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Aktuelle Praxis zur Willensvollstreckung<br />
(2011–2012) 1 Hans Rainer Künzle 2<br />
§<br />
Vorbemerkung: Die nachfolgend zitierten Gerichtsentscheide sind auch bei «successio online»<br />
(www.successio.ch), in der Rubrik «Entscheide»/«Bundesgericht» bzw. «Kantonale Gerichte» abrufbar.<br />
A. Literatur<br />
1 2<br />
In der Berichtsperiode sind zum Thema Willensvollstreckung<br />
die 4. Auflage des Basler Kommentars 3<br />
und einige Aufsätze 4 erschienen, welche jeweils im<br />
Sachzusammenhang behandelt werden. 5 Daneben<br />
sind zwei Dissertationen, von Marc’Antonio Iten 6<br />
und Markus Pichler 7 , erschienen, auf welche hinten 8<br />
näher eingegangen wird.<br />
B. Ernennung des Willensvollstreckers<br />
1 Ausführliche und ergänzte Fassung des Vortrags, welcher<br />
am 7. Schweizerischen Erbrechtstag vom 30. August 2012<br />
(organisiert vom Verein Successio [www.verein-successio.ch])<br />
an der Universität Luzern gehalten wurde; zu<br />
früheren Updates siehe Hans Rainer Künzle, Aktuelle<br />
Praxis zur Willensvollstreckung 2010–2011, successio 5<br />
(2011) 270–280; Aktuelle Praxis zur Willensvollstreckung<br />
2009–2010, successio 4 (2010) 281–293; Aktuelle Praxis<br />
zur Willensvollstreckung 2008–2009, successio 3 (2009)<br />
267–280; Aktuelle Praxis zur Willensvollstreckung 2007–<br />
2008, successio 2 (2008) 299–308; ders., Aktuelle Praxis<br />
zur Willensvollstreckung 2006–2007, successio 1 (2007)<br />
248–258; ders., Aktuelle Praxis zur Willensvollstreckung,<br />
successio 1 (2007) 42–48; ders., Einleitung – Aktuelle<br />
Gerichtspraxis zur Willensvollstreckung, in: Willensvollstreckung<br />
– Aktuelle Rechtsprobleme (2), Zürich 2006,<br />
1–17; ders., Einleitung – Aktuelle Gerichtspraxis zur Willensvollstreckung,<br />
in: Willensvollstreckung – Aktuelle<br />
Rechtsprobleme, Zürich 2004, 1–17.<br />
2 Prof. Dr. Hans Rainer Künzle, Rechtsanwalt, Titularprofessor<br />
für Privatrecht und Privatrechtsvergleichung<br />
an der Universität Zürich (www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/tp/<br />
tit-kuenzle.html), Partner von KENDRIS AG,<br />
Wengistrasse 1, 8004 Zürich (www.kendris.com).<br />
3 Vgl. Martin Karrer/Nedim Peter Vogt/Daniel Leu,<br />
Kommentar zu Art. 517–518, in: Kommentar zum Schweizerischen<br />
Privatrecht (Basler Kommentar), Zivilgesetzbuch<br />
II, hrsg. v. Heinrich Honsell, Nedim Peter Vogt und<br />
Thomas Geiser, 4. A., Basel/Genf/München 2011 (nachfolgend:<br />
BSK-Karrer/Vogt/Leu).<br />
4 Vgl. Gerster, Patrick/Weibel, Thomas, Schweizerische<br />
Zivilprozessordnung und Erbrecht – prozessuale<br />
Chancen und Alltagsfallen, successio 6 (2012) 33–44;<br />
Pannatier Kessler, Delphine, Le droit de suite et sa reconnaissance<br />
selon la Convention de La Haye sur les<br />
trusts – Tracing en droit civil suisse, (Thèse) Genève 2011;<br />
a) In der Neuauflage des Basler Kommentars 9 wird<br />
das Beispiel angeführt, dass es zulässig (weil genügend<br />
bestimmt) sei, «den jeweiligen Seniorpartner<br />
einer grösseren Anwaltskanzlei» als Ersatzwillens<br />
Künzle, Hans Rainer, Interessenkollision im Erbrecht:<br />
Willensvollstrecker, Notar, Anwalt, SJZ 108 (2012) 1–9.<br />
5 Auf die Nachführung der Literatur und Rechtsprechung<br />
sowie die Anpassung an geändertes Recht im BSK-Karrer/Vogt/Leu<br />
gehe ich nachfolgend nicht näher ein: zum<br />
neuen Art. 28 Abs. 1, 2 und 3 ZPO (SR 272) vgl. BSK-<br />
Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 517 ZGB N 11 und<br />
Art. 518 ZGB N 59, 72, 106 und 108; zu Art. 72 ff. BGG<br />
(SR 173.110) vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3),<br />
Art. 518 ZGB N 87; zu Art. 962a Ziff. 2 ZGB (SR 210)<br />
vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 26;<br />
zu Art. 17 Abs. 3 HRegV (SR 221.411) vgl. BSK-Karrer/<br />
Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 31; zu Art. 50 Abs. 1<br />
lit. b und Art. 64 Abs. 1 lit. b GBV (SR 221.432.1) vgl.<br />
BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 45 und<br />
50; zu Art. 153a Abs. 4 DBG (SR 642.11 – Vereinfachte<br />
Nachbesteuerung) vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3),<br />
Art. 518 ZGB N 33b; zum FINMA-Rundschreiben<br />
2011/1, Finanzintermediation nach GwG (SR 955.0), Ziff.<br />
141 vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB<br />
N 12a.<br />
6 Marc’Antonio Iten, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit<br />
des Willensvollstreckers, (Diss. Luzern) Zürich 2012.<br />
7 Markus Pichler, Die Stellung des Willensvollstreckers<br />
in ‹nichterbrechtlichen› Zivilprozessen – unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Stellung der Erben, Diss. Zürich<br />
2011.<br />
8 Vgl. hinten, J. und M..<br />
9 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 517 ZGB N 5.<br />
successio 1/13 23
§<br />
Aktuelle Praxis zur Willens vollstreckung (2011–2012)<br />
vollstrecker zu benennen. Damit kann die Unbestimmtheit<br />
der sog. Büroklauseln vermieden werden.<br />
10<br />
b) Entgegen der Vorauflage werden im Basler Kommentar<br />
nun Einfache Gesellschaften nicht (mehr)<br />
für fähig gehalten, als Willensvollstrecker ernannt<br />
zu werden. 11 Dies erfolgt im Einklang mit der übrigen<br />
Literatur. 12<br />
c) Entgegen der Vorauflage wird im Basler Kommentar<br />
eine Dauer-Willensvollstreckung bezüglich<br />
der verfügbaren Quote auch bei Nacherben<br />
für zulässig gehalten. 13 Dieser Grundsatz gilt auch<br />
für die seit dem 1.1.2013 (mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht)<br />
in Kraft getretenen Art. 492a<br />
Abs. 1 und Art. 531 ZGB, welche eine neue Form<br />
der Nacherbschaft schaffen und ebenfalls mit einer<br />
Willensvollstreckung kombiniert werden können. 14<br />
C. Einsetzung des Willensvollstreckers<br />
a) Das Bundesgericht hat sich im Urteil 5A_738/2011<br />
vom 15.05.2012 mit der Frage auseinandergesetzt,<br />
wann ein Willensvollstrecker konkludent eingesetzt<br />
wird. Es hat die folgenden Umschreibungen<br />
im Testament (wie schon der erstinstanzliche Juge<br />
de paix) als ungenügend qualifiziert: « … avec la<br />
condition qu’elle seule va s’occuper de mes affaires<br />
personnelles … tous les papiers de banque et le<br />
dossier S. sont dans le salon à peu près tous sous la<br />
grande table près de la fenêtre vue sur le lac. S’il te<br />
plaît brûle toute ma correspondance et celle de T.<br />
dans ma chambre près de la fenêtre. Merci! … Et s’il<br />
te plaît, je te demande d’être présente pour prendre<br />
soin de mes effets personnels et de brûler tous mes<br />
papiers, lettres privées, etc. … Demande au notaire<br />
Dr U. … de payer l’hôtel et la pension le meilleur<br />
pour toi aussi longtemps que tu le désires pendant<br />
que tu t’occuperas de prendre soin de mes affaires<br />
10 Ebenso Bernhard Christ/Mark Eichner, Kommentierung<br />
von Art. 517–518 ZGB, in: Praxiskommentar Erbrecht,<br />
hrsg. v. Daniel Abt und Thomas Weibel, 2. A., Basel<br />
2011, Art. 517 ZGB N 12 (nachfolgend zitiert als Prax<br />
Komm-Christ/Eichner).<br />
11 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 517 ZGB N 7.<br />
12 Vgl. PraxKomm-Christ/Eichner (Fn. 10), Art. 517 ZGB<br />
N 12; Hans Rainer Künzle, Kommentar zum Schweizerischen<br />
Privatrecht, Band 3: Das Erbrecht, 1. Abteilung:<br />
Die Erben, 2. Teilband: Die Verfügungen von Todes wegen,<br />
2. Teil: Die Willensvollstrecker (Art. 517–518 ZGB),<br />
Bern 2011, Art. 517–518 ZGB N 1 (nachfolgend zitiert als<br />
BK-Künzle).<br />
13 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 517 ZGB N 9.<br />
14 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 53.<br />
personnelles et si tu veux certains de mes vêtements<br />
avant de les donner aux pauvres, prends tous ce que<br />
