist erforderlich,<br />
um eine unnötig lange, frustrane Behandlung<br />
zu vermeiden. Die Harmlosigkeit des benignen<br />
Fissurleidens sollte den Therapeuten nicht zu<br />
einem halbherzigen Vorgehen veranlassen, da<br />
für den Patienten sonst unnötig lang dauernde<br />
Schmerzepisoden resultieren. Außerdem ist für<br />
die Wahl des <strong>Therapie</strong>verfahrens zu berücksichtigen,<br />
dass aus einer länger bestehenden<br />
Fissur mit eitriger Verhaltung im Bereich unter<br />
der Fissur sehr kompliziert verlaufende Fisteln<br />
entstehen können, die dann bei der operativen<br />
<strong>Therapie</strong> zu ausgedehnten Substanzverlusten<br />
in der Schließmuskulatur führen.<br />
Konservative <strong>Therapie</strong>möglichkeiten<br />
Häufig greifen die Patienten zu einer Eigenmedikation,<br />
die zumeist in einer Laxanzieneinnahme<br />
besteht. Hierdurch wird vorübergehend die<br />
Analfissur 6<br />
Stuhlentleerung erleichtert. Andererseits ist es<br />
aber einleuchtend, dass die konsistenzgeminderten<br />
Stühle zu einer mangelnden Aufdehnung<br />
des Analkanals führen und dass in diesem<br />
unelastischen Gewebe im weiteren Verlauf die<br />
Einrisse immer wieder rezidivieren. Im Regelfall<br />
sind Laxanzien somit kontraindiziert.<br />
Laxanzien sind in der Fissurbehandlung<br />
kontraindiziert.<br />
Eine adäquate konservative <strong>Therapie</strong> umfasst ein<br />
aufklärendes Gespräch mit dem Patienten über<br />
den Sinn einer schlackenreichen Ernährung und<br />
ausreichender Flüssigkeitszufuhr. Hierdurch<br />
wird eine weich geformte Stuhlkonsistenz erzielt,<br />
die bei der Defäkation zu einer elastischen<br />
Aufdehnung des Analkanals führt.<br />
An lokalen konservativen Maßnahmen<br />
sind anästhesierende Salben und insbesondere<br />
kortikoidfreie Salben und Suppositorien<br />
indiziert. Die Applikation von mullstreifenarmierten<br />
Zäpfchen erscheint besonders sinnvoll,<br />
da durch den Textilstreifen eine Applikation<br />
und lokale Wirkung des Zäpfchens im unteren<br />
analen Kanal erreicht wird.<br />
Symptomatische <strong>Therapie</strong> Tafel 6-4<br />
der Analfissur<br />
• ballaststoffreiche Kost<br />
• ggf. Analdehner<br />
• anästhesierende Salben/Suppositorien<br />
Nach wie vor wird von einigen Autoren eine<br />
Sklerosierung der Fissur empfohlen. Dies erscheint<br />
dann unsinnig und obsolet, wenn für<br />
die Injektion Substanzen wie zur Sklerosierung<br />
von Hämorrhoiden verwendet werden. Sie führen<br />
immer zu einer zunehmenden Vernarbung<br />
im Bereich der Fissur und programmieren das<br />
Rezidiv. Die Unterspritzung mit einem Lokalanästhetikum<br />
kann dagegen die Beschwerden<br />
lindern und so mitunter eine exakte Untersuchung<br />
überhaupt erst ermöglichen.<br />
Entsprechend der pathophysiologischen<br />
Entwicklung eines Sphinkterhypertonus bzw.<br />
einer unelastischen, zunehmenden Stenosierung
6 Analfissur<br />
des Analkanals im Verlauf des Fissurgeschehens<br />
erscheint die Dehnung des Afterkanals<br />
zur konservativen Fissurbehandlung sinnvoll.<br />
In den letzten Jahren hat sich zunehmend<br />
durchgesetzt, dass diese Dehnung durch den<br />
Patienten selbst mittels eines Plastikkonus<br />
durchgeführt wird. Es empfiehlt sich, den Patienten<br />
sorgfältig in den Gebrauch eines solchen<br />
Analdehners einzuweisen. Die Compliance<br />
des Patienten lässt sich erhöhen, wenn man<br />
ihn zunächst unter ärztlicher Aufsicht einen<br />
Dehnungsversuch durchführen läßt. Der Dehner<br />
sollte mit einem Gleitmittel, zweckmäßigerweise<br />
mit einer Hämorrhoidensalbe, eingestrichen<br />
sein und unter drehenden Bewegungen in den<br />
Analkanal eingeführt werden. Die Durchführung<br />
in Linksseitenlage erscheint einfacher als<br />
die Anwendung in gebeugter oder hockender<br />
Stellung. Der Patient sollte den Dehner mehrfach<br />
hintereinander einführen und ihn zuletzt<br />
etwas länger intraanal belassen. Der Spasmus<br />
in der Muskulatur wird auch günstig beeinflusst<br />
durch eine Kontraktion der Schließmuskulatur<br />
gegen den maximal eingeführten Dehner.<br />
Ganz anders zu bewerten ist die manuelle<br />
Dilatation des Analkanals unter Narkosebedingungen.<br />
Dieses immer noch propagierte<br />
Verfahren birgt bei mangelnder Erfahrung des<br />
Operateurs das Risiko einer unkontrollierten<br />
Sphinkterzerreißung in sich. Selbstverständlich<br />
kann durch dieses Verfahren eine Tonusminderung<br />
erreicht werden und die Fissur anschließend<br />
zur Abheilung kommen. Dennoch ist das<br />
Verfahren heute wegen der gelegentlich auftretenden,<br />
nicht korrigierbaren Inkontinenz nicht<br />
mehr als Standardverfahren zu empfehlen.<br />
Bezüglich der Erfolgsaussichten der manuellen<br />
oder instrumentellen Dilatation muss<br />
angemerkt werden, dass es bisher keine prospektiven<br />
Studien gibt, die den Erfolg der eigenständige<br />
Dehnungsbehandlung des Patienten<br />
mittels eines Analdehners abschätzen lassen.<br />
Dennoch erscheint im Einzelfall, insbesondere<br />
bei Fissuren mit Fehlen von Sekundärveränderungen,<br />
der Versuch mit diesem <strong>Therapie</strong>verfahren<br />
unbedingt gerechtfertigt. Für das<br />
Vorgehen der manuellen Dilatation in Narkose<br />
liegen Studien vor. Die beschriebenen Komplikationen<br />
legen aber den Schluss nahe, dass<br />
andere operative Verfahren überlegen sind,<br />
wenn man sich schon zur Behandlung mittels<br />
Narkose entschließen muss.<br />
Seit etwa 10 Jahren werden topisch wirksame<br />
Substanzen untersucht, die im Gegensatz<br />
zu symptomatisch wirksamen Substanzen (wie<br />
Lokalanästhetika oder wirkstofffreie Salben)<br />
und ähnlich der Dehnungsbehandlung einen<br />
kausalen <strong>Therapie</strong>ansatz verfolgen. Ausgehend<br />
vom primären Sphinkterhypertonus als<br />
möglicher Fissurursache wird durch lokale<br />
Salbenapplikation versucht, diesen Muskeltonus<br />
zu senken. Bestuntersuchte Substanz ist Nitroglyzerin.<br />
Des Weiteren wurden Diltiazem und<br />
Nifedipin als Calciumkanalblocker angewendet.<br />
Nitroglyzerin: Nitropräparate werden zumeist in<br />
einer Konzentration von 0,2 % ( bis 0,4 %) appliziert<br />
und können den Tonus des M. sphincter<br />
ani internus senken, die lokale Perfusion und<br />
damit die Sauerstoffutilisation verbessern und<br />
so die Fissur zur Abheilung bringen. Neueste<br />
Untersuchungen haben nachgewiesen, dass<br />
der drucksenkende Effekt nur etwa 2 Stunden<br />
anhält. Dies lässt Zweifel aufkommen an den<br />
zahlreichen früheren Dosisfindungsstudien mit<br />
der Empfehlung der 3 x täglichen Applikation.<br />
Als Nebenwirkungen ergeben sich Kopfschmerzen,<br />
die möglicherweise dosisabhängig sind.<br />
Mehrere Studien zur chronischen Fissur<br />
zeigten eine Senkung der Operationsfrequenz<br />
bei einer niedrigen Rate an Fissurrezidiven. In<br />
Multicenterstudien ließen sich diese Ergebnisse<br />
aber nicht reproduzieren. Hier zeigte sich keine<br />
Überlegenheit der Nitrosalbe gegenüber Placebo<br />
bezogen auf den Eintritt der Schmerzfreiheit<br />
und die Abheilung der Fissur. Interessant ist,<br />
dass die Studien überwiegend chronische Fissuren<br />
zum Gegenstand hatten, wobei in erster<br />
Linie die Anamnesedauer als Kriterium für<br />
die Chronizität diente. Die positiv bewerteten<br />
Studien haben zum Begriff der »chemischen<br />
Sphinkterotomie« geführt, die teilweise als<br />
Alternative zur lateralen Sphinkterotomie gesehen<br />
wird. Die chemische Sphinkterotomie<br />
kommt den Bemühungen der Kostensenkung<br />
entgegen und vermeidet einen irreversiblen<br />
Schaden am M. sphincter ani internus. Wegen<br />
der nicht überzeugenden Studienergebnisse<br />
59
60<br />
gibt es bis dato in Deutschland aber keine<br />
Nitrosalbe als Handelspräparat für die Indikation<br />
»Analfissur«.<br />
Bisher wurde in Deutschland keine<br />
Salbe mit Nitroglyzerin oder Kalziumantagonisten<br />
für die <strong>Therapie</strong> der Analfissur<br />
zugelassen.<br />
Botulinumtoxin: Auf demselben Prinzip der<br />
Tonussenkung der analen Muskulatur beruht<br />
die Anwendung des Botulinum-Toxins. Botulinum-Toxin<br />
führt bei der lokalen Injektion<br />
in den M. sphincter ani externus durch eine<br />
Hemmung der Acetylcholinfreisetzung zu einer<br />
reversiblen Lähmung diese Muskels mit einer<br />
Tonussenkung im Analkanal und nachfolgend<br />
möglicher Abheilung der Fissur. Die Dosierung<br />
ist in den einzelnen Studien unterschiedlich<br />
zwischen 5 und 25 Units. Die Wirkung auf die<br />
Muskulatur ist nach 8 - 12 Wochen spontan<br />
reversibel. Die Injektion von Botulinum-Toxin<br />
in den M. sphincter ani externus ist deswegen<br />
bemerkenswert, weil die Hypothese des<br />
Sphinkterhypertonus den M. sphincter ani<br />
internus betrifft. Ein erhöhter Tonus der quergestreiften<br />
Muskulatur ist eher nur schmerzreflektorisch<br />
erklärbar. Die passagere Lähmung<br />
dieses Muskels wäre dann gleichzusetzen mit<br />
einer symptomatischen <strong>Therapie</strong> und nicht<br />
mit einer kausalen Beeinflussung des primär<br />
erhöhten Internushypertonus. Botulinum-Toxin<br />
scheint neben der relaxierenden Wirkung eine<br />
spezielle Wirkung auf nozizeptive Rezeptoren in<br />
der quergestreiften Muskulatur zu entwickeln,<br />
was die Tatsache erklärt, dass die Schmerzfreiheit<br />
zumeist schon am ersten Tag nach der<br />
Injektion eintritt und die Relaxation erst am<br />
3. bis 4. Tag deutlich wird.<br />
Zusammenfassend sind die lokalen Maßnahmen<br />
zum Zweck der Tonussenkung bisher<br />
nicht eindeutig positiv zu bewerten. Wenn<br />
neben den bekannten wirksamen Substanzen<br />
nach weiteren Stoffen oder nach einer systemischen<br />
Anwendung der Substanzen, z. B.<br />
Nifedipin, Diltiazem oder Sildenafil gesucht<br />
wird, zeigt dies, dass die bisherigen <strong>Therapie</strong>ergebnisse<br />
noch nicht als zufriedenstellend<br />
bewertet werden.<br />
Analfissur 6<br />
Operative Behandlungsverfahren<br />
Eine Indikation zur operativen Behandlung ist<br />
dann gegeben, wenn die konservative <strong>Therapie</strong><br />
fehlschlägt und nicht zur dauerhaften Beschwerdefreiheit<br />
führt, oder wenn es unter einer<br />
konservativen <strong>Therapie</strong> zu einer Befundverschlechterung<br />
mit entsprechender Ausbildung<br />
von Sekundärveränderungen kommt. Für die<br />
operative <strong>Therapie</strong> ist das Augenmerk insbesondere<br />
auf diese Sekundärveränderungen zu<br />
richten, da sie etwa im Fall eines Abszesses oder<br />
einer Fistel so ausgeprägt sein können, dass sie<br />
unabhängig von der ursprünglich auslösenden<br />
Fissur einen selbständigen Krankheitswert erlangen<br />
und regelhaft chirurgisch angegangen<br />
werden müssen. Grundsätzlich konkurrieren<br />
zwei unterschiedliche operative <strong>Therapie</strong>ansätze.<br />
Die ist zum einen die sogenannte laterale<br />
Sphinkterotomie nach NOTARAS oder PARKS<br />
und zum anderen die Exzision der Fissur mit<br />
(Operation nach EISENHAMMER) oder ohne<br />
posteriore Sphinkterotomie.<br />
Laterale Sphinkterotomie: Die laterale Sphinkterotomie<br />
wird in der angloamerikanischen<br />
Literatur derzeit favorisiert. Das Prinzip beruht<br />
auf einer Tonussenkung der Internusmuskulatur<br />
durch eine Inzision des distalen Randes dieses<br />
Muskels links lateral bei 3 h oder 4 h über einen<br />
kleinen Hautschnitt unter Lokalanästhesie.<br />
Dabei wird der eigentliche Bereich der Fissur<br />
bei 6 h oder 12 h im Regelfall nicht tangiert.<br />
Lediglich bei ausgeprägten Sekundärveränderungen<br />
empfehlen die Autoren die zusätzliche<br />
Abb. 6-3 Operative Fissurbehandlung.<br />
Laterale Sphinkterotomie nach NOTARAS
6 Analfissur<br />
sparsame Exzision der Fissur ergänzend zur<br />
lateralen Sphinkterotomie. Als limitierend für<br />
dieses Verfahren müssen septische Prozesse<br />
im Bereich der Fissur (Abszesse oder Fisteln)<br />
angesehen werden. Sie sollten Anlass zur Fissurektomie<br />
sein, da ansonsten die Möglichkeit<br />
einer Infektionsausbreitung bis in die seitlichen<br />
Abschnitte des Analkanals besteht.<br />
Operation nach Eisenhammer: Die Operation<br />
nach EISENHAMMER verbindet regelmäßig<br />
beide skizzierten Bestandteile der Fissuroperation.<br />
Hier wird zunächst die Fissur im Bereich<br />
der hinteren Kommissur exzidiert, wobei es<br />
wichtig ist, den Bereich der Kryptenlinie mit zu<br />
entfernen. Diese Notwendigkeit wird vor dem<br />
Hintergrund der engen ätiologischen Beziehung<br />
zwischen Fissur und Kryptitis verständlich. Die<br />
Nichtbeachtung kann die Rezidiventstehung<br />
begünstigen. Danach wird der im Wundgrund<br />
freigelegte Unterrand des M. sphincter ani internus<br />
in der hinteren Mittellinie eingekerbt.<br />
Das Ausmaß der Einkerbung muß variabel gehandhabt<br />
werden, da bei regelmäßiger Inzision<br />
bis zur Linea dentata – wie dies von einigen<br />
Autoren angegeben wird - gelegentlich bereits<br />
Kontinenzstörungen auftreten. Für das Ausmaß<br />
der Sphinkterotomie muß berücksichtigt werden,<br />
dass die Muskelmasse beim weiblichen<br />
Geschlecht wesentlich schmaler angelegt ist<br />
als beim männlichen. Hier können keine allgemeingültigen<br />
Standardempfehlungen gegeben<br />
werden. Es empfiehlt sich grundsätzlich, bei der<br />
Sphinkterotomie eher zurückhaltend zu sein.<br />
Essentiell erscheint aus chirurgischer Sicht le-<br />
Abb. 6-4 Chronische Fissur: Fissurektomie,<br />
präoperativer Situs<br />
diglich die Durchtrennung der narbig indurierten<br />
Muskelanteile im unmittelbaren Bereich unter<br />
der Fissur. Nach Abschluss dieser sparsamen<br />
Einkerbung resultiert zumeist ein ausreichend<br />
elastischer Analkanal ohne die Gefahr eines<br />
Fissurrezidivs. Die Gefahr einer Inkontinenz<br />
aufgrund einer sogenannten Schlüssellochdeformität<br />
ist bei dieser Vorgehensweise zu<br />
vernachlässigen.<br />
Fissurexzision: In Deutschland wird heute<br />
weithin die Fissurektomie ohne regelhafte<br />
Sphinkterotomie als Standardeingriff bei der<br />
chronischen Analfissur durchgeführt. Das<br />
Verfahren ist nicht in neueren Studien untersucht.<br />
Der Eingriff erfolgt in Regional- oder<br />
Allgemeinanästhesie. Die Exzision des Fissurgewebes<br />
erfolgt segmentär weit außerhalb<br />
des Analrandes beginnend. Die perianale Haut<br />
wird oberflächlich exzidiert und dann nach<br />
intraanal das vernarbte Fissurgewebe unter<br />
Schonung des M. sphincter ani internus abgetragen.<br />
Die Separation des Fissurgrundes<br />
von der Internusmuskulatur kann aufgrund<br />
narbiger Verklebungen schwierig sein. Im<br />
proximalen Bereich werden die benachbarten<br />
Anteile der Kryptenlinie einschließlich dortiger<br />
Fibrome (hypertrophierter Papillen) ebenfalls<br />
mit exzidiert. Der Defekt bleibt offen (vgl. Abb.<br />
6-5). Die Exzision eines weiten Hautareals<br />
außen verfolgt den Sinn einer Vorbeugung des<br />
»Scheinrezidivs«. Die äußeren Wundanteile vernarben<br />
schneller als die intraanalen Bereiche.<br />
Dies birgt die Gefahr der Ausbildung einer quer<br />
am Analrand verlaufenden Narbenspange. Der<br />
Abb. 6-5 Chronische Fissur: Fissurektomie,<br />
postoperativer Situs<br />
61
62<br />
austretende Stuhl kann diese Narbe unterspülen<br />
und zur neuerlichen Ausbildung einer entzündlichen<br />
Defektwunde am Analrand führen. Die<br />
abschließende Sphinkterotomie in der hinteren<br />
Mittellinie (dorsale Sphinkterotomie), wie sie<br />
Eisenhammer propagiert hat, kann derzeit nicht<br />
mehr als obligat gelten.<br />
Die operative Standardtherapie der konservativ<br />
therapieresistenten Analfissur sollte<br />
die Exzision unter Mitnahme der Sekundärveränderungen<br />
sein.<br />
Komplikationen<br />
Oftmals finden sich septische Komplikationen<br />
der Analfissur, wie intersphinktäre Abszesse<br />
oder Analfisteln. Diese müssen mittherapiert<br />
werden. Im Verdachtsfall ist der intersphinktäre<br />
Raum ausreichend breit zu eröffnen und zu<br />
revidieren. Eine anhaltende Windinkontinenz<br />
nach zu ausgiebiger Sphinkterotomie wird als<br />
»Schlüssellochdeformität« des Analrandes bezeichnet<br />
und erfordert gelegentlich operative<br />
Korrekturmaßnahmen. Diese mögliche Komplikation<br />
ist im eigenen Kollektiv in 0,2 % der Fälle<br />
aufgetreten und somit bei entsprechend vorsichtiger<br />
Technik und sachkundiger Durchführung<br />
zu vernachlässigen. Sie kann im Übrigen auch<br />
nach zu ausgiebiger lateraler Sphinkterotomie<br />
auftreten. Als wesentliche, verfahrensabhängige<br />
Komplikation bei der lateralen Sphinkterotomie<br />
ist aber die unbemerkte Eröffnung einer Analkrypte<br />
durch die Präparation im intersphinktären<br />
und subanodermalen Raum anzusehen. Dies zieht<br />
regelhaft die Entstehung einer Fistel nach sich,<br />
die zudem durch die Tatsache kompliziert wird,<br />
dass bei der Präparation des intersphinktären<br />
Raumes der nach proximal hin verlaufende<br />
Spaltraum breit eröffnet wurde. Dies begünstigt<br />
eine proximale Ausbreitungsrichtung der entstehenden<br />
Fistel mit entsprechenden Problemen<br />
bei der operativen Behandlung.<br />
Nachbehandlung<br />
Für die Nachbehandlung nach Fissuroperationen<br />
gelten die üblichen Regeln der sonstigen<br />
Analfissur 6<br />
analen Operationen. Der Patient sollte frühzeitig<br />
Sitzbäder durchführen. Die Applikation von Salbenkompressen<br />
mit desinfizierenden Präparaten<br />
oder sog. Hämorrhoidalsalben kann die postoperativen<br />
Schmerzen lindern und die Wunde<br />
frühzeitig reinigen. Eine digitale Austastung<br />
des Analkanals zum Zweck der Verhinderung<br />
eines vorzeitigen Verklebens der Wundränder<br />
ist vom ersten postoperativen Tag an obligat.<br />
Sorgfältige proktoskopische Kontrollen sollten<br />
zusätzlich erfolgen, um Wundheilungsstörungen<br />
mit Sekretverhaltungen rechtzeitig zu erkennen.<br />
Für die zeitliche Abfolge dieser proktoskopischen<br />
Kontrolluntersuchungen lassen sich keine<br />
schematischen Richtlinien angeben. Es ist aber<br />
anzumerken, dass bei vorsichtiger Durchführung<br />
der Proktoskopie diese Untersuchung bereits sehr<br />
früh postoperativ ohne wesentliche Schmerzen<br />
erfolgen kann.<br />
Der Zeitraum bis zur definitiven Abheilung<br />
der Exzisionswunde ist bei posteriorer Lokalisation<br />
der Fissur mitunter auffallend lang.<br />
Dies mag, wie auch die Entstehung der Fissur<br />
selbst, darin begründet sein, dass die dorsale<br />
Kommissur eine mechanisch belastete Zone des<br />
Analkanals darstellt.<br />
Zusammenfassung: Eine Analfissur ist ein<br />
Ulkus im unteren Analkanal. Die Genese der<br />
Fissur ist nicht endgültig geklärt, wahrscheinlich<br />
können multiple Ursachen zu ein und<br />
demselben Krankheitsbild führen. Differentialdiagnostisch<br />
müssen insbesondere sekundäre<br />
Ursachen für eine Analfissur oder für anale<br />
Ulzera wie ein Analkarzinom, ein luetischer<br />
Primäraffekt oder ein Morbus Crohn ausgeschlossen<br />
werden Unter einer chronischen<br />
Analfissur versteht man eine Fissur mit Sekundärveränderungen.<br />
Der stechende Schmerz<br />
bei der Defäkation ist Leitsymptom der Analfissur.<br />
Ein konservativer <strong>Therapie</strong>versuch mit<br />
anästhesierenden oder den Sphinktertonus<br />
senkenden Medikamenten ist gerechtfertigt.<br />
Bei Beschwerdepersistenz sollte die Fissur<br />
unter Mitnahme der Sekundärveränderungen<br />
exzidiert werden. Eine laterale Sphinkterotomie<br />
sollte wegen einer erhöhten postoperativen<br />
Inkontinenzgefahr unterbleiben.
7 Analabszess/Analfistel<br />
7 Analabszess/Analfistel<br />
Ätiopathogenese 64<br />
Klassifikation der Abszesse 64<br />
Klassifikation der Analfisteln 64<br />
Symptomatologie 66<br />
Differentialdiagnostik 66<br />
<strong>Therapie</strong> 66<br />
<strong>Therapie</strong> des Analabszesses 67<br />
<strong>Therapie</strong> des Analfistel 68<br />
Ergebnisse 69<br />
Fistulotomie/Fistelektomie 68<br />
Fistelexzision mit plastischem Fistelverschluss 69<br />
Fadendrainage 69<br />
Nachbehandlung 69<br />
63
64<br />
Ätiopathogenese<br />
Analabszess und Analfistel stellen unter ätiologischen<br />
Gesichtspunkten eine Krankheitsentität<br />
dar. Es handelt sich um unterschiedliche Phasen<br />
derselben Erkrankung, wobei der Abszess die<br />
Akutmanifestation und die Fistel die chronische<br />
Verlaufsform darstellt. Gemeinsames<br />
Korrelat ist die Infektion im Bereich einer<br />
der Proktodealdrüsen im intersphinkterischen<br />
Raum. Ausgehend von dieser Entzündung<br />
entwickelt sich der Abszess entsprechend den<br />
vorgegebenen anatomischen Strukturen und<br />
kann durch den Durchbruch zur Haut oder zu<br />
Nachbarstrukturen der Wand des Analkanals<br />
Fisteln ausbilden. Die hierdurch entstehenden<br />
Fisteln lassen sich als typische Fisteln klassifizieren,<br />
da sich die Verlaufsrichtung aufgrund<br />
der vorgegebenen Ausbreitungswege immer<br />
ähnelt. Im Gegensatz dazu finden sich in seltenen<br />
Fällen auch atypisch verlaufende Fisteln<br />
bzw. Abszesse, die sich nicht an die typischen<br />
Ausbreitungswege halten. Sie haben zumeist<br />
eine traumatische Ursache oder entstehen<br />
beispielsweise im Rahmen eines analen M.<br />
Crohn. Die Lagebeziehung des Krankheitsherdes<br />
zu den unterschiedlichen Anteilen der<br />
analen Muskulatur ist für die <strong>Therapie</strong> von<br />
außerordentlich großer Bedeutung.<br />
Klassifikation der Abszesse<br />
Entsprechend ihrer Lokalisation lassen sich<br />
bei den typischen Abszessen drei Formen<br />
unterscheiden:<br />
1. der intersphinktäre Abszess<br />
2. der ischiorektale Abszess<br />
3. der pelvirektale Abszess<br />
Weitaus am häufigsten (etwa 60 %) findet<br />
sich die intersphinktäre Lokalisation des Abszesses.<br />
Sie kann entweder auf den Intersphinktärraum<br />
intraanal begrenzt sein oder<br />
nach distal herunterreichen. Der erstgenannte<br />
»hohe« intersphinktäre Abszess ist somit von<br />
außen nicht sichtbar. Die zweite Form entspricht<br />
dem typischen sichtbaren, analnah und<br />
oberflächlich gelegenen Perianalabszess. Der<br />
ischiorektale Abszess manifestiert sich durch<br />
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Analabszess/Analfistel 7<br />
Abb. 7-1 Analabszess: Schema der Lokalisationen<br />
1 pelvirektal 5 M. sphincter ani internus<br />
2 submukös 6 M. sphincter ani externus<br />
3 intersphinkterisch 7 M. puborectalis<br />
4 ischiorektal<br />
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eine Vorwölbung perianal, wobei er aber in der<br />
Tiefe, oberhalb der Fascia perinei superficialis,<br />
gelegen ist. Etwa 35 % der Abszesse entsprechen<br />
dieser Form. Die pelvirektale Abszess<br />
(
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7 Analabszess/Analfistel<br />
den Bereichen des Analkanals. Als klinische<br />
Besonderheit ist dieses Phänomen seit langem<br />
bekannt (GOODSALL’sche Regel). GOODSALL<br />
beschrieb bereits 1900 einen auffällig häufigen<br />
bogenförmigen Verlauf der Fisteln zur dorsalen<br />
Mittellinie.<br />
Die GOODSALL’sche Regel besagt, dass<br />
Fisteln der dorsalen Zirkumferenz meist<br />
bogenförmig zur Mittellinie verlaufen,<br />
Fisteln der ventralen Zirkumferenz meist<br />
einen geraden radiären Verlauf nehmen.<br />
Als typische Fisteln lassen sich in Analogie<br />
zur den Abszessen in ihrer Lagebeziehung zur<br />
analen Muskulatur unterscheiden:<br />
1. die intersphinktäre Fistel<br />
2. die transsphinktäre Fistel<br />
3. die suprasphinktäre Fistel<br />
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Abb. 7-2 Analfistel: Schema der Fistelverläufe.<br />
1 suprasphinkterisch 5 M. sphincter ani internus<br />
2 submukös 6 M. sphincter ani externus<br />
3 intersphinkterisch 7 M. puborectalis<br />
4 transsphinkterisch<br />
�<br />
�<br />
Als atypische Form findet man relativ häufig<br />
eine submukös bzw. subkutan oder subanodermal<br />
verlaufende Fistel, die oft ihren Ausgang<br />
von einer Analfissur nimmt. Sie kann deswegen<br />
auch als marginale Fistel der »Fissur mit<br />
Sekundärveränderungen« klassifiziert werden.<br />
Die extrem selten nachzuweisende atypische<br />
extrasphinktär verlaufende Fistel hat zumeist<br />
eine traumatische Ursache.<br />
Für alle Fisteln gilt, dass aus chirurgischer<br />
Sicht für die <strong>Therapie</strong> die Höhe des muskeldurchbohrenden<br />
Ganges entscheidend ist. Die<br />
unkomplizierte, typische intersphinkterische<br />
oder transsphinkterische Fistel hat ihren muskeldurchbohrenden<br />
Gang üblicherweise in der<br />
Ebene der Linea dentata oder distal dieser<br />
Lokalisation. Die suprasphinkterische Fistel<br />
entsteht durch die Abszessausbreitung nach<br />
proximal und sie umgreift dann die Puborektalisschlinge.<br />
Präoperativ sollte Klarheit bestehen<br />
über die Höhenlokalisation des muskeldurchbohrenden<br />
Ganges, da beispielsweise eine<br />
Muskeldurchtrennung distal der Dentatalinie<br />
üblicherweise nicht von einer entscheidenden<br />
Kontinenzstörung gefolgt ist. Dagegen ist die<br />
Durchtrennung der gesamten analen Muskulatur<br />
einschließlich der Puborektalisschlinge<br />
regelhaft mit einer kompletten Inkontinenz<br />
verbunden. Insgesamt zeigen etwa 95 % der<br />
Fisteln einen intersphinkterischen oder transsphinkterischen<br />
Verlauf, mit einer Höhe des<br />
muskeldurchbohrenden Ganges nicht oberhalb<br />
der Dentatalinie, so dass sie ohne wesentliche<br />
Kontinenzgefährdung angegangen werden<br />
können. Die suprasphinkterischen Fisteln haben<br />
nicht selten ihre Ursache in einer fehlerhaften<br />
Freilegung des vorangehenden Abszesses<br />
mit einer entsprechenden Manipulation im<br />
Abszessraum und nachfolgender Tamponade<br />
unter <strong>Dr</strong>uck. Dieses Manöver kann zu einer<br />
Infektverschleppung nach proximal und zur<br />
Schaffung einer hohen inneren Fistelöffnung<br />
im unteren Rektum führen. Im letztgenannten<br />
Fall würde eine iatrogene, atypisch gelegene<br />
extrasphinkterische Fistel resultieren.<br />
Eine Sonderform zwischen Abszess und<br />
Fistel nimmt der chronische, intersphinkterisch<br />
gelegene Analabszess ein. Hierbei findet sich im<br />
Spaltraum zwischen M. sphincter ani internus<br />
und externus ein Infiltrat von bis zu Haselnussgröße,<br />
wobei die innere Fistelöffnung mit ihrer<br />
Verbindung über den <strong>Dr</strong>üsenausführungsgang<br />
zur Linea dentata obliteriert ist und sich bis<br />
zur diesem Zeitpunkt auch noch kein äußeres<br />
Fistelostium aufgrund eines entsprechenden<br />
Abszessdurchbruchs ausgebildet hat. Diese Abszessformen<br />
können eine derbe Kapsel ausbilden.<br />
In den meisten Fällen besteht gleichzeitig eine<br />
65
66<br />
Analfissur, wobei dann der intersphinktärische<br />
Abszess in der hinteren Mittellinie lokalisiert<br />
ist. Seine Entstehung muss so interpretiert<br />
werden, dass es zur Infiltratbildung unterhalb<br />
der Fissur kommt, die aber aufgrund der Vernarbung<br />
des Fissurgrundes nicht nach außen<br />
zum Analrand durchbrechen kann.<br />
Symptomatologie<br />
Die Symptomatologie des Fistelleidens bzw. der<br />
Abszessbildung ist geprägt durch den entzündlichen<br />
Charakter der Erkrankung. Dies bedeutet<br />
im Regelfall eine Progredienz der Erkrankung<br />
nach Angehen der Infektion, mit gelegentlich<br />
ablaufenden selbstbegrenzenden Vorgängen im<br />
Sinne beispielsweise einer Abszessperforation.<br />
Die Patienten berichten über eine zunehmende<br />
Schmerzsymptomatik, die sich im Verlaufe<br />
der Entwicklung der Erkrankung zunehmend<br />
exakt an einer bestimmten Stelle des Analkanals<br />
lokalisieren lässt. Im weiteren Verlauf<br />
wird eine Schwellung außen erkennbar und<br />
tastbar und es stellen sich entzündliche Allgemeinsymptome<br />
mit Abgeschlagenheit und<br />
Fieberschüben ein.<br />
Eine druckdolente Schwellung verbunden<br />
mit entzündlichen Allgemeinsymptomen<br />
lässt klinisch auf einen Analabszess<br />
schließen.<br />
Im Gegensatz zur Schmerzsymptomatik beispielsweise<br />
bei der Fissur zeigt das Abszessgeschehen<br />
selten einen über längere Zeiträume<br />
rezidivierenden Charakter. Die Allgemeinsymptome<br />
führen den Patienten eher frühzeitig in<br />
ärztliche Behandlung. Gelegentlich sind die<br />
limitierenden Vorgänge der Infektabwehr so<br />
effektvoll, dass ein subjektiv wenig belastendes,<br />
chronisches Stadium der Fistelbildung entsteht,<br />
das für den Patienten keine weitere <strong>Therapie</strong><br />
wünschenswert macht.<br />
Differentialdiagnostik<br />
Die Differentialdiagnostik ist einfach bei äußerlich<br />
nachweisbaren typischen klinischen<br />
Zeichen des Infekts mit Vorwölbung und Über-<br />
Analabszess/Analfistel 7<br />
wärmung der Haut über dem Abszess und<br />
entsprechender Rötung sowie Allgemeinsymptomen.<br />
Differentialgnostische Probleme bereitet<br />
der hochsitzende intersphinktärische Abszess,<br />
der initial weder von außen per Inspektion<br />
noch bei der Palpation nachweisbar ist. Diese<br />
Abszessform führt zudem eher zu relativ uncharakteristischen,<br />
dumpfen Beschwerden, die<br />
erst im weiteren chronifizierenden Verlauf der<br />
Erkrankung exakt lokalisierbar werden.<br />
Im Rahmen der Differentialdiagnostik<br />
sollte nach Hinweisen für eine chronischentzündliche<br />
Darmerkrankung als möglicher<br />
Ursache der Abszedierung gefahndet werden.<br />
Eine seltenere Ursache für Abszedierungen am<br />
Analrand stellen einschmelzende Analkarzinome<br />
bzw. tiefsitzende Rektumkarzinome dar. Im<br />
Rahmen der Differentialdiagnostik erscheinen<br />
daher zumindest limitierte endoskopische Untersuchungen<br />
vor Beginn der <strong>Therapie</strong> zwingend<br />
erforderlich, um diese Erkrankungen<br />
auszuschließen.<br />
Nicht jede granulationsbesetzte Fistelöffung<br />
im perianalen Bereich entspricht einer<br />
Analfistel kryptoglandulären Ursprungs. Differentialdiagnostisch<br />
müssen hier auch Fisteln<br />
ausgehend von einer Akne inversa oder einem<br />
Pilonidalsinus abgegrenzt werden.<br />
Differentialdiagnose der Tafel 7-1<br />
kryptoglandulären Analfistel<br />
• Analfissur<br />
• Analkarzinom<br />
• Rektumkarzinom<br />
• M. Crohn<br />
• Akne inversa<br />
• Pilonidalsinus<br />
Nicht jede granulationsbesetzte Fistelöffung<br />
im perianalen Bereich entspricht einer<br />
Analfistel kryptoglandulären Ursprungs.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Die <strong>Therapie</strong> des Fistelleidens hat medizingeschichtliche<br />
Dimensionen und lässt sich bereits<br />
seit den Frühzeiten der Chirurgie in zahlreichen
7 Analabszess/Analfistel<br />
historischen Zeitzeugnissen belegen. Gleichzeitig<br />
ist sie im individuellen Fall sehr oft dadurch<br />
geprägt, dass trotz zahlreicher <strong>Therapie</strong>versuche<br />
eine Rezidivneigung besteht oder aber aufgrund<br />
von »Horrorgeschichten« von Betroffenen eine<br />
panische Angst vor einer nachfolgenden Inkontinenz<br />
zu konstatieren ist. Das entscheidende<br />
Problem in der Fisteltherapie scheint die exakte<br />
Kenntnis der anatomischen Verhältnisse und<br />
die subtile und zarte Operationstechnik zu<br />
sein, die es insbesondere vermeidet, bei der<br />
Fistelsondierung eine via falsa zu bohren. Bei<br />
kundiger und vorsichtiger operativer Technik<br />
kann die Fisteloperation andererseits für den<br />
Patienten zumeist eine dauerhafte Heilung<br />
und für den Operateur eine befriedigende<br />
<strong>Therapie</strong>maßnahme bedeuten.<br />
Entscheidend für den <strong>Therapie</strong>erfolg<br />
in der Behandlung einer Analfistel ist die<br />
exakte Kenntnis der anatomischen Verhältnisse.<br />
<strong>Therapie</strong> des Analabszesses<br />
Abszesse sind als Notfallindikation anzusehen<br />
und immer einer adäquaten chirurgischen<br />
<strong>Therapie</strong> zuzuführen. Eine notfallmäßige Entlastung<br />
durch Punktion und sparsame Inzision<br />
kann die Zeit bis zum Beginn der definitiven<br />
operativen <strong>Therapie</strong> erleichtern. Sie ersetzt<br />
aber nicht eine adäquate, d. h. ausreichend<br />
weite chirurgische Eröffnung. Eine abwartende,<br />
konservative <strong>Therapie</strong> mit Antibiotikagabe und<br />
Rotlicht bis zum »Reifwerden« des Abzsesses<br />
mit entsprechender Spontanperforation erscheint<br />
deswegen nicht gerechtfertigt, weil es<br />
hierdurch zu einer Ausuferung des septischen<br />
Geschehens kommen kann. Die anschließende<br />
Fisteltherapie birgt dann eine höhere Gefahr<br />
eines Kontinenzschadens. Die chirurgische Freilegung<br />
des Abszesses muß ausreichend sein, d.<br />
h. die Haut über dem Abszess muss großzügig<br />
»abgedeckelt« werden. Es erscheint müßig, über<br />
eine radiäre oder T-förmige Schnittführung zu<br />
diskutieren. Die Haut über dem Abszess sollte so<br />
weit abgetragen sein, dass eine anschließende<br />
Tamponade zur Gewährleistung eines ausrei-<br />
Abb. 7-3 Analabszess: Klinisches Bild<br />
Abb. 7-4 Analabszess: Endosonographisches Bild<br />
Abb. 7-5 Analabszess: Zustand nach<br />
operativer Freilegung<br />
chenden Abflusses aus dem Hohlraumsystem<br />
unnötig ist.<br />
Der Abszessraum sollte vorsichtig und<br />
nur unter Zuhilfenahme des Fingers ausgeräumt<br />
werden. Ein Debridement mit scharfen<br />
Instrumenten oder eine bohrende Applikation<br />
einer Tamponade scheint obsolet, da dies im<br />
67
68<br />
weichen, frisch entzündeten Gewebe zu einer<br />
Infektverschleppung nach proximal führt. Die<br />
primäre Spaltung einer Fistel im Rahmen der<br />
Abszessentlastung ist nur in den Fällen sinnvoll,<br />
in denen man einen sicheren Fistelnachweis<br />
ohne Sondierung mit scharfen Instrumenten<br />
und mit einem inneren Fistelostium maximal<br />
in Höhe der Dentatalinie führen kann. Im<br />
Zweifelsfall ist die zweizeitige Fistelspaltung<br />
vorzuziehen.<br />
<strong>Therapie</strong> der Analfistel<br />
Der Verlauf einer Fistel ist am einfachsten<br />
durch eine intraoperative Farbstoffinstillation<br />
mit nachfolgender Sondierung festzulegen (vgl.<br />
Abb. 7-6). Die präoperative Röntgendiagnostik<br />
führt zu Befunden, die nur extrem selten in<br />
den intraoperativen Situs übertragbar sind. Die<br />
routinemäßige Fistulographie kann inzwischen<br />
als obsolet angesehen werden. Eher hilfreich<br />
ist die NMR-Tomographie des Beckens zur<br />
Darstellung komplexer Fistelsysteme z.B. im<br />
Rahmen eines Mb. Crohn. Sie stellt die anatomischen<br />
Strukturen dar und erlaubt in Zweifelsfällen<br />
die Zuordnung der Abszessräume und<br />
Fistelgänge zu den muskulären Strukturen des<br />
Analkanals und Beckenbodens. Im geeigneten<br />
Fall kann die Fistel und der Abszess auch gut<br />
endosonographisch dargestellt werden (vgl.<br />
Abb. 7-4).<br />
Abb. 7-6 Analfistel: Intraoperative Sondierung<br />
des Fistelverlaufs<br />
Vorteil dieses Verfahren ist die intraoperative<br />
Verfügbarkeit des Equipments. Die intraoperative<br />
Sondierung der Fistel erfordert einfühlsame<br />
Vorsicht, um einen falschen Weg der Sonde zu<br />
Analabszess/Analfistel 7<br />
vermeiden. Knopfsonden sind spitz zulaufenden<br />
Sonden, wie etwa der früher verwendeten<br />
Rinnensonde, vorzuziehen.<br />
Die Fistelsondierung im akuten Entzündungsstadium<br />
bleibt wegen der erhöhten<br />
Gefahr einer via falsa dem erfahrenen<br />
Proktochirurgen vorbehalten.<br />
In der definitiven chirurgischen <strong>Therapie</strong> der<br />
Fisteln konkurrieren unterschiedliche Verfahren.<br />
Operative Verfahren der Tafel 7-2<br />
Fistelchirurgie<br />
• Fistulotomie (Fistelspaltung) / Fistulektomie<br />
• Fistelexzision mit plastischem<br />
• Verschluss des inneren Fistelostium<br />
• Fadendrainage<br />
Fistulotomie/Fistelektomie: Die Fistulotomie<br />
(Fistelspaltung) gilt heute als Standardverfahren.<br />
Hierbei wird das Fisteldach mitsamt<br />
Subkutangewebe und Haut mit dem Messer<br />
durchtrennt, die Fistel wird »gespalten«. Es<br />
resultiert statt des röhrenförmigen Ganges der<br />
Fistel ein breit offener Wundgraben. Zusätzlich<br />
zu der Durchtrennung des Fisteldaches<br />
werden anschließend die Randanteile von<br />
Haut und Subcutis so weit abgetragen, dass<br />
ein flacher Wundgraben resultiert. Wird diese<br />
Abflachung der Ränder nicht vorgenommen,<br />
können Scheinrezidive der Fistel dadurch entstehen,<br />
dass die Haut über der durchtrennten<br />
Fistel in kurzer Zeit wieder in Kontakt kommt<br />
und beide Hautränder miteinander verkleben.<br />
Die verbleibende Unterminierung in der Tiefe<br />
kann dann als Fistelrezidiv imponieren. Es<br />
ist nicht zwingend erforderlich, den Boden<br />
der Fistel zu exzidieren, also eine komplette<br />
»Fistulektomie« ergänzend zur »Fistulotomie«<br />
durchzuführen. Bei der Abtragung des Fistelbodens<br />
werden unnötigerweise kleinere Anteile<br />
der Muskulatur mitentfernt, die letztendlich<br />
kontinenzentscheidend sein können. Wichtig<br />
ist aber die Kurettage des Fistelbodens, um alles<br />
entzündliche Material der Proktodäaldrüse zu
7 Analabszess/Analfistel<br />
Abb. 7-7 Analfistel: Situs nach Fistelspaltung<br />
(Fistulotomie). Die Wundränder sind angeschrägt,<br />
der Fistelboden verbleibt in situ.<br />
entfernen. Ein glatt epithelisierter Fistelgrund<br />
ohne Nebengänge kann als eine Epithelinsel<br />
in der Mitte des bei der Fistelspaltung entstehenden<br />
Wunddefektes angesehen werden, so<br />
dass die Epithelisierung schneller vonstatten<br />
geht. Selbstverständlich müssen Nebengänge<br />
durch ausreichend breite Freilegung angegangen<br />
werden.<br />
Fistelexzision mit plastischem Fistelverschluss:<br />
Die Fistelexzision mit gleichzeitigem plastischen<br />
Verschluss des inneren Fistelostiums<br />
stellt eine zusätzliche, häufiger geübte Operationsmethode<br />
dar. Sie ist Fisteln mit hohem<br />
sphinkterdurchbohrenden Gang vorbehalten,<br />
etwa Fisteln traumatischer Genese oder im<br />
Rahmen entzündlicher Darmerkrankungen.<br />
Hier soll durch den plastischen Verschluss<br />
des inneren Fistelostiums bei gleichzeitiger<br />
Exzision des extra- und transsphinktärischen<br />
Anteiles die Durchtrennung einer größeren<br />
Muskelportion mit anschließender Inkontinenz<br />
vermieden werden.<br />
Fadendrainage: Während die Fadenbehandlung<br />
der Fistel nach Hippokrates heute entbehrlich<br />
geworden ist, besteht nach wie vor eine Indikation<br />
zur temporären Anwendung eines Fadens<br />
als <strong>Dr</strong>ainage der bestehenden Fistel. Insbesondere<br />
in der Situation der frischen Abszedierung<br />
kann es mitunter sehr nützlich sein, im Rahmen<br />
der ersten Operation bereits einen Faden in die<br />
aufgefundene Fistel einzulegen und ihn locker<br />
zu knüpfen. Dieser Faden wirkt als Docht<br />
und ist in der Lage, das Fistelsystem so zu<br />
drainieren, dass mit zunehmender Abheilung<br />
der Abszesswunde keine neuerliche Verhaltung<br />
auftritt. Auf diese Weise kann sich die lokale<br />
Entzündung stabilisieren und der weitere Verlauf<br />
bis zur definitiven Fistelspaltung in Ruhe<br />
abgewartet werden. Der in der Fistel liegende<br />
Faden führt über seinen Reiz auf das Gewebe<br />
zu einer schnellen Formierung der Fistel und<br />
einer Epithelisierung des Fistelganges. Durch<br />
die Fadendrainage können Nebengänge der<br />
Fistel ausreichend abdrainiert werden, so dass<br />
sie unter Umständen sogar verkleben und das<br />
Fistelsystem auf einen Hauptgang reduziert<br />
werden kann. Diese temporäre Fadendrainage<br />
der Fistel hat einen besonderen Platz in der<br />
Behandlung der Crohnfisteln.<br />
Ergebnisse<br />
Bezüglich der Rezidivrate ist der plastische<br />
Fistelverschluss der Fistelexzision bzw. Fistulektomie<br />
sicher unterlegen. Die besten Ergebnisse<br />
zeigt die Fistulotomie, die darum<br />
als Regelverfahren zu gelten hat. Besonderen<br />
Fistelformen, so namentlich den rektovaginalen<br />
oder anovaginalen Fisteln, ist die Technik des<br />
plastischen Fistelverschlusses vorbehalten. Bei<br />
den letztgenannten Fistelformen kann im Einzelfall<br />
die zusätzliche Anlage eine protektiven<br />
Kolostomie sinnvoll sein, um die Sicherheit des<br />
plastischen Verschlusses zu garantieren.<br />
Nachbehandlung<br />
Die Nachbehandlung einer Fisteloperation<br />
entspricht der üblichen Nachbehandlung septischer<br />
analer Operationen. Hier sollte eine<br />
flache und ausreichend breit eröffnete Wunde<br />
entstehen, die postoperativ die Applikation von<br />
Tamponaden überflüssig macht. Unter einer<br />
Behandlung mit Sitz- oder Duschbädern und<br />
der Vorlage von Salbenkompressen mit antiseptischen<br />
Zubereitungen läßt sich in mitunter<br />
erstaunlich kurzer Zeit eine Epithelisierung<br />
des Wundgrundes erreichen. Postoperativ ist<br />
es ferner wichtig, dass der Fistelgrund häufig<br />
ausgetastet wird, um einem vorzeitigen Verkleben<br />
der Wundränder entgegenzuwirken. Diese<br />
69
70<br />
digitale Austastung sollte zumindest in der<br />
ersten Woche postoperativ täglich durchgeführt<br />
werden. Eine zusätzliche Antibiotikagabe ist<br />
daneben nicht notwendig.<br />
Zusammenfassung: Der Analabszess und die<br />
Analfistel als kryptoglanduläre Entzündung<br />
bilden unter ätiologischen Gesichtspunkten<br />
eine Entität, wobei der Abszess das<br />
akute, die Fistel das chronische Stadium<br />
darstellt. Je nach Fistellokalisation<br />
werden intersphinktäre, ischiorektale und<br />
pelvirektale Abszesse unterschieden. Ein<br />
Abszess muss drainiert, sinnvollerweise<br />
breit entdeckelt werden. Die Fistelsuche im<br />
Entzündungsstadium bleibt dem erfahrenen<br />
Proktochirurgen vorbehalten. Je nach<br />
Höhe des muskeldurchbohrenden Anteils<br />
der Fistel kann diese gespalten, exzidiert<br />
oder mittels eines plastischen Verschlusses<br />
therapiert werden. Die geringste Rezidivrate<br />
hat die Fistelspaltung. Fistelformen im<br />
Rahmen eines Morbus Crohn bedürfen einer<br />
differenzierten Behandlung und werden<br />
oft vor definitiver Sanierung über lange<br />
Zeit nur mit einer losen Fadendrainage<br />
versorgt.<br />
Analabszess/Analfistel 7
8 Pilonidalsinus<br />
8 Pilonidalsinus<br />
Ätiopathogenese 72<br />
Klinik 73<br />
Differentialdiagnostik 73<br />
<strong>Therapie</strong> 73<br />
Nachbehandlung 74<br />
71
72<br />
Vorbemerkung: Unter einem Pilonidalsinus<br />
versteht man eine fistelbildende Entzündung<br />
im Subkutangewebe über dem Os sacrum mit<br />
enger Beziehung zur Rima ani und ohne Beziehung<br />
zu den Strukturen des Analkanals. Das<br />
Fistelsystem nimmt zudem seinen Ausgang<br />
auch nicht vom Os sacrum, wie dies die häufig<br />
gebrauchte Bezeichnung einer Steißbeinfistel<br />
nahelegen könnte. Typischerweise lassen sich<br />
bei dieser Erkrankung winzige Hautöffnungen<br />
in der Rima ani nachweisen, die als Primäröffnungen<br />
des Pilonidalsinus bezeichnet werden.<br />
Von der Primäröffnung aus zieht ein Gang in<br />
eine subkutan gelegene Höhle, die mit einem<br />
chronisch entzündichen Granulationsgewebe<br />
angefüllt ist. Zusätzlich treten im weiteren<br />
Verlauf der Erkrankung entweder durch die<br />
Spontaneröffnung von Abszessen oder durch<br />
die chirurgische Inzision weitere Öffnungen<br />
neben der Rima ani auf (sogenannte Sekundäröffnungen).<br />
Als Restzustand resultieren<br />
fistelnde Verbindungen zwischen Primär- und<br />
Sekundäröffnung. Im Hauptfistelgang lassen<br />
sich häufig Haare nachweisen, ohne dass hier<br />
Haarfolikel nachgewiesen werden können.<br />
Abb.8-1 Pilonidalsinus<br />
Ätiopathogenese<br />
Der Pilonidalsinus stellt nach heutigem Verständnis<br />
ein erworbenes Krankheitsbild dar. Der<br />
Krankheitsgipfel liegt zwischen dem 2. und 4.<br />
Lebensjahrzehnt. Früher ging man davon aus,<br />
dass es sich um ein kongenitales Krankheitsbild<br />
im Sinne einer Dermoidzyste oder auch eines<br />
persistierenden Neuroporus handeln könnte.<br />
Pilonidalsinus 8<br />
Insbesondere die Tatsache einer häufigen Rezidivierung<br />
der Erkrankung trotz kompletter<br />
Exzision muss als Hinweis darauf interpretiert<br />
werden, dass es sich um ein erworbenes Leiden<br />
handelt. Die Ursache für die Ansammlung von<br />
Haaren im Sinus pilonidalis ist nicht sicher<br />
geklärt. Am ehesten handelt es sich um ein multifaktorielles<br />
Geschehen, wobei begünstigende<br />
Faktoren wie starke Körperbehaarung, Adipositas,<br />
übermäßiges Schwitzen und mangelnde<br />
Körperhygiene eine Rolle spielen können. Möglicherweise<br />
werden ortsständige Haare durch<br />
die Bewegung der Gesäßbacken in den Porus<br />
eingerieben, wobei die Hornschuppen als Widerhaken<br />
fungieren und das Haar immer tiefer<br />
in die Kutis und Subkutis eindringen lassen.<br />
In der Tiefe entwickelt sich ein Fremdkörpergranulom,<br />
das sich sekundär infizieren kann.<br />
Andererseits wird von zahlreichen Autoren<br />
auch eine gewisse ätiologische Verwandtschaft<br />
mit der Akne inversa diskutiert, wobei dann<br />
die Hautverhältnisse in der Region der Rima<br />
ani eine Einspießung von Haaren begünstigen<br />
könnten. Im amerikanischen Schrifttum wird<br />
die Erkrankung wegen der möglicherweise<br />
mitbeteiligten mechanischen Komponente der<br />
Entzündungsausbreitung bzw. des Einspießens<br />
von Haaren auch »Jeep’s disease« genannt. Die<br />
Bezeichnungen Steißbeinfistel, Steißbeindermoid<br />
oder Dermoidzyste sind unzutreffend.<br />
Bezeichnungen Tab.: 8-1<br />
des Pilonidalsinus<br />
korrekt inkorrekt<br />
Pilonidalsinus Steißbeinfistel<br />
Sinus pilonidalis Raphefistel<br />
Pilonidalzyste Steißbeindermoid<br />
Haarnestgrübchen Sakradermoid<br />
Haarnestfistel Dermoidzyste<br />
‚Jeep´s disease’<br />
Der Pilonidalsinus muss ätiologisch von<br />
einer Dermoidzyste und von einem persistierenden<br />
Neuroporus abgegrenzt werden.
