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Aus der Geschichte der Uplandbahn: 90-jähriges ... - Willingen

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<strong>Aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Uplandbahn</strong>:<br />

<strong>90</strong>-jähriges Eisenbahnjubiläum in <strong>Willingen</strong><br />

Der 1. April 1917 war ein bedeuten<strong>der</strong> Tag im Upland und wäre zu <strong>der</strong> Zeit nicht<br />

gerade Krieg gewesen, hätte es sicherlich ein großes Fest gegeben. Ein letztes Mal<br />

erklang das Posthorn über den Uplandbergen und die Postkutsche trat ihre letzte<br />

Fahrt an, um schließlich dem Dampfross das Feld zu überlassen.<br />

Bereits im Jahre 1910 wurde die Absicht <strong>der</strong> Regierung bekannt, eine<br />

Querverbindung zu den Bahnstrecken <strong>der</strong> Main-Weserbahn (Frankfurt – Kassel) und<br />

<strong>der</strong> Ruhrtalbahn (Kassel - Hagen) zu schaffen. Dass die Trasse durch das Upland<br />

führen sollte, war dabei keineswegs sicher. Fortan versuchte man sowohl im Upland<br />

als auch im benachbarten Adorf Einfluss auf die Streckenführung zu nehmen. Beide<br />

Gemeinden hatten ein berechtigtes Interesse an einem Anschluss an das<br />

Schienennetz und zählten wichtige Gründe dafür auf. Die Adorfer Eisengruben waren<br />

ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und es gab bereits eine Kleinbahn nach Bredelar, die<br />

leicht auszubauen gewesen wäre. Demgegenüber standen die großen Waldungen<br />

des Uplandes, die im fürstlichen Besitz waren und erschlossen werden sollten. Ob es<br />

zuletzt dem Einfluss des Fürsten zu verdanken ist, dass die Entscheidung für den<br />

Anschluss ans Bahnnetz zugunsten des Uplandes fiel, kann nur vermutet werden.<br />

Im Frühjahr 1913 begann man an mehreren Abschnitten mit dem Bau <strong>der</strong> Strecke<br />

zwischen Brilon Wald und Korbach und schon am 1. Oktober des darauf folgenden<br />

Jahres wurde die Teilstrecke Brilon Wald - <strong>Willingen</strong> dem Verkehr übergeben. Mit<br />

<strong>Aus</strong>bruch des Krieges wurden die Arbeiten an <strong>der</strong> Bahn durch den <strong>Aus</strong>fall <strong>der</strong><br />

wehrfähigen Männer unterbrochen und kamen langsam wie<strong>der</strong> in Gang, als man<br />

Jugendliche und französische Kriegsgefangene damit beauftragte.<br />

Man sah sich kolossalen Herausfor<strong>der</strong>ungen gegenüber: es galt, große<br />

Höhenunterschiede zu überwinden, allein zwischen Usseln und Korbach 250<br />

Höhenmeter. Tiefe Einschnitte und hohe Dämme verursachten enorme Kosten und<br />

eine beson<strong>der</strong>e Schwierigkeit stellte <strong>der</strong> Bau verschiedener Brücken dar, allen voran<br />

die große Talbrücke in <strong>Willingen</strong>: <strong>der</strong> Viadukt, das heutige Wahrzeichen. Man<br />

munkelte, je<strong>der</strong> Kilometer <strong>der</strong> Strecke zwischen Brilon Wald und Korbach hätte rund<br />

100.000 Goldmark verschlungen, eine für damalige Zeiten exorbitante Summe. Kein<br />

Wun<strong>der</strong>, dass viele kritische Stimmen die Bauarbeiten begleiteten und man orakelte,<br />

dass im Winter die Züge nach heftigen, aber für das Upland durchaus typischen,<br />

Schneefällen ohnehin nicht würden verkehren können. Und tatsächlich: bereits zwei<br />

Tage nach Freigabe <strong>der</strong> Strecke blieb <strong>der</strong> erste Zug am 3. April 1917 im Schnee<br />

stecken. Derartige <strong>Aus</strong>fälle sollten sich zwar von Zeit zu Zeit wie<strong>der</strong>holen, blieben<br />

aber in den mittlerweile <strong>90</strong> Jahren Uplän<strong>der</strong> Bahngeschichte die <strong>Aus</strong>nahme.<br />

