Kooperation von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen
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JUGENDAMT 2/05<br />
<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen<br />
Stadt Leipzig<br />
Dezernat Jugend, Soziales,<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />
Jugendamt
Stadt Leipzig<br />
Dezernat Jugend, Soziales,<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />
Jugendamt
<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen<br />
Dokumentation zum Fachtag am 27. Oktober 2004<br />
Stadt Leipzig<br />
Dezernat Jugend, Soziales,<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />
Jugendamt
2<br />
ISBN 3-935853-37-8<br />
Herausgeber: Stadt Leipzig<br />
Der Oberbürgermeister<br />
Jugendamt<br />
1. Aufl. 2005<br />
Verantwortlich: Dr. Siegfried Haller<br />
Redaktion: Heidrun Wendlocha<br />
Fotos: Jugendamt Leipzig<br />
Umschlag, Layout <strong>und</strong> Satz: Dagmar Zehnel, Leipzig<br />
Druck: DDF, Leipzig<br />
Redaktionsschluss: Januar 2005<br />
Anschrift: Stadt Leipzig � Jugendamt � Naumburger Str. 26 � 04229 Leipzig<br />
Telefon: (03 41) 1 23 44 92 � Fax: (03 41) 1 23 44 84<br />
eMail: jugendamt@leipzig.de<br />
Internet: http://www.leipzig.de/jugendamt<br />
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Quellenangabe gestattet.
Inhalt<br />
Vorwort 5<br />
Begrüßung 6<br />
Burkhard Jung 8<br />
Matthias Hüchelheim 11<br />
Arnfried Schlosser 13<br />
Referate 16<br />
Bilden sich Kinder selbst? 18<br />
Neue entwicklungspsychologische <strong>und</strong> neurobiologische Erkenntnisse<br />
Dr. Rainer Strätz<br />
Erste Überlegungen zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong>svereinbarung 46<br />
in der Praxis<br />
Petra Supplies<br />
Helgard Lewek<br />
Diskussion 52<br />
Resümee 64<br />
Burkhard Jung<br />
Anhang 72<br />
ıZur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule„ – Gemeinsame<br />
Vereinbarung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales <strong>und</strong><br />
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus<br />
74<br />
Zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt in Leipzig 75<br />
Auszug aus Koalitionsvereinbarung für die 4. Legislaturperiode des<br />
Sächsischen Landtages<br />
76<br />
Verzeichnis der Referenten 81<br />
Veröffentlichungsverzeichnis 82<br />
3
Vorwort<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />
Der Mensch kommt zwar mit bestimmten Anlagen <strong>und</strong> Neigungen zur Welt, er wird durch<br />
seine Erziehung aber entscheidend geprägt <strong>und</strong> geformt. Das war in der Antike nicht<br />
anders als im Mittelalter oder im Barock <strong>und</strong> heute ist es auch noch so.<br />
Neu ist allerdings der hohe Stellenwert in der öffentlichen Debatte <strong>von</strong> frühkindlicher<br />
Erziehung <strong>und</strong> Bildung über die Fachwelt hinaus. Ein wesentlicher Aspekt kommt dabei<br />
dem lebenslangen Lernen zu, das längst vor der Einschulung beginnt <strong>und</strong> an einem eigensinnig,<br />
aktiv gestaltenden Mittun des Kindes ansetzt. So kommt die gemeinsame<br />
Verantwortung <strong>von</strong> Kindertagesstätten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule im Bildungsprozess <strong>von</strong> Kindern<br />
zentral in den Blick. Eine gemeinsame Verantwortung, die präzise vor Ort in ihrem Gehalt<br />
verstanden <strong>und</strong> in ihrer Form gestaltet sein will.<br />
Das Jugendamt der Stadt Leipzig will mit der vorliegenden Dokumentation die fachliche<br />
Debatte vor Ort allgemein zugänglich <strong>und</strong> zugleich einen glänzenden Fachvortrag <strong>von</strong><br />
Rainer Strätz mit Gr<strong>und</strong>satzcharakter über den Hörerkreis <strong>von</strong> 410 TeilnehmerInnen<br />
bekannt machen: Inhalte, Methoden, Tempo <strong>und</strong> Menge sollten immer der Individualität<br />
des Kindes entsprechen. Es gilt, die richtige Balance zwischen behutsamen Lenken,<br />
ermunternden Anregungen <strong>und</strong> selbstständigem Suchen des Kindes zu finden.<br />
Ziel aller Erziehung <strong>von</strong> Anfang an ist so gesehen die Bildung der eigenen Urteilskraft, wie<br />
schon MONTAIGNE in einem seiner berühmten Essais in der zweiten Hälfte des 16.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts geschrieben hat:<br />
ıSo wird auch der Zögling das, was er anderen entlehnt hat, ausbilden <strong>und</strong> miteinander<br />
verbinden, um daraus eine Schöpfung zu gestalten, die gut sein Ergebnis ist, nämlich seine<br />
Urteilskraft.„<br />
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre <strong>und</strong> dabei auch Anreicherung Ihrer Urteilskraft<br />
in der weiteren Ausgestaltung einer gelingenden <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen.<br />
Dr. Siegfried Haller<br />
Leiter des Jugendamtes<br />
5
2<br />
Begrüßung
1 Begrüßung<br />
8<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
liebe Kolleginnen <strong>und</strong> liebe Kollegen,<br />
Burkhard Jung<br />
ich freue mich, dass Sie so zahlreich der Einladung gefolgt sind. Das zeugt <strong>von</strong> Interesse,<br />
zeigt aber auch, dass wir genau die Themen ansprechen, die so viele bewegen. Im<br />
Zusammenhang mit Fragen nach dem Bildungsauftrag der <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> trat<br />
immer wieder die Schnittstelle Kindertageseinrichtung/ Schule in den Fokus. Heute wollen<br />
wir beleuchten, wie dieser Herausforderung zu begegnen ist, wie im Sinne unserer Kinder<br />
künftig diese Schnittstelle zu gestalten ist.<br />
Zu Beginn möchte ich einige ganz besonders liebe Gäste vorstellen.<br />
Ich freue mich, dass Frau Koch aus dem Sächsischen Staatministerium für Kultus, dort<br />
zuständige Referatsleiterin für das Ressort Gr<strong>und</strong>schulen, bei uns ist. Herzlich<br />
Willkommen Frau Koch!<br />
Herr Schlosser aus dem Sächsischen Staatministerium für Soziales, dort als Referatsleiter<br />
zuständig für das Thema Kindertagesstätten, unterstützt uns, wie so oft, auch heute. Ihnen<br />
ein recht herzliches Willkommen.<br />
Ich freue mich, dass Herr Hüchelheim, Leiter des Regionalschulamts, sich mit uns<br />
gemeinsam auf den Weg begibt. Wir werden heute den Rahmen für die künftige<br />
Zusammenarbeit abstecken.<br />
Natürlich begrüße ich die MitarbeiterInnen des Jugendamtes, die sehr intensiv gearbeitet,<br />
sehr gründlich diese Fachtagung vorbereitet haben. Lieber Herr Dr. Haller, Ihr Team hat<br />
eine sehr gute Arbeit geleistet.<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
in der kommunalen Bildungspolitik ist heute ein großer Tag. ıKindertagesstätten„ <strong>und</strong><br />
ıSchule„ beraten gemeinsam! Es haben sich Erzieherinnen eingef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Leiterinnen,<br />
Gr<strong>und</strong>schullehrer <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen, Schulleiterinnen <strong>und</strong> Beratungslehrerinnen.<br />
Alle relevanten Ämter der Verwaltung sind anwesend sowie Vertreter der ortsansässigen<br />
Bildungsinstitutionen, <strong>und</strong> zwar der Hochschule für Technik, Wirtschaft <strong>und</strong> Kultur<br />
(HTWK) <strong>und</strong> der Universität Leipzig. Mitarbeiter der Erzieherinnen-Ausbildungsschule
Grußwort Burkhard Jung<br />
ıHenriette-Goldschmidtschule„ sind heute hier <strong>und</strong> auch Mitglieder des<br />
Jugendhilfeausschusses. Die Erziehungsberatungsstellen sind eingeladen, der<br />
Gesamtelternrat, der Stadtelternrat - kurzum eine sehr gutes Spektrum derjenigen<br />
Partnerinnen <strong>und</strong> Partner, die im Wesentlichen diesen Prozess gestalten.<br />
Worum geht es uns, wenn wir über die Schnittstelle Kindertagesstätte/ Schule sprechen? Ich<br />
bin gewiss, für die Anwesenden sind die Begrifflichkeiten eindeutig. Die Praxis zeigt aber<br />
auch, dass das partnerschaftliche Miteinander <strong>von</strong> Kindertagesstätte/ Schule <strong>und</strong> die<br />
kooperative Zusammenarbeit verbesserungsbedürftig sind, dass der Abstimmungsprozess<br />
zwischen beiden Bildungsbereichen künftig kontinuierlich geführt werden muss.<br />
Dafür ist wichtig, dass man sich kennen lernt, dass man <strong>von</strong>einander weiß – <strong>von</strong> den<br />
Erfolgen, aber auch <strong>von</strong> den Schwierigkeiten – nur so kann Verständnis füreinander<br />
wachsen <strong>und</strong> erfolgreiche Zusammenarbeit funktionieren.<br />
Machen wir uns nichts vor - in den letzten Jahrzehnten hat sich durchaus ein<br />
Selbstverständnis herausgebildet – ein in vielen Bereichen erkennbarer Abgrenzungsprozess<br />
hat sich vollzogen. Im Interesse unserer Kinder muss dem begegnet werden. Den Übergang<br />
<strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> in die Gr<strong>und</strong>schule zu erleichtern, das muss unser aller Ziel<br />
sein. Doch wie sieht momentan noch die Realität aus? Ich möchte nur an die<br />
Rückstellungsquoten erinnern bzw. Sie bitten, an die Ergebnisse <strong>von</strong><br />
Vorschuluntersuchungen zu denken. PISA zeigte auch deutlich, dass auf diesem Gebiet<br />
etwas getan werden muss.<br />
Wir allen wissen, dass es noch viel Gestaltungskraft <strong>und</strong> großem Veränderungswille bedarf,<br />
um die gesteckten Ziele zu erreichen. Aber wir können auch zahlreiche positive<br />
Änderungen verweisen, Änderungen, die inzwischen schon Normalität darstellen. Viel<br />
geschehen ist in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> im Hinblick auf pädagogische Zielsetzungen<br />
<strong>und</strong> den Erziehungsauftrag, die Kindertagesstätten sind als Ort der Bildung in den letzten<br />
Jahren zunehmend stärker wieder in den Blick gerückt. Und das ist gut! So bieten sich<br />
verstärkt Möglichkeiten des Austausches mit den Schulen. Umgekehrt hat auch<br />
ıGr<strong>und</strong>schule„ in den letzten Jahrzehnten eine intensive Entwicklung durchgemacht.<br />
Beschäftigungsformen aus dem Kindergarten sind in die Schule eingeführt worden, ich<br />