8 Pilonidalsinus<br />
Klinik<br />
Die Erkrankung kann sich entweder als akuter<br />
Abszess oder als chronische Fistel zeigen, gelegentlich<br />
finden sich aber auch reizlose, asymptomatische<br />
Einziehungen ohne anamnestische<br />
Hinweise auf eine abgelaufene Entzündung.<br />
Im Falle des akuten Abszesses läßt sich eine<br />
druckempfindliche Schwellung in der Rima ani<br />
oder etwas lateral mit den typischen klinischen<br />
Entzündungszeichen nachweisen. Gelegentlich<br />
kommt es zu einer spontanen Verkleinerung<br />
des Abszessgeschehens. In den meisten Fällen<br />
bricht er aber nach außen auf oder macht<br />
eine chirurgische Entlastung notwendig. Nach<br />
dieser Entlastung kann ein chronischer Sinus<br />
bzw. eine chronische Fistel zwischen Primär-<br />
und Sekundäröffnung entstehen, in denen<br />
Rezidivabszesse ablaufen. Im Langzeitverlauf<br />
ist gelegentlich eine Entartung zum Plattenepithelkarzinom<br />
möglich.<br />
Differentialdiagnostik<br />
Die differentialdiagnostische Abgrenzung gegenüber<br />
einer Analfistel ist zum einen durch<br />
die Proktoskopie und Sondierung und zum<br />
anderen häufig auch durch den typischen<br />
Tastbefund möglich. Im Fall der Pilonidalfistel<br />
tastet man nicht den zum Analkanal ziehenden<br />
derben Strang, wie man ihn üblicherweise bei<br />
einer Analfistel findet.<br />
Echte Dermoidzysten oder sogenannte<br />
Steißbeindermoide sind außerordentlich seltene<br />
Fehlbildungen, die sich Präsakralraum entwickeln.<br />
Falls sie sich über einen Fistelgang nach<br />
außen hin entleeren, mündet dieser Fistelgang<br />
zumeist analnah in der Rima ani. Üblicherweise<br />
findet sich hierbei nicht das klinische Bild<br />
einer Fistelbildung zwischen der an typischer<br />
Differentialdiagnose Tafel 8-1<br />
des Pilonidalsinus<br />
• kryptoglanduläre Analfistel<br />
• Dermoidzyste<br />
• Akne inversa<br />
• Crohnfistel<br />
Stelle gelegenen Primäröffnung und der Sekundäröffnung.<br />
Bei jedem analnahen Pilonidalsinus<br />
sollte proktoskopisch eine Analfistel ausgeschlossen<br />
werden.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Ein Pilonidalabszess wird in der Regel chirurgisch<br />
angegangen, wobei gelegentlich eine<br />
Stichinzision genügt, um den Patienten augenblicklich<br />
von den Schmerzen zu befreien.<br />
Man sollte dann im Intervall die operative<br />
Ausschneidung des gesamten Pilonidalsinus<br />
anstreben, da es ansonsten häufig zu Rezidivabszessen<br />
kommt.<br />
Abb. 8-2 Pilonidalabszess<br />
Der chronische Befund der Pilonidalfistel stellt<br />
im Regelfall ebenfalls eine Indikation zum chirurgischen<br />
Vorgehen dar. Ein kleiner asymptomatischer<br />
Sinus, der trocken ist, kann sicherlich<br />
mit konservativen Maßnahmen hinreichend<br />
behandelt werden. Zu diesen konservativen<br />
Maßnahmen würde in einem solchen Fall eine<br />
sorgfältige Hygiene wie die Extraktion evtl. im<br />
Fistelgang vorhandener Haare und die gelegentliche<br />
Verwendung einer Depilationscreme gehören.<br />
Eine definitive Indikation zur operativen<br />
Exzision stellt das ausgedehnte Fistelsystem mit<br />
mehrfach abgelaufener Verhaltung dar.<br />
In der operativen <strong>Therapie</strong> des Pilonidalsinus<br />
konkurrieren zwei Methoden, und zwar<br />
zum einen die Exzision und zum anderen die<br />
Fistelspaltung des primären Fistelgangs und<br />
der Fistelausläufer mit nachfolgender Kürettage<br />
des Wundgrundes. Das zuletzt genannte Verfahren<br />
wird von einigen Autoren dahingehend<br />
73
74<br />
Abb. 8-3 Pilonidalsinus: Situs nach Exzision<br />
modifiziert, dass hier ausschließlich lokale<br />
Säuberungsmaßnahmen im Bereich der Fistel<br />
durchgeführt werden, ohne das Fisteldach zu<br />
durchtrennen. Diese Maßnahmen sind mitunter<br />
sogar in Lokalanästhesie möglich. Bei intensiver<br />
lokaler Behandlung mit anschließender entsprechender<br />
Pflege werden hierbei Heilungsraten<br />
von annähernd 90 % angegeben. Die Spaltung<br />
der Fistel mit nachfolgender Kürettage erzeugt<br />
etwas größere Wundflächen als das skizzierte,<br />
extrem konservative Vorgehen, wobei die<br />
hier entstandenen Hautdefekte doch erheblich<br />
kleiner sind als bei der kompletten Exzision<br />
des gesamten Pilonidalsinus.<br />
Dennoch stellt die »en bloc«-Exzision des<br />
gesamten Pilonidalsinus unter Mitnahme eines<br />
keilförmigen Anteils des Subkutangewebes bis<br />
auf die Sakralfaszie die <strong>Therapie</strong> der Wahl dar.<br />
Dieses Verfahren kann in zwei Modifikationen<br />
durchgeführt werden. Zum einen kann<br />
der entstandene Defekt anschließend durch<br />
eine Naht primär verschlossen werden, z. B.<br />
durch Naht in der Mittellinie oder durch einen<br />
Schwenklappen, wobei hier keine direkte Narbe<br />
in der Mittellinie entsteht. Zum andereren kann<br />
die entstandene Wunde der offenen Granulation<br />
und Sekundärheilung überlassen bleiben.<br />
Sicherlich gilt die zuletzt skizzierte operative<br />
Möglichkeit mit Recht als Verfahren der Wahl,<br />
da hierbei die geringste Rezidivquote von 0<br />
bis 13% angegeben wird. Die postoperative<br />
Behandlungsdauer ist verlängert im Vergleich<br />
zu den anderen Verfahren. Das bedeutet aber<br />
nicht, dass der Patient während der gesamten<br />
Abheilungsphase arbeitsunfähig ist.<br />
Die operative Methode mit der geringsten<br />
Rezidivquote ist die Exzision mit anschließender<br />
offener Wundbehandlung.<br />
Nachbehandlung<br />
Pilonidalsinus 8<br />
Zur Nachbehandlung bei kompletter Exzision<br />
mit anschließender Sekundärheilung gehört<br />
die regelmäßige Wundinspektion und Austastung,<br />
um einem vorzeitigen Verkleben der<br />
Wundränder entgegenzuwirken. Eine lokale<br />
Ätzung des Wundgrundes mit Silbernitrat oder<br />
Policresulen vermag überschüssige Granulationen<br />
zu entfernen und die Epithelisierung vom<br />
Wundrand her zu erleichtern. Regelmäßige<br />
Ausspülungen des Wundgrundes in Verbindung<br />
mit der Applikation eine desinfizierenden Salbe<br />
oder einer Salbe zur enzymatischen Wundreinigung<br />
vermögen den Abheilungsprozess<br />
zu beschleunigen. Zur lokalen Pflege kann<br />
es nützlich sein, die benachbarte Haut in der<br />
postoperativen Phase regelmäßig zu rasieren,<br />
da die Haare sonst in den Wundgrund fallen<br />
und die Abheilung behindern. Die offene<br />
Sekundärheilung führt schließlich zu einer<br />
breiten, haarfreien Narbenzone, die eine gute<br />
Rezidivprophylaxe darstellt. Wenn eine Verwandschaft<br />
mit der Akne inversa diskutiert<br />
wird, ergibt sich hieraus auch das Prinzip der<br />
Exzision und Sekundärheilung als <strong>Therapie</strong> der<br />
Wahl, da so eine Narbe ohne Aknedisposition<br />
geschaffen wird.<br />
Zusammenfassung: Der Pilonidalsinus stellt<br />
eine erworbene Erkrankung wahrscheinlich<br />
mit genetischer Disposition dar. Die nicht<br />
abschließend bewiesene Theorie der Pathogenese<br />
geht von einer granulomatösen<br />
Entzündung durch eingespießte Haare mit<br />
anschließender Fistelbildung aus. Ein Bezug<br />
zur Sakralfaszie besteht nicht. Differentialdiagnostisch<br />
müssen eine Dermoidzyste,<br />
eine Analfistel oder eine Akne inversa<br />
abgegrenzt werden. Das Operationsverfahren<br />
mit der geringsten Rezidivrate ist<br />
die Exzision mit anschließender offener<br />
Wundbehandlung. Plastische Deckungsverfahren<br />
haben dagegen den Vorteil einer<br />
kürzeren Wundheilungdauer.
9 Akne inversa<br />
9 Akne inversa<br />
Pathogenese 76<br />
Klinik 76<br />
Differentialdiagnostik 76<br />
<strong>Therapie</strong> 77<br />
75
76<br />
Vorbemerkung: Die Akne inversa stellt eine<br />
Entzündung der Talgdrüsen und der Terminalhaarfollikel<br />
in den intertriginösen Räumen<br />
perianal, inguinal und axillär dar. Die perianale<br />
Erscheinungsform dieser Erkrankung wird<br />
von einigen Autoren auch als Hidradenitis<br />
suppurativa, Akne tetrade, apokrine Akne oder<br />
Pyodermia fistulans sinifica bezeichnet, was<br />
aus dermatologischer Sicht nicht korrekt ist,<br />
da sowohl die apokrinen als auch die ekkrinen<br />
Schweißdrüsen erst sekundär infiziert werden.<br />
In der Dermatologie ist eine flüchtige Infektion<br />
im Bereich der Schweißdrüsen bekannt, die als<br />
Hidradenitis suppurativa bezeichnet wird und<br />
die nicht zur chronischen Verlaufsform einer<br />
subkutanen Fistelbildung hin tendiert. Diese<br />
Form der Hidradenitis suppurativa heilt häufig<br />
narbenlos ab.<br />
Pathogenese<br />
Die Akne inversa entsteht durch eine Verhornungsstörung<br />
im Bereich des Talgdrüseninfundibulums<br />
mit nachfolgender Stase im<br />
Ausführungsorgan und der Ausbildung eines<br />
Pfropfes aus Hornlamellen. Sekundär kommt<br />
es dann zu einer bakteriellen Besiedlung diese<br />
Räume und folgender Ruptur mit granulomatöser<br />
Entzündungsreaktion. Auf Grund einer<br />
familiären Häufung wird auch eine genetische<br />
Disposition zur Verhornungsstörung diskutiert.<br />
Ein Nikotinabusus und eine Adipositas sind<br />
ebenso signifikante Risikofaktoren bei der<br />
Ausbildung einer Akne inversa. Männer scheinen<br />
bezüglich der perianalen Manifestation<br />
der Erkrankung etwas häufiger betroffen zu<br />
sein als Frauen.<br />
Die Akne inversa ist eine Entzündung<br />
der Talgdrüsen und der Terminalhaarfollikel.<br />
Klinik<br />
Die Entzündung bildet langstreckige Fisteln von<br />
der Perianalregion in Richtung auf die Oberschenkel<br />
oder in die Inguinalregion. Es bilden<br />
sich große konfluierende Entzündungsherde, die<br />
Akne inversa 9<br />
spontan aufbrechen oder – häufiger – operativ<br />
eröffnet werden müssen. Im weiteren Verlauf<br />
entsteht eine derbe Infiltration im Bereich<br />
der Haut und des Subkutangewebes, die im<br />
Vergleich zu einer normalen Narbenbildung<br />
auffallend derb und »holzhart« imponiert. Bei<br />
der perianalen Manifestation der Akne inversa<br />
finden sich zahlreiche Fistelöffnungen, die<br />
untereinander kommunizieren. Sie reichen<br />
gelegentlich eng an den Analrand heran. Bei<br />
der Sondierung und bei der Proktoskopie mit<br />
Sondierung der Kryptenregion wird aber keine<br />
Beziehung zum Analkanal sichtbar. Die Haut<br />
um die Fistelföffnungen herum ist deutlich<br />
verdickt und aufgequollen. Mitunter entleert<br />
sich auf <strong>Dr</strong>uck im Zentrum des indurierten<br />
Bezirkes eitriges oder auch dünnflüssiges Sekret<br />
aus mehreren Fistelöffnungen gleichzeitig.<br />
Das Sekret hat einen unangenehmen Geruch,<br />
der nicht selten zu einer gesellschaftlichen<br />
Isolation der Betroffenen führt.<br />
Abb. 9-1 Perianale Akne inversa<br />
Die Fisteln der Akne inversa haben<br />
keinen Bezug zu den Proktodäaldrüsen.<br />
Differentialdiagnostik<br />
Differentialdiagnostisch muss eine Furunkulose,<br />
bei solitärer Manifestation ein infiziertes<br />
Atherom oder aber eine kryptogene Entzündung<br />
mit Abszess und Fistel in Erwägung gezogen<br />
werden. Etwas fortgeschrittenere Erkrankungsmanifestationen<br />
erinnern gelegentlich aufgrund<br />
der multiplen Fistelöffnungen an ein<br />
atypisches Fistelgeschehen auf dem Boden
9 Akne inversa<br />
eines M. Crohn. Mitunter zeigt sich eventuell<br />
als Steroidfolge eine Kombination eines M.<br />
Crohn mit einer Akne inversa. Wichtig ist der<br />
Nachweis des simultanen Auftretens der Entzündung<br />
an den Prädilektionsstellen der Akne<br />
inversa. Das gleichzeitige Vorkommen der Akne<br />
inversa und kryptogener Entzündungen stellt<br />
ein seltenes Ereignis dar. Im Langzeitverlauf<br />
wurden bei persistierender Entzündungsaktivität<br />
Plattenepithelkarzinome auf dem Boden einer<br />
Akne inversa beschrieben.<br />
Differentialdiagnose Tafel 9-1<br />
der Akne inversa<br />
• Furunkulose<br />
• infiziertes Atherom<br />
• kryptoglanduläre Analfistel<br />
• Crohnfistel<br />
• Pilonidalsinus<br />
• Dermoid<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Die Akne inversa verläuft ohne Behandlung<br />
chronisch progredient und bezieht zunehmend<br />
größere Hautareale in die Entzündung ein.<br />
Insofern ergibt sich immer eine Behandlungsindikation.<br />
Da die Erkrankung sowohl das<br />
männliche als auch das weibliche Geschlecht<br />
betrifft, werden in einigen Fällen auch kosmetische<br />
Aspekte für die <strong>Therapie</strong>indikation<br />
bedeutsam. Die konservative <strong>Therapie</strong>, welche<br />
neben der antiandrogen wirksamen Hormontherapie<br />
und der Gabe von Antibiotika, Steroiden,<br />
oder Cyclosporin auch die Gabe von<br />
Retinoiden lokal oder systemisch umfasst, hat<br />
sich bei der ausgeprägten Akne inversa als nicht<br />
kurativ erwiesen. Ebenso führt die alleinige<br />
Abszessinzision nicht zu einem Ausheilen des<br />
Fistelgeschehens. Somit stellt die operative<br />
Exzision bei der Akne inversa die <strong>Therapie</strong><br />
der Wahl dar. Abszesse erfordern aufgrund<br />
entsprechender Schmerzen die frühzeitige Eröffnung.<br />
Bei der chronischen Verlaufsform der<br />
multiplen Fistelungen mit holzharter Vernarbung<br />
der Haut muß die großzügige Exzision der<br />
betroffenen Bezirke im Gesunden ggf. bis auf<br />
die Faszie erfolgen. Einige Autoren empfehlen<br />
die anschließende Hauttransplantation zur Defektverkleinerung.<br />
Die offene Sekundärheilung<br />
führt andererseits zu einer Vernarbung, wobei<br />
die entstehende Narbe nicht die Eigenschaften<br />
zeigt, die zur Akneentstehung prädisponieren.<br />
Aus diesem Grund erscheint es nicht sinnvoll,<br />
kleinere Defekte durch Hautverschiebungen aus<br />
der direkten Nachbarschaft zu decken. In der<br />
Umgebung des exzidierten Bereiches kann die<br />
Haut noch die gleiche Aknebereitschaft zeigen.<br />
Dies kann der Grund für die Entstehung neuer<br />
Infektionsherde sein. Das Wiederauftreten einer<br />
Akneläsion erfordert die erneute Exzision.<br />
<strong>Therapie</strong> der Wahl der Akne inversa ist<br />
die breitfächige Exzision, ggf. bis auf die<br />
Faszie, mit anschließender offener Wundbehandlung.<br />
Abb. 9-2 Z. n. Exzision der Akneläsionen<br />
Zusammenfassung: Die Akne inversa ist<br />
eine Entzündung der Talgdrüsen und<br />
Terminalhaarfollikel. Die Entzündung<br />
breitet sich im subkutanen Gewebe aus<br />
und kann fuchsbauartige Fistelsysteme<br />
bilden. Differentialdiagnostisch müssen<br />
u.a. kryptoglanduläre Fisteln oder auch<br />
Crohnfistel ausgeschlossen werden. Eine<br />
alleinige medikamentöse <strong>Therapie</strong> ist aus<br />
kurativer Sicht nicht indiziert. Die <strong>Therapie</strong><br />
der Wahl ist die Exzision, ggf. bis<br />
auf die Faszie, mit anschließender offener<br />
Wundbehandlung.<br />
77
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10 Analekzem<br />
10 Analekzem<br />
Symptomatologie 80<br />
Klinik 80<br />
Irritativ-toxisches Analekzem 80<br />
Endogenes Ekzem 80<br />
Allergisches Kontaktekzem 81<br />
Andere Dermatosen 81<br />
79
80<br />
Vorbemerkung: Für das Analekzem, wie für das<br />
hierdurch ausgelöste Leitsymptom des Juckreizes<br />
gilt, dass es sich in der überwiegenden<br />
Mehrzahl der Fälle um sekundäre Phänomene<br />
handelt. Das Analekzem stellt keine eigenständige<br />
Krankheitsentität dar, sondern ist als<br />
ein Symptom einer übergeordneten Störung<br />
zu bewerten.<br />
Symptomatologie<br />
Neben Nässen, Brennen und Blutungen stellt<br />
das wesentliche Symptom des Analekzems<br />
der quälende Juckreiz dar. Juckreiz ist ein<br />
Symptom, das als krankheitstypische Reaktionsweise<br />
des Hautorgans interpretiert werden<br />
muss. Der Juckreiz stellt eine Reaktionsweise<br />
der perianalen Haut auf Feuchtigkeit und in<br />
der Feuchtigkeit gelöste Reizstoffe dar. Der<br />
Hautkontakt zwischen den Nates vermag im<br />
Weiteren größere Hautareale in gleicher Weise<br />
zu schädigen und die Symptomatik des Juckreizes<br />
zu verschlimmern.<br />
Klinik<br />
Es werden entsprechend der Ätiopathogenese<br />
bei den protologischen Ekzemen drei Formen<br />
unterschieden:<br />
• irritativ-toxisches Ekzem<br />
• endogenes Ekzem<br />
• allergisches Kontaktekzem<br />
Irritativ-toxisches Analekzem: Das irritativtoxische<br />
Analekzem stellt die häufigste Ekzemform<br />
der Perianalregion dar. Es entsteht<br />
auf dem Boden einer Sekretabsonderung aus<br />
dem Analkanal (z.B. Inkontinenz, Fistel, Hämorrhoidalleiden)<br />
und nachfolgend aufgrund<br />
der Milieubedingungen einer feuchten Kammer.<br />
Die permanente Flüssigkeitseinwirkung der<br />
Haut führt zur progredienten Schädigung.<br />
Das Ausmaß des Ekzems ist abhängig von der<br />
Menge der Flüssigkeit, den chemischen Eigenschaften<br />
der Inhaltsstoffe und der Zeitdauer<br />
der Einwirkung (kumulativ-toxisches Ekzem).<br />
Zusätzlich können auch physikalische Einwirkungen<br />
auf die Haut (intensive Reinigung)<br />
Analekzem 10<br />
die Chronizität des Ekzems fördern. Neben<br />
Sekretabsonderungen aus dem Anus muss bei<br />
weiblichen Patienten differentialdiagnostisch<br />
auch an Sekretabgänge aus der Vagina oder<br />
an eine Blaseninkontinenz gedacht werden.<br />
Anatomische Varianten, wie beispielsweise eine<br />
vermehrte Radiärfältelung der perianalen Haut<br />
oder ein Trichteranus, können das Auftreten<br />
eines Ekzems der perianalen Haut begünstigen.<br />
Neben einer Flüssigkeitsretention zwischen<br />
den Hautfalten oder in der tiefen Einziehung<br />
des Trichteranus muss dabei auch – wie bei<br />
allen Formen der Inkontinenz – ein vermehrter<br />
Sekretabgang aus dem Analkanal erwogen<br />
werden. Die tiefen Einziehungen zwischen<br />
den Radiärfältelungen der perianalen Haut<br />
können für das Sekret wie Rinnen wirken<br />
und den Abfluss nach außen begünstigen.<br />
Die <strong>Therapie</strong> des irritativ-toxischen Ekzems<br />
besteht in der Behandlung der als ursächlich<br />
erkannten Störung.<br />
Das irritativ-toxische Analekzem ist<br />
die häufigste Ekzemform im perianalen<br />
Bereich.<br />
Endogenes Ekzem: Das endogene Ekzem beruht<br />
auf einer atopischen Diathese des Patienten.<br />
Der Nachweis ist evt. möglich aufgrund der<br />
Anamnese, z.B. Milchschorf als Kind, und<br />
des typischen Befallssmusters mit weiteren<br />
Ekzemläsionen an typischen Prädilektionsstellen<br />
wie Knie- und Ellenbeuge. Ein weißer<br />
Dermographismus kann hinweisend sein.<br />
Die <strong>Therapie</strong> besteht in einer kurzfristigen<br />
Abb.10-2 Anale Psoriasis
10 Analekzem<br />
Abb.10-1 Analekzem<br />
lokalen Kortisontherapie. Zusätzlich werden<br />
teerhaltige Präparate und UVA-Bestrahlungen<br />
angewandt.<br />
Allergisches Kontaktekzem: Das allergische<br />
Kontaktekzem zeigt morphologisch das gleiche<br />
Bild. Die Differenzierung erfolgt durch<br />
die sorgfältige Anamnese und ggf. Allergiediagnostik.<br />
Häufig wird es ausgelöst durch<br />
proktologische Salbenpräparate (Lokalanästhetika!)<br />
und Duftstoffe in Feuchttüchern oder<br />
Intimpflegeartikeln. Zur <strong>Therapie</strong> müssen alle<br />
extern angewandten Substanzen abgesetzt<br />
werden, geeignet zum Einsatz in der Analregion<br />
sind nur indifferente Präparate wie<br />
weiche Zinkpaste.<br />
Andere Dermatosen: Dermatosen als primäre<br />
Ursachen eines Analekzems sind sehr selten.<br />
Es gibt aber einige Hauterkrankungen, die in<br />
der Perianalregion ein ähnliches klinisches<br />
Bild zeigen wie ein Ekzem und die darum<br />
differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden<br />
müssen. Hierzu gehören insbesondere die<br />
Psoriasis inversa, eine anale Kandidose oder<br />
seltener ein Erythrasma. Die anale Psoriasis<br />
kann oft an der Rhagade in der Rima ani<br />
erkannt werden, die als pathognomonisches<br />
Zeichen gilt. Von besonderer Bedeutung sind<br />
die Tumorerkrankungen des Morbus Bowen und<br />
des extramammären M. Paget. Die Fehldeutung<br />
eines solchen Befundes als banales Ekzem kann<br />
die notwendige <strong>Therapie</strong> verzögern.<br />
Zusammenfassung: Mit die häufigste proktologische<br />
Erkrankungsform ist das Analekzem.<br />
Hauptformen des Analekzems sind das<br />
irritativ-toxische, das endogene Ekzem und<br />
das allergische Kontaktekzem. Das Ekzem<br />
ist meist Symptom einer übergeordneten<br />
Störung im Bereich des Anus. Die <strong>Therapie</strong><br />
beruht einerseits in der Behandlung der<br />
als ursächlich angesehenen Störung bzw.<br />
dem Vermeiden sämtlicher Noxen, andererseits<br />
in der dermatologischen <strong>Therapie</strong><br />
des hierdurch geschädigten Hautorganes<br />
mit entsprechenden Externa.<br />
81
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11 Anorektale Prolapsformen<br />
11 Anorektale Prolapsformen<br />
Nomenklatur 84<br />
Analprolaps - Hämorrhoidalprolaps 84<br />
Schleimhautprolaps 85<br />
Mukosaprolaps - Rektumvorderwandprolaps - Rektumprolaps 85<br />
Deszensus perinei und Rektozele 87<br />
Klinische Diagnostik 88<br />
Radiologische Diagnostik 88<br />
<strong>Therapie</strong> der Prolapserkrankungen 89<br />
83
84<br />
Vorbemerkung: Bevor im folgenden Kapitel das<br />
Krankheitsbild des Rektumprolapses dargestellt<br />
wird, soll hier die Differentialdiagnostik und<br />
Differentialtherapie aller »anorektalen Prolapsformen«<br />
dargelegt werden. Aufgrund der<br />
vermeintlich identischen Ätiopathogenese der<br />
Prolapserkrankungen werden sie in den Lehrbüchern<br />
gelegentlich als »Anorektaler Prolaps«<br />
abgehandelt. Das ist insofern nicht korrekt, als<br />
es sich beim Analprolaps und Rektumprolaps<br />
nicht um unterschiedliche Manifestationen<br />
einer einzigen Krankheitsentität handelt.<br />
Nomenklatur<br />
Die klinische Diagnostik der verschiedenen<br />
Prolapserkrankungen bereitet oft Probleme.<br />
Auch in der Literatur finden sich aufgrund<br />
ungenauer anatomischer Definitionen gelegentlich<br />
fehlerhafte Bezeichnungen. Die fehlerhafte<br />
Nomenklatur kann eine unsachgemäße <strong>Therapie</strong><br />
bedingen. Es gilt daher, die unterschiedlichen<br />
Krankheitsbilder exakt zu definieren, um den<br />
Patienten einer effizienten <strong>Therapie</strong> zuzuführen.<br />
Unter didaktischen Gesichtspunkten sollen die<br />
Prolapsformen im Bereich des Analkanals und<br />
Rektums hier entsprechend dem in Tab. 11-1<br />
vorgeschlagenen Schema eingeteilt werden.<br />
Unter Berücksichtigung des Ursprungsortes des<br />
prolabierenden Gewebes lassen sich Prolapse,<br />
die ihren Ursprung unterhalb der Levatorebene<br />
haben, von jenen unterscheiden, deren Ur-<br />
Anorektale Prolapsformen Tab. 11-1<br />
1. Ursprung unterhalb<br />
der Levatorebene<br />
Analprolaps<br />
(segmentär, zirkulär)<br />
Hämorrhoidalprolaps<br />
(Schleimhautprolaps)<br />
prolabierendes Fibrom,<br />
~ Adenom<br />
2. Ursprung oberhalb<br />
der Levatorebene<br />
»Mukosaprolaps«<br />
Rektumvorderwandprolaps<br />
Rektumprolaps<br />
(latent, manifest)<br />
Deszensus perinei<br />
Rektozele<br />
��<br />
����<br />
Anorektale Prolapsformen 11<br />
Abb. 11-1 Levatorebene schematisch<br />
sprung oberhalb liegt (vgl. Abb. 11-1). Unter<br />
der Levatorebene wird der Übergang vom<br />
Analkanal zur Rektumampulle verstanden,<br />
also das proximale Ende des chirurgischen<br />
Analkanals.<br />
Analprolaps - Hämorrhoidalprolaps<br />
Ein Analprolaps liegt immer dann vor, wenn<br />
Teile des Analkanals vor den Anus prolabiert<br />
sind. Der Ursprung des Gewebes liegt unterhalb<br />
der Levatorebene. Unter diesem Oberbegriff<br />
sind dementsprechend auch prolabierende<br />
Hämorrhoiden oder Fibrome (hypertrophe<br />
Papillen) zu subsumieren.<br />
Hier zeigt sich ein wesentliches Begriffsdefizit,<br />
was im folgendem erläutert werden<br />
soll. Entsprechend der möglichen Einteilung in<br />
einen anatomischen und einen chirurgischen<br />
Analkanal erfährt auch der Begriff des Analprolapses<br />
eine Zweiteilung. Der chirurgische<br />
Analkanal reicht bis zur Höhe der Puborektalisschlinge,<br />
oberhalb derer sich das Rektum<br />
zur Ampulla recti erweitert. Der anatomische<br />
Analkanal reicht nur bis zur Linea dentata. Im<br />
chirurgischen Analkanal finden sich proximal<br />
von Schleimhaut überzogene Bereiche und<br />
distal Bereiche mit dem trockenen Epithel des<br />
Anoderms. Die o. a. Definition des Analprolapses<br />
zielt auf den Begriff des chirurgischen<br />
Analkanals und schließt dementsprechend die<br />
von Mukosa überzogenen Hämorrhoidalpolster<br />
mit ein.
11 Anorektale Prolapsformen<br />
Abb.11-2 Zirkulärer ödematöser Analprolaps<br />
Im Gegensatz hierzu sieht man nicht selten<br />
Prolapse, die nur Anteile des anatomischen<br />
Analkanals umfassen und die dementsprechend<br />
ausschließlich von trockenem Anoderm bedeckt<br />
sind. Auch beim Spreizen der Nates wird<br />
nur der Bereich bis zur Linea dentata außen<br />
sichtbar. Diesen Analprolaps im engeren Sinn<br />
könnte man korrekterweise als »Anodermprolaps«<br />
bezeichnen. Der Begriff ist bisher nicht<br />
gebräuchlich. Im Interesse einer sachgerechten<br />
Begrifflichkeit sollte allein dieser Anodermprolaps<br />
mit der Bezeichnung »Analprolaps« belegt<br />
werden. Im angloamerikanischen Schrifttum<br />
wird unter dem »anal prolapse« genau dieser<br />
Befund verstanden. Im deutschen Sprachgebrauch<br />
wird der Begriff eher im oben angegebenen<br />
Sinne des Vorfalls von Gewebe aus dem<br />
gesamten chirurgischen Analkanal verwendet.<br />
Falls zusätzlich zum Analprolaps Schleim-<br />
hautanteile außen sichtbar werden, muss dann<br />
von einem Hämorrhoidalprolaps gesprochen<br />
werden. Beide Formen können zirkulär oder<br />
auch nur segmentär auftreten.<br />
Der Analprolaps bezeichnet nur den<br />
Vorfall anodermalen Gewebes aus dem<br />
anatomischen Analkanal.<br />
Schleimhautprolaps<br />
��<br />
����<br />
Es ist selbstverständlich, dass große prolabierende<br />
Hämorrhoiden sekundär auch Anteile<br />
der Schleimhaut aus dem oberen chirurgischen<br />
Analkanal mit nach außen verlagern. Zuweilen<br />
wird dieser Schleimhautprolaps im klinischen<br />
Alltag als das Stadium 1 eines Rektumprolapses<br />
bezeichnet. Regelhaft sind aber alle Anteile<br />
des Analkanals, also auch das Anoderm, mit<br />
vorverlagert. Dieser Befund hat keine Beziehung<br />
zum Rektumprolaps, auch nicht die<br />
einer Vorstufe, da beim Rektumprolaps der<br />
Analkanal üblicherweise nicht mit prolabiert.<br />
Auf dieses wesentliche differentialdiagnostische<br />
Kriterium wird später noch eingegangen. In<br />
der schematischen Einteilung erscheint der<br />
Begriff eher überflüssig.<br />
Der Begriff des Schleimhautprolapses in<br />
Verbindung mit einem Analprolaps führt<br />
zur Begriffsverwirrung und sollte daher<br />
nicht verwendet werden.<br />
Mukosaprolaps - Rektumvorderwandprolaps<br />
- Rektumprolaps<br />
Der auch in der angloamerikanischen Literatur<br />
häufiger verwendete Begriff »Mukosaprolaps«<br />
muß vom oben erwähnten Begriff<br />
»Schleimhautprolaps« getrennt werden, denn<br />
er kann gelegentlich als eine echte Vorstufe<br />
des Rektumprolapses gelten. Der Rektumprolaps<br />
stellt eine Invagination dar, die regelhaft<br />
als innere Invagination beginnt. Diese ist nur<br />
proktoskopisch oder durch eine Defäkographie<br />
nachweisbar. Sie wird gelegentlich als »Muko-<br />
Abb. 11-3 Rektumvorderwandprolaps schematisch<br />
85
86<br />
saprolaps« bezeichnet, wenngleich sehr früh<br />
auch die tieferen Schichten der Rektumwand<br />
mit invaginieren. Der Begriff ist trotzdem<br />
hilfreich, da er die Basis für den Begriff des<br />
»mucosa-prolapse-syndrome« gibt, auf das<br />
später noch eingegangen wird.<br />
Die Prolapstendenz oberhalb der Levatorebene<br />
bzw. die innere Invagination beginnt<br />
sehr oft zunächst im Bereich der Rektumvorderwand,<br />
da die Schlingenkonfiguration der<br />
Puborektalismuskulatur mit ihrer Öffnung an<br />
der vorderen Zirkumferenz hier einen gewissen<br />
Locus minoris resistentiae schafft. Der Begriff<br />
des Rektumvorderwandprolapses zielt dabei<br />
im Gegensatz zum Mukosaprolaps auf einen<br />
segmentären Vollwandprolaps des Rektums<br />
(Vorfall aller Wandschichten). Abb. 11-3 zeigt<br />
die weitere Entwicklung. Die vorfallenden Anteile<br />
üben einen Ventilmechanismus aus, der<br />
durch forciertes Pressen (Pfeil des Schemas!)<br />
verstärkt wird.<br />
Abb. 11-4 Rektumvorderwandprolaps –<br />
Ansicht im Proktoskop<br />
��<br />
����<br />
Das Stadium der zirkulären inneren Invagination<br />
des Rektumprolapses wird als latenter<br />
Rektumprolaps bezeichnet. Der Zeitraum bis<br />
zur Entwicklung eines äußerlich sichtbaren,<br />
manifesten Rektumprolapses kann unter Umständen<br />
Jahrzehnte umfassen. Der Befund ist<br />
am einfachsten bei der starren Endoskopie als<br />
zirkuläre Invagination zu diagnostizieren. Der<br />
Anorektale Prolapsformen 11<br />
Abb. 11-5 Latenter Rektumprolaps –<br />
die innere Invagination ist durch den klaffenden<br />
Analkanal erkennbar<br />
latente Prolaps muß als sichere Vorstufe zur<br />
Entwicklung eines manifesten Rektumprolapses<br />
aufgefasst werden, wenngleich nicht alle Patienten<br />
dieses Vollbild der Erkrankung entwickeln.<br />
Schon während der latenten Krankheitsphase<br />
kommt es zu einer ständigen Überdehnung<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
Abb. 11-6 Anatomische Veränderungen<br />
des Beckenbodens und pelvinen Kolons beim<br />
manifesten Rektumprolaps.<br />
1 Invagination des Rektums<br />
2 vergrößerter Rektum-Kreuzbein-Abstand<br />
3 mangelhafte Fixation der<br />
»lateralen Ligamente«<br />
4 Elongation des Rektosigmoid<br />
5 vertiefter Douglas-Raum<br />
6 aufgeweichte Beckenbodenmuskulatur<br />
7 unveränderter anatomischer Aufbau<br />
des unteren Analkanals
11 Anorektale Prolapsformen<br />
des Beckenbodens mit nachfolgender neurogener<br />
Minderung der analen Kontinenz. Die<br />
Leitsymptome des latenten Prolapsgeschehens<br />
decken sich mit denen des Mukosaprolapses<br />
(frustraner Stuhldrang, Bolusgefühl, inkomplette<br />
Entleerung), wobei aber mit zunehmender<br />
Krankheitsdauer die Inkontinenzsymptomatik<br />
mehr in den Vordergrund tritt.<br />
Die schematische Darstellung des manifesten<br />
Rektumprolapses (Abb. 11-6) verdeutlicht,<br />
dass der anatomische Aufbau des Analkanals<br />
durch den Rektumprolaps nicht verändert<br />
wird, sondern dass sich die Linea dentata<br />
noch an ihrem angestammten Platz befindet.<br />
Es handelt sich, wie oben erwähnt, um einen<br />
Prolaps ausschließlich von Anteilen oberhalb<br />
der Levatorebene.<br />
Deszensus perinei und Rektozele<br />
Diese beiden Befunde müssen ebenfalls als<br />
Prolapsgeschehen interpretiert werden. Beim<br />
Deszensus perinei wird durch die Invagination<br />
des Darmes die gesamte Levatorebene mit<br />
nach distal verlagert. Der herabdrängende Darm<br />
schiebt den gesamten Analkanal einschließlich<br />
der muskulären Anteile vor sich her, ohne dass<br />
sich Schleimhautanteile durch das Anallumen<br />
nach außen drängen. Bei der klinischen Untersuchung<br />
tritt der After deutlich tiefer, zumeist<br />
bis über die Horizontallinie. Der Pathomechanismus<br />
dieser Erkrankung muss im Sinne eines<br />
Rektumprolapses gedeutet werden, wobei es aber<br />
aufgrund eines suffizienten Muskelschlusses und<br />
bindegewebiger Verankerung noch nicht zum<br />
Austritt von intraluminären Gewebsanteilen<br />
durch den Anus kommt. Im Gegensatz zu dem<br />
anatomisch festgelegten Begriff des Deszensus<br />
perinei zielt der Begriff des »Descending perineum<br />
syndrome« auch auf die pathophysiologischen<br />
Begleitphänomene des Deszensus mit der klinischen<br />
Symptomatik von Schmerzen, <strong>Dr</strong>uckgefühl<br />
auf den Beckenboden, inkompletter Entleerung,<br />
Kontinenzdefiziten und einem nachweisbaren Ulcus<br />
simplex recti. Im klinischen Sprachgebrauch<br />
hat sich der Begriff des DPS eingebürgert, der<br />
gelegentlich schon zum alleinigen Nachweis der<br />
Senkung verwendet wird.<br />
Abb. 11-7 Ausgeprägter Deszensus perinei<br />
Abb. 11-8 Anteriore Rektozele<br />
Der Deszensus perinei als Zustand sollte<br />
begrifflich von dem ‚descending perineum<br />
syndrome’ (DPS) mit seinem pathophysiologischen<br />
Begleitphänomen getrennt<br />
werden.<br />
Die Rektozele muß in gleicher Weise interpretiert<br />
werden. Hier verbleibt der muskuläre Beckenboden<br />
im Rahmen des Prolapsgeschehens<br />
an seinem fixierten Platz. Durch den <strong>Dr</strong>uck<br />
des Prolapsgeschehens kommt es lediglich zu<br />
Ausbuchtungen der Rektumampulle oberhalb<br />
des Beckenbodens, entsprechend dem möglichen<br />
<strong>Dr</strong>uckgradienten. Sehr häufig prolabiert<br />
die Rektumwand durch den Introitus vaginae<br />
im Sinne einer anterioren Rektozele. Dieser<br />
87
88<br />
Befund wurde in der chirurgischen Diagnostik<br />
früher unterbewertet. Derzeit wird er aufgrund<br />
neuentwickelter Operationsverfahren<br />
eher überbewertet.<br />
Klinische Diagnostik<br />
Wichtigster diagnostischer Schritt bei der klinischen<br />
Untersuchung ist neben der üblichen<br />
proktologischen Abklärung eine »Funktionsdiagnostik«.<br />
Sinnvollerweise lässt man den<br />
Patienten in Hockstellung auf der Toilette<br />
pressen und kann dann erkennen, ob Anteile<br />
des Analkanals oder Rektums nach außen<br />
prolabieren, oder ob z. B. ein Deszensus perinei<br />
auftritt. Bei der digitalen Untersuchung fällt<br />
unter Umständen ein verminderter Tonus oder<br />
eine verminderte aktive Kontraktionskraft auf.<br />
Dieses kann Ausdruck einer länger bestehenden<br />
Prolapstendenz mit entsprechender neurogener<br />
Schwächung der Muskulatur sein. Ein solcher<br />
Befund sollte Anlass sein, den Patienten zumindest<br />
auf dem Untersuchungsstuhl pressen<br />
zu lassen. Die oben angegebene Untersuchung<br />
in Hockstellung auf der Toilette ist nicht immer<br />
durchführbar, wenngleich sie zweifelsohne eine<br />
bessere Aussage ermöglicht als das Pressen<br />
auf dem Untersuchungsstuhl. Es wurde bereits<br />
erwähnt, dass die inneren Prolapsformen, also<br />
der latente Rektumprolaps und der Mukosaprolaps,<br />
lediglich im Rahmen der instrumentellen<br />
Diagnostik erkannt werden können. Wichtig<br />
ist, dass nicht unter Luftabschluss untersucht<br />
wird. Koloskopisch läßt sich die Rektumampulle<br />
immer nur aufgespannt darstellen. Allein die<br />
Untersuchung mit dem starren Instrument<br />
unter Entfernung des Sichtfensters oder die<br />
Untersuchung durch das vorn offene Prok-<br />
Klinische Diagnostik Tafel 11-1<br />
der Prolapsformen<br />
• Anamnese<br />
• Inspektion<br />
• Palpation<br />
• Pressen in physiologischer Defäkationshaltung<br />
• Funktionsproktoskopie<br />
Anorektale Prolapsformen 11<br />
toskop gestatten die Diagnose eines inneren<br />
Prolapsgeschehens.<br />
Manchmal tritt endoskopisch als Korrelat<br />
des latenten Prolapsgeschehens ein sogenanntes<br />
Ulcus simplex recti auf. Im angloamerikanischen<br />
Schrifttum wird dieser Befund als »mucosaprolapse-syndrome«<br />
bezeichnet. Die Veränderungen<br />
entstehen durch die mechanische Alteration<br />
der tiefertretenden Mukosa in der noch<br />
suffizient funktionierenden Muskelschlinge.<br />
Radiologische Diagnostik<br />
Die übliche Doppelkontrastdarstellung des<br />
Kolons gestattet nur selten Hinweise auf ein<br />
Prolapsgeschehen. Andererseits lässt sich die<br />
Rektozele mitunter bereits auf diesen Aufnahmen<br />
erkennen. Es gilt, das Augenmerk auf<br />
diesen diskreten Befund zu lenken.<br />
Bei der überwiegenden Zahl der Patienten<br />
mit einem Rektumprolaps ist in der Kolondoppelkontrastdarstellung<br />
eine auffallend vermehrte<br />
Elongation des Sigma und des oberen Rektums<br />
nachzuweisen. Man darf darum vice versa vielleicht<br />
schließen, dass bei einem röntgenologisch<br />
auffallenden Befund einer Elongation des Sigma<br />
und des Rektums differentialdiagnostisch an<br />
ein Prolapsgeschehen gedacht werden kann. Als<br />
weiterführende röntgenologische Untersuchung<br />
bietet sich das Defäkogramm an. Im Defäkogramm<br />
erkennt man die innere Invagination,<br />
noch bevor das Prolapsgeschehen außen manifest<br />
geworden ist. Zusätzlich lässt sich auf<br />
den Standardaufnahmen des Defäkogramms<br />
das Ausmaß des Deszensus perinei bestimmen.<br />
Ein Tiefertreten des Beckenbodens um mehr als<br />
5 cm muss als pathologisch angesehen werden.<br />
Außerdem zeigt das Defäkogramm beim Prolapspatienten<br />
einen vergrößerten anorektalen<br />
Winkel. Der letztgenannte Befund ist Ausdruck<br />
einer beginnenden Funktionseinbuße der Puborektalismuskulatur.<br />
Bezüglich der Beurteilung des Stellenwertes<br />
der Obstipation im Rahmen der Entwicklung<br />
eines Rektumprolapses sind die Befunde der<br />
Defäkogramme von Bedeutung, bei denen<br />
die Patienten trotz maximalen Pressens kein<br />
Kontrastmittel entleeren können. Hinter diesem<br />
Befund verbirgt sich gelegentlich eine soge-
11 Anorektale Prolapsformen<br />
nannte Outlet obstruction. Rektale Formen der<br />
Obstipation können vermutlich Ursache oder<br />
Folge von Gefügestörungen des Beckenbodens<br />
sein. Trotzdem sollte die diagnostische Wertigkeit<br />
des Defäkogramms relativiert werden.<br />
Die Indikation ist wegen der Strahlenbelastung<br />
zurückhaltend zu stellen, die wesentlichen<br />
Befunde sind immer auch klinisch eruierbar.<br />
Die dynamische NMR-Defäkographie kann<br />
als Alternative gesehen werden, bisher ist für<br />
die Routine aber noch kein diagnostischer<br />
Vorteil erwiesen.<br />
Als grundlegende der zur Verfügung stehenden<br />
diagnostischen Maßnahmen soll nochmals<br />
die digitale Untersuchung und Inspektion<br />
des Anus hervorgehoben werden. Durch eine<br />
sorgfältige Diagnostik ist es immer möglich,<br />
den Ursprungsort des prolabierenden Gewebes<br />
sicher zu bestimmen. Die Zuordnung zu<br />
den Bereichen unterhalb oder oberhalb der<br />
Levatorebene erfordert im weiteren Verlauf<br />
unterschiedliche therapeutische Schritte. Die<br />
Diagnostik muß darum diese Frage unbedingt<br />
klären. Der häufigste Fehler in der <strong>Therapie</strong><br />
des Rektumprolapses ist, dass ein kleiner Rektumprolaps<br />
als Analprolaps bezeichnet wird<br />
und die notwendigen therapeutischen Schritte<br />
unterbleiben. Als Folge davon verläuft das nicht<br />
adäquat therapierte Rektumprolapsgeschehen<br />
progredient bis zur zunehmenden und letztlich<br />
nicht mehr korrigierbaren neurogenen analen<br />
Inkontinenz. Der Rektumprolaps ist nicht<br />
erst dann behandlungsbedürftig, wenn er zu<br />
einer ständigen und nicht mehr reponiblen<br />
Eventration von Darmanteilen aus dem After<br />
geführt hat.<br />
Wesentliches Diagnostikum in der Beurteilung<br />
eines Prolapsgeschehens ist die klininiche<br />
und instrumentelle Untesuchung.<br />
<strong>Therapie</strong> der<br />
Prolapserkrankungen<br />
Unter Berücksichtigung der eingangs angegebenen<br />
Einteilung lässt sich schematisiert sagen,<br />
dass Prolapsformen mit ihrem Ursprung unterhalb<br />
der Levatorebene immer durch transanale<br />
Resektion des Gewebes angegangen werden<br />
können. Regeleingriff im Fall des Prolapses<br />
von oberhalb der Levatorebene ist zumeist die<br />
abdominelle Rektopexie. Die Abortivformen<br />
des Prolapses wie beispielsweise die anteriore<br />
Rektozele oder der Mukosaprolaps bzw. der<br />
latente Rektumprolaps werden in jüngster<br />
Zeit durch eine sogenannte STARR-Operation<br />
(Stapled TransAnal Rectal Resection) operativ<br />
behandelt. Hierbei werden durch ein Klammernahtgerät<br />
jeweils ein semizirkuläres Vollwandresektat<br />
anterior und posterior entnommen<br />
und so die Rektozele gerafft bzw. der interne<br />
Mukosaprolaps reseziert. Erste frühfunktionelle<br />
Ergebnisse sind vielversprechend. Die<br />
Bewertung des definitiven Stellenwerts dieser<br />
neuen Operationsmethode kann jedoch nur<br />
durch prospektive Untersuchungsreihen und<br />
einer sorgfältige Analyse der funktionellen<br />
Langzeitresultate erfolgen.<br />
Abb. 11-9 Transanale Rektumwandresektion<br />
mittels Stapler (STARR-Operation)<br />
Ein segmentärer Prolaps eines Hämorrhoidalpolsters<br />
lässt sich sehr gut mittels einer offenen<br />
Exzision nach MILLIGAN-MORGAN angehen.<br />
Das Verfahren ist bei sachgerechter Durchführung<br />
fast risikolos. Es zeigt hervorragende<br />
Ergebnisse und ist darum als Regelverfahren<br />
etabliert. Nach dem gleichen Verfahren kann<br />
man einen segmentären Prolaps des Anoderms<br />
oder einen Schleimhautprolaps bei prolabierenden<br />
Hämorrhoiden abtragen. Im letzteren Fall<br />
muß die Exzisionslinie bis deutlich oberhalb der<br />
Linea dentata geführt werden, was technisch<br />
keine Probleme bereitet.<br />
89
90<br />
Probleme bereitet die operative Abtragung<br />
eines zirkulären Hämorrhoidalprolapses, da<br />
hier regelhaft auch das gesamte Anoderm<br />
von seinem angestammten Platz nach außen<br />
verlagert ist. Für diese Fälle bieten sich die<br />
sogenannten »geschlossenen Hämorrhoidektomietechniken«<br />
an. Es sei verwiesen auf die<br />
Methoden nach PARKS, FANSLER-ARNOLD<br />
oder LONGO (vgl. auch Kap. 4). Als Alternative<br />
wird eine Exzision nach MILLIGAN-MORGAN<br />
in mehreren Sitzungen empfohlen. Es muss<br />
davor gewarnt werden, im Rahmen solcher<br />
mehrzeitiger Exzisionen zuviel Anoderm zu<br />
entfernen, da es als Folge davon zu einer<br />
sensorischen Inkontinenz kommen kann. Zur<br />
Behandlung der zirkulären Prolapsformen<br />
von unterhalb der Levatorebene erscheinen<br />
die geschlossenen Techniken der Hämorrhoidenoperation<br />
unverzichtbar.<br />
Zusammenfassung: Die anorektalen Prolapsformen<br />
bedürfen einer exakten Nomenklatur.<br />
Es sollte zwischen Prolapsformen<br />
ausgehend von oberhalb und unterhalb der<br />
Levatorebene unterschieden werden. Ein<br />
Rektumprolaps und ein Analprolaps sind<br />
zwei unterschiedliche Krankheitsentitäten<br />
und nicht unterschiedliche Stadien der gleichen<br />
Erkrankung. Eine versierte klinische<br />
Untersuchung verbunden mit einer starren<br />
Endoskopie stellt die Basis der Diagnostik<br />
dar. Die operative <strong>Therapie</strong> richtet sich<br />
nach dem Ursprung des Prolapsgeschehens.<br />
Prolapse von unterhalb der Levatorebene<br />
werden transanal reseziert. Prolapse von<br />
oberhalb der Levatoreben sollten bei ausgeprägten<br />
Befund von abdominal operiert<br />
werden.<br />
Anorektale Prolapsformen 11
12 Rektumprolaps<br />
12 Rektumprolaps<br />
Ätiologie 92<br />
Pathogenese 92<br />
Klassifikation 93<br />
Symptomatologie 93<br />
Diagnostik 93<br />
Differentialdiagnostik 94<br />
<strong>Therapie</strong> 94<br />
Perineal reponierende Verfahren 95<br />
Perineal oder transanal resezierende Verfahren 95<br />
Abdominelle fixierende Verfahren ohne und mit Resektion 96<br />
Ergebnisse 96<br />
91
92<br />
Vorbemerkung: Im Rahmen der differentialdiagnostischen<br />
Überlegungen zu den anorektalen<br />
Prolapsformen wurde das morphologische<br />
Bild des Rektumprolapses bereits skizziert.<br />
Er stellt sich dar als eine Invagination, die in<br />
unterschiedlicher Höhe des Rektums beginnen<br />
kann.<br />
Ätiologie<br />
Die Ätiologie des Rektumprolapses ist bisher<br />
nicht geklärt. Der häufig geäußerten Meinung,<br />
dass dem Prolapsgeschehen eine »Beckenbodenschwäche«<br />
vorausgeht, muss entgegengehalten<br />
werden, dass in zahlreichen Fällen einer<br />
bereits manifesten Prolapserkrankung noch<br />
keine Inkontinenz besteht und auch elektromyographisch<br />
keine wesentliche Denervation<br />
der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur<br />
faßbar ist. Bei Schädigung der Cauda equina<br />
findet sich häufiger ein Rektumprolaps,<br />
dennoch tritt er bei diesen Läsionen nicht<br />
regelhaft auf. Auch eine direkte Verletzung<br />
der quergestreiften Muskulatur des Analkanals<br />
und des Beckenbodens führt trotz kompletter<br />
Inkontinenz nicht regelhaft zum Auftreten<br />
eines Rektumprolapses.<br />
Abb.12-1 Manifester Rektumprolaps<br />
Pathogenese<br />
Die Pathogenese der Rektumprolapserkrankung<br />
erscheint besser verständlich als ihre Ätiologie.<br />
Die Invagination verläuft progredient über<br />
die latente zur manifesten Krankheitsphase.<br />
Extremformen können irreponibel sein<br />
und trophische Störungen der Schleimhaut<br />
Rektumprolaps 12<br />
oder sogar Wandnekrosen des ausgestülpten<br />
Rektums induzieren. Der manifeste Prolaps<br />
tritt zunächst nur unter den Bedingungen des<br />
Pressens bei der Defäkation aus. Im weiteren<br />
Verlauf kann er aber schon bei leichter intraabdomineller<br />
<strong>Dr</strong>uckerhöhung, beispielsweise<br />
im Gehen, austreten.<br />
Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung<br />
finden sich anatomische Veränderungen<br />
im Bereich des Beckenbodens und des pelvinen<br />
Kolons, die überwiegend als Endpunkt der Pathogenese<br />
verstanden werden. Möglicherweise<br />
kann ein Teil dieser anatomischen Strukturdefekte<br />
aber auch als Faktor der Ätiologie<br />
interpretiert werden.<br />
Folgende anatomische Veränderungen<br />
sind fassbar:<br />
• Das Rektum ist auffallend mobil und<br />
• am Os sacrum nur mangelhaft fixiert.<br />
• Es besteht eine Elongation des<br />
• Rektosigmoid.<br />
• Die peritoneale Umschlagsfalte und<br />
• der Douglas’sche Raum sind auffallend<br />
• tief (Cul-de-sac).<br />
• Die Muskulatur des Beckenbodens und<br />
• des Analkanals ist weich und klafft.<br />
• In einigen Fällen ist die Auskleidung des<br />
• Analkanals defizitär angelegt (Corpus<br />
• cavernosum recti und L. dentata fehlen,<br />
• Anoderm erscheint verschmälert)<br />
Als Ursache der ersten drei genannten Veränderungen<br />
wäre eine Fehlbildung im weitesten<br />
Sinne denkbar, so z. B. eine mangelhafte Verklebung<br />
der Peritonealblätter der Excavatio<br />
rectovesicalis bzw. der Excavatio rectovaginalis<br />
als Ursache der tiefen peritonealen Umschlagsfalte.<br />
Aufgrund der Untersuchungen von PARKS<br />
muss die Schwäche der quergestreiften Muskulatur<br />
des Beckenbodens und des M. sphincter<br />
ani externus aber neurogen, d. h. als Folge der<br />
Überdehnung der Pudendusäste im Rahmen<br />
des anhaltenden <strong>Dr</strong>ucks durch den sich entwickelnden<br />
Prolaps interpretiert werden. Die<br />
nicht selten nachzuweisende Verschmälerung<br />
der anodermalen Zone in Verbindung mit einer<br />
fehlenden Einziehung der L. dentata und<br />
einem Fehlen des Corpus cavernosum recti ist
12 Rektumprolaps<br />
ebenfalls als eine anlagebedingte Fehlbildung<br />
zu interpretieren.<br />
Möglicherweise können auch funktionelle<br />
Störungen des Beckenbodens mit einer paradoxen<br />
Aktivitätssteigerung in der quergestreiften<br />
Muskulatur beim Pressen über ein langfristiges<br />
forciertes Pressen zur Prolapsentstehung<br />
prädisponieren.<br />
Klassifikation<br />
Für den Rektumprolaps läßt sich ein latentes<br />
Stadium der Erkrankung, während desssen<br />
der Prolaps nur endoskopisch oder im Defäkogramm<br />
erkennbar ist (Stad. I), von einem<br />
manifesten Stadium trennen, in dem der Prolaps<br />
auch außerhalb des Analkanals sichtbar ist.<br />
Im Regelfall bleibt die anatomische Konfiguration<br />
des Analkanals durch die Invagination<br />
des Rektums unbeeinflußt (Stad. II). Erst im<br />
Spätstadium wird der Analkanal mit eventriert<br />
(Stad. III), wohl passiv infolge der kompletten<br />
Erweichung der Beckenboden- und Schließmuskulatur.<br />
Einteilung des Tab.12-1<br />
Rektumprolapses<br />
Grad I latenter Prolaps,<br />
interne Intussuszeption<br />
Grad II manifester Prolaps,<br />
Analkanal nicht eventeriert<br />
Grad III manifester Prolaps,<br />
Analkanal eventeriert<br />
Symptomatologie<br />
Insbesondere im latenten Krankheitsstadium ist<br />
die klinische Symptomatik häufig von Obstipationsbeschwerden,<br />
Blut- und Schleimabgängen<br />
sowie einem nicht näher bestimmbaren<br />
<strong>Dr</strong>uckgefühl im Anorektum mit gelegentlich<br />
frustranem Stuhlgang sowie dem Gefühl einer<br />
inkompletten Entleerung geprägt. Den Vorfall<br />
bemerkt der Patient erst in der manifesten<br />
Krankheitsphase und dann zunächst auch nur<br />
anlässlich der Defäkation.<br />
Abb.12-2 Klinische Diagnostik des Rektumprolaps:<br />
Der Anus klafft bei Zug an den nates.<br />
Diagnostik<br />
Die diagnostische Abklärung stützt sich insbesondere<br />
auf die proktoskopische Untersuchung<br />
bzw. die direkte Inspektion beim Vorliegen eines<br />
manifesten Rektumprolapses. Wichtig erscheint<br />
die Untersuchung unter den dynamischen Bedingungen<br />
des Pressens. Dies betrifft sowohl<br />
die proktoskopische Untersuchung, als auch die<br />
Untersuchung in Hockstellung auf der Toilette<br />
zum Nachweis des manifesten Prolapses.<br />
Das Defäkogramm, also die Röntgendarstellung<br />
des Rektums im seitlichen Strahlengang<br />
unter dynamischen Bedingungen,<br />
Abb.12-3 Patientin wie in Abb. 12-2. Anus klafft<br />
bei Zug mit dem eingelegten Finger nach dorsal.<br />
belegt in Zweifelsfällen die innere Invagination<br />
deutlicher als die Proktoskopie. Gleichzeitig<br />
kann durch das Defäkogramm ein begleitender<br />
Schaden im Bereich des Beckenbodens (Deszensus<br />
perinei, Abflachung des anorektalen<br />
Winkels) abgeschätzt werden. Andererseits<br />
ist dies beim manifesten Rektumprolaps aber<br />
unerheblich für die <strong>Therapie</strong>indikation.<br />
93
94<br />
Abb.12-4 Patientin wie in Abb. 12-2. Eventration<br />
des Prolapses beim Betätigen der Bauchpresse.<br />
Bei längerem Bestehen der Prolapserkrankung<br />
tritt als wesentliches subjektives Symptom<br />
eine zunehmende Inkontinenz hinzu. Die diagnostische<br />
Abklärung der Inkontinenz umfasst<br />
neben der digitalen Untersuchung und ggf.<br />
<strong>Dr</strong>uckmessung auch eine elektromyographische<br />
Untersuchung zum Nachweis des neurogenen<br />
Schadens an der Muskulatur. Da auch neurogene<br />
Inkontinenzen ohne gleichzeitig bestehenden<br />
Rektumprolaps vorgefunden werden,<br />
ist der sichere Nachweis des Rektumprolapses<br />
differentialtherapeutisch von Bedeutung. Beim<br />
gleichzeitigen Vorliegen eines Prolapses muss<br />
dieser vor einer kontinenzverbessernden Muskeloperation<br />
beseitigt werden.<br />
Eine komplette diagnostische Abklärung<br />
des Kolons zum Ausschluss höher im Darm<br />
gelegener Läsionen ist obligat. Das ist angesichts<br />
des allgemeinen Charakters der subjektiven<br />
Beschwerden unmittelbar einleuchtend.<br />
Präoperativ ist also die Durchführung einer<br />
Koloskopie obligat. In der Kolonkontrastdarstellung<br />
zeigt sich typischerweise eine Elongation<br />
des Sigmas oder des linken Kolons und<br />
oft auch eine Erweiterung der Ampulla recti<br />
(Rektozele) sowie ein vergrößerter Rektum-<br />
Kreuzbein-Abstand.<br />
Vor der operativen <strong>Therapie</strong> eines Rektumprolapses<br />
sollte das gesamte Kolon<br />
untersucht werden.<br />
Differentialdiagnostik<br />
Rektumprolaps 12<br />
Im Rahmen der Differentialdiagnostik muss<br />
ein Hämorrhoidalprolaps oder Analprolaps<br />
sicher abgegrenzt werden. Durch die digitale<br />
Untersuchung und die Inspektion beim Pressen<br />
auf der Toilette sollte dies immer möglich sein.<br />
Dennoch wird gerade die Differentialdiagnostik,<br />
wie erwähnt, mitunter vernachlässigt – oft mit<br />
der Folge einer inadäquaten Behandlung.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Das wesentliche Problem in der <strong>Therapie</strong> anorektaler<br />
Prolapssyndrome ist aber die Indikationsstellung<br />
im Fall eines latenten oder auch<br />
nur kleinen Rektumprolapses. In Fällen einer<br />
gesicherten Diagnose eines kleinen Rektumprolapses<br />
sind Hämorrhoidenoperationen – auch in<br />
der modernen Variante der Staplerhämorrhoidopexie<br />
unsinnig, da sie keine kausale <strong>Therapie</strong><br />
der zugrundeliegenden Invagination des Darmes<br />
darstellen. Beim latenten Rektumprolaps<br />
können konservative <strong>Therapie</strong>versuche eher<br />
erfolgreich sein. Die Patienten sollen hierbei<br />
unter Anwendung rektaler Entleerungshilfen<br />
(Klysma) und Vermeiden des Pressens bei der<br />
Defäkation der weiteren Prolapstendenz entgegenwirken.<br />
Eine Indikation zum operativen<br />
Vorgehen ergibt sich dann unter Umständen<br />
erst, wenn Zeichen einer beginnenden analen<br />
Inkontinenz faßbar werden. Ein kleiner, außen<br />
sichtbarer Rektumprolaps stellt dagegen immer<br />
eine Operationsindikation dar. Es kann nicht<br />
davon ausgegangen werden, dass dieser Prolaps<br />
in der Folgezeit keine weitere Größenzunahme<br />
erfährt. Mit Sicherheit wird es im weiteren Verlauf<br />
zu einer zunehmenden Kontinenzschwäche<br />
kommen, so dass also zu einem rechtzeitigen<br />
operativen Vorgehen geraten werden muss. Die<br />
beginnende neurogene Schwächung der Muskulatur<br />
des Beckenbodens bzw. des Analkanals<br />
läßt sich elektromyographisch verifizieren.<br />
Anhand des EMG’s sollte die Indikation zur<br />
operativen Behandlung des frühen rektalen<br />
Prolapsgeschehens gestellt werden, bevor eine<br />
irreversible Inkontinenz eingetreten ist. Beim<br />
obstipierten Patienten muss dabei über eine
12 Rektumprolaps<br />
synchrone Resektion nachgedacht werden, die<br />
aus Gründen einer postoperativen Besserung<br />
der Probleme wünschenswert sein kann.<br />
Gänzlich anders stellt sich die <strong>Therapie</strong><br />
im Fall eines kindlichen Rektumprolapses dar.<br />
Durch die Steilstellung des Os sacrum in der<br />
frühkindlichen Lebensphase ist die Entwicklung<br />
eines Prolapses bei forciertem Pressen relativ<br />
leicht möglich. Die <strong>Therapie</strong> ist dabei konservativ.<br />