Wer aber waren die ersten Fahrgäste?<br />

Im Jahre 1917 wurde die <strong>Uplandbahn</strong> in erster Linie von den Arbeitern genutzt, die<br />

vorher zu ihrer Arbeitsstätte in Brilon Wald zu Fuß gehen mussten und von Kin<strong>der</strong>n,<br />

die in Korbach o<strong>der</strong> Brilon eine höhere Schule besuchten, die es damals in <strong>Willingen</strong><br />

noch nicht gab.


Außerdem konnte man jeden Montagmorgen ca. 100 bis 120 Handelsleute auf dem<br />

Bahnsteig antreffen, die mit dem Zug ins Ruhrgebiet, ins Lipper- und Münsterland<br />

reisten, um ihre Waren zu verkaufen. Auffallend waren die blauen Leinenkittel mit<br />

weißer Stickerei, die sie trugen und die weißen Leinensäcke, in denen die Waren,<br />

hauptsächlich Leinen und Fasskranen, transportiert wurden. Die „Linnenkerle“<br />

machten das Upland über seine Grenzen hinaus bekannt und so waren die ersten<br />

Gäste, die <strong>Willingen</strong> besuchten, Geschäftspartner <strong>der</strong> Linnenkerle.<br />

Anfangs verkehrte nur eine kleine Zahl von Zügen, morgens und abends je einer in<br />

jede Richtung. Nachmittags konnte man einen Güterzug nach Korbach benutzen, an<br />

den ein Personenwagen angehängt war. Diese Fahrt dauerte damals über zwei<br />

Stunden, heute erreicht man Korbach in gerade mal 23 Minuten.<br />

Der Fremdenverkehr spielte 1917 nur eine untergeordnete Rolle, denn <strong>der</strong> Erste<br />

Weltkrieg hatte die Entwicklung in diesem Bereich aufgehalten. Im Jahre 1910 gab<br />

es etwa 60 Gästebetten in <strong>Willingen</strong>, die sich auf zwei Gasthöfe und ein Hotel<br />

aufteilten und man bezifferte die Gästeankünfte auf ca. 300 im Jahr. In den darauf<br />

folgenden Wintern wurde <strong>Willingen</strong> vor allem von Skisportlern besucht, die aus <strong>der</strong><br />

näheren Umgebung, aber auch aus dem Ruhrgebiet anreisten. An Sonntagen zählte<br />

man ca. 500 Gäste im Ort, die damals noch mit Pferdeschlitten vom Bahnhof in<br />

Brilon Wald abgeholt wurden.<br />

Für den Tourismus sollte die Bahnstrecke erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung<br />

nach <strong>der</strong> Währungsreform 1923 wichtig werden. Als Mitte <strong>der</strong> 1920er Jahre die<br />

ersten Son<strong>der</strong>züge mit Wintersportlern <strong>Willingen</strong> anfuhren, verlangte die<br />

Eisenbahnverwaltung Garantiesummen von den Uplän<strong>der</strong> Gastwirten, obgleich sich<br />

schnell herausstellte, dass dies nicht nötig war. 1938 entstanden die ersten direkten<br />

Eilzugverbindungen via <strong>Willingen</strong> von Amsterdam nach Bad Wildungen und von<br />

Frankfurt nach Bremen und erschlossen auf diese Weise das Upland noch stärker<br />

dem Fremdenverkehr.<br />

Ein schwarzer Tag für <strong>Willingen</strong><br />

Im 2. Weltkrieg kam <strong>der</strong> <strong>Uplandbahn</strong> kaum eine militärische Bedeutung zu, in den<br />

letzten Kriegsmonaten waren die Züge allerdings wie<strong>der</strong>holt das Ziel von feindlichen<br />

Fliegerangriffen. Am 25. September 1944 wurden zahlreiche Reisende und <strong>der</strong><br />

Lokführer verletzt, als <strong>der</strong> Mittagszug beschossen wurde. Am 24. Oktober hatte man<br />

vierzehn Tote und zahlreiche Verletzte nach einem Tieffliegerangriff zu beklagen.<br />