möchte nur den Morgenkreis nennen, gemeinsames projektorientiertes übergreifendes<br />
Lernen wird praktiziert. Das Aufbrechen <strong>von</strong> Frontalstrukturen im Unterricht – ein ganz<br />
entscheidender Schritt. Sie sehen, auch im Bereich ıSchule„ ist sehr viel passiert.<br />
Mit anderen Worten, wir wollen diesen Prozess weiter befördern <strong>und</strong> ich bin<br />
ausgesprochen dankbar, dass das Sächsische Ministerium für Soziales <strong>und</strong> das Sächsische<br />
Ministerium für Kultus im Jahr 2003 mit einer <strong>Kooperation</strong>svereinbarung den Weg<br />
geebnet haben. Der Rahmen ist vorgegeben, mit Leben muss die <strong>Kooperation</strong> vor Ort<br />
erfüllt werden. Es nützt uns nichts, eine Verordnung auf den Weg zu bringen mit klugen<br />
Ideen, entscheidend ist ihre Umsetzung. Deswegen gilt mein Dank all denen, die sich in<br />
Leipzig auf den Weg gemacht haben, um diese Verordnung mit Leben zu erfüllen.<br />
Heute wollen wir einer <strong>Kooperation</strong>svereinbarung zwischen Jugendamt <strong>und</strong><br />
Regionalschulamt die typisch Leipziger Prägung geben. Von Beginn an wird diese<br />
1<br />
9
1 Partnerschaft<br />
10<br />
Begrüßung<br />
dokumentiert. Nicht nur eine symbolische Unterschrift auf einer Urk<strong>und</strong>e!<br />
Wir wollen heute sofort Impulse für die Praxis geben. Die Fachtagung ist nicht als ein<br />
Diskussionsforum gedacht, sondern sie wird zur ersten Weiterbildungsveranstaltung für alle<br />
Beteiligten. Wir wollen Partnerschaft konkret bestimmen, mit guten Beispielen<br />
festschreiben.<br />
Eine gute Weiterbildung für alle wird sicherlich der Fachvortrag <strong>von</strong> Herrn Dr. Strätz sein.<br />
Er führt uns heute in die Theorie der Selbstbildung ein.<br />
Wir haben, meine Damen <strong>und</strong> Herren, eine gemeinsame Verantwortung für die Kinder in<br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> in der Schule, insbesondere in den Übergangsphasen <strong>und</strong><br />
insbesondere auch für benachteiligte Kinder. Es ist gemeinsame Aufgabe, die Entwicklung<br />
der Kinder zu begleiten, Kinder zu fördern <strong>und</strong> zu fordern <strong>und</strong> dabei stets die<br />
Erziehungspartnerschaft mit den Eltern zu suchen.<br />
Den letzen Gedanken möchte ich noch einmal ganz besonders hervorheben. Alle unsere<br />
Anstrengungen in Schule <strong>und</strong> Kindertagesstätten sind vergebens, wenn wir die Eltern nicht<br />
mitnehmen. Wir können nicht familiäre Problemlagen in unseren Institutionen lösen,<br />
wenn wir nicht die Erziehungsberechtigten, die Sorgeberechtigten, die Eltern mit ins Boot<br />
holen. Das gelingt uns nicht immer.<br />
Es gibt natürlich auch immer noch eine Abgabementalität, manchmal falsche Erwartungen<br />
- die Kita/ Schule wird es schon richten. So kommen wir nicht weiter, sondern nur in<br />
dialogorientierter Partnerschaft mit den Eltern! Aber wie soll das gut funktionieren? Fragen<br />
schließen sich an: Wie kann man den Übergang möglichst optimal gestalten? Wie sollte<br />
diese optimierte Schuleingangsphase funktionieren? Wie kann man aus unterschiedlicher<br />
Sicht, aus verschiedenen Institutionen, zeitlich versetzt, mit einem Kind arbeiten? Und in<br />
diesem Prozess sich den Staffelstab nicht nur übergeben, sondern ihn schon gemeinsam<br />
fassen?! Dieses ıBild„ – das ist meine Vision: Gr<strong>und</strong>schullehrerInnen tragen zum<br />
Selbstbildungsprozess in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> bei <strong>und</strong> ErzieherInnen fördern Kinder<br />
in Gr<strong>und</strong>schulen. In die Institution des anderen gehen, den Alltag kennen lernen,<br />
gemeinsam Projekte umsetzen, so wächst Verständnis füreinander <strong>und</strong> der Umgang<br />
miteinander erhält eine neue Qualität.<br />
Ich freue mich jetzt auf den Fachvortrag. Ich bin mir sicher, dass wir am späten<br />
Nachmittag alle zusammen feststellen werden, dass wir in zum jetzigen Zeitpunkt genau die<br />
richtigen Schritte auf dem richtigen Wege tun. Allen nochmals ein herzliches Willkommen<br />
im Neuen Rathaus.
Matthias Hüchelheim<br />
Liebe Gäste aus Dresden, Frau Koch <strong>und</strong> Herr Schlosser,<br />
sehr geehrter Herr Jung, sehr geehrter Herr Dr. Haller,<br />
meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
Grußwort Matthias Hüchelheim<br />
wir haben heute ein wichtiges Thema auf der Tagesordnung <strong>und</strong> sind uns im Ziel einig. -<br />
Es ist ein partnerschaftliches Übereinkommen zur besseren Gestaltung des Überganges vom<br />
Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule auf den Weg zu bringen.<br />
Vor 15 Jahren wurde hier in Leipzig mit den Montagsdemonstrationen die ıWende„<br />
eingeläutet. - Mit dem uns allen bekannten Ergebnis. Für mich bedeutete die Wende 1990<br />
die Übernahme neuer Aufgaben. Ich wurde Kreisschulrat in Sachsen. Es war für mich<br />
selbstverständlich, dass neben dem Arbeitsfeld ıSchule„ auch die Arbeitsfelder<br />
ıKindergärten„ <strong>und</strong> ıHorte„ zusammen zu betrachten sind. Damals war ich für diese drei<br />
Arbeitsfelder im Verb<strong>und</strong> zuständig.<br />
Mit Einführung des Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetzes (KJHG) in Ostdeutschland kam es zu<br />
einer starken institutionellen Trennung der Verantwortlichkeiten. Kindertagesstätten (später<br />
auch Horte) werden seither in der kommunalen Jugendhilfe geführt <strong>und</strong> finanziert. Der<br />
Freistaat Sachsen hat ein eigenes Kindertagestätten-Gesetz geschaffen.<br />
Diese institutionelle Trennung hat auch zu einer gewissen Distanz in der Kommunikation<br />
geführt.<br />
Heute wissen wir, dass <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule auf ein<br />
partnerschaftliches Miteinander angewiesen sind, wenn Kinder einen erfolgreichen<br />
Übergang haben sollen.<br />
Man könnte nun den Eindruck gewinnen, man erfinde das Fahrrad zum zweiten Mal. Um<br />
beim Bild ıFahrrad„ zu bleiben, muss man differenzieren. Das will ich versuchen.<br />
Aus dem ursprünglich eingängigen Fahrrad der Marke ıMifa„ oder ıDiamant„ haben wir<br />
jetzt die Chance, ein neues Leistungsmodell mit 21 oder 24 Gängen zu konstruieren.<br />
Es ist fast ein wenig traurig für ein Land wie Deutschland, dass es erst einer PISA-Studie<br />
bedurfte, um die <strong>von</strong> den Fachleuten schon lange angemahnte <strong>und</strong> immer wieder<br />
1<br />
11
1 eingeforderte<br />
12<br />
Begrüßung<br />
Zusammenarbeit aller bei der Erziehung <strong>und</strong> Bildung der Kinder Beteiligten<br />
auf den Weg zu bringen <strong>und</strong> dabei die Eltern einzubeziehen.<br />
Ich bin froh, dass diese Tagung heute stattfindet. ıMifa„ möchte ich nicht mehr gern<br />
fahren, ich nehme lieber das Fahrrad mit den 24 Gängen. Ich bin mir sicher, dass wir heute<br />
beginnen dieses Rad aufzubauen <strong>und</strong> dann Gang für Gang entsprechend erweitern werden.<br />
Institutionell gesehen bedeutet das, eine gemeinsame Verantwortung für das weitere Tun<br />
festzuschreiben, jedem Partner seinen Platz zugeben. Wir wollen dazu beitragen, dass sich<br />
in einem Prozess wieder die Ressorts angemessen annähern.<br />
Ich freue mich, heute gemeinsam mit dem Beigeordneten für Jugend <strong>und</strong> Schule, Herrn<br />
Jung, diese wegweisende <strong>Kooperation</strong>svereinbarung für Leipzig unterzeichnen zu dürfen. In<br />
diesem Zusammenhang möchte ich den Wunsch äußern, dass die <strong>Kooperation</strong>spartner jetzt<br />
<strong>und</strong> künftig vorurteilsfrei aufeinander zugehen <strong>und</strong> sie stets <strong>von</strong>einander lernen mögen.<br />
Ich weiß, die Lehrer haben eine ganze Menge zu lernen, auch über die Entwicklungen in<br />
den <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, die sich in den letzten Jahren vollzogen haben. Im<br />
Augenblick denke ich an die Umsetzung <strong>von</strong> neuesten Erkenntnisse aus der frühkindlichen<br />
Bildung. Und sicherlich werden auch die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen der Kindertagesstätten<br />
eine ganze Menge <strong>von</strong> uns lernen können: das veränderte Bild <strong>von</strong> Schule <strong>und</strong> das<br />
veränderte Bild <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>schule, eine ganze Reihe neuer schulgesetzlicher Regelungen.<br />
Der Qualitätsentwicklungsprozess wurde auch im Schulbereich intensiv vorangebracht!<br />
Ich bin zuversichtlich, dass wir alle diese <strong>Kooperation</strong>svereinbarung mit hohem<br />
Engagement umsetzen werden. Für die erfolgreiche Partnerschaft liegt die Meßlatte hoch.<br />
Eine permanente Bereitschaft zum einander Zuhören ist <strong>von</strong>nöten. Es geht um die<br />
gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung der Kinder.<br />
Gestern sprach unseres Altministerpräsidenten Herrn Prof. Biedenkopf bei einer anderen<br />
Veranstaltung genau über unser Thema. ıWie können in der Biographie eines Kindes<br />
Brüche letztendlich vermieden werden?„, ıFängt Schule zu spät an„?, ıTut Kindergarten<br />
noch zu wenig?„. Sie sehen, unser Thema ist hochaktuell.<br />
Wir müssen die Potenziale der drei-, vier- <strong>und</strong> fünfjährigen Kinder nutzen, die sich über<br />
Fragen mit der Erkenntnis ihrer Welt auseinander setzen: ıWarum ist denn das so?„ ıWie<br />
funktioniert das?„....Wir sind es, die diesen Wissensdurst, je nach Entwicklungsstand des<br />
Kindes, so früh als möglich stillen sollen <strong>und</strong> auch müssen. Und das unbeschadet <strong>von</strong><br />
unserer jeweiligen Funktion. Gemeinsam tragen wir die Verantwortung für die Gestaltung<br />
des Heranwachsens unserer Kinder, immer im Dialog mit den Eltern, Jugendhilfe <strong>und</strong><br />
Schule.<br />
Wir haben unsere Ziele hoch gesteckt! In diesem Sinne wünsche ich uns viel, viel Kraft für<br />
diese wichtige, anspruchsvolle <strong>und</strong> auch freudvolle Aufgabe.