Die Eltern müssen um die pathophysiologische<br />
Bedeutung des Pressens wissen und dürfen<br />
das Kleinkind im Rahmen der Sauberkeitserziehung<br />
nicht überstrapazieren. Im Bedarfsfall<br />
muß der Prolaps digital reponiert werden.<br />
Zur operativen <strong>Therapie</strong> des Rektumprolapses<br />
werden unterschiedliche Maßnahmen angegeben,<br />
die den jeweils als wesentlich erachteten<br />
pathophysiologischen Befund berücksichtigen:<br />
• Das mobile und mangelhaft fixierte Rektum<br />
• wird von retrorektal oder abdominell fixiert.<br />
• Ein elongiertes Rektosigmoid<br />
• wird ggf. reseziert.<br />
• Die tiefe peritoneale Umschlagsfalte<br />
• wird angehoben.<br />
• Die klaffenden Muskeln des Beckenbodens<br />
• werden ggf. gerafft.<br />
Als bestes <strong>Therapie</strong>verfahren kann dasjenige<br />
gelten, das die meisten dieser Gesichtspunkte<br />
berücksichtigt. Die heute gebräuchlichen Verfahren<br />
können entsprechend ihrem operativen<br />
Ansatz in 3 Gruppen eingeteilt werden.<br />
Perineal reponierende Verfahren<br />
Diese Verfahren, z. B. THIERSCH-Ring, Narbenring<br />
nach SARAFOFF, beruhen auf der falschen<br />
Vorstellung des Rektumprolapses als einer Hernie.<br />
Durch ein subkutanes Widerlager soll diese<br />
Hernie reponiert werden. Es leuchtet unmittelbar<br />
ein, dass hierdurch lediglich das manifeste<br />
Stadium in ein latentes Stadium zurückgeführt<br />
wird. Im Regelfall verbleibt postoperativ ein<br />
interner Prolaps mit der Gefahr eines frühen<br />
Rezidivs. Analoges gilt auch für Verfahren,<br />
die durch eine Muskelraffung von perineal<br />
(anteriore Levatorenplastik) oder retroanal<br />
her (Postanal repair) den Prolaps »reponieren«,<br />
wenngleich sie temporär eine Besserung der<br />
begleitenden Inkontinenz bewirken können.<br />
Insbesondere beim THIERSCH-Ring wird häufig<br />
eine unelastische Stenose des Analrandes geschaffen<br />
mit entsprechend schwerer subjektiver<br />
Behinderung. Diese Einlage eines Fadens oder<br />
<strong>Dr</strong>ahts ist heute obsolet.<br />
Perineale operative Verfahren zur <strong>Therapie</strong><br />
des Rektumprolapses beruhen auf dem<br />
falschen <strong>Therapie</strong>ansatz der Reposition<br />
einer Hernie.<br />
Perineal oder transanal<br />
resezierende Verfahren<br />
Die Operationsmethode nach REHN-DELORME<br />
reseziert transanal überschüssige Schleimhaut<br />
und rafft dann die verbliebene Muskulatur der<br />
Darmwand zu einem verdickten Muskelwulst.<br />
Hierdurch wird eine verbesserte muskuläre<br />
Abschlussleistung geschaffen und es tritt im<br />
Idealfall keine Schleimhaut mehr nach außen<br />
aus. Der Muskelwulst soll »wie ein Pessar« auf<br />
dem Beckenboden liegen. Auch bei diesem<br />
Verfahren ist die Rezidivquote relativ hoch.<br />
Dennoch hat es weiterhin einen Stellenwert<br />
in der Behandlung des Rektumprolapses beim<br />
alten Patienten.<br />
Die Resektion über einen dorsalen Zugang<br />
(Rezidivrate 11 %) oder die transanale Resektion<br />
der gesamten Darmwand nach ALTEMEIER vermögen<br />
bzgl. der Rezidivrate eher zu befriedigen.<br />
Diese Verfahren stellen somit eine mögliche<br />
Alternative zum abdominellen Vorgehen bei<br />
eingeschränkter Operabilität dar.<br />
Abb. 12-5 Perineale Resektion nach Altemeier<br />
95
96<br />
Resezierende transanale Verfahren<br />
sind bei eingeschränkter Operabilität eine<br />
Alternative zu einem transabdominellen<br />
Vorgehen.<br />
Abdominelle fixierende Verfahren<br />
ohne und mit Resektion<br />
Die abdominellen Operationsverfahren haben<br />
nach Literaturangaben mit 0 bis etwa 20 % die<br />
niedrigsten Rezidivraten. Alle derzeit verbreiteten<br />
Operationen fußen auf dem Verfahren nach<br />
SUDECK, der bereits 1922 die tiefe Auslösung<br />
des Rektums aus der Sakralhöhle mit Nahtfixation<br />
und nachfolgender Verklebung der Wundflächen<br />
als hinreichend sicheres Verfahren mit<br />
niedriger Rezidivrate angegeben hat. Andere<br />
Autoren haben dieses Vorgehen zur Senkung<br />
der Rezidivrate mit einer Resektion des elongierten<br />
Rektosigmoid (FRYKMAN-GOLDBERG)<br />
kombiniert. Zusätzlich sind Modifikationen<br />
des Verfahrens angegeben worden, bei denen<br />
eine Fixation des ausgelösten Rektums am<br />
Os sacrum mit Ivalon (WELLS, RIPSTEIN),<br />
Marlex (KEIGHLEY) oder Faszienstreifen (ORR-<br />
LOYGUE) erfolgt. Die Kombination der Resektion<br />
und Fremdköperimplantation ist wegen<br />
der Gefahr eines Infekts des alloplastischen<br />
Materials kritisch zu sehen.<br />
Abdominelle fixierende Ver- Tafel 12-1<br />
fahren ohne und mit Resektion<br />
• Rektopexie nach SUDECK<br />
• Rektopexie mit alloplastischem Material<br />
• (WELLS, RIPSTEIN)<br />
• Rektopexie mit autologem Material<br />
• (ORR-LOYGUE)<br />
• Resektionsrektopexie<br />
• nach FRYKMAN-GOLDBERG<br />
In den letzten Jahrzehnten ist der funktionelle<br />
Gesichtspunkt der Obstipation im Zusammenhang<br />
mit einem Rektumprolaps in den Vordergrund<br />
des Interesses getreten. Möglicherweise<br />
ist ein verstärktes Pressen bei der Defäkation<br />
aufgrund einer Obstipation als Wegbereiter der<br />
Prolapsentstehung zu werten. Die Elongation<br />
Rektumprolaps 12<br />
der Rektosigmoid ist dabei unter Umständen<br />
im Sinne eines Passagehindernisses wirksam.<br />
Aus diesem Grunde erscheint die synchrone<br />
Resektion dieses Darmabschnittes bei der Rektopexie<br />
bzw. der Auslösung aus der Sakralhöhle<br />
wünschenswert. Möglicherweise wird<br />
eine postoperativ neu auftretende Obstipation<br />
begünstigt durch eine zu tiefe Auslösung des<br />
Rektums mit Durchtrennung der Innervation<br />
im Bereich der sogenannten lateralen Ligamente.<br />
Diese Beobachtung konnte nicht in<br />
allen Studien nachvollzogen werden. Einige<br />
Autoren glauben durch die Resektion auf eine<br />
Durchtrennung der lateralen Ligamente ohne<br />
eine gleichzeitig erhöhte Rezidivrate verzichten<br />
zu können.<br />
Ergebnisse<br />
Unter dem Gesichtspunkt einer niedrigen Rezidivrate<br />
hat sich die Ivalon-rectopexy nach<br />
WELLS mit Recht als ein weitverbreitetes<br />
Verfahren etabliert. Unter dem Blickwinkel<br />
der durch die Operation zu bessernden Obstipationsneigung<br />
erscheint indes die Resektionsrektopexie<br />
nach FRYKMAN-GOLDBERG<br />
derzeit als der Goldstandard. Dennoch hat die<br />
tiefe Auslösung nach SUDECK ohne Fremdkörperimplantation<br />
weiterhin einen gesicherten<br />
Wert in der operativen Behandlung des<br />
Rektumprolapses. Dagegen berücksichtigt die<br />
ausschließliche anatomische Korrektur der<br />
Verhältnisse am Beckenboden nicht die der<br />
Prolapsentstehung möglicherweise zugrunde<br />
liegenden funktionellen Störungen, die die<br />
Patienten mit einem verstärkten Pressen zu<br />
kompensieren versuchen.<br />
Die postoperativ anhaltende Inkontinenz<br />
gehen einige Autoren mit einer Raffung der<br />
Levatorenschenkel von abdominell nach erfolgter<br />
Auslösung des Rektums an. Dabei ist<br />
die Gefahr einer zusätzlichen Schädigung der<br />
im Beckenbodenniveau verlaufenden Pudendusäste<br />
gegeben. PARKS hat deswegen die<br />
zweizeitige Postanal repair etwa 3 – 6 Monate<br />
postoperativ vorgeschlagen, da sich bei ca.<br />
70 % der präoperativ inkontinenten Patienten<br />
in diesem Zeitraum die Inkontinenz spontan<br />
hinreichend bessert. Außerdem stellt sich im
12 Rektumprolaps<br />
Hinblick auf eine »Inkontinenzprophylaxe« die<br />
Forderung nach einer frühzeitigen operativen<br />
Behandlung des Rektumprolapses. Die sich<br />
anbahnende Inkontinenz muss bereits in der<br />
latenten Krankheitsphase als Indikation zur<br />
abdominellen Rektopexie gelten.<br />
Die Operation nach REHN-DELORME hat<br />
einen gewissen Stellenwert in der Behandlung<br />
des kleinen Rezidivs. Ein solcher Befund nach<br />
korrekt durchgeführter tiefer Auslösung beruht<br />
dann zumeist auf einer Invagination des<br />
untersten Rektumanteils, da der Beckenboden<br />
aufgrund des langen Verlaufs der Erkrankung<br />
postoperativ kein Widerlager mehr bildet.<br />
Hier kann die Resektion der »überschüssigen«<br />
Schleimhaut insbesondere mit einer nachfolgenden<br />
Postanal repair hinreichend sein.<br />
Die transanale Resektion nach ALTEMEIER<br />
zeitigt zufriedenstellende Ergebnisse und wird<br />
von einigen Autoren als <strong>Therapie</strong> der Wahl<br />
bewertet. Zumindest beim älteren Patienten<br />
stellt sie bei eingeschränkter Operabilität eine<br />
gute Option dar, da sie in einer Regionalanästhesie<br />
durchführbar ist. Bei uneingeschränkter<br />
Operabilität erscheint der abdominelle Zugang<br />
wegen der besseren Korrektur der begleitenden<br />
funktionellen Probleme überlegen.<br />
Zusammenfassung: Der Rektumprolaps ist<br />
eine Invagination des Rektums. Die Ätiologie<br />
ist noch ungeklärt. Die Invagination<br />
verläuft progredient von einer Intussuszeption<br />
bis zum manifesten Rektumvollwandprolaps.<br />
Wesentliche Symptome sind neben<br />
dem Vorfall, Stuhlentleerungsstörungen,<br />
Inkontinenzerscheinungen und, besonders<br />
beim manifesten Prolaps, Schmerzen. Differentialdiagnostisch<br />
muss der Rektumprolaps<br />
von Prolapsfromen distal der Levatorebene<br />
abgegrenzt werden. Operative Ansatzpunkte<br />
sind die transanale oder perineale<br />
Resektion des prolabierenden Rektums<br />
oder die transabdominelle Fixation, ggf.<br />
mit Resektion des Sigmas. Während die<br />
transanalen Verfahren für multimorbide<br />
Patienten geeigneter erscheinen, werden<br />
die besseren funktionellen Ergebnisse und<br />
Rezidivraten durch die transabdominellen<br />
Verfahren erreicht.<br />
97
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13 Anale Inkontinenz<br />
13 Anale Inkontinenz<br />
Ätiopathogenese 100<br />
Sensorische Inkontinenz aufgrund des Verlusts sensibler Rezeptoren 100<br />
Sensorische Inkontinenz aufgrund der Irritation sensibler Rezeptoren 101<br />
Inkontinenz aufgrund eines muskulären Schadens 101<br />
Inkontinenz aufgrund eines neurogenen Schadens 101<br />
Mischformen 101<br />
Diagnostik 102<br />
Anamnese 102<br />
Körperliche Untersuchung 103<br />
Apparative Diagnostik 104<br />
<strong>Therapie</strong> der Inkontinenz 105<br />
Konservative <strong>Therapie</strong> 106<br />
Beratung und Aufklärung zur Verhaltensänderung 106<br />
Medikamentöse <strong>Therapie</strong> 106<br />
Übungsverfahren 107<br />
<strong>Therapie</strong> übergeordneter Störungen 109<br />
Operative <strong>Therapie</strong> 109<br />
Rekonstruktive Chirurgie des Kontinenzorgans 109<br />
Plastische Wiederherstellung des sensiblen Analkanals 109<br />
Muskuläre Wiederherstellung 110<br />
Sphinkterrekonstruktion 110<br />
Schließmuskelersatz 111<br />
Mechanische Korrektur des neurogenen Schadens 112<br />
Sakrale Nervenstimulation 114<br />
Augmentation des Sphinkters 114<br />
Stomaanlage 114<br />
Ergebnisse der chirurgischen <strong>Therapie</strong> 115<br />
99
100<br />
Vorbemerkung: In den Kapiteln zur Anatomie<br />
und Physiologie sowie bei der Darstellung<br />
der proktologischen Diagnostik wurde bereits<br />
vieles zum Problem der analen Inkontinenz<br />
gesagt. Im Rahmen der Darstellung des Gesamtkomplexes<br />
lassen sich daher Wiederholungen<br />
nicht vermeiden. Es wurde deutlich, dass die<br />
Kontinenz teils reflektorisch, teils willentlich<br />
verstärkt gewährleistet wird. Husten führt beispielsweise<br />
zu einer reflektorischen Erhöhung<br />
des intraabdominellen <strong>Dr</strong>uckes, die gefolgt ist<br />
von einer unwillkürlichen Tonussteigerung in<br />
der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur<br />
mit konsekutiver Verstärkung der anorektalen<br />
Abwinkelung. Das Zusammenspiel der Teile des<br />
Kontinenzorgans wird im Sinne von Regelkreisen<br />
koordiniert und steht unter der Kontrolle<br />
des Cortex. Damit werden auch psychische<br />
Einflüsse auf die Kontinenz verständlich.<br />
Für die diagnostische Abklärung von Störungen<br />
der Kontinenz ist es wichtig zu wissen,<br />
dass die einzelnen Komponenten der Kontinenz<br />
in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt<br />
sein können. Zudem ist nicht in allen Fällen<br />
nur eine einzelne anatomische Struktur<br />
geschädigt, sondern es liegt ein komplexer<br />
Schaden mehrerer Kontinenzfaktoren vor. Die<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
laienhafte Vorstellung von dem »Schließmuskel«<br />
als einzigem Faktor der analen Kontinenz<br />
wird diesen komplexen Funktionsstörungen<br />
nicht gerecht.<br />
Ätiopathogenese<br />
Unter praktisch-therapeutischen Gesichtspunkten<br />
scheint es sinnvoll, die unterschiedlichen<br />
Formen der analen Inkontinenz entsprechend<br />
der Ätiologie einzuteilen. Wir erhalten so<br />
Hinweise auf die Ursache der Störung und auf<br />
eine mögliche <strong>Therapie</strong>.<br />
Bei isolierten Schäden einzelner Komponenten<br />
des Kontinenzorgans (z.B. Rezeptorverlust,<br />
traumat. Sphinkterläsion, Traktionsschaden<br />
des N. pudendus) ist oft schon die<br />
Anamnese wegweisend.<br />
Sensorische Inkontinenz aufgrund des<br />
Verlusts sensibler Rezeptoren<br />
Dazu gehören z. B. die Fälle einer Hämorrhoidenoperation<br />
nach WHITEHEAD. Bei dieser<br />
Operation wurde gelegentlich das gesamte<br />
Anoderm entfernt mit der Folge des vollständigen<br />
»Gefühlsverlustes«.<br />
Übersicht: Atiologie der Inkontinenz Tafel 13-1<br />
Störungen der Sensorik:<br />
Nerval<br />
Rezeptorverlust<br />
Rezeptorirritation<br />
Störungen der Sphinkterfunktion:<br />
Traumatisch<br />
Myopathisch<br />
Neoplastisch<br />
Entzündlich<br />
Neurogene Störung der motorischen Innervation:<br />
Peripher<br />
Spinal<br />
Zerebral<br />
Störungen der Reservoirfunktion:<br />
Entzündlich<br />
Postoperativ<br />
Korrektur kongenitaler Defekte<br />
Funktionell<br />
diabet. Polyneuropathie<br />
Whitehead-Hämorrhoidektomie<br />
intraanale Tumoren, prolab. Fibrom, Rektumprolaps<br />
Geburtstrauma, iatrogen, Pfählungsverletzung<br />
Dystrophia myotonica, Dermatomyositis, hyperthyreote Myopathie<br />
infiltrierend wachsende Tumoren<br />
vernarbende Entzündung z. B. bei M. Crohn<br />
Traktion des N. pudendus, Rektumprolaps, »idiopathisch«<br />
Querschnitt, Kaudasyndrom, Tabes, Meningomyelozele<br />
vaskuläre/degenerative Schäden in Kortex oder Pons, MS, psychoorganisch<br />
Proktitis (CED, radiogen, ischämisch)<br />
tiefe Rektumresektion, Reflexstörung postoperativ, Pouch<br />
Analatresie, M. Hirschsprung<br />
Dyschezie, Diarrhoe, Reflexstörung, Rektumprolaps, stenosierender Tumor
13 Anale Inkontinenz<br />
Abb. 13-1 Fistelspaltung als Inkontinenzursache<br />
Die betroffenen Patienten bemerken den Stuhldurchtritt<br />
erst dann, wenn er in Kontakt mit<br />
der äußeren Haut kommt. Auf entsprechendes<br />
Befragen beschreiben die Patienten dieses<br />
Kontinenzdefizit meist sehr genau.<br />
Sensorische Inkontinenz aufgrund der<br />
Irritation sensibler Rezeptoren<br />
Alle Faktoren, die das trockene Anoderm irritieren,<br />
können zu einer Relaxation der Schließmuskulatur<br />
mit entsprechender Undichtigkeit<br />
führen. So kann z. B. Feuchtigkeit aus dem<br />
oberen Analkanal nach distal gelangen bei<br />
vergrößerten Hämorrhoiden oder bei einer<br />
Diarrhoe, die nicht selten durch Laxanzien<br />
ausgelöst wird. Ein prolabierendes Fibrom<br />
kann einen Stuhlbolus imitieren und zur Relaxation<br />
führen. Entzündliche Zustände, z. B.<br />
beim M. Crohn, können ebenfalls das Anoderm<br />
irritieren.<br />
Abb. 13-2 Dammriss III. Grades als<br />
Inkontinenzursache<br />
Die Patienten geben einen Sekretabgang per<br />
anum an oder ein Nachschmieren von Stuhl<br />
nach der Defäkation. Ein prolabierender Tumor<br />
kann bei der Reinigung des Afters am Ende der<br />
Stuhlentleerung oft außen getastet werden.<br />
Inkontinenz aufgrund eines<br />
muskulären Schadens<br />
Eine lokale Schädigung der quergestreiften<br />
Muskulatur ist oft Folge eines Dammrisses<br />
oder von Fisteloperationen. Die Inkontinenzsymptomatik<br />
setzt dann meist exakt mit dem<br />
Zeitpunkt der Läsion ein.<br />
Inkontinenz aufgrund eines<br />
neurogenen Schadens<br />
Hierunter fällt die häufig anzutreffende sog.<br />
idiopathische Inkontinenz der älteren Frau. Eine<br />
langfristige Überdehnung des Beckenbodens<br />
durch Gravidität oder forciertes Pressen bei der<br />
Defäkation kann zu einem Dehnungsschaden<br />
der im Beckenboden verlaufenden Pudendusäste<br />
führen. Es kommt zu einer zunehmenden<br />
Denervation und Funktionseinbuße der quergestreiften<br />
Beckenboden- und Analmuskulatur.<br />
Auch bei jungen Menschen können Beckenbodenfunktionsstörungen<br />
und Prolapssyndrome<br />
zu einer solchen Überdehnung mit konsekutiver<br />
Inkontinenz führen (z. B. Deszensus perinei,<br />
Rekto-Zystozele, Rektumprolaps, Deszensus<br />
uteri). Es ist mithin unzutreffend, dieses Krankheitsbild<br />
als idiopathisch zu bezeichnen, da die<br />
Genese sehr wohl geklärt ist.<br />
Mischformen<br />
Viele Inkontinenzformen sind multifaktoriell<br />
bedingt. Funktionsstörungen des Gastrointestinaltraktes,<br />
insbesondere eine Diarrhoe<br />
oder ein Colon irritabile-Syndrom, können<br />
eine Inkontinenz verursachen oder verstärken;<br />
ein defekter analer Verschluss bei muskulärer<br />
Insuffizienz nach Fisteloperationen oder<br />
Dammriss kann aber auch eine mangelhafte<br />
Eindickung und damit Durchfälle mit subjektiver<br />
Verschlimmerung der Kontinenzstörung<br />
induzieren. Zusätzlich können mehrere der<br />
101
102<br />
angeführten Einzelfaktoren der Kontinenz<br />
gleichzeitig gestört sein. So kennen wir Missbildungen,<br />
die neben der Muskulatur auch die<br />
epitheliale Auskleidung des Analkanals betreffen.<br />
Die tiefe Rektumanastomose kann neben<br />
einem Reservoirverlust auch zu lokalen Nervenschäden<br />
mit einem entsprechend gestörten<br />
Reflexverhalten führen. Tumoren in der Nähe<br />
des Analkanals können die Sensorik stören, bei<br />
infiltrativem Wachstum die Muskelaktivität<br />
behindern und Nerven zerstören. Stenosen<br />
führen über einen Dyscheziemechanismus zu<br />
einer Konsistenzminderung des Stuhles. In<br />
der Folge können dann subklinische Formen<br />
einer neurogenen oder muskulären Inkontinenz<br />
manifest werden.<br />
Unvollständige Schädigungen der Teile<br />
werden normalerweise lange kompensiert,<br />
manchmal kommt es aber durch die zusätzliche,<br />
z.B. operative Schädigung eines anderen Teilorgans<br />
zur Überlastung des Kontinenzorgans<br />
(z. B. Fissuroperation mit Internussphinkterotomie<br />
bei vorbestehendem neurogenen Schaden).<br />
Beim Rektumprolaps handelt es sich um einen<br />
sehr komplexen Schaden. Die Inkontinenz<br />
tritt in der Regel erst mit fortschreitender<br />
Schädigung des Kontinenzorgans auf. In der<br />
Frühphase besteht oft sogar eine Superkontinenz,<br />
die zu vermehrtem Pressen bei der<br />
Defäkation Anlass gibt. Eine Obstipation mit<br />
harten Faeces bei verzögerter Darmpassage,<br />
eine spastische Kontraktion des Rektosigmoid<br />
mit Passage von breiigen oder Bleistiftstühlen<br />
bei Colon irritabile oder oder eine mangelhafte<br />
Öffnung des Analkanals trotz Füllung der<br />
Ampulle z. B. bei einer outlet obstruction oder<br />
bei einer Analstenose führen zu vermehrtem<br />
Pressen bei der Stuhlpassage und damit zu<br />
einer Degeneration des Gewebes.<br />
Diagnostik<br />
Die Stuhlinkontinenz berührt einen körperlichen<br />
Tabubereich, was dazu führt, dass die<br />
Patienten die Symptome zum Teil ebenfalls<br />
tabuisieren. Insbesondere werden subjektive<br />
Anzeichen einer Fehlfunktion im Sinne einer<br />
analen Inkontinenz zunächst verschwiegen,<br />
da sie weit in diese Tabuzone hineinreichen.<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
Aus diesem Grund ist es wichtig, für den ersten<br />
Kontakt mit dem Patienten und die nachfolgende<br />
Untersuchung ein Klima zu schaffen, das<br />
der Angst des Patienten und der notwendigen<br />
Enttabuisierung gerecht wird.<br />
Die Standarddiagnostik umfasst neben<br />
einer sorgfältigen Anamnese eine klinische<br />
Befunderhebung und im Anschluss daran eine<br />
unterschiedlich weit auszudehnende instrumentelle<br />
Untersuchung.<br />
Anamnese<br />
Da der betroffene Patient die Klagen über eine<br />
Kontinenzschwäche wegen der Tabuisierung<br />
dieser körperlichen Fehlfunktion vermeidet, ist<br />
es wichtig, von Seiten des Untersuchers regelrecht<br />
nachzufragen. Als eine Screeningfrage<br />
kann dabei gelten: Können Sie die Winde immer<br />
einhalten? Diese Leistung des Kontinenzapparates<br />
wird bei zunehmender Funktionseinbuße<br />
als erste defizitär empfunden. Wenn diese Frage<br />
bejaht wird, erfolgt die weitere Frage nach der<br />
Haltefähigkeit für durchfällige und feste Stühle.<br />
Hieraus ergibt sich die gängige Einteilung der<br />
Inkontinenz in drei Schweregrade.<br />
Einteilung der Tab.13-1<br />
analen Inkontinenz<br />
Grad I Undicht für Winde<br />
Grad II Undicht für Winde und<br />
flüssigen Stuhl<br />
Grad III Undicht für Winde, flüssigen<br />
und festen Stuhl<br />
Wichtig sind auch die anamnestischen Fragen<br />
nach perianalen Hautsymptomen wie Juckreiz<br />
und Brennen, die oft dadurch ausgelöst werden,<br />
dass die Haut mit Sekreten aus dem undichten<br />
Afterkanal benetzt wird. Des Weiteren ist zu<br />
fragen nach einem Gewebsvorfall aus dem<br />
After, den Stuhl- und Ernährungsgewohnheiten<br />
und nach der Medikamenteneinnahme.<br />
Bei der Anamnese kann bereits zwischen<br />
plötzlichem Auftreten nach einer Verletzung<br />
(Geburtstrauma, Pfählung, Operation) und<br />
einem schleichenden Beginn unterschieden
13 Anale Inkontinenz<br />
werden, bei dem die Patienten keinen genauen<br />
Zeitpunkt angeben können. Von frühen, nur in<br />
Extremsituationen pathologischer Stuhlkonsistenz<br />
bemerkten Ereignisse, z. B. unfreiwilligem<br />
Windabgang oder Inkontinenz bei Diarrhoe bis<br />
hin zum Verlust der Fähigkeit, geformten Stuhl<br />
zu halten, vergehen oft mehrere Jahre. Nach<br />
den möglichen Ursachen dieser Inkontinenz<br />
muss gezielt gefragt werden, da die Patienten<br />
die Zusammenhänge selten erkennen. Beim<br />
Rektumprolaps steht der Schleimabgang sowie<br />
das Gefühl einer unvollständigen Entleerung<br />
im Vordergrund, die Inkontinenz entwickelt<br />
sich erst nach längerem Verlauf.<br />
Es ist erstaunlich, dass ein Rektumprolaps<br />
dem Patienten oft nicht bewusst ist, obwohl er<br />
bei jedem Stuhlgang austritt. Andererseits wissen<br />
einige Patienten um den Vorfall, ohne ihn<br />
als mögliche Inkontinenzursache zu bewerten.<br />
Bei den Fragen zu den Stuhlgewohnheiten interessieren<br />
die Konsistenz und die Frequenz sowie<br />
insbesondere die Fragen nach einer kurzfristig<br />
eingetretenen Änderung. Das letztgenannte<br />
Phänomen kann als Hinweis auf paradoxe<br />
Diarrhoen im Rahmen einer Tumorobstruktion<br />
gewertet werden. Bei den Fragen zur Ernährung<br />
können Lebensmittelunverträglichkeiten<br />
erkennbar werden, die Durchfälle bedingen<br />
und den Konztinenzmechanismus überfordern.<br />
Abschließend ist nach früheren Ereignissen<br />
wie Operationen oder Entbindungen zu fragen,<br />
die eine Rückwirkung auf den Kontinenzapparat<br />
haben können. Die regelmäßige Frage<br />
nach einer Belastungsinkontinenz der Blase bei<br />
Frauen kann schon in einem frühen Stadium<br />
auf die gleichzeitige neurogene Schädigung<br />
der analen Muskulatur hinweisen.<br />
Die Einteilung der Inkontinenz in drei<br />
Grade berücksichtigt nicht weitere wesentliche<br />
Störungen, die sich nicht im direkten<br />
Zusammenhang mit der Defäkation ergeben<br />
wie Nachschmieren von Flüssigkeit nach der<br />
Defäkation oder unabhängig von der Defäkation,<br />
imperativer Stuhldrang und Tenesmen und<br />
insbesondere inkonstante Störungen, die den<br />
Betroffenen zwingen, aus Sicherheitsgründen<br />
Vorlagen zu tragen. Wertvoller als die starre<br />
Einteilung in drei Grade ist die Beurteilung der<br />
Kontinenzsituation durch Scoresysteme. Hier-<br />
durch wird auch der subjektive Leidensdruck des<br />
individuellen Patienten gemessen. Mit diesen<br />
Scores lassen sich zudem die <strong>Therapie</strong>erfolge<br />
nach operativer und konservativer <strong>Therapie</strong> dokumentieren.<br />
Der Cleveland-Clinic-Score (vgl.<br />
Kapitel 2) erstellt ein Punktesystem zwischen<br />
0 und 20 Punkten. Die komplette Inkontinenz<br />
führt dabei zur Summe von 20 Punkten.<br />
Aussagekräftiger als die Einteilung der<br />
Inkontinenz in drei Schweregrade ist die<br />
Bewertung der Kontinenzleistung durch<br />
objektivierbare Scoresysteme.<br />
Körperliche Untersuchung<br />
Die körperliche Untersuchung beginnt mit dem<br />
Entkleiden des Patienten. Es wurde bereits<br />
darauf hingewiesen, dass der Untersucher aus<br />
der Verschmutzung der Unterwäsche bereits auf<br />
eine anale Inkontinenz rückschließen kann.<br />
Wegen des engen Zusammenhangs der analen<br />
Erkrankungen mit höher im Darm gelegenen<br />
Störungen beginnt jede körperliche Untersuchung<br />
mit der Palpation des Abdomens. Dabei<br />
ist insbesondere auf Narben nach früheren<br />
Operationen zu achten sowie auf tastbare<br />
Resistenzen.<br />
Die Inspektion der Dammregion ermöglicht<br />
die Diagnostik der komplexen Schäden<br />
von Anal-, Hämorrhoidal-, Rektumprolaps;<br />
Descensus perinei, -vaginae, -uteri; Rekto- und<br />
Zystozele. Dabei ist es aber erforderlich, sowohl<br />
in Ruhe als auch unter dynamischen Bedingungen<br />
bei forcierter Bauchpresse zu untersuchen.<br />
Nach den jeweils prolabierenden Strukturen<br />
(Anoderm, Mukosa mit Hämorrhoidalplexus,<br />
Rektumschleimhaut oder Rektumwand) wird<br />
zwischen Anal-, Hämorrhoidal- oder Rektumprolaps<br />
unterschieden.<br />
Deformierungen des Anus, Narben nach<br />
Episiotomie, Abszess- oder Fisteloperationen<br />
und das Fehlen einer normalen Radiärfältelung<br />
der Analhaut bei der Inspektion deuten auf<br />
einen lokalisierten Sphinkterdefekt hin; ein<br />
Klaffen des Afters in Ruhe oder beim Spreizen<br />
der Nates mit Sichtbarwerden der Schleimhaut<br />
des oberen Analkanals oder gar des unteren<br />
103
104<br />
Rektums kann als Hinweis auf einen massiven<br />
neurogenen Schaden gedeutet werden. Der Zug<br />
des in den Analkanal eingeführten Fingers nach<br />
dorsal oder nach der Seite verstärkt oft noch<br />
das weite Klaffen der Muskulatur.<br />
Grundsätzlich lässt sich die Funktionsfähigkeit<br />
der Muskulatur bei der digitalen<br />
Untersuchung des Analkanals mit einiger<br />
Übung sicher beurteilen. Bei der Darstellung<br />
der klinischen Diagnostik wurde bereits auf die<br />
wesentlichen Dinge hingewiesen. Es ist wichtig,<br />
die Muskulatur unter unterschiedlichen Funktionsbedingungen<br />
der Ruhe, der Kontraktion<br />
und evtl. auch beim Pressen oder Husten zu<br />
beurteilen. Bei entsprechender Erfahrung lässt<br />
sich digital auch die Analkanallänge bewerten<br />
und hierdurch auf die gesamte zur Verfügung<br />
stehende Muskelmenge rückschließen.<br />
Apparative Diagnostik<br />
Unter den instrumentellen Untersuchungen<br />
gelten zumindest die starren endoskopischen<br />
Untersuchungen – die Rektosigmoidoskopie<br />
und Proktoskopie – als unersetzliche Routineuntersuchungen.<br />
Die flexiblen Instrumente<br />
werden eher im Sinne einer weitergehenden<br />
Diagnostik bei Problemfällen und zur Ausschlussdiagnostik<br />
bei rektoskopisch nachgewiesenen<br />
Befunden eingesetzt. Die Proktoskopie<br />
erreicht eine Übersicht über den analen Kanal<br />
und das untere Rektum. Sie zeigt beispielsweise<br />
entzündliche oder postoperative Läsionen des<br />
Anoderms an und lässt dementsprechend auf<br />
eine sensorische Kontinenzschwäche schließen.<br />
Beide Untersuchungen sollten aber immer auch<br />
unter »funktionellen Gesichtspunkten« durchgeführt<br />
werden, d.h. mit einem Pressakt des<br />
Patienten. Auf diese Weise kann ein latenter<br />
Rektumprolaps erkannt werden.<br />
Die weiterführenden Untersuchungen zur<br />
Abklärung einer Stuhlinkontinenz können ein<br />
weites Spektrum diagnostischer Maßnahmen<br />
umfassen, die darum nicht »routinemäßig«<br />
zur Anwendung kommen. Sie umfassen insbesondere<br />
eine endorektale Sonographie, eine<br />
anorektale Manometrie und eine elektromyographische<br />
Untersuchung der quergestreiften<br />
Muskulatur des Analkanals und Beckenbodens.<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
Wesentliches Ergebnis der <strong>Dr</strong>uckmessung ist<br />
nicht so sehr die Festlegung darauf, ob hier<br />
ein erniedrigter Ruhedruck und ein erniedrigter<br />
<strong>Dr</strong>uck bei maximaler Willkürkontraktion<br />
vorliegt, sondern vielmehr die Form der<br />
<strong>Dr</strong>uckkurve bei einer Durchzugsmanometrie<br />
mit Festlegung der Länge der analen Hochdruckzone.<br />
Das Ausmaß eines Defektes in der Muskulatur<br />
lässt sich am besten endosonographisch<br />
darstellen. In früheren Jahren wurde<br />
ein elektromyographisches Mapping mit der<br />
konzentrischen Nadelelektrode durchgeführt.<br />
Mit der Entwicklung der Endosonographie ist<br />
diese schmerzhafte Untersuchung inzwischen<br />
vollkommen verlassen worden. Bereits durch<br />
die einfache digitale Untersuchung lässt sich die<br />
Größe eines Muskeldefekts bzw. eine Narbe in<br />
der Muskulatur wesentlich präziser bestimmen<br />
als durch die <strong>Dr</strong>uckmessung. Die <strong>Dr</strong>uckmessung<br />
ist für die Inkontinenzdiagnostik von<br />
untergeordneter Bedeutung. Die Abschätzung<br />
des Ausmaßes einer neurogenen Schädigung<br />
erfordert besondere neurophysiologische Erfahrung.<br />
Sie ist wünschenswert zur präoperativen<br />
Bewertung des zu erwartenden <strong>Therapie</strong>erfolgs.<br />
Die Bestimmung der sog. PNTML versucht eine<br />
Quantifizierung. Sie hat sich aber im klinischen<br />
Alltag nicht als wesentlicher Parameter für die<br />
Indikationsstellung zu operativen Maßnahmen<br />
etabliert. Die Überprüfung des Analreflexes ist<br />
leicht möglich, die Bewertung einer Seitendifferenz,<br />
einer abgeschwächten oder sehr lebhaften<br />
Reflexantwort gelegentlich schwierig.<br />
Im bisher skizzierten Ablauf der Anamnese<br />
und proktologischen Untersuchung finden sich<br />
die wesentlichen Details, die für die Abklärung<br />
einer Inkontinenz von Bedeutung sind.<br />
Die diagnostische Klärung einer Inkontinenz<br />
sollte unter chirurgisch-proktologischen Gesichtspunkten<br />
grundsätzlich zielgerichtet und<br />
dadurch effizient erfolgen. Es ist vorteilhaft,<br />
von Beginn an die standardisierten <strong>Therapie</strong>optionen<br />
im Blickfeld zu haben. Dann kann die<br />
Diagnostik zumeist mit einfachen klinischen<br />
Maßnahmen erfolgen. Die schematisierte komplette<br />
Abfolge aller möglichen diagnostischen<br />
Verfahren erscheint verzichtbar. Unter dem<br />
Blickwinkel der chirurgisch-operativen Op-
13 Anale Inkontinenz<br />
tionen werden die einzelnen Komponenten<br />
des Kontinenzorgans in der nachfolgenden<br />
Weise abgefragt:<br />
Finden sich außen Narben?<br />
Man sucht nach Residuen einer Voroperation<br />
oder Verletzung.<br />
Wie ist der Ruhetonus?<br />
Er erlaubt einen Rückschluss auf die<br />
Funktion des M. sph. ani internus.<br />
Wie ist die maximale Willkürkontraktion?<br />
Sie erlaubt eine Rückschluss auf die<br />
Funktion der Puborektalis-Schlinge und<br />
des M. sph. ani externus<br />
Wie lang ist der Analkanal zu tasten?<br />
Hieraus ergibt sich eine Einschätzung der<br />
gesamten Muskelmenge<br />
Lassen sich Narben in der<br />
Muskulatur tasten?<br />
Sie sind erkennbar an der fehlenden<br />
Aktivität beim Kneifen und lassen auf<br />
traumatisch oder operativ bedingte<br />
Defekte schließen.<br />
Was ändert sich beim Betätigen<br />
der Bauchpresse?<br />
Auf diese Weise kann ein Rektumprolaps,<br />
ein Deszensus perinei oder eine Rektozele<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Zeigt sich bei der Proktoskopie<br />
das Anoderm intakt?<br />
Größere Defekte können eine sensorische<br />
Inkontinenz bedingen.<br />
Schließt sich der Analkanal nach der Untersuchung<br />
auffallend langsam?<br />
Dieses Phänomen kann Ausdruck einer<br />
neurogenen Schädigung sein.<br />
Nach dieser diagnostischen Klärung sind mögliche<br />
operative <strong>Therapie</strong>ansätze und dementsprechend<br />
auch konservative Problemlösungen<br />
erkennbar. Sie werden durch die weiterführenden<br />
Untersuchungen der Endosonographie und<br />
ggf. Manometrie nur noch abgesichert bzw.<br />
differentialdiagnostisch eingeengt. Wichtig<br />
kann die gastroenterologische und neurologische<br />
Zusatzuntersuchung sein, um beispielsweise<br />
Stoffwechselstörungen oder spinale oder<br />
höhere Läsionen bzw. Systemerkrankungen<br />
auszuschließen. Zuletzt ergeben sich dann<br />
neben einer differenzierten indikatorischen<br />
Auswahl der Patienten auch Hinweise auf die<br />
chirurgisch erreichbaren Erfolge der Wiederherstellungsoperation.<br />
Demzufolge ist es sehr<br />
wesentlich, im Rahmen der präoperativen<br />
Diagnostik konservativ adäquat therapierbare<br />
Formen der Inkontinenz auszufiltern und bei<br />
den operativ zu behandelnden Fällen differenzierte<br />
Aussagen zu treffen über das Ausmaß<br />
und die Lokalisation der zugrunde liegenden<br />
Störung.<br />
Die Option einer operativen <strong>Therapie</strong><br />
der analen Inkontinenz lässt sich durch<br />
eine klinische Untersuchung und ggf. Endosonographie<br />
mit hinreichender Sicherheit<br />
klären.<br />
<strong>Therapie</strong> der Inkontinenz<br />
Entsprechend der Differenzierung der Inkontinenzform<br />
kann eine Strategie der Wiederherstellung<br />
der Kontinenz erstellt werden, die<br />
häufig konservative und operative Möglichkeiten<br />
kombiniert.<br />
Differenzierte <strong>Therapie</strong> der Tafel 13-2<br />
Inkontinenzformen<br />
1. Konservative <strong>Therapie</strong> der<br />
analen Inkontinenz<br />
a) Beratung (Aufklärung,<br />
Verhaltensänderung)<br />
b) Medikamentöse <strong>Therapie</strong><br />
c) Übungsverfahren (Biofeedback,<br />
Schwellstromtherapie)<br />
Fortsetzung S.106<br />
105
106<br />
2. <strong>Therapie</strong> übergeordneter Störungen<br />
der Kontinenz<br />
a) Behandlung einer Diarrhoe,<br />
antiinflammatorische <strong>Therapie</strong><br />
b) Operative <strong>Therapie</strong> der Prolapsformen<br />
3. Rekonstruktive Chirurgie des<br />
Kontinenzorgans<br />
a) plastische Wiederherstellung<br />
des sensiblen Analkanals<br />
b) muskuläre Wiederherstellung<br />
(Sphinkterrekonstruktion, Schließmuskelersatzdurch<br />
dyn. Grazilisplastik<br />
oder artificial bowel sphincter)<br />
c) mechanische Korrektur des neurog.<br />
Schadens (postanal repair, ant.<br />
Levatarenplastik)<br />
d) sakrale Nervenstimulation<br />
e) Augmentation des Sphinkters<br />
(Silicon-Injektion, Secca®)<br />
f) Stomaanlage als Umwandlung in<br />
kotrollierte Inkontinenz<br />
Die unterschiedlichen <strong>Therapie</strong>optionen zur<br />
Behandlung der analen Inkontinenz sollen im<br />
Folgendem nach der Gliederung in der vorstehenden<br />
Tabelle beschrieben werden.<br />
Konservative <strong>Therapie</strong><br />
Die konservative <strong>Therapie</strong> der analen Inkontinenz<br />
stützt sich auf mehrere Säulen. Zum einen<br />
wird den Patienten eine Beratung bezüglich<br />
einer möglichen Problemlösung gegeben und<br />
zum anderen gibt es Ansätze zu einer medikamentösen<br />
<strong>Therapie</strong>. Als <strong>Dr</strong>ittes wird eine<br />
passive und aktive Übungsbehandlung unter<br />
Anleitung durchgeführt, die letztendlich in ein<br />
lebenslanges aktives Training des Patienten<br />
übergehen muss.<br />
Beratung und Aufklärung zur Verhaltensänderung:<br />
Die Beratung des Patienten beginnt mit<br />
einer genauen Erhebung der Vorgeschichte. Ein<br />
Hilfsangebot zur Problemlösung stützt sich auf<br />
Empfehlungen hinsichtlich der anamnestisch<br />
verifizierten möglichen Angriffspunkte. Zu-<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
nächst muss die bevorzugte Kostform erfragt<br />
werden. Bei eingeschränkter Kontinenzleistung<br />
ist es zumeist sinnvoll eine eher schlackenarme<br />
Kost einzuhalten als eine schlackenreiche. Die<br />
festere Konsistenz des Darminhaltes überfordert<br />
den Kontinenzmechanismus seltener als weiche<br />
Stühle. Die additive Gabe von flüssigkeitsbindenden<br />
Schlackenstoffen ist im Einzelfall in<br />
ihrer Wirkung zu überprüfen. Alimentär bedingte<br />
Diarrhoen sind durch eine entsprechende<br />
Kostberatung zu vermeiden. Mitunter ergeben<br />
sich Ansätze zu einer Beeinflussung der Häufigkeit<br />
der Inkontinenzepisoden durch das Führen<br />
eines Stuhltagebuchs. Dabei ergeben sich dann<br />
Hinweise darauf, dass ein prophylaktischer<br />
Toilettenbesuch zu bestimmten Tageszeiten<br />
sinnvoll sein kann (Toilettentraining). In diesem<br />
Zusammenhang ist in geeigneten Fällen auch<br />
immer die Möglichkeit einer Programmierung<br />
der Stuhlentleerung z.B. durch rektale Entleerungshilfen<br />
wie CO 2-freisetzende Suppositorien<br />
oder Klistiere zu überlegen.<br />
Medikamentöse Therpie: Eine medikamentöse<br />
<strong>Therapie</strong> beschränkt sich bei der Behandlung<br />
der analen Inkontinenz im wesentlichen auf<br />
Medikamente zur Motilitätshemmung und<br />
ggf. zur Verbesserung einer gestörten Gallensäurenresorption.<br />
Eine solche Medikation<br />
sollte aber bei gehäuften durchfälligen<br />
Stuhlentleerungen unbedingt versucht werden<br />
und der Patient sollte diese Medikation auch<br />
längerfristig verwenden. Die Dosierung erfolgt<br />
dann anhand des sich einstellenden Erfolgs<br />
bzw. der Verfestigung der Stuhlkonsistenz.<br />
Bei einer Überdosierung kann gelegentlich die<br />
Gabe eines Laxans bzw. von rektalen Entleerungshilfen<br />
erforderlich sein. Dass Laxanzien<br />
und sogenannte »Weichmacher« des Stuhles<br />
bei einer Kontinenzschwäche kontraindiziert<br />
sind, versteht sich von selbst. Insbesondere<br />
nach Operationen wird häufig ungerechtfertigterweise<br />
ein sogenannter »Weichmacher«<br />
verordnet, was dann ein operativ bedingtes<br />
Kontinenzdefizit umso deutlich manifest werden<br />
lässt.<br />
Die medikamentöse <strong>Therapie</strong> umfasst desweiteren<br />
topisch wirkende Substanzen für die<br />
Pflege der perianalen Haut und des durch die
13 Anale Inkontinenz<br />
gehäuften Stuhlentleerungen gelegentlich in<br />
Mitleidenschaft gezogenen Anoderms. Im Regelfall<br />
und zur Langzeittherapie werden dabei<br />
hautpflegende Substanzen verwendet, wie<br />
beispielsweise einfache Wund- und Heilsalben.<br />
Die Verwendung einer Paste kann immer dann<br />
empfohlen werden, wenn ein erosives Ekzem<br />
mit einer gewissen Sekretabsonderung besteht.<br />
Zur ausschließlichen <strong>Therapie</strong> der Folge einer<br />
inkontinenzgeschädigten perianalen Haut sind<br />
topisch wirkende Kortikosteroide zumeist entbehrlich.<br />
Die Langzeittherapie sollte mit inerten<br />
Substanzen erfolgen.<br />
In geeigneten Fällen können zusätzlich<br />
Analtampons verordnet werden. Hierbei handelt<br />
es sich um Tampons unterschiedlicher Größe<br />
und Form, die entsprechend der individuellen<br />
anatomischen Konfiguration des Analkanals<br />
eingesetzt werden können und die sich dann<br />
durch die Körperwärme und aus dem unteren<br />
Rektum aufgesaugte Flüssigkeit ausdehnen<br />
und so den Analkanal verschließen.<br />
Übungsverfahren: Ein passives und aktives<br />
Training der Schließmuskulatur, das nach einer<br />
entsprechenden Lernphase vom Patienten eigenständig<br />
als ein lebenslanges Training fortgeführt<br />
wird, stellt eine weitere wesentliche Säule<br />
der konservativen Inkontinenzbehandlung dar.<br />
Da die Kontinenzdefizite, wie oben erwähnt,<br />
ganz unterschiedliche Ursachen haben können,<br />
lässt sich nicht schlagwortartig sagen, dass dem<br />
betroffenen Patienten mit einem sogenannten<br />
Sphinktertraining als pauschaler Empfehlung<br />
geholfen werden kann. Nicht selten haben die<br />
Patienten neben einer motorischen Schwäche<br />
auch sensorische Defizite bzw. sie haben in<br />
ihrem Verhalten bei der Defäkation verlernt, die<br />
richtigen Muskelgruppen zur Aufrechterhaltung<br />
der Verschlussleistung zu innervieren. Schon<br />
bei der klinischen Untersuchung fällt auf, dass<br />
der Patient bei der Aufforderung zum Kneifen<br />
zunächst beispielsweise nur die auxiliäre<br />
Glutealmuskulatur betätigt. Bei wiederholter<br />
Aufforderung zur Kontraktion unter digitaler<br />
Bewusstmachung, dass die anale Muskulatur<br />
zu innervieren ist, gelingt es diesen Patienten<br />
dann, eine gewisse Aktivität in der analen Muskulatur<br />
aufzubauen. Diese übende Behandlung<br />
sollte möglichst häufig unter Anleitung eines<br />
kundigen Physiotherapeuten erfolgen. Längere<br />
Zeiten einer ineffizienten Übungsbehandlung<br />
mit entsprechender Frustration des Patienten<br />
werden dann vermieden.<br />
Es kann zusätzlich sinnvoll sein, im Rahmen<br />
der Übungsbehandlung initial eine Elektrostimulation<br />
mittels Schwellstrom durchzuführen.<br />
Diese Schwellstromtherapie kann<br />
programmiert mit wechselnden Stromstärken<br />
und Änderungen der Stromapplikation anhand<br />
eines Übungsprotokolls erfolgen. Der<br />
Patient verspürt dabei den Stromimpuls in<br />
der Muskulatur und erlangt schnell wieder<br />
das Gefühl für die Betätigung der entsprechenden<br />
Muskelgruppen. Im weiteren Verlauf<br />
muss dann eine passive Übungsbehandlung<br />
mittels eines Biofeedback-Trainings hinzukommen.<br />
Das Biofeedback-Training sollte in<br />
ein festes Programm mit einem definierten<br />
Trainingsablauf eingebaut sein. Dies erfordert<br />
intensive Kontrollen durch den Therapeuten.<br />
Die Bewertung der beiden <strong>Therapie</strong>verfahren<br />
stellt sich in kontrollierten Studien wesentlich<br />
kritischer dar als in den »Anwendungsbeobachtungen«,<br />
die von zahlreichen Autoren<br />
publiziert wurden.<br />
Die Arbeitsgruppe am St. Marks-Hospital<br />
in London hat im Jahre 2003 eine randomisierte<br />
kontrollierte Studie zum Biofeedback<br />
vorgelegt, die eine neue, kritische Bewertung<br />
dieser <strong>Therapie</strong>form nahelegt. Die Studie umfaßte<br />
4 Patientengruppen mit konservativer<br />
<strong>Therapie</strong>. In allen Gruppen gleich erfolgte die<br />
anamnestische Befragung des Patienten und die<br />
strukturierte Bewertung sowie die psychologische<br />
Betreuung und Anleitung des Patienten<br />
im Umgang mit der Stuhlinkontinenz.<br />
In der Gruppe I erfolgten keine weiteren<br />
Maßnahmen. Falls zuvor schon eine motilitätshemmende<br />
Medikation erfolgt war, wurde<br />
diese fortgeführt und der Patient in die »erfolgsadaptierte«<br />
Dosierung dieser Medikamente<br />
besonders eingewiesen. Die Patienten<br />
der zweiten Gruppe erhielten zusätzlich zu<br />
diesen skizzierten Maßnahmen Anweisungen<br />
für Schließmuskelübungen unter einmaliger<br />
digitaler Kontrolle durch den Untersucher.<br />
Sie wurden dann angehalten täglich fünfzig<br />
107
108<br />
anhaltende und fünfzig kurze Kontraktionen<br />
durchzuführen. In der dritten Gruppe erhielten<br />
die Patienten eine computergestützte Biofeedback-Behandlung,<br />
wobei sie mehrfach wieder<br />
einbestellt wurden. In der vierten Gruppe erhielten<br />
die Patienten das gleiche Programm<br />
und zusätzlich ein Biofeedback-Gerät für die<br />
Heimanwendung. Sie sollten täglich 20 min. die<br />
Biofeedback-<strong>Therapie</strong> durchführen. Bewertet<br />
wurde dann die Patientenzufriedenheit, sowie<br />
die Einschätzung der Lebensqualität bzw. von<br />
Angstzuständen oder Depressionen nach der<br />
Behandlung. Unerwarteterweise zeigte sich bei<br />
den Kontroll-Untersuchungen, dass durch das<br />
Biofeedback die therapeutische Effektivität im<br />
Vergleich zur konservativ beratenden Behandlung<br />
des Patienten nicht verbessert wurde. Nach<br />
einem Jahr gaben 74 % aller Patienten an, dass<br />
die Situation subjektiv besser sei als vor Beginn<br />
der Behandlung. Die Autoren schließen daraus,<br />
dass die Betreuung durch den Untersucher bzw.<br />
Therapeuten von entscheidender Bedeutung<br />
ist. Aktuell zeichnet sich bereits eine Reaktion<br />
einzelner Kostenträger auf diese Studie ab. Aus<br />
der Sicht der betroffenen Patienten muss aber<br />
die Forderung nach einer intensiven Beratung<br />
und Betreuung erhoben werden, die im Einzelfall<br />
sehr zeitaufwändig und dementsprechend<br />
mit Kosten verbunden ist.<br />
Die Wertigkeit des Biofeedbacktrainings<br />
zur <strong>Therapie</strong> der analen Inkontinenz wird<br />
aktuell in Frage gestellt.<br />
Neben allen konservativen <strong>Therapie</strong>empfehlungen<br />
ist über eine mögliche Prophylaxe der<br />
Inkontinenz aufzuklären. Immer wieder ist<br />
der Hinweis erforderlich, dass es wichtig ist,<br />
ein zu kräftiges Pressen bei der Defäkation zu<br />
vermeiden, da es Wegbereiter eines Prolapses<br />
sein kann. Erleichtert wird die Stuhlentleerung<br />
durch eine schlackenreiche Kost mit adäquater<br />
Flüssigkeitszufuhr. Bei gefährdeten Patienten,<br />
z.B. mit rektalen Entleerungsstörungen sind<br />
rektale Entleerungshilfen (Klistier, Lecicarbon-<br />
Supp.) statt oraler Laxanzien indiziert. Ein<br />
prophylaktisches Beckenbodentraining etwa<br />
nach dem im folgendem skizzierten Vorschlag<br />
kann sehr wertvoll sein.<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
Patientenmerkblatt zur Trainingsbehandlung<br />
bei Beckenbodenschwäche<br />
Die Beckenbodenschwäche führt zu<br />
einer langsam zunehmenden Undichtigkeit<br />
von Blase und Afterkanal. Dabei kann<br />
man durch ein Training der Beckenbodenmuskulatur<br />
die Probleme bessern.<br />
Übung A: Legen Sie sich<br />
auf den Rücken und schlagen Sie die<br />
gestreckten Beine übereinander.<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
Hüften etwas anheben, ggf.<br />
Kissen unterlegen.<br />
Gesäßmuskulatur zusammenkneifen<br />
und Oberschenkel gegeneinanderpressen<br />
Muskeln im Beckenboden so<br />
anspannen, als wollten Sie Urin<br />
oder Durchfall zurückhalten.<br />
Alle Muskeln 5 – 10 Sekunden<br />
gespannt halten.<br />
Normal atmen!<br />
Übung B: Die Übung können Sie auch<br />
im Knien, Sitzen oder Stehen machen. Dabei<br />
werden dann die Beine nicht übereinandergeschlagen<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
Füße leicht nach außen drehen, so<br />
dass sich die Fersen berühren.<br />
Muskeln von Gesäß, Beckenboden<br />
und Oberschenkeln anspannen.<br />
Muskeln (wie bei Übung A:)<br />
5 – 10 Sekunden gespannt halten !<br />
Übung mehrmals täglich wiederholen !<br />
Übung C:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
Aufrecht sitzen, mit den Füßen am<br />
Boden und den Fersen gegeneinander.<br />
Hände über Kreuz auf die Innenseiten<br />
der Knie legen und nach außen<br />
drücken. Dabei die Knie zusammenpressen.<br />
Entspannen Sie sich.<br />
Übung 10 – 15 x<br />
wiederholen ! Fortsetzung S. 109
13 Anale Inkontinenz<br />
Unabhängig von diesen Übungen sollten<br />
Sie beim Wasserlassen den Urinstrahl 2 – 4<br />
x durch Zukneifen der Schließmuskula tur<br />
unterbrechen. Auch diese Maßnahme kräftigt<br />
die Muskulatur und ist ungefährlich.<br />
Außerdem sollten Sie jedes Auftreten eines<br />
<strong>Dr</strong>uckgefühls auf den Beckenboden<br />
vermeiden. Dies kommt insbesondere vor<br />
bei schwerem Heben, falschem Bücken<br />
und langem Stehen. Unbedingt vermeiden<br />
sollten Sie ein starkes Pressen bei der Stuhlentleerung<br />
oder ein andauerndes Pressen<br />
bei vergeblichem Stuhldrang.<br />
Bei unvermeidbaren Belastungen (Husten,<br />
Niesen, Heben, Tragen) sollten Sie nach<br />
Möglichkeit die Beckenbodenmuskulatur<br />
angespannt halten!<br />
Die konservative <strong>Therapie</strong> der analen<br />
Inkontinenz gliedert sich in Beratung und<br />
Aufklärung, medikamentöse <strong>Therapie</strong> und<br />
aktive bzw. passive Übungsbehandlung<br />
der Sphinktermuskulatur. Der Stellenwert<br />
besonders der Biofeedbackbehandlung<br />
wird in jüngerer Zeit in Frage gestellt.<br />
Die Schwellstromtherapie ist ebenfalls nicht<br />
evidenzbasiert.<br />
<strong>Therapie</strong> übergeordneter Störungen: Die Be-<br />
handlung einer Diarrhoe oder die antiinflammatorische<br />
<strong>Therapie</strong> im Rahmen einer chronisch-entzündlichen<br />
Darmerkrankung geht<br />
selbstverständlich jeder chirurgischen <strong>Therapie</strong><br />
voran. Die <strong>Therapie</strong>prinzipien bei Stoffwechselstörungen<br />
und chronisch-entzündlichen<br />
Darmerkrankungen sind gut festgelegt. Sie<br />
lassen sich aus den Lehrbüchern der Gastroenterologie<br />
entnehmen.<br />
Differentialdiagnostisch entscheidend<br />
bei der <strong>Therapie</strong> der Prolapsformen ist die<br />
Trennung zwischen einem Analprolaps und<br />
einem Rektumprolaps. Dies klingt banal, ist<br />
in der täglichen Praxis aber als häufiges Problem<br />
erfahrbar. Die operative Korrektur eines<br />
Analprolapses erfolgt bei entsprechender Beschwerdesymptomatik<br />
durch eine geschlossene<br />
Hämorrhoidektomie. Zur <strong>Therapie</strong> des Rektumprolapses<br />
sei auf Kap. 12 verwiesen.<br />
Operative <strong>Therapie</strong><br />
Rekonstruktive Chirurgie des Kontinenzorgans:<br />
Nachfolgend werden die etablierten Operationsverfahren<br />
zur Kontinenzverbesserung dargestellt,<br />
die im Bereich des Kontinenzapparates<br />
vorgenommen werden.<br />
Plastische Wiederherstellung des sensiblen<br />
Analkanals: Das Anoderm als Rezeptorfläche<br />
der sensiblen Afferenzen kann durch lokale<br />
Einflüsse irritiert oder nach Operationen,<br />
massiven Entzündungen oder Verletzungen<br />
weitgehend oder komplett entfernt sein. Hieraus<br />
resultiert eine korrekturbedürftige Kontinenzschwäche.<br />
Die heute obsolete »ultraradikale Hämorrhoidektomie«<br />
nach Whitehead erfolgte<br />
ungeachtet der Funktion des Anoderms als<br />
Rezeptorfläche so, dass neben dem Hämorrhoidalplexus<br />
auch das gesamte Anoderm operativ<br />
entfernt wurde. Ein solches Vorgehen hat zur<br />
Folge, dass eine komplette sensorische Inkontinenz<br />
besteht und der Patient trotz erhaltener<br />
muskulärer Kontinenz den Stuhldurchtritt erst<br />
bemerkt, wenn der Stuhl in Kontakt kommt<br />
mit der äußeren Haut.<br />
Die operative Korrektur des vollständig<br />
entfernten Anoderms erfolgt durch Verschiebung<br />
der perianalen Haut nach intraanal. Hierfür<br />
sind zwei operative Verfahren gebräuchlich,<br />
nämlich zum einen die Schwenklappenplastik<br />
nach Ferguson mit einem bogenförmigen Einschwenken<br />
eines Haut-/Subkutislappens von<br />
perianal nach intraanal und zum anderen die<br />
Korrektur durch kleinere Verschiebelappenplastiken<br />
von Haut und Subkutangewebe, die<br />
am Analrand mobilisiert werden und dann<br />
zungenförmig nach intraanal verschoben und<br />
dort im Bereich der Rektumschleimhaut fixiert<br />
werden. Das letztgenannte Verfahren der U-<br />
Lappenplastik nach Fansler-Arnold ist als das<br />
weniger aufwändige Verfahren zu bewerten.<br />
Bei glatter Einheilung der Hautläppchen wird<br />
wieder eine Zone mit adäquater Sensibilität<br />
im unteren Analkanal aufgebaut.<br />
Mitunter kommt es durch prolabierende Tumoren<br />
zu einer Irritation der sensiblen Rezeptoren<br />
im Analkanal, wenn beispielsweise ein großes<br />
109
110<br />
Abb.13-3 Whiteheadkorrektur:<br />
Verschiebelappenplastik nach FERGUSON,<br />
präoperative Planung<br />
Abb.13-4 Whiteheadkorrektur: Situs<br />
nach einseitiger Fergusonplastik<br />
Analfibrom an der Dentatalinie den Analkanal<br />
irritiert. Aufgrund eines solchen im Analkanal<br />
befindlichen Tumors kann es zu einer<br />
Relaxation der Schließmuskulatur zur Unzeit<br />
kommen mit der Folge eines unfreiwilligen<br />
Stuhlabganges. In allen Fällen erscheint die<br />
Abtragung des Tumors als adäquate <strong>Therapie</strong><br />
zur Behebung der Fehlfunktion.<br />
Muskuläre Wiederherstellung: Die Wiederherstellung<br />
einer muskulären Hochdruckzone<br />
im Analkanal kann prinzipiell durch eine Rekonstruktion<br />
der geschädigten, ortsständigen<br />
Muskulatur oder durch eine Schließmuskelersatzplastik<br />
erreicht werden.<br />
Sphinkterrekonstruktion: Die häufigste Ursache<br />
für Sphinkterläsionen sind Geburtstraumata<br />
sowie Operationsfolgen, beispielsweise nach<br />
Fistelspaltungen. Im Rahmen einer Geburtsverletzung<br />
erfolgt die Rekonstruktion der ein-<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
gerissenen Muskelanteile unmittelbar nach<br />
der Entbindung durch den Gynäkologen. Die<br />
Muskelenden werden dargestellt und durch<br />
Nähte wieder adaptiert. Diese Maßnahme führt<br />
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu<br />
einem funktionell guten Ergebnis. In Einzelfällen<br />
kommt es aber zur sekundären Ruptur der<br />
Nähte, beispielsweise durch eine Infektion im<br />
Bereich der Narbe. In diesen Fällen verbleibt<br />
ein Kontinenzdefizit, das sekundär Anlass gibt,<br />
die Muskulatur operativ wieder aufzubauen.<br />
Bei der Muskelrekonstruktion wird zunächst<br />
die Hautnarbe eröffnet und dann das subkutan<br />
liegende Narbengewebe soweit freipräpariert,<br />
dass die zu den Seiten zurückgewichenen<br />
Muskelenden sichtbar werden. Diese Muskelenden<br />
werden ein Stück weit freipräpariert und<br />
Abb.13-5 Sonographische Darstellung eines<br />
Externusdefektes bei 10 bis 11 Uhr. (siehe Pfeile)<br />
Abb.13-6 Sphinkterrekonstruktion:<br />
Darstellung der freipräparierten, narbig veränderten<br />
Muskelstümpfe beidseits.