tu veux». Dieser Bewertung kann ich zustimmen.<br />
Sie mag leichter gefallen sein, weil die Alleinerbin<br />
(und Tochter des vermeintlichen Willensvollstreckers)<br />
Rekurs erhob und ihre eigene Einsetzung als<br />
Willensvollstreckerin verlangte.<br />
b) Bemerkenswert ist die Qualifikation der Willensvollstreckung<br />
als Sicherungsmassnahme im Sinne<br />
von Art. 551 ff. ZGB und die daraus abgeleitete<br />
Schlussfolgerung, dass als Rechtsmittel (gegen die<br />
Nichteinsetzung als Willensvollstrecker) nur die Beschwerde<br />
wegen Verletzung verfassungsmässiger<br />
Rechte verbleibe, weil es sich um eine vorsorgliche<br />
Massnahme im Sinne von Art. 98 ZPO handle. Damit<br />
wird vom Bundesgericht das Verfahren im Rahmen<br />
der neuen (schweizerischen) ZPO geklärt.<br />
D. Besitz<br />
a) Eine Partei argumentierte im Fall KSK 11 60 des<br />
Kantonsgerichts Graubünden vom 19.10.2011, wo<br />
es um die Einziehung einer Forderung ging, dass<br />
der Willensvollstrecker den unselbständigen Besitz<br />
nur soweit ausüben dürfe, als dies zu seiner Tätigkeit<br />
notwendig sei und dass er diese Notwendigkeit<br />
beweisen müsse (E. 2a). Das Kantonsgericht ist dieser<br />
Argumentation zu Recht nicht gefolgt, weil die<br />
Fähigkeit des Willensvollstreckers zur Verwaltung<br />
des Nachlasses (Können) durch die Zurückhaltung,<br />
welche man vom Willensvollstrecker bei der Besitzausübung<br />
(zugunsten der Erben) erwartet (Dürfen),<br />
nicht eingeschränkt wird. Zudem besteht der Anspruch<br />
des Willensvollstreckers auf den unselbständigen<br />
Besitz ohne Einschränkung, 15 die Notwendigkeit<br />
spielt nur bei der Frage eine Rolle, ob der<br />
Willensvollstrecker auch den unmittelbaren Besitz<br />
beanspruchen dürfe. 16<br />
b) In BGE 120 II 417 wird Mitbesitz der Erben als<br />
Voraussetzung für den Ablauf von Verwirkungsfristen<br />
(bei der Ungültigkeits- und Herabsetzungsklage)<br />
genannt. Es stellt sich die Frage, ob ein Besitz<br />
der Erben überhaupt möglich sei, wenn ein Willensvollstrecker<br />
vorhanden ist. Gerster/Weibel 17 führen<br />
aus, die Lehre habe sich mit dieser Frage noch<br />
15 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 80.<br />
16 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 23;<br />
BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 81.<br />
17 Vgl. Patrick Gerster/Thomas Weibel, Schweizerische<br />
Zivilprozessordnung und Erbrecht – prozessuale Chancen<br />
und Alltagsfallen, successio 6 (2012) 42.<br />
24 successio 1/13
nicht vertieft auseinandergesetzt, und sie vertreten<br />
die Ansicht, dass die Erben mittelbaren Mitbesitz<br />
hätten, was genüge. M.E. haben die Erben mittelbaren<br />
oder unmittelbaren Besitz, je nachdem wie der<br />
Willensvollstrecker sie gewähren lässt, in jedem Fall<br />
aber haben sie – was entscheidend ist – selbständigen<br />
(Mit-)Besitz, 18 was für die Erhebung einer Einrede<br />
genügt.<br />
E. Grundbuch<br />
a) Art. 50 GBV 19 , welcher seit dem 1. Januar 2012<br />
in Kraft steht, ermöglicht die selbständige Grundbuchanmeldung<br />
von verschiedenen Vorgängen<br />
durch den Willensvollstrecker:<br />
« 1 Wer sich mit einer Bestätigung der zuständigen Behörde<br />
als Willensvollstrecker oder Willensvollstreckerin<br />
ausweist, ist ohne die Mitwirkung der Erbinnen und<br />
Erben befugt, die folgenden Vorgänge anzumelden:<br />
a. die Veräusserung oder Belastung eines Grundstücks<br />
oder eines dinglichen Rechts, das zum Nachlass gehört;<br />
b. die Eintragungen zur Ausrichtung eines Vermächtnisses,<br />
das ein zum Nachlass gehörendes Grundstück<br />
oder dingliches Recht beinhaltet;<br />
c. die Eintragungen, die sich aus einem Erbteilungsvertrag<br />
ergeben, sofern dieser den Anforderungen<br />
von Artikel 64 Absatz 1 Buchstabe b entspricht.<br />
2<br />
Wurden mehrere Personen mit der Willensvollstreckung<br />
beauftragt, so kann eine dieser Personen nur<br />
selbstständig handeln, wenn sie das Recht dazu nachweist.»<br />
Mit dieser neuen Bestimmung wird die Umsetzung<br />
von verschiedenen Aufgaben des Willensvollstreckers<br />
erleichtert, weil dieser nicht mehr in jedem<br />
Fall auf die Mitwirkung der Erben angewiesen ist: 20<br />
Er kann Grundstücke selbständig veräussern, wenn<br />
er Mittel zur Bezahlung von Steuern, Schulden oder<br />
zur Ausrichtung von Vermächtnissen bedarf, 21 er<br />
kann Grundstücks-Vermächtnisse selbständig ausrichten<br />
22 und die Erbteilung im Grundbuch selbständig<br />
vollziehen. 23<br />
18 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 81.<br />
19 Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (SR<br />
211.432.1).<br />
20 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 50.<br />
21 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 126,<br />
202 und 289; zu Formalitäten bei Liegenschaftsvermächtnissen<br />
vgl. Art. 64 Abs. 1 lit. c GBV (Fn. 19).<br />
22 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB<br />
N 287 ff.<br />
23 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB<br />
N 342 ff.<br />
b) Pannatier Kessler 24 weist darauf hin, dass der Willensvollstrecker<br />
seit dem 1. Januar 2012 aufgrund des<br />
neuen Art. 962a Ziff. 2 ZGB ins Grundbuch eintragen<br />
kann und so sein Verwaltungsrecht sichtbar machen.<br />
25 Dies führt zu einer Beschränkung der Verfügungsbefugnis<br />
der Erben, welche auch gegenüber<br />
Dritten gilt. 26 Die Befugnis des Willensvollstreckers<br />
ist dagegen umfassend: «Cependant, à titre externe,<br />
les pouvoirs de l’exécuteur testamentaire sont illimités,<br />
sauf pour les actes de disposition à titre gratuit<br />
qui sont en principe interdits.» 27<br />
F. Honorar (Art. 517 Abs. 3 ZGB)<br />
Das Bundesgericht hat im Urteil 5D_76/2011 vom<br />
31.05.2012 festgehalten, dass die vom Erblasser<br />
festgelegte Vergütung vom Richter angepasst werden<br />
kann (E. 4.2.1). Vorliegend hat der Willensvollstrecker<br />
allerdings eine Vereinbarung mit den Erben<br />
abgeschlossen (Stundensatz von CHF 350 und<br />
5 o/oo des Bruttovermögens), wofür sie gemäss Auftragsrecht<br />
frei waren und welche nicht der richterlichen<br />
Überprüfung nach Art. 518 Abs. 3 ZGB unterliegt,<br />
allenfalls der Überprüfung auf Irrtum oder<br />
Sittenwidrigkeit (E. 4.2.2). Somit konnte das Bundesgericht<br />
nur noch den Zeitaufwand und die Bewertung<br />
der Bruttoaktiven überprüfen (E. 5). Diesbezüglich<br />
fehlte es aber an einer substanziierten<br />
Begründung. Dieser Entscheid bestätigt zwar einleitend,<br />
dass die vom Erblasser festgelegte Vergütung<br />
vom Richter überprüft werden kann. 28 Ich empfehle<br />
aber trotzdem, die Vergütung des Willensvollstreckers<br />
nicht in der letztwilligen Verfügung festzuhalten,<br />
29 weil die möglicherweise lange Dauer bis zur<br />
Anwendung der vom Erblasser festgelegten Regelung<br />
dazu führen kann, dass diese nicht mehr passt.<br />
24 Vgl. Delphine Pannatier Kessler, Le droit de suite et sa<br />
reconnaissance selon la Convention de La Haye sur les<br />
trusts – Tracing en droit civil suisse, Zürich 2011, S. 174 ff.<br />
25 Ebenso BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB<br />
N 26.<br />
26 Vgl. BBl. 2007, 5333 f.<br />
27 Pannatier Kessler (Fn. 24), S. 174.<br />
28 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 388.<br />
29 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 388: «Daraus<br />
kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass<br />
dem Erblasser nicht empfohlen werden kann, das Honorar<br />
des Willensvollstreckers in der letztwilligen Verfügung<br />
zu regeln. Dadurch entsteht regelmässig nur ein<br />
Auslegungsstreit und nicht – wie beabsichtigt – klare Verhältnisse.»<br />
successio 1/13 25
§<br />
Aktuelle Praxis zur Willens vollstreckung (2011–2012)<br />