Sehr geehrter Herr Jung,<br />
sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />
Arnfried Schlosser<br />
Grußwort Arnfried Schlosser<br />
ich weiß, es ist immer mühsam mehrere Grußworte zu hören. Nehmen Sie dennoch die<br />
herzlichen Grüße aus dem Sächsischen Ministerium für Soziales <strong>und</strong> dem für Kultus,<br />
sozusagen <strong>von</strong> der Staatsregierung, entgegen.<br />
Wie war es vor 15 Jahren? - Leipzig war der Vorreiter für Entwicklungen in vielerlei<br />
Hinsicht! Auch heute beim Thema ı<strong>Kooperation</strong> Kindergarten – Gr<strong>und</strong>schule„ nimmt<br />
Leipzig wieder eine Vorreiter-Rolle ein. Die landeszentrale Tagung zur Thematik findet erst<br />
nächsten Montag in Meißen statt. Leipzig ist schneller gewesen. Gratulation.<br />
Gratulation auch zu dieser sehr gut vorbereiteten <strong>und</strong> gutbesuchte Tagung!<br />
Dass das Thema brandheiß ist, brauche ich Ihnen sicherlich nicht zu sagen <strong>und</strong> es ist auch<br />
kein Geheimnis, dass es auf der Agenda der Koalitionsverhandlungen, deren Ergebnis wir<br />
noch nicht kennen, war. Wir wissen aber schon jetzt, dass die Gestaltung der<br />
Übergangsphase Kita/Gr<strong>und</strong>schule auch in den nächsten Jahren eine der wichtigsten<br />
Herausforderungen sein wird.<br />
Wie auch schon Herr Jung hervorhob, haben wir uns intensiv bemüht auf der<br />
ministeriellen Ebene einen gewissen Rahmen für die Praxis zur Verfügung zu stellen.<br />
Zwischen beiden Ministerien wurde dazu im letzten Jahr eine <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />
beschlossen.<br />
Diese fand nicht nur in Sachsen, sondern b<strong>und</strong>esweit Beachtung. Sie können sich<br />
vorstellen, dass ich mich gefreut habe als ein Kollege aus dem Saarland mir die<br />
Rückmeldung gab: die Sache ist gut formuliert, man versteht was drin steht <strong>und</strong> der<br />
Verfahrensweg ist praktikabel. Das sind schon drei Punkte, die wichtig sind!<br />
Ganz kurz möchte ich diese <strong>Kooperation</strong> mit einem Brückenbau vergleichen. Bei diesem<br />
speziellen Brückenbau müssen wir da<strong>von</strong> ausgehen, dass es ja zwei verschiedene Ufer sind,<br />
<strong>von</strong> denen aus die Brücke gebaut wird. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben auf der<br />
einen Seite beim Kindergarten ein buntes Mosaik: verschiedenste Trägerschaften, ein<br />
Vielzahl pädagogischer Konzepte <strong>und</strong> auch unterschiedliche inhaltlicher Schwerpunkte. Ich<br />
denke nur an den Kindergarten auf dem Bauernhof in Mölkau oder einen<br />
Waldkindergarten, der in Leipzig entstanden ist, einen Kindergarten für Hochbegabte <strong>und</strong><br />
1<br />
13
1 eine<br />
14<br />
Begrüßung<br />
Reihe kirchlicher Kindergärten mit sehr eigenen Konzepten, sehr interessanten<br />
pädagogischen Strategien.<br />
Auf der anderen Seite: eine gewisse Einheitlichkeit in der Gr<strong>und</strong>schule, kein<br />
monolithischer Block, dass möchte ich keinesfalls sagen, aber doch ein System, das einfach<br />
linearer, auch hierarchischer geordnet ist. Mittlerweile sind starke Qualitätszuwächse zu<br />
verzeichnen. Nennen möchte ich nur neue Konzepten, neuen Lehrpläne <strong>und</strong> die<br />
dialogbereite Annäherung in Richtung <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>.<br />
Zu konstatieren ist, der Brückenbau ist auf beiden Seiten gut vorbereitet. Auf der einen<br />
Seite die neuen Lehrpläne, die Novelle des Schulgesetzes <strong>und</strong> die Konzeption der<br />
verbesserten Schuleingangphase. Auf unserer Seite die Bemühungen um den<br />
Bildungsauftrag des Kindergartens. Demnächst liegt der Entwurf für einen<br />
Bildungsleitfaden hier in Sachsen vor, der zur Diskussion gestellt wird. Dieser Entwurf <strong>und</strong><br />
andere Konzepte können auf dem Bildungsserver (www.kitabildungsserver-sachsen.de)<br />
diskutiert werden. Erste Ergebnisse werden sicherlich im Januar oder Februar 2005 auf<br />
einer Fachtagung öffentlich gemacht. Wir haben dafür kompetente <strong>und</strong> praxisnahe Partner<br />
an der TU Dresden gef<strong>und</strong>en.<br />
Zum erfolgreichen Brückenbau gehört also, dass wir das andere Ufer fest im Blick haben<br />
<strong>und</strong> uns auf dessen Besonderheiten einstellen. Schule kann mit Sicherheit da<strong>von</strong> lernen wie<br />
Kinder im Kindergarten lernen, Kita muss sich für die Schule interessieren, für den neuen<br />
Lehrplan, für Lernmethoden an der Gr<strong>und</strong>schule. Wenn die Brücke dann fertig ist, sollte<br />
sie auch rege genutzt werden <strong>und</strong> zwar nicht nur durch Lehrer <strong>und</strong> Erzieher. Herr Jung hat<br />
es schon betont, ich kann den Appell nur eindringlich wiederholen, auch die Eltern<br />
müssen Mittun!<br />
Kleines Beispiel. In Berlin hat man einen neuen Bildungsplan zeitgleich Kitas <strong>und</strong><br />
Elternvertretern öffentlich gemacht. Dies halte ich für sehr interessant!<br />
Eltern sind schließlich die ersten <strong>und</strong> wichtigsten Erzieher <strong>und</strong> wenn wir sie nicht auf<br />
unserer Seite haben, haben es Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule gleichermaßen schwer!<br />
Ich will aber wie gesagt nicht den einzelnen Aspekten der Fachtagung vorgreifen <strong>und</strong><br />
möchte dennoch vom guten alten Fröbel ein Zitat hier bringen, dass einfach zeigt, das die<br />
Sache auch eine Sache mit Herz ist <strong>und</strong> nicht immer nur in Kategorien der Verwaltung<br />
abgehandelt werden darf. Er schrieb also über die Bildung, Erziehung <strong>und</strong> Betreuung im<br />
Kindergarten:<br />
ıIm Spiele sollen sie freudig <strong>und</strong> allseitig alle Kräfte übend <strong>und</strong> bildend in schuldloser<br />
Heiterkeit, Einträchtigkeit <strong>und</strong> frommer Kindlichkeit sich dar leben. Für die Schule <strong>und</strong><br />
kommende Lebensstufen sich wahrhaft vorbereiten wie die Gewächse in einem Garten<br />
unter dem Segen des Himmels <strong>und</strong> der aufsehenden Pflege des Gärtners.„<br />
Ich denke, die aufsehende Pflege des Gärtners ist ein hervorragendes <strong>und</strong> motivierendes<br />
Bild für ihre Arbeit, <strong>und</strong> auch für diese Tagung. Vielen Dank.