Als „schwarzer Tag für <strong>Willingen</strong>“ ist <strong>der</strong> 20. März 1945 in die <strong>Geschichte</strong><br />

eingegangen, als ein vollbeladener Munitionszug mit 28 Wagen, <strong>der</strong> im Willinger<br />

Bahnhof stand, nach einem Angriff in die Luft flog. Alle Häuser im näheren Umkreis<br />

wurden mehr o<strong>der</strong> weniger stark beschädigt und zum Teil unbewohnbar. Insgesamt<br />

waren 19 Familien obdachlos geworden und mussten untergebracht werden. In den<br />

nächsten Tagen herrschte in <strong>Willingen</strong> eine panische Angst, <strong>der</strong> Viadukt könne das<br />

nächste Ziel von Bombenangriffen sein, was sich zum Glück nicht bewahrheitete.<br />

60 Jahre später stieß man bei Gleisbauarbeiten im Willinger Bahnhof auf Teile von<br />

Kriegsmunition, die zur Ladung des gesprengten Munitionszuges gehörten. Das<br />

größte Relikt war eine komplette Granate samt Zün<strong>der</strong>, gefüllt mit 9,5 Kilogramm<br />

Sprengstoff – ein Fall für den Kampfmittelräumdienst.<br />

Der Zahn <strong>der</strong> Zeit nagte an <strong>der</strong> Strecke <strong>der</strong> <strong>Uplandbahn</strong> und vor allem an den<br />

Brücken. Im November 1999 wurde <strong>der</strong> Bahnverkehr vorübergehend eingestellt und<br />

im Dezember 2003 nach umfassenden Sanierungsarbeiten wie<strong>der</strong> aufgenommen.<br />

Wasser- und Frostschäden hatten <strong>der</strong> Bausubstanz des Viadukts in <strong>Willingen</strong> so


zugesetzt, dass ein Befahren nicht mehr möglich war. Die Außenhülle aus<br />

Natursteinen, durch Wasser und Kälte marode geworden, dienten dem Innenbau<br />

nicht mehr als Schutz, so dass die Gesamtkonstruktion <strong>der</strong> Brücke gefährdet war.<br />

2003/2004 bekam <strong>der</strong> Viadukt ein neues Gesicht: Vertikal und horizontal wurden<br />

Hun<strong>der</strong>te von metertiefen, ca. 8 cm breiten Löchern in die Pfeiler gebohrt, in die man<br />

mit einem speziellen Druckverfahren eine flüssige Zementmischung presste. Die<br />

Natursteinhülle wurde mit Wasserdruck abgetragen und durch eine<br />

Spritzbetonmischung ersetzt, die alten Schwellen aus dem Jahre 1916 und die<br />

Schienen aus den 60er Jahren wichen mo<strong>der</strong>nen ypsilonförmige Stahlschwellen.<br />

Eine computergesteuerte Signaltechnik regelt den Einsatz von komfortablen<br />

Schnellzügen <strong>der</strong> neuesten Generation. Allein für die Standfestigkeit des Willinger<br />

Viaduktes wurden 9 Millionen Euro aufgebracht.<br />

Wieviele Reisende die <strong>Uplandbahn</strong> bis heute beför<strong>der</strong>t hat ist nicht bekannt, wohl<br />

aber, dass <strong>der</strong> Willinger Handelsmann Heinrich Wilke-Schusterhaus das erste Billet<br />

mit <strong>der</strong> Nummer 0001 von <strong>Willingen</strong> nach Brilon Wald und später auch das erste<br />

Ticket 0001 nach Korbach löste. Welche Nummer auch immer Ihre Fahrkarte trägt,<br />

eine Fahrt mit <strong>der</strong> <strong>Uplandbahn</strong> nach Korbach ist immer ein Erlebnis: genießen Sie<br />

herrliche <strong>Aus</strong>blicke in die reizvolle Landschaft und eine phantastische <strong>Aus</strong>sicht vom<br />

31 m hohen Viadukt!<br />

© A. Buchholz, Tourist-Information <strong>Willingen</strong>, Okt. 2007

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