13 Anale Inkontinenz<br />
auf diese Weise mobilisiert, so dass sie dann<br />
wieder miteinander vernäht werden können.<br />
Die sekundäre Muskelrekonstruktion ist<br />
auch lange Zeit nach dem Ereignis noch erfolgversprechend<br />
durchführbar. Limitierend für<br />
den Erfolg der Operation ist aber das Ausmaß<br />
des Defektes. Bei einem weitgehenden Defekt<br />
von etwa der Hälfte der Zirkumferenz ist der<br />
Wiederaufbau schwierig. Hier besteht eine<br />
Gefahr der Überdehnung und Gefügestörung<br />
der Muskulatur durch den Zug an den mobilisierten<br />
Muskelenden. Bei einer Naht unter entsprechender<br />
Spannung kann zudem sekundär<br />
noch eine Ruptur der Nähte ablaufen.<br />
Auch noch nach Jahrzehnten kann eine<br />
Sphinkterrekonstruktion nach Trauma mit<br />
gutem Erfolg durchgeführt werden.<br />
Weiterhin limitierend für den Erfolg der sekundären<br />
Muskelrekonstruktion ist eine zusätzlich<br />
zum Defekt bestehende neurogene Schädigung<br />
erheblichen Ausmaßes. In diesem Fall gelingt<br />
es zwar, wieder eine zirkuläre Muskelschlinge<br />
aufzubauen. Die nachfolgende Aktion ist aber<br />
aufgrund der weit fortgeschrittenen Denervation<br />
eingeschränkt, so dass keine zufriedenstellende<br />
Funktion erreicht wird.<br />
Bei der Indikation zur Durchführung einer<br />
Muskelrekonstruktion ist zu bedenken, dass die<br />
Operation am Analrand in potentiell infiziertem<br />
Gebiet abläuft. Dies erfordert entsprechende<br />
Sicherheitsmaßnahmen (präoperative Spülung<br />
des Darmes, präoperative Antibiose, postoperative<br />
Nahrungskarenz) und eine adäquate<br />
Erfahrung des Operateurs. Operationstechnisch<br />
ist der Eingriff nicht sehr aufwändig, insofern<br />
ergeben sich auch keine spezifischen Kontraindikationen.<br />
Aufgrund dieser bei entsprechender<br />
Erfahrung des Operateurs relativ einfachen<br />
Durchführbarkeit ist die Indikation zur Rekonstruktionsoperation<br />
eigentlich immer dann<br />
gegeben, wenn aufgrund der Defektgröße und<br />
der Restinnervation der Muskulatur ein Erfolg<br />
erwartet werden kann. In sofern ist ein Versuch<br />
der Rekonstruktion der autochthonen Muskulatur<br />
auch vor einer geplanten Schließmuskelersatzplastik<br />
immer sorgfältig zu erwägen.<br />
Schließmuskelersatz: Die Idee, den Funktionsausfall<br />
der analen Schließmuskulatur durch<br />
einen künstlichen Schließmuskelersatz zu kompensieren,<br />
ist nicht neu. Aktuell werden zwei<br />
unterschiedliche operative <strong>Therapie</strong>verfahren<br />
verfolgt und zwar zum einen die dynamische<br />
Grazilisplastik und zum anderen das Konzept<br />
des artificial-bowel-sphincter (ABS).<br />
Die dynamische Grazilisplastik beruht<br />
auf einem Verfahren, dass zu Beginn der 50er<br />
Jahre des vergangenen Jahrhunderts von Kinderchirurgen<br />
entwickelt wurde. Der M. gracilis<br />
wird an der Innenseite des Kniegelenkes gelöst<br />
und unter Erhalt seiner Durchblutung und Innervation<br />
mobilisiert. Über einen subkutanen<br />
Tunnel wird er um den Analkanal geschlungen<br />
und vermag so eine gewisse <strong>Dr</strong>uckbarriere<br />
aufzubauen. Die Ergebnisse der Grazilisplastik<br />
waren über Jahrzehnte unzureichend. Zwar<br />
hat sie in der Kinderchirurgie zur Kompensation<br />
angeborener Störungen einen gewissen<br />
Stellenwert erlangt. In der operativen Behandlung<br />
der erworbenen Inkontinenz beim<br />
Erwachsenen war das Verfahren aber immer<br />
subjektiv unbefriedigend, da die betroffenen<br />
Patienten zuvor das normale reflexgesteuerte<br />
Kontinenzverhalten erfahren hatten.<br />
Eine wesentliche Neuerung hat sich dadurch<br />
ergeben, dass in den 1980er Jahren<br />
das Konzept der dynamischen Grazilisplastik<br />
entwickelt wurde. Hierbei wird neben der<br />
Grazilistransposition ein Stimulator an den<br />
Muskel angelegt, der den Muskel kontinuierlich<br />
unter einen Kontraktionsreiz setzt. Dies<br />
führt zum Umbau der motorischen Fasern<br />
und auf Dauer zur Entwicklung einer statischen<br />
Haltekomponente des transponierten<br />
quergestreiften Muskels. Über einen externen<br />
Magnet muss die Stimulation zur Defäkation<br />
ausgeschaltet werden und nach Beendigung der<br />
Defäkation wieder neu angeschaltet werden.<br />
Das Operationsverfahren ist technisch somit<br />
aufwändig, das verwendete Instrumentarium<br />
zudem auch teuer. Als verfahrenabhängiges<br />
Problem ist die Infektionsgefahr zu erwähnen,<br />
die durch das implantierte Fremdkörpermaterial<br />
begünstigt wird. Das Problem der<br />
trophischen Störung des Muskels durch die<br />
Transposition ist bei entsprechender operativer<br />
111
112<br />
Erfahrung heutzutage gelöst. In der Initialphase<br />
der Etablierung des Verfahrens hat dies<br />
dazu geführt, dass mehrzeitig operiert wurde.<br />
Zunächst erfolgte die Transposition des Muskels<br />
und nach entsprechender Einheilung und<br />
Überprüfung der Vitalität des Muskelgewebes<br />
dann zweizeitig die Implantation des Schrittmachers<br />
und die Dynamisierung des Muskels.<br />
Die Implantation des Artificial-bowelsphincter<br />
(ABS) ist technisch weniger aufwändig.<br />
Das verwendete Instrumentarium liegt<br />
preislich aber in den gleichen Größenordnung.<br />
Es wird ein flüssigkeitsgefüllter Schlauch zirkulär<br />
um den Analkanal implantiert, der mit<br />
einem Reservoir verbunden ist, welches über<br />
eine Pumpe bedient werden kann. Der <strong>Dr</strong>uckgradient<br />
zwischen Reservoir und implantiertem<br />
Cuff ist so ausgelegt, dass sich der Cuff<br />
spontan füllt und das Lumen des Analkanals<br />
abdichtet. Zur Defäkation muss über eine<br />
Betätigung der Pumpe der Cuff in Richtung<br />
auf das Ballonreservoir entleert werden. Nach<br />
Beendigung der Defäkation erfolgt die Füllung<br />
des Cuffs wiederum automatisch entsprechend<br />
dem bestehenden <strong>Dr</strong>uckgradienten.<br />
Bei diesem Verfahren ist somit kein körpereigener<br />
Muskel zu mobilisieren. Es wird<br />
aber ein relativ großer Fremdkörper um den<br />
Analkanal eingebracht mit einer entsprechend<br />
großen Gefahr einer sekundären Infektion.<br />
Die Infektion ist als wesentlicher Grund dafür<br />
anzusehen, dass im weiteren Verlauf in etwa<br />
ein <strong>Dr</strong>ittel der Fälle Probleme entstehen, die bis<br />
zur Explantation des eingebrachten Systems<br />
führen können. Trotz sorgfältiger operativer<br />
Techniken bei der Implantation lässt sich die<br />
Infektion aufgrund der Nähe des Materials zum<br />
Analkanal nicht immer verhindern.<br />
Das Einbringen größerer Fremdkörper<br />
analnah birgt die hohe Gefahr einer primären<br />
oder sekundären Infektion des Implantates<br />
mit konsekutiver Explantation.<br />
Für beide heute gebräuchlichen Verfahren zum<br />
künstlichen Schließmuskelersatz werden Ergebnisse<br />
berichtet, die von einer Verbesserung bzw.<br />
vollständigen Wiederherstellung der Kontinenz<br />
in bis zu 70% der Fälle ausgehen. Begleitend zur<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
Nachuntersuchung bezüglich der Kontinenzfunktion<br />
gibt es zahlreiche Berichte über eine<br />
entsprechende Besserung der Lebensqualität.<br />
Die Operationsverfahren sollten darum heutzutage<br />
in das Konzept der operativen Schließmuskelwiederherstellung<br />
einbezogen werden.<br />
Als besonderes Problem stellt sich der Preis<br />
des verwendeten Instrumentariums dar. Der<br />
Stellenwert der Verfahren ist aber sicherlich so<br />
festzulegen, dass sie erst nach Fehlschlagen der<br />
konservativen und bisher skizzierten operativen<br />
<strong>Therapie</strong>verfahren zur Anwendung kommen<br />
sollten. Insbesondere eine Muskelrekonstruktion<br />
des verletzten Schließmuskels sollte vor der<br />
Implantation eines künstlichen Schließmuskels<br />
versucht werden. Bezüglich der Indikation bei<br />
einer ausgeprägten neurogenen Schädigung<br />
ist zu bedenken, dass durch die ausgiebige<br />
Untertunnelung der Perianalregion natürlich<br />
in Einzelfällen Reststrukturen der Innervation<br />
zusätzlich geschädigt werden können. Ein<br />
fehlgeschlagener Schließmuskelersatz führt zu<br />
einer Situation, die unter Umständen nur noch<br />
mittels eines Kolostomas kompensiert werden<br />
kann. Diese Probleme sind mit dem Patienten<br />
vor Durchführung der Operation deutlich zu<br />
besprechen. In Wertung der Komplikationen<br />
bei beiden skizzierten Operationsverfahren ist<br />
derzeit eher der dynamischen Grazilisplastik<br />
der Vorzug zu geben. Sie verwendet körpereigenes<br />
Material und mit den eingebrachten<br />
<strong>Dr</strong>ahtelektroden eine kleinere Menge Fremdkörpermaterial.<br />
Die Indikation zum ABS ist<br />
dementsprechend gegeben nach Fehlschlag<br />
der dynamischen Grazilisplastik.<br />
Mechanische Korrektur des neurogenen Schadens:<br />
Bei einer neurogenen Schädigung stellt<br />
die Sphinkterraffung (als Postanal repair oder<br />
als anteriore Levatorenplastik) eine mechanische<br />
Korrekturmöglichkeit dar, deren Einsatz<br />
im individuellen Fall in Erwägung zu ziehen<br />
ist, wenngleich es sich bei diesen Operationen<br />
nicht um kausal eingreifende Verfahren handelt.<br />
Ursache der neurogenen Inkontinenz ist die<br />
schrittweise Denervation der quergestreiften<br />
Muskulatur des analen Verschlussapparates<br />
durch Überdehnung des Nervus pudendus im<br />
Sinne eines Traktionsschadens. Dieser Mecha-
13 Anale Inkontinenz<br />
nismus ist mit operativen Maßnahmen nicht<br />
kausal zu korrigieren.<br />
Bei der Postanal repair nach PARKS wird<br />
über einen Zugang dorsal des Afters der intersphinktäre<br />
Spalt zwischen M. sphincter ani<br />
internus und externus dargestellt. In diesem<br />
Spaltraum wird nach proximal hin präpariert<br />
und der Internus mitsamt dem Analkanal und<br />
unterem Rektum nach ventral abgedrängt. Dann<br />
werden die pubococcygeale, die puborektale<br />
und die externe Muskulatur durch Nähte zwischen<br />
beiden Seiten gerafft. Theoretisch ergibt<br />
sich als Ergebnis dieses Eingriffs:<br />
1. eine Verkleinerung des anorektalen<br />
Winkels und somit eine Verstärkung des<br />
Klappenmechanismus durch die Ventralisation<br />
des Analkanals,<br />
2. eine Verlängerung des Analkanals und<br />
somit der Kontaktzeit des Stuhles mit<br />
der Wand des Analkanals,<br />
3. eine größere »Vorspannung« in der<br />
erhaltenen Muskulatur, aus der trotz der<br />
partiellen Denervation eine verbesserte<br />
Aktivität resultiert. Dieses Phänomen<br />
kann auch über eine Verbesserung der<br />
tonischen Aktivität der Internusmuskulatur<br />
erklärt werden, die vor einer neuerlichen<br />
Überdehnung geschützt wird.<br />
Abb. 13-7 Postanal repair: Situs bei Abschluss<br />
der Operation, vor dem Hautverschluss. Der Anus<br />
ist ventralisiert, die V-förmige Hautinzision muss<br />
Y-förmig verschlossen werden.<br />
Diese Postulate von Parks sind häufig untersucht<br />
worden. Dabei konnte insbesondere keine<br />
Verbesserung des intraanalen <strong>Dr</strong>ucks gemessen<br />
werden. Dennoch gibt es zahlreiche klinische<br />
Studien, die eine gewisse Besserung der Kontinenzschwäche<br />
bei den Patienten nach einer<br />
Postanal repair dokumentieren. Das spezifische<br />
Problem dieses Operationsverfahrens besteht<br />
darin, dass die Effekte, die sich durch die Raffung<br />
erzielen lassen, nicht von längerer Dauer<br />
sind. Untersuchungen zu den Spätergebnissen<br />
haben gezeigt, dass sich die Kontinenz im Laufe<br />
einiger Jahre nach erfolgter Operation wieder<br />
verschlechtert. Aus diesem Grunde ist dieses<br />
Operationsverfahren heutzutage nur noch sehr<br />
wenigen Fällen vorbehalten.<br />
Bei der anterioren Levatorenplastik werden<br />
über einen Schnitt am Damm die beiden<br />
nach ventral an der Vagina vorbei zum Os<br />
pubis ziehenden Schenkel des M. puborectalis<br />
dargestellt. Sie werden zwischen Analkanal<br />
und Vagina durch Nähte miteinander vereinigt<br />
und schaffen so ein anterior gelegenes,<br />
muskuläres Widerlager. Ursprünglich wurde<br />
die anteriore Levatorenplastik nach Versagen<br />
der postanal repair als Zweiteingriff<br />
angeschlossen (total pelvic floor repair). Die<br />
Frühergebnisse dieser Eingriffe, die insbesondere<br />
in der Arbeitsgruppe von Keighley<br />
untersucht wurden, waren sehr gut. Dies hat in<br />
der Folgezeit dazu geführt, dass man bei einer<br />
kontinenzverbessernden Operation aufgrund<br />
einer neurogenen Schädigung zunächst mit<br />
dem ventralen Eingriff begonnen hat und den<br />
Eingriff der Postanal repair als metachronen<br />
Zweiteingriff indiziert hat. Gleichzeitig wurde<br />
durch die Intensivierung der endoluminären<br />
Sonographie vermehrt der Nachweis von umschriebenen<br />
Sphinkterdefekten post partum<br />
geführt, die klinisch zumeist nicht aufgrund<br />
einer äußeren Narbe in der Haut erkennbar<br />
waren. Diese »okkulten« Sphinkterverletzungen<br />
betrafen aufgrund des geburtstraumatischen<br />
Schädigungsmechanismus immer die vordere<br />
Zirkumferenz der Externusmuskulatur. Im Rahmen<br />
der anterioren Levatorenplastik wurden<br />
dann diese Muskelläsionen mit angegangen.<br />
Dies hat zu besseren Frühergebnissen der ventralen<br />
Raffung der Muskulatur geführt.<br />
113
114<br />
Abb.13-8 Anteriore Levatorenplastik:<br />
Situs nach Anlage der Nähte der Puborektalisschenkel.<br />
Der M. sphinkter ani externus<br />
ist separat freipräpariert<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weiterhin<br />
die Indikation zu muskelraffenden Verfahren<br />
bei der neurogenen analen Inkontinenz sehr<br />
kritisch gesehen werden muss. Die anteriore<br />
Levatorenplastik hat derzeit aber eine etwas<br />
größere Bedeutung als die Postanal repair.<br />
Insbesondere beim gleichzeitigen Nachweis<br />
eines anterioren Externusdefektes in Verbindung<br />
mit einer neurogenen Schädigung ist<br />
die Indikation zur anterioren Levatorenplastik<br />
gegeben. Die Risiken der Operation sind<br />
gering und auch beim älteren Patienten gut<br />
kalkulierbar, so dass in entsprechend geeigneten<br />
Fällen der Versuch einer operativen<br />
Kontinenzverbesserung gerechtfertigt ist. Beide<br />
Operationsverfahren haben nach wie vor auch<br />
einen gewissen Stellenwert als Zweiteingriff<br />
nach abdomineller Rektopexie bei postoperativ<br />
trotz konservativer <strong>Therapie</strong>maßnahmen<br />
anhaltender Inkontinenz.<br />
Sakrale Nervenstimulation: Für die Indikation<br />
der neurogenen analen Inkontinenz aufgrund<br />
eines Traktionsschadens des Nervus pudendus<br />
ist in neuerer Zeit die sakrale Nervenstimulation<br />
entwickelt worden. Dieses Verfahren stellt ein<br />
bestechendes Konzept dar.<br />
Bei der sakralen Nervenstimulation werden<br />
die Nervenwurzeln des N. pudendus an<br />
den Austrittsstellen im Bereich der sakralen<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
Foramina (S2 bis S4) stimuliert. Dies kompensiert<br />
bei entsprechender Stimulationsstärke<br />
die gestörte Nervenleitung zur quergestreiften<br />
analen Muskulatur. Durch das Verfahren wird<br />
also entfernt vom Erfolgsorgan ein Stimulus<br />
gesetzt, der das Erfolgsorgan in seiner Funktion<br />
verbessert. Die Implantation erfolgt von der<br />
Dorsalseite des Os sacrum, so dass der Eingriff<br />
die Implantation von Fremdkörpermaterial<br />
in der Nähe des Analkanals vermeidet. Dies<br />
zeichnet ihn deutlich vor den beiden beschriebenen<br />
operativen Verfahren zum künstlichen<br />
Schließmuskelersatz aus. Voraussetzung für<br />
das Gelingen der sakralen Nervenstimulation<br />
ist die morphologische Intaktheit des Nervus<br />
pudendus und auch natürlich die vollständige<br />
Intaktheit einer zirkulär agierenden Muskulatur.<br />
Vor Durchführung dieses Verfahrens ist also<br />
wiederum darauf hinzuweisen, dass ein größerer<br />
Muskeldefekt durch eine direkte Rekonstruktionsoperation<br />
überbrückt werden sollte.<br />
Augmentation des Sphinkters: In jüngster Zeit<br />
werden Verfahren zur Augmentation der ortsständigen<br />
Muskulatur propagiert, über deren<br />
Wertigkeit zum jetzigen Zeitpunkt noch keine<br />
Aussage möglich ist. Es handelt sich zum einen<br />
um die Injektion von Silikon-Mikroballons und<br />
zum anderen um die Temperaturkontrollierte<br />
Radiofrequenzapplikation (Secca-Verfahren).<br />
Mit dem letztgenannten Verfahren soll eine<br />
elektrothermische Muskelraffung erreicht werden.<br />
Durch die lokale Hitzeeinwirkung wird<br />
eine strukturelle Veränderung des Kollagens<br />
erzielt. Die Fasern fusionieren bei 45 °C und<br />
schrumpfen auf 1/3 ihrer Länge. Beide Verfahren<br />
schaffen wohl eine bessere Barrierefunktion,<br />
ohne aber durch eine Verbesserung<br />
der Elastizität auch das Reflexverhalten zu<br />
optimieren.<br />
Stomaanlage: Nicht selten verbleibt nach Fehlschlagen<br />
aller genannten operativen Maßnahmen<br />
nur die Anlage einer Kolostomie als<br />
ultima ratio. Für den Patienten erscheint diese<br />
Option zunächst inakzeptabel. Trotzdem schafft<br />
das sorgfältig geplante und perfekt angelegte<br />
Stoma eine Situation, die unter dem Blickwinkel<br />
der Lebensqualität der vorbestehenden
13 Anale Inkontinenz<br />
Inkontinenz überlegen sein kann. Die modernen<br />
Pflegesysteme und die Irrigation erlauben eine<br />
hygienisch einwandfreie Versorgung eines<br />
Stomas und machen den Stomaträger nicht<br />
mehr automatisch zum Außenseiter in der<br />
Gesellschaft.<br />
Ergebnisse der chirurgischen <strong>Therapie</strong>: Der<br />
inkontinente Patient erwartet von einer operativen<br />
Behandlung die komplette Wiederherstellung<br />
der Kontinenz durch einen einmaligen<br />
operativen Eingriff. Dies ist verständlich und<br />
das Konzept erscheint auch bestechend. Dennoch<br />
ist es für die präoperative Aufklärung<br />
des Patienten von großer Wichtigkeit, mit dem<br />
<strong>Therapie</strong>angebot der operativen Kontinenzwiederherstellung<br />
nicht zu große Erwartungen zu<br />
wecken. Eine Restitutio ad integrum ist in keinem<br />
Fall möglich, eine Funktionsverbesserung<br />
lässt sich dagegen in vielen Fällen erreichen.<br />
Auf diese graduelle Verbesserung als maximal<br />
mögliches <strong>Therapie</strong>ergebnis ist der Patient<br />
präoperativ bereits hinzuweisen. Gleichzeitig<br />
ist der Patient darauf hinzuweisen, dass das<br />
erreichbare Ergebnis möglicherweise nicht<br />
dauerhaft perfekt bleibt, sondern dass sich im<br />
Laufe von Jahren wiederum ein zunehmendes<br />
Kontinenzdefizit einstellen kann. Dies hängt<br />
mit den physiologischen Alterungsvorgängen<br />
zusammen, denen natürlich auch die operierte<br />
Muskulatur unterworfen ist.<br />
Auch seitens des Operateurs dürfen keine<br />
zu großen Erwartungen an die operativen<br />
Möglichkeiten der Kontinenzwiederherstellung<br />
geknüpft werden. Eine graduelle Verbesserung<br />
bedeutet, dass der Patient auch postoperativ<br />
weiterer konservativer Unterstützung bedarf<br />
und betreut werden muss, wenn die verbleibenden<br />
Defizite subjektiv belastend sind. Nicht<br />
zuletzt kann es im Rahmen der operativen<br />
Eingriffe auch zu Wundheilungsstörungen<br />
kommen, die eine anfänglich gute Rekonstruktion<br />
aufgrund des Wundinfektes mit partieller<br />
Muskelnekrose wieder verschlechtern. Die präoperative<br />
Aufklärung muss darum sachgerecht<br />
und fair erfolgen. Die Indikationsstellung zur<br />
operativen Kontinenzverbesserung muss so<br />
gewählt werden, dass davon auszugehen ist,<br />
dass eine subjektiv unzureichende Kontinenz-<br />
situation operativ partiell verbesserbar ist. Dies<br />
bedeutet, dass geringfügige Störungen der<br />
Kontinenz keinesfalls operativ angegangen<br />
werden sollten.<br />
Minimale Kontinenzdefizite stellen keine<br />
Indikation für eine kontinenzverbessernde<br />
Operation dar.<br />
Die Bewertung des postoperativen Ergebnisses<br />
ist durch Funktionstests nicht adäquat<br />
möglich. Auch in prospektiven Studien wird<br />
der Vergleich beispielsweise der prä- und postoperativen<br />
<strong>Dr</strong>uckwerte oder der drucktechnisch<br />
gemessenen Analkanallänge nicht als Indikator<br />
des Operationserfolges verwendet. In allen<br />
Studien werden immer wieder die subjektiven<br />
Bewertungen der Patienten als Kriterium für<br />
den Operationserfolg herangezogen. Diese<br />
subjektiven Angaben lassen sich gut in Kontinenz-Scores<br />
und auch in Lebensqualität-Scores<br />
erfassen. Insofern ist es gerechtfertigt, bei<br />
Verbesserung eines Scores von einem Erfolg<br />
der Operation auszugehen, wenngleich sich<br />
keine signifikante Verbesserung der Ergebnisse<br />
der Funktionstests belegen lässt.<br />
Die Angaben für eine postoperative Kontinenzverbesserung<br />
bei Rekonstruktionen des<br />
traumatisch geschädigten Sphinkters liegen<br />
zwischen 50 und 90 %. Diese Zahlen berücksichtigen<br />
nicht die unterschiedliche Genese der<br />
Sphinkterläsion und auch nicht die Zeitdauer<br />
zwischen dem traumatischen Ereignis und der<br />
später durchgeführten Sphinkterrekonstruktion.<br />
Insbesondere für den im Rahmen einer<br />
Entbindung geschädigten Sphinkter zeigen<br />
sich aber gute Ergebnisse bei der sekundären<br />
Rekonstruktion auch Jahre nach dem auslösenden<br />
Ereignis.<br />
Die abdominelle Rektopexie zur Korrektur<br />
des Rektumprolapses führt in etwa 70 %<br />
zu einer zufriedenstellenden postoperativen<br />
Kontinenzleistung. Bei den übrigen Patienten<br />
können sekundäre Muskelraffungen wie die<br />
Postanal repair oder die anteriore Levatorenplastik<br />
versucht werden. Diese Verfahren sind<br />
unter dieser Indikationsstellung aber allenfalls<br />
mit einer Verbesserungsrate von etwa 50 %<br />
zu bewerten. Somit verbleibt beim Gesamt-<br />
115
116<br />
kollektiv der Patienten mit einem manifesten<br />
Rektumprolaps nach Durchführung der operativen<br />
<strong>Therapie</strong> in 10 – 15 % eine unzureichende<br />
Kontinenzleistung als dauerhaftes Problem.<br />
Dies hängt zusammen mit dem Ausmaß der<br />
neurogenen Schädigung durch den lange Zeit<br />
bestehenden Prolaps. Letztendlich ergibt sich<br />
aus diesem <strong>Therapie</strong>defizit die Forderung der<br />
frühzeitigen Diagnose und operativen <strong>Therapie</strong><br />
des Rektumprolapses.<br />
Die Ergebnisse der Postanal repair unter<br />
der Indikation einer neurogenen analen Inkontinenz<br />
wurden in früheren Jahren besser<br />
bewertet als in den Studien der letzten Jahre.<br />
Das besondere Problem dieses Eingriffs ist,<br />
dass durch die Muskelraffung natürlich die<br />
neurogene Situation nicht verbessert wird.<br />
Etwa die Hälfte der Patienten empfindet direkt<br />
postoperativ eine gewisse Verbesserung<br />
der Kontinenzleistung. Die Operation ist aber<br />
wegen der schlechten Langzeitergebnisse weitestgehend<br />
verlassen worden.<br />
Für die anteriore Levatorenplastik gelten<br />
möglicherweise die gleichen Aussagen,<br />
wenn sie lediglich unter der Indikation einer<br />
neurogenen Inkontinenz durchgeführt wird.<br />
Derzeit liegen noch keine ausreichenden Langzeitergebnisse<br />
für dieses Operationsverfahren<br />
vor. Die Kombination der Levatorenplastik<br />
mit einer Rekonstruktion eines anterioren<br />
Externusdefektes scheint aber wegen dieser<br />
Defektrekonstruktion insgesamt ein etwas<br />
besseres Ergebnis zu bringen.<br />
Beim Schließmuskelersatz gilt sowohl für<br />
die dynamische Gracilisplastik als auch für die<br />
Implantation des Arteficial-bowel-Sphincter<br />
(ABS), dass diese Operationen den ausgedehnteren<br />
Muskelzerstörungen mit entsprechend<br />
schlechterer Ausgangssituation vorbehalten<br />
sind. Die Studien geben dementsprechend eine<br />
subjektive Verbesserung der Kontinenzleistung<br />
von 70 – 80 % an. Bei beiden Operationsverfahren<br />
sind ausgiebige Untersuchungen<br />
durchgeführt worden mit prä- und postoperativem<br />
Vergleich von Lebensqualität-Scores. Die<br />
Ergebnisse sprechen für die Durchführung der<br />
Ersatzplastiken in den entsprechend ausgedehnt<br />
geschädigten Fällen. Zu berücksichtigen ist<br />
neben dem Kostenfaktor die hohe periope-<br />
Anale Inkontinenz 13<br />
rative Morbidität dieser Eingriffe aufgrund<br />
einer Infektion des implantierten Fremdkörpermaterials.<br />
Gemessen an der Gesamtzahl inkontinenter<br />
Patienten werden operative Eingriffe<br />
sehr selten vorgenommen. Epidemiologische<br />
Daten gehen davon aus, dass etwa 5 – 10 %<br />
der Bevölkerung eine Kontinenzschwäche haben,<br />
von denen etwa die Hälfte eine ärztliche<br />
Behandlung sucht. Die Zahlen der Eingriffe<br />
zur operativen Kontinenzverbesserung sind<br />
nicht exakt nachzuvollziehen, sie liegen aber<br />
in einer Größenordnung von max. 1 ‰ der<br />
in den erwähnten epidemiologischen Zahlen<br />
enthaltenen Patienten. Dies zeigt, dass<br />
die kontinenzverbessernden Operationen im<br />
chirurgischen Alltag ein marginales Problem<br />
darstellen. Im Gegenzug lässt sich darum aber<br />
schlussfolgern, dass die wenigen Eingriffe eine<br />
besondere Erfahrung voraussetzen und dass es<br />
sich darum um »Zentrumseingriffe« handelt.<br />
Zusammenfassung: Insgesamt wird nur<br />
ein sehr geringer Anteil der inkontinenten<br />
Patienten einer operativen <strong>Therapie</strong><br />
zugeführt. Die chirurgische <strong>Therapie</strong> der<br />
analen Inkontinenz kann kausal die zugrunde<br />
liegende Ursache behandeln oder<br />
unabhängig hiervon eine Optimierung der<br />
Kontinenzleistung erbringen. Eine Restitutio<br />
ad integrum kann von einer operativen<br />
Maßnahme bezüglich der Kontinenzleistung<br />
nicht erwartet werden. Muskelrekonstruktive<br />
Operationen bei einem definierten<br />
Muskeldefekt erbringen auch Jahre nach<br />
der Schädigung noch gute Behandlungserfolge.<br />
Alle raffenden Verfahren ohne<br />
zugrunde liegenden Muskeldefekt zeigen<br />
nur eine passagere Kontinenzverbesserung.<br />
Aufwändige Rekonstruktionen oder<br />
die Implantation von Fremdköpermaterial<br />
bleiben ausgedehnt geschädigten Fällen<br />
vorbehalten. Als ultima ratio ist ein gut<br />
zu versorgendes Stoma häufig die bessere<br />
Wahl.
14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />
14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />
Obstipation 118<br />
Klassifikation 118<br />
Verzögerter Kolontransit 118<br />
Rektale Entleerungsstörungen 118<br />
Diagnostik 119<br />
<strong>Therapie</strong> 120<br />
Diarrhoe 122<br />
Diagnostik 122<br />
<strong>Therapie</strong> 123<br />
Reizdarmsyndrom (Colon irritabile) 123<br />
Ätiologie 123<br />
Klassifikation 123<br />
Symptomatologie 124<br />
Diagnostik 124<br />
<strong>Therapie</strong> 124<br />
117
118<br />
Vorbemerkung: Zu den Funktionsstörungen<br />
des Darmes und Afters gehören die Obstipation<br />
und die Diarrhoe. Zweifelsfrei ist hier auch die<br />
Inkontinenz zu subsumieren. Gerade zu diesem<br />
Problem sind in den letzten Jahrzehnten<br />
wesentlich Erkenntnisse gewonnen worden,<br />
so dass sie in einem separaten Kapitel dargestellt<br />
wird.<br />
Das Reizdarmsyndrom soll ebenfalls in diesem<br />
Kapitel mit dargestellt werden, wenngleich<br />
es sich hierbei um eine funktionelle Störung<br />
handelt, d.h. um ein Kranheitsbild, für das sich<br />
bei der konventionell orientierten Diagnostik<br />
keine Ursache finden lässt und das zweifelsfrei<br />
eine benigne Entität mit einem Verlauf über<br />
einen längeren Zeitraum darstellt.<br />
Obstipation<br />
Die Obstipation ist ein vom Patienten häufig<br />
geklagtes Symptom. Zu berücksichtigen ist,<br />
dass der Laie unter einer »Verstopfung« völlig<br />
unterschiedliche Sachverhalte subsumiert. Der<br />
Patient berichtet über eine ihn persönlich nicht<br />
zufriedenstellende Entleerung des Darmes,<br />
wobei er unter der allgemeinen Symptomatik<br />
einer Verstopfung nicht differenziert zwischen<br />
der Stuhlkonsistenz (zu hart ), der Stuhlfrequenz<br />
(zu selten, zu kleine Portion), evtl. mit der<br />
Stuhlentleerung verbundenen Beschwerden<br />
und der Notwendigkeit eines forcierten Pressens<br />
zur Stuhlentleerung. Dieses subjektive Gefühl<br />
einer unzureichenden Stuhlentleerung ist der<br />
entscheidende Anlass, eine Selbstmedikation<br />
mit Hilfe eines Laxans vorzunehmen. Über die<br />
medizinische Bedeutung des unreflektierten<br />
Abusus von Laxanzien wurde in früheren Jahren<br />
ausreichend diskutiert. Aus medizinischer<br />
Sicht muss der Begriff der Obstipation strenger<br />
gefasst und eindeutig definiert werden. Seit<br />
1998 werden für die Diagnose »Obstipation«<br />
die revidierten Rom-Kriterien verwendet.<br />
• Heftiges Pressen bei mindestens 25 %<br />
• der Defäkationen<br />
• Harte Stühle bei mindestens 25 %<br />
• der Defäkationen<br />
• Gefühl der inkompletten Entleerung bei<br />
• mindestens 25 % der Defäkationen<br />
Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />
• Gefühl der analen Blockierung bei<br />
• mindestens 25 % der Defäkationen<br />
• Manuelle Entleerungshilfe erforderlich<br />
• bei mindestens 25 % der Defäkationen<br />
• 2 oder weniger Stuhlentleerungen<br />
• pro Woche<br />
Mindestens 2 der Symptome müssen während<br />
des letzten Jahres über wenigstens 3 Monate<br />
bestanden haben.<br />
Die Symptomatik umfasst unterschiedliche<br />
Formen der Obstipation. Wesentlich ist die<br />
Trennung zwischen einer Kolontransitverzögerung<br />
und einer rektalen Entleerungsstörung.<br />
Klassifikation<br />
Verzögerter Kolontransit: Bei einem Großteil<br />
der Patienten liegt eine Transitzeitverlängerung<br />
(slow-transit Obstipation) im Kolon vor.<br />
Die Ursache hierfür ist in den meisten Fällen<br />
unklar. Die Obstipation tritt trotz ausreichender<br />
Ballaststoffzufuhr auf. Die Kontraktionen<br />
des Kolons scheinen rarefiziert und der Darm<br />
spricht schlecht auf Prokinetika an. Veränderungen<br />
der intramuralen Nervenplexus (intestinale<br />
neuronale Dysplasie) werden diskutiert<br />
bzw. sind in einigen Fällen nachweisbar. Die<br />
Obstipation tritt auf bei neurologischen Erkrankungen<br />
wie dem M. Parkinson, der viszeralen<br />
Neuropathie im Rahmen eines Diabetes und<br />
nach Querschnittsläsionen. Diskutiert wird auch<br />
eine Beeinträchtigung der Motilität der höheren<br />
Kolonabschnitte durch eine Beeinträchtigung<br />
der rektalen Entleerung. Als morphologische<br />
Besonderheit lässt sich in einzelnen Fällen<br />
röntgenologisch ein Megakolon oder Megarektum<br />
nachweisen.<br />
Rektale Entleerungsstörungen: Von diesen<br />
Formen der gestörten Kolonfunktion kann eine<br />
rektale Obstipation aufgrund von Funktionsstörungen<br />
des Beckenbodens oder Formvarianten<br />
des Rektums (Rektumprolaps, Rektozele, Descensus<br />
perinei) abgegrenzt werden. Bei diesen<br />
Formen der Obstipation kommt es letztendlich<br />
aufgrund der Fuktionsstörung in der terminalen<br />
Strecke zu einer insgesamt für die Defäkation
14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />
nicht ausreichenden prokinetischen Aktivität<br />
der proximalen Kolonabschnitte mit dem Effekt<br />
einer Stuhlretention und Stuhlimpaktierung in<br />
der Rektumampulle.<br />
Als klassisches Beispiel einer Behinderung<br />
der rektalen Entleerung kann der Morbus<br />
Hirschsprung gelten. Das segmentäre Fehlen der<br />
intramuralen Ganglien verhindert die reflexhafte<br />
Internusrelaxation am Defäkationsbeginn. Die<br />
Behinderung der Entleerung führt in kurzer Zeit<br />
zur Megaisierung des vorgeschalteten Rektums<br />
und Kolons. Die Erkrankung wird nachgewiesen<br />
durch den positiven Ausfall der Acetylcholinesterasereaktion<br />
in der nativen Rektumbiopsie.<br />
Der Morbus Hirschsprung ist durch eine<br />
fehlende reflexhafte Internusrelaxation zu<br />
Beginn der Defäkation charakterisiert.<br />
Im Erwachsenenalter finden sich funktionelle<br />
Obstruktionen des Anorektums und Beckenbodens,<br />
die in jüngster Zeit gern unter dem<br />
Begriff der Beckenbodendysfunktion subsumiert<br />
werden. Die meisten Autoren verstehen<br />
hierunter nur die obstruktiven, entleerungsbehindernden<br />
Probleme. Die Inkontinenz ist<br />
begrifflich aber sicher auch eine Dysfunktion<br />
des Beckenbodens. Ob dieser Begriff also hilfreich<br />
ist, sei dahingestellt. Gleichzeitig zu den<br />
Entleerungsproblemen sind Veränderungen der<br />
morphologischen Strukturen des Anorektums<br />
erkennbar (innerer Rektumprolaps, Intussuszeption,<br />
Rektozele, Enterozele, Deszensus perinei,<br />
solitäres Rektumulkus) bzw. können pathologische<br />
Funktionsabläufe während der Defäkation<br />
sichtbar gemacht werden (Anismus, Strainodynie,<br />
Dyssynergie zwischen Rektumampulle<br />
und Sphinktermuskulatur). Einige Autoren<br />
sehen in den Funktionsabläufen eine Analogie<br />
zur Blasenentleerung und bewerten die muskuläre<br />
Rektumwand wie einen »Detrusor« der<br />
Defäkation. Die funktionellen Untersuchungen<br />
können diese Analogie aber deswegen nicht<br />
eindeutig nachweisen, da das Rektum ein<br />
nach proximal offenes System darstellt und<br />
die Konsistenz des Stuhles andere plastische<br />
Eigenschaften der Rektumwand (Compliance)<br />
bedingt. Die morphologisch nachweisbaren<br />
Veränderungen können häufig nicht eindeutig<br />
als Ursache oder Folge der Entleerungsstörung<br />
festgelegt werden.<br />
Als Anismus wird vielfach die Gruppe der<br />
Funktionsstörungen bezeichnet, die verdachtsweise<br />
durch eine Regulationsstörung im Bereich<br />
der quergestreiften Beckenbodenmuskulatur<br />
bedingt sind. Besser wäre es, die Bezeichnung<br />
»rektale Obstipation« oder »outlet obstruction«<br />
als Oberbegriff dieser Störungen zu verwenden.<br />
Als Anismus wird korrekterweise eine Störung<br />
bezeichnet, bei der es im Moment des Pressen<br />
zu einer paradoxen Erregungssteigerung in<br />
der quergestreiften Muskulatur kommt. Dieser<br />
Effekt beruht auf einer fokalen Dystonie und ist<br />
elektromyographisch fassbar. Die betroffenen<br />
Patienten versuchen, durch forciertes Pressen<br />
dennoch eine Entleerung zu erreichen, was<br />
möglicherweise sekundär Gefügestörungen<br />
des Beckenbodens bis zur Inkontinenz induzieren<br />
kann. Im Gegensatz dazu beschreiben<br />
einige Autoren die gestörten Reflexabläufe<br />
zur Öffnung der glatten und quergestreiften<br />
Beckenbodenmuskulatur als »spastic pelvic<br />
floor syndrome«. Beide Entitäten sind nicht<br />
abschließend definiert. Sie werden möglicherweise<br />
häufig fehldiagnostiziert.<br />
Selbstverständlich können auch umschriebene<br />
Lumeneinengungen am Darm Anlass<br />
für eine »Verstopfung« sein. Sie imponieren<br />
üblicherweise durch die auffallend kurze Anamnesedauer<br />
(Warnsymptome!). Funktionelle<br />
Störungen, die sich als Obstipation manifestieren,<br />
haben im Regelfall in der Erinnerung des<br />
Patienten bereits eine lange Vorgeschichte.<br />
Diagnostik<br />
Die Standarddiagnostik umfasst die Anamnese,<br />
die proktologische Standarduntersuchung einschließlich<br />
der Überprüfung des Anorektums<br />
unter Funktionsbedingungen des Kneifen und<br />
Pressens sowie die Koloskopie zur sicheren<br />
Ausschlussdiagnostik eines stenosierenden<br />
Prozesses. Danach ist beim Verdacht einer<br />
slow-transit-Obstipation eine <strong>Therapie</strong> mit<br />
Ballaststoffen im Sinne einer Testbehandlung<br />
sinnvoll.<br />
Die Transitzeitbestimmung als Teil der<br />
weiterführenden Diagnostik erfolgt beim Ver-<br />
119
120<br />
sagen der Testbehandlung. Sie wird durchgeführt<br />
mit röntgendichten Markern und erlaubt<br />
die Bestimmung der Passagezeit in Stunden.<br />
Die Gesamtpassagezeit wird dabei bestimmt<br />
durch eine einmalige Röntgenaufnahme 5<br />
Tage nach der Gabe von 20 röntgendichten<br />
Markern. Ein Verbleiben von mehr als vier<br />
Markern (= 20 %) nach fünf Tagen wird als<br />
pathologisch bewertet (Hinton-Test). Tägliche<br />
Röntgenaufnahmen und die mehrfache Gabe<br />
von röntgendichten Markern ermöglichen<br />
eine genauere Abklärung und quantitative<br />
Auswertung des Transports im Bereich einzelner<br />
Kolonabschnitte. Der Normwert für die<br />
Passagezeit von ca. 60 Stunden ergibt aber<br />
keine eindeutige <strong>Therapie</strong>indikation. Wichtig<br />
sind allenfalls die erheblich verlängerten Werte<br />
von deutlich über 60 Stunden.<br />
Rektale Entleerungsstörungen werden weiterführend<br />
abgeklärt durch die konventionelle<br />
Defäkographie oder eine dynamische NMR-Defäkographie.<br />
Nachteilig ist die Strahlenbelastung<br />
der konventionellen Defäkographie und<br />
die mangelnde Verfügbarkeit der dynamischen<br />
NMR-Defäkographie. Beide Untersuchungen<br />
erbringen andererseits auch nur eine wenig<br />
valide Aussage. Falls sich bei diesen Untersuchungen<br />
ein Hinweis für eine outlet obstruction<br />
ergibt, läßt sich ein Anismus als Sonderform<br />
dieser Störung ggf. elektromyographisch oder<br />
manometrisch weiter abklären.<br />
Der Nachweis eines Megakolons oder Megarektums<br />
ist endoskopisch nicht immer eindeutig<br />
möglich. Die konventionelle Kolon-Doppelkontrastdarstellung<br />
hat darum in der weiterführenden<br />
Diagnostik ebenfalls noch einen Platz.<br />
Für die Indikation zu operativen Maßnahmen<br />
erscheint der Nachweis bzw. Ausschluss<br />
eines Megakolons/Megarektums wesentlich.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
In der <strong>Therapie</strong> der Obstipation lässt sich oft<br />
kein für den Patienten befriedigendes Ergebnis<br />
erreichen, da von seiner Seite aus eine falsche<br />
Erwartungshaltung besteht. Aus diesem Grund<br />
ist der erste Schritt der <strong>Therapie</strong> die umfassende<br />
Aufklärung des Patienten über normale<br />
Stuhlgewohnheiten und über eine sinnvolle<br />
Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />
Lebensweise, die insbesondere eine ausreichend<br />
schlackenreiche Ernährung und eine<br />
adäquate Flüssigkeitszufuhr umfasst. In den<br />
letzten Jahren ist häufig auf Zusammenhänge<br />
zwischen Fasergehalt in der Nahrung und<br />
intestinaler Transitzeit hingewiesen worden.<br />
Trotz der grundsätzlich sinnvollen Empfehlung<br />
zur Einhaltung einer schlackenreichen<br />
Ernährung lassen sich bisher aber die Formen<br />
der Obstipation nicht diagnostisch fassen, bei<br />
denen die Patienten von einer schlackenreichen<br />
Kost sicher profitieren.<br />
Wichtig ist die Differenzierung zwischen<br />
der Obstipation aufgrund einer Transportstörung<br />
im Kolon und der rektalen Entleerungsstörung.<br />
Grundsätzlich sollte die <strong>Therapie</strong> beider<br />
Störungen möglichst konservativ erfolgen. Für<br />
die wenigen operativ zu behandelnden Patienten<br />
ist die genaue Analyse der vorliegenden<br />
Störung besonders wichtig. Es liegen viele<br />
Erfahrungsberichte vor, die eine hohe Misserfolgsrate<br />
bei der operativen <strong>Therapie</strong> aufzeigen.<br />
Dabei ist unmittelbar einleuchtend, dass<br />
eine Kolonresektion bei einer rektalen Entleerungsstörung<br />
keinen Sinn machen kann und<br />
andererseits ein Eingriff mit Teildurchtrennung<br />
der analen Muskulatur die Kontinenz gefährdet.<br />
Der obstipierte Patient mit normalem Transit<br />
und normaler Entleerungsfunktion sollte<br />
ausschließlich konservativ behandelt werden.<br />
Wenn die Testbehandlung mit Ballaststoffen<br />
misslingt, braucht der Patient Laxantien. <strong>Therapie</strong><br />
der Wahl ist dann derzeit die Gabe von<br />
Makrogol. Die Prokinetika haben enttäuscht.<br />
In den übrigen Medikamentengruppen, wie<br />
den Anthrachinonderivaten und den diphenolischen<br />
Laxanzien, werden vom Patienten<br />
die Nebenwirkungen solcher Medikamente<br />
falsch eingeschätzt, die als pflanzlich gelten.<br />
Gerade die pflanzlichen Anthrachinonderivate<br />
(Sennesblätter, Aloe) haben daher eine weite<br />
Verbreitung erfahren.<br />
In ihrer sinnvollen Wirkung unterbewertet<br />
sind dagegen die bereits seit langem in die <strong>Therapie</strong><br />
eingeführten rektalen Entleerungshilfen,<br />
wie z. B. CO2-freisetzende Suppositorien oder<br />
Klistiere. Sie haben mit Recht einen Stellenwert<br />
in der Behandlung der rektalen Formen<br />
der Obstipation.