1<br />
15
16<br />
Referate
2 Bilden sich Kinder selbst?<br />
Neue entwicklungspsychologische <strong>und</strong> neurobiologische Erkenntnisse 1<br />
18<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
Die Frage, die mir der Veranstalter aufgegeben hat, ist klar <strong>und</strong> einfach: Bilden sich Kinder<br />
selbst? Sie hätten eine ebenso klare Antwort verdient, aber alles, was ich Ihnen anbieten<br />
kann, ist: ıJa, aber⁄„<br />
Ich will versuchen, beides zu begründen: Das ıja„ <strong>und</strong> das ıaber„.<br />
Kinder bilden sich selbst, ⁄<br />
Die Betonung der aktiven Rolle des Kindes in seiner Entwicklung ist alles andere als neu.<br />
Das Bild vom ıKind als Akteur seiner eigenen Entwicklung„, das Jean Piaget geprägt hat,<br />
ist mehr als fünfzig Jahre alt ebenso wie der Satz, den Maria Montessori Kindern in den<br />
M<strong>und</strong> gelegt hat: ıHilf mir, es selbst zu tun.„ Entsprechend gibt es schon lange<br />
pädagogische Konzepte, die darauf aufbauten, übrigens im Schulbereich ebenso wie in der<br />
Elementarpädagogik - denken Sie nur an Montessori. Diese Konzepte waren allerdings nur<br />
einige <strong>von</strong> vielen <strong>und</strong> auch nicht unbedingt die dominierenden. Sie erfahren jedoch in den<br />
letzten Jahren eine Bestätigung <strong>und</strong> naturwissenschaftliche Begründung durch die<br />
Ergebnisse neurobiologischer Forschungen. Erlauben Sie mir, einige da<strong>von</strong> im Zeitraffer<br />
darzustellen:<br />
Die Bedeutung der Kindheit - neurobiologisch betrachtet<br />
Warum haben wir im pädagogischen Raum diesen Wissenschaftszweig früher kaum zur<br />
Kenntnis genommen? Annette Scheunpflug weist uns darauf hin, dass sich die<br />
deutschsprachige Pädagogik traditionell eher auf ihre geisteswissenschaftlichen Wurzeln<br />
(z.B. aus der Anthropologie oder der Philosophie) beziehe als auf naturwissenschaftliche<br />
Gr<strong>und</strong>lagen - vielleicht abgesehen <strong>von</strong> den Untersuchungen <strong>von</strong> Konrad Lorenz <strong>und</strong> seiner<br />
Schule. Dies sei nicht recht verständlich <strong>und</strong> vielleicht der Befürchtung zuzuschreiben, dass<br />
eine Biologie, die nachweise, dass die Entwicklung <strong>von</strong> Menschen vorherbestimmt sei,<br />
erzieherische Bemühungen <strong>und</strong> damit die Pädagogik überflüssig mache. Die heutige<br />
1<br />
Dr. R. Strätz<br />
Erweiterte schriftliche Fassung eines Vortrags, gehalten beim Fachtag „<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schulen“ am 27. Oktober 2004 in Leipzig
neurobiologische Forschung aber bestätige gerade nicht die Auffassung, dass die<br />
menschliche Entwicklung biologisch vorherbestimmt ist. Im Gegenteil scheine gerade die<br />
Tatsache determiniert zu sein, dass menschliche Entwicklung erstens notwendigerweise<br />
individuell verläuft <strong>und</strong> zweitens stark <strong>von</strong> einer förderlichen Umgebung abhängt.<br />
© WDR, ıQuarks & Co„<br />
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Neuronen <strong>und</strong> neuronale Netze<br />
Die Neurobiologie untersucht Aufbau <strong>und</strong> Funktion <strong>von</strong><br />
Neuronen <strong>und</strong> ihren Verbindungen. Eine Nervenzelle<br />
(ıGanglienzelle„) bildet zusammen mit ihren Fortsätzen<br />
(ıNervenfasern„) eine Einheit, ein ıNeuron„. Die<br />
Funktionsweise ist bei allen Neuronen im Gr<strong>und</strong>satz<br />
gleich: Mehrere ıafferente„ Fortsätze, die ıDendriten„,<br />
führen der Nervenzelle Impulse zu. Im Zellkern entsteht<br />
daraus ein elektrisches ıAktionspotential„. Ein<br />
ıefferenter„ Fortsatz, der Neurit (bzw. ıAxon„), leitet das<br />
Aktionspotential weiter, ggf. verzweigt. ıSynapsen„ sind<br />
die Übergangsstellen zu den Dendriten weiterer<br />
Neuronen.<br />
Die Leistung eines Neurons besteht also - technisch<br />
gesprochen - darin, aus vielen verschiedenen<br />
Eingangssignalen nach einer bestimmten<br />
Verarbeitungsregel ein Ausgangssignal zu erzeugen. Je<br />
komplexer die Verknüpfungen sind, desto<br />
leistungsfähiger ist das System.<br />
Bei seiner Geburt verfügt ein Mensch über 10 bis 100 Milliarden ausgebildete Neuronen.<br />
Was zu diesem Zeitpunkt noch fast vollständig fehlt, sind funktionsfähige Verbindungen<br />
zwischen ihnen. Die meisten dieser Verbindungen entstehen in Form ıneuronaler Netze„<br />
vor der Pubertät - also in der Kindheit - durch Lernvorgänge. Jedes Neuron bildet 10.000<br />
bis 100.000 synaptische Kontakte zu anderen Neuronen aus.<br />
Dass jeder Mensch in seiner Kindheit die neuronalen Netze erst aufbauen muss, klingt<br />
zunächst wenig zweckmäßig. Hätte ıMutter Natur„ es sich - <strong>und</strong> den Kindern - nicht<br />
einfacher machen können? Wohl nicht: Manfred Spitzer weist darauf hin, dass eine<br />
Weitergabe der notwendigen Informationen auf dem Weg der Vererbung schon aus<br />
Kapazitätsgründen unmöglich ist: ıDie Verbindungen zwischen den Neuronen des<br />
menschlichen Gehirns können nicht genetisch festgelegt sein, weil hierzu die im gesamten<br />
Genom [Erbgut; d. Verf.] speicherbare Informationsmenge nicht ausreicht.„ (Spitzer 2000, S. 40)<br />
Aber selbst wenn eine Weitergabe auf genetischem Weg möglich wäre, würde sie bedeuten,<br />
dass die Gehirnstrukturen wenig flexibel wären - <strong>und</strong> das ist zumindest beim Menschen<br />
nicht angebracht: ıIn manchen Gegenden kann es gut sein, auf den Anblick roter Beeren<br />
mit Appetit zu reagieren, während dies Verhalten anderswo tödlich sein könnte. Wäre ein<br />
Säugling hier mit einem fest eingestellten Parameter ausgestattet, ... so bliebe keine<br />
Flexibilität. Eine genetische, feste Verdrahtung der neuronalen Verbindungen im<br />
Zentralnervensystem des Menschen wäre somit nicht wünschenswert.„ (Spitzer 2000, S. 37)<br />
2<br />
19
2 ıFlexibilität<br />
20<br />
Referate<br />
ist die eine Seite der Medaille, die andere ist der Aufwand, der für Lernen<br />
aufgebracht wird.„ (Spitzer 2000, S. 41)<br />
Das Maximum an Flexibilität ist unmittelbar nach der Geburt vorhanden: Verknüpfungen<br />
aller Art sind möglich, gerade weil noch kaum eine realisiert <strong>und</strong> damit festgelegt ist. Am<br />
Beispiel der Wahrnehmung <strong>von</strong> Lauten formuliert Spitzer dies so: ıÜberspitzt könnte man<br />
im Hinblick auf die Fähigkeiten des lautlichen Verständnisses (<strong>und</strong> der Lautproduktion)<br />
formulieren: Der Säugling kann potentiell alles, real nichts.„ (Spitzer 2000, S. 233) Aber<br />
schon nach wenigen Monaten haben auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Lernerfahrungen massive, bei<br />
Kindern aus verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Entwicklungen stattgef<strong>und</strong>en:<br />
ıWir Menschen werden mit der Fähigkeit zur Unterscheidung der etwa 70 Phoneme<br />
geboren, aus denen die lautlichen Wörter aller Sprachen der Welt gebildet werden (kein<br />
Druckfehler: es sind tatsächlich nur etwa 70). Bereits in einem Alter <strong>von</strong> etwa einem halben<br />
Jahr jedoch zeigen Säuglinge unterschiedliche Reaktionen auf die Laute ihrer<br />
Muttersprache im Vergleich zu Lauten, die nicht in ihrer Muttersprache vorkommen...<br />
Offensichtlich wurden durch die erfahrenen lautlichen Inputmuster bereits Lautkarten<br />
angelegt, auf denen nur das repräsentiert wird, was tatsächlich gehört wurde. Ist die Karte<br />
erst einmal angelegt, wird es immer schwieriger, sie zu ändern. Man weiß, daß beim<br />
Erlernen einer Fremdsprache nach Abschluß der Pubertät praktisch immer ein Akzent<br />
bleibt.„ (Spitzer 2000, S. 233)<br />
Kinder bauen neuronale Verbindungen so schnell <strong>und</strong> so umfangreich auf, dass darunter<br />