G. Verwaltung der Erbschaft<br />
(Art. 518 Abs. 2 ZGB)<br />
a) Das Kantonsgericht Graubünden hat im Urteil<br />
KSK 11 60 vom 19.10.2011 ausgeführt: «Der Willensvollstrecker<br />
hat die Befugnis zur Vornahme aller<br />
Verwaltungshandlungen, wobei ihm dabei ein<br />
breiter Ermessensspielraum eingeräumt ist. Zum<br />
Ermessensspielraum des Willensvollstreckers gehört<br />
auch der Entscheid, auf die Einziehung einer<br />
erblasserischen Forderung gegen einen Erben vorerst<br />
zu verzichten und die Darlehensschuld anlässlich<br />
der Erbteilung zu verrechnen oder das Guthaben<br />
einem Erben zuzuweisen». Angesichts des<br />
Naturalanspruchs der Erben 30 ist diese Vorgehensweise<br />
sicher zu bevorzugen.<br />
H. Erbschaftsverwaltung<br />
(Art. 554 ZGB)<br />
a) Das Tribunal Cantonal Vaud (Chambre des recours)<br />
hat im Urteil CREC II 134 vom 03.08.2009 31<br />
festgehalten, dass der Willensvollstrecker während<br />
der Dauer einer Erbschaftsverwaltung einen Prozess<br />
über die Gültigkeit seines Amtes führen kann<br />
(E. 3 b/aa). Grundsätzlich ruht das Amt des Willensvollstreckers<br />
während einer Erbschaftsverwaltung, 32<br />
aber davon gibt es zahlreiche Ausnahmen, weil<br />
viele Handlungen des Willensvollstreckers die Erbschaftsverwaltung<br />
nicht berühren. 33 Dazu gehört sicher<br />
auch der Prozess über die Gültigkeit seines<br />
Amtes.<br />
b) In der Neuauflage des Basler Kommentars werden<br />
neue Ausführungen zu den Privatakten gemacht.<br />
Der Willensvollstrecker hat grundsätzlich<br />
die Anordnungen des Erblassers zu befolgen, «es sei<br />
denn, dass bestimmten Privatakten prima facie eine<br />
erhebliche Relevanz bei der Festlegung des Nachlassvermögens<br />
zukommen könnte». 34 Neben einem<br />
überwiegenden öffentlichen Interesse 35 gibt es somit<br />
auch überwiegende private Interessen, welche den<br />
Willensvollstrecker daran hindern, Weisungen des<br />
Erblassers blind zu befolgen.<br />
c) In der Neuauflage des Basler Kommentars wurde<br />
ein Abschnitt über die Anlagestrategie eingefügt. 36<br />
Danach darf der Willensvollstrecker von den Anlageentscheiden<br />
des Erblassers ausgehen und wird<br />
diese nicht grundlos durch eine eigene Anlagestrategie<br />
ersetzen. Nach Möglichkeit sollte er Wünsche<br />
der Erben berücksichtigen, auch wenn er nicht an<br />
diese gebunden ist. Diese Grundsätze für den Abwicklungs-Vollstrecker<br />
37 sind zu ergänzen mit einer<br />
an BVV2 orientierten Anlagestrategie für den<br />
Dauer-Vollstrecker. 38<br />
I. Aufsicht (Art. 518 Abs. 1 i.V.m.<br />
Art. 595 Abs. 3 ZGB)<br />
a) Im Urteil 5A_713/2011 vom 02.02.2012 hatte das<br />
Bundesgericht Gelegenheit, sich mit der Legitimation<br />
zur Beschwerde gegen den Willensvollstrecker<br />
auseinanderzusetzen: Nach Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 5<br />
ZPO handelt es sich um eine Beschwerde in Zivilsachen<br />
(E. 1). Die Aufsichtsbehörde handelt grundsätzlich<br />
nur aufgrund einer Beschwerde (E. 3.2). Zur<br />
Beschwerde legitimiert sind Erben und vom Testament<br />
Begünstigte (materiell Berechtigte) (E. 3.2).<br />
Der Beschwerdeführer muss ein Interesse an der<br />
Beschwerde haben (E. 3.2). Zur Beschwerde nicht<br />
befugt sind Gläubiger und der Ex-Ehegatte des<br />
Erblassers (E. 3.2). Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin<br />
nur Nacherbin auf den Überrest<br />
und somit gegenwärtig nicht zur Beschwerde legitimiert<br />
(E. 4).<br />
Dazu zwei Anmerkungen: Es ist nachvollziehbar,<br />
dass man Gläubigern keine Beschwerdelegitimation<br />
einräumen will, weil die Aufsichtsbeschwerde sonst<br />
leicht zur Popularbeschwerde verkommt. M.E. kann<br />
man das Anliegen, die Beschwerdelegitimation einzugrenzen,<br />
auch mit einer weniger weit gehenden<br />
Massnahme erreichen, indem man den Gläubigern<br />
die Beschwerdelegitimation nur soweit zugesteht,<br />
als die Beschwerde unmittelbar mit der Begleichung<br />
ihrer Forderung zusammenhängt. 39<br />
30 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 125.<br />
31 Vgl. JdT 2011 III 113.<br />
32 Vgl. PraxKomm-Christ/Eichner (Fn. 10),, Art. 517 ZGB<br />
N 29; BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 117.<br />
33 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 20 mit<br />
Verweis auf ZR 94 (1995) Nr. 8 E. 4a S. 28 (Verkauf einer<br />
Liegenschaft).<br />
34 BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 3.<br />
35 Zum Beispiel von General Guisan vgl. BK-Künzle<br />
(Fn. 12), Vorbem. zu Art. 517–518 ZGB N 18.<br />
36 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB<br />
N 27a.<br />
37 Vgl ausführlicher BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518<br />
ZGB N 165 ff.<br />
38 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 176 f.<br />
39 So BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 519; noch<br />
weiter gehen BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518<br />
ZGB N 99, und PraxKomm-Christ/Eichner (Fn. 10),<br />
Art. 518 ZGB N 91, welche den Erbschafts- und Erb<br />
26 successio 1/13
Zudem sollte man die Nacherben und Nachvermächtnisnehmer<br />
nicht wie unbeteiligte Dritte behandeln.<br />
Zwar haben sie eine schwache Rechtsstellung,<br />
aber gleich wie bei den Gläubigern (soweit<br />
ihre Rechtsstellung betroffen ist), sollte man ihnen<br />
im begrenzten Umfang ein Beschwerderecht zugestehen.<br />
b) Im zweiten Fall über die Aufsicht des Willensvollstreckers<br />
hat sich das Bundesgericht im Urteil<br />
5A_794/2011 vom 16.02.2012 mit einer Absetzung<br />
befasst. Es hat bestätigt, 40 dass es sich bei der Aufsichtsbeschwerde<br />
um eine vermögensrechtliche Angelegenheit<br />
handelt (E. 1). Bei den Massnahmen<br />
kommt Prävention (wie Weisung etc.) vor Intervention<br />
(zuletzt die Absetzung). Die Aufsichtsbehörde<br />
prüft das formelle Vorgehen (und nicht die materielle<br />
Richtigkeit). Im vorliegenden Fall ging es um<br />
eine grobe Pflichtverletzung: Der Willensvollstrecker<br />
war uneinsichtig (er wollte die Vereinbarung<br />
der Erben nicht vollziehen und statt dessen eine<br />
Erbenermittlung durchführen 41 ) und er hat seine<br />
Pflichten wiederholt verletzt, weshalb jede andere<br />
Massnahme als die Absetzung wirkungslos erschien<br />
(E. 2). Dieser Schlussfolgerung kann ich uneingeschränkt<br />
zustimmen.<br />
Das Bundesgericht erwähnte sodann, dass der<br />
Willensvollstrecker einen Ermessensspielraum<br />
habe, weshalb die Überprüfung seiner Tätigkeit mit<br />
Zurückhaltung erfolge (E. 3.2). Leider hat das Bundesgericht<br />
nicht differenziert zwischen dem Ermessen<br />
bei der Verwaltung des Vermögens und demjenigen<br />
bei der Erbteilung. Der Willensvollstrecker<br />
hat exklusive Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse,<br />
welche ihm bei der Erbschaftsverwaltung einen<br />
grossen Ermessensspielraum verschaffen. 42 Bei<br />
der Erbteilung darf er hingegen die von den Erben<br />
vereinbarte bzw. die vom Gericht verfügte Erbteilung<br />
nicht hinterfragen, sondern muss diese vollziehen,<br />
und besitzt deshalb einen kleinen Ermessensspielraum.<br />
43 Deshalb durfte der Willensvollstrecker<br />
im vorliegenden Fall den Vollzug nicht behindern.<br />
c) Weiter äusserte sich das Bundesgericht zur Frage<br />
der Unfähigkeit (der fehlenden persönlichen Eignung):<br />
Diese sei gegeben bei Erbunwürdigkeit,<br />
fehlenden Fachkenntnissen oder Vertrauensunwürdigkeit<br />
(z.B. bei Mischgeschäften, nicht bewälgangsgläubigern<br />
die Aktivlegitimation in jedem Fall zusprechen.<br />
40 Dies wurde erstmals BGer. 5A_395/2010 vom 22.10.2010<br />
E. 1.2 entschieden.<br />
41 Siehe dazu BGer. 5A_495/2010 vom 10.01.2011.<br />
42 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 98.<br />
43 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 345.<br />