14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />
Stufentherapie bei Tafel 14-1<br />
normalem Transit und<br />
normaler Entleerungsfunktion<br />
• Aufklärung<br />
• Ballaststoffe (Gelbildner)<br />
• rektale Entleerungshilfen (Klistier, CO2-Supp.)<br />
• osmotische Laxanzien (Makrogol)<br />
• Prokinetika (Tegaserod)<br />
Für den Patienten mit einer Transitzeitverlängerung<br />
und normaler Entleerungsfunktion gilt<br />
dieselbe <strong>Therapie</strong>empfehlung. Beim Versagen<br />
der Ballststoffgabe kann ein Laxans indiziert<br />
sein. Eine Indikation zur Resektion ist nur gegeben,<br />
wenn in einem solchen Fall ein Megakolon<br />
oder Megarektum nachweisbar wird. Dies kann<br />
ein sog. idiopathisches Megakolon sein oder<br />
aber die seltene Form eines M. Hirschsprung<br />
beim Erwachsenen.<br />
Die Resektion wird auch empfohlen, wenn<br />
eine intestinale neuronale Dysplasie (IND)<br />
vorliegt. Der Nachweis ist schwierig zu führen<br />
(Zupfpräparat der gesamten Darmwand)<br />
und gelingt häufig erst postoperativ. Dabei<br />
ist der subtotalen Kolektomie der Vorzug<br />
zu geben gegenüber einer Teilresektion. Die<br />
Anastomosierung erfolgt entweder als Ileo-<br />
Rektostomie oder Zoeko-Rektostomie. Der<br />
Erhalt der Ileozoekalklappe scheint postoperativ<br />
seltener zu Diarrhoen zu führen und so<br />
das funktionelle Ergebnis zu verbessern. Das<br />
Ergebnis ist schlecht, wenn zusätzlich ein<br />
Entleerungsproblem vorliegt. Entscheidend ist<br />
also die sorgfältige Auswahl der Patienten bzw.<br />
die sichere präoperative Klärung der IND. In<br />
Wertung aller präoperativen Tests muss man<br />
bei der Indikation zur Resektion außerdem<br />
Stufentherapie bei Transit- Tafel 14-2<br />
zeitverlängerung und normaler<br />
Entleerungsfunktion<br />
• Aufklärung<br />
• osmotische Laxanzien (Makrogol)<br />
• stimulierende Laxanzien (Bisacodyl, Picosulfat)<br />
• ev. Ballaststoffe (Gelbildner)<br />
bedenken, dass die Ursachen der Obstipation<br />
auch psychogenen Einflüssen unterliegen.<br />
Bei Patienten mit normalem Transit und<br />
gestörter Entleerungsfunktion lassen sich keine<br />
einheitlichen <strong>Therapie</strong>empfehlungen geben.<br />
Grundsätzlich gilt auch hier die Empfehlung<br />
einer konservativen <strong>Therapie</strong>, die sich insbesondere<br />
auf rektale Entleerungshilfen wie<br />
CO2-freisetzende Suppositorien oder Klistiere<br />
bezieht. Da die Störungen der Entleerungsfunktion<br />
ein uneinheitliches Patientenklientel umfassen,<br />
gibt es auch unterschiedliche operative<br />
Empfehlungen, die sämtlich nur an kleinsten<br />
Kollektiven überprüft sind. Eine Resektion<br />
oder operative Verkleinerung der Rektumampulle<br />
wird angegeben bei einer Inertia recti.<br />
Sie erscheint noch am ehesten rational, wenn<br />
röntgenologisch auch eine Megaisierung des<br />
Rektums vorliegt. Die operative Durchtrennung<br />
von Anteilen der Sphinktermuskulatur (beispielsweise<br />
beim Anismus) hat sich wegen des<br />
Risikos der nachfolgenden Inkontinenz nicht als<br />
Regeleingriff etabliert. Fixierende Maßnahmen<br />
an den muskulären und ligamentären Strukturen<br />
des Beckenbodens machen allenfalls einen<br />
Sinn, wenn grobe Fehlformationen bestehen.<br />
Diese führen aber gleichzeitig auch zu einer<br />
Schädigung des N. pudendus, sodass oftmals<br />
die Inkontinenzsymptomatik im Vordergrund<br />
des Beschwerdebildes steht. Es sei darum nachdrücklich<br />
betont, dass die Obstipation aufgrund<br />
einer rektalen Entleerungsstörungen möglichst<br />
konservativ behandelt werden sollte. Eine<br />
Biofeedback-<strong>Therapie</strong> scheint in vielen Fällen<br />
noch am ehesten erfolgversprechend.<br />
Patienten mit einer Verlängerung des Transits<br />
und einer rektalen Entleerungsstörung bieten<br />
die schlechtesten Chancen für eine erfolgreiche<br />
<strong>Therapie</strong>. Hier sollte immer zunächst mit<br />
Stufentherapie bei Tafel 14-3<br />
normalem Transit und gestörter<br />
Entleerungsfunktion<br />
• Aufklärung<br />
• Ballaststoffe (Gelbildner)<br />
• rektale Entleerungshilfen (Klistier, CO2-Supp.)<br />
• ev. Biofeedbacktraining<br />
121
122<br />
konservativen Maßnahmen versucht werden,<br />
die rektale Entleerung zu verbessern (Klistiere,<br />
Irrigation, Biofeedback). Bei extremem<br />
Leidensdruck empfehlen einige Autoren einen<br />
<strong>Therapie</strong>versuch durch die Anlage einer Kolostomie<br />
oder Ileostomie. Ein Misserfolg dieser<br />
Maßnahme wird dann als Hinweis auf eine<br />
psychogene Ursache der Störung interpretiert.<br />
Bei dieser Sichtweise bleibt aber unberücksichtigt,<br />
dass nach wie vor ein erhebliches Defizit<br />
an Erkenntnissen bezüglich der Transportfunktion<br />
des Dünndarms und einer hierdurch<br />
ausgelösten Obstipation bzw. abdominellen<br />
Schmerzsymptomatik besteht.<br />
Stufentherapie bei Verlänge- Tafel 14-4<br />
rung des Transits und einer<br />
rektalen Entleerungsstörung<br />
• Aufklärung<br />
• Ballaststoffe (Gelbildner)<br />
• rektale Entleerungshilfen (Klistier, CO2-Supp.)<br />
• osmotische Laxanzien (Makrogol)<br />
• stimulierende Laxanzien (Bisacodyl, Picosulfat)<br />
• ev. Biofeedbacktraining<br />
Zusammenfassung: Das Krankheitsbild der<br />
Obstipation gliedert sich in zwei Grundformen,<br />
den verzögerten Kolontransit und<br />
die rektale Entleerungsstörung sowie deren<br />
Mischformen. Der Begriff ‚Obstipation’ wurde<br />
anhand der Rom-II-Kriterien eindeutig<br />
definiert. Neben Anamnese und klinischer<br />
Untersuchung können eine Transitzeitbestimmung,<br />
Defäkographie und Kolon-Doppelkontrastdarstellung<br />
weiteren Aufschluss<br />
über die Genese der Obstipation geben.<br />
Die <strong>Therapie</strong> ist primär immer eine konservative<br />
mit Aufklärung, Ballaststoffen,<br />
Entleerungshilfen und ggf. der Gabe von<br />
Laxantien. Eine operative <strong>Therapie</strong> mit<br />
Kolonresektion oder Stomaanlage sollte<br />
erst nach Ausschöpfen aller konservativen<br />
Möglichkeiten erfolgen.<br />
Diarrhoe<br />
Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />
Der Durchfall, die der Obstipation genau entgegengesetzte<br />
klinische Symptomatik, wird vom<br />
Patienten anders interpretiert, weil er in zahlreichen<br />
Fällen perakut einsetzt und aufgrund<br />
der extremen Belastung des Kontinenzapparates<br />
sehr schnell ein Defizit an Kontinenz offenbart,<br />
das den Betroffenen in seinem täglichen<br />
Leben weitgehend einschränken kann. Der<br />
Durchfall wird auch vom Laien zumeist als<br />
Symptom einer Störung gesehen, die in engem<br />
Zusammenhang mit der zuvor aufgenommenen<br />
Nahrung (im Sinne einer »Nahrungsmittelvergiftung«)<br />
steht. Eine infektiöse Gastroenteritis<br />
ist andererseits als häufigste Ursache für das<br />
Auftreten von Diarrhoen zu sehen. Durchfälle<br />
im Rahmen von Malabsorptionssyndromen oder<br />
insbesondere im Rahmen einer Maldigestion auf<br />
dem Boden einer Laktoseintoleranz sind dem<br />
Patienten nicht selten seit längerem bewusst<br />
und veranlassen ihn automatisch zu einem<br />
bestimmten Kostverhalten.<br />
Aus chirurgischer Sicht bedeutsam sind<br />
erworbene Malabsorptionszustände beispielsweise<br />
aufgrund einer Ileitis terminalis oder<br />
postoperativer Zustände und Störungen der<br />
Motilität des Dickdarms im Rahmen einer<br />
Divertikulose, Obstruktionen auf dem Boden<br />
einer Divertikulitis oder als Symptom maligner<br />
oder chronisch-entzündlicher Stenosen. Sie<br />
sind mit unterschiedlich zwingender Indikation<br />
operativ anzugehen.<br />
Analnah sitzende Adenome oder ausgedehnte<br />
Formen des Ulcus simplex recti führen<br />
zu einer lokalen Vermehrung der Schleimproduktion,<br />
die der Patient u. U. als Diarrhoe erlebt.<br />
Diagnostik<br />
In der diagnostischen Abklärung der Diarrhoe<br />
haben mikrobiologische und serologische Untersuchungen<br />
für die infektiösen Formen eine<br />
zentrale Bedeutung. Für die auf Motilitätsstörungen<br />
oder einer umschriebenen Lumenobstruktion<br />
beruhenden Formen sind die bildgebenden<br />
Verfahren des Kolonkontrasteinlaufs<br />
nach wie vor wertvoll. Zur Abklärung der<br />
nichtinfektiösen Ursachen einer Diarrhoe im
14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />
Rahmen der entzündlichen Darmerkrankungen<br />
hat sich die flexible Endoskopie als Primärmethode<br />
etabliert. Endoskopisch kann bereits<br />
bei der starren Rektoskopie gelegentlich eine<br />
pseudomelanotische Verfärbung der Schleimhaut<br />
nachgewiesen werden, die auf einen<br />
Laxanzienabusus als Ursache der Diarrhoe<br />
schließen lässt. Der Patient gibt das häufig<br />
nicht sofort an.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Die <strong>Therapie</strong> bei den infektiösen Erkrankungen<br />
erfolgt entweder erregerspezifisch oder<br />
– so in den meisten Fällen – symptomatisch,<br />
da es zu einer Selbstlimitierung des Krankheitsgeschehens<br />
kommt. Benigne Stenosen<br />
ohne adäquate Reaktion auf eine konservative<br />
<strong>Therapie</strong> oder maligne Stenosen müssen einer<br />
operativen Behandlung zugeführt werden.<br />
Die Behandlung der chronisch-entzündlichen<br />
Darmerkrankungen erfolgt insbesondere in<br />
kritischen, hochakuten Krankheitsphasen nach<br />
einem interdisziplinären Konzept konservativer,<br />
intensivmedizinischer und operativer<br />
Maßnahmen.<br />
Zusammenfassung: Bei der Diarrhoe müssen<br />
infektiöse, malabsorbtive und maldigestive<br />
Ursachen unterschieden werden.<br />
Entsprechend ihrere Genese werden die<br />
verschiedenen Formen mikrobiologisch,<br />
im Hinblick auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten<br />
oder endoskopisch abgeklärt.<br />
Die <strong>Therapie</strong> richtet sich nach der<br />
Ursache, ist primär konservativ und nur<br />
im Rahmen einer Stenosierung oder nicht<br />
weiter konservativ therapierbaren Colitis<br />
dann auch operativ.<br />
Reizdarmsyndrom<br />
Unter dem Krankheitsbild des Reizdarmsyndroms<br />
(Colon irritabile) verbirgt sich die häufigste<br />
gastroenterologische Erkrankung mit<br />
funktionellem Hintergrund ohne den bisherigen<br />
Nachweis einer organischen Ursache.<br />
Ätiologie<br />
Die Ätiologie ist ebenso offen wie die Frage,<br />
ob es sich bei diesem Krankheitsbild um eine<br />
solitäre Krankheitsentität handelt. Diskutiert<br />
werden Veränderungen in den Wechselbeziehungen<br />
zwischen dem enterischen Nervensystem<br />
und dem ZNS. Es besteht eine viszerale<br />
Hyperalgesie, die möglicherweise auf einer<br />
Veränderung der Sensitivität der Neurorezeptoren<br />
oder der zentralen Modulation der<br />
Schmerzsensationen beruht. Zusätzlich werden<br />
psychogene Einflüsse wirksam.<br />
Klassifikation<br />
Der Begriff des Reizdarmsyndroms ist definiert<br />
anhand der Symptomatologie von Beschwerden,<br />
die vom Darm ausgehen, keine organischen<br />
Ursachen erkennen lassen und über mindestens<br />
12 Wochen der letzten 12 Monate persistieren<br />
oder rezidivieren (s.a. Rom-II-Kriterien). Es<br />
werden beim Reizdarmsyndrom insgesamt vier<br />
Untergruppen, der Schmerz-Typ, der Diarrhoe-<br />
Typ, der Obstipations-Typ und der Gas-Bläh-<br />
Typ unterschieden. Zwischen den Untergruppen<br />
gibt es fließende Übergänge.<br />
Rom-II-Kriterien für Tafel 14-5<br />
das Reizdarmsyndrom<br />
Mindestens 12 Wochen in den vergangenen<br />
12 Monaten mit abdominalen Schmerzen oder<br />
Beschwerden, die zwei der folgenden<br />
Merkmale beinhalten:<br />
• Erleichterung bei der Darmentleerung<br />
• Änderung der Stuhlhäufigkeit<br />
• Änderung der Stuhlkonsistenz<br />
und/oder mehrere der folgenden Symptome<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
abnorme Stuhlhäufigkeit (> 3/Tag<br />
oder < 3/Woche)<br />
abnorme Stuhlform bei > 25 % der Defäkation<br />
abnorme Stuhlpassage bei >25 % der<br />
Defäkation<br />
Schleimabgang bei > 25 % der Defäkation<br />
Blähungen oder das Gefühl des Aufgetriebenseins<br />
in > 25 % der Tage<br />
123
124<br />
Symptomatologie<br />
Von den Patienten werden häufig krampfartige<br />
oder stechende Bauchschmerzen geschildert,<br />
die mit Einleitung der Defäkation gemindert<br />
werden. Weiterhin neigen die Patienten zu<br />
Durchfällen oder Verstopfung, zum Teil auch<br />
im Wechsel. Assoziiert mit den Beschwerden<br />
werden auch ausgeprägte Blähungen und ein<br />
Völlegefühl angegeben.<br />
Diagnostik<br />
In der Diagnostik sind organische Ursachen<br />
der Beschwerden auszuschließen. Hierzu kann<br />
mitunter eine extreme Ausweitung der Untersuchungen<br />
erforderlich werden, wenn die<br />
betroffenen Patienten aufgrund einer psychischen<br />
Fehlhaltung immer wieder auf eine<br />
Abklärung drängen. Dies mag natürlich auch<br />
seinen Grund darin haben, dass die körperlichen<br />
Beschwerden in einigen Fällen so gravierend<br />
sind, dass ein Nichtbetroffener kaum einen<br />
Zugang zu diesen Beschwerden hat.<br />
Als diagnostisches Dilemma muss es gewertet<br />
werden, dass die Symptome des Colon<br />
irritabile sämtlich auch von malignen Darmerkrankungen<br />
ausgelöst werden können. Aus<br />
diesem Grund muss gefordert werden, dass die<br />
Diagnose eines Colon irritabile lediglich als<br />
Ausschlussdiagnose gestellt wird. Es erscheint<br />
dabei sinnvoll, organische Befunde ohne spezielle<br />
<strong>Therapie</strong>indikationen zum Zeitpunkt des<br />
Nachweises nicht unter dem Begriff des Colon<br />
irritabile zu subsumieren. Ein ausgeprägter<br />
Divertikelbesatz des Kolons stellt trotz der<br />
begleitenden »Colon-irritabile-Symptomatik«<br />
einen erwähnenswerten Befund dar, da hier im<br />
weiteren Verlauf evtl. entzündliche Schübe oder<br />
Divertikelkomplikationen ablaufen können,<br />
die durch die globale Bezeichnung »Colon<br />
irritabile« verharmlost würden.<br />
Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms<br />
kann erst gestellt werden, wenn entsprechende<br />
Differentialdiagnosen ausgeschlossen<br />
sind.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Kolorektale Funktionsstörungen 14<br />
Die <strong>Therapie</strong> ist symptomatisch, das heißt in<br />
diesem Fall, dass das vorherschende Symptom<br />
– Diarrhoe, Obstipation oder Meteorismus – als<br />
Ziel der <strong>Therapie</strong> angegangen wird. Dabei<br />
werden alle etablierten <strong>Therapie</strong>prinzipien<br />
versucht: bei Obstipation schlackenreiche Kost,<br />
osmotische Laxanzien, Prokinetika, bei Diarrhoe<br />
Loperamid, Cholestyramin, bei Schmerzen<br />
Spasmolytika, Anticholinergika, trizyklische<br />
Antidepressiva oder aktuell Tegaserod, das<br />
zurzeit in Deutschland noch nicht zugelassen<br />
ist. Keines diese <strong>Therapie</strong>prinzipien kann<br />
vorhersagbare Erfolge zeitigen. Neben der<br />
symptomorientierten medikamentösen <strong>Therapie</strong><br />
können alle Formen psychosomatischer<br />
Interventionen, z.B. autogenes Training, und<br />
Beeinflussung der individuellen Lebensumstände<br />
z. B. sportliche Betätigung empfohlen<br />
werden, sofern der Patient dieser <strong>Therapie</strong><br />
zugänglich ist.<br />
<strong>Therapie</strong> des Reizdarm- Tab. 14-1<br />
syndroms entsprechend des<br />
jeweiligen Leitsymptoms<br />
Leitsymptom <strong>Therapie</strong>empfehlung<br />
Falsche Vorstellung<br />
bzgl. Stuhlfrequenz<br />
Niedrige Stuhlfrequenz<br />
Ausführliche<br />
Information<br />
Ballaststoffe,<br />
Tegaserod<br />
Chronische Diarrhoe Loperamid<br />
Blähungen Keine Ballaststoffe,<br />
kein Sorbit, Kost überprüfen,<br />
Polisiloxan<br />
Aufgetriebenes<br />
Abdomen<br />
Prokinetika, Tegaserod<br />
Schmerz Anticholinergika,<br />
Muskelrelaxantien<br />
Verdacht einer psych.<br />
Fehlleistung<br />
Psychotherapie,<br />
Antidepressiva
14 Kolorektale Funktionsstörungen<br />
Zusammenfassung: Das Reizdarmsyndrom<br />
(RDS) ist eine der häufigsten gastroenterologischen<br />
Erkrankungen. Ätiologisch<br />
wird eine viszerale Hypersensibilität diskutiert,<br />
wobei die eigentliche Ursache noch<br />
nicht geklärt ist. Je nach Symptomatologie<br />
werden insgesamt vier Untergruppen<br />
unterschieden. Die Diagnose eines<br />
RDS wird anhand der Symptome und der<br />
Beschwerdedauer gestellt und darf erst<br />
nach Ausschluss von organischen Ursachen<br />
fixiert werden. Die <strong>Therapie</strong> ist nicht kausal<br />
sondern symptomatisch.<br />
125
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15 Anale und perianale Neoplasien<br />
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
Benigne Tumoren der Analregion 129<br />
Virusinduzierte Tumoren 129<br />
Condylomata acuminata 129<br />
Ätiopathogenese und Übertragungswege 129<br />
Symptomatologie 130<br />
Diagnostik 130<br />
Differentialdiagnostik 130<br />
<strong>Therapie</strong> 130<br />
Krankheitsverlauf 131<br />
Bowenoide Papulose 131<br />
Ätiopathogenese und Übertragungswege 131<br />
Symptomatologie 131<br />
Diagnostik 132<br />
Differentialdiagnostik 132<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 132<br />
Präkanzerosen und Karzinome 132<br />
Morbus Bowen 132<br />
Ätiopathogenese 132<br />
Symptomatologie 132<br />
Diagnostik 133<br />
Morbus Paget 133<br />
Differentialdiagnostik 133<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 133<br />
Symptomatologie 133<br />
Diagnostik 133<br />
Differentialdiagnostik 134<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 134<br />
127
128<br />
Analkarzinom 135<br />
Analrandkarzinom 135<br />
Ätiologie 135<br />
Symptomatologie 136<br />
Diagnostik 136<br />
Differentialdiagnostik 136<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 136<br />
Analkanalkarzinom 137<br />
Ätiologie 137<br />
Symptomatologie 137<br />
Diagnostik 137<br />
Differentialdiagnostik 138<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 138<br />
Nachsorge 139<br />
Prognose 139<br />
Anorektales Melanom 139<br />
Ätiologie 139<br />
Symptomatologie 139<br />
Klinik 140<br />
Diagnostik 140<br />
Differentialdiagnostik 140<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong> 140<br />
Prognose 141<br />
Anale und perianale Neoplasien 15<br />
Nicht-epitheliale Tumoren der Analregion 141<br />
Tumoren des Analkanals und der Rektumwand 141<br />
Retrorektale Tumoren 141
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
Vorbemerkung: Unter die Tumorbildungen<br />
der Analregion sind neben den benignen und<br />
malignen Neubildungen des anatomischen<br />
Analkanals auch solche Tumoren zu subsumieren,<br />
die im oberen Anteil des chirurgischen<br />
Analkanals ihren Ursprung haben. Die Diagnostik<br />
stützt sich auf eine identische Strategie<br />
und auch die <strong>Therapie</strong> verfolgt die gleichen<br />
Prinzipien. Zusätzlich sind hierunter die seltenen<br />
benignen und malignen Neubildungen<br />
in der Wand des unteren Rektums bzw. des<br />
retrorektalen Raumes zu zählen.<br />
Benigne Tumoren<br />
der Analregion<br />
Unter den benignen Tumoren mit Ursprungsort<br />
intramural im oberen Analkanal und auch im<br />
unteren Rektum überwiegen die Fibrome. Seltener<br />
werden Lipome, Myome, und Neurinome<br />
bzw. deren Mischformen nachgewiesen.<br />
Der häufigste benigne Tumor im anatomischen<br />
Analkanal ist das sogenannte<br />
Analfibrom. Hierbei handelt es sich um eine<br />
Hypertrophie einer Papille aus dem Bereich<br />
der Linea dentata. Die häufig vorgenommene<br />
Bezeichnung als »Analpolyp« ist insofern irreführend,<br />
als diese von Plattenepithel überzogenen,<br />
hypertrophierten Papillen niemals der<br />
Adenom-Karzinom-Sequenz unterliegen. Der<br />
Begriff Analpolyp ist zur sicheren Klassifizierung<br />
dieser Fibrome oder hypertrophierten<br />
Papillen mithin verzichtbar.<br />
Abb.15-1 Buschke-Löwenstein-Tumor<br />
Die Analfibrome sind zumeist digital tastbar. Sie<br />
bilden gelegentlich einen länglichen Stiel aus,<br />
der ein Prolabieren eines solchen Fibroms bis<br />
vor den Afterkanal ermöglicht. Prolabierende<br />
Fibrome können sich durch Irritationen des<br />
Anoderms ungünstig auf die Kontinenzfunktion<br />
auswirken. Die <strong>Therapie</strong> besteht in einer<br />
chirurgischen Abtragung. Diese Abtragung<br />
ist in den meisten Fällen mit der elektrischen<br />
Schlinge durch das Proktoskop problemlos<br />
möglich, wenn der Stiel des Fibroms zuvor mit<br />
einem Lokalanästhetikum infiltriert wurde.<br />
Virusinduzierte Tumoren<br />
Condylomata acuminata<br />
Bei den Condylomata acuminata (Feigwarzen)<br />
handelt es sich um eine der häufigsten<br />
perianalen und analen Tumore. Condylomata<br />
acuminata können perianal und intraanal sowie<br />
in den benachbarten Regionen der Haut in den<br />
Leisten bzw. auf den Labien oder im Bereich<br />
der Skrotalhaut nachgewiesen werden. Beim<br />
männlichen Geschlecht ist die Glans penis<br />
bzw. der Sulcus coronarius eine Prädilektionsstelle.<br />
Intraanal ist zumeist die Zone des<br />
Anoderms betroffen. In etwa 10 % der Fälle<br />
sind die Condylome jedoch auch oberhalb der<br />
Dentatalinie nachzuweisen. Die Erscheinungsformen<br />
von Condylomata acuminata variieren<br />
von einzeln stehenden weißlichen Knötchen<br />
über rasenartige Ausdehnung bis zu großen<br />
Riesenkondylomen (Condylomata gigantea),<br />
welche bei destruierendem Wachstum auch als<br />
Buschke-Löwenstein-Tumore bezeichnet werden.<br />
Bei infiltrierendem Wachstum werden die<br />
Buschke-Löwenstein-Tumore dann bereits der<br />
Gruppe der verrukösen Karzinome zugeteilt.<br />
Ätiopathogenese und Übertragungswege:<br />
Condylomata acuminata sind virusinduzierte<br />
Tumore, hervorgerufen durch menschliche<br />
Papillomviren aus der Gruppe der Papovaviren.<br />
Am häufigsten sind die HPV-Typen 6 oder 11<br />
nachweisbar, in seltenen Fällen jedoch auch<br />
HPV-16, welches mit einem erhöhten Entartungsrisiko<br />
für die Entwicklung von Platten-<br />
129
130<br />
epithelkarzinomen einhergeht. Die Durchseuchung<br />
der Bevölkerung ist hoch, virusinduierte<br />
Antikörper können bei über 60 % der sexuell<br />
aktiven Bevölkerung nachgewiesen werden.<br />
Die Übertragung erfolgt am häufigsten sexuell,<br />
jedoch werden auch Schmierinfektionen,<br />
insbesondere bei Kleinkindern diskutiert.<br />
Symptomatologie: Patientien mit Condylomata<br />
acuminata schildern meist einen ausgeprägten<br />
Juckreiz verbunden mit einem analen Nässen.<br />
Auch werden bei intensiver Analhygiene<br />
Blutspuren am Toilettenpapier beschrieben.<br />
Einzeln stehende Condylome und ein rein intraanaler<br />
Befall verursachen mitunter keinerlei<br />
Beschwerden und werden im erst im Rahmen<br />
einer klinischen Untersuchung diagnostiziert.<br />
Der Schmerz ist kein Leitsymptom von Kondylomen,<br />
kann jedoch bei ausgeprägtem Befall<br />
mit oberflächigen Wunden im Anoderm auftreten.<br />
Ebenso kommt es bei massivem Befall<br />
zu Reinigungsproblemen, wobei sich dann ein<br />
übel riechendes Sekret absondern kann.<br />
Abb. 15-2 Condylomata acuminata:<br />
Präoperativer Befund.<br />
Diagnostik: Die Diagnose von perianalen Condylomata<br />
acuminata ist eine Blickdiagnose.<br />
Die meist weißlichen Knötchen zeigen sich<br />
nach Spreizen der Nates. Obligat ist eine zusätzliche<br />
Proktoskopie und Rektoskopie, um<br />
einen intraanalen Befall bzw. eine Ausbreitung<br />
oberhalb der Linea dentata zu verifizieren.<br />
Im Zweifelsfall können die Feigwarzen mit<br />
5 % Essigsäure betupft werden, wobei sie sich<br />
typischischerweise weiß anfärben. Eine weiterführende<br />
Diagnostik auf andere sexuell über-<br />
Anale und perianale Neoplasien 15<br />
tragbare Erkrankungen wie Lues, Gonorrhoe<br />
oder HIV sollte durchgeführt werden. Ebenso<br />
sollte einen Untersuchung des Sexualpartners<br />
erfolgen um, die Möglichkeit einer Reinfektion<br />
auszuschließen.<br />
Zur Prophylaxe in der <strong>Therapie</strong> von<br />
Condylomata acuminata sollte der Sexualpartner<br />
ebenfalls untersucht werden.<br />
Differentialdiagnostik: Differentialdiagnostisch<br />
müssen Condylomata acuminata von Condylomata<br />
lata im Stadium II einer Lues unterschieden<br />
werden. Die Diagnose einer Lues erfolgt<br />
serologisch oder durch Spirochätennachweis<br />
im Dunkelfeldmikroskop. Weiterhin können<br />
kleinere Plattenepithelkarzinome ähnlich<br />
imponieren wie konfluierende Condylomata<br />
acuminata.<br />
<strong>Therapie</strong>: Die <strong>Therapie</strong> der Condylomata acuminata<br />
richtet sich nach Anzahl, Menge und Lokalisation<br />
der Tumoren. Bei einzeln stehenden<br />
perianalen Condylomen kann ein konservativer<br />
<strong>Therapie</strong>versuch mit Chemotherapeutika unternommen<br />
werden. Eine <strong>Therapie</strong> mit Podophyllin<br />
sollte unterbleiben, da die Substanz potientiell<br />
mutagen und teratogen wirken kann. Heute<br />
sollte diesbezüglich nur noch das Podophyllotoxin<br />
(Wartec®, Condylox®) benutzt werden.<br />
Die Zulassung dieser Substanzen bezieht sich<br />
jedoch nicht auf den intraanalen Bereich. Eine<br />
weitere Möglichkeit der Behandlung bietet die<br />
Immunmodulation mit Imiquimod (Aldara®),<br />
wobei auch hier die Indikation zur Behandlung<br />
nur bei einzelnen Condylomen und perianalem<br />
Befall besteht. Beide Substanzen können als<br />
Nebenwirkung ausgeprägte Hautreizungen<br />
hervorrufen.<br />
Bei massivem perianalen und/oder intraanalem<br />
Befall ist die chirurgische <strong>Therapie</strong><br />
Mittel der Wahl in der Behandlung der Feigwarzen.<br />
Zunächst sollten mehrere Histologien<br />
gewonnen werden, um eine maligne Entartung<br />
auszuschließen bzw. durch DNA-Hybridisierung<br />
eine erhöhtes Entartungsrisiko nachzuweisen.<br />
Der Kondylomrasen kann mit Kochsalzlösung<br />
unterspritzt und anschließend chirurgisch abgetragen<br />
werden. Dies birgt jedoch die Gefahr
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
Abb. 15-3 Condylomata acuminata: Befund<br />
nach operativer Abtragung<br />
einer zu tiefen Exzision mit besonders bei intranalem<br />
Befall konsekutiver Narbenbildung. Da<br />
Kondylome nur intraepithelial wachsen, können<br />
sie auch mittels Elektrokoagulation abgetragen<br />
werden. Hierbei kann durch kontinuierliche<br />
Wasserapplikation (Wet shaving) eine zu tiefe<br />
thermische Schädigung der Haut vermieden<br />
werden. Anschließend werden die destruierten<br />
Condylome mit dem scharfen Löffel abgetragen.<br />
Auch besteht die Möglichkeit der Destruktion<br />
mit dem Laser (CO 2, NdYAG), wobei wegen der<br />
Verteilung von Viren-DNA im Operationssaal<br />
durch die Laservaporisation entsprechende<br />
Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden sollten.<br />
Durch die Anwendung der ‚wet-shave-<br />
Technik’ werden Condylome schonend<br />
chirurgisch abgetragen und eine thermische<br />
Schädigung tieferer Hautstrukturen<br />
vermieden.<br />
Krankheitsverlauf: Bei einzeln stehenden Condlyomen<br />
wird eine Spontanheilungsquote mit<br />
bis zu 30 % angegeben. Die Rezidivquote nach<br />
adäquater <strong>Therapie</strong> ist mit ebenfalls ca. 30 %<br />
relativ hoch. Dahingehend sollten operierte<br />
Patienten engmaschig nachuntersucht werden,<br />
um Rezidive frühestmöglich zu erkennen und<br />
zu therapieren. Die Diagnose einer Sanierung<br />
sollte so erst nach Abheilung aller Wunden<br />
nach etwa drei Monaten gestellt werden und<br />
weitere klinische Kontrollen sollten erfolgen.<br />
Zusammenfassung: Condylomata acuminata<br />
(Feigwarzen) gehören zu den sexuell<br />
übertragbaren Erkrankungen und dürfen<br />
nicht mit Condylomata lata (Lues II) verwechselt<br />
werden. Die Diagnose ist eine<br />
Blickdiagnose. Einzeln stehende perianale<br />
Kondylome können lokal mit Chemotherapeutika<br />
(Wartec®, Condylox®, Aldara®)<br />
behandelt werden. Condylomrasen und intranale<br />
Condylome werden am besten durch<br />
Elektrokoagulation mit Wasserapplikation<br />
(‚wet-shave-Technik’) entfernt. Spontanremissions-<br />
und Rezidivraten liegen bei ca.<br />
30 %. Eine engmaschige Nachsorge und<br />
eine Partneruntersuchung sollten immer<br />
erfolgen.<br />
Bowenoide Papulose<br />
Die bowenoide Papulose ist eine virusinduzierte<br />
Erkrankung mit einem Häufigskeitgipfel zwischen<br />
dem 20. und 40. Lebensjahr. Nicht zu<br />
verwechseln ist die bowenoide Papulose mit<br />
dem M. Bowen, da beide Krankheitsentitäten<br />
differente Behandlungsmuster haben. Die<br />
bowenoide Papulose neigt im Gegensatz zum<br />
M. Bowen zu Spontanheilungen.<br />
Ätiopathogenese und Übertragungswege:<br />
Hervorgerufen wird die bowenoide Papulose<br />
durch Papillomviren meist vom Typ HPV<br />
16. Teils kommen auch Kombinationen mit<br />
HPV 6,11 und 18 vor. Risikofaktoren für die<br />
bowenoide Papulose sind Promiskuität, Immunsupression<br />
und eine HIV-Erkrankung. Die<br />
Übertragung erfolgt meist beim Geschlechtsverkehr,<br />
aber auch eine Übertragung durch<br />
Schmierinfektionen wird diskutiert.<br />
Symptomatologie: Häufig sind Patienten mit<br />
einer bowenoiden Papulose symptomfrei. Mitunter<br />
klagen sie über einen leichten Juckreiz.<br />
Das Erscheinungsbild ist geprägt durch<br />
multiple, scharf begrenzte, rasch wachsende,<br />
flache papulöse grau-braune bis braun-rötliche<br />
Hautveränderungen bis zu einem Durchmesser<br />
von 10 mm. Die Oberfläche ist glatt samtartig<br />
131
132<br />
bis fein verrukös. Die Prädilektionsstellen sind<br />
der Penis, die Vulva und die perianale und<br />
intraanale Region.<br />
Diagnostik: Die Diagnostik ist primär eine klinische<br />
durch Inspektion und Palpation. Durch<br />
eine Proktorektoskopie sollte ein intraanaler<br />
Befall ausgeschlossen werden. Weiterhin sollte<br />
die Verdachtsdiagnose durch eine histologische<br />
Untersuchung mit Typisierung der HPV<br />
erfolgen.<br />
Differentialdiagnostik: Als Differentialdiagnose<br />
zur bowenoiden Papulose kommt ein M. Bowen,<br />
Condylomata plana, seborrhoische Warzen<br />
und ein Lichen ruber planus in Betracht. Die<br />
Abgrenzung zu einem M. Bowen kann nicht<br />
histologisch erfolgen, da beide Krankheitsbilder<br />
ein identisches histologisches Bild zeigen.<br />
Die Differenzierung muss hier über die Klinik<br />
und den Krankheitsverlauf erfolgen. Ein M.<br />
Bowen hat seinen Häufigkeitsgipfel jenseits<br />
des 50. Lebensjahres, wächst sehr langsam,<br />
tritt zumeist in Einzelherden auf und kann<br />
nach Jahren entarten.<br />
Histologisch kann eine bowenoide Papulose<br />
nicht von einem M. Bowen unterschieden<br />
werden.<br />
Differentialdiagnose Tafel 15-1<br />
der bowenoiden Papulose<br />
• M. Bowen<br />
• Condylomata plana<br />
• Lichen ruber planus<br />
• seborrhoische Warze<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Der Krankheitsverlauf<br />
der bowenoiden Papulose ist<br />
geprägt durch rasch wachsende, teils dann<br />
konfluierende Papeln, welche kaum Symptome<br />
machen. Häufig neigen diese Papeln zu einer<br />
Spontanremission und entarten sehr selten<br />
nach längerer Krankheitsdauer. Wichtig sind<br />
zunächst die Diagnosesicherung und die Abgrenzung<br />
zu einem M. Bowen. Bei Vorliegen<br />
der Diagnose einer bowenoiden Papulose kann<br />
Anale und perianale Neoplasien 15<br />
zunächst konservativ abwartend therapiert<br />
werden.<br />
Die bowenoide Papulose neigt zu<br />
Spontanheilungen.<br />
Kommt es zu keiner Spontanremission kann mit<br />
5-Fluoruracil (Verrumal-Lsg ®) therapiert werden.<br />
Neuerdings gibt es auch Berichte über Behandlungserfolge<br />
mit Imiquimod (Aldara®) oder<br />
mit Interferongel (Fiblaferon®). Bei Persistenz<br />
kann die bowenoide Paulose auch chirurgisch<br />
exzidiert oder mit dem Laser abgetragen werden.<br />
Wichtig sind dann regelmäßige Nachsorgen zur<br />
frühzeitigen Erkennung eines Rezidivs.<br />
Präkanzerosen und Karzinome<br />
Morbus Bowen<br />
Der Morbus Bowen gilt besonders bei langjähriger<br />
Krankheitsdauer als obligate Präkanzerose<br />
mit hoher Penetranz für die Entwicklung eines<br />
Karzinoms. Die Erkrankung ist geschlechtsunspezifisch<br />
und kann zwar nach neueren<br />
Erkenntnissen in jedem Lebensalter auftreten,<br />
hat ihren Krankheitsgipfel jedoch jenseits des<br />
fünfzigsten Lebensjahres. Oft wird die Diagnose<br />
eines Morbus Bowen, da er für den Ungeübten<br />
häufig mit einem Analekzem verwechselt wird,<br />
erst im malignen Stadium diagnostiziert.<br />
Der M. Bowen ist eine obligate<br />
Präkanzerose.<br />
Ätiopathogenese: Der Morbus Bowen kann<br />
durch eine Infektion mit humanen Papillomviren<br />
der Typen 16,18 und 58 hervorgerufen<br />
werden. Weiterhin spielen die Altersdisposition<br />
und auch Kanzerogene wie z. B. eine<br />
chronische Arsenintoxikation eine Rolle in<br />
der Entstehung.<br />
Symptomatologie: Die Symptome des M. Bowen<br />
sind gering. Mitunter klagen die Patienten<br />
besonders nach Exulzeration des Tumors über<br />
Juckreiz, Nässen und Blutungen. Schmerzen<br />
werden meist nur nach Infiltration benachbarter<br />
Strukturen angegeben.
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
Diagnostik: Der Morbus Bowen tritt meist<br />
als solitäre Läsion auf, kann mitunter aber<br />
auch mutiple Herde aufweisen und dann sogar<br />
konfluieren. Die Läsion hat eine unregelmäßige<br />
Kontur, ist aber zur gesunden Haut hin<br />
scharf abgegrenzt. Sie ist flach bis leicht erhaben,<br />
hyperkeratotisch bis schuppend und von<br />
braunroter Farbe. Ihr Durchmesser kann bis zu<br />
mehreren Zentimetern betragen. Die Diagnose<br />
wird meist durch eine reine Inspektion und<br />
Palpation gestellt und dann histologisch durch<br />
eine Probebiopsie gesichert. Obligat sollte eine<br />
Proktorektoskopie erfolgen, um einen intraanalen<br />
Befall auszuschließen.<br />
Abb. 15-4 Atypisch multilokulär<br />
auftretender Morbus Bowen<br />
Differentialdiagnostik: Differentialdiagostisch<br />
muss ein Morbus Bowen, besonders im Hinblick<br />
auf die weitere <strong>Therapie</strong>, von einer bowenoiden<br />
Papulose abgegrenzt werden. Dies erfolgt<br />
durch das klinische Erscheinungsbild, den<br />
Krankheitsverlauf und das Patientenalter. Eine<br />
histologische Unterscheidung zwischen beiden<br />
Krankheitsbildern ist nicht möglich. Weiterhin<br />
muss der Morbus Bowen von einem Analekzem,<br />
einem Lichen ruber planus und einem Morbus<br />
Paget abgegrenzt werden.<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Der Morbus<br />
Bowen ist eine sehr langsam wachsende Präkanzerose,<br />
die erst nach Jahren des Wachstums<br />
die Basalmembran überschreitet und dann in<br />
ein invasives spinozelluläres Karzinom übergeht.<br />
Meist kommt es dann auch zu Ulzerationen<br />
als Zeichen eines invasiven Wachstums.<br />
Die Metastasierung erfolgt sowohl lymphogen<br />
als auch hämatogen. Eine Spontanregression<br />
ist im Unterschied zur bowenoiden Papulose<br />
nicht zu erwarten. Wegen des Überganges in<br />
ein invasives Karzinom und der fehlenden<br />
Spontanregression sollte der Morbus Bowen<br />
bei Diagnosestellung durch eine chirurgische<br />
Exzision weit im Gesunden therapiert werden.<br />
Eine konservative oder abwartende <strong>Therapie</strong><br />
ist nicht indiziert. Nach Exzison sollte eine<br />
engmaschige Nachsorge zum frühzeitigen<br />
Erkennen von Lokalrezidiven erfolgen.<br />
Die <strong>Therapie</strong> der Wahl des Morbus<br />
Bowen ist die chirurgische Exzision weit<br />
im Gesunden.<br />
Zusammenfassung: Der Morbus Bowen<br />
ist eine sehr langsam wachsende, durch<br />
Papillomviren oder Kanzerogene wie Arsen<br />
hervorgerufene obligate Präkanzerose. Häufig<br />
wird ein M. Bowen erst nach Übergang<br />
in ein spinozelluläres Karzinom diagnostiziert.<br />
Abzugrenzen ist die Erkrankung von<br />
einem Analekzem und einer bowenoiden<br />
Papulose. Die <strong>Therapie</strong> der Wahl ist die<br />
Exzision weit im Gesunden.<br />
Morbus Paget<br />
Der extramammäre Morbus Paget der anogenitalen<br />
Region ist eine an die apokrinen<br />
Schweißdrüsen gebundene relativ seltene Erkrankung.<br />
Die Erkrankung tritt meist im hohen<br />
Lebensalter auf, ist nicht geschlechtsspezifisch<br />
und ist mit weiteren Karzinomen, wie z. B. dem<br />
tiefsitzenden Rektumkarzinom, assoziiert.<br />
Symptomatologie: Das dominierende Symptom<br />
des ist der Juckreiz bei ekzematösen Hautveränderungen.<br />
Im weiteren Verlauf klagen die<br />
Patienten dann auch über Brennen, Nässen<br />
und Blutungen.<br />
Diagnostik: Der Morbus Paget imponiert beim<br />
perianalen Befall durch eine ekzematöse, scharf<br />
begrenzte Hautveränderungen, welche auf<br />
133
134<br />
Abb. 15-5<br />
M. Paget perianal und genital<br />
die normale antiekzematöse <strong>Therapie</strong> nicht<br />
ansprechen. Es zeigen sich gerötete, weiche<br />
Hautareale, die teils schuppen oder auch nässen.<br />
Die eigentliche Diagnose kann erst durch<br />
eine Probebiopsie gestellt werden, wobei dann<br />
die typischen ‚Pagetzellen’, d. h. neoplastische<br />
Epithelzellen der sekretorischen Anteile<br />
apokriner <strong>Dr</strong>üsen diagnostiziert werden. Der<br />
extramammäre Morbus Paget ist somit ein<br />
Adenokarzinom der apokrinen Schweißdrüsen.<br />
Auf jeden Fall muss durch eine Proktorektoskopie<br />
sowohl ein intraanaler Befall als auch<br />
ein assoziiert vorkommendes tiefsitzendes<br />
Rektumkarzinom ausgeschlossen werden.<br />
Bei Diagnose eines analen extramammären<br />
Morbus Paget muss ein assoziiertes<br />
vorkommendes Rektumkarzinom ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Differentialdiagnostik: Differentialdiagnostisch<br />
muss ein Morbus Paget von einem therapieresistenten<br />
Analekzem unterschieden werden.<br />
Weiterhin muss er von einem Lichen ruber<br />
planus, einem Morbus Bowen oder auch einer<br />
Psoriasis inversa abgegrenzt werden.<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Ein Morbus<br />
Paget zeichnet sich durch einen langsamen,<br />
flächenhaften Wachstumsverlauf aus.<br />
Anale und perianale Neoplasien 15<br />
Abb. 15-6 M. Paget: Situs nach<br />
kompletter Exzision<br />
Ein Morbus Paget besitzt mikrosko-<br />
pisch meist eine deutlich weitere flächenhafte<br />
Ausbreitung als makroskopisch zu<br />
vermuten wäre.<br />
Nach langjährigem Wachstum kann er sich,<br />
nach primär perianalem Befall, nach intraanal<br />
ausbreiten. Die Prognose eines Morbus Paget<br />
wird bestimmt vom Zeitpunkt der Diagnosestellung,<br />
dem Grad der hämato- und lymphogenen<br />
Metastasierung und von simultan auftretenden<br />
Zweitkarzinomen des distalen Rektums. Die<br />
<strong>Therapie</strong> der Wahl besteht in einer frühzeitigen<br />
Exzision weit im Gesunden mit genauer<br />
Untersuchung der Schnittränder, da der Tumor<br />
häufig mikroskopisch häufig sehr viel weiter<br />
fortgeschritten ist, als dies makroskopisch zu<br />
vermuten wäre. Bei sehr großer Ausdehnung<br />
werden auch Erfolge mit einer <strong>Therapie</strong> ähnlich<br />
der eines Analkanalkarzinomes mit einer<br />
kombinierten Radiochemotherapie (50Gy, 5-<br />
Fluorouracil und Mitomycin C) beschrieben,<br />
wobei diese <strong>Therapie</strong> durch Studien nicht sicher<br />
evaluiert ist. Die Wahl der <strong>Therapie</strong> ist somit<br />
abhängig sowohl von der Breiten- als auch<br />
von der Tiefenausdehnung des Tumors bei<br />
Diagnosestellung. Eine engmaschige Nachsorge<br />
ist obligat, um frühzeitig ein lokales Rezidiv<br />
zu erkennen.
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
Zusammenfassung: Der perianale Morbus<br />
Paget ist ein seltenes, langsam flächenhaft<br />
wachsendes Karzinom der sekretorischen<br />
Anteile apokriner Schweißdrüsen. Er muss<br />
differentialdiagnostisch besonders von<br />
einem therapieresistenten Analekzem unterschieden<br />
werden. Die <strong>Therapie</strong> der Wahl<br />
besteht in der histologischen Diagnosesicherung,<br />
gefolgt von einer Exzision weit<br />
im Gesunden.<br />
Analkarzinom<br />
Das Analkarzinom als maligne epitheliale<br />
Läsion der Analregion stellt ein relativ seltenes<br />
Tumorgeschehen dar, das weniger als 2 % der<br />
malignen Tumoren des Gastrointestinaltrakts<br />
ausmacht.<br />
Die makroskopische Klassifikation stützt<br />
sich auf die Lokalisation des Ursprungsortes und<br />
unterscheidet zwischen Analkanalkarzinomen<br />
(etwa 70 %) und Analrandkarzinomen (etwa<br />
30 %). Der histologische Aufbau ist vielgestaltig,<br />
was sich dadurch erklärt, dass im Bereich des<br />
Analkanals an der Grenze von Ektoderm und<br />
Entoderm unterschiedliche epitheliale und<br />
mesenchymale Strukturen nachzuweisen sind.<br />
Da das Analkarzinom besonders zu Beginn<br />
der Manifestation bei der klinischen Untersuchung<br />
wenig auffällig imponiert, ergibt sich die<br />
Forderung, dass alles Gewebe, das am Analrand<br />
und intraanal abgetragen wird, histologisch<br />
untersucht werden muss. Häufig fallen die<br />
Analkarzinome durch eine derbe Induration<br />
ohne entzündliche Begleitkomponente auf. Zu<br />
berücksichtigen ist bei der klinischen Untersuchung<br />
bzw. der Austastung fernerhin, dass<br />
Analkarzinome aus dem oberen analen Kanal<br />
gelegentlich intramural bzw. subepithelial bis<br />
an den Analrand vorwachsen können und dort<br />
derb imponieren. Wegen der unterschiedlichen<br />
therapeutischen Konsequenzen ist die<br />
Trennung zwischen Analkanalkarzinom und<br />
Analrandkarzinom wichtig.<br />
Alles exzidierte Gewebe des Analrandes<br />
und des Analkanals muss histologisch zur<br />
Dignitätsbestimmung untersucht werden.<br />
Analrandkarzinom<br />
Obwohl häufig in Bezug auf das Analkarzinom<br />
keine Unterscheidung zwischen Analrand- und<br />
Analkanalkarzinom vorgenommen wird, sollte<br />
dies in Hinblick auf unterschiedliche <strong>Therapie</strong>ansätze<br />
und Prognosen immer erfolgen. Als<br />
Analrand wird ein ca. 5 cm breiter Hautstreifen<br />
distal der Linea anocutanea bezeichnet.<br />
Analrandkarzinome (Plattenepithelkarzinome,<br />
Spinaliome, Stachelzelltumore) sind langsam<br />
wachsende, lokal infiltrierende Hauttumore<br />
dieser Zone und sollten auch wie Hauttumore<br />
behandelt werden. Der Altersgipfel der Erkrankung<br />
liegt im 5. bis 6. Lebensjahrzehnt mit<br />
einer Geschlechterverteilung von 4:1 männlich<br />
zu weiblich.<br />
Im Hinblick auf die therapeutische Konsequenz<br />
sollte beim Analkarzinom zwischen<br />
einem Analrand- und einem Analkanalkarzinom<br />
unterschieden werden.<br />
Histologische Typisierung Tafel 15-2<br />
des Analrandkarzinomes<br />
WHO 1989/96<br />
• Plattenepithelkarzinom<br />
• Plattenepithelkarzinom in situ (Mb. Bowen)<br />
• Verukköses Karzinom<br />
• Basalzellkarzinom (Basaliom)<br />
• Andere: Morbus Paget extramammär<br />
Ätiologie: Auslösende Faktoren für die Entwicklung<br />
eines Analkarzinomes sind chronische<br />
Entzündungen wie z.B. ein langjähriges Fistelleiden,<br />
ein Morbus Crohn oder eine Radiatio.<br />
Auch Viruserkrankungen, wie z.B. Kondylome,<br />
können Vorläufer eines Analrandkarzinomes<br />
sein. Eine weitere Risikogruppe stellen immunsupprimierte<br />
Patienten wie nach Nierentrans-<br />
135
136<br />
plantation oder bei HIV dar. Analkarzinome<br />
entstehen selten de novo, sondern wachsen<br />
meist auf einer durch die vorgenannten Ursachen<br />
vorgeschädigten Haut.<br />
Symptomatologie: Das Analrandkarzinom<br />
zeigt im Anfangsstadium nur unspezifische<br />
Symptome wie einen Pruritus. Nässen und<br />
Blutungen treten erst nach Ulzerationen auf.<br />
Schmerzen entstehen meist erst nach Infiltration<br />
benachbarter Strukturen wie z. B. des<br />
Sphinkterapparates.<br />
Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose eines Analrandkarzinomes<br />
wird durch Inspektion, Palpation<br />
und Krankheitsverlauf gestellt. Es tastet<br />
sich ein derber glatter bis verrukköser Tumor,<br />
der kaum entzündliche Begleiterscheinungen<br />
zeigt. In fortgeschrittenen Stadien finden sich<br />
auch ein ulzerierter nässender Tumor. Es sollte<br />
immer eine Proktorektoskopie erfolgen, um ein<br />
Übergreifen des Tumors auf den Analkanal<br />
auszuschließen. Abhängig vom Ausmaß des<br />
Einteilung der T-Stadien Tab. 15-1<br />
des Analrandkarzinomes<br />
T1 Tumor misst 2 cm oder weniger in<br />
seiner größten Ausdehnung und wächst<br />
rein oberflächlich oder exophytisch<br />
(oberflächige Lage Stratum papillare<br />
infiltriert, keine Infiltration Stratum<br />
reticulare)<br />
T2 Tumor misst in seiner größten Ausdehnung<br />
mehr als 2 cm, jedoch nicht<br />
mehr als 5 cm, oder Tumor mit minimaler<br />
Infiltration in die Dermis (Grenze zum<br />
Stratum reticulare erreicht)<br />
T3 Tumor misst in seiner größten Ausdehnung<br />
mehr als 5 cm oder Tumor mit<br />
tiefer Infiltration in die Dermis (Infiltration<br />
Stratum reticulare oder Subcutis<br />
erreicht)<br />
T4 Tumor mit Ausdehnung<br />
auf benachbarte Strukturen<br />
(Muskel, Knochen etc.)<br />
Anale und perianale Neoplasien 15<br />
Tumors und dem Ergebnis der Probeexzision<br />
sollten eine Sonographie bzw. Endosonographie<br />
zur Bestimmung der Tiefenausdehnung<br />
und weitere Untersuchungen wie Sonographie<br />
der Leistenlymphknoten und CT bzw. MRT des<br />
Beckens erfolgen. Die weiteren therapeutischen<br />
Schritte werden abhängig gemacht von der<br />
Tumorausdehnung, der Tiefeninfiltration und<br />
dem Grading des Tumors.<br />
Differentialdiagnostik: Differentialdiagnostisch<br />
müssen vom Analrandkarzinom das maligne<br />
Melanom, das Analkanalkarzinom, sowie<br />
Condylome oder benigne Erkrankungen wie<br />
nässende ulzerierende Ekzeme abgegrenzt<br />
werden. Häufige Fehldiagnosen sind Hämorrhoiden,<br />
schlecht heilende Wunden oder auch<br />
Fissuren.<br />
Abb. 15-7<br />
Analrandkarzinom<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Das Analrandkarzinom<br />
ist ein langsam wachsender<br />
Hauttumor des höheren Lebensalters. Es metastasiert<br />
lymphogen meist in die regionalen<br />
Leistenlymphknoten und erst spät nach Infiltration<br />
tieferer Schichten auch hämatogen. Zum<br />
Zeitpunkt der Diagnosestellung liegt bei 15 %<br />
der Patienten abhängig von der Tumorausbreitung<br />
bereits eine lymphogene Metastasierung<br />
vor. Im Stadium T1/2 bei guter bis mäßiger<br />
Differenzierung wird das Analrandkarzinom<br />
wie ein Hautkarzinom durch primäre chirurgische<br />
Exzision mit entsprechendem Sicherheitsabstand<br />
therapiert.