zunächst auch viele entstehen, die nicht dauerhaft benötigt werden. Diese werden dann<br />
auch bald wieder abgebaut. Verbindungen werden also zunächst ıauf Vorrat„ bzw. im<br />
Überschuss geschaffen.<br />
Diese Ergebnisse zeigen die entscheidende Rolle der Kindheit für den Aufbau leistungsfähiger<br />
neuronaler Netze. Danach, d. h. im Jugend- <strong>und</strong> Erwachsenenalter, liegt das Schwergewicht<br />
auf "funktionellen Änderungen"; damit ist die Verstärkung bzw. Schwächung bereits<br />
bestehender Verbindungen gemeint. Ein Neuaufbau findet dann kaum noch statt.<br />
Neuronale Netze speichern Erfahrungen<br />
Die neuronalen Verknüpfungen machen die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns aus. Sie<br />
entstehen durch Lernvorgänge, deren Ergebnis gespeichert wird <strong>und</strong> damit für die<br />
Bewältigung kommender Aufgaben verfügbar bleibt. Lernen ist also ein aktiver Prozess <strong>und</strong><br />
nichts, was dem Kind <strong>von</strong> außen ızugeführt„ wird. Kinder brauchen daher möglichst viele<br />
Lerngelegenheiten: ıWer Lernen für einen passiven Vorgang hält, der sucht nach dem<br />
richtigen Trichter. Wer aber lernen als eine Aktivität versteht, wie beispielsweise das Laufen<br />
oder das Essen, der ... denkt über die Rahmenbedingungen nach, unter denen diese<br />
Aktivität am besten stattfinden kann.„ (Spitzer 2002, S. 4) Dies zeigt eindringlich die<br />
Bedeutung einer anregungsreichen Umgebung: Je mehr Erfahrungen wir Kindern<br />
ermöglichen, desto mehr Möglichkeiten zu lernen haben sie.<br />
Kinder filtern aus solchen Lerngelegenheiten das heraus, was sie speichern: ıWenn<br />
neuronale Netzwerke die Verhältnisse in biologischen Gehirnen abbilden <strong>und</strong> wenn daher
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Organismen aus Beispielen lernen <strong>und</strong> nicht dadurch, dass man ihnen (wie etwa einem<br />
Computer) eine Regel einprogrammiert, <strong>und</strong> wenn Menschenkinder sich <strong>von</strong> den<br />
Nachkommen anderer Arten vor allem durch ein Mehr an Lernen unterscheiden, dann<br />
bedeutet dies für die Erziehung, dass sie nicht durch Predigten, sondern durch Beispiele<br />
erfolgt. - ,ErfolgtÂ, nicht ,zu erfolgen hatÂ, denn Lernen läuft auch dann über Beispiele,<br />
wenn der Erzieher predigt. Gelernt wird allerdings in diesem Fall, dass irgendwer immer<br />
predigt!„ (Spitzer 2000, S. 62) ıWenn also der Vater schimpft <strong>und</strong> diese oder jene Maßregel<br />
damit durchzusetzen sucht, so wird das Kind lernen, daß der Vater schimpft (bzw. dass<br />
Väter schimpfen). Gemessen an dieser Regelhaftigkeit im Input sind die einzelnen Inhalte<br />
nahezu vernachlässigbar.„ (Spitzer 2000, S. 63)<br />
Wir lernen nicht durch Regeln, sondern durch Beispiele. Ein aktuell wichtiges Thema ist<br />
dir Sprachförderung; für sie gilt dasselbe: Kinder lernen Sprache nicht, indem wir ihnen<br />
Regeln - etwa Regeln der Grammatik - eintrichtern; Kinder lernen Sprache durch gute<br />
Sprachvorbilder <strong>und</strong> viele Sprechgelegenheiten: ıWussten Sie, dass die Verben, die auf Ù-<br />
,ieren enden, das Partizip Perfekt ohne ,ge bilden? Wir sind gestern gelaufen, waren aber<br />
nicht gespazieren, sondern nur spazieren... was ich vorgestern nur verloren (<strong>und</strong> nicht geverloren)<br />
habe, das habe ich gestern wieder gef<strong>und</strong>en. Kannten Sie die eingangs genannte<br />
Regel? Sofern Sie nicht ,Deutsch für Ausländer unterrichten, ist die Wahrscheinlichkeit<br />
äußerst gering, dass Sie diese <strong>und</strong> Tausende andere Regeln der deutschen Grammatik<br />
kennen. Und das ist auch in Ordnung so, denn Sie brauchen diese Regeln nicht zu wissen,<br />
um richtiges, d. h. grammatikalisch einwandfreies Deutsch zu sprechen... Fast alles, was wir<br />
gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es.„ (Spitzer 2002, S. 59) ıPraktisch alle<br />
Menschen können sprechen. Schlägt man jedoch eine Grammatik auf, so glaubt man nicht,<br />
dass dies so ist: Hätten wir die Muttersprache in all ihrer Komplexität auf dem Gymnasium<br />
lernen müssen, würden die meisten <strong>von</strong> uns bis heute wahrscheinlich eher stammeln als<br />
sprechen.„ (Spitzer 2002, S. 68f)<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Alltagserfahrungen bilden Kinder sogenannte Sprach- oder<br />
Bedeutungskarten: ıAuf diesen Karten wird die Erfahrung des Kindes nach Häufigkeit <strong>und</strong><br />
Ähnlichkeit abgebildet sein, zunächst<br />
recht <strong>und</strong>ifferenziert <strong>und</strong> dann<br />
immer genauer. Der Sprachgebrauch<br />
<strong>und</strong> die Interaktionen mit der<br />
Umgebung stellen dann die Summe<br />
der Erfahrung dar, die zeitlebens<br />
dafür sorgt, dass sich die<br />
hochstufigen Bedeutungskarten<br />
ändern <strong>und</strong> anpassen.„ (Spitzer 2000,<br />
S. 255) Unser Wortschatz ist im<br />
Großhirn also nicht - wie in einem<br />
Lexikon - alphabetisch abgelegt oder<br />
etwa nach grammatikalischen Regeln<br />
klassifiziert. Stattdessen sind Worte<br />
benachbart, die häufig zusammen<br />
2<br />
21
2 verwendet<br />
22<br />
Referate<br />
werden, weil sie Ähnliches beschreiben (oder auch Gegensätzliches wie ıschwarz„<br />
<strong>und</strong> ıweiß„) oder Differenzierungen darstellen (wie ıHand„ <strong>und</strong> ıFinger„).„ (Spitzer 2000,<br />
S. 244, Hervorhebungen d. Verf.) Kinder entwickeln solche ıSprachkarten„ schrittweise<br />
durch fortlaufende Differenzierung, indem sie neue Begriffe dorthin einfügen, wohin sie<br />
entsprechend ihren Alltagserfahrungen gehören.<br />
Das kindliche Gehirn ist plastisch<br />
Inzwischen gibt es ıLandkarten„ des Großhirns, in denen detailliert verzeichnet ist, welche<br />
Regionen für welche Funktionen <strong>und</strong> die Verarbeitung welcher Informationen ızuständig„<br />
sind. Die herausragende Rolle der Kindheit für den Entwicklungsprozess wird nun dadurch<br />
unterstrichen, dass das Volumen - <strong>und</strong> damit die Verarbeitungskapazität - der Zentren<br />
variabel ist, <strong>und</strong> zwar abhängig <strong>von</strong> den Erfahrungen, die das Kind macht: "... ist es vor<br />
kurzem gelungen zu zeigen, daß in der Tat bei Musikern, die früh anfangen - es wurden<br />
Geigenspieler untersucht -, das Volumen an Großhirnrinde, in dem die linke Greifhand<br />
repräsentiert ist, ausgeweitet wird, relativ zu dem Bereich in der anderen Hirnhälfte, der für<br />
die Kontrolle der bogenführenden Hand verantwortlich ist. Das schnelle, <strong>und</strong> vor allem<br />
das dissoziierte Greifen-Können braucht offenbar mehr Substrat als das Führen des Bogens.<br />
Bei frühem Beginn - also etwa vor dem 10. Lebensjahr - nimmt die Repräsentation (die<br />
Fläche, auf der die Greifhand repräsentiert ist) hochsignifikant gegenüber nicht geigenden<br />
Kontrollpersonen zu. Bei Geigern, die erst nach dem 20. Lebensjahr anfangen, bei den<br />
,SpätberufenenÂ, kommt es zu keiner Vergrößerung der Repräsentation der Greifhand in<br />
der Großhirnrinde. Hier also ist die physiologische Begründung für das ,Früh übt sich ⁄Â"<br />
(Singer 1998, S. 49 f.)<br />
Aus solchen Bef<strong>und</strong>en ergibt sich fast zwangsläufig: Es gibt ıZeitfenster„ für den Erwerb<br />
bestimmter Funktionen. Das bekannte Sprichwort in diesem Zusammenhang lautet: "Was<br />
Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Ein in der Literatur oft angeführtes Beispiel<br />
ist das Schicksal <strong>von</strong> Blinden, die im Erwachsenenalter durch eine Operation funktionsfähige<br />
Augen erhielten. Sie blieben trotzdem blind, weil sie die Verarbeitung optischer Impulse<br />
nicht rechtzeitig, d. h. in ihrer Kindheit gelernt hatten. (vgl. Singer 2000, S. 43)<br />