tigter Interessenkollision, vernachlässigter Rechenschafts-<br />
und Informationspflicht oder Behinderung<br />
des Vollzugs).<br />
Dazu folgende Anmerkung: Das erwähnte Kriterium<br />
«Erbunwürdigkeit» dürfte ein Einzelfall bleiben.<br />
Das Kriterium «fehlende Fachkenntnisse» ist<br />
zwar richtig, 44 aber bei der Anwendung heikel, weil<br />
der Willensvollstrecker die Fachkenntnisse nicht<br />
selbst besitzen muss, sondern auch durch Dritte beschaffen<br />
kann. 45 Somit bleibt in vielen Fällen als<br />
Hauptkriterium die fehlende Vertrauenswürdigkeit,<br />
an welche strenge Anforderungen gestellt werden<br />
dürfen.<br />
d) Die Vorinstanz, das Kantonsgericht Graubünden,<br />
hat in seinem Urteil ZK 11 52 vom 17. Oktober 2011<br />
ausgeführt, dass die Evaluation der Massnahme der<br />
Aufsichtsbehörde obliegt und nicht durch Parteianträge<br />
eingegrenzt wird. Sodann hat das Vorbringen<br />
des Willensvollstreckers, seine Pflichten nur<br />
noch einhalten zu wollen, wenn er schadlos gehalten<br />
werde, (zu Recht) als schwere Pflichtverletzung<br />
angesehen.<br />
e) Das Obergericht Zürich hat sich im Urteil LF<br />
110053 vom 09.06.2011 mit einem Feststellungsbegehren<br />
befasst. Zum Fall: Die Erblasserin verstarb<br />
1984. Im Jahre 1988 existierte noch ein Konto der<br />
Erblasserin. 2003 hat ein Erbe die Schlussabrechnung<br />
und eine Akonto-Zahlung verlangt. Dies wiederholte<br />
er 2008. Darauf erhielt er vom Willensvollstrecker<br />
die Nachricht (per Mail), dass dieser<br />
keine Akten mehr besitze. Dies veranlasste den Erben,<br />
sich eine Erbbescheinigung zu beschaffen und<br />
selbst Nachforschungen in Bezug auf das Konto anzustellen.<br />
Das Obergericht entschied, dass kein Interesse<br />
an einer (abstrakten) Feststellung bestehe,<br />
das Mandat des Willensvollstreckers ende mit der<br />
Schlussabrechnung und der Herausgabe der Akten.<br />
Zu beurteilen sei vielmehr das (konkrete) Begehren<br />
auf Herausgabe der Schlussabrechnung und des<br />
Aktivsaldos. Da die Akten vernichtet waren, musste<br />
der Antrag auf deren Herausgabe abgewiesen werden<br />
(E. III. 3.). Dieser Entscheid hätte Gelegenheit<br />
geboten, Ausführungen zur Aufbewahrungspflicht<br />
des Willensvollstreckers zu machen, welche<br />
noch über weite Strecken ungeklärt ist. 46 Das Gericht<br />
hat diese Fragen leider in den Schadenersatzprozess<br />
verwiesen.<br />
44 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 4.<br />
45 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 63.<br />
46 Zur Aktenaufbewahrungspflicht vgl. BK-Künzle (Fn. 12),<br />
Art. 517–518 ZGB N 386.<br />
successio 1/13 27
§<br />
Aktuelle Praxis zur Willens vollstreckung (2011–2012)<br />
f) Das Obergericht Zürich hat sich im Urteil ZH LF<br />
110100 vom 24.11.2011 mit dem Verfahren bei der<br />
Aufsicht über den Erbenvertreter befasst. Wie beim<br />
Willensvollstrecker 47 ist das Verfahren nicht geregelt<br />
und es werden analog die Vorschriften über das<br />
summarische Verfahren (Art. 248 ff. ZPO) herangezogen.<br />
g) Das Bundesgericht hat im Urteil 5A_47/2012<br />
vom 02.02.2012 entschieden, dass im Aufsichtsverfahren<br />
gegen den Willensvollstrecker unentgeltliche<br />
Rechtspflege grundsätzlich möglich sei. Da gerade<br />
eine Erbschaft angefallen ist, dürfte dieser Fall allerdings<br />
eher selten vorkommen. In casu wurde das<br />
Gesuch abgelehnt wegen mangelnden Nachweises<br />
der Bedürftigkeit (es wurden nur Schulden nachgewiesen,<br />
aber kein Gesamtüberblick gegeben).<br />
h) Über die Rechtsmittel gegen Entscheide der<br />
Aufsichtsbehörde besteht eine gewisse Unsicherheit,<br />
weil nicht übereinstimmende kantonale Urteile<br />
gefällt wurden: Das Obergericht des Kantons<br />
Zürich hat im Urteil LF 110053 vom 09.06.2011 entschieden,<br />
dass eine Beschwerde innert 10 Tagen gestützt<br />
auf § 84/85 GOG 48 (Aufsichtsbeschwerde) zu<br />
führen sei, obwohl die Rechtsmittelbelehrung auf<br />
Berufung lautete. Sodann seien die Bestimmungen<br />
über die Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO) analog anwendbar.<br />
Demgegenüber hat das Kantonsgericht<br />
St. Gallen im Urteil BS 2012.1 vom 11.04.2012 entschieden,<br />
dass eine Berufung nach Art. 308 Abs. 1<br />
lit. a ZPO einzureichen sei. Die Beschwerde sei<br />
nicht das richtige Rechtsmittel, weil diese nur subsidiär<br />
zur Anwendung komme (Art. 319 lit. a ZPO):<br />
«Auch Entscheide der freiwilligen (nichtstreitigen<br />
Gerichtsbarkeit) sind der Berufung zugänglich …<br />
In Art. 309 ZPO werden die nicht berufungsfähigen<br />
Entscheide aufgelistet; diese Liste ist abschliessend<br />
… Da Entscheide der Aufsichtsbehörde in<br />
Beschwerdesachen gegen den Willensvollstrecker<br />
darin nicht genannt werden, kann der erstinstanzliche<br />
Entscheid grundsätzlich mit Berufung angefochten<br />
werden.» Dieser Entscheid überzeugt, aber<br />
es bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis entwickelt.<br />
J. Nicht-erbrechtliche Prozesse<br />
(Art. 518 Abs. 1 i.V.m. Art. 596<br />
Abs. 1 ZGB)<br />
a) Nachfolgend werden einige Ergebnisse aus der<br />
Dissertation von Markus Pichler 49 vorgestellt, welcher<br />
das Prozessieren des Willensvollstreckers treffend<br />
und umfassend darstellt und damit ein noch<br />
wenig behandeltes Gebiet verdienstvoll entwickelt.<br />
Es werden auch einige Punkte aufgegriffen, in welchen<br />
Meinungsunterschiede bestehen, um die wissenschaftliche<br />
Diskussion voranzutreiben. In § 1<br />
behandelt Pichler 50 den Gegenstand seiner Abhandlung,<br />
die «Rechte und Pflichten des Erblassers»<br />
(Art. 596 Abs. 1 ZGB). Dazu gehören die Nachlassaktiven<br />
(wie Eigentum, Geld, Genugtuungsanspruch,<br />
nicht aber höchstpersönliche Rechte oder<br />
Lebensversicherungen) und die Nachlasspassiven<br />
(wie Schulden des Erblassers, Vermächtnisse, aber<br />
auch die erst nach dem Tod entstandenen Erbgangsschulden).<br />
Nicht dazu gehören öffentlich-rechtliche<br />
Forderungen (wie Steuern) und erbrechtliche Prozesse.<br />
b) Zur Stellung des Willensvollstreckers im Prozess<br />
führt Pichler 51 in § 4 seiner Arbeit aus, dass der Willensvollstrecker<br />
keine Sachlegitimation zur Wahrnehmung<br />
fremder Rechte (der Erben) besitze, wohl<br />
aber eine umfassende und exklusive Prozessführungsbefugnis<br />
(anstelle der Streitgenossenschaft der<br />
Erben). Neben der (allgemein anerkannten) Parteibezeichnung<br />
«W, Willensvollstrecker im Nachlass<br />
X» (in der Praxis häufiger: «W als Willensvollstrecker<br />
im Nachlass X») spricht sich Pichler 52 dafür<br />
aus, dass auch «Nachlass X, vertreten durch Willensvollstrecker<br />
…» (entgegen der heutigen Rechtsprechung)<br />
zulässig sein sollte. Ich kann mich dieser Ansicht<br />
nicht anschliessen, weil der Willensvollstrecker<br />
nicht die Erben vertritt, sondern in Prozessstandschaft<br />
handelt. 53 Formulierungen wie «Erben X und<br />
Y, vertreten durch Willensvollstrecker W» oder «Erben<br />
des X, vertreten durch Willensvollstrecker W»<br />
sollten nicht verwendet werden. 54<br />
47 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 554.<br />
48 Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im<br />
Zivil- und Strafprozess vom 10. Mai 2010 (LS 211.1).<br />
49 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 1 ff.<br />
50 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 3 ff.<br />
51 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 43 ff.<br />
52 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 61 f.<br />
53 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 466.<br />
54 Ebenso Pichler (Fn. 7), S. 60 f; auch die Bezeichnung<br />
«XX als Willensvollstrecker … für die Erben Y» (BSK-<br />
Karrer/Vogt/Leu [Fn. 3], Art. 518 ZGB N 70) sollte<br />