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
Die <strong>Therapie</strong> des kleinen T1-2 -Analrandkarzinoms<br />
erfolgt primär chirurgisch.<br />
Bei höheren Tumorstadien oder bei sphinkternaher<br />
Lage mit der Gefahr einer operationsbedingten<br />
analen Inkontinenz wird auch das<br />
Analrandkarzinom ähnlich dem Analkanalkarzinom<br />
mit einer Radiotherapie oder einer<br />
kombinierten Radiochemotherapie behandelt.<br />
Eine abdominoperineale Amputation ist nur<br />
bei analkanalnaher Lage nach Persistenz nach<br />
Radiochemotherapie und bei einem Rezidiv indiziert.<br />
Bei Befall von Leistenlymphknoten wird<br />
sowohl die radikale chirurgische Entfernung<br />
als auch die Radiatio der Region mit 45-50<br />
Gy empfohlen. Eine engmaschige Nachsorge<br />
wird zum frühzeitigen Erkennen eines Rezidivs<br />
für die Zeitdauer von mindestens fünf Jahren<br />
empfohlen.<br />
Zusammenfassung: Das Analrandkarzinom<br />
ist ein langsam wachsendes Karzinom, das<br />
meist auf bereits vorgeschädigter (Condylome,<br />
Morbus Crohn. Fistelleiden) Haut<br />
entsteht. Es sollte differentialdiagnostisch<br />
wegen unterschiedlicher <strong>Therapie</strong>n vom<br />
Analkanalkarzinom abgegrenzt werden.<br />
Kleinere Tumoren bis zum Stadium T1/2<br />
werden chirurgisch exzidiert, weiter fortgeschrittene<br />
Karzinom werden wie das Analkanalkarzinom<br />
multimodal behandelt.<br />
Analkanalkarzinom<br />
Das Analkanalkarzinom macht etwa 1 % aller<br />
kolorektalen Karzinome aus. Der Analkanal<br />
wird kranial vom Oberrand des M. puborectalis<br />
und kaudal von der Linea anocutanea begrenzt.<br />
Die epitheliale Auskleidung des Analkanals<br />
besteht kranial der Linea dentata im Bereich<br />
der Transitionalzone aus Übergangsepithel, im<br />
oberen Anteil distal der Linea dentata aus nicht<br />
verhornendem Plattenepithel und im unteren<br />
Anteil aus verhornendem Plattenepithel jeweils<br />
ohne Hautanhangsgebilde.<br />
Im Gegensatz zum Analrandkarzinom sind<br />
Frauen etwas häufiger vom Analkanalkarzinom<br />
betroffen als Männer. Ca. 75% der Analkanalkarzinome<br />
entstehen aus dem Übergangsepithel<br />
proximal der Linea dentata, ca. 25% aus dem<br />
Plattenepithel distal der Linea dentata. Der<br />
Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen<br />
dem 6. und 7. Lebensjahrzehnt.<br />
Ätiologie: Als Risikofaktoren für die Entwicklung<br />
eines Analkanalkarzinomes zählen eine HPV<br />
Infektion (HPV 16), ein Immundefizit, häufiger<br />
Analverkehr und auch ein Nikotinabusus.<br />
Symptomatologie: Das Analkanalkarzinom äußert<br />
sich meist durch unspezifische Symptome<br />
wie Juckreiz, Nässen und peranale Blutungen.<br />
Bei Infiltration der Sphinktermuskulatur kommt<br />
es zunehmend zu Kontinenzproblemen und<br />
Schmerzen auch unabhängig von der Defäkation.<br />
Ca. 10 % der Analkanalkarzinome werden<br />
wegen ihrer geringen Symptomatik erst im<br />
Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen oder<br />
urologischen Untersuchungen diagnostiziert.<br />
Diagnostik: Jedes therapierefraktäre Ulkus im<br />
Analkanal sollte unter der Verdachtsdiagnose<br />
eines Analkanalkarzinomes diagnostiziert werden.<br />
Die primäre Diagnostik geschieht durch Inspektion<br />
nach Spreizen der Nates und Palpation<br />
des Analkanals. Durch eine Proktorektoskopie<br />
kann die genaue Lage des Karzinoms verifiziert<br />
werden. Als weiterführende Untersuchung<br />
sind die Bestimmung von CEA und SCC, eine<br />
Sonographie des Abdomens und/oder eine CT<br />
oder MRT des Beckens und der Leistenregion,<br />
eine Koloskopie sowie ein Röntgen-Thorax<br />
angezeigt. Mittels einer hoch auflösenden<br />
Endosonographie kann die Infiltrationstiefe<br />
des Tumors bestimmt werden.<br />
Kleinere Tumoren von weniger als einem<br />
Zentimeter Durchmesser können mittels Totalbiopsie<br />
entfernt werden. Größere Tumoren<br />
sollten zur weiteren <strong>Therapie</strong>planung zur Bestimmung<br />
der Malignität und des Gradings<br />
biopsiert werden. Hierbei ist die Unterscheidung<br />
zwischen einem Plattenepithelkarzinom<br />
und einem auf den Analkanal übergreifenden<br />
Adenokarzinom des Rektums bzw. einem recht<br />
seltenen primären Adenokarzinom der Proktodäaldrüsen<br />
wichtig.<br />
137
138<br />
T-Stadien des Tab. 15-2<br />
Analkanalkarzinomes<br />
Tis Carcinoma in situ<br />
T1 Tumor < 2 cm oder 1/3 der Zirkumferenz<br />
oder Länge des Analkanals umfassend,<br />
keine Infiltration des äußeren Schließmuskels<br />
T2 Tumor > 2 cm aber < 5 cm in größter<br />
Ausdehnung oder mehr als 1/3 der<br />
Zirkumferenz oder Länge des Analkanals<br />
umfassend oder Infiltration des äußeren<br />
Schließmuskels<br />
T3 Tumorgröße > 5 cm in größter Ausdehnung<br />
oder Infiltration von Rektum oder<br />
perianaler Haut<br />
T4 Tumor jeder Größe mit Infiltration benachbarter<br />
Organe, wie Vagina, Urethra oder<br />
Harnblase (Befall der Sphinktermuskulatur<br />
wird nicht als T4 bezeichnet !)<br />
Histologische Typisierung Tafel 15-3<br />
des Analkanalkarzinomes<br />
WHO 1989/96<br />
Plattenepithelkarzinom (kloakogenes Karzinom)<br />
• großzellig verhornendes<br />
• großzellig nicht-verhornendes<br />
• basaloides<br />
Adenokarzinom<br />
• vom rektalen Typ<br />
• der Analdrüsen<br />
• in anorektalen Fisteln<br />
Kleinzelliges (»oat cell«) Karzinom<br />
Undifferenziertes Karzinom<br />
Ein therapieresistentes Ulkus im Analkanal<br />
muss histologisch auf ein Analkanalkarzinom<br />
untersucht werden.<br />
Anale und perianale Neoplasien 15<br />
Differentialdiagnostik: Häufige Fehldiagnosen<br />
des Analkanalkarzinoms sind blutende Hämorrhoiden,<br />
Fissuren, andere schlecht heilende<br />
Wunden oder ein chronisches Analekzem.<br />
Differentialdiagnostisch müssen Präkanzerosen<br />
wie der M. Paget oder der M. Bowen<br />
ebenso abgegrenzt werden wie das anorektale<br />
Melanom, das Basaliom und das Analrandkarzinom.<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Das Analkanalkarzinom<br />
wächst primär als lokal infiltrierender<br />
Tumor. Es nimmt je nach Lage und Infiltrationstiefe<br />
des Tumors drei Metastasierungswege<br />
nach inguinal, iliakal oder mesorektal ein. Die<br />
Metastasierung des Analkanalkarzinoms erfolgt<br />
frühzeitig lymphogen entlang der großen<br />
Gefäße und später hämatogen in Leber und<br />
Lunge. Kleinere Plattenepithelkarzinome im<br />
Stadium pTis ohne nachgewiesene Lymphknotenmetastasen<br />
und ohne Infiltration der<br />
Linea dentata können bei guter Differenzierung<br />
lokal exzidiert werden und bedürfen dann,<br />
bis auf eine engmaschige Nachsorge, keiner<br />
weiteren <strong>Therapie</strong>.<br />
Gut differenzierte Analkanalkarzinome<br />
im Stadium pTis können lokal chirurgisch<br />
exzidiert werden.<br />
Bei größeren Tumoren im Stadium T1 mit<br />
tieferer Infiltration ist unklar, ob die alleinige<br />
Exzision bessere Ergebnisse erbringt als die<br />
Radiochemotherapie. Bei allen höheren Tumorstadien,<br />
insbesondere auch beim Nachweis<br />
von Lymphknotenmetastasen, ist die primäre<br />
<strong>Therapie</strong>, abgesehen von der Diagnosesicherung<br />
durch eine Biopsie, keine chirurgische. Neuere<br />
Studien haben ergeben, dass eine kombinierte<br />
Radiochemotherapie der alleinigen Radiotherapie<br />
überlegen ist. Das <strong>Therapie</strong>schema<br />
besteht aus einer sechswöchigen Bestrahlung<br />
mit insgesamt 50,4 Gy, wobei begleitend in<br />
der ersten und fünften Woche 5-Fluoruracil<br />
und Mitomycin C appliziert werden. In aktuell<br />
laufenden Studien werden Mitomycin C gegen<br />
Cisplatin getestet, wobei eine abschließende<br />
Beurteilung noch nicht erfolgen kann. Simultan<br />
wird bei Tumoren ab zwei Zentimeter eine Be-
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
strahlung der Leistenlymphknoten empfohlen.<br />
Bei vorbestehender Inkontinenz oder drohender<br />
Ulzeration kann ein protektives Stoma vor<br />
Radiatio angelegt werden. Frühestens nach<br />
sechs Wochen, besser erst nach drei Monaten<br />
sollte ein Restaging mit Biopsiestanzen aus<br />
dem Bestrahlungsgebiet erfolgen. Bei Tumorpersistenz<br />
oder im Falle eines Tumorrezidives<br />
muss eine abdominoperineale Amputation<br />
erwogen werden.<br />
Das Adenokarzinom des Analkanals<br />
wird primär behandelt wie ein tiefsitzendes<br />
Rektumkarzinom. Inwieweit auch hier eine<br />
neoadjuvante <strong>Therapie</strong> vor abdominoperinealer<br />
Amputation eine Prognoseverbesserung<br />
erbringen kann, ist noch nicht geklärt.<br />
Abb. 15-8 Analkanalkarzinom mit<br />
submukösem Wachstum.<br />
Nachsorge: Die Nachsorge des therapierten<br />
Analkanalkarzinoms sollte engmaschig über<br />
mindesten fünf Jahre mit körperlicher Untersuchung,<br />
Proktorektoskopie, Endosonographie,<br />
Sonographie des Abdomens, Röntgenthorax und<br />
CT des Beckens und der Leisten erfolgen.<br />
Prognose: Bei gut differenzierten Tumoren<br />
kleiner fünf Zentimeter, die distal lokalisiert<br />
waren, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate<br />
bis zu 85%. Bei nicht lokal exzidierbaren Tumoren<br />
im proximalen Analkanal sinkt diese<br />
auf ca. 50% ab.<br />
Zusammenfassung: Das Analkanalkarzinom<br />
wächst langsam infiltrierend und sollte<br />
wegen unterschiedlicher <strong>Therapie</strong>modalitäten<br />
vom Analrandkarzinom unterschieden<br />
werden. Differentialdiagnostisch muss besonders<br />
ein tiefsitzendes Rektumkarzinom<br />
ausgeschlossen werden. Im Stadium Tis und<br />
eingeschränkt T1 ist die <strong>Therapie</strong> eine rein<br />
chirurgische. Alle höheren Stadien werden<br />
primär radiochemotherapiert und erst bei<br />
Tumorpersistenz oder bei einem Rezidiv<br />
chirurgisch durch eine abdominoperineale<br />
Amputation behandelt.<br />
Anorektales Melanom<br />
Das anorektale Melanom ist ein seltener Tumor<br />
und betrifft nur 1 – 3 % aller malignen<br />
Melanome. Es entsteht aus entarteten Melanoblasten<br />
der Analhaut. Der Altersmedian liegt<br />
jenseits des 60. Lebensjahres, eine eindeutige<br />
Geschlechtsspezifität zeigte sich bisher nicht.<br />
In der Literatur sind bisher kaum mehr als 500<br />
Fälle eines anorektalen malignen Melanomes<br />
beschrieben worden.<br />
Ätiologie: Der Entstehungsmechanismus des<br />
anorektalen malignen Melanoms ist noch nicht<br />
geklärt. Die UV-Einstrahlung kann bei nicht<br />
dem Sonnenlicht ausgesetzter Körperregion<br />
keine Rolle spielen. Der Tumor entsteht aus<br />
Melanoblasten des Anorektums, beginnt meist<br />
etwas distal der Linea dentata und breitet sich<br />
dann submukös auf das distale Rektum aus.<br />
Jedoch werden auch maligne Melanome beschrieben,<br />
die ihren Ausgang von Melanozyten<br />
des distalen Rektums nehmen. Die Inzidenz ist<br />
bei HIV-positiven Patienten erhöht. Beispiele<br />
von Spontanremissionen und aggressiven<br />
Verläufen bei immunsupprimierten Patienten<br />
zeigen die Bedeutung von immunologischen<br />
Faktoren bei der Tumorprogression.<br />
Symptomatologie: Die Symptomatologie des<br />
malignen Melanoms ist eher unspezifisch. Patienten<br />
äußern mitunter ein <strong>Dr</strong>uckgefühl, sowie<br />
Nässen und einen Juckreiz. Im Frühstadium<br />
139
140<br />
wird das maligne Melanom häufig im Rahmen<br />
einer Vorsorgeuntersuchung oder z.B. einer<br />
Hämorrhoidektomie zufällig diagnostiziert.<br />
Klinik: Bei dem malignen Melanom handelt es<br />
sich um einen meist im Bereich der Linea dentata<br />
wachsenden Tumor. Dieser kann pigmentiert<br />
sein, jedoch werden in 30 – 50% Prozent<br />
der Fälle auch amelanotische, unpigmentierte<br />
Tumoren beschrieben. Häufig hat der Tumor<br />
zum Zeitpunkt der Diagnose eine gewisse<br />
Tumordicke und Tiefeninvasion erreicht, was<br />
sich als prognostisch schlechter Faktor erweist.<br />
Bei der klinischen Untersuchung imponiert der<br />
Tumor als leicht erhabene Veränderung, in<br />
seiner pigmentierten Form mit schwärzlichem<br />
Farbton, in der amelanotischen Form kaum<br />
von der Umgebung zu unterscheiden. Beim<br />
fortgeschrittenen Tumor zeigen sich zentrale<br />
Ulzerationen.<br />
Diagnostik: Die Diagnostik beginnt mit der<br />
Inspektion und Palpation des Tumors. Mittels<br />
Proktorektoskopie kann die Ausbreitung in<br />
Richtung des distalen Rektums bestimmt werden.<br />
Die Sonographie der Leistenlymphknoten<br />
bzw. die CT von Becken und Leisten sollten eine<br />
lymphonoduläre Metastasierung klären. Durch<br />
eine hochauflösende Endosonographie und<br />
folgender Probebiopsie kann dann die vertikale<br />
Tumordicke nach BRESLOW und die Invasionstiefe<br />
nach CLARK bestimmt werden. Es werden<br />
histologisch fünf unterschiedliche Typen des<br />
malignen Melanoms unterschieden.<br />
Histologische Einteilung Tafel 15-4<br />
des malignen Melanoms<br />
nach Typen<br />
• Superfiziell spreitendes Melanom (SSM)<br />
• Lentigo-maligna Melanom (LMM)<br />
• Noduläres Melanom (NM)<br />
• Akrolentiginöses Melanom (ALM)<br />
• Nicht klassifizierbares Melanom (UCM)<br />
Anale und perianale Neoplasien 15<br />
Entsprechend seiner lymphonodulären Metastasierung<br />
wird das maligne Melanom klinisch<br />
in drei Stadien eingeteilt:<br />
Stadieneinteilung des Tab. 15-3<br />
malignen Melanoms<br />
Stadium I lokalisiertes Tumorwachstum<br />
Stadium II lokalisiertes Tumorwachstum<br />
mit regionären Lymphknotenmetastasen<br />
Stadium III lokalisiertes Tumorwachstum<br />
mit Fernmetastasen<br />
Differentialdiagnostik: Das maligne Melanom<br />
kann für den Ungeübten leicht mit einem<br />
Hämorrhoidalknoten oder einer Perianalvenenthrombose<br />
verwechselt werden. Histologisch<br />
muss beim ulzerierten Tumor besonders auch<br />
das pigmentierte Basalzellkarzinom abgegrenzt<br />
werden.<br />
Häufig wird das maligne Melanom des<br />
Anorektums als Zufallsbefund in einem<br />
Resektat z.B. im Rahmen einer Hämorrhoidektomie<br />
diagnostiziert.<br />
Krankheitsverlauf und <strong>Therapie</strong>: Da es sich<br />
beim malignen Melanom um einen biologisch<br />
aggressiven Tumor handelt, hängt die<br />
Prognose wesentlich von der frühzeitigen<br />
Erkennung und entsprechenden konsequenten<br />
<strong>Therapie</strong> ab. <strong>Therapie</strong> der Wahl ist die<br />
Exzision weit im Gesunden, im individuellen<br />
Fall unter Opferung des Kontinenzorganes im<br />
Sinne einer abdominoperinealen Amputation.<br />
Eine eindeutige Überlegenheit dieses Eingriffs<br />
gegenüber der ausgedehnten lokalen Exzision<br />
lässt sich andererseits nicht aufzeigen, so<br />
dass – in Wertung der Lebensqualität – die<br />
<strong>Therapie</strong>option den möglichen Organerhalt<br />
berücksichtigen sollte.<br />
<strong>Therapie</strong> der Wahl beim anorektalen<br />
malignen Melanom ist die Exzision weit<br />
im Gesunden ggf. auch unter Opferung des<br />
Kontinenzorganes.
15 Anale und perianale Neoplasien<br />
Eine prophylaktische Lymphknotendissektion<br />
wird nicht empfohlen, befallene Lymphknoten<br />
werden im Rahmen der operativen <strong>Therapie</strong><br />
jedoch mit entfernt. Eine adjuvante <strong>Therapie</strong><br />
mit Radiochemotherapie oder Immuntherapie<br />
findet sich bei der Behandlung des anorektalen<br />
Melanoms im Gegensatz zur Behandlung<br />
des kutanen malignen Melanoms noch in der<br />
klinischen Erprobung und kann nicht generell<br />
empfohlen werden.<br />
Abb. 15-9 Anales Melanom<br />
Prognose: Die Prognose des anorektalen Melanoms<br />
hängt wesentlich von der Tumordicke<br />
und der Invasionstiefe ab. Zwischen 40 und 70<br />
Prozent der Melanome haben zum Zeitpunkt der<br />
Diagnosestellung bereits lymphogen und/oder<br />
hämatogen metastasiert. Die 5-Jahres-Überlebensrate<br />
beträgt nur zwischen 5 und 22%. Bei<br />
einer Fernmetastasierung ist die Prognose meist<br />
infaust. Eine intensive Nachsorge mit Proktorektoskopie<br />
und Schnittbilduntersuchungen des<br />
kleinen Beckens sollte zumindest in den ersten<br />
fünf Jahren nach der Primärtherapie durchgeführt<br />
werden, um frühzeitig lokale Rezidive<br />
nachweisen und therapieren zu können.<br />
Zusammenfassung: Das maligne Melanom<br />
ist ein seltenes, jedoch biologisch<br />
aggressives Malignom des Anorektums.<br />
Differentialdiagnostisch kann das maligne<br />
Melanom in der Frühphase besonders mit<br />
einem Hämorrhoidalknoten oder einer Perianalvenenthrombose<br />
verwechselt werden.<br />
Essentiell ist die frühzeitige Diagnose und<br />
konsequente chirurgische <strong>Therapie</strong>. Die<br />
Prognose ist bei lokaler Metastasierung und<br />
besonders bei einer Fernmetastasierung als<br />
schlecht zu bewerten.<br />
Nicht-epitheliale Tumoren<br />
der Analregion<br />
Tumoren des Analkanals und<br />
der Rektumwand<br />
Selten werden im Analkanal und im distalen<br />
Rektum maligne, nichtepitheliale Tumoren,<br />
ausgehend von den tiefen Schichten von Analkanal<br />
und Darmwand, nachgewiesen. Diese<br />
malignen Tumoren (Fibrosarkom, Liposarkom,<br />
Leiomyosarkom, Rhabdomyosarkom, Neurosarkom)<br />
imponieren üblicherweise aufgrund<br />
des Tastbefundes oder ggf. durch eine Prolapssymptomatik<br />
oder eine Stenosierung des<br />
Anallumens bzw. des distalen Rektums. Die<br />
<strong>Therapie</strong> zielt dabei möglichst auf die primäre,<br />
komplette lokale Exzision. Die histologische<br />
Aufarbeitung mittels Schnellschnitt vermag<br />
häufig nicht, zweifelsfrei die Dignität zu klären.<br />
Auch die endgültige histologische Aufarbeitung<br />
erlaubt bei den seltenen Tumoren gelegentlich<br />
keine sichere Klassifizierung, so dass in diesen<br />
Fällen eine engmaschige Kontrolle des Lokalbefundes<br />
durchzuführen ist.<br />
Selten findet sich perianal auch die Manifestation<br />
eines malignen Lymphoms, das<br />
sich zumeist als eine liquide Einschmelzung,<br />
ähnlich einem Analabszess, zeigt. Die operative<br />
Freilegung solcher Einschmelzungen ist nicht<br />
unproblematisch, da hier eine geschwächte<br />
Situation der körperlichen Abwehr besteht. Aus<br />
differentialdiagnostischen Überlegungen heraus<br />
kann es vor einer Abszesseröffnung sinnvoll<br />
sein, eine solche Ursache mittels Untersuchung<br />
des Blutbildes auszuschließen.<br />
Retrorektale Tumoren<br />
Das letztgenannte diagnostische Problem findet<br />
sich auch bei den präsakral gelegenen,<br />
retrorektalen Tumoren, deren polymorphes<br />
histologisches Bild oftmals darin begründet ist,<br />
dass es sich hierbei um Fehlbildungen handelt,<br />
die unterschiedliche Anteile des Keimgewebes<br />
beinhalten. Die Tumoren sind entweder zystisch<br />
oder solide. Unter den zystischen Tumoren<br />
141
142<br />
finden sich gelegentlich auch Duplikaturen des<br />
Rektums oder eines weiter proximal gelegenen<br />
Teiles des Intestinaltrakts.<br />
Das klinische Bild offenbart eine zunehmende<br />
Raumforderung, die oftmals erst im<br />
Erwachsenenalter manifest wird. Der operative<br />
Zugang zu den Tumoren sollte nach<br />
Möglichkeit die Strukturen des Anorektums<br />
unangetastet lassen und beispielsweise über<br />
einen posterioren Zugang zum Präsakralraum<br />
erfolgen.<br />
Zusammenfassung: Die nichtepithelialen<br />
Tumoren der anorektalen Region stellen<br />
seltene Tumorentitäten dar. Nur eine<br />
adäquate prätherapeutische Diagnostik<br />
kann operative Zugangswege und weiteres<br />
therapeutisches Procedere klären. Oft<br />
kann Dignität und Prognose der Tumore<br />
erst nach chirurgischer Entfernung geklärt<br />
werden.<br />
Anale und perianale Neoplasien 15
16 Tumoren des Kolorektums<br />
16 Tumoren des Kolorektums<br />
Kolorektale Polypen 144<br />
Epidemiologie 144<br />
Klassifikation von Kolon- und Rektumpolypen 144<br />
Adenom-Karzinom-Sequenz 145<br />
<strong>Therapie</strong> kolorektaler Polypen 146<br />
Nachsorge nach Polypektomie 148<br />
Kolorektales Karzinom 148<br />
Epidemiologie 148<br />
Ätiopathogenese 149<br />
Symptomatik 149<br />
Klassifikation 149<br />
Früherkennung und Prävention 149<br />
Diagnostik 152<br />
Operative <strong>Therapie</strong> 152<br />
Aktuelle Entwicklungen beim Rektumkarzinom 153<br />
Adjuvante und neoadjuvante <strong>Therapie</strong> 154<br />
Prognose 154<br />
Nachsorge 155<br />
143
144<br />
Kolorektale Polypen<br />
Unter einem Polypen im Dickdarm wird<br />
eine Gewebsvermehrung nicht-neoplastischer<br />
oder neoplastischer Art verstanden, wobei<br />
die Möglichkeit einer malignen Transformation<br />
für einige neoplastische Formen gesichert<br />
ist.<br />
Epidemiologie<br />
Etwa 10 % aller Menschen in westlichen Ländern<br />
entwickeln im Laufe ihres Lebens kolorektale<br />
Polypen. Die Wahrscheinlichkeit, kolorektale<br />
Polypen zu entwickeln, steigt besonders ab dem<br />
50. Lebensjahr an und liegt bei über 40 % ab<br />
dem 70. Lebensjahr. Die Verteilung kolorektaler<br />
Polypen im Kolonrahmen ist unterschiedlich.<br />
So befinden sich ca. 10 % im C. ascendens,<br />
und je ca. 30-35 % im C. sigmoideum und<br />
im Rektum.<br />
Klassifikation von Kolon-<br />
und Rektumpolypen<br />
Die neoplastischen Polypen werden anhand<br />
ihrer histologischen Struktur analog zum<br />
überwiegenden Aufbau des <strong>Dr</strong>üsengewebes<br />
in tubuläre, tubulovillöse und villöse Adenome<br />
eingeteilt. Nach der Häufigkeit überwiegen<br />
die tubulären Adenome mit 75 %, gefolgt von<br />
tubulovillösen Adenomen mit 15 % und den<br />
villösen Adenomen mit 10 % aller Polpyen.<br />
Bei Diagnose sind bis zu 40 % der villösen<br />
Tumoren des Kolorektums 16<br />
Adenome bereits entartet, während dies nur<br />
bei ca. 20 % der tubulovillösen und bei ca. 5 %<br />
der tubulären Adenome der Fall ist.<br />
Aufgrund der makroskopischen Wuchsform<br />
unterscheidet man den gestielten Polypen von<br />
breitbasigen Polypen.<br />
Die Vorstufen der karzinomatösen Entartung<br />
werden bei den neoplastischen Polypen<br />
anhand der Zahl der mitotischen Zellen<br />
histologisch definiert. Die früher gebräuchliche<br />
Einteilung nach Dysplasiegraden I bis III<br />
(leichtgradig, mittelgradig und schwergradig)<br />
ist heute ersetzt durch die Einteilung nach der<br />
modifizierten Wien-Klassifikation der gastrointestinalen<br />
epithelialen Tumoren mit dem neuen<br />
Begriff der intraepithelialen Neoplasie. Derzeit<br />
werden beide Einteilungen noch nebeneinander<br />
verwendet. Durch die Wien-Klassifikation ist<br />
aber eine Änderung eingetreten insofern, als<br />
der frühere Grad II (mittelgradige Dysplasie)<br />
entfallen ist. Die Kategorie 3 entspricht dem<br />
früheren Grad I und Grad II. Sämtliche Kategorien<br />
4 entsprechen dem früheren Grad III<br />
(»Adenom mit schwergradiger Dysplasie«). Die<br />
Kategorie 5 entspricht dem Stadium T1 des<br />
kolorektalen Karzinoms, da hier ein invasives<br />
Wachstum vorliegt.<br />
Polypen können multipel vorkommen.<br />
Der Nachweis von mehr als 100 Polypen wird<br />
als Polypose definiert. Die familiäre Polypose<br />
(fam. Adenomatosis coli) ist eine autosomaldominant<br />
vererbte Erkrankung, die als obligate<br />
Präkanzerose anzusehen ist. Die betroffenen<br />
Patienten müssen deswegen rechtzeitig<br />
kolektomiert werden. Multiple Polypen in<br />
Klassifikation der Kolon- und Rektumpolypen Tab.16-1<br />
Neoplastische Polypen Nichtneoplastische Polypen<br />
Adenome: metaplastischer Polyp<br />
Tubuläres<br />
Adenom<br />
Tubulovillöses<br />
Adenom<br />
Villöses Adenom entzündlicher Polyp<br />
Adenokarzinom hamartomatöse Polypen:<br />
Peutz-Jeghers-<br />
Polyp<br />
juveniler Polyp
16 Tumoren des Kolorektums<br />
Modifizierte Tab. 16-2<br />
Wien-Klassifikation der<br />
kolorektalen Adenome<br />
Kat. 1 keine Neoplasie<br />
Kat. 2 »indefinite« (fragliche) Neoplasie<br />
Kat. 3 geringgradige intraepitheliale<br />
Neoplasie / low-grade adenoma<br />
(Adenom mit leichter Dysplasie)<br />
Kat. 4 Hochgradige intraepitheliale Neoplasie<br />
Kat. 4.1 High-grade adenoma<br />
(Adenom mit schwerer Dysplasie)<br />
Kat. 4.2 Nichtinvasives Karz. (Carcinoma in situ)<br />
Kat. 4.3 Verdacht auf invasives Karzinom<br />
Kat. 4.4 Intramukosales Karzinom<br />
Kat. 5 Submukosales invasives Karzinom (d.h.<br />
mindestens T1-Karzinom mit Invasion<br />
der Submukosa oder tieferer Schichten.<br />
Nach der Infiltrationstiefe in der<br />
Submukosa wird in sm1, sm2 und<br />
sm3 unterschieden.)<br />
definierten Kolonabschnitten rechtfertigen<br />
mitunter Segmentresektionen. Unter einem<br />
GARDNER-Syndrom versteht man das gleichzeitige<br />
Vorkommen einer familiären Adenomatose<br />
mit Knochen- und Bindegewebstumoren.<br />
Metaplastische Polypen imponieren makroskopisch<br />
durch eine im Vergleich zur Mukosa<br />
eher helle Färbung. Sie stellen die häufigsten<br />
polypösen Befunde im Kolon dar, wobei ihr<br />
Nachweis keine Konsequenzen hat.<br />
Entzündliche Polypen bilden sich im Bereich<br />
von Schleimhautregeneraten bei entzündlichen<br />
Wandläsionen, etwa beim M. Crohn.<br />
Bei der Peutz-Jeghers-Polyposis handelt es<br />
sich um eine einfach-dominant vererbte Erkrankung,<br />
die gekennzeichnet ist durch Pigmentflecken<br />
im Bereich der Wangenschleimhaut und<br />
perioral in Verbindung mit hamartomatösen<br />
Darmpolypen. Der Nachweis eines einzelnen<br />
Peutz-Jeghers-Polypen sollte Anlass sein zu<br />
einer einmaligen endoskopischen Kontrolle<br />
nach etwa 3jährigem Intervall. Eine Karzinomentstehung<br />
auf dem Boden einer Peutz-<br />
Jeghers-Polyposis findet sich extrem selten.<br />
Bei den juvenilen Polypen handelt es sich<br />
ebenfalls um nichtneoplastische Polypen, die<br />
zumeist im oberen Analkanal oder im Rektum<br />
lokalisiert sind. Mitunter treten sie multipel auf.<br />
Im Fall der juvenilen Polypose besteht ein geringes<br />
Entartungsrisiko.<br />
Adenom-Karzinom-Sequenz<br />
Die Entstehung von 70-80 % kolorektaler Karzinome<br />
aus Adenomen kann als gesichert<br />
gelten. Die Entwicklungsdauer eines kolorektalen<br />
Karzinoms aus einem Adenom kann<br />
bis zu 10 Jahre betragen. Zur Entwicklung<br />
eines Karzinomes bedarf es unterschiedlicher<br />
aufeinander folgender molekulargenetischer<br />
Veränderungen, welche von einem normalen<br />
Epithel über ein hyperproliferatives Epithel<br />
zum Adenom und schließlich zum Karzinom<br />
führen. Hierbei spielen sowohl Onkogene als<br />
auch Tumorsuppressorgene eine Rolle. Am<br />
besten untersucht sind bis heute Veränderungen<br />
im K-ras-Onkogen sowie bei den Tumorsuppressorgenen<br />
das p-53-Gen, das APC-Gen, das<br />
MCC-Gen und das DCC-Gen. Es sind immer<br />
mehrere genetische Veränderungen nötig, um<br />
letztendlich aus einem normalen Epithel ein<br />
Karzinom entstehen zu lassen. In den letzten<br />
Jahren wurde ein weiterer Entstehungsweg des<br />
kolorektalen Karzinomes aufgedeckt, wobei<br />
dieses ‚de-novo’ ohne die Entstehung eines<br />
Adenomes sich direkt als infiltrierendes, flaches<br />
Karzinom entwickeln kann. Das Entartungsrisiko<br />
liegt bei einer Polypengröße von unter 10<br />
Millimeter bei ca. 0,4 % und steigt bei einem<br />
Durchmesser von mehr als 40 Millimeter auf<br />
bis zu 70 % an. Breitbasigkeit oder villöser<br />
Aufbau machen die Entartung wahrscheinlicher.<br />
Schleimhautulzerationen oder Induration<br />
des Polypengewebes können ebenfalls auf<br />
eine maligne Transformation hinweisen. Man<br />
schätzt heute, dass ca. 5 % aller Adenome<br />
die Potenz zur malignen Entartung in sich<br />
tragen und weiterhin sich die überwiegende<br />
Mehrzahl der kolorektalen Karzinome aus<br />
Adenomen entwickelt. Daher gilt die komplette<br />
145
146<br />
Abtragung von Adenomen etwa im Rahmen<br />
einer Koloskopie als Karzinomprophylaxe. Die<br />
neoplastischen Veränderungen beginnen in der<br />
Mukosa mit stark atypischen Proliferationen.<br />
Nach der Definition der WHO gilt diese atypische<br />
Proliferation so lange noch nicht als<br />
Karzinom, wie die Lamina muscularis mucosae<br />
nicht erreicht ist. Diese Einteilung gründet<br />
auf der anatomischen Grundlage, dass in der<br />
Wand des Kolons die Lymphgefäße nur bis<br />
zur Lamina muscularis mucosae reichen. Das<br />
atypische Zellwachstum oberhalb dieser Zone<br />
kann daher noch keine lymphogene Metastasierung<br />
auslösen. Eine lokale chirurgische<br />
Behandlung aller auf die Mukosa begrenzten<br />
Adenome bis zur Kategorie IV der mod. Wien-<br />
Klassifikation erscheint daher gerechtfertigt.<br />
Mit Überschreitung der Lamina muscularis<br />
mucosae und Infiltration der Submukosa liegt<br />
ein Karzinom im T1-Stadium vor.<br />
<strong>Therapie</strong> kolorektaler Polypen<br />
Der Nachweis eines adenomatösen Polypen<br />
anlässlich einer partiellen endoskopischen<br />
Untersuchung sollte regelhaft die totale Koloskopie<br />
zur Suche nach weiteren Polypen nach<br />
sich ziehen. Die Abtragung mittels Biopsiezange,<br />
Schlingenpolypektomie oder Exzision<br />
bei transanal erreichbarer Höhe kann als Karzinomprophylaxe<br />
gelten. Alle aufgefundenen<br />
Polypen sollten abgetragen werden. Anhand<br />
der histologischen Aufarbeitung des Stieles<br />
bzw. der Basis des Polypen wird die Effizienz<br />
Abb. 16-1 Chromoendoskopische Darstellung<br />
eines Kolonpolpyen<br />
Tumoren des Kolorektums 16<br />
dieser lokalen <strong>Therapie</strong> überprüft und ggf. eine<br />
weitergehende operative Indikation gestellt.<br />
Um eine solche Aussage treffen zu können, ist<br />
die komplette Entfernung und Aufarbeitung<br />
Abb. 16-2 Unterspritzung eines Kolonpolypen mit<br />
angefärbter Adrenalin-Kochsalz-Lösung<br />
(Totalbiopsie) des Polypen nötig.<br />
Der Pathologe kann aufgrund der Morphologie<br />
des Polpyen und unter Berücksichtigung der<br />
histologischen Schnitte darüber entscheiden,<br />
ob im individuellen Fall eine Nachresektion<br />
erforderlich ist. Die ausschließliche Probeexzision<br />
aus einem adenomatösen Polypen<br />
erlaubt keine Aussage darüber, ob nicht doch<br />
in den nicht biopsierten Anteilen des Polypen<br />
ein invasives Karzinom vorliegt.<br />
Entsprechend der oben aufgeführten mod.<br />
Wien-Klassifikation zeigen Befunde der Kategorie<br />
1 und 2 Probleme der histologischen<br />
Beurteilung an, die sich aus Fehlern bei der<br />
Biopsieentnahme oder bei unsicherer Korrelation<br />
zwischen makroskopischem und<br />
mikroskopischem Befund ergeben können.<br />
Hier sind ggf. neuerliche Biopsieentnahmen<br />
im Rahmen des Follow-up erforderlich.<br />
Für die Einteilung in die Kategorien 3 bis 5<br />
der mod. Wien-Klassifikation ist nach wie vor die<br />
Beziehung der Polypen zur Lamina muscularis<br />
mucosae von Bedeutung. Oberhalb (lumenwärts)<br />
dieser Zone finden sich keine Lymphgefäße.<br />
Aus diesem Grund ist bei dieser Ausdehnung<br />
des Polypenwachstums auch keine potentielle<br />
lymphogene Ausbreitung möglich. Die Kategorien<br />
3 und 4 beschreiben darum low-grade- und<br />
high-grade-Adenome, deren Nachweis nicht
16 Tumoren des Kolorektums<br />
Abb. 16-3 Abtragungsstelle eines Kolonpolypen<br />
nach endoskopischer Mukosaresektion<br />
die klinischen Konsequenzen haben wie der<br />
Nachweis einer Kategorie 5, die ja das Vorliegen<br />
eines invasiven Karzinoms anzeigt.<br />
Die Kategorien 3 und 4 beschreiben zwar<br />
eine unterschiedliche maligne Potenz aufgrund<br />
zellulärer Kriterien und der Wuchsform<br />
des Tumorzellhaufens innerhalb der Lamina<br />
mucosa. Bei korrekter Abtragung des Polypen<br />
und sicher möglicher kompletter histologischer<br />
Beurteilung ergibt sich aber in keinem Fall eine<br />
Indikation für weitergehende chirurgische Maßnahmen,<br />
da die Lamina muscularis mucosae<br />
nicht durchbrochen ist. Die durch die Wien-<br />
Klassifikation neu eingeführten Begriffe des<br />
»Carcinoma in situ« und des »intramukosalen<br />
Karzinoms« sind insofern zunächst irreführend.<br />
Sie sind aus dem mikroskopischen Aufbau<br />
der Tumoren aber als sinnvoll zu bewerten,<br />
wenngleich immer zu berücksichtigen ist,<br />
dass sich wegen der fehlenden lymphogenen<br />
Metastasierungstendenz keine chirurgischen<br />
Konsequenzen ergeben. Die aufsteigende Differenzierung<br />
der Befunde innerhalb der Kategorie<br />
4 gibt einen klinisch wichtigen Hinweis<br />
auf eine im Einzelfall höhere maligne Potenz<br />
der Polypen bei immer aber fehlendem infiltrativen<br />
Wachstum in die Lamina muscularis<br />
mucosae bzw. über diese Schicht hinaus. Die<br />
Kategorie 5 ist identisch mit dem T1-Stadium<br />
des kolorektalen Karzinoms. Das T1-Karzinom<br />
ist im Einzelfall mit einer lokalen <strong>Therapie</strong><br />
unter kurativem Ansatz behandelbar. Für die<br />
Entscheidung zur ausschließlichen lokalen<br />
<strong>Therapie</strong> ist die Bewertung der Infiltrationstiefe<br />
und des Gradings ausschlaggebend. Neben<br />
der Bewertung der Infiltration der Lamina<br />
muscularis mucosae (T1) ist auch die weitere<br />
Infiltrationstiefe in die Submukosa (sm1 bis<br />
sm3) wichtig. Eine Infiltration bis sm3 (unteres<br />
<strong>Dr</strong>ittel, nahe der Lamina muscularis propria)<br />
schließt eine lokale Behandlung mit kurativem<br />
Anspruch aus! Zusätzlich wird das Grading<br />
entsprechend G1 bis G3 festgelegt. Zusätzlich<br />
sollte bei Abtragung eines T1-Karzinomes, falls<br />
pathologisch möglich, die Lymphgefäßinvasion<br />
(L0 oder L1)) und die Veneninvasion (V0<br />
oder V1) des Tumors mit beschrieben werden.<br />
Hieraus läßt sich ein T1-Karzinom mit lowrisk-Situation<br />
bzgl. einer bereits stattgehabten<br />
Metastasierung von einer high-risk-Situation<br />
abgrenzen.<br />
Einteilung der T1-Karzinome Tab. 16-3<br />
in Risikoklassen<br />
Low-risk T1 sm1 oder sm2, G1 oder G2, L0, V0<br />
High-risk T1 sm3 oder G3 oder L1 oder V1<br />
Abb.16-4 Transanale Tumorabtragung: Exposition<br />
des Befundes mit Haltefäden<br />
Das Karzinom der low-risk-Klassifikation ist<br />
lokal kurativ therapierbar, d.h. es erfordert<br />
keine Radikaloperation mit Lymphadenektomie.<br />
Bei einer lokalen, transanalen Abtragung<br />
von T1-Rektumkarzinomen ist zusätzlich aber<br />
die Größe der Läsion zu berücksichtigen. Eine<br />
lokale Abtragung eines Karzinoms mit einem<br />
Durchmesser von über 3 cm wird als nicht<br />
ausreichend angesehen.<br />
147
148<br />
Nachsorge nach Polypektomie<br />
Nach Abtragung nichtneoplastischer Polypen<br />
besteht keine Notwendigkeit einer routinemäßigen<br />
endoskopischen Nachsorge. Die endoskopische<br />
Abtragung eines kolorektalen Adenoms<br />
macht routinemäßige Kontrollen erforderlich,<br />
die in einem entsprechend dem histologischen<br />
Ergebnis festzulegenden Intervall erfolgen. So<br />
sollte nach kompletter Abtragung eines oder<br />
mehrerer Adenome eine Nachsorgekoloskopie<br />
nach 3 Jahren erfolgen, bei dann adenomfreiem<br />
Kolon nach weiteren 5 Jahren erneut. Nach<br />
R0-Abtragung eines pT1-Karzinomes vom<br />
low-risk-Typ erfolgen Kontrollendoskopien<br />
nach 6, 24 und 60 Monaten. Sollte histopathologisch<br />
ein low-risk-Karzinom als R1-Resektion<br />
definiert werden, muss endoskopisch<br />
oder chirurgisch nachreseziert werden, sollte<br />
ein high-risk-pT1-Karzinom festgestellt werden,<br />
muss chirurgisch nachreseziert werden.<br />
Nachsorgeschema Tab. 16-4<br />
nach Polypektomie<br />
Typ des<br />
Polypen<br />
Hyperplast<br />
bzw. kein<br />
Adenom<br />
unvollständige<br />
Polypektomie<br />
Koloskopie-<br />
Intervall<br />
Nächste<br />
Intervalle<br />
keine > 55a im<br />
Abstand von<br />
10 Jahren<br />
innerhalb von<br />
3 Monaten<br />
abhängig von<br />
Histologie<br />
Adenome 3 Jahre 5 Jahre<br />
Karzinom pT1,<br />
G1/G2 und L0<br />
Karzinom pT1,<br />
G3/G4 oder L1<br />
6 Monate 3 Jahre,<br />
dann 5 Jahre<br />
chir. Resektion<br />
indiziert<br />
3 Jahre,<br />
dann 5 Jahre<br />
Tumoren des Kolorektums 16<br />
Zusammenfassung: Bei den kolorektalen<br />
Polypen werden neoplastische von nichtneoplastischen<br />
Polypen unterschieden.<br />
Die neoplastischen Veränderungen der<br />
kolorektalen Adenome sollten nach der<br />
mod. Wien-Klassifikation festgelegt werden.<br />
Nach der Theorie der Adenom-Karzinom-<br />
Sequenz entstehen bis zu 80% der Adenokarzinome<br />
des Kolons aus Adenomen.<br />
Zur Entwicklung eines Adenomkarzinoms<br />
aus einem Adenom bedarf es einer Reihe<br />
unterschiedlicher aufeinander folgender<br />
molekulargenetischer Veränderungen von<br />
Onkogenen und Tumorsuppressorgenen.<br />
Therapeutisch und zur histologischen Differenzierung<br />
sollten sämtliche kolorektale<br />
Polypen komplett abgetragen werden. Auch<br />
für die Sondergruppe der sog. kolorektalen<br />
low-risk-Karzinome kann eine lokale endoskopische<br />
Abtragung ohne Lymphadenektomie<br />
ausreichend sein. Die Abtragung<br />
neoplastischer kolorektaler Polypen macht<br />
eine regelmäßige Nachsorge entsprechend des<br />
histologischen Ergebnisses erforderlich.<br />
Kolorektales Karzinom<br />
Epidemiologie<br />
Zur Epidemiologie des kolorektalen Karzinoms<br />
sind in den letzten Jahren zahlreiche Einzelfaktoren<br />
bekannt geworden, die aber alle zusammen<br />
bisher keine gesicherten Erkenntnisse<br />
zur Ursachenforschung ergeben haben, welche<br />
sich in einem geänderten <strong>Therapie</strong>konzept oder<br />
in einem Konzept zur Prophylaxe niedergeschlagen<br />
hätten.<br />
Die Inzidenz der Erkrankung steigt in den<br />
westlichen Industrienationen an. Etwa 60 %<br />
aller kolorektalen Karzinome finden sich im<br />
Rektum, weitere 20 % im Sigma. Kolon transversum<br />
und Kolon deszendens sind relativ<br />
selten betroffen. Das Rektumkarzinom zeigt<br />
eine Zunahme der Inzidenz. Weiterhin steigt<br />
die Inzidenz mit dem Lebensalter an. Über 90 %<br />
der kolorektalen Karzinome entstehen nach<br />
dem 50. Lebensjahr mit einem Altersgipfel
16 Tumoren des Kolorektums<br />
zwischen dem 60. und dem 75. Lebensjahr.<br />
Das kumulative Risiko, an einem kolorektalen<br />
Karzinom zu erkranken, liegt in der westlichen<br />
Welt bei ca. 6 %. Seit 1978 steht die Mortalität<br />
des kolorektalen Karzinoms in der BRD an zweiter<br />
Stelle unter den malignen Erkrankungen<br />
(Inzidenz 41 bis 52/100000/Jahr).<br />
Ätiopathogenese<br />
Es werden als prädisponierende Faktoren sowohl<br />
genetische als auch sozioökonomische<br />
Faktoren diskutiert. Die sozioökonomischen<br />
Faktoren dürften überwiegend auf unterschiedlichen<br />
Ernährungs- und Lebensgewohnheiten<br />
beruhen. Die vermehrte Aufnahme von ungesättigten<br />
Fettsäuren und proteinreicher Ernährung,<br />
verbunden mit einer ballaststoffarmen<br />
Kost und körperlicher Inaktivität, erhöht das<br />
Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu<br />
erkranken. Eine fettreiche Kost führt zur vermehrten<br />
Ausscheidung von neutralen Sterolen<br />
und Gallensäuren, die von Darmbakterien zu<br />
karzinogenen Metaboliten abgebaut werden<br />
können. Ein sicherer Beweis dieser Hypothese<br />
steht aber noch aus. Weitere exogene<br />
Faktoren sind Alkohol- und Nikotinabusus<br />
sowie die Einnahme von anthrachinonhaltigen<br />
Laxanzien.<br />
Während für die Gruppe der sporadisch<br />
auftretenden kolorektalen Karzinome noch<br />
kein genetisch prädisponierender Faktor identifiziert<br />
werden konnte, ist dieser z. B. bei der<br />
FAP (familiäre adenomatöse Polypose) mit<br />
einer autosomal-dominant vererbten Mutation<br />
auf dem APC-Gen bekannt. Für das HNPCC<br />
(hereditäres nonpolypöses Colorectales Carcinom)<br />
sind bereits sechs Genlokalisationen<br />
bekannt, deren Veränderungen zur Ausbildung<br />
eines kolorektalen Karzinoms führen können.<br />
Aufgrund des fehlenden Phänotyps mussten<br />
klinische Kriterien, die sog. Amersterdam II-<br />
Kritierien (vgl. Tafel 16-1) erstellt werden, um<br />
diese Risikogruppe zu charakterisieren.<br />
Als weitere Risikofaktoren zur Entwicklung<br />
von kolorektalen Karzinomen gelten<br />
eine positive Familienanamnese, kolorektale<br />
Adenome und chronisch entzündliche Darmerkrankungen.<br />
So steigt bei Patienten mit einer<br />
Pancolitis ulcerosa die Wahrscheinlichkeit, ein<br />
kolorektales Karzinom zu entwickeln, nach 10<br />
Jahren auf 40 % an.<br />
Symptomatik<br />
Das kolorektale Karzinom verursacht im Frühstadium<br />
für den Patienten kaum Symptome. Bei<br />
tiefsitzenden Karzinomen sind Leitsymptome<br />
die peranale Blutung und Blut- und Schleimbeimengungen<br />
bei der Defäkation. Das Karzinom<br />
im Kolon aszendens und Kolon transversum<br />
wächst meist symptomlos und äußert sich im<br />
fortgeschrittenen Stadium. Dann finden sich<br />
Gewichtsverlust, Leistungsknick und insbesondere<br />
beim Karzinom des linken Kolons eine<br />
Stenosesymptomatik mit paradoxen Diarrhoen<br />
und Änderungen der Stuhlgewohnheiten. Bei<br />
6 bis 16 % der kolorektalen Karzinome ist<br />
das Ileusstadium bzw. die Obstruktion erstes<br />
Symptom des Karzinoms.<br />
Klassifikation<br />
Als Standardklassifikation für das kolorektale<br />
Karzinom gilt die UICC-TNM-Klassifikation,<br />
welche neben der Infiltrationstiefe des Tumors<br />
(T-Stadium) die lymphonoduläre Metastasierung<br />
(N-Stadium) und die Fernmetastasierung<br />
(M-Stadium) berücksichtigt. Weitere prognostische<br />
Parameter sind Differenzierung des Tumors<br />
in ein gutes (G1), mäßiges (G2), schlechtes (G3)<br />
und undiffernenziertes (G4) Stadium und die<br />
Radikalität der Resektion (R0 kein Residualtumor,<br />
R1 mikroskopischer Residualtumor, R2<br />
makroskopischer Residualtumor).<br />
Früherkennung und Prävention<br />
Trotz entsprechender Aufklärung der Bevölkerung<br />
wird die Diagnose des kolorektalen Karzinoms<br />
weiterhin sowohl durch den Patienten<br />
selbst als auch durch den Arzt verschleppt.<br />
Die Symptome werden zunächst verharmlost<br />
und die diagnostische Abklärung wird aufgeschoben.<br />
Fortschritte in der Behandlung des<br />
kolorektalen Karzinoms erscheinen aber nur<br />
mit einer frühzeitigen Diagnose und somit dem<br />
Tumornachweis in einem früheren Stadium<br />
149
150<br />
möglich, da die chirurgische <strong>Therapie</strong> verbunden<br />
mit der adjuvanten und neoadjuvanten<br />
<strong>Therapie</strong> einen maximalen Standard erreicht<br />
hat und kausale konservative <strong>Therapie</strong>formen<br />
noch nicht in Sicht sind.<br />
Die Koloskopie und koloskopische Polypektomie<br />
kann eine Prophylaxe des kolorektalen<br />
Karzinoms leisten. Aus diesem Grund wurde<br />
in Deutschland zum letzten Quartal 2002 die<br />
Vorsorgekoloskopie eingeführt. Berechtigt<br />
sind sozialversicherte Personen, die das 55.<br />
Lebensjahr vollendet haben. Eine zweite Un-<br />
Tumoren des Kolorektums 16<br />
TNM-Klassifikation des kolorektalen Karzinoms Tab.16-5<br />
T1 Infiltration der Submukosa<br />
T2 Infiltration der Muscularis propria<br />
T3 Infiltration durch die Muscularis propria in die Subserosa oder nicht<br />
peritonealisiertes, perikolisches oder perirektales Gewebe<br />
T4 Infiltration anderer Organe oder Strukturen und/oder Perforation<br />
des viszeralen Peritoneums<br />
N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen<br />
N1 Metastasen in 1-3 regionären Lymphknoten<br />
N2 Metastasen in 4 oder mehr regionären Lymphknoten<br />
M0 Keine Fernmetastasen<br />
M1 Fernmetastasen<br />
UICC-TNM-Stadieneinteilung des kolorektalen Karzinoms Tab. 16-6<br />
UICC-Stadium T-Stadium N-Stadium M-Stadium Dukes-Stadium (Rektum)<br />
Stadium I T1,T2 N0 M0 Dukes A<br />
Stadium IIa T3 N0 M0 Dukes B<br />
Stadium IIb T4 N0 M0<br />
Stadium IIIa T1,T2 N1 M0 Dukes C<br />
Stadium IIIb T3,T4 N1 M0<br />
Stadium IIIc jedes T N2 M0<br />
Stadium IV jedes T jedes N M1 Dukes D<br />
tersuchung ist 10 Jahre später vorgesehen. Ein<br />
solches Programm gibt es derzeit weltweit nur<br />
in Deutschland. Es ist als Screening-Untersuchung<br />
bei asymptomatischen Personen mit<br />
durchschnittlichem Risiko der Entwicklung<br />
eines kolorektalen Karzinoms vorgesehen.<br />
Eine Vorsorgekoloskopie kann als<br />
Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms<br />
gelten.