Hier stellen Neurobiologen eine Verbindung zur Bedeutung der Eigenaktivität des Kindes<br />
her: ıDamit die jeweiligen Zeitfenster für Lernerfahrungen genutzt werden, ist Kindern ein<br />
Experimentierverhalten angeboren. Kleinkinder fangen <strong>von</strong> sich aus an, Laute zu bilden.<br />
Sie bieten ihrer Mitwelt eine Vielfalt <strong>von</strong> Lauten an - <strong>und</strong> die für die Muttersprache<br />
erforderlichen werden dann verstärkt. Um diese Zeitfenster zu nutzen, ist Kindern zudem<br />
ein Neugierverhalten angeboren. Das explorative Verhalten ermöglicht Kindern..., diese<br />
besonders günstige Zeit des Lernens intensiv zu nutzen„ (Scheunpflug 2001, S. 54 f.). Als<br />
Konsequenz ergibt sich: ıDamit wird sichtbar, dass Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sich ihren<br />
Lernprozess in gewisser Weise selbst organisieren. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sorgen aktiv<br />
für sich selbst.„ (Scheunpflug 2001, S. 61)<br />
Das macht allerdings die Umgebung <strong>und</strong> die Personen, die Teil dieser Umgebung sind <strong>und</strong><br />
sie gestalten, alles Andere als überflüssig: ıWir haben guten Gr<strong>und</strong> zur Annahme, dass sich<br />
das Gehirn <strong>von</strong> Kindern aufgr<strong>und</strong> seiner Reifung nach der Geburt die ihm angemessenen<br />
Erfahrungen zumindest zum Teil selbst verschafft... Dennoch zeigen... Simulationen... auch,
Bilden sich Kinder selbst?<br />
dass der richtige, dem Entwicklungsstand entsprechende Input - sprich: die richtige<br />
Erfahrung - zu rascherem Lernen führt als der falsche. Ein guter Lehrer weiß dies <strong>und</strong><br />
unterrichtet das, was die Kinder gerade lernen können <strong>und</strong> wollen.„ (Spitzer 2000, S. 331)<br />
Bei dieser Sachlage hätte die pädagogische Praxis gern genaue ıZeittafeln„, aus denen<br />
abzulesen wäre, in welchem Entwicklungsstadium welche Tätigkeiten <strong>und</strong> Inhalte für Kinder<br />
besonders wichtig <strong>und</strong> interessant sind. Ebenso wichtig wären Übersichten über Stufenfolgen:<br />
Welcher Entwicklungsschritt folgt (mit großer Wahrscheinlichkeit) auf welchen<br />
vorhergehenden? Es ist unsicher, ob es solche Übersichten jemals geben wird; sicher ist<br />
jedoch, dass sie derzeit (noch) nicht zur Verfügung stehen. Bisher war es nicht möglich,<br />
spezifische ıZeitfenster„ für einzelne Funktionen <strong>und</strong> Entwicklungsabschnitte zu ermitteln.<br />
Daraus ergibt sich für die Neurobiologie eine weitere Schlussfolgerung, die in<br />
elementarpädagogischen Zusammenhängen sehr vertraut klingt: ıEs ist nutzlos <strong>und</strong><br />
womöglich sogar kontraproduktiv, Inhalte anzubieten, die nicht adäquat verarbeitet werden<br />
können, weil die entsprechenden Entwicklungsfenster noch nicht offen sind. Da bislang nur<br />
wenig experimentelle Daten darüber vorliegen, wann das menschliche Gehirn welche<br />
Informationen benötigt, ist es wohl die beste Strategie, sorgfältig zu beobachten,<br />
wonach die Kinder fragen.„ (Singer 2001, Hervorhebung d. Verf.)<br />
Mit dem Begriff des ıZeitfensters„ steht die Auffassung in Zusammenhang, dass Kinder<br />
ihre Kompetenzen schrittweise entwickeln <strong>und</strong> sich daher aus den angebotenen<br />
Inputmustern das herausholen, was ihnen beim nächsten Entwicklungsschritt hilft. Solche<br />
Effekte sind besonders wichtig, wenn es um das Erlernen <strong>von</strong> sprachlichen Strukturen geht,<br />
die komplexe grammatikalische Regeln <strong>und</strong> Satzformen einschließen. Es zeigt sich, dass<br />
Kinder komplexere Satzstrukturen nur verstehen, wenn sie auf dem Verständnis einfacherer<br />
Muster aufbauen können; Lernen erfolgt schrittweise. Dies allerdings würde voraussetzen,<br />
dass Kinder in einer Umgebung aufwachsen, die darauf Rücksicht nimmt <strong>und</strong> ihnen<br />
ständig gezielt nur die jeweils angemessenen Muster <strong>und</strong> Schwierigkeitsgrade anbietet - die<br />
Erfahrung zeigt jedoch, dass dies höchstens vereinzelt der Fall sein dürfte. Das kindliche<br />
Gehirn - gerade weil es noch nicht voll entwickelt ist - vereinfacht die gehörten sprachlichen<br />
Strukturen jedoch so, dass sie Lernschritte auslösen können: ein Zusammenwirken<br />
(ıInteraktion„) <strong>von</strong> Gehirnreifung <strong>und</strong> Lernen (vgl. Spitzer 2000, S. 197 ff.).<br />
Wiederholung, Übung ist wichtig<br />
Verknüpfungen werden dann besonders dauerhaft <strong>und</strong> sind zugleich dann besonders leicht<br />
<strong>und</strong> schnell zu aktivieren, wenn dasselbe Verknüpfungsmuster möglichst oft <strong>und</strong> in<br />
möglichst ähnlicher Weise aktiviert - ıgelernt„ - wurde. Erst auf diese Weise werden<br />
Erfahrungen ins Langzeitgedächtnis übertragen <strong>und</strong> stehen dann dauerhaft zur Verfügung.<br />
Eine zwangsläufige Folge dieser Verarbeitungsart: Das System ist „konservativ‰, neue<br />
Erfahrungen werden, wenn möglich, so behandelt, dass sie in vorhandene<br />
Verarbeitungsmuster passen. Erst wenn dies definitiv nicht möglich ist, werden die<br />
Verarbeitungsmuster selbst geändert. Dies entspricht genau den Beschreibungen z. B. <strong>von</strong><br />
Jean Piaget: Er sprach <strong>von</strong> Prozessen der ıAssimilation„ (Integration neuer Informationen<br />
in vorhandene Denk-Schemata), stellte sie solchen der ıAkkomodation„ (Veränderung der<br />
Schemata) gegenüber <strong>und</strong> wies darauf hin, dass uns Akkomodationsprozesse bedeutend<br />
schwerer fallen als Leistungen der Assimilation. Auch in Beschreibungen <strong>von</strong><br />
2<br />
23
2<br />
24<br />
Referate<br />
Unterrichtsprozessen (z.B. in WDR 2001) wird häufig betont, wie ıstarrsinnig„<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auch angesichts neuer, unverträglicher Informationen bei den<br />
ıbewährten„ Denk- <strong>und</strong> Erklärungsmustern zu bleiben versuchen <strong>und</strong> sich erst dann auf<br />
neue einlassen, wenn alle diese Versuche scheitern.<br />
Manche Dinge bleiben uns auch dann dauerhaft im Gedächtnis, wenn wir sie nur ein<br />
einziges Mal erlebt haben. Wie ist das möglich? Es gibt einen Mechanismus, der den gerade<br />
beschriebenen Übungs- <strong>und</strong> Wiederholungseffekt ısimuliert„, indem bestimmte<br />
Erfahrungen zunächst (im Hippocampus) zwischengespeichert <strong>und</strong> dann immer wieder<br />
aktiviert werden. Dieser Mechanismus wird besonders in bestimmten Schlafphasen (REM-<br />
Schlaf) aktiv. Auch Ruhe- <strong>und</strong> Schlafphasen sind also ıaktive„ Phasen, in denen Gelerntes<br />
verfestigt wird. Der alte Satz, dass Erlebnisse "verarbeitet" werden müssen, hat offenbar<br />
einen ganz handfesten Hintergr<strong>und</strong>. ıVielleicht hat der eine oder andere Leser bei sich<br />
selbst schon beobachtet, dass man tagsüber eine Sache lernen möchte, sie aber trotz größter<br />
Anstrengung einfach nicht richtig fertig bringt. Enttäuscht vom Ergebnis der eigenen<br />
Bemühungen wendet man sich ab, um dann erstaunt festzustellen, dass am nächsten Tag<br />
alles ,wie geschmiert klappt.„ (Spitzer 2002, S. 121)<br />
Bereits die Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess<br />
Wir sind manchmal versucht zu glauben, dass der Prozess der Wahrnehmung darin besteht,<br />
Sinneseindrücke einfach ıabzuspeichern„. Tatsächlich aber ist die Verarbeitung dieser<br />
Sinneseindrücke die entscheidende Leistung; Wahrnehmung ist kein passiver, sondern ein<br />
höchst aktiver Prozess.<br />
Anschauliche Beispiele für aktive Verarbeitungsleistungen sind<br />
auch ıFehlleistungen„, zum Beispiel in Form der so genannten<br />
ıoptischen Täuschungen„. Hier ıwird ein weißes Dreieck gesehen,<br />
obgleich nur Striche <strong>und</strong> Kreise mit kleinen Anschnitten gedruckt<br />
