Marktplatz 2007.11.xpd
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Eine Frage der Intimität<br />
Warum Kinder sich im Advent eher bezaubern lassen,<br />
Jugendliche das uncool finden<br />
und die Kirche nicht voller ist als sonst TEXT: JET | FOTO: MG, CJ<br />
Es kommt die Zeit …<br />
Die Zeit, in der es so früh dunkel wird, dass die Geschäfte<br />
im Ort schon spät nachmittags ihre Beleuchtung einschalten<br />
und es aus den umliegenden Wohnhäusern<br />
wie in einer Eisenbahn-Modell-Landschaft funkelt. Die<br />
Zeit der Herbst-Spaziergänge, die man so gern im knusprigen<br />
Laub unternimmt. Die Zeit der erhöhten Anspannung,<br />
weil jedes Jahr vor dessen jeweiligem Ende noch<br />
dies und das zum Abschluss gebracht werden muss.<br />
Die Zeit, in der die Garderobe auf Minusgrade eingestellt<br />
und die Heizung – sofern man eine hat – in<br />
Funktion gesetzt wird.<br />
Die Zeit der Vorbereitung auf den Skiurlaub, der ungebetenen<br />
Erkältungen und eingelegten Früchte, der<br />
Immer-wieder-für-überflüssig-erklärten-und-trotzdemgeht-man-immer-wieder-hin-Weihnachtsfeiern<br />
im Büro,<br />
die Zeit der Nach-Wien-zum-Christkindl-Markt-Fahrt-<br />
Vorfreude und der unvirtuellen drei „W“s – was, wem,<br />
zu Weihnachten.<br />
Dass Advent ist, kriegt der kinderlose Erwachsene,<br />
der hierzulande fast schon urban lebende, jedenfalls<br />
ganz städtisch arbeitende Mensch durch Werbung, die<br />
immer gleiche Weihnachtsmusik in den Kaufhäusern,<br />
überbordende und vor allem frühzeitige Geschäftsdekorationen<br />
und allerorts vermehrt in Haufen auftretende<br />
Glühweinstände mit. Was er bedeutet, hat man<br />
zwischenzeitlich vergessen, die Erinnerung daran ist<br />
jedenfalls sehr blass, meist wird auch gar nicht danach<br />
gefragt.<br />
Kinder sehen das anders.<br />
Kinder sind, was Advent betrifft – übrigens auch bei<br />
zahlreichen anderen Traditionen – die wahren Roman-<br />
tiker, die echten, die, die noch an die wundersamen<br />
Geschichten glauben, die sich noch in angespannte<br />
Erwartung versetzen und sich zur Vorfreude inspirieren<br />
lassen.<br />
Wer glaubt schon an das Christkind?<br />
Obwohl sie den Kindern ganz offen etwa vom historischen<br />
Nikolaus, dem mit der Bischofsmütze und dem<br />
Bischofsstab erzähle, und sie ihnen auch nicht vorenthalte,<br />
dass die Dinge, die heute passieren, eben nur als<br />
Erinnerung an die Geschichte gedacht seien, zeigt sich<br />
die Wolfurter Volksschullehrerin Renate Adadevoh<br />
davon überzeugt, dass Kinder im Alter bis 10 ganz<br />
leicht bezaubert werden können. Einmal habe sie sich<br />
sogar vor der Klasse umgezogen, sei also in das<br />
Nikolaus-Kostüm geschlüpft und die Wirkung war eindeutig:<br />
„Vor kurzem noch die Lehrerin, war ich zwei<br />
Minuten später plötzlich der leibhaftige Nikolaus.“<br />
Er sei ein klassischer Spätzünder gewesen, gibt Christoph<br />
Lang, Diakon und Lehrer an der Berufsschule<br />
Bregenz, zu. Bis zum Alter von elf oder zwölf habe er<br />
schon noch an den Nikolaus geglaubt. Jetzt ist das<br />
natürlich anders, trotzdem verspüre er heute noch<br />
eine gewisse Nervosität, wenn der Nikolaus zu seinen<br />
Nichten und Neffen käme. Seine Schüler – in der<br />
Berufsschule im Alter jenseits der 14 – sind da offensichtlich<br />
wesentlich cooler – Advent und alles, was<br />
dazu gehört, scheint derzeit gar nicht „in“ zu sein,<br />
eine Ahnung von dessen Bedeutung verschwindend<br />
bis inexistent. Gesprochen wird darüber gar nicht<br />
gern, schon gar nicht vor der Klasse – einzig ein Adventkranz<br />
in der Aula erinnere an die Zeit.<br />
Wenn Lang allerdings in seinen seltenen Religions-<br />
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