16 Tumoren des Kolorektums<br />
Das sind etwa 75% der Patienten mit einem<br />
kolorektalen Karzinom. Bei den restlichen<br />
25% entwickelt sich das Karzinom aufgrund<br />
besonderer Risiken, sodass hierbei auch besondere<br />
Strategien zur Vorsorge verfolgt werden<br />
müssen. So sollte bei der FAP (familiäre adenomatöse<br />
Polypose), die ein 100%iges Risiko zur<br />
Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms in<br />
sich birgt, bereits ab dem zehnten Lebensjahr<br />
jährlich eine Rektosigmoidoskopie durchgeführt<br />
werden und vor dem 20. Lebensjahr eine restaurative<br />
Proktokolektomie erfolgen, um die<br />
Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms<br />
zu vermeiden. Bei dem HNPCC (hereditäres<br />
nicht-polypöses Colorectales Carcinom) wird<br />
wegen des fehlenden Phänotyps (bei einem<br />
Lebenszeitrisiko von 80% zur Entwicklung<br />
eines kolorektalen Karzinoms) beim Vorliegen<br />
der Amsterdam-II-Kritierien (vgl. nachfolgende<br />
Tafel) ab dem 25. Lebensjahr jährlich<br />
eine Koloskopie empfohlen. Nach Detektion<br />
eines kolorektalen Karzinoms sollte dies nach<br />
tumorchirurgischen Gesichtspunkten reseziert<br />
und engmaschig koloskopisch nachgesorgt<br />
werden.<br />
Auch Patienten mit chronisch entzündlichen<br />
Darmerkrankungen haben gegenüber der<br />
asymptomatischen Bevölkerung ein erhöhtes<br />
Amsterdam-II-Kriterien Tafel 16-1<br />
für das HNPCC (alle Kriterien<br />
müssen erfüllt sein)<br />
• Mindestens drei Familienangehörige mit<br />
HNPCC-assoziiertem Karzinom (Kolon / Rektum,<br />
Endometrium, Dünndarm, Nierenbecken/Ureter)<br />
• Einer davon Verwandter ersten Grades<br />
der beiden anderen<br />
• Erkrankungen in mindestens zwei<br />
aufeinander folgenden Generationen<br />
• Mindestens ein Patient mit der Diagnose<br />
eines Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr<br />
• Ausschluss einer FAP<br />
Risiko zur Entwicklung eines kolorektalen<br />
Karzinoms. So wird zur Früherkennung bei<br />
der Colitis ulcerosa nach mehr als 8-jährigem<br />
Verlauf, bei der Linksseitenkolitis bei<br />
mehr als 15-jährigem Verlauf jährlich eine<br />
Koloskopie und beim Nachweis hochgradiger<br />
intraepithelialer Neoplasien dann bereits eine<br />
Proktokolektomie empfohlen. Eine generelle<br />
Empfehlung zur präventiven endoskopischen<br />
Überwachung bei Vorliegen eines Morbus Crohn<br />
wird zurzeit noch nicht gegeben.<br />
Präventive Koloskopie zur Früherkennung von Tafel 16-7<br />
kolorektalen Polypen und Karzinomen<br />
Normalbevölkerung ab dem 55. Lebensjahr alle 10 Jahre<br />
Patienten mit kolorektalen Adenomen 3 Jahre nach Abtragung des Polypen, falls ohne<br />
Befund dann nach fünf Jahren<br />
Erstgradig Verwandte von Patienten mit<br />
kolorektalem Adenom vor dem 50. LJ<br />
Erstgradig Verwandte von<br />
Patienten mit FAP<br />
Erstgradig Verwandte von Patienten<br />
mit HNPCC<br />
10 Jahre vor Indexpatienten, falls ohne<br />
Befund alle 10 Jahre<br />
bei Genträgern ab dem 10. Lebensjahr humangenetische<br />
Beratung und jährliche Rektosigmoidoskopie, falls Adenome<br />
Koloskopie<br />
ab dem 25. Lebensjahr jährliche Koloskopie<br />
Patienten mit Colitis ulcerosa bei Pancolitis länger als 8 Jahre oder Linksseitencolitis länger<br />
als 15 Jahre jährliche Koloskopie mit Stufenbiopsien<br />
Patienten mit Morbus Crohn keine generelle Empfehlung<br />
151
152<br />
Diagnostik<br />
Die präoperative Diagnostik des kolorektalen<br />
Karzinoms beinhaltet neben einer ausführlichen<br />
Anamnese und klinischen Untersuchung<br />
obligat eine Koloskopie zur bioptischen Diagnosesicherung<br />
und zum Ausschluss weiterer<br />
intraluminärer Tumoren. Ist eine komplette<br />
Koloskopie vor der operativen <strong>Therapie</strong> nicht<br />
möglich, sollten die kranialen Kolonabschnitte<br />
durch einen Kolonkontrasteinlauf oder durch<br />
eine CT-Kolonographie abgeklärt werden und<br />
eine komplette Koloskopie spätestens 3 bis 6<br />
Monate nach operativer <strong>Therapie</strong> erfolgen.<br />
Weiterhin sollten präoperativ eine Sonographie<br />
des Abdomens, eine Röntgenaufnahme des<br />
Präoperative Diagnostik Tafel 16-2<br />
des Rektumkarzinoms<br />
• Anamnese<br />
• Rö-Thorax<br />
• digitale Untersuchung<br />
• starre Rektoskopie<br />
• Koloskopie<br />
• Endosonographie<br />
• Sonographie Abdomen<br />
• ggf. CT oder MRT<br />
• ggf. Manometrie<br />
Tumoren des Kolorektums 16<br />
Thorax und eine Bestimmung des CEA-Wertes<br />
zur späteren Verlaufskontrolle im Rahmen der<br />
Nachsorge durchgeführt werden. Zur präoperativen<br />
Diagnostik des Rektumkarzinoms<br />
sollte zusätzlich eine starre Rektoskopie zur<br />
genauen Lokalisation des Befundes erfolgen<br />
(vgl. nachfolgende Übersicht). Neben der digitalen<br />
Untersuchung kann in bestimmten Fällen<br />
eine Manometrie zur Prüfung der Sphinkterfunktion<br />
sinnvoll sein. Eine Endosonographie<br />
kann mit einer Sensitivität von über 90% die<br />
Tiefeninfiltration eines Rektumtumors, mit<br />
einer Sensitivität von bis zu 70% vergrößerte<br />
perirektale Lymphknoten nachweisen und<br />
damit zur Klärung der Indikation einer neoadjuvanten<br />
<strong>Therapie</strong> des Rektumkarzinoms oder<br />
beim Nachweis einer low-risk-Situation einer<br />
lokalen Abtragung beitragen. Gegebenenfalls<br />
kann auch eine CT oder ein Dünnschicht-<br />
MRT die Ausbreitung des Tumors verifizieren.<br />
Operative <strong>Therapie</strong><br />
Bei der <strong>Therapie</strong> des kolorektalen Karzinoms<br />
muss bzgl. der operativen Taktik zwischen dem<br />
Kolonkarzinom und dem Rektumkarzinom<br />
unterschieden werden. Da die intramurale<br />
Ausbreitung des kolorektalen Karzinoms nur<br />
wenige Millimeter beträgt, wird das Resekti-<br />
Chirurgische <strong>Therapie</strong> des Kolonkarzinoms – Resektionsausmaß Tab. 16-8<br />
Karzinom Coecum /C. ascendens Hemikolektomie rechts mit stammnahem Absetzen der Art.<br />
ileocolica und Art. colica dextra mit Ileo-Transversostomie<br />
Karzinom rechte Flexur/prox.<br />
C. transversum<br />
erweiterte Hemikolektomie rechts mit stammnahem Absetzen<br />
zusätzlich der Art. colica media und Ileo-Deszendostomie<br />
Karzinom C. transversum Transversumresektion mit stammnahem Absetzen der Art.<br />
colica media und Aszendo-Deszendostomie<br />
Karzinom linke Flexur / dist. C. transversum erweiterte Hemikolektomie links mit stammnahem<br />
Absetzen der Art. colica media und Art. colica sinistra<br />
mit Transversosigmoidostomie<br />
Karzinom C. descendens Hemikolektomie links mit stammnahem Absetzen der Art.<br />
mesenterica inferior und Transversorektostomie<br />
Karzinom C. sigmoideum Sigmaresektion mit Absetzen der Art. mesenterica inferior<br />
und Deszendorektostomie
16 Tumoren des Kolorektums<br />
onsausmaß im Wesentlichen durch die Gefäßversorgung<br />
und das hierdurch definierte<br />
Lymphabflussgebiet bestimmt. Hierdurch<br />
ergeben sich typische Vorgehensweisen zur<br />
Resektion von Kolonsegmenten abhängig von<br />
der Tumorlokalisation (vgl. Tabelle 16-8).<br />
Perioperative Antibiotikaprophylaxe und<br />
subtile Operationstechnik, teils schon als standardisierter<br />
laparoskopischer Eingriff, haben die<br />
elektive Resektion zu einem Eingriff mit einer<br />
niedrigen Komplikationsrate werden lassen. Die<br />
früher übliche Vorbereitung mit orthograder<br />
Darmlavage wurde in bestimmten kolorektalen<br />
Zentren bereits zugunsten einer ‚fast-track-<br />
Chirurgie‘ verlassen, wobei keine präoperative<br />
Darmlavage mehr durchgeführt wird und die<br />
Patienten frühzeitig wieder voll enteral ernährt<br />
werden. Erste vergleichende Studienergebnisse<br />
zeigen eher einen Vorteil in Bezug auf<br />
die Anastomosenheilung in der Gruppe ohne<br />
Darmlavage und mit frühzeitiger enteraler<br />
Ernährung. Zusätzlich wurde das Augenmerk<br />
trotz der inzwischen eingeführten maschinellen<br />
Nahtapparate auf eine Verbesserung der Nahttechnik<br />
bei der Anastomosierung gerichtet.<br />
Als Ergebnis ist heute die einreihige Naht in<br />
Einzelknopftechnik oder als fortlaufende Naht<br />
mit exakter Adaptierung der Wandschichten<br />
»auf Stoß« als Standardtechnik etabliert.<br />
Aktuelle Entwicklungen beim<br />
Rektumkarzinom<br />
Die exakte Kenntnis der Lymphabflusswege<br />
aus den unterschiedlichen Rektumetagen und<br />
der intramuralen Ausbreitung des Rektumkarzinoms<br />
hat zu einem Wandel der <strong>Therapie</strong><br />
geführt. Insbesondere die Arbeiten von HEALD,<br />
der die Bedeutung der totalen mesorektalen<br />
Exzision (TME) beim Rektumkarzinom im<br />
mittleren und unteren <strong>Dr</strong>ittel belegen konnte,<br />
hatten einen Wandel der Operationstechnik<br />
beim Rektumkarzinom zur Folge. Heute werden<br />
mehr Rektumkarzinome kontinenzerhaltend<br />
reseziert. Die abdominoperineale Amputation gilt<br />
besonders für das Karzinom der mittleren Rektumetage<br />
nicht mehr als Vorgehen der Wahl.<br />
Es besteht außerdem Einigkeit darüber,<br />
dass das Karzinom der oberen Rektumetage<br />
immer kontinenzerhaltend operiert wird. Dies<br />
erfolgt über eine anteriore Rektumresektion mit<br />
einer kolorektalen Anastomose unter partieller<br />
Mitnahme des Mesorektums bis 5 cm distal des<br />
tastbaren Tumorunterrandes.<br />
Das Karzinom der mittleren und unteren<br />
Etage sollte möglichst ebenfalls kontinenzerhaltend,<br />
ggf. unter Anlage eines Kolonpouches<br />
zur Verbesserung der postoperativen Entleerungsfunktion<br />
und Kontinenzleistung, reseziert<br />
werden. Entscheidend ist aber ein erreichbarer<br />
Sicherheitsabstand von 2 cm (Stad. T2) bis 3<br />
cm (Stad. T3) am nicht ausgespannten Präparat<br />
und die totale Entfernung des Mesorektums.<br />
Entsprechend der Differenzierung des Tumors<br />
(Grading) und der Tumorgröße muss im individuellen<br />
Fall auch ein größerer Sicherheitsabstand<br />
gewählt werden. Dieses ist aufgrund<br />
der anatomisch-technischen Probleme mitunter<br />
leichter unter Zuhilfenahme von Nahtapparaten<br />
möglich. Eine abdominoperineale Resektion mit<br />
Anlage eines definitiven Kolostomas sollte bei<br />
supraanalen Rektumtumoren, bei denen kein<br />
adäquater Sicherheitsabstand erreicht werden<br />
kann, bei sphinkterinfiltrierenden Tumoren<br />
und bei bereits präoperativ unzureichender<br />
Kontinenzleistung als Operationsmethode der<br />
Wahl gesehen werden.<br />
Bei der operativen <strong>Therapie</strong> des Rektumkarzinomes<br />
des mittleren und unteren<br />
<strong>Dr</strong>ittels ist heute eine totale mesorektale<br />
Exzison (TME) obligat.<br />
Abb. 16-5 Aufgespanntes Vollwandexzisat<br />
eines low-risk-Rektumkarzinomes<br />
153
154<br />
Eine Sonderform der operativen Behandlung<br />
stellt die transanale Vollwandresektion von<br />
sogenannten »low-risk-Karzinomen« (s.a. Tab<br />
16-3) des Rektums dar. Diese gut bis mäßig<br />
differenzierten, auf maximal das obere <strong>Dr</strong>ittel<br />
der Submukosa übergreifenden (T1sm1, G1 oder<br />
G2, Durchmesser < 2 cm) Rektumkarzinome<br />
haben ein lymphogenes Metastasierungsrisiko<br />
von weniger als 5 %. Somit erscheint es in<br />
ausgewählten Fällen gerechtfertigt, diese ohne<br />
eine Lymphadenektomie mit entsprechendem<br />
lokalem Sicherheitsabstand zu resezieren. Dies<br />
erfolgt entweder in der offenen Technik nach<br />
PARKS oder als transanale endoskopische<br />
Mikrochirurgie (TEM).<br />
Adjuvante und<br />
neoadjuvante <strong>Therapie</strong><br />
Für das Kolonkarzinom ist eine adjuvante<br />
<strong>Therapie</strong> nach operativer Behandlung für das<br />
UICC-Stadium III indiziert. Für das Stadium<br />
I und II wird eine Behandlung derzeit nicht<br />
empfohlen. In ausgewählten Fällen, wie z.B.<br />
Tumoreröffnung intraoperativ oder ein Stadium<br />
T4N0 kann auch im Stadium II eine adjuvante<br />
<strong>Therapie</strong> sinnvoll sein. Unter den verschiedenen<br />
<strong>Therapie</strong>schemata kam bisher am häufigsten<br />
als first-line <strong>Therapie</strong> das MAYO-Schema mit<br />
5-FU und Folinsäure zur Anwendung. Neuere<br />
Studien belegen einen Überlebensvorteil bei<br />
Anwendung des FOLFOX-Schemas (LV/5-FU2<br />
und Oxaliplatin) gegenüber dem MAYO-Schema.<br />
Als palliative <strong>Therapie</strong>schemata oder als<br />
second-line <strong>Therapie</strong>n werden neben den oben<br />
genannten auch das FOLFIRI-Protokoll mit<br />
Irinotecan oder als Monotherapie das Capecitabine<br />
empfohlen. Die <strong>Therapie</strong>empfehlungen<br />
sind aber anhaltend im Fluss.<br />
Für das Rektumkarzinom ist eine adjuvante<br />
<strong>Therapie</strong> in den Stadien II und III immer dann<br />
indiziert, wenn präoperativ keine neoadjuvante<br />
<strong>Therapie</strong> erfolgt ist. Als Standardtherapie gilt<br />
eine kombinierte Radiochemotherapie ab der<br />
4. bis 6. Woche postoperativ. Die Bestrahlung<br />
erfolgt fraktioniert bis zu einer Gesamtdosis von<br />
50,4 Gy. Für R0-resezierte Rektumkarzinome<br />
im Stadium I wird keine adjuvante <strong>Therapie</strong><br />
empfohlen.<br />
Tumoren des Kolorektums 16<br />
Derzeit wird eine neoadjuvante <strong>Therapie</strong> entweder<br />
als präoperative Radiochemotherapie in<br />
der Standarddosierung oder als Kurzzeitvorbestrahlung<br />
für die Stadien II und III des Rektumkarzinoms<br />
empfohlen. Hierbei muss vor der<br />
neoadjuvanten <strong>Therapie</strong> die Tiefeninfiltration<br />
des Tumors und eine mögliche lymphonoduläre<br />
Metastasierung entweder durch eine exakte<br />
Endosonographie (uT und uN) oder durch ein<br />
Dünnschicht-MRT (cT und cN) ermittelt werden.<br />
Ob die kombinierte Radiochemotherapie in der<br />
Standarddosierung präoperativ über 6 Wochen<br />
oder eine Kurzzeitvorbestrahlung mit 5x5Gy<br />
über eine Woche das überlegene Verfahren<br />
darstellt, ist derzeit Gegenstand laufender Studien.<br />
Ein Nebeneffekt der präoperativen Radiochemotherapie<br />
in Standarddosierung ist eine<br />
im Einzelfall deutlichere Tumorschrumpfung.<br />
Dies kann insbesondere bei sphinkternahen<br />
Tumoren einen Vorteil bezüglich des Spinktererhalts<br />
erbringen.<br />
Bei intendiertem Sphinktererhalt des<br />
analnah sitzenden Rektumkarzinoms<br />
scheint die neoadjuvante <strong>Therapie</strong> über<br />
6 Wochen wegen der besseren Tumorverkleinerung<br />
der Kurzzeitvorbestrahlung<br />
überlegen zu sein.<br />
Prognose<br />
Die tägliche Praxis zeigt trotz Propagierung<br />
der Vorsorgemaßnahmen, dass ein Großteil<br />
der Tumorpatienten erst im fortgeschrittenen<br />
Krankheitsstadium zur <strong>Therapie</strong> kommt. Nach<br />
wie vor sind etwa 10 – 15 % der kolorektalen<br />
Karzinome zum Zeitpunkt der Diagnosestellung<br />
bereits inoperabel. Mindestens ebenso<br />
viele Tumorpatienten kommen im Ileus zur<br />
Operation. In diesen Fällen konnten die Ergebnisse<br />
durch die moderne Intensivmedizin<br />
und schonendere Narkoseverfahren verbessert<br />
werden. In prospektiven Studien konnte zudem<br />
gezeigt werden, dass das mehrzeitige operative<br />
Vorgehen dem primär resezierenden Vorgehen<br />
nicht prinzipiell überlegen ist. Auch bei<br />
älteren Patienten können sogar ausgedehnte<br />
Resektionen im Ileus durch die Elimination<br />
septischer Herde den postoperativen Verlauf
16 Tumoren des Kolorektums<br />
günstig beeinflussen. Besonders für das Rektumkarzinom<br />
konnte durch die oben genannte<br />
Verfeinerung der Operationsmethoden mit TME<br />
und schichtgerechtem Präparieren die Lokalrezidivquote<br />
auf unter 5% gesenkt werden. Die<br />
5-Jahresüberlebensquote für das kolorektale<br />
Karzinom liegt heute für das Stadium I (T1/2N0)<br />
bei 85-95%, für das Stadium II (T3/4N0) bei<br />
60-80% und für das Stadium III (TxN1/2) bei<br />
30-60%, im Stadium IV (TxNxM1) bei weniger<br />
als 5%. Über alle Stadien betrachtet liegt die<br />
5-Jahresüberlebensrate bei 40-60%.<br />
Nachsorge<br />
Ziel der Nachsorge ist die frühzeitige Erkennung<br />
des lokoregionären Rezidivs und einer<br />
noch operablen Fernmetastase. Da Rezidive<br />
oder Fernmetastasen häufig im Anfangsstadium<br />
symptomlos sind und da bis zu 80%<br />
der Befunde in den ersten zwei Jahren postoperativ<br />
auftreten, sollte die Nachsorge in<br />
diesem Zeitraum engmaschig erfolgen. Nach<br />
fünf Jahren werden praktisch keine Rezidive<br />
mehr festgestellt. Für das Stadium I wird keine<br />
gesonderte Nachsorge empfohlen. Ab dem<br />
Stadium II sollte eine Nachsorge anhand des<br />
unten aufgeführten Schemas erfolgen. (vgl.<br />
Tab. 16-9).<br />
Trotz frühzeitiger Erkennung eines Rezidives<br />
oder einer Fernmetastasierung ist für die<br />
Gesamtgruppe der nachgesorgten Patienten<br />
der statistische Überlebenszeitgewinn nach<br />
erneuter entsprechender <strong>Therapie</strong> marginal.<br />
Die Nachsorge hat aber neben der medizinischen<br />
Qualitätssicherung und Ergebniskontrolle<br />
auch die Aufgabe einer psychosomatischen<br />
und sozialen Rehabilitation der Patienten.<br />
Als Tumormarker hat sich das CEA bewährt.<br />
Ein Anstieg dieses Parameters kann dem diagnostisch<br />
fassbaren Rezidiv vorausgehen und<br />
in zweifelhafter Nachsorgesituation Anlass<br />
für weitergehende Untersuchungen wie CT,<br />
NMR oder auch PET sein. Schließlich muss die<br />
Nachsorge wegen einer erhöhten Wahrscheinlichkeit<br />
eines metachronen Karzinoms nach<br />
fünf Jahren wieder in eine programmgerechte<br />
Vorsorge einmünden.<br />
Zusammenfassung: Das kolorektale Karzinom<br />
steht bezogen auf die Mortalität an<br />
zweiter Stelle der malignen Erkrankungen.<br />
Als Risikogruppen für die Entwicklung eines<br />
kolorektalen Karzinoms gelten Verwandte von<br />
Adenom- oder Karzinompatienten, Patienten<br />
mit bestimmten Keimbahnmutationen (z. B.<br />
FAP, HNPCC) und Patienten mit einer chro-<br />
Nachsorgeempfehlung bei Patienten mit kolorektalem Karzinom Tab.16-9<br />
ab UICC-Stadium II und III<br />
Untersuchung Monate<br />
3 6 12 18 24 36 48 60<br />
Anamnese, körperl. Untersuchung, CEA X X X X X X<br />
Koloskopie X*) X**)<br />
Abdomensonographie X X X X X X X<br />
Rektoskopie / Sigmoidoskopie ***) X X X X<br />
Spiral-CT ****) X<br />
Röntgen-Thorax (kein Konsens)<br />
*) falls keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist<br />
**) bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren<br />
***) nur beim Rektumkarzinom ohne adjuvante/neoadjuvante Radiochemotherapie<br />
****) nur beim Rektumkarzinom 3 Monate nach Abschluss der <strong>Therapie</strong> als Ausgangsbefund<br />
155
156<br />
nisch entzündlichen Darmerkrankung. Die<br />
kolorektalen Karzinome werden nach der<br />
UICC-TNM-Klassifikation eingeteilt. Das beste<br />
Verfahren zur Prävention des kolorektalen<br />
Karzinomes ist die Koloskopie mit Abtragung<br />
aller kolorektalen Polypen. Kolonkarzinome<br />
werden entsprechend der Lymphabflussgebiete<br />
und der arteriellen Versorgung reseziert. Ab<br />
dem Stadium UICC III wird eine adjuvante<br />
<strong>Therapie</strong> empfohlen. Das Rektumkarzinom<br />
kann im mittleren und distalen <strong>Dr</strong>ittel im<br />
Stadium UICC II und III neoadjuvant vorbehandelt<br />
werden. Die Resektion muss hier<br />
eine totale mesorektale Exzision beinhalten.<br />
Low-risk-Rektumkarzinome können im Einzelfall<br />
auch ohne Lymphadenektomie lokal<br />
transanal reseziert werden. Für das Stadium<br />
UICC II und III wird, falls keine neoadjuvante<br />
<strong>Therapie</strong> erfolgt ist, eine adjuvante <strong>Therapie</strong><br />
empfohlen. Da die Mehrheit der Rezidive und<br />
Fernmetastasen in den ersten Jahren nach der<br />
Primärtherapie auftreten, wird für diese Zeit<br />
eine programmierte Nachsorge empfohlen.<br />
Tumoren des Kolorektums 16
17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />
17 Entzündliche Darmerkrankungen<br />
Colitis ulcerosa 158<br />
Diagnostik 158<br />
Konservative <strong>Therapie</strong> 158<br />
Operative <strong>Therapie</strong> 159<br />
Morbus Crohn 159<br />
Diagnostik 160<br />
Konservative <strong>Therapie</strong> 161<br />
Operative <strong>Therapie</strong> 162<br />
Operative Indikationen bei analen Crohnläsionen 162<br />
Andere Kolitiden 164<br />
Lymphozytäre Kolitis / Kollagene Kolitis 164<br />
Infektiöse Kolitis 164<br />
Medikamentös-toxische Kolitis 164<br />
Ischämische und radiogene Kolitis 164<br />
Antibiotikaassoziierte Kolitis / Pseudomembranöse Kolitis 165<br />
Diversionskolitis 165<br />
Divertikulose / Divertikulitis 165<br />
Ätiologie 165<br />
Pathogenese 165<br />
Klinik 166<br />
Diagnostik 166<br />
<strong>Therapie</strong> 166<br />
Konservative <strong>Therapie</strong> 166<br />
Chirurgische <strong>Therapie</strong> 167<br />
<strong>Dr</strong>ingliche Operationsindikationen 167<br />
Elektive Operationsindikationen 167<br />
157
158<br />
Vorbemerkung: Unter den entzündlichen Erkrankungen<br />
des Dickdarms findet sich neben<br />
solchen mit einer bekannten Ätiologie eine<br />
große Gruppe von Erkrankungen mit bisher unbekannter<br />
Ursache. Die zahlenmäßig häufigste<br />
Erkrankung mit bekannter Ätiologie ist die<br />
infektiöse Kolitis, die entweder durch Bakterien,<br />
Viren, Protozoen oder Pilze ausgelöst wird.<br />
Ihre differentialdiagnostische Zuordnung ist<br />
serologisch oder durch den Erregernachweis in<br />
Biopsiepartikeln möglich. Eine infektiöse Kolitis<br />
verläuft in der Regel selbstlimitierend.<br />
Unter dem Begriff der »chronisch-entzündlichen<br />
Darmerkrankungen« werden die<br />
beiden idiopathischen Kolitiden »Colitis ulcerosa«<br />
und »Morbus Crohn« subsumiert, die im<br />
Gegensatz zu den infektiösen Erkrankungen<br />
niemals einen selbstlimitierenden Verlauf zeigen.<br />
Differentialdiagnostisch bedeutsam ist<br />
jedoch, dass zahlreiche Formen der infektiösen<br />
Kolitiden ein makroskopisches Bild an<br />
der Darmwand auslösen, das dem der beiden<br />
chronisch-entzündlichen Erkrankungen ähnlich<br />
ist. Eine infektiöse Kolitis kann gelegentlich<br />
länger persistieren, so dass sich die sichere<br />
Zuordnung der Erkrankung oft erst aus dem<br />
Langzeitverlauf ergibt.<br />
Einteilung der entzündliche<br />
Darmerkrankungen<br />
1 Erkrankungen mit ungeklärter Ursache<br />
Colitis ulcerosa<br />
Morbus Crohn<br />
Lymphozytäre Kolitis<br />
Kollagene Kolitis<br />
2 Erkrankungen mit bekannter Ursache<br />
Infektiöse Kolitis<br />
Medikamentös-toxische Kolitis<br />
Ischämische Kolitis<br />
Radiogene Kolitis<br />
Pseudomembranöse Kolitis<br />
Diversionskolitis<br />
Divertikulitis<br />
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn müssen<br />
zunächst als Gegenstand einer internistischgastroenterologischen<br />
Diagnostik und <strong>Therapie</strong><br />
Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />
gesehen werden. Dennoch vermag die operative<br />
<strong>Therapie</strong> während des Krankheitsverlaufs positive<br />
Effekte zu leisten, wobei sich namentlich<br />
beim M. Crohn in den letzten Jahrzehnten ein<br />
Indikationswandel ergeben hat, durch den<br />
die chirurgische <strong>Therapie</strong> nicht mehr auf die<br />
konservativ nicht beherrschbare Situation<br />
beschränkt ist.<br />
Colitis ulcerosa<br />
Bei der Colitis ulcerosa beschränken sich die<br />
entzündlichen Veränderungen primär auf die<br />
Mukosa des Kolorektums. Sie breitet sich flächenhaft<br />
und kontinuierlich von distal nach<br />
proximal aus, wobei das Rektum regelhaft<br />
befallen ist. Der anatomische Analkanal ist<br />
dagegen selten betroffen. Das Anoderm und<br />
die Schließmuskulatur sind nur in seltenen<br />
Ausnahmefällen beteiligt. Analfisteln treten<br />
bei der Colitis ulcerosa in etwa 3 % der Fälle<br />
auf.<br />
Diagnostik<br />
Für die Differentialdiagnostik ist dieses makroskopische<br />
Verteilungsmuster hilfreich. Es<br />
ist nach wie vor sinnvoll, als »Faustregel« zu<br />
unterstellen, dass ein entzündlicher Befall des<br />
Analkanals mit Fistelbildungen dringend verdächtig<br />
auf einen M. Crohn ist. Zur Abgrenzung<br />
gegenüber den entzündlichen Erkrankungen,<br />
insbesondere der Campylobacter-Enterokolitis,<br />
sind umfangreiche endoskopisch-bioptische<br />
und mikrobielle Untersuchungen nötig.<br />
Histologisch ist die Erkrankung klassifiziert<br />
durch eine kontinuierliche und proportionierte<br />
Entzündung, die auf die Mukosa begrenzt ist<br />
und gehäuft Kryptenabszesse zeigt.<br />
Konservative <strong>Therapie</strong><br />
Die medikamentöse <strong>Therapie</strong> berücksichtigt die<br />
stadienabhängig unterschiedliche entzündliche<br />
Aktivität der Erkrankung und verfolgt darum<br />
unterschiedliche <strong>Therapie</strong>ansätze beim leichten<br />
bis mittelschweren Schub und beim schweren<br />
Schub. Ebenso besteht Konsens über Ersatzpräparate<br />
bei chronisch aktiver, steroidabhängiger
17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />
Operationsindikationen bei einer Colitis ulcerosa Tab. 17-1<br />
Absolut Relativ<br />
freie Perforation Misserfolg der konservativen <strong>Therapie</strong><br />
fulminante Kolitis mit Sepsis ausgedehnter Kolonbefall mit schwerer<br />
Beeinträchtigung<br />
toxisches Megakolon Karzinomrisiko bei langer Krankheitsdauer und<br />
totalem Kolonbefall<br />
Ileus<br />
massive Blutung<br />
Entzündung und über die Empfehlung einer<br />
Medikation zum Remissionserhalt. Insgesamt<br />
kommen derzeit 5-ASA-Präparate, Steroide,<br />
Cyclosporin, Tacrolimus, Azathioprin, 6-Mercaptopurin<br />
und MTX zum Einsatz. Wichtig<br />
für die <strong>Therapie</strong>entscheidung ist auch das<br />
Ausmaß der Entzündung bezogen auf den<br />
Verlauf des Kolons (Pankolitis, Linkskolitis,<br />
Proktitis). Dosierungsempfehlungen lassen sich<br />
aus den Leitlinien der Fachgesellschaften z.B.<br />
der DGVS entnehmen.<br />
Operative <strong>Therapie</strong><br />
Die Colitis ulcerosa ist durch Entfernung des<br />
betroffenen Darmanteils chirurgisch heilbar.<br />
Standardverfahren ist heute die Kolektomie<br />
mit transanaler Anastomosierung mit einem<br />
Ileumpouch. Voraussetzung für dieses Verfahren<br />
ist ein intakter muskulärer Verschluss<br />
des Analkanals. Durch den Ileumpouch wird<br />
ein analnahes Reservoir geschaffen, so dass<br />
ein befriedigendes Kontinenzverhalten resultiert.<br />
Üblicherweise haben die Patienten<br />
postoperativ nach einer Phase der Adaption<br />
eine Stuhlfrequenz von 4 – 7 Stühlen täglich<br />
bei gering eingeschränkter Kontinenz. In Notsituationen<br />
(z. B. toxisches Megacolon) ist<br />
auch ein zweizeitiges operatives Vorgehen<br />
möglich. Postoperativ kann eine »Pouchitis«<br />
Probleme bereiten. Bei älteren Patienten können<br />
Kontinenzprobleme auftreten. Nach wie vor<br />
haben darum in Einzelfällen die Kolektomie<br />
mit ileorektaler Anastomose und die Prokto-<br />
kolektomie mit endständigem Ileostoma ihre<br />
Berechtigung.<br />
Gerade die letztgenannten relativen Indikationen<br />
ergeben sich in einem interdisziplinären<br />
<strong>Therapie</strong>regime zwischen konservativem und<br />
operativem Therapeuten. Für die Kolektomie<br />
aus karzinomprophylaktischer Indikation ist<br />
der bioptische Nachweis von Dysplasien im Remissionsstadium<br />
der Erkrankung entscheidend.<br />
Eine psychosomatische <strong>Therapie</strong> erscheint bei<br />
der Colitis ulcerosa erfolgreicher als im Fall<br />
des M. Crohn.<br />
Zusammenfassung: Die Colitits ulcerosa<br />
ist eine auf die Mukosa beschränkte, sich<br />
vom Rektum kontinuierlich nach kranial<br />
ausbreitende Entzündung. Eine anale Fistelbildung<br />
ist selten und lässt im Zweifelsfall<br />
eher auf einen Morbus Crohn schließen. Die<br />
medikamentöse <strong>Therapie</strong> beinhaltet neben<br />
5-ASA-Präparaten je nach Entzündungaktivität<br />
auch Steroide und andere Immunsuppressiva.<br />
Eine operative <strong>Therapie</strong> kommt bei<br />
akuten Komplikationen, bei mangelndem<br />
medikamentösen <strong>Therapie</strong>erfolg und zur<br />
Karzinomprophylaxe in Betracht. Die Colitis<br />
ulcerosa ist durch komplette Entfernung<br />
des Kolons chirurgisch heilbar.<br />
Morbus Crohn<br />
Die Erkrankung wurde erstmals 1932 von<br />
CROHN, GINSBURG und OPPENHEIMER als<br />
159
160<br />
Ileitis terminalis beschrieben. Sie kann aber<br />
alle Abschnitte des Gastrointestinaltrakts betreffen.<br />
Die Ätiologie des M. Crohn ist unklar;<br />
vermutlich ist sie multifaktoriell bedingt, wobei<br />
möglicherweise eine genetische Prädisposition,<br />
autoimmunologische und entzündliche<br />
Vorgänge beteiligt sind.<br />
Der Morbus Crohn kann sämtliche Abschnitte<br />
des Verdauungstraktes befallen.<br />
Diagnostik<br />
Beim M. Crohn breitet sich die Entzündung<br />
nicht primär flächenhaft in der Schleimhaut aus<br />
wie bei der Colitis ulcerosa, sondern sie durchsetzt<br />
die Wandschichten des Darmes vertikal.<br />
Histologisch zeigt die transmurale Entzündung<br />
ein diskontinuierliches und disproportioniertes<br />
Verteilungsmuster. Kryptenabszesse sind selten<br />
nachweisbar. Der Nachweis von Epitheloidzell-Granulomen<br />
ist nicht eindeutig, da sie<br />
beispielsweise auch bei der Yersiniose, der<br />
Campylobacter-Enterokolitis oder der Darmtuberkulose<br />
gefunden werden.<br />
Die Diagnose des M. Crohn stützt sich<br />
auf den Nachweis einer Gruppe von Symptomen,<br />
die makroskopisch (diskontinuierliche<br />
Entzündung, Ileumbeteiligung) oder mikroskopisch<br />
(disproportionierte Entzündung,<br />
normaler Becherzellgehalt im entzündeten<br />
Darmabschnitt, Lymphfollikel in Mukosa und<br />
Submukosa), durch Röntgendarstellung oder<br />
endoskopisch im Bereich des Intestinaltrakts<br />
(enterokutane Fisteln) oder der äußeren Haut<br />
(fissurale Hautläsionen) verifiziert werden<br />
und die zudem über einen längeren Zeitraum<br />
(chronisches Analleiden) bestehen müssen.<br />
Es gibt kein isoliertes Symptom oder einen<br />
einzelnen Laborparameter, der das Vorliegen<br />
eines M. Crohn beweist.<br />
Im Analbereich respektiert die Entzündung<br />
bei ihrer vertikalen Ausbreitungsrichtung die<br />
vorgegebenen Wandschichten und Spalträume<br />
nicht, wenngleich viele der Fisteln dennoch<br />
vorzugsweise im Bereich der Analkrypten<br />
beginnen. Die weitere Ausbreitungsrichtung<br />
erfolgt dann aber regellos, was die chirurgische<br />
<strong>Therapie</strong> problematisch macht.<br />
Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />
Kriterien zur Diagnose Tab. 17-2<br />
eines M. Crohn<br />
makroskopisch mikroskopisch<br />
diskontinuierliche<br />
Ausbreitung der<br />
Entzündung<br />
Fisteln<br />
(anal, enterokutan,<br />
enteroenteral, etc.)<br />
Ileumbeteiligung der<br />
Entzündung<br />
diskontinuierliche<br />
Störung der Kryptenarchitektur<br />
diskontinuierliche<br />
Infiltration der Mukosa<br />
durch Lymphozyten<br />
und Plasmazellen<br />
normaler Becherzellgehalt<br />
Pflastersteinrelief ggf. Epitheloidzell-<br />
Granulome<br />
Pseudopolypen<br />
fissurale und aphtoide<br />
Läsionen<br />
Bis zu 20 % der Crohnerkrankungen zeigen<br />
ihre Erstmanifestation durch anorektale<br />
Komplikationen eines Morbus Crohn.<br />
Als pathognomonisch für den analen M. Crohn<br />
darf die auffallend sulzig-livide Beschaffenheit<br />
der perianalen Haut gelten. Wichtig ist die Tatsache,<br />
dass der M. Crohn in bis zu 20% der Fälle<br />
seine Erstmanifestation mit einem Analbefall<br />
zeigt. In diesen Fällen kann der makroskopisch<br />
typische Befund wegweisend sein und, auch<br />
wenn er überraschenderweise angetroffen<br />
wird, bereits intraoperativ das chirurgische<br />
Konzept modifizierend beeinflussen, wie z. B.<br />
bei Fisteln die Einlage einer Fadendrainage<br />
statt einer Spaltung. Für die anschließende<br />
diagnostische Abklärung erscheint zumindest<br />
Typische anale Symptome Tafel 17-1<br />
eines M. Crohn<br />
• livide durchschimmernde perianale Haut<br />
• multiple Fisteln<br />
• helles Fistelsekret<br />
• fissuroide Läsionen<br />
• ödematöse Mariske
17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />
Abb. 17-1 Anale Crohnläsionen: Fissuroide Läsion<br />
und Fistelöffnung, livide Farbe der Haut<br />
Abb. 17-2 Anale Crohnläsionen:<br />
Multiple Fistelöffnungen<br />
die totale Koloskopie mit Inspektion des terminalen<br />
Ileums oder auch ein CT oder NMR<br />
in SELLINK-Technik unerlässlich.<br />
Konservative <strong>Therapie</strong><br />
Die Aktivität der Erkrankung lässt sich mit<br />
Aktivitätsindizes bestimmen, die eine Festlegung<br />
anhand objektiver Daten ermöglichen,<br />
die dann zur <strong>Therapie</strong>planung hilfreich sind.<br />
Einzelne Laborparameter können die Aktivität<br />
nicht hinreichend definieren.<br />
Die <strong>Therapie</strong> des Patienten mit einem M.<br />
Crohn ist im Regelfall eine Langzeitbehandlung.<br />
Aufgrund der ungeklärten Ätiologie müssen<br />
in jedem Fall unterschiedliche <strong>Therapie</strong>ansätze<br />
berücksichtigt werden, die zeitlich nacheinander<br />
oder sogar gleichzeitig zu verfolgen sind.<br />
Im Regelfall bedarf der Crohnpatient einer<br />
Abb. 17-3 Anale Crohnläsionen: Multiple<br />
Rhagaden, livide Hautverfärbung, Fistelostium<br />
mit auffallend hellem Sekret<br />
interdisziplinären Betreuung, zumindest durch<br />
den Gastroenterologen und den Chirurgen.<br />
In Einzelfällen kann eine psychosomatische<br />
Beeinflussung der Erkrankung sinnvoll sein.<br />
Die übrigen medizinischen Disziplinen werden<br />
bedarfsweise in die Behandlung eingebunden.<br />
Die medikamentöse <strong>Therapie</strong> berücksichtigt,<br />
ähnlich wie bei der Colitis ulcerosa, unterschiedliche<br />
Verlaufsformen der Erkrankung,<br />
nämlich den akuten Schub, den chronisch<br />
aktiven Verlauf, den steroidabhängiger Verlauf<br />
und die Remission. Medikamente der ersten<br />
Wahl im Schub sind topisch oder systemisch<br />
verabreichte Kortikoide. Die steroidabhängige,<br />
chronisch aktive Erkrankung wird mit<br />
Azathioprin oder 6-Mercaptopurin behandelt.<br />
Infliximab gilt als Reservemedikation. Eine generelle<br />
Medikation zum Remissionserhalt wird<br />
nicht empfohlen. In der <strong>Therapie</strong> des M. Crohn<br />
sind die medikamentösen Konzepte immer<br />
individualisiert auf den einzelnen Patienten<br />
auszurichten. Dosierungsempfehlungen lassen<br />
sich aus den Leitlinien der Fachgesellschaften<br />
z.B. der DGVS entnehmen.<br />
161
162<br />
Operative <strong>Therapie</strong><br />
Absolute Indikationen zur chirurgischen <strong>Therapie</strong><br />
ergeben sich bei Versagen der konservativen<br />
<strong>Therapie</strong> oder bei Komplikation der <strong>Therapie</strong>.<br />
Zu den absoluten Indikationen zählen dementsprechend:<br />
• freie Perforation<br />
• Ileus<br />
• nicht beherrschbare Blutung<br />
• großer intraabdomineller Abszess<br />
Relative Indikationen ergeben sich nach längerem<br />
Krankheitsverlauf. Sie zeigen letztlich<br />
an, dass sich die Erkrankung refraktär verhält<br />
gegenüber der eingeschlagenen konservativen<br />
<strong>Therapie</strong>. Zu diesen Indikationen zählen:<br />
• wirksame Stenose<br />
• Konglomerattumorbildung<br />
• intestinale Fistelung<br />
Nicht generell festzulegende Indikationen zur<br />
chirurgischen <strong>Therapie</strong> stellen die chronisch<br />
wenig aktiven Verläufe mit deutlicher subjektiver<br />
Beeinträchtigung dar. Häufig ergibt sich<br />
postoperativ eine deutliche subjektive Besserung.<br />
Außerdem können durch die Resektion<br />
in diesen Fällen Kortikoide eingespart werden.<br />
Die Resektionsbehandlung kann je nach Aktivitätsindex<br />
eine Vorbereitung mit Kortikoiden<br />
und/oder einer funktionellen Darmausschaltung<br />
mittels vollresorbierbarer Diäten erforderlich<br />
machen. Die Rezidivrate der Erkrankung liegt<br />
nach der Resektion bei 60 % innerhalb der<br />
ersten 10 Jahre postoperativ, was als Ausdruck<br />
dafür anzusehen ist, dass der M. Crohn nicht<br />
chirurgisch heilbar ist. Gleichzeitig ist die<br />
hohe Rezidivrate der Grund für die sparsame<br />
Resektion als operativem Prinzip, da auf diese<br />
Weise chirurgisch induzierte Kurzdarmsyndrome<br />
vermieden werden.<br />
Der Morbus Crohn ist durch eine<br />
operative <strong>Therapie</strong> nicht heilbar.<br />
Operative Indikationen<br />
bei analen Crohnläsionen<br />
Das morphologische Bild der analen Crohnmanifestationen<br />
umfaßt neben der Analfissur, den<br />
Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />
Ulzerationen und Marisken auch Abszesse und<br />
hieraus folgend Fisteln (vgl. Abb. 17-1 – 17-<br />
3). Die erstgenannten Befunde werden häufig<br />
übersehen, da der anale Crohn als »fistelnde«<br />
Erkrankung typisiert wird. Dennoch erscheinen<br />
operative Maßnahmen auch in diesen Fällen<br />
dann indiziert, wenn im Randbereich der Fissuren<br />
oder Ulzerationen Unterminierungen des<br />
Gewebes bestehen. Diese Unterminierungen<br />
können zu Stuhlretentionen Anlass geben.<br />
Die Stase des Stuhls unterhält das entzündliche<br />
Geschehen und bereitet unter Umständen<br />
Schmerzen. Die in Lehrbüchern gelegentlich<br />
noch beschriebene auffallende Schmerzlosigkeit<br />
analer Crohnläsionen besteht sicher nur in<br />
sehr wenigen Fällen. Eine sparsame operative<br />
Glättung dieser Wulstbildungen tangiert<br />
die Muskulatur nicht und kann demzufolge<br />
keine Verschlechterung der Kontinenz nach<br />
sich ziehen.<br />
Im Fall der Crohnabszesse und Fisteln wurde<br />
früher aus Angst vor einer Inkontinenz oder<br />
nicht abheilenden Wunden ein restriktiv-konservatives<br />
Vorgehen empfohlen. Heute werden<br />
die <strong>Therapie</strong>prinzipien aktiver gestaltet.<br />
Alle Abszesse müssen zwingend eröffnet<br />
werden. Die eitrige Verhaltung destruiert das<br />
muskuläre Sphinkterorgan und begünstigt die<br />
Entstehung eines generalisierten septischen Geschehens.<br />
Eine alleinige konservative <strong>Therapie</strong>,<br />
z. B. mit Metronidazol, ist ineffektiv.<br />
Unter den Fisteln sind typische Analfisteln<br />
mit distal gelegenem muskeldurchbohrenden<br />
Gang zu beobachten. Diese »Fisteln bei M.<br />
Crohn« können zumeist nach den üblichen<br />
chirurgischen Prinzipien gespalten werden.<br />
Atypische »Fisteln durch den M. Crohn«, die die<br />
anatomischen Grenzen missachten, erfordern<br />
hingegen eine zurückhaltende <strong>Therapie</strong>. Hier<br />
kann gelegentlich ein plastischer Verschluss des<br />
inneren Fistelostiums erfolgreich sein. Es wird<br />
empfohlen, diese Fisteln mit einer Fadendrainage<br />
zu versorgen (vgl. Abb. 17-4). Hierdurch<br />
lässt sich eine rezidivierende Verhaltung innerhalb<br />
des Systems verhindern. Seitengänge<br />
der Fistel verkleben gelegentlich, so dass im<br />
weiteren Verlauf ein plastischer Fistelverschluss<br />
möglich wird. Die Fadendrainage sollte also als<br />
vorübergehende Maßnahme angesehen werden.
17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />
Abb. 17-4 Crohnfistel mit Fadendrainage<br />
Dabei sollte auch nur der muskeldurchbohrende<br />
Anteil mit dem Faden angeschlungen werden.<br />
Hautbrücken und extrasphinktäre Fistelanteile<br />
können ohne Kontinenzgefährdung primär<br />
ausreichend weit eröffnet werden. Der locker<br />
geknüpfte Faden bereitet aufgrund seiner Beweglichkeit<br />
gelegentlich Missempfindungen.<br />
Aus diesem Grunde erscheint es nicht ratsam,<br />
den perianalen Bereich mit mehreren<br />
Fadenschlingen zu versehen.<br />
Bei einem Morbus Crohn ist die Versorgung<br />
einer ohne Kontinenzgefährdung<br />
nicht spaltbaren Fistel mit einer Langzeitfadendrainage<br />
eine gute <strong>Therapie</strong>option.<br />
Die Frage einer Stuhlausschaltung mittels<br />
Kolostomie oder Ileostomie zur Sanierung<br />
einer Crohnfistel kann nur im Einzelfall entschieden<br />
werden. Es lässt sich jedoch generell<br />
sagen, dass die alleinige Passageausschaltung<br />
die Fistelsekretion nur vorübergehend bessert.<br />
Nach der Rückverlagerung bricht die Fistel im<br />
Regelfall erneut auf. Die Stuhlableitung kann<br />
aber die Bedingungen für eine lokale Sanierung<br />
des Fistelsystems verbessern, so dass man nach<br />
der Stomaanlage nicht auf operative Maßnahmen<br />
an der Fistel verzichten sollte. Dies gilt<br />
insbesondere für rektovaginale Fisteln, die die<br />
betroffenen Patientinnen zumeist erheblich<br />
beeinträchtigen.<br />
Crohnläsionen ohne Muskelbeteiligung wie<br />
Fissuren, Ulzerationen und Marisken stellen<br />
aufgrund der Schmerzsymptomatik und der<br />
möglichen Entzündungsinduktion als Folge<br />
einer Stuhlretention durchaus eine Indikation<br />
zur Exzision dar. Analstrikturen können operativ<br />
erweitert werden. Eine Analstenose oder<br />
Stenose des distalen Rektums bei gleichzeitig<br />
nachweisbarem schweren entzündlichen Befall<br />
des linken Kolons und des Rektums muss aber<br />
als prognostisch ungünstiger Parameter für die<br />
dauerhafte Erhaltung der Kontinenz gelten.<br />
Je weiter oral der Darmbefall lokalisiert ist,<br />
desto eher lassen sich die analen Läsionen<br />
chirurgisch erfolgreich therapieren. Wichtig<br />
erscheint die Wahl des geeigneten Zeitpunktes<br />
für die Operation. Ein Abszess sollte ohne<br />
längere Vorbereitung ausreichend breit eröffnet<br />
werden. Elektive Eingriffe wie Fistelspaltung<br />
oder Fistelverschluss sollten in Abstimmung<br />
mit dem konservativen Therapeuten festgelegt<br />
werden. Eine vorbereitende <strong>Therapie</strong> kann<br />
durch eine individuelle Dosisanpassung die<br />
Operationsbedingungen verbessern. Andererseits<br />
erscheint eine Vorbereitung mittels<br />
Elementardiät für anale Eingriffe verzichtbar.<br />
Größere Bedeutung kommt der Steroidbehandlung<br />
zu, falls sie aufgrund der Gesamtsituation<br />
erforderlich ist. Alle erforderlichen Maßnahmen<br />
lassen sich aber nicht schematisiert, sondern<br />
nur individuell beurteilen.<br />
Zusammenfassung: Der Morbus Crohn kann<br />
sämtliche Abschnitte des Verdauungstraktes<br />
befallen. Seine Ätiologie ist unverändert<br />
nicht geklärt. Die Ausbreitung ist im Verdaungstrakt<br />
diskontinuierlich. Histologisch<br />
findet sich eine transmurale Entzündlung<br />
mit disproportionierter Störung der Kryptenarchitektur.<br />
Das Vorliegen von Epitheloidzell-Granulomen<br />
in der Histologie<br />
ist nicht obligat für einen Morbus Crohn.<br />
Makroskopisch finden sich beim Morbus<br />
Crohn neben den diskontinuierlichen Entzündungsherden<br />
Stenosen, Pseudopolypen,<br />
Fisteln und im Analbereich fissuroide Läsionen.<br />
Die konservative medikamentöse<br />
<strong>Therapie</strong> richtet sich nach der Krankheitsaktivität.<br />
Medikament der ersten Wahl<br />
im Schub sind topische bzw. systemische<br />
Kortikoide. Für den Remissionserhalt gibt<br />
163
164<br />
es keine generelle Empfehlung einer durchgehenden<br />
medikamentösen <strong>Therapie</strong>. Eine<br />
operative <strong>Therapie</strong> ist bei entsprechenden<br />
Komplikationen angezeigt. Besonders für<br />
die anale Manifestation eines Morbus Crohn<br />
gilt, dass akute Abszedierungen operativ<br />
versorgt werden müssen. Der Morbus Crohn<br />
als Erkrankung des gesamten Verdauungstraktes<br />
ist operativ nicht heilbar.<br />
Andere Kolitiden<br />
Lymphozytäre Kolitis /<br />
Kollagene Kolitis<br />
Bei beiden Formen handelt es sich möglicherweise<br />
um Autoimmunerkrankungen, die anhand<br />
unterschiedlicher mikroskopischer Kriterien<br />
definiert werden. Leitsymptom sind Durchfälle.<br />
Der endoskopische Befund ist makroskopisch<br />
unauffällig und somit nicht richtungweisend.<br />
Die <strong>Therapie</strong> beider Erkrankungen erfolgt mit<br />
entzündungshemmenden Substanzen und Antidiarrhoika.<br />
Ballaststoffreiche oder glutenfreie<br />
Kost kann im individuellen Fall die Diarrhoe<br />
günstig beeinflussen.<br />
Infektiöse Kolitis<br />
Unter den entzündlichen Darmerkrankungen<br />
mit bekannter Ätiologie haben die infektiösen<br />
Kolitiden aufgrund ihres gehäuften Vorkommens<br />
eine große Bedeutung. Andererseits bieten<br />
sie in Europa nur in extrem seltenen Fällen<br />
eine operative Indikation.<br />
Im Rahmen der Aids-Erkrankung kommt<br />
es häufig zu bakteriellen Infektionen des Gastrointestinaltrakts.<br />
Hierbei handelt es sich<br />
überwiegend um Infektionen mit Mykobakterien,<br />
Salmonellen, Shigellen, Campylobacter<br />
und Clostridium difficile. Abhängig von den<br />
sexuellen Gewohnheiten und aufgrund einer<br />
lokalen Gewebsschädigung im Analkanal und<br />
im unteren Rektum zeigen sich vermehrt Infektionen<br />
mit Chlamydia trachomatis und anale<br />
Manifestationen einer Lues oder Gonorrhoe.<br />
Zahlenmäßig überwiegen die Infektionen mit<br />
Mykobakterien und Salmonellen. Infolge der<br />
Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />
Immunschwäche kommt es dabei auch zu<br />
bakteriämischen Verlaufsformen mit entsprechenden<br />
<strong>Therapie</strong>problemen. Die <strong>Therapie</strong><br />
erfolgt entsprechend dem Erregernachweis mit<br />
Antibiotika bzw. Tuberkulostatika.<br />
Medikamentös-toxische Kolitis<br />
Zahlreiche Medikamente können im Darmtrakt<br />
oberflächliche (erosive) und tiefere (ischämische)<br />
Läsionen induzieren. Insbesondere<br />
gilt dies für nichtsteroidale Antiphlogistika.<br />
Die <strong>Therapie</strong> besteht im Absetzen der Medikation.<br />
Ischämische und radiogene Kolitis<br />
Die ischämische Kolitis und die radiogene<br />
Kolitis führen bei rezidivierenden perianalen<br />
Blutungen oder zunehmender Lumenstenosierung<br />
im Rahmen der chronischen Vernarbung<br />
zur operativen <strong>Therapie</strong>. Eine kausal wirksame,<br />
konservative <strong>Therapie</strong> steht in beiden Fällen<br />
nicht zur Verfügung. Als Regeleingriff bietet<br />
sich die Segmentresektion an. Ein solches<br />
Vorgehen kann aber bei analnahem Sitz eines<br />
Strahlenschadens (etwa nach intrakavitärer<br />
Bestrahlung) unmöglich werden. Aufgrund der<br />
radiogenen Schädigung der Nachbarstrukturen<br />
ist eine koloanale Anastomose in diesen Fällen<br />
ebenfalls mit einer hohen Insuffizienzrate<br />
behaftet.<br />
Als Sonderfall einer ischämischen Läsion<br />
der Darmwand kann der anorektale Ergotismus<br />
gelten. Die direkte Einwirkung ergotaminhaltiger<br />
Suppositorien auf die Rektumwand kann<br />
über eine umschriebene Vasokonstriktion zur<br />
lokalen Nekrose führen. Eine Dosisabhängigkeit<br />
muß unterstellt werden, wenngleich sie nicht<br />
ausreichend sicher definiert ist. Im Regelfall<br />
geht die lokale Schädigung von der Schleimhaut<br />
des Analkanals und des Rektums, also vom<br />
Applikationsort der Zäpfchen, aus. Sie erreicht<br />
dabei auch den Bereich der perianalen Haut,<br />
so dass die Läsionen für den Patienten sichtbar<br />
werden und Schmerzen bereiten. In den letzten<br />
Jahren wurden diese Läsionen seltener beobachtet,<br />
da sich die Kenntnis der Nebenwirkung<br />
allgemein durchgesetzt hat. Die Hersteller der
17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />
Suppositorien haben die Packungen auch mit<br />
entsprechenden Hinweisen versehen.<br />
Antibiotikaassoziierte Kolitis /<br />
Pseudomembranöse Kolitis<br />
Beide Formen werden ausgelöst durch das<br />
Toxin von Clostridium diffizile, das unter einer<br />
Antibiotikatherapie vermehrt im Darm auftreten<br />
kann. Leitsymptom sind Diarrhoen mit starker<br />
Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Bei<br />
der pseudomembranösen Form werden im<br />
Darm weißlich-gelbe Plaques nachgewiesen,<br />
die entzündlichen Gewebsresten entsprechen.<br />
Die antibiotikaassoziierte Kolitis bildet keine<br />
Plaques aus, sondern nur flächenhafte Schleimhautrötungen<br />
im Sigma. Die <strong>Therapie</strong> erfolgt<br />
mit Metronidazol oder bei stärkeren Symptomen<br />
mit Vancomycin. Symptomatisch wirken<br />
auch Ionenaustauscher wie Colestyramin.<br />
Diversionskolitis<br />
In ausgeschalteten Darmsegmenten bilden sich<br />
entzündlich imponierende Schleimhautveränderungen,<br />
die nicht in allen Fällen Beschwerden<br />
auslösen. Bei blutig-schleimigen Sekretabgängen<br />
und abdominellen Schmerzen kann eine<br />
antiinflammatorische Medikation (5-ASA,<br />
Kortikoide) in topischer Anwendung versucht<br />
werden. Die Pathogenese der Veränderungen ist<br />
nicht geklärt, die Schleimhautveränderungen<br />
werden häufig nachgewiesen. Sie bilden sich<br />
nach der Aufhebung der Stuhlausschaltung<br />
zurück.<br />
Divertikulose / Divertikulitis<br />
Längs der Wand des Dickdarmes können sich<br />
im Bereich der Gefäßdurchtrittsstellen durch die<br />
Muskelschicht Aussackungen der Schleimhaut<br />
bilden, die als (Pseudo)-Divertikel bezeichnet<br />
werden. Die Epidemiologie der Divertikulose<br />
zeigt eine erhöhte Inzidenz im höheren Lebensalter.<br />
Bis zum 50. Lebensjahr sind Männer häufiger<br />
betroffen als Frauen. In den Ländern der<br />
<strong>Dr</strong>itten Welt ist die Divertikelkrankheit seltener.<br />
Dies hat zu der Annahme geführt, dass eine<br />
schlackenreiche Kost über die Beschleunigung<br />
der intestinalen Passagezeit der Entwicklung<br />
von Divertikeln vorbeugen kann.<br />
Ätiologie<br />
Unter ätiologischen Gesichtspunkten kann<br />
unterstellt werden, dass die <strong>Dr</strong>uckverhältnisse<br />
im Lumen des Darmes eine entscheidende<br />
Rolle bei der Entstehung der Divertikel spielen.<br />
Andererseits scheint es nicht so zu sein, dass<br />
die Steigerung des intraluminalen <strong>Dr</strong>uckes<br />
ausschließlich Folge einer Verlangsamung der<br />
intestinalen Passage ist. Die Entstehung von<br />
Divertikeln muss darum in den Ländern der<br />
westlichen Welt auch unabhängig vom ätiologischen<br />
Gesichtspunkt der schlackenarmen<br />
Ernährung gesehen werden. Die Annahme einer<br />
<strong>Dr</strong>ucksteigerung infolge einer Tonusstörung<br />
aufgrund einer gestörten Kolonfunktion hat<br />
dazu geführt, dass die unkomplizierte Divertikulose<br />
in engem ätiologischen Zusammenhang<br />
mit dem Colon irritabile gesehen wird.<br />
Zusätzlich kommt es im Alter zum Umbau der<br />
Textur der Wandschichten des Darmes. Eine<br />
Schwächung der Längsmuskulatur mit vermehrtem<br />
Einbau von Elastinfasern und Veränderungen<br />
des Kollagens können möglicherweise<br />
die Ausstülpung der Divertikel begünstigen.<br />
Pathogenese<br />
Entscheidend ist im individuellen Fall die weitere<br />
Pathogenese der Divertikulose. Symptomlose<br />
Divertikel, die anlässlich der diagnostischen<br />
Abklärung von Kolonbefunden nachgewiesen<br />
werden, werden als Divertikulose bezeichnet. Im<br />
Bereich des Divertikels können sich entzündliche<br />
Krankheitsschübe abspielen, die von innen<br />
nach außen zunehmend die Darmwandschichten<br />
in den Entzündungsvorgang einschließen<br />
bis hin zur Peridivertikulitis und Perikolitis.<br />
Das Ausmaß der entzündlichen Aktivität der<br />
Erkrankung korreliert dabei nicht mit der Zahl<br />
der nachweisbaren Divertikel.<br />
Die Divertikulitis entwickelt sich auf dem<br />
Boden einer Stase von Darminhalt innerhalb<br />
der Divertikel. Der Darminhalt löst dann <strong>Dr</strong>ucknekrosen<br />
aus, die zur Durchwanderung von<br />
Bakterien führen. Hinzu kommen Mikroper-<br />
165
166<br />
forationen, die die Entzündung weiterleiten.<br />
Das Versagen der lokalen Infektabwehr in<br />
der Mukosa und Submukosa führt ebenfalls<br />
zu einer zunehmenden Durchwanderung der<br />
gesamten Dickdarmwand mit entzündlicher<br />
Arrosion der Appendices epiploicae oder von<br />
Nachbarorganen. Diese Durchwanderung<br />
kann schleichend erfolgen und erst durch<br />
die Ausbildung von Fisteln zu Nachbarorganen,<br />
insbesondere Harnblase oder benachbarten<br />
Darmschlingen, manifest werden.<br />
Die Anzahl der Divertikel korreliert<br />
nicht mit der entzündlichen Aktivität der<br />
Erkrankung.<br />
Klinik<br />
Das klinische Bild der Divertikulitis verläuft<br />
zumeist in Schüben, wobei im Schub eine<br />
lokale Schmerzhaftigkeit im linken Unterbauch<br />
bis hin zur lokalen Abwehrspannung<br />
bestehen kann. In den Entzündungsprozess<br />
ist auch bei ausgedehntem Divertikelbesatz<br />
des gesamten Kolons aufgrund der hier herrschenden<br />
intraluminalen <strong>Dr</strong>uckverhältnisse<br />
zumeist nur das Sigma einbezogen. Im Schub<br />
bestehen entzündliche Allgemeinsymptome<br />
und fast regelhaft auch Zeichen der intestinalen<br />
Passagebehinderung. Mit zunehmendem<br />
Krankheitsverlauf verbleibt auch zwischen<br />
den entzündungsaktiven Phasen eine tastbare<br />
Walze im linken Unterbauch. Neben der Ausbildung<br />
von Fisteln zu Nachbarorganen kann<br />
insbesondere eine zunehmende Stenosierung<br />
des Darmlumens während des chronischen<br />
Verlaufs der Divertikulitis eine chirurgische<br />
Behandlung erforderlich machen.<br />
Diagnostik<br />
In der Phase der akuten Entzündung ist die<br />
Diagnostik wesentlich vom Lokalbefund im<br />
linken Unterbauch beeinflusst. Sonographisch<br />
zeigt sich ein Darmsegment mit Wandverdickung<br />
und ggf. auch Divertikeln. Die Peridivertikulitis<br />
kann einen reflexreichen Halo<br />
zeigen, ein Abszess wird als echoarme Raumforderung<br />
evt. mit Lufteinschluss sichtbar.<br />
Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />
Die Diagnose wird gestützt durch die Laborparameter.<br />
Diagnostisch ist heute die MS-CT-<br />
Untersuchung wegweisend. Sie weist auch<br />
freie Luft im Rahmen einer Perforation nach,<br />
die ansonsten mit einer nativen Röntgenaufnahme<br />
des Abdomens erkannt werden kann.<br />
Differentialdiagnostisch muß bei der akuten<br />
entzündlichen Schmerzsysmptomatik an alle<br />
übrigen entzündlichen Erkrankungsursachen<br />
der Organe des Abdomens (akute Kolitiden,<br />
CED, Appendizitis und kolorektales Karzinom)<br />
und auch des Beckens gedacht werden.<br />
Die Untersuchungsmethode der Wahl<br />
bei der akuten Divertikulitis ist die Computertomographie.<br />
Im Intervall erfolgt eine Koloskopie, mit der<br />
die wesentlichen Differentialdiagnosen der<br />
sonstigen entzündlichen Darmerkrankungen<br />
und des Kolonkarzinoms abgeklärt werden.<br />
Entzündliche Stenosen und enterische Fisteln<br />
sind gelegentlich im Kolondoppelkontrast<br />
besser beurteilbar.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Gegenstand der <strong>Therapie</strong> ist weniger die Divertikulose<br />
als vielmehr die Divertikulitis und die<br />
progrediente entzündliche Komplikation.<br />
Konservative <strong>Therapie</strong>: Die symptomlose Divertikulose<br />
sollte zur Empfehlung einer schlackenreichen<br />
Ernährung Anlass geben. Es muß aber<br />
angemerkt werden, dass bislang kein Nachweis<br />
eine präventiven Effektes für die Entstehung<br />
von Divertikelkomplikationen geführt werden<br />
konnte. Die medikamentöse Langzeittherapie<br />
mit Substanzen, die sich in der Behandlung der<br />
übrigen chronisch entzündlichen Darmerkrankungen<br />
bewährt haben, ist in der Behandlung<br />
der Divertikulose entbehrlich.<br />
Die Divertikulitis erfordert im akuten entzündlichen<br />
Schub den abgestuften Einsatz<br />
aller zur Verfügung stehenden konservativen<br />
<strong>Therapie</strong>maßnahmen bis hin zur kompletten<br />
Nahrungskarenz und zur bilanzierten Infusionsbehandlung.<br />
Zusätzlich ist eine antibiotische<br />
<strong>Therapie</strong> obligat.