sind,...„ (Spitzer 2000, S. 139) Optische Täuschungen zeigen uns -<br />
positiv ausgedrückt -, dass wir in der Lage sind, bruchstückhafte<br />
Wahrnehmungen ıautomatisch„ so zu ergänzen, dass wir<br />
handlungsfähig werden: Wir erkennen ein Auto, das sich nähert,<br />
auch wenn (zum Beispiel durch Sträucher oder andere Hindernisse) nur ein kleiner Teil<br />
sichtbar ist.<br />
Wir ıreimen uns einen Satz zusammen„, den<br />
wir tatsächlich nur teilweise gehört oder – wie<br />
im abgebildeten Beispiel<br />
© DER SPIEGEL 2003<br />
2 – fehlerhaft gesehen<br />
haben. Diese Verarbeitungsleistungen sind in<br />
den meisten Fällen höchst zweckmäßig <strong>und</strong><br />
erfolgreich - in Einzelfällen ıtäuschen„ sie uns<br />
allerdings.<br />
Wenn Kinder den Umgang mit Wahrnehmungen zum großen Teil erst lernen müssen,<br />
dann ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass sie dazu Zeit brauchen (unwillige Erwachsene nennen<br />
2 © Der Spiegel 2003
Bilden sich Kinder selbst?<br />
das ıTrödeln„). Sie nutzen diese Zeit, um genauer<br />
hinzuschauen, als wir Erwachsenen dies tun, wie eine<br />
Studie jüngst gezeigt hat: Erwachsene neigen dazu,<br />
Bilder, die ihnen vorgelegt werden, kurz anzuschauen,<br />
einzuordnen (ıAha, eine Katze!„) <strong>und</strong> gleich wieder zu<br />
vergessen. Kinder achten mehr auf die Details <strong>und</strong> sind<br />
deshalb besser als Erwachsene in der Lage, später aus<br />
einer Reihe einander ähnlicher Bilder genau dasjenige zu<br />
identifizieren, das sie bereits gesehen haben.<br />
Lernerfahrungen - <strong>und</strong> damit Lernwege - sind<br />
individuell<br />
Die in der beschriebenen Form ablaufende Entwicklung<br />
neuronaler Strukturen ist zwangsläufig ein individueller<br />
Prozess. Es ist schlechthin <strong>und</strong>enkbar, dass zwei Menschen in ihrer Kindheit genau<br />
dieselben Erfahrungen machen. Da zudem die abgespeicherten Erfahrungen wiederum die<br />
Art der Wahrnehmung <strong>und</strong> der Verarbeitung folgender Lernsituationen beeinflussen,<br />
werden sich die Menschen zunehmend nicht nur in ihren Erfahrungen, sondern auch in<br />
ihren Verarbeitungsmustern <strong>und</strong> Lernwegen unterscheiden. ı... jede neue Erfahrung wird<br />
die bereits angelegte Verhaltensweise verstärken. Anders ausgedrückt, ist erst einmal ein<br />
bestimmtes Verhalten angestoßen, kann es sich immer mehr verstärken, weil es selbst<br />
praktisch für die weiteren entsprechenden Erfahrungen sorgt.„ (Spitzer 2000, S. 329) Jede<br />
Erzieherin kennt aus Erfahrung die Situation, dass ein Kind bestimmte Erfahrungen <strong>und</strong><br />
Situationen <strong>von</strong> vornherein vermeidet <strong>und</strong> ihm dadurch nur sehr schwer Erfolgserlebnisse<br />
zu vermitteln sind. Sie weiß ebenso, dass ein <strong>und</strong> dieselbe Situation für das eine Kind<br />
anregend, für das zweite langweilig <strong>und</strong> für das dritte furchterregend sein kann: Kinder<br />
steuern zum großen Teil ihre Lernwege <strong>und</strong> ihre Lernerfahrungen selbst.<br />
Es war <strong>von</strong> ıSprachkarten„ die Rede, die alle Menschen zumeist in ähnlicher Weise<br />
anlegen. Aber es gibt auch einen individuellen Anteil: Die mit einer bestimmten<br />
Wahrnehmung oder einem Begriff verknüpften Assoziationen <strong>und</strong> Bedeutungen<br />
unterscheiden sich teilweise <strong>von</strong> Mensch zu Mensch. Sie werden durch entsprechende<br />
Verfahren, zum Beispiel das ıMind-Mapping„, deutlich sichtbar. Ein gutes Stichwort, um<br />
das zu demonstrieren, ist zum Beispiel ıUrlaub„: Wenn verschiedene Menschen in Form<br />
einer ıMind-Map„ zeichnen, was ihnen zu diesem Stichwort einfällt, dann werden einige<br />
Elemente (wie ıFaulenzen„ oder ıFremde Länder kennen lernen„) gleich sein, andere<br />
werden die unterschiedlichen Erwartungen <strong>und</strong> Erfahrungen deutlich machen, die jede/r<br />
<strong>von</strong> uns mit dem Urlaub verbindet.<br />
Für die Pädagogik bedeutet dies den endgültigen Abschied <strong>von</strong> ıIm-Gleichschritt-marsch!„-<br />
Lehrmethoden. Es kommt im Gegenteil entscheidend darauf an, die individuellen<br />
Vorerfahrungen <strong>und</strong> Lernwege zu berücksichtigen <strong>und</strong> an ihnen anzusetzen.<br />
2<br />
25
2 Der<br />
26<br />
Referate<br />
Lernerfolg hängt ab <strong>von</strong> Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Motivation<br />
Nicht alles, was gelernt werden könnte, wird auch gelernt. Die erste Auswahl findet beim<br />
Übergang zum Kurzzeitgedächtnis statt, das bereits eingangs erwähnt wurde: Der<br />
Hippocampus, ein Teil des „Limbischen Systems‰, steuert unsere Aufmerksamkeit, ohne die<br />
Wahrnehmungen ızum einen Ohr hinein <strong>und</strong> zum anderen Ohr wieder hinaus„ gehen<br />
würden. Es kommt also bei allen pädagogischen Bemühungen zunächst darauf an,<br />
Aufmerksamkeit zu sichern, <strong>und</strong> das wiederum fällt erfahrungsgemäß am leichtesten, wenn<br />
an den bestehenden Erfahrungen <strong>und</strong> Interessen des Kindes angesetzt wird. ıHat der<br />
Hippokampus eine Sache als neu <strong>und</strong> interessant bewertet, dann macht er sich an ihre<br />
Speicherung, d. h. bildet eine neuronale Repräsentation <strong>von</strong> ihr aus. Daraus folgt, dass eine<br />
Sache vergleichsweise neu <strong>und</strong> interessant sein muss, damit unsere schnell lernende<br />
Hirnstruktur sie aufnimmt bzw. ihre Aufnahme unterstützt.„ (Spitzer 2002, S. 34) ıJe<br />
aufmerksamer ein Mensch ist, desto besser wird er bestimmte Inhalte behalten. Der Gr<strong>und</strong><br />
ist aus neurobiologischer Sicht ein zweifacher, denn mit Aufmerksamkeit sind zwei<br />
Prozesse gemeint, erstens die allgemeine Wachheit oder Vigilanz <strong>und</strong> zweitens die selektive<br />
Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Ort, Aspekt oder Gegenstand der Wahrnehmung.„<br />
(Spitzer 2002, S. 155)<br />
Ablenkung ist einer der Gegenspieler <strong>von</strong> Aufmerksamkeit. Deshalb besteht eine<br />
pädagogische Aufgabe sicher auch darin, den Kindern zu ermöglichen, ihre<br />
Aufmerksamkeit der Sache, die sie gerade interessiert, ungeteilt zuzuwenden. Das setzt eine<br />
entsprechende Raumgestaltung, aber auch eine flexible Gestaltung des Tagesablaufs voraus:<br />
Kinder sollen möglichst nicht gestört werden, wenn sie ıbei der Sache„ sind.<br />
Um es kurz zusammenzufassen: Die Neurobiologie zeigt uns, wie ein Kind seine Entwicklung<br />
ıin die eigenen Hände nimmt„. Es verarbeitet, ordnet <strong>und</strong> bewertet auf individuelle Weise die<br />
Erfahrungen, die es macht, es sucht aktiv ılehrreiche„ neue Erfahrungen <strong>und</strong><br />
Herausforderungen.<br />
Kindzentrierte Pädagogik fördert Selbst-Bildungsprozesse<br />
Das ist - wie schon gesagt - längst pädagogisches<br />
Erfahrungswissen. ıGebildet werden kann man nicht,<br />
bilden muss man sich selbst.„ (G. E. Schäfer) Wir sollten<br />
nicht <strong>von</strong> leeren Kinderköpfen ausgehen, die dringend<br />
irgendwie (mit einem Nürnberger Trichter) gefüllt<br />
werden müssen, sondern <strong>von</strong> Kindern als aktiven <strong>und</strong><br />
kreativen Lernern <strong>und</strong> Entdeckern, deren Kompetenzen<br />
wir wahrnehmen <strong>und</strong> zielgerichtet fördern<br />
müssen. Das heißt auch: Unsere Rolle ist – zumindest in<br />
der frühen Kindheit - nicht die eines Lehrenden, denn<br />
ıman kann Kindern nichts beibringen„. (G. E. Schäfer)<br />
Wir können Kindern etwas anbieten, etwas zu erklären<br />
versuchen, etwas nahe bringen. Aber den letzten, den<br />
entscheidenden Schritt, um sich eine Sache anzueignen,<br />
müssen die Kinder selbst tun.