m.E. nicht verwendet werden.<br />
28 successio 1/13
c) Zur Stellung der Erben im Prozess führt Pichler<br />
55 in § 5 einige Fälle auf, in denen die Erben ausnahmsweise<br />
prozessführungsberechtigt sind: Bei<br />
der negativen Feststellungsklage bezüglich Erblasser-<br />
und Erbgangsschulden (wegen Art. 603 ZGB,<br />
welcher die Erben persönlich haftbar macht), bei<br />
Nachlassforderungen gegen den Willensvollstrecker<br />
(weil sich dieser in einer Interessenkollision befindet<br />
und damit nicht tätig werden kann), bei der<br />
Klage eines Erben gegen einen Miterben in Nachlassangelegenheiten<br />
(weil dies nicht in den Bereich<br />
des Willensvollstreckers fällt), bei dringenden Angelegenheiten<br />
(ein einzelner Erbe), als Nebenintervenient<br />
oder Streitberufener, als Hauptintervenient<br />
zur Geltendmachung eines besseren Rechts und bei<br />
mangelhafter Prozessführung des Willensvollstreckers<br />
(mittels Aufsichtsbeschwerde, Leistungs- oder<br />
Feststellungsklage sowie Verantwortlichkeitsklage<br />
der Erben gegen den Willensvollstrecker). Die Erben<br />
können sich dagegen wehren, dass der Willensvollstrecker<br />
ihnen gegenüber Forderungen des Erblassers<br />
geltend macht, weil diese bei der Erbteilung<br />
zuzuteilen sind (Art. 614 ZGB). Umgekehrt können<br />
die Erben auch keine Forderungen, welche sie gegenüber<br />
dem Erblasser hatten, gegen den Willensvollstrecker<br />
geltend machen, weil Schulden ebenfalls<br />
bei der Erbteilung zugeteilt werden.<br />
d) Weiter befasst sich Pichler 56 in § 6 mit dem Eintritt<br />
des Willensvollstreckers in den Prozess. 57 Üblicherweise<br />
wird der Prozess im Erbfall sistiert, bis<br />
Klarheit besteht, ob die Erben die Erbschaft annehmen<br />
oder ausschlagen (Art. 566 ZGB). In dringenden<br />
Fällen erfolgt allerdings keine Sistierung. Wenn<br />
von einem Erben ein öffentliches Inventar verlangt<br />
wird (Art. 580 ZGB), führt dies zur Suspendierung<br />
des Willensvollstreckers und ein Verwalter nach<br />
kantonalem Recht führt das Verfahren (in gewissen<br />
Kantonen kann der Willensvollstrecker diese Verwaltung<br />
übernehmen). Über die genaue Wirkung<br />
des öffentlichen Inventars besteht in der Lehre<br />
keine einheitliche Ansicht. Während Karrer 58 (wie<br />
Pichler) von einer Suspendierung des Willensvollstreckers<br />
ausgeht, spreche ich selbst nur von einer<br />
Einschränkung, weil Art. 585 Abs. 1 ZGB notwendige<br />
Verwaltungshandlungen und Art. 585 Abs. 2<br />
ZGB gar die Fortführung eines Geschäfts zulässt. 59<br />
55 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 65 ff.<br />
56 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 83 ff.<br />
57 Zu weiteren Entscheiden in diesem Jahr, in welchen der<br />
Willensvollstrecker in den Prozess eingetreten ist, vgl.<br />
BGer. 4A_259/2011 vom 03.08.2011 Sachverhalt B. und<br />
BGer. 4A_549/2010 vom 17.02.2011 Sachverhalt B.<br />
58 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 21.<br />
59 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 99.<br />
Bei der amtlichen Liquidation erhält der (suspendierte)<br />
Willensvollstrecker den Aktivenüberschuss<br />
zur Verteilung. 60<br />
e) Für die Übernahme von Prozessen bei Beendigung<br />
der Willensvollstreckung sind nach Pichler<br />
61 drei Fälle zu unterscheiden: Vor der Erbteilung<br />
übernehmen die Erben (Stretigenossenschaft)<br />
den Prozess, nach der Erbteilung übernimmt ein<br />
einzelner Erbe, welchem der (aktive) Prozess in<br />
der Erbteilung zugewiesen wurde, den Prozess<br />
und bei passiven Prozessen müssen alle Erben wegen<br />
der Solidarhaft (Art. 603 ZGB) übernehmen,<br />
es sei denn der Kläger erkläre, die Klage nur gegen<br />
einzelne von ihnen aufrecht erhalten zu wollen<br />
(Art. 639 Abs. 1 ZGB).<br />
f) Wenn mehrere Willensvollstrecker tätig sind und<br />
der Erblasser im Testament keine Ordnung vorgegeben<br />
hat, müssen diese nach Pichler 62 die Beschlüsse<br />
einstimmig fassen, jeder einzelne Willensvollstrecker<br />
kann jedoch die gefassten Beschlüsse<br />
selbständig umsetzen. Dies entspricht den Meinungen<br />
in der Literatur. 63 Da anders als im BGB keine<br />
notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, gehe ich<br />
davon aus, dass mehrere Willensvollstrecker zwar<br />
koordiniert vorgehen müssen, Einigkeit aber nicht<br />
in jedem Fall notwendig ist: 64 Grundlegende Entscheide<br />
müssen gemeinsam getroffen werden; wenn<br />
Willensvollstrecker mit unterschiedlichen Berufen<br />
ernannt werden (Rechtsanwalt, Steuerberater, Treuhänder,<br />
Bankier etc.), wird vermutet, dass jeder seinen<br />
angestammten Bereich betreuen soll.<br />
g) In den Ausführungen zum Anwaltsmonopol vertritt<br />
Pichler 65 die Ansicht, dass der Willensvollstrecker<br />
und Nichtanwalt nicht zur berufsmässigen<br />
Vertretung des Nachlasses vor Gericht zugelassen<br />
werden sollte. Da der Willensvollstrecker nicht<br />
ein Vertreter ist, sondern in Prozessstandschaft<br />
handelt, 66 kann man m.E. den Nichtanwalt nicht ausschliessen.<br />
Da sich der Beizug eines Fachmanns aber<br />
dringend empfiehlt, dürfte dies eher selten zum Tragen<br />
kommen.<br />
60 Ebenso BK-Künzle (Fn. 12), Vorbem. Zu Art. 517–518<br />
ZGB N 22 und Art. 517–518 ZGB N 123.<br />
61 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 88.<br />
62 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 109 ff.<br />
63 Ebenso BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB<br />
N 92; PraxKomm-Christ/Eichner (Fn. 10), Art. 518 ZGB<br />
N 18.<br />
64 Vgl. ausführlich BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB<br />
N 13.<br />
65 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 111 ff.<br />
66 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 466.<br />
successio 1/13 29
§<br />
Aktuelle Praxis zur Willens vollstreckung (2011–2012)<br />
h) Schliesslich befasst sich Pichler 67 mit Fragen des<br />
Internationalen Privatrechts: Nach Art. 2 Abs. 1<br />
LugÜ 68 ist der nicht-erbrechtliche Aktivprozess am<br />
Wohnort des Beklagten zu führen und der nichterbrechtliche<br />
Passivprozess am Wohnort des Erblassers<br />
(Art. 28 Abs. 1 ZPO). Nach Art. 92 IPRG<br />
werden materiell-rechtliche Fragen des Willensvollstreckers<br />
vom Erbstatut (Abs. 1) und verfahrensrechtliche<br />
Fragen vom Eröffnungsstatut (Abs. 2) behandelt.<br />
69 Die Einzelheiten dieser Abgrenzung sind<br />
noch im Fluss. 70<br />
K. Information/Auskunft<br />
(Art. 607/610 ZGB)<br />
a) In der Neuauflage des Basler Kommentars werden<br />
neue Formulierungen zur Informationspflicht<br />
des Willensvollstreckers gemacht: Danach muss<br />
der Willensvollstrecker die Erben über lebzeitige<br />
Zuwendungen orientieren, die Erben müssen aber<br />
selbst die rechtlichen Schlüsse daraus ziehen. 71 Über<br />
den Umfang dieser Pflicht besteht in der Literatur<br />
keine Einigkeit: Während im Praxiskommentar<br />
zum Erbrecht nur von einer (passiven) Auskunftspflicht<br />
und keiner (aktiven) Informationspflicht gesprochen<br />
wird, 72 geht Flückiger davon aus, dass der<br />
Willensvollstrecker von sich aus Abklärungen über<br />
lebzeitige Zuwendungen des Erblassers zu treffen<br />
habe, weil er diese für den Teilungsplan benötige.<br />
73 M.E. muss der Willensvollstrecker die Erben<br />
auf diese Thematik aufmerksam machen 74 und – soweit<br />
ein Wissen über lebzeitige Zuwendungen bei<br />
ihm vorhanden ist – muss er gestützt auf seine treuhänderische<br />
Stellung die Erben auch (aktiv) darüber<br />
orientieren. 75 Sodann wird der Willensvollstre<br />
67 Vgl. Pichler (Fn. 7), S. 158 ff.<br />
68 Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche<br />
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung<br />
von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen<br />