17 Endzündliche Darmerkrankungen<br />
Chirurgische <strong>Therapie</strong>: Die chirurgische <strong>Therapie</strong><br />
zielt auf die konservativ nicht beherrschbaren<br />
Komplikationen im akuten Erkrankungsstadium<br />
entsprechend der Stadien II und III der klinischen<br />
Einteilung nach Hansen und Stock. Außerdem<br />
sind die Spätfolgen der rezidivierenden<br />
Erkrankung wie Stenosen und Fistelbildungen<br />
operativ anzugehen.<br />
Stadieneinteilung Tab. 17-3<br />
der Divertikulitits nach<br />
Hansen / Stock (1999)<br />
Stad. 0 Divertikulose<br />
Stad. I blande Divertikulitis<br />
Stad. II akute Divertikulitis<br />
Stad. IIa Phlegmone<br />
Stad. IIb Abszess<br />
Stad. IIc freie Perforation<br />
Stad. III chronisch-rezidivierende Divertikulitis<br />
<strong>Dr</strong>ingliche Operationsindikationen: Unter den<br />
Divertikelkomplikationen mit dringlicher Indikation<br />
sind in erster Linie die freie Perforation<br />
und die Blutung zu nennen. Profuse Blutungen<br />
aus Divertikeln sind eher selten. Sie scheinen<br />
im Ausmaß und in der Häufigkeit mit einer<br />
mehr proximalen Lokalisation der Divertikel<br />
zu korrelieren. Blutungen aus Divertikeln<br />
verlaufen jedoch bezüglich der Intensität und<br />
Dauer unterschiedlich. Sie sistieren zumeist<br />
spontan. Dennoch sollte die endoskopische<br />
Klärung der Blutungsursache in der Blutung<br />
angestrebt werden. Dabei ist im Einzelfall<br />
eine endoskopische Blutstillung möglich. Eine<br />
dringliche Operationsindikation ergibt sich bei<br />
lebensbedrohlicher Blutung, die konservativ<br />
nicht beherrscht werden kann.<br />
Die freie Perforation macht mitunter ein<br />
mehrzeitiges operatives Vorgehen erforderlich<br />
und ist dann mit einer Letalität von annähernd<br />
50 % belastet. Diese vital bedrohliche<br />
Komplikation ist prognostisch so zu bewerten,<br />
dass hierdurch ein septisches Krankheitsbild<br />
ausgelöst wird, dessen Überwindung ganz<br />
entscheidend abhängig ist vom Ausmaß der<br />
intraabdominellen Entzündungsausbreitung.<br />
Daher stellt insbesondere die freie Perforation<br />
eine absolut dringliche Indikation zur<br />
operativen Intervention dar. Die ausgedehnte<br />
Peritonitis (Hinchey Grad III und IV) macht<br />
zumeist Mehrfacheingriffe erforderlich.<br />
Ein Abszess kann im geeigneten Fall mit<br />
einer interventionellen <strong>Dr</strong>ainage unter CT-<br />
Kontrolle erreicht werden. Hierdurch lässt<br />
sich die Operation auf einen frühelektiven<br />
Zeitpunkt verschieben.<br />
Klassifikation der Tab. 17-4<br />
perforierten Divertikulitis<br />
nach Hinchey (1978)<br />
Grad I mesenteriale Phlegmone<br />
oder Abszeß<br />
Grad II parakolischer Abszess<br />
mit Quadrantenperitonitis<br />
Grad III diffuse eitrige Peritonitis<br />
Grad IV diffuse kotige Peritonitis<br />
Elektive Operationsindikationen: Die Indikation<br />
zur Elektivoperation im Intervall ist<br />
heute nicht mehr strittig. Die nicht passierbare<br />
Stenose und die persistierende Fistel werden<br />
operiert. Der zweite Entzündungsschub, also<br />
das Krankheitsrezidiv, stellt eine Resektionsindikation<br />
im Intervall dar. Immunsupprimierte<br />
Patienten und jüngere Patienten (< 40 Jahre)<br />
sollten möglichst bereits nach dem ersten Schub<br />
operiert werden. Zu berücksichtigen ist für<br />
das operative Vorgehen, dass die Letalität im<br />
komplikationsfreien Intervall der Divertikulitis<br />
unter 1 % liegt, was die Indikation in Richtung<br />
auf ein frühzeitiges chirurgisches Eingreifen<br />
nach dem ersten manifesten Entzündungsschub<br />
beeinflussen kann. Die Intervalloperation wird<br />
derzeit zunehmend als laparoskopisch-assistierter<br />
Eingriff vorgenommen.<br />
Die zunehmende Stenosierung des Lumens<br />
lässt sich im Zweifelsfall, wie oben bereits<br />
erwähnt, im Kolondoppelkontrast besser darstellen<br />
als bei der Koloskopie. Die fehlende<br />
Aufweitbarkeit trotz Gabe eines Spasmolyti-<br />
167
168<br />
kums kann in direkter Korrelation zum Ausmaß<br />
der postentzündlichen Wandstarre gesehen<br />
werden und Anlass für die Empfehlung zur<br />
elektiven Resektion sein. Oftmals stellt sich die<br />
Stenose aufgrund einer Divertikulitis relativ<br />
langstreckig dar. Der sichere Malignomausschluß<br />
mittels endoskopischer Untersuchung<br />
ist obligat, wenn der Patient trotz entsprechender<br />
Indikation die Resektion ablehnt.<br />
Gelegentlich bleiben Zweifel an der Dignität<br />
der Stenose, so dass erst die Untersuchung<br />
des Resektats verläßlich Aufschluss gibt. In<br />
jüngster Zeit hat aber die Fortentwicklung der<br />
Röntgendiagnostik (MS-CT, Kolon-Hydro-CT,<br />
virtuelle Koloskopie mit CT oder NMR) für<br />
diese Fragestellungen entscheidende Vorteile<br />
erbracht. Die Indikation des operativen Eingriffs<br />
wird durch diese Verfahren abgesichert<br />
und ein unnötiger Aufschub mit der Gefahr<br />
des nächsten Schubs vermieden.<br />
Fistelbildungen zur Blase stellen immer<br />
eine Indikation zur elektiven Resektion unter<br />
Aufhebung der Fistel dar. Eine Pneumaturie<br />
gilt als sicherer Beleg für das Vorliegen einer<br />
Fistel, auch wenn röntgenologisch kein Übertritt<br />
in die Blase nachgewiesen werden kann.<br />
Eine gedeckte Perforation mit Nachweis eines<br />
Paravasats in der Röntgendarstellung gilt insbesondere<br />
in Verbindung mit fortbestehenden<br />
rezidivierenden Entzündungsschüben als zwingende<br />
Indikation zur Elektivoperation.<br />
Entsprechend der Einteilung nach Hansen<br />
und Stock lassen sich die chirurgischen Indikationen<br />
und der jeweilige Operationszeitpunkt<br />
folgendermaßen festlegen:<br />
Stadium Operationsindikation Operationszeitpunkt<br />
0 keine<br />
I Nach dem 1. Schub bei immunsuppr. Patient Intervalloperation<br />
IIa gegeben Frühelektiv<br />
Endzündliche Darmerkrankungen 17<br />
Zusammenfassung: Die Divertikulose oder<br />
deren Entzündungsstadium, die Divertikulitis,<br />
ist eine zunehmende Erkrankung in<br />
westlichen Industrieländern. Neben einer<br />
ballaststoffarmen Ernährung spielen nach<br />
neueren Erkenntnissen auch Störungen<br />
und Alterungsprozesse im Kollagenstoffwechsel<br />
eine Rolle bei der Entstehung.<br />
Eine Divertikulitis entsteht im Rahmen<br />
einer Stuhlimpaktion in den Divertikeln<br />
mit nachfolgender <strong>Dr</strong>uckschädigung, bakterieller<br />
Infektion der Wandschichten und<br />
nach Durchwanderung entzündlicher Umgebungsreaktion.<br />
Eine blande Divertikulose<br />
ist symptomlos oder äußert sich durch vermehrten<br />
Meteorismus oder Völlegefühl. Die<br />
Symptome der Divertikulitis reichen je nach<br />
Entzündungsaktivität von mäßigen linksseitigen<br />
Unterbauchbeschwerden bis zum<br />
akuten Abdomen z. B. bei einer Perforation.<br />
Die Untersuchungsmethode der Wahl bei der<br />
Divertikulose ist die Koloskopie, im akuten<br />
Entzündungsstadium die CT. Therapeutisch<br />
wird bei der Divertikulose ballaststoffreiche<br />
Kost empfohlen, im Entzündungsstadium<br />
primär die konservative <strong>Therapie</strong> mit Nahrungskarenz<br />
und Antibiotika. Die Indikation<br />
zur operativen Intervention besteht akut<br />
bei Perforation oder nicht interventionell<br />
beherrschbarer Abszedierung, elektiv bei<br />
rezidivierenden Schüben, bei Fistelbildung<br />
und bei Stenosen.<br />
IIb gegeben Frühelektiv, evt. nach Abszessdrainage<br />
IIc gegeben notfallmäßig<br />
III Nach dem 2. Schub oder bei chronischen<br />
Komplikationen (Fistel/Stenose)<br />
Intervalloperation,<br />
selten notfallmäßig (Ileus)
18 Stomatherapie<br />
18 Stomatherapie<br />
Stomaanlage 170<br />
Stomaversorgung 171<br />
Maßnahmen zur Stuhlregulierung 171<br />
Irrigation 172<br />
Stomakomplikationen 172<br />
169
170<br />
Vorbemerkung: Der Anteil der Stomaträger<br />
in der BRD muß auf etwa 100000 geschätzt<br />
werden. Jedes Jahr kommen etwa 30000 hinzu<br />
(Angaben lt. BVMed e.V.) ). Trotz Zunahme der<br />
das Stoma vermeidenden tiefen Kontinenzresektion<br />
des Rektums beim Karzinomleiden<br />
sind diese Zahlen in etwa konstant geblieben.<br />
In den letzten Jahrzehnten fand sich nämlich<br />
gleichzeitig ein Anstieg in der Zahl der chronisch-entzündlichen<br />
Darmkrankheiten. Die Indikation<br />
zur Stomaanlage umfasst somit neben<br />
den malignen Erkrankungen auch verschiedene<br />
benigne Leiden, die entweder zeitlich befristet<br />
oder auf Dauer ein Stoma erfordern.<br />
Entscheidende Folge der Stomaanlage ist<br />
der Verlust der Kontinenz. Diese Tatsache kann<br />
von Nichtbetroffenen kaum in ihrer Bedeutung<br />
erfasst werden. Für den Betroffenen stellt sie<br />
eine Behinderung dar, die – obwohl sie sich<br />
durch die modernen Pflegemittel oft sehr gut<br />
versorgen lässt – zu einer Außenseiterposition<br />
in unserer Gesellschaft führen kann. Die<br />
Funktion des natürlichen Afters ist mit so<br />
ausgeprägten Tabuisierungen belegt, dass der<br />
Gesunde auf die Schaffung einer »widernatürlichen«<br />
Situation der Stuhlentleerung mit Angst,<br />
Ablehnung und Unverständnis reagiert.<br />
Der Stomapatient findet sich trotz der<br />
Einsicht in die Notwendigkeit der Operation<br />
postoperativ zunächst in der gleichen Lage mit<br />
Angst und psychischer Abneigung gegenüber<br />
der neugeschaffenen Situation. Die Aufgabe<br />
der Stomatherapie besteht also darin, dem<br />
Patienten bei der Bewältigung dieses Problems<br />
zu helfen. Die Stomatherapie verfolgt somit<br />
einen ganzheitlichen Ansatz, der neben der<br />
somatischen Pflege auch psychosomatische<br />
und psychosoziale Aspekte berücksichtigen<br />
muß. Patienten mit malignen Erkrankungen<br />
bedürfen dabei eines anderen Zugangs als die<br />
Patienten mit benignen Leiden, da jene neben<br />
der Einschränkung der Lebensqualität auch<br />
mit einer Verkürzung ihres weiteren Lebens<br />
rechnen müssen.<br />
Aus diesen Bedingungen der <strong>Therapie</strong> ergibt<br />
sich, dass sie nicht Sache eines einzelnen<br />
Arztes sein kann. In erster Linie betrifft sie den<br />
Hausarzt und den Operateur. Aber letztlich<br />
muß jede ärztliche Maßnahme die Situation<br />
Stomatherapie 18<br />
des Stomaträgers berücksichtigen und insofern<br />
auch »Stomatherapie« sein. Die Betreuung durch<br />
Betroffene in Selbsthilfegruppen hat sich als<br />
ausgezeichnete Hilfe erwiesen. (Kontaktadresse:<br />
Deutsche ILCO, Landshuter Str. 30, 85356<br />
Freising). Die Bemühungen der Industrie um<br />
technische Verbesserungen der Pflegesysteme<br />
haben ferner dazu geführt, dass es bei sachkundiger<br />
Anwendung der Produkte kaum noch<br />
Versorgungsprobleme gibt. Die medizinisch<br />
unterstützende pflegerische Versorgung hat<br />
sich dabei als notwendig erwiesen, was zur<br />
Ausbildung sachkundiger und erfahrener Stomatherapeuten<br />
geführt hat.<br />
Stomaanlage<br />
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen<br />
einem Kolostoma, Ileostoma und einem Urostoma.<br />
Das Ileostoma fördert einen nur mäßig<br />
eingedickten Stuhl, der zudem kontinuierlich<br />
austritt. Es muß prominent angelegt sein, d.<br />
h. das Hautniveau überragen, damit der Stuhl<br />
ohne Benetzung der Haut in den Beutel abtropfen<br />
kann. Der Dünndarmstuhl ist aggressiv und<br />
führt zu Hautreizungen. Gleiche Bedingungen<br />
sind bei einem Urostoma erforderlich, da es<br />
hier zu wässrigen Ausscheidungen kommt.<br />
Die Pflege des Kolostomas ist einfacher. Es<br />
liegt üblicherweise im Hautniveau und fördert<br />
diskontinuierlich. Im geeigneten Fall läßt sich<br />
auch ein Kolostoma leicht prominent anlegen<br />
und so besser versorgen.<br />
Bereits bei der Stomaanlage sind diese<br />
Bedingungen einzukalkulieren. Es hat sich<br />
als unumgänglich herausgestellt, dass die<br />
Stomaposition präoperativ im Liegen, Sitzen<br />
und Stehen markiert wird. Das Stoma muss<br />
mit einem Klebebeutel abdeckbar sein und<br />
deswegen in einem faltenfreien Bereich der<br />
Haut mit entsprechendem Abstand von knöchernen<br />
Vorsprüngen wie dem Beckenkamm<br />
und vom Nabel liegen. Selbstverständlich<br />
muß der Patient das Stoma zur Versorgung<br />
einsehen können, da er sonst ständig auf eine<br />
Hilfsperson angewiesen ist.
18 Stomatherapie<br />
Stomaversorgung<br />
Wesentlich ist die schrittweise Einführung<br />
in die Stomaversorgung in der frühen postoperativen<br />
Phase, wobei von vorneherein auf<br />
die eigenständige Durchführung durch den<br />
Patienten unter Assistenz der Pflegefachkraft<br />
zu achten ist. Der Patient darf nicht von einer<br />
Hilfsperson abhängig werden und muss darum<br />
recht bald allein die Versorgung durchführen<br />
können.<br />
Die Reinigung der Haut um das Stoma<br />
erfolgt mit Wasser und weichem Papier, ggf. mit<br />
fettfreier Seife. Handelsübliche Pflasterentferner<br />
können nützlich sein. Sie sind hautfreundlicher<br />
als Waschbenzin. Nach Trocknung der Haut<br />
kann bei Problempatienten eine Hautschutzlotion<br />
aufgebracht werden. Diese Maßnahme<br />
ist sicherlich bei gesunden Hautverhältnissen<br />
nicht obligat. Die Lösungen enthalten Adstringentien,<br />
die die Haut widerstandsfähiger<br />
machen gegenüber der ständigen Applikation<br />
der Klebefläche des Beutels. Eine Enthaarung<br />
der peristomalen Haut ist auf jeden Fall erforderlich.<br />
Für die Beutelversorgung gelten einige<br />
grundsätzliche Hinweise. Im Bereich einer Sigmakolostomie<br />
ist im Regelfall die Anwendung<br />
eines einfachen Klebebeutels ausreichend. Eine<br />
hydrokolloide Basisplatte wird erforderlich bei<br />
peristomalen Hautreizungen. Die integrierten<br />
Beutelsysteme mit schmaler Hydrokolloidbasis<br />
und zusätzlichem Klebering stellen einen<br />
brauchbaren Kompromiss dar. Im Gegensatz zu<br />
den früher verwendeten Karaya-Basisplatten<br />
werden von der Industrie heute fast ausschließlich<br />
hydrokolloide Haftflächen angeboten.<br />
Sie werden zum Wechsel komplett entfernt.<br />
Der Stomaträger selbst sollte aber über dieses<br />
Vorgehen entscheiden, da der jeweils komplette<br />
Wechsel durch die Entfernung der Haftfläche<br />
mit Schmerzen verbunden sein kann. Alternativ<br />
kann ein zweiteiliges System gewählt werden,<br />
bei dem nur der Beutel ausgetauscht wird und<br />
die Basisplatte verbleibt. Dieses System ist an<br />
einer Ileostomie besonders wertvoll. Hier kann<br />
zusätzlich ein Ausstreifbeutel gewählt werden,<br />
wenn der Darminhalt sehr dünnflüssig ist und<br />
der Beutel dementsprechend oft gewechselt<br />
werden muss. Im Bedarfsfall kann die Stuhl-<br />
konsistenz durch Absorbermaterialien im Beutel<br />
verändert werden.<br />
Grundsätzlich sollte die Beutelöffnung<br />
genau auf das Stoma »passen«. Der Operateur<br />
muss sich um eine kreisrunde Eröffnung der<br />
Haut bemühen. Die Beutelunterfläche sollte<br />
als Öffnung eine Fläche freigeben, die keine<br />
größeren Hautareale freilässt, da es hier sonst zu<br />
Hautirritationen durch Darminhalt kommt. Für<br />
das kreisrunde Stoma bieten die Hersteller Beutel<br />
mit Öffnungen in jeder Größe an, so dass es<br />
problemlos möglich ist, einen passenden Beutel<br />
zu verordnen. Es empfiehlt sich, das Stoma mit<br />
einem der zahlreichen Messsysteme exakt zu<br />
vermessen. Der häufigste Versorgungsfehler ist<br />
die Wahl einer zu breiten Hautöffnung. Ovale<br />
Stomaöffnungen müssen in der Regel von Hand<br />
zugeschnitten werden. »Eigenkonstruktionen«<br />
mit dickem Pflasterverband und »Textilbeilage«<br />
sind unnötig und nutzen nicht die Vorteile der<br />
technisch hochentwickelten Produkte mit semipermeablen<br />
Haftflächen und Aktivkohlefilter.<br />
Nützlich sind textilbezogene Beutelrückseiten<br />
oder separate Textilbezüge, die einer Irritation<br />
der Haut durch die Wirkung einer »feuchten<br />
Kammer« vorbeugen. Für die Versorgung eines<br />
»Problemstomas« in unebenen Hautarealen sind<br />
Pasten auf Polypectin- oder Polysaccharidbasis<br />
erhältlich, die Hautfalten ausgleichen können<br />
und so eine glatte Unterfläche schaffen. Sie<br />
verhindern ein vorzeitiges Abheben durch<br />
Stuhlunterspülung der Haftfläche. In seltenen<br />
Fällen kann die Verwendung eines Beutels mit<br />
konvex gewölbter Grundplatte als Ausgleich<br />
einer Hauteinziehung und Stomaretraktion<br />
sinnvoll sein. In der Regel sind »Eigenkonstruktionen«<br />
Maßnahmen des alleingelassenen und<br />
schlecht beratenen Patienten oder das Ergebnis<br />
einer rigide sparsamen Verschreibungspraxis,<br />
obwohl es sich bei Produkten für die Stomaversorgung<br />
um Hilfsmittel handelt, die das<br />
ärztliche Budget nicht belasten.<br />
Maßnahmen<br />
zur Stuhlregulierung<br />
Der Patient mit einem Kolostoma sollte eigene<br />
Erfahrungen sammeln bezüglich der blähenden<br />
171
172<br />
Wirkung der Speisen und der Gesamttrinkmenge.<br />
Ein Ernährungsprotokoll zeigt schnell die<br />
Faktoren in der Nahrung auf, die Störungen<br />
verursachen und dementsprechend vermieden<br />
werden sollten. Für den Patienten mit einem<br />
Ileostoma ergeben sich Möglichkeiten einer<br />
medikamentösen Beeinflussung der Darmtätigkeit<br />
mit peristaltikhemmenden Mitteln.<br />
Die Dosierung sollte sich unter vorsichtiger<br />
Dosissteigerung am Erfolg orientieren.<br />
Irrigation<br />
Nachdem alle Versuche zur Schafffung eines<br />
»kontinenten« Stomas problematisch geblieben<br />
sind (Erlanger Magnetverschluss, glattmuskuläre<br />
Sphinkterersatzplastik, Sakralanus mit dyn.<br />
Grazilisplastik), verbleibt bei geeigneten Patienten<br />
die seit langem propagierte Methode der<br />
Irrigation als eine hervorragende Möglichkeit<br />
zur Erlangung einer »Scheinkontinenz«. Das<br />
Prinzip besteht in einer Spülung des zuführenden<br />
Darmschenkels mit körperwarmem Wasser,<br />
das über ein spezielles System mit konischem<br />
Einfüllstutzen eingebracht wird. Durch die<br />
Form und das Material des Stutzens ist eine<br />
Verletzung des Darmes ausgeschlossen. Voraussetzung<br />
ist ein komplikationslos eingeheiltes<br />
Sigmastoma. Die Spülmenge ist individuell<br />
festzulegen, wobei in der Erprobungsphase<br />
mit 500 – 1500 ml begonnen wird.<br />
Die Irrigation gliedert sich in 4 Phasen:<br />
1. Anspülphase: Etwa 200 ml Leitungs-<br />
wasser werden eingebracht. Hierdurch<br />
wird der Stuhl im terminalen Anteil<br />
aufgeweicht.<br />
2. Einlaufphase: Die nach der Erprobungsphase<br />
festgelegte Gesamtmenge<br />
wird zügig eingebracht, ohne dass dabei<br />
Bauchschmerzen auftreten dürfen. Der<br />
Patient selbst steuert die Geschwindigkeit.<br />
3. Entleerungsphase: Einige Minuten nach<br />
Abschluss der Einlaufphase beginnt<br />
spontan die Entleerung des Darminhalts<br />
und der eingebrachten Spülfüssigkeit.<br />
Stomatherapie 18<br />
4. Nachentleerungsphase: Etwa 1 h lang<br />
kann es noch zu kleineren Entleerungen<br />
kommen. Der Patient trägt darum<br />
noch den situativ verschlossenen Spül-<br />
beutel. Erst nach dieser Zeit erfolgt<br />
die definitive Versorgung mit einer<br />
sogenannten Stomakappe.<br />
Es ist selbstverständlich, dass zur Durchführung<br />
der Irrigation ein industriell gefertigtes Set<br />
verwendet werden sollte. Diese Sets enthalten<br />
zudem eine bebilderte Anleitung.<br />
Stomakomplikationen<br />
Die möglichen Stomakomplikationen lassen<br />
sich in Früh- und Spätkomplikationen einteilen.<br />
Den Frühkomplikatonen liegen in hohem Maße<br />
operationstechnische Fehler zugrunde, die<br />
dementsprechend vermieden oder kurzfristig<br />
korrigiert werden sollten.<br />
Die Fehlposition eines Stomas in Hautfalten,<br />
in der Narbe oder im nicht einsehbaren Bereich<br />
des Abdomens kann durch eine präoperative Planung<br />
sicher vermieden werden. Ödem, Retraktion<br />
oder Nekrose in der postoperativen Phase sind<br />
gelegentlich das Ergebnis unzureichender Mobilisation<br />
des Darmes. Hier ist unter Umständen<br />
die frühzeitige Reintervention erforderlich. Das<br />
gleiche gilt für Infektionen mit nachfolgender<br />
Defektheilung. Die angesprochenen Probleme<br />
können im Rahmen der Sekundärheilung Pflegeprobleme<br />
schaffen, die die Lebensqualität<br />
des Patienten erheblich einschränken. Auch<br />
die Tatsache, dass ein Stoma nur als temporäre<br />
Maßnahme gedacht ist, darf nicht zu Nachlässigkeiten<br />
in der Planung führen.<br />
Stomakomplikationen Tafel 18-1<br />
• Hautirritationen<br />
• Fehlposition<br />
• Stomaretraktion<br />
• Stomastenose<br />
• Stomaprolaps<br />
• parastomale Hernie
18 Stomatherapie<br />
Abb. 18-1 Stomakomplikationen: peristomale<br />
Hernie, tief eingezogener Stomarand<br />
Abb. 18-2 Stomakomplikationen:<br />
Anus praeter-Prolaps<br />
Zu den Spätkomplikationen sind peristomale<br />
Hautprobleme, peristomale Hernien,<br />
Anus praeter-Prolaps sowie die Retraktion<br />
und Stenose des Stomas zu zählen (vgl. Abb.<br />
18 -1 – 18 -3).<br />
Abb. 18-3 Stomakomplikationen: Stenose<br />
und Fehlposition (zu weit kaudal, Stoma für<br />
Patient nicht einsehbar).<br />
Die Hautprobleme sind eine Domäne konservativer<br />
<strong>Therapie</strong>bemühungen. Mitunter gelingt<br />
eine Besserung nur nach ausgiebiger Beratung<br />
und Suche nach dem auslösenden Agens. Stomatherapeuten<br />
kommt hier ihre Erfahrung und<br />
die Kenntnis der unterschiedlichen Pflegesysteme<br />
zugute. Der Wechsel vom Klebebeutel zu<br />
einem System mit Hautschutzplatte gilt als der<br />
erste Schritt zur Besserung einer peristomalen<br />
Dermatitis. Eine offene Salbenbehandlung ist<br />
dem unterlegen, da hier keine sichere Beutelversorgung<br />
möglich ist. Eine Dermatitis, reaktiv<br />
auf die Klebemasse des Pflasters – erkennbar<br />
am Muster auf der Haut -, sollte zum Wechsel<br />
des Präparates führen.<br />
Die übrigen genannten Spätkomplikationen<br />
müssen als Gegenstand chirurgischer Korrekturoperationen<br />
gelten, wenngleich es keine<br />
standardisierten Indikationen zum Reeingriff<br />
gibt. Die Korrekturoperation wird angestrebt,<br />
wenn die pflegerischen Möglichkeiten ausgeschöpft<br />
sind. Dies ist bei der Stenose und der<br />
Retraktion relativ frühzeitig der Fall, weshalb<br />
die Indikation großzügig zu stellen ist. Peristomale<br />
Hernie und Prolaps sind relativ häufige<br />
Ereignisse. Sie zeigen, dass die Fixierung des<br />
ausgeleiteten Darmanteils technisch nur mangelhaft<br />
möglich ist im Vergleich zur normalen<br />
anatomischen Fixierung des Rektums und<br />
Analkanals im knöchernen Becken. Mit einer<br />
gewissen Häufigkeit dieser Komplikationen<br />
muss trotz sorgfältiger Technik also gerechnet<br />
werden. Etwa 40 % der Stomaträger erleiden<br />
173
174<br />
im Laufe der Zeit diese »stomaimmanenten«<br />
Komplikationen. Nach der Korrekturoperation<br />
ist die Gefahr des Rezidivs nicht unerheblich,<br />
was insbesondere im Fall der Hernie die Indikation<br />
zur Korrektur mitbeeinflusst.<br />
Die Beseitigung des Prolapses kann frühzeitig<br />
durchgeführt werden, zumal diese Korrektur<br />
nicht selten ohne großen operativen Aufwand<br />
und ohne Gefährdung des Patienten möglich<br />
ist. In der Behandlung der kleinen peristomalen<br />
Hernie kann zunächst eine Leibbinde nützlich<br />
sein. Empfehlenswert ist eine geschlossene<br />
Binde in Kombination mit einer regelmäßigen<br />
Irrigation, sofern diese noch möglich ist. Die<br />
Binde mit Öffnung für den Stomabeutel kann<br />
durch den verstärkten Rand der Öffnung sogar<br />
nachteilig für die Prolapsentwicklung sein,<br />
da der Rand als zusätzliches Hypomochlion<br />
für den herausdrängenden Darm wirkt. Die<br />
operative Korrektur der peristomalen oder<br />
parastomalen Hernie muss die hohe Rezidivquote<br />
dieses Eingriffs mit berücksichtigen. In<br />
Einzelfällen sind im Laufe der Krankheitsgeschichte<br />
mehrere Korrekturen erforderlich.<br />
Durch die Narbenverhältnisse gestalten sich<br />
die Eingriffe von Mal zu Mal schwieriger,<br />
so dass nicht selten eine Transposition des<br />
Stomas zur Gegenseite erforderlich wird. Die<br />
Indikation zur Hernienkorrektur ergibt sich<br />
dann, wenn das Stoma nicht mehr adäquat<br />
versorgt werden kann.<br />
Der Verlust der Irrigationsmöglichkeit<br />
kann ebenfalls, insbesondere bei Patienten<br />
mit einem Stoma aus benigner Indikation und<br />
mit uneingeschränkter Lebenserwartung, als<br />
Indikation zum Korrektureingriff gelten.<br />
Stomatherapie 18<br />
Zusammenfassung: Die Anlage eines Stomas<br />
kann auf Grund benigner oder maligner<br />
Leiden notwendig werden. Sie ist immer<br />
verbunden mit dem Verlust der Kontinenz.<br />
Es werden je nach Anlage das Kolostoma,<br />
das Ileostoma und das Urostoma unterschieden.<br />
Bei dünnflüssigen Ausscheidungen<br />
muss das Stoma zur Vermeidung<br />
peristomaler Hautirritationen prominent<br />
angelegt werden. Bei korrekt angelegtem<br />
Stoma ist heute durch moderne Vorsorgungssysteme<br />
eine geruchs-, flüssigkeits-<br />
und gasdichte Versorgung möglich. Durch<br />
stuhlregulierende Maßnahmen und/oder<br />
durch Irrigation kann die Versorgung weiter<br />
optimiert werden. Stomakomplikationen<br />
in der Frühphase nach Anlage sind meist<br />
operationstechnisch bedingt. Spätkomplikationen<br />
wie Stomaprolaps oder parastomale<br />
Hernien sind oft auch bei optimaler Technik<br />
nicht vermeidbar, so dass Korrektureingriffe<br />
nötig werden.
175
176<br />
Lehrbücher der<br />
Koloproktologie und<br />
Monographien zu<br />
Einzelproblemen<br />
Adler, G., Beglinger, C., Manns, M.P.,<br />
Müller-Lissner, S., Schmiegel, W. (Hrsg.):<br />
Klinische Gastroenterologie und Stoffwechsel.<br />
Springer, Berlin, Heidelberg,<br />
New York, 2000<br />
Bartram, C.I., Frudinger, A.: Handbook<br />
of Anal Endosonography. Wrightson<br />
Biomedical Publishing Ltd. 1997<br />
Beynon, J., Feifel, G., Hildebrandt,<br />
U., Mortensen, NJMcC.: An Atlas of Rectal<br />
Endosonography. Springer, Berlin,<br />
Heidelberg, New York, 1991<br />
Buchmann, P.:<br />
Lehrbuch der Proktologie.<br />
Huber, Bern, 2002<br />
Buchmann, P., Brühlmann, W. (Eds.):<br />
Investigation of Anorectal Functional<br />
Disorders. Springer, Berlin, Heidelberg,<br />
New York, 1993<br />
Buess, G. (Hrsg.):<br />
Endoskopie. Von der Diagnostik bis zur<br />
neuen Chirurgie.<br />
DÄV, Köln, 1990<br />
Buhr, H.J., Runkel, N. (Hrsg.): Operationskurs<br />
Kolorektales Karzinom. J.A. Barth,<br />
Heidelberg, Leipzig, 1998<br />
Brühl, W., Wienert, V., Herold, A.:<br />
Aktuelle Proktologie. UNI-MED, Bremen,<br />
2. Aufl. 2005<br />
Caspary, W.F., Stein, J. (Hrsg.): Darmkrankheiten.<br />
Springer, Berlin, Heidelberg,<br />
New York, 1999<br />
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Gastroenterologische Endoskopie. Thieme,<br />
Stuttgart, New York, 2003<br />
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Chirurgische Onkologie.<br />
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Nivatvongs, S.: Essentials of<br />
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Lippincott, Philadelphia, 1980<br />
Hahn, E.G., Riemann, J.F. (Hrsg.):<br />
Klinische Gastroenterologie. 3. Aufl.,<br />
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Henry, M.M., Swash, M. (Hrsg.):<br />
Coloproctology and the pelvic floor:<br />
Pathophysiology and management.<br />
Butterworths, London, 1985<br />
Hoffmann, J.C., Kroesen, A.J., Klump, B.:<br />
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen.<br />
Thieme, Stuttgart, New York, 2004<br />
Huber, A., Hochstetter, A.H.C. v.,<br />
Allgöwer, M.: Transsphinktere Rektumchirurgie.<br />
Topograpische Anatomie<br />
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Springer, Berlin, 1983<br />
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Neurologie des Beckenbodens – Neuro<br />
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München, Jena, 5. Aufl. 2003<br />
Köckerling, F., Lippert, H., Gastinger, I. (Hrsg.):<br />
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Proktologie. Springer, Berlin, Heidelberg,<br />
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Lingemann, B.: Proktologische Praxis.<br />
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Localio, S.A., Eng, K., Coppa, G.F.:<br />
Anorectal, presacral and sacral tumors.<br />
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Mann, C.V.: Surgical treatment of<br />
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Marti, M.-C., Givel, J.-C. (Hrsg.):<br />
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Springer, Berlin, 1990<br />
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Müller-Lissner, S.A., Akkermans,<br />
L.M.A. (Hrsg.): Chronische Obstipation<br />
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Springer, Berlin, 1989<br />
Müller-Lissner, S., Koelz, H.R.:<br />
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Springer, Berlin, 1991<br />
Nicholls, R.J., Dozois, R.R. (Eds.): Surgery of<br />
the Colon & Rectum. Churchill Livingstone,<br />
New York, London, 1997<br />
Siewerth, J.R., Harder, F., Rothmund,<br />
M. (Hrsg.): Praxis der Viszeralchirurgie:<br />
gastroenterologische Chirurgie. Springer,<br />
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Stange, Eduard F.: Colitis ulcerosa – Morbus<br />
Crohn. UNI-MED, Bremen, 2. Aufl. 2004<br />
Stein, E.: Proktologie. Springer, Berlin,<br />
Heidelberg, New York, 4. Aufl. 2003<br />
Stelzner, F.: Chirurgie an viszeralen<br />
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Winkler, R., Otto, P.: Proktologie. Thieme,<br />
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der Wissenschaftlichen Medizinischen<br />
Fachgesellschaften unter http:<br />
//www.awmf-online.de<br />
Leitlinien der Deutschen<br />
Gesellschaft für Verdauungs- und<br />
Stoffwechselkrankheiten unter http:<br />
//www.dgvs.de/leitlinien.htm<br />
177
178<br />
Sachwortregister<br />
Adenokarzinom 134, 137, 138,<br />
139, 144, 148ff<br />
Adenom 129, 144ff, 149, 151, 155<br />
Adenom-Karzinom-Sequenz 25,<br />
129, 143, 145, 148<br />
AIDS 44, 164<br />
Akne inversa 23, 66, 76, 77<br />
Allergisches Kontaktekzem 79, 80, 81<br />
Ampulla recti 6, 11, 84, 94<br />
Amsterdam-Kriterien 151<br />
Analabszess<br />
Klassifikation 64<br />
<strong>Therapie</strong> 67<br />
Anale intraepitheliale Neoplasie<br />
144, 145, 151<br />
Analekzem<br />
endogen 79, 80, 81<br />
irritativ-toxisch 20, 79, 80<br />
Kontaktekzem 80, 81<br />
Analekzem 42, 80, 81<br />
Analfibrom 23, 25, 110, 129<br />
Analfissur<br />
akute 56<br />
chronische 56, 61<br />
medikamentöse <strong>Therapie</strong> 58ff<br />
operative <strong>Therapie</strong> 60<br />
Pathogenese 56<br />
Analfissur 19, 23, 41, 56ff, 162<br />
Analfistel<br />
Exzision 69<br />
Fadendrainage 69<br />
intersphinktär 65<br />
Klassifikation 64<br />
M. Crohn 162<br />
plastischer Verschluss 162<br />
suprasphinktär 65<br />
<strong>Therapie</strong> 68<br />
transsphinktär 65<br />
Analfistel 22, 33, 42, 64ff, 162<br />
Analkanalkarzinom 135, 137ff<br />
Analkarzinom<br />
Analkanalkarzinom 137<br />
Analrandkarzinom 135, 136,<br />
Klassifikation 135<br />
Analkarzinom 42, 53, 58, 62,<br />
66, 128, 135ff<br />
Analpapille 57<br />
Analpolyp 129<br />
Analprolaps 39, 42, 48, 84, 85,<br />
89, 90, 94, 109<br />
Analrandkarzinom 135ff<br />
Analtumor 54<br />
Analtumor, benigne 129<br />
Analvenenthrombose 52ff<br />
Anatomie<br />
Analkanal 6<br />
Beckenboden 6<br />
Gefäßversorgung 8<br />
Innervation 8<br />
Proktodealdrüse 64<br />
Sphinkterapparat 6<br />
Anismus 29, 31, 119, 120, 121<br />
Anoderm 6, 7, 8, 11, 13, 45, 46, 47, 48,<br />
84, 85, 100, 101, 109, 129<br />
anorektaler Winkel 6, 12, 13, 88,<br />
93, 100, 113<br />
Anus praeter 173<br />
Artificial bowel sphincter 106, 111, 112<br />
Ballaststoffe 119, 120, 121, 122, 124<br />
Basalzellkarzinom 135, 140<br />
Benigne Tumoren<br />
Adenom 144ff<br />
Benigne Tumoren 129<br />
Biofeedback 105, 107, 108, 121, 122<br />
Blutung, peranale 19, 25, 137, 149<br />
Botulinumtoxin 55, 60<br />
Bowenoide Papulose 127, 131, 132<br />
Buschke-Löwenstein-Tumor 129<br />
Carcinoma in situ 138, 147<br />
Colitis ulcerosa 151, 158ff<br />
Colon irritabile 123ff<br />
Condylomata acuminata 24, 129ff<br />
Corpus cavernosum recti 7, 8, 12, 13, 36ff<br />
Defäkation 13, 21, 52, 118, 119, 123<br />
Defäkographie 17, 33, 85, 89, 120, 122<br />
Dermatosen 42, 79, 81<br />
Dermoidzyste 72, 73, 74<br />
Deszensus perinei 83, 87<br />
Diarrhoe 21, 25, 57, 100, 101, 106,<br />
109, 118, 122ff, 165<br />
Diversionskolitis 157, 158, 165<br />
Divertikulitis<br />
Hinchey-Klassifikation 167<br />
Klassifikation 167<br />
Operation 167
Stadieneinteilung 168<br />
Divertikulose 122, 157, 165ff<br />
Dynamische Grazilisplastik 111<br />
Ekzem<br />
atopisch 20<br />
endogen 79, 80<br />
Endoskopie 29, 32, 86, 90, 123<br />
Endosonographie<br />
anale 26<br />
bei Abszess 27<br />
rektale 26<br />
Endosonographie 26ff, 104, 136,<br />
137, 139, 140, 152, 154<br />
Erythrasma 81<br />
Fadendrainage 63, 68, 69, 70, 160, 162, 163<br />
Familiäre adenomatöse Polypose<br />
(FAP) 149, 151<br />
Feigwarzen 129, 130, 131<br />
Ferguson-Plastik 109, 110<br />
Fissur, anal 19, 23, 41, 42, 56ff, 136,<br />
138, 162, 163<br />
Fistel, anal 26, 27, 30, 64ff, 80,<br />
138, 162, 163<br />
Fisteldarstellung, radiologisch 33<br />
Funktionsproktoskopie 24, 88<br />
Geburtstrauma 100, 102, 110<br />
Gonorrhoe 130, 164<br />
Goodsall-Regel 65<br />
Gummibandligatur 35, 43, 44, 50<br />
Haarnestgrübchen 72<br />
Hämorrhoiden<br />
Basistherapie 42<br />
Gummibandligatur 43f<br />
Hämorrhoidalprolaps 48<br />
Klassifikation 35, 38<br />
Operation nach Fansler-Arnold<br />
45, 46, 47, 49<br />
Operation nach Longo 45, 46<br />
Operation nach Milligan-Morgan<br />
45, 46, 48<br />
Pathophysiologie 37<br />
Sklerosierung 43, 44, 49,<br />
Hämorrhoiden 7, 12, 23, 24, 36ff, 58,<br />
59, 84, 85, 89, 101, 136, 138<br />
Hautanhangsgebilde 7, 137<br />
Hidradenitis suppurativa 76<br />
HIV-Infektion 130, 131, 136, 139<br />
HNPCC 149, 151, 156<br />
HP-Viren 129, 131, 132, 133<br />
Hufeisenfistel 27<br />
Hypertrophe Analpapille 57, 61, 84, 129<br />
Inkontinenz anale<br />
Artifical bowel sphinkter 106,<br />
111, 112, 116<br />
Biofeedback 105, 107, 108, 109,121, 122<br />
Dynamische Grazilisplastik 106, 111f<br />
Einteilung 102, 103<br />
Elektrostimulation 107<br />
Endosonographie 104, 105<br />
Klassifikation 100, 101, 102<br />
Manometrie 104, 105<br />
neurologische Untersuchung 105<br />
Postanal Repair 106, 112ff<br />
Sakralnervenstimulation 99, 106, 110<br />
Scores 103, 115, 116<br />
Sphinkterrekonstruktion 99, 106,<br />
110, 111, 115<br />
Stomaanlage 99, 106, 114<br />
<strong>Therapie</strong> 99, 105<br />
Inkontinenz anale 3, 10, 12ff, 29ff, 69,<br />
80, 89, 92ff, 100ff, 137, 139, 162<br />
Innervation<br />
Analsphinkter 11<br />
Beckenboden 8<br />
Inspektion 17, 22, 23, 24, 25, 38, 52,<br />
57, 66, 88, 89, 93<br />
Invagination 85, 86, 87, 88, 92, 93, 94, 97<br />
Juckreiz 19, 20, 40, 41, 42, 50, 57, 80,<br />
102, 130, 131, 132, 133, 137, 139<br />
Juveniler Polyp 144<br />
Karzinom kolorektales<br />
low-risk 147, 148, 152, 153, 154, 156<br />
Nachsorge 155<br />
Operation 153<br />
Prävention 149<br />
<strong>Therapie</strong> 152, 153, 154<br />
Karzinom kolorektales 18, 41, 42,<br />
145, 148ff<br />
Kneifdruck 28, 29<br />
Knie-Ellenbogen-Lage 22<br />
Kolitis 158ff, 164, 165<br />
Kolondoppelkontrast 88, 166, 167<br />
Kolorektale Funktionsstörung<br />
Anismus 119<br />
Diarrhoe 122<br />
Morbus Hirschsprung 119, 121<br />
Obstipation 118<br />
outlet obstruktion 120<br />
179
180<br />
Reizdarmsyndrom 125<br />
Transitzeit 120, 121, 122<br />
Kolorektale Funktionsstörung 3, 118ff<br />
Koloskopie<br />
Indikation 25<br />
interventionelle 32<br />
Perforation 26<br />
Koloskopie 17, 18, 25, 26, 32, 33,<br />
94, 137, 146ff, 155, 168<br />
Kondylome 24, 130, 131<br />
Kontaktallergie 20<br />
Kontaktekzem, allergisches 81<br />
Kontinenzorgan 6ff, 36, 49, 99, 100,<br />
102, 105, 106, 109, 140<br />
Kontinenzstörung 9, 10, 12, 13, 20, 40,<br />
41, 47, 61, 65, 101<br />
Krypten 56, 64<br />
Kryptitis 56, 61<br />
Laterale Sphinkterotomie 55, 60, 62<br />
Laxantien 120, 122<br />
Lentigo-maligna-Melanom 140<br />
Levator ani 6, 12<br />
Levatorenplastik 95, 113ff<br />
Ligaturbehandlung 44<br />
Linea dentata 6, 8, 12, 23, 24, 36, 46,<br />
57, 61, 64, 65, 84, 85, 87, 89, 129,<br />
130, 137, 138, 139, 140<br />
Linksseitenlage 22, 59<br />
Lues 130, 131, 164<br />
Manometrie 17, 27, 28, 29, 104, 105, 152<br />
Mariske 54, 57, 160, 163<br />
Melanom anorektales 128, 139<br />
Morbus Bowen 81, 127, 132ff<br />
Morbus Crohn<br />
Abszess 162<br />
anal 160ff<br />
anales Ulkus 137<br />
Fistel 64, 70, 77, 160, 163<br />
operative <strong>Therapie</strong> 162, 163<br />
Morbus Crohn 23, 56, 62, 64, 70,<br />
77, 100, 101, 135, 137, 145, 151, 158ff<br />
Morbus Hirschsprung 11, 119<br />
Morbus Paget 127, 133, 134, 135<br />
Mukosaprolaps 83, 85<br />
Nadelelektromyographie 29, 30, 31, 32<br />
Nässen 20, 21, 40, 50, 57, 80, 130, 132<br />
Neoplasie, intraepithelial 144, 145, 151<br />
Neuropathie, diabetische 100<br />
Obstipation 118ff<br />
Outlet-Obstipation 89, 102, 119, 120<br />
Oxyuren 20<br />
Palpation 17, 22, 23, 25, 38, 66, 88,<br />
103, 137, 140<br />
Papillomviren 129, 131, 132, 133<br />
Passagezeit 120, 165<br />
Perianalvenenthrombose 42, 140, 141<br />
Pfählung 102<br />
Pilonidalsinus 3, 66, 72ff<br />
Pilonidalzyste 72<br />
Plattenepithelkarzinom 73, 77, 130,<br />
135, 137, 138<br />
PNTML 30, 32, 104<br />
Podophyllin 130<br />
Polypen, kolorektale<br />
Klassifikation 144<br />
Nachsorge 148<br />
<strong>Therapie</strong> 146<br />
Postanal repair 96, 106, 112ff<br />
Präkanzerosen 127, 132, 138<br />
Proktalgia fugax 19<br />
Proktitis 100, 159<br />
Proktodealdrüse 64<br />
Proktoskopie 17, 19, 24, 62, 73, 76,<br />
93, 104, 130<br />
Prolaps, anorektal<br />
Deszensus perinei 87<br />
Mukosaprolaps 85<br />
Nomenklatur 84<br />
Rektumvorderwandprolaps 84, 85, 86<br />
Schleimhautprolaps 84, 85, 89<br />
STARR-Operation 89<br />
Prolaps, anorektal 84ff<br />
Pruritus ani 17, 19, 57<br />
Psoriasis 20, 80, 134<br />
Puborektalisschlinge 23, 26, 65, 84<br />
Rehn-Delorme-Operation 95, 97<br />
Reizdarmsyndrom 118, 123ff<br />
Rektoskopie 17, 19, 24, 25, 123, 130,<br />
152,155<br />
Rektozele 21, 23, 83, 84, 87, 89,<br />
105, 118, 119<br />
Rektumamputation 32<br />
Rektumkarzinom 23, 27, 28, 32, 33, 66,<br />
133, 134, 139, 143, 147, 152ff<br />
Rektumprolaps<br />
Ätiopathogenese 92<br />
Klassifikation 93<br />
Operation nach Altemeier 95, 97
Operation nach Frykman-Goldberg 96<br />
Operation nach Rehn-Delorme 95, 97<br />
Operation nach Sudeck 96<br />
Rektumprolaps 3, 13, 19, 21, 23, 24,<br />
42, 84ff, 100, 103, 109, 115, 118<br />
Rektumtumor 26, 32, 152, 153<br />
Rektumulkus 119<br />
Reservoirstörung 100, 102<br />
Rhagade 81, 161<br />
Ruhedruck 28, 29, 104<br />
Schlüssellochdeformität 61, 62<br />
Schmerzen, anal 17, 19<br />
Sigma 88, 94, 97, 148, 165, 166<br />
Sinus pilonidalis 72<br />
Sitzbad 54<br />
Sklerosierung<br />
Kontraindikation 44<br />
nach Blanchard 43<br />
nach Blond 43<br />
Sklerosierung 43, 44, 49, 58<br />
Sonographie<br />
endoanale 27<br />
endorektale 104<br />
Sphincter ani 6ff, 11ff, 26, 56, 59,<br />
60, 61, 65, 92, 113<br />
Sphinkterdefekt 30, 103, 113<br />
Sphinkterdruckmessung 12<br />
Sphinkterotomie, laterale 55, 60<br />
Sphinkterrekonstruktion 99, 106, 110ff, 115<br />
Stapler-Operation 36, 39, 45ff<br />
Steinschnittlage 22<br />
Stomaanlage 99, 106, 114, 122,<br />
163, 169, 170<br />
Stomakomplikation 169, 172ff<br />
Stomaversorgung 169, 171<br />
Stuhldrang 11, 21, 40, 41, 87, 103, 109<br />
Stuhlfrequenz 21, 118, 124, 159<br />
Stuhlkonsistenz 14, 56, 58, 103,<br />
106, 118, 171<br />
Stuhlschmieren 14<br />
Superkontinenz 102<br />
Thrombose perianal 19, 22, 39, 52ff, 58<br />
TNM-Klassifikation 149, 150, 156<br />
Transitzeit 17, 33, 118ff<br />
Tumoren, benigne 129<br />
Überlaufinkontinenz 29<br />
Ulcus simplex recti 19, 24, 87, 122<br />
Untersuchungsposition 22<br />
Verletzung, geburtstraumatisch 113<br />
Verödung 43ff<br />
verruköses Karzinom 129<br />
Virchow‘sche Trias 52<br />
virtuelle Koloskopie 32, 168<br />
Virusinduzierte Tumore 129<br />
Whitehead-Anus 100, 109, 110<br />
Wien-Klassifikation, modifizierte 145<br />
181
182<br />
DR. KADE PHARMAZEUTISCHE FABRIK GMBH, Berlin/ Konstanz.<br />
Posterisan ® corte Salbe, Salbe, Salbe mit Analdehner.<br />
Posterisan ® corte Zäpfchen, Zäpfchen. Wirkstoff: Hydrocortisonacetat.<br />
Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: 1 g<br />
Posterisan corte Salbe enthält 3,3 mg Hydrocortisonacetat als<br />
arzneilich wirksamen Bestandteil. Sonstige Bestandteile: Phenoxyethanol,<br />
gereinigtes Wasser, gelbes Vaselin und Wollwachs<br />
(enth. Butylhydroxytoluol). 1 Posterisan corte Zäpfchen enthält<br />
3,3 mg Hydrocortisonacetat als arzneilich wirksamen Bestandteil.<br />
Sonstige Bestandteile: Hartfett, mittelkettige Triglyceride. Anwendungsgebiete:<br />
Salbe: akutes, juckendes, gerötetes Analekzem.<br />
Zäpfchen: Juckreiz und Entzündungen im Analbereich bei Hämorrhoidalleiden,<br />
Analfissuren und Ekzemen. Gegenanzeigen: Keine<br />
Anwendung bei: Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil des<br />
Arzneimittels, spezifischen Hautprozessen (z. B. Tuberkulose, Lues,<br />
Gonorrhoe) im Behandlungsbereich, Varizellen und Vakzinationsreaktionen,<br />
bakteriellen Hautinfektionen und Mykosen, perioraler<br />
Dermatitis und Rosacea. Bei länger dauernder Anwendung in<br />
hoher Dosierung auf eine mögliche systemische Wirkung achten.<br />
Keine Anwendung bei Säuglingen. Anwendung bei Kindern unter<br />
12 Jahren nur unter strenger ärztlicher Aufsicht. Nebenwirkungen:<br />
Häufig: allergische Hautreaktionen (allergische Follikulitiden,<br />
Lokalreaktion, Blutung, Brennen, Juckreiz, Trockenheit, Spannung<br />
im Analbereich). Selten: bei länger dauernder Anwendung Hautatrophien,<br />
Steroidakne, Teleangiektasien, Striae.<br />
Darreichungsformen und Packungsgrößen: OP mit 25 g Salbe<br />
(N1), OP mit 50 g Salbe (N2), OP mit 100 g Salbe (N3), OP 25 g<br />
Salbe mit Analdehner (N1), OP mit 10 Zäpfchen (N1), OP mit 20<br />
Zäpfchen (N2). Stand: Juni 2005<br />
DR. KADE PHARMAZEUTISCHE FABRIK GMBH, Berlin/Konstanz,<br />
DoloPosterine ® N Salbe, Creme, Creme in Einmaltuben,<br />
Creme mit Analdehner, DoloPosterine ® N Zäpfchen, Zäpfchen,<br />
Zäpfchen mit Mulleinlage (Haemotamp), DoloPosterine ® N<br />
Kombi-Packung, Salbe und Zäpfchen. Wirkstoff: Cinchocainhydrochlorid.<br />
Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: 1 g<br />
DoloPosterine N Salbe enthält 5,0 mg Cinchocainhydrochlorid<br />
als arzneilich wirksamen Bestandteil. Sonstige Bestandteile:<br />
Aluminiumstearat, Butylhydroxytoluol, Cetylstearylalkohol,<br />
Citronensäure-Monohydrat, Glycerolmonostearat, Isopropylmyristat,<br />
Magnesiumstearat, Palmitoylascorbinsäure, Parfümöl<br />
Kamille PH, Pentaerythritoldicocosfettsäureester, Propylenglycol,<br />
hochdisperses Siliciumdioxid, methyliert, weißes Vaselin (enth.<br />
α-Tocopherol), gereinigtes Wasser. 1 DoloPosterine N Zäpfchen<br />
bzw. 1 DoloPosterine N Zäpfchen mit Mulleinlage (Haemotamp)<br />
enthält 6,0 mg Cinchocainhydrochlorid als arzneilich wirksamen<br />
Bestandteil. Sonstige Bestandteile: Butylhydroxytoluol, Citronensäure-Monohydrat,<br />
Geruchsstoffe, Glycerolmonostearat, Hartfett,<br />
Palmitoylascorbinsäure, Propylenglycol, mittelkettige Triglyceride.<br />
DoloPosterine N Kombi-Packung: Zusammensetzung s. DoloPosterine<br />
N Salbe und DoloPosterine N Zäpfchen. Anwendungsgebiete:<br />
Creme: zur symptomatischen Linderung von akuten<br />
Schmerzen im Analbereich. Zäpfchen: Juckreiz und Schmerzen im<br />
Analbereich bei Hämorrhoidalleiden. Kombi-Packung: Juckreiz und<br />
Schmerzen im Analbereich bei Hämorrhoidalleiden, Analfissuren<br />
und Rhagaden sowie Ekzemen. Gegenanzeigen: Keine Anwendung<br />
bei Überempfindlichkeit gegen Cinchocainhydrochlorid oder<br />
einen anderen Bestandteil des Arzneimittels und Kindern unter<br />
12 Jahren. Gleichzeitige Anwendung anderer Lokalanästhetika<br />
sollte vermieden werden. Nebenwirkungen: Häufig: lokale Überempfindlichkeitsreaktionen<br />
im Afterbereich (Jucken, Brennen, Rötung,<br />
Bläschenbildung). Sehr selten: generalisiertes Kontaktekzem<br />
(Rötung, Bläschenbildung mit Ausbreitung).<br />
Darreichungsformen und Packungsgrößen: OP mit 25 g Creme<br />
(N1), OP mit 50 g Creme (N2), OP mit 100 g Creme (N3), OP mit<br />
10 x 2,5 g Creme in Einmaltuben (N1), OP mit 25 g Creme mit<br />
Analdehner (N1), OP mit 10 Zäpfchen (N1), OP mit 20 Zäpfchen<br />
(N2), OP mit 10 Zäpfchen mit Mulleinlage (Haemotamp) (N1),<br />
Kombi-Packung (N1) mit 25 g Salbe und 10 Zäpfchen.<br />
Stand: Juli 2005
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />
Pharmazeutische Fabrik GmbH<br />
Rigistraße 2<br />
12277 Berlin<br />
Telefon: 030 / 72 08 2-0<br />
Telefax: 030 / 72 08 2-200<br />
Internet: www.kade.de<br />
E-Mail: info@kade.de<br />
Autoren:<br />
<strong>Dr</strong>. med. Franz Raulf<br />
Chefarzt Chirurgie II / Koloproktologie<br />
Raphaelsklinik Münster<br />
Loerstraße 23<br />
48143 Münster<br />
E-Mail: franz.raulf@t-online.de<br />
<strong>Dr</strong>. med. Gerd W. Kolbert<br />
Facharzt für Chirurgie - Koloproktologie<br />
edh · End- und Dickdarmzentrum Hannover<br />
Mendelssohnstraße 26<br />
30173 Hannover<br />
Internet: www.ed-hannover.de<br />
E-Mail: info@ed-hannover.de<br />
Grafisches Konzept und Realisierung:<br />
Peix Pharma, Berlin<br />
Internet: www.peix.de<br />
E-Mail: info@peix.de<br />
© <strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong> Pharmazeutische Fabrik GmbH
<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong><br />
Pharmazeutische Fabrik GmbH<br />
Rigistraße 2, 12277 Berlin<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Kade</strong>:<br />
Führender Hersteller<br />
von Verordnungsproktologika<br />
Für das Kassenrezept:<br />
DoloPosterine ® N<br />
Posterisan ® corte<br />
Für das grüne Rezept:<br />
Posterisan ®<br />
Posterisan akut ®<br />
Posterine ®