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Herbstliches<br />
gefunden in Richard Beitls Sagensammlung<br />
TEXT: MH | FOTO: MG<br />
Heutzutage ist der Herbst nicht viel mehr als<br />
eine Jahreszeit, für manche eine schöne, wegen<br />
der bunten Blätter, für manche eine arbeitsame,<br />
weil der Garten winterfest gemacht werden<br />
muss, für manche eine ungeliebte, weil es wieder<br />
dunkler und kälter wird, und für manche einfach<br />
die Zeit um Winterreifen aufzuziehen und<br />
über die gestiegenen Ölpreise zu jammern.<br />
Für unsere Vorfahren war es aber auch die Zeit, in der<br />
mit der Dunkelheit auch die unheimlichen Gestalten,<br />
Geister und Bütze zurückkamen. Beredtes Zeugnis<br />
davon geben die Sagen. Richard Beitl, neben Franz<br />
Josef Vonbun, einer der wichtigsten Sagensammler, hat<br />
1953 hunderte im Band „Im Sagenwald – Neue Sagen<br />
aus Vorarlberg“ veröffentlicht. Die erwähnten Bütze<br />
sind Alpgeister, die im Herbst das Regiment auf den<br />
Alpen übernahmen. Nach dem festgelegten Datum<br />
durfte niemand mehr auf der Alp sein, weg von der<br />
Kontrolle der lieben Gemeinde. Die Zahl der Sagen, in<br />
welchen Bütze auftauchen, ist groß. Wir haben eine<br />
ausgesucht, in welcher auch gleich berichtet wird, wie<br />
denn einem Butz beizukommen ist. Nur zur Sicherheit,<br />
falls Sie im Herbst doch noch einem begegnen<br />
sollten.<br />
Der gebannte Hirschgehrnerbutz<br />
In der alten Hütte der Alpe Hirschgehren, welche zur<br />
Gemeinde Warth gehört, hatte im Herbst ein Butz sein<br />
Wesen. Sobald das Vieh von der Alpe abgetrieben war,<br />
hörten Leute, die durch die Birken nach Hochkrumbach<br />
gingen und von dort aus gut zur Hütte<br />
sehen konnten, den Geist oft unter jämmerlichem<br />
Schreien die Hüttentüre auf- und zuschlagen. Einmal<br />
wurde die Alphütte durch einen Brand zerstört.<br />
Obwohl großer Schaden angerichtet war, schaute doch<br />
ein Vorteilchen heraus: Man konnte den lästigen Butz<br />
aus der neuen Alphütte verbannen. Man zimmerte<br />
den Türschweller der alten Hüttentüre, welcher halb<br />
verbrannt aufgefunden worden war, in das Türgestell<br />
der neuen ein. So war der Butz gezwungen, unter der<br />
alten Schwelle seinen Aufenthalt zu nehmen. So eingesperrt<br />
konnte er niemanden mehr belästigen, und<br />
nie hat man seither von dem Bösen etwas gemerkt.<br />
(Im Sagenwald, Nr. 445, S. 248f)<br />
Meistens ist der Herbst in den Sagen nicht mit positiven<br />
Geschehnissen verbunden, es spukt, arme Alpsennen<br />
werden gesotten, man hört Angst einflößende Geräusche<br />
aus der Dunkelheit, Nebelmännlein gehen<br />
umher. Aber: Zumindest von einer positiven Begebenheit<br />
weiß Beitl zu erzählen – sogar von einer sehr positiven.