(Lugano-Übereinkommen – SR 0.275.12).<br />
69 Ebenso Bernard Dutoit, Droit international privé<br />
suisse, Bâle/Genève/Munich 2005, Art. 92 IPRG N 5.<br />
70 Vgl. dazu hinten, N. a).<br />
71 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB N 17.<br />
72 Vgl. PraxKomm-Christ/Eichner (Fn. 10), Art. 518 ZGB<br />
N 34.<br />
73 Andreas Flückiger, Umgang des Willensvollstreckers<br />
mit anfechtbaren, nichtigen und unklaren Verfügungen<br />
von Todes wegen, in: Willensvollstreckung – Aktuelle<br />
Rechtsprobleme, hrsg. v. Hans Rainer Künzle, Zürich<br />
2004, S. 95.<br />
74 Vgl. BGE 90 II 365 E. 3b S. 373.<br />
75 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 223;<br />
RBOG 1981 Nr. 12 S. 58: Wenn die Bank als Willensvollstreckerin<br />
wusste, dass der Erblasser kurz vor seinem Tod<br />
cker im Rahmen der Erstellung des Teilungsplans<br />
regelmässig die Erben um Auskunft ersuchen, ob<br />
ihnen lebzeitige Zuwendungen des Erblassers bekannt<br />
sind. Weitere Abklärungen (bei Dritten) darf<br />
er dagegen den Erben überlassen.<br />
L. Erbteilung (Art. 634 ZGB)<br />
Gerster/Weibel 76 befassen sich mit Abschlagszahlungen<br />
und führen aus, dies sei Standard bis Pflicht.<br />
Es kommt häufig vor, dass die Erben solche Zahlungen<br />
zur Bezahlung von Steuern benötigen. Da die<br />
Erbteilung in vielen Fällen nur teilweise streitig ist,<br />
kann sie im Übrigen abgewickelt werden. Zudem<br />
sollte der Ertrag des Nachlasses den Erben nicht<br />
vorenthalten werden. Während diese Grundsätze<br />
weitgehend unbestritten sind, 77 tun sich in der Praxis<br />
oft Gräben auf, weil die Notwendigkeit von solchen<br />
Zahlungen im Einzelfall unterschiedlich eingeschätzt<br />
wird oder weil Willensvollstrecker diese<br />
Zahlungen als Druckmittel benützen, um eine Einigung<br />
über die Erbteilung zu erzielen.<br />
M. Haftung<br />
a) Hrubesch-Millauer/Bosshardt/Jakob kommentieren<br />
das Urteil des Bundesgerichts 5A_111/2011 vom<br />
20.04.2011 78 wie folgt: «Der Schluss des Bundesgerichts,<br />
dass die Witwe kein relevantes Mitverschulden<br />
treffe, wird etwas gar rasch gezogen, wenn man<br />
sich vor Augen hält, dass sie durch ihre Einmischung<br />
dem Willensvollstrecker nicht nur relevante Unterlagen<br />
vorenthalten hat, sondern es auch unterlassen<br />
hat, den Willensvollstrecker über das Schreiben<br />
der Arbeitgeberin des Erblassers zu unterrichten». 79<br />
Während hier von einem Mitverschulden ausgegangen<br />
wird, habe ich in meinem letztjährigen Bericht<br />
weitergehend einen Schadenersatz ausgeschlossen,<br />
weil ich den Kausalzusammenhang für unterbrochen<br />
halte. 80<br />
ein Bankkonto auf eine Freundin übertragen hat, musste<br />
sie dies den Erben mitteilen, zumal die Schenkung nicht<br />
in der notwendigen Form erfolgte.<br />
76 Vgl. Gerster/Weibel (Fn. 4), successio 6 (2012) 34.<br />
77 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 300.<br />
78 Vgl. dazu Künzle (Fn. 1), successio 5 (2011) 76.<br />
79 Stephanie Hrubesch-Millauer, Martina Bosshardt,<br />
David Jakob, Rechtsprechung des Bundesgerichts in den<br />
Jahren 2010 und 2011 im Bereich Erbrecht, AJP 21<br />
(2012) 866.<br />
80 Vgl. Künzle (Fn. 1), successio 5 (2011) 76.<br />
30 successio 1/13
) Iten behandelt in seiner Dissertation über die<br />
«zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Willensvollstreckers»<br />
verdienstvollerweise ein Thema, welches<br />
noch wenig bearbeitet ist. Er beschreibt in § 3 seiner<br />
Arbeit den Beginn und das Ende der Haftung des<br />
Willensvollstreckers: 81 Die Haftung setzt gewöhnlich<br />
mit der Annahme des Amtes ein, für Unterlassungen<br />
kann sie schon früher beginnen (Geschäftsführung<br />
ohne Auftrag). Die Haftung endet gewöhnlich<br />
mit der Schlussabrechnung bzw. dem Ende des Amtes.<br />
Definitiv endet die Haftung mit der Verjährung<br />
bzw. Déchargeerteilung. Diese Ausführungen zeigen,<br />
dass Beginn und Ende oft unscharf sind, 82 was<br />
sich auch in der Haftung widerspiegelt.<br />
c) Sodann befasst sich Iten 83 mit dem Beizug von<br />
Dritten, welcher erlaubt ist (Substitut oder Hilfsperson),<br />
obwohl die Willensvollstreckung eine persönlich<br />
auszuführende Aufgabe darstellt. 84 Iten führt<br />
aus: «Zu weit geht m. E. Künzle … der eine Ernennung<br />
der Person des Willensvollstreckers durch die<br />
Aufsichtsbehörde postuliert und de lege ferenda die<br />
Bezeichnung eines Nachfolgers durch den Willensvollstrecker<br />
selbst für wünschenswert hält». 85 Diese<br />
Vorschläge versuchen, Druck vom Willensvollstrecker<br />
zu nehmen, weil nach seiner Absetzung in jedem<br />
Fall ein Ersatz die Tätigkeit aufnimmt. 86<br />
d) Zu den Rechtsgrundlagen der Haftung führt<br />
Iten 87 aus, dass zwischen den Erben und dem Willensvollstrecker<br />
kein Vertrag bestehe, sondern ein<br />
gesetzliches Schuldverhältnis und deshalb der direkt<br />
anwendbare Art. 97 OR die Rechtsgrundlage<br />
für die Haftung bilde, die analog anwendbaren<br />
Art. 394 ff. OR dagegen den Umfang der Pflichten<br />
des Willensvollstreckers bestimmten. Ich gehe – umgekehrt<br />
– davon aus, dass es sich um eine vertragsähnliche<br />
Haftung handle, 88 auf welche Art. 394 ff.<br />
OR analog angewendet wird und welche ergänzend<br />
durch die analog anwendbaren Art. 97 ff., insbesondere<br />
Art. 99 OR geregelt wird. 89<br />
e) Für eine Vertrauenshaftung gibt es nach Iten 90<br />
keinen Platz. M.E. gibt es einige Personen, welche<br />
die vertragsähnliche Haftung nicht geltend machen<br />
können, aber dennoch darauf angewiesen sind, dass<br />
der Willensvollstrecker für seine Tätigkeit, welche<br />
sie berührt, geradesteht, etwa Erbschaftsgläubiger,<br />
Erbengläubiger, Auflagebegünstigte und Personen,<br />
welchen Erbteile abgetreten wurden. 91 Für diese<br />
Personen eignet sich die Vertrauenshaftung. 92<br />
f) Die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag<br />
(Art. 419 ff. OR) können nach Iten 93 zum Zug kommen,<br />
wenn der Willensvollstrecker ausserhalb seiner<br />
Aufgabe (und seiner Befugnisse) für die Erben<br />
tätig wird, etwa im Bereich der Steuern oder bei der<br />
Vornahme von dringlichen Sicherungsmassnahmen<br />
vor Annahme seines Amtes.<br />
g) Für eine actio de dolo (Art. 41 Abs. 2 OR), welche<br />
auf einer Sittenwidrigkeit gründet, sieht Iten 94 nur<br />
einen begrenzten Anwendungsbereich.<br />
h) Zur Geltendmachung des Schadens führt Iten 95<br />
aus: «Ob der zivilrechtliche Verantwortlichkeitsanspruch<br />
durch alle Erben gemeinsam (als Erbengemeinschaft)<br />
oder individuell durch den geschädigten<br />
Erben geltend zu machen ist, hängt davon ab,<br />
in wessen Rechtssphäre sich der Schaden realisiert<br />
hat. Entscheidend ist, ob ein Schadenersatzanspruch<br />
dem Gesamteigentum der Erbengemeinschaft oder<br />
dem Alleineigentum eines einzelnen Erben zuzuordnen<br />
ist.» 96 Dies entspricht der auf BGE 52 II<br />
195 gestützten früheren Meinung, wird auch heute<br />
mehrheitlich anders gesehen: Jeder einzelne Erbe<br />
kann den Anspruch geltend machen, vor der Erbteilung<br />
muss die Leistung allerdings an die Erbengemeinschaft<br />
erfolgen. 97<br />
Weiter führt Iten aus: «Ebenso, wie ein Vermächtnisnehmer<br />
das Wahlrecht hat, ob er das Vermächtnis<br />
vom Willensvollstrecker … oder den beschwerten<br />
Erben einfordern will, kann er nebst den beschwer<br />
81 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 80 ff.<br />
82 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 517 ZGB<br />
N 24 f.<br />
83 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 83 ff.<br />
84 Ebenso BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 63.<br />
85 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 85 Fn. 495.<br />
86 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 20.<br />
87 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 105 ff.<br />
88 Ebenso BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB<br />
N 109; PraxKomm-Christ/Eichner (Fn. 10), Art. 518<br />
ZGB N 102.<br />
89 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 423.<br />
90 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 112 f.<br />
91 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 437.<br />
92 Nach BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB<br />
N 109 kommt die Vertrauenshaftung bei der Verletzung<br />
von Informationspflichten zum Zug.<br />
93 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 113 f.<br />
94 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 115.<br />
95 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 118 ff.<br />
96 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 120.<br />
97 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 3), Art. 518 ZGB<br />
N 113; BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 422.<br />
successio 1/13 31
§<br />
Aktuelle Praxis zur Willens vollstreckung (2011–2012)<br />
ten Erben den Willensvollstrecker direkt zivilrechtlich<br />
zur Verantwortung ziehen.» 98<br />
Die Eröffnung des Erbgangs lässt nach Iten 99 zwischen<br />
dem Willensvollstrecker und einem Erblassergläubiger<br />
ein gesetzliches Schuldverhältnis entstehen,<br />
und zwar mit der Begründung, Art. 518 Abs. 2<br />
ZGB (Bezahlung von Schulden) verschaffe dem<br />
Erblassergläubiger ein direktes Forderungsrecht gegenüber<br />
dem Willensvollstrecker. Entsprechendes<br />
gelte für die Erbgangsgläubiger.<br />
i) Zum Schaden führt Iten 100 aus, dass Erben meist<br />
direkt geschädigt sind, während Vermächtnisnehmer<br />
häufig einen indirekten Schaden (Reflexschaden)<br />
erleiden. Im Einzelfall ist es oft schwierig, den<br />
Schaden festzustellen, wenn Handlungen der Erben<br />
und Vermächtnisnehmer noch Einfluss auf den<br />
Schaden haben können. 101<br />
j) Den adäquaten Kausalzusammenhang konstruiert<br />
Iten 102 (anlehnend an Grieder 103 ) als doppelten<br />
Kausalzusammenhang: (1) spätere Sorgfaltspflichtverletzung<br />
– Schaden und (2) frühere Sorgfaltspflichtverletzung<br />
– spätere Sorgfaltspflichtverletzung.<br />
Ich gehe von dem einfacheren Modell des<br />
(adäquaten) Kausalzusammenhangs zwischen<br />
Pflichtverletzung und Schaden aus. 104<br />
N. Internationales Privatrecht<br />
a) Das Bundesgericht hat im Urteil 1B_39 und<br />
43/2012 vom 10.05.2012 Fragen des Internationalen<br />
Privatrechts behandelt. Da die Erblasserin in<br />
Monaco verstorben ist, gilt das Erbrecht von Monaco<br />
(Erbstatut) aufgrund von Art. 91 Abs. 1 IPRG<br />
(das ausländische Kollisionsrecht bestimmt das<br />
anwendbare Erbrecht; E. 3.1.1). Der monegassische<br />
Notar vermerkte im Erbschein, dass auf den<br />
beweglichen und unbeweglichen Nachlass in der<br />
Schweiz das schweizerische Erbrecht zur Anwendung<br />
komme (E. 3.1.1). Für das auf den Willensvollstrecker<br />
anwendbare Recht verweist Art. 92 Abs. 2<br />
98 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 124; ebenso BSK-Karrer/Vogt/Leu<br />
(Fn. 3), Art. 518 ZGB N 113; BK-Künzle (Fn. 12),<br />
Art. 517–518 ZGB N 422.<br />
99 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 124.<br />
100 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 152 ff.<br />
101 Vgl. BGer. 5C.311/2001 vom 6. März 2002; BK-Künzle<br />
(Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 425.<br />
102 Vgl. Iten (Fn. 6), S. 171 ff.<br />
103 Vgl. Thomas Grieder, Vertragswidrigkeit und objektive<br />
Fahrlässigkeit – Eine Abgrenzungsproblematik in der<br />
vertraglichen Haftung, Diss. Zürich 2002, S. 168.<br />
104 BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 426.<br />
IPRG auf das Eröffnungsstatut. Dieses regelt allerdings<br />
nur die Verfahrensfragen. Das anwendbare<br />
Recht ist wichtig, weil nur der schweizerische Willensvollstrecker<br />
für die Verfügungen der Erben hinderlich<br />
gewesen wäre, nicht aber der monegassische<br />
Testamentsvollstrecker, der eine weit weniger<br />
starke Stellung hat (E. 3.1.1). Das Bundesgericht<br />
hat die Frage offengelassen und den Fall anhand<br />
von Treu und Glauben entschieden: Entscheidend<br />
war nicht, ob auf den Vollstrecker monegassisches<br />
oder schweizerisches Recht angewendet wird, sondern<br />
dass der Erbe das Vorhandensein eines Vollstreckers<br />
nicht erwähnt hat, denn die Banken hätten<br />
bei beiden Vollstreckern Abklärungen durchgeführt<br />
und nicht sofort verfügt (E. 3.4). Die Frage, wann<br />
das Erbstatut und wann das Eröffnungsstatut auf<br />
den Willensvollstrecker anwendbar ist, bereitet Probleme:<br />
Heini 105 hat als erster neben dem in Art. 92<br />
Abs. 2 IPRG erwähnten Eröffnungsstatut auch das<br />
Erbstatut auf den Willensvollstrecker angewendet<br />
und zwar für zwei Fragen: (1) auf welche Art das Eigentum<br />
auf die Erben übergeht und (2) ob der Erblasser<br />
überhaupt befugt war, einen Willensvollstrecker<br />
einzusetzen. Die herrschende Lehre hat die<br />
Anwendungsfälle des Erbstatuts in der Folge erweitert.<br />
106 Ich habe diese Fälle nochmals ausgedehnt. 107<br />
105 Vgl. Anton Heini, Kommentar zu Art. 86–96 IPRG, in:<br />
Zürcher Kommentar zum IPRG, hrsg. v. Daniel Girsberger<br />
u.a., 2. A., Zürich 2004, Art. 92 IPRG N 22.<br />
106 Vgl. BSK-Karrer/Leu/Vogt (Fn. 3), Vorbem. zu<br />
Art. 517–518 N 13 f.; Anton Schnyder/Manuel Liatowitsch,<br />
Kommentar zu Art. 86–96 IPRG, in: Basler Kommentar,<br />
Internationales Privatrecht, 2. A., Basel 2007,<br />
Art. 92 IPRG N 5; Andreas Bucher, Das neue internationale<br />
Erbrecht, ZBGR 69 (1988) 154.<br />
107 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Vorbem. zu Art. 517–518 ZGB<br />
N 72 ff.<br />
Dem Erbstatut unterstehen folgende Fragen: (1) Erbschaftserwerb<br />
(durch die Erben bzw. den Vollstrecker)<br />
inkl. Umfang des Nachlasses; (2) Zulässigkeit (Frage, ob<br />
ein Vollstrecker ernannt werden kann); (3) Person des<br />
Ernennenden (Erblasser/Dritter); (4) Person des Vollstreckers;<br />
(5) Form der Ernennung (im Testament/Erbvertrag);<br />
(6) Inhalt und Wirkung der Annahme; (7) Aufgabe<br />
des Willensvollstreckers (Rechte und Pflichten)<br />
inkl. sachlicher Umfang der Befugnisse (gemäss Gesetz<br />
bzw. letztwilliger Verfügung); (8) Zulässige Dauer der<br />
Vollstreckung; (9) Möglichkeit des Widerrufs/der Absetzung/des<br />
Ersatzes des Vollstreckers; (10) Verhältnis zu<br />
den Erben («Auftrag») inkl. Verantwortlichkeit. Unwichtig<br />
ist, welche Nationalität der Willensvollstrecker besitzt.<br />
Dem Eröffnungsstatut unterstehen folgende Fragen:<br />
(1) Form und Frist der Annahme durch den<br />
Vollstrecker; (2) Ausstellung des Vollstreckerzeugnisses;<br />
(3) Aufsicht (Art. 518 i.V.m. Art. 554 und 595) inkl. Verfahren<br />
der Absetzung und des Ersatzes; (4) Örtlicher<br />
Umfang der Befugnisse (In- und Ausland); (5) Vorsorgliche<br />
Massnahmen.<br />
32 successio 1/13
Gegenwärtig arbeite ich an einer Neuauflage des<br />
Zürcher Kommentars von Heini, welcher voraussichtlich<br />
2015 erscheinen wird. Darin soll die Kommentierung<br />
weiter verfeinert werden. Hinzuweisen<br />
ist in diesem Zusammenhang auf Art. 21 Erbrechtsverordnung<br />
der Europäischen Union, 108 welcher auf<br />
den Testamentsvollstrecker (einzig) das Erbstatut<br />
anwendet. Die Abkehr vom Eröffnungsstatut in der<br />
Schweiz liegt somit im internationalen Trend.<br />
b) Das Tribunal Cantonal Vaud (Chambre des<br />
recours) hat sich im Urteil CREC II 134 vom<br />
03.08.2009 109 mit dem Statut des Willensvollstreckers<br />
befasst und offengelassen, ob im konkreten<br />
Fall Art. 92 Abs. 1. IPRG (Erbstatut) oder Art. 92<br />
Abs. 2 IPRG (Eröffnungsstatut) zur Anwendung<br />
komme (E. 3a), weil das schweizerische und französische<br />
Recht zum gleichen Ergebnis führten (dass<br />
nämlich der Vollstrecker und nicht die Erben Ansprechpartner<br />
des Erbschaftsverwalters ist). Piotet<br />
hat in Anmerkungen zu diesem Urteil die Meinung<br />
vertreten, der Umfang der Ermächtigung des<br />
Willensvollstreckers gehöre zum materiellen Recht,<br />
was dem vorne 110 geschilderten Trend entspricht.<br />
O. Steuern<br />
Das Tribunal Cantonal Neuchâtel hat im Urteil<br />
CDP.2010.30 vom 08.04.2011 betreffend die Erbschaftssteuern<br />
festgehalten, dass nach Art. 29 Abs. 1<br />
LSucc 111 l’exécuteur testamentaire doit «donner,<br />
conformément à la vérité, tous renseignements utiles<br />
à la détermination des éléments imposables<br />
ayant appartenu au défunt (let. a), produire tous les<br />
livres, pièces justificatives, relevés de situation ou<br />
autres documents permettant d’établir l’état de la<br />
succession (let. b), donner accès à tous les locaux et<br />
meubles dont disposait le défunt (let. c)». 112<br />
108 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit,<br />
das anzuwendende Recht, die Anerkennung und<br />
Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme<br />
und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen<br />
sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses,<br />
EU Amtsblatt L 201/107.<br />
109 Vgl. JdT 2011 III 113 = Not@lex 2012, 69.<br />
110 Vgl. vorne N. a).<br />
111 Loi instituant un impôt sur les successions et sur les<br />
donations entre vifs, du 1 er octobre 2002 (RSN 633.0).<br />
112 Zu den übrigen Kantonen vgl. BK-Künzle (Fn. 12),<br />
Art. 517–518 ZGB N 265.<br />
P. Prozessrecht<br />
a) In der Neuauflage des Basler Kommentars wird<br />
darauf aufmerksam gemacht, dass in einem vom<br />
Willensvollstrecker als Prozessstandschafter geführten<br />
Prozess die Erben als Zeugen (Art.169 ff. ZPO)<br />
auftreten können, wenn sie diesem Prozess nicht als<br />
Haupt- oder Nebenintervenienten (Art. 73 f. ZPO)<br />
beitreten.<br />
b) Das Bundesgericht hat im Urteil 5A_645/2011<br />
vom 17.11.2011 betreffend Rechtsschutz in klaren<br />
Fällen (Exmission) entschieden, dass der Willensvollstrecker<br />
die Lebensgefährtin des Erblassers aus<br />
einer Liegenschaft ausweisen kann, welche einem<br />
eingesetzten Erben zugewiesen wurde (Art. 257<br />
Abs. 1 lit. a ZPO). Der Erblasser verstarb am<br />
27.10.2010, die Durchsetzung erfolgte somit innert<br />
Jahresfrist.<br />
Q. Betreibungsverfahren<br />
Das Kantonsgericht Graubünden hat im Urteil GR<br />
KSK 11 60 vom 19.10.2011 entschieden, dass es<br />
zu den Aufgaben des Willensvollstreckers gehört,<br />
Rechtsöffnungsverfahren zu führen und in diesem<br />
Rahmen Rechtsmittel zu ergreifen (E. 2c). Dies entspricht<br />
der herrschenden Praxis. 113<br />
R. Schiedsgerichte in Erbsachen<br />
a) Am 11. August 2012 wurde der Schweizerische<br />
Verein Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen<br />
(SVSE) (Association Suisse de l’Arbitrage en Matière<br />
de Succession/Associazione Svizzera per<br />
l’Arbitrato im Materia Successorale/Swiss Arbitration<br />
Association in Inheritance Matters) gegründet.<br />
Der Verein verfolgt den Zweck, die Schiedsgerichtsbarkeit<br />
in Erbsachen zu fördern. Dies kann insbesondere<br />
geschehen durch die Bereitstellung eines<br />
institutionellen Schiedsgerichts mit einer Schiedsordnung<br />
(inkl. Gebühren- und Honorar-Ordnung)<br />
sowie die Ernennung von Schiedsrichtern, die Förderung<br />
bzw. Durchführung von wissenschaftlichen<br />
Veranstaltungen und von Forschungsvorhaben sowie<br />
die Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der<br />
Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen und die Förderung<br />
bzw. Herausgabe von Veröffentlichungen zur<br />
Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen. Zu den Statuten<br />
vgl. die homepage des Vereins: www.schiedsgerichte-erbsachen.ch.<br />
113 Vgl. BK-Künzle (Fn. 12), Art. 517–518 ZGB N 512.<br />
successio 1/13 33
§<br />
Aktuelle Praxis zur Willens vollstreckung (2011–2012)<br />
b) Präsident des Vereins ist Prof. Dr. Thomas Sutter-<br />
Somm, erster Vizepräsident der Schreibende und<br />
zweite Vizepräsidentin Dr. Sybille Früh-Pestalozzi.<br />
Dem Vorstand gehören gegenwärtig weiter an: Prof.<br />
Dr. Peter Breitschmid, Dr. Balthasar Bessenich, Dr.<br />
Mirko Roš, Dr. René Strazzer und Tina Wüstemann.<br />
Zu näheren Angaben vgl. die homepage des Vereins:<br />
www.schiedsgerichte-erbsachen.ch.<br />
c) Am 8. Dezember hat der Vorstand die für den<br />
Verein gültige Schiedsordnung verabschiedet. Es<br />
handelt sich um die Swiss Rules, welche zusammen<br />
mit den nachfolgenden Einführungsbestimmungen<br />
zur Anwendung kommen:<br />
«Die nachfolgenden Einführungsbestimmungen treten<br />
an die Stelle der ‹Musterschieds klausel› und der ‹Einführung›<br />
der Swiss Rules:<br />
a) Es gelten die Art. 1–45 der Swiss Rules (Version 2012).<br />
b) Der Anwendungsbereich ist jedoch wie folgt beschränkt:<br />
Es werden Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang<br />
mit einer Erbsache be han delt (Art. 1 Abs. 1<br />
und Art. 3 Abs. 3 lit. d); die Schiedsklausel kann (soweit<br />
rechtlich zulässig) auch in einem Erbvertrag oder in einem<br />
Testament enthalten sein (Art. 1 Abs. 1).<br />
c) Die Funktion des Gerichtshofs übernimmt der Vorstand<br />
des SVSE (Appendix A). Er kann ge stützt auf<br />
seine Geschäftsordnung Befugnisse an eines oder mehrere<br />
seiner Mit glieder oder an Ausschüsse delegieren.<br />
Der Vorstand des SVSE wird in seiner Ar beit von<br />
einem Se kre ta riat unterstützt.<br />
d) Für die Honorare und Verwaltungskosten gilt der Appendix<br />
B der Swiss Rules ent spre chend. Die Einschreibegebühr<br />
und Verwaltungskosten sind an den SVSE zu<br />
ent rich ten.»<br />
d) Der SVSE bietet eine Musterklausel für eine<br />
Schiedsvereinbarung (unter Erben) an, welche wie<br />
folgt lautet: «Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang<br />
mit der Erbsache … (Erblasser einfügen) sind<br />
durch ein Schiedsverfahren gemäss der Internationalen<br />
Schweizerischen Schieds ord nung der Swiss<br />
Chambers’ Arbitration Institution (Swiss Rules)<br />
mit den Ein füh rungs bestimmungen des Schweizerischen<br />
Vereins Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen<br />
(SVSE) zu entscheiden. Es gilt die zur Zeit der Zustellung<br />
der Einleitungsanzeige in Kraft stehende<br />
Fassung der Schieds ord nung. Das Schiedsgericht<br />
soll aus … (einem oder drei) Schiedsrichter(n) bestehen.<br />
Der Sitz des Schiedsverfahrens ist … (Ort<br />
in der Schweiz oder im Ausland). Die Sprache des<br />
Schieds ver fahrens ist … (deutsch, fran zö sisch, englisch<br />
oder eine andere Sprache).»<br />
e) Der SVSE bietet eine Musterklausel für eine<br />
Schiedsvereinbarung in einem Erbvertrag an, welche<br />
wie folgt lautet: «Streitigkeiten aus oder im<br />
Zusammenhang mit dem Erbvertrag/Testament<br />
von … (Erb las ser ein fügen) sind durch ein Schiedsverfahren<br />
gemäss der Internationalen Schweize<br />
rischen Schieds ordnung der Swiss Chambers’<br />
Arbitration Institution (Swiss Rules) mit den Einfüh<br />
rungs bestimmungen des Schweizerischen Vereins<br />
Schieds gerichts bar keit in Erbsachen (SVSE)<br />
zu entscheiden. Es gilt die zur Zeit der Zustellung<br />
der Ein lei tungsanzeige in Kraft stehen de Fassung<br />
der Schiedsordnung. Das Schiedsgericht soll aus …<br />
(einem oder drei) Schieds rich ter(n) bestehen. Der<br />
Sitz des Schieds ver fah rens ist … (Ort in der Schweiz<br />
oder im Aus land). Die Sprache des Schiedsverfahrens<br />
ist … (deutsch, französisch, englisch oder eine<br />
an dere Sprache).»<br />
34 successio 1/13