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Wie Kinder lernen? - Implizites <strong>und</strong> explizites Lernen<br />
Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten des Lernens; die erste wird in der Psychologie ıexplizites<br />
Lernen„ genannt. Diese Form des Lernens ist gezielt geplant, Gegenstand ist ein genau<br />
definiertes Thema, <strong>und</strong> allen Beteiligten - Lehrenden wie Lernenden - ist bewußt, worum es<br />
geht, dass gelernt wird <strong>und</strong> was gelernt werden soll.<br />
Auf dem Bild sehen Sie ein Beispiel aus dem Kindergarten zum Bereich ıBewegungsförderung„:<br />
Hier wird explizit gelernt: Es geht darum, das Kinder lernen, sich auf einer<br />
schiefen Ebene zu bewegen, genau das - <strong>und</strong> ausschließlich das - wurde gezielt arrangiert.<br />
Die zweite Form wird als ıimplizites Lernen„<br />
bezeichnet: Indem Menschen etwas tun, lernen<br />
sie verschiedene Dinge, vielleicht ohne dass es<br />
ihnen bewusst ist oder bewusst wird <strong>und</strong><br />
vielleicht auch ohne dass es geplant war. Es<br />
ıergibt sich einfach„, die Beteiligten lernen ıim<br />
Vorbeigehen„.<br />
Die Bilder zeigen Ihnen Beispiele dafür, wie<br />
Kinder ihre Bewegungsmöglichkeiten implizit<br />
selbst fördern: Wenn sie zum Beispiel nur die<br />
Nase nahe genug am Geschehen haben wollen, dann nehmen sie automatisch<br />
Körperhaltungen ein, die bei uns Erwachsenen einen heftigen Muskelkater erzeugen<br />
würden.<br />
Oder: Wenn Kinder wissen wollen, ob<br />
das Wasser, das sie oben in ein Rohr<br />
gießen, tatsächlich unten in das Loch<br />
fließt, das sie im Sand gegraben haben,<br />
dann springen sie notfalls 20 Mal<br />
hintereinander auf, holen sich Wasser,<br />
gießen es ins Rohr <strong>und</strong> laufen durch<br />
den Sand (das ist ausgesprochen<br />
mühsam <strong>und</strong> anstrengend - fragen Sie<br />
Beach-Volleyballer!) zurück, so schnell es<br />
geht.<br />
Der entscheidende Vorteil des impliziten Lernens: Die Frage der ıMotivation„ spielt nicht<br />
die geringste Rolle. Weil die Tätigkeit selbst den Kindern wichtig ist, entwickeln sie alles,<br />
was erfolgreiches Lernen ermöglicht: Sie stecken Energie <strong>und</strong> Ausdauer in das, was sie tun,<br />
bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.<br />
In den ersten drei Lebensjahren ergibt sich jeder Entwicklungsschritt durch implizites<br />
Lernen. Vielleicht erinnern sich die Eltern unter Ihnen noch an die Zeit, als ihr Kind<br />
laufen lernte. Wenn die Zeit gekommen ist, versucht jedes Kind, zu laufen. Das ist ein sehr<br />
komplizierter Bewegungsablauf <strong>und</strong> entsprechend mühsam - <strong>und</strong> durch manchen<br />
Misserfolg erkauft - sind die Fortschritte, die das Kind dabei macht. Wir Erwachsenen<br />
können ihm nicht erklären, was es tun muss, um zu laufen. Ich kann zumindest nicht<br />
2<br />
27
2 erklären,<br />
28<br />
Referate<br />
welche Muskelgruppen wann <strong>und</strong> wie beim Laufen - sorgsam koordiniert<br />
miteinander - angespannt werden müssen, <strong>und</strong> einem Kleinkind könnte ich das schon gar<br />
nicht erklären. Aber es ist auch nicht nötig, denn die Kinder investieren so lange ihre ganze<br />
Energie in das Unternehmen ıLaufenlernen„, bis sie es <strong>von</strong> sich aus können. Unsere Rolle<br />
ist nicht die des Lehrmeisters, sondern eine andere: Wir räumen die Hindernisse <strong>und</strong> die<br />
möglichen Gefahrenquellen aus dem Weg <strong>und</strong> wir bekräftigen das Kind, feuern es an,<br />
trösten es, wenn es hingefallen ist <strong>und</strong> ermutigen es weiterzumachen. Und durch beides –<br />
die ungeheure eigene Anstrengung <strong>und</strong> die unbedingte Ermutigung der erwachsenen<br />
Bezugspersonen lernen alle Kinder laufen, als ob es nichts wäre.<br />
Später, in der Kindergartenzeit, dominiert zwar weiter das implizite Lernen, aber explizites<br />
Lernen kommt hinzu, wie das Beispiel zur Bewegungsförderung gezeigt hat. Das allerdings<br />
funktioniert nur, wenn es den Erzieherinnen gelingt, mit ihren Angeboten – diesen Begriff<br />
müssen wir wörtlich nehmen – das Interesse <strong>von</strong> Kindern zu wecken. Nach wie vor hat jede<br />
Erzieherin, jede Lehrerin, jede Mutter, jeder Vater das Recht <strong>und</strong> die Pflicht, dem Kind<br />
seine Begeisterung für bestimmte Tätigkeiten, seine Freude an der Beschäftigung mit<br />
bestimmten Inhalten deutlich zu machen in der Hoffnung, dass der Funke überspringt –<br />
nicht mehr, aber auch nicht weniger.<br />
Ein weiteres Lernprinzip: Kinder lernen nicht abstrakt <strong>und</strong> sie lernen nicht<br />
systematisch (im Sinne einer Fach-Systematik). Sie lernen stattdessen<br />
1. in Alltagszusammenhängen,<br />
2. anschauungs-,<br />
3. erfahrungs- <strong>und</strong><br />
4. Handlungsbezogen.<br />
Die Art, anschauungsbezogen zu lernen, sollten wir nicht als Handicap oder als Defizit<br />
ansehen, sondern als oft vielversprechenden Weg, Probleme zu lösen. Bestärkt hat mich in<br />
dieser Hinsicht das Beispiel einer Testaufgabe aus PISA:<br />
ıGib eine Methode an, wie der Umfang der Figur C bestimmt werden kann.„<br />
Der brave Schüler wird bei dieser Aufgabe - zu Recht - darauf hinweisen, dass so etwas im<br />
Unterricht nicht vorgekommen ist <strong>und</strong> zur nächsten Aufgabe übergehen.<br />
Ehrgeizige mathematische Amateur-Akrobaten werden vielleicht vorschlagen, die<br />
ger<strong>und</strong>eten Linien der Figur annäherungsweise durch eine Menge gerader Linien zu<br />
ersetzen, würden aber spätestens bei der Ausführung dieser Idee scheitern.
Die aufgeweckte Sechsjährige würde die Figur - gerade weil Sechsjährige nicht abstrakt,<br />
sondern handlungs- <strong>und</strong> anschauungsbezogen denken - vielleicht an eine Schlange erinnern<br />
oder an ein Seil, das auf den Boden gefallen ist. Und so könnte sie leicht auf die Idee<br />
kommen, einen Bindfaden über die Umrisse zu legen, um ihn anschließend auseinander zu<br />
ziehen <strong>und</strong> abzumessen.<br />
Entdeckendes oder forschendes Lernen<br />
Besonders intensiv lernen Kinder dann,<br />
wenn sie durch eigenes Handeln auf<br />
Probleme bzw. Aufgaben stoßen <strong>und</strong> sie<br />
durch eigenes Handeln auch bewältigen.<br />
Die folgende Bilderserie 3 zeigt Kindergartenkinder,<br />
die versuchen, Gegenstände<br />
möglichst weit durch die Luft zu<br />
katapultieren.<br />
Ein Junge hat den Ehrgeiz, nicht nur ein<br />
Gummiklötzchen zu verwenden, sondern<br />
zwei; außerdem stellt er sie senkrecht<br />
aufeinander. Diese Konstruktion ist sehr<br />
instabil; öfter passiert es ihm, dass die<br />
beiden Klötzchen, die ja auf einer schiefen<br />
Ebene stehen, herunterfallen, bevor er am<br />
anderen Ende des Katapults angekommen<br />
ist.<br />
Nach längeren Versuchen findet er die<br />
Lösung: Er vermindert die Schräge des<br />
Bretter, indem er Aststücke darunter legt.<br />
Und um den dadurch kürzeren Hebelarm<br />
auf der Sprungseite zu kompensieren,<br />
springt er jetzt nicht mehr <strong>von</strong> ebener<br />
Erde ab, sondern <strong>von</strong> einem erhöhten<br />
Podest, das es sich herangezogen hat.<br />
Solche Dinge sind gemeint, wenn <strong>von</strong> ıKonstruktionsleistungen„ der Kinder die Rede ist.<br />
Sie sind zwangsläufig individuell, denn jedes Kind wird mit der scheinbar ıgleichen„<br />
Situation auf seine Weise umgehen – auch dann, wenn es beobachtet, was die anderen<br />
3 Fotos <strong>von</strong> Astrid Normann, Leiterin der Evgl. Tageseinrichtung „Kinderbrücke“ in Münster-Handorf<br />
Bilden sich Kinder selbst?<br />
2<br />
29
2 Kinder<br />
30<br />
Referate<br />
tun. Solche ıEigenkonstruktionen„ im gestalterischen Bereich zeigt die nächste<br />
Bilderserie am Beispiel des ıschiefen Turms <strong>von</strong> Pisa„, den Kinder auf jeweils eigene Weise<br />
darstellen:<br />
Gr<strong>und</strong>schuldidaktik heute<br />
Vielleicht orientiert sich unser Bild <strong>von</strong> ıder„ Gr<strong>und</strong>schule noch stark oder sogar<br />
ausschließlich an den eigenen Erfahrungen mit unserer damaligen Schule. Aber seither<br />
haben manche Entwicklungen stattgef<strong>und</strong>en, die mal mehr, mal weniger Schulen betreffen<br />
<strong>und</strong> die enge Verbindungen zur Elementarpädagogik zeigen.
„Für die Bildung der Kinder ist nicht die Menge<br />
des vermittelten Wissens wichtig, sondern die<br />
Qualität der Aneignung <strong>und</strong> die unmittelbare<br />
Sinnhaftigkeit der Lernaktivitäten.“<br />
„Nur Lernerlebnisse, die als wichtig <strong>und</strong> als<br />
auch in der außerschulischen Welt sinnvoll <strong>und</strong><br />
wirksam erfahren werden, hinterlassen<br />
nachhaltige Spuren im Denken <strong>und</strong> Erleben der<br />
Kinder <strong>und</strong> regen zu weiterem Lernen an.“<br />
„Lesen ...[ist]... ein eigenaktiver Prozess der<br />
Sinnkonstruktion. Dementsprechend haben<br />
solche Umgangsweisen mit Texten eine<br />
besondere didaktische Qualität, die <strong>von</strong> einem<br />
individuellen Leseinteresse ausgehen ...“<br />
„Ein zeitgemäßer Sachunterricht ist der Idee der<br />
‚Welterk<strong>und</strong>ung‘ verpflichtet, d.h. er zielt auf die<br />
Gewinnung <strong>von</strong> Handlungskompetenz, wobei<br />
das eigene forschend-entdeckende Tun des<br />
Kindes das primäre Medium der Aneignung ist.<br />
“<br />
(aus: Bildungsansprüche <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>schulkindern<br />
- Standards zeitgemäßer Gr<strong>und</strong>schularbeit.<br />
Empfehlungen des Gr<strong>und</strong>schulverbandes zur<br />
aktuellen Standard-Diskussion<br />
http//:www.gr<strong>und</strong>schulverband.de (21.3.2003))<br />
Die nebenstehenden Zitate könnten aus<br />
einer elementarpädagogischen Schrift<br />
stammen; tatsächlich sind sie<br />
Empfehlungen des Gr<strong>und</strong>schulverbands<br />
zu einer ızeitgemäßen Gr<strong>und</strong>schularbeit„<br />
entnommen. Und sie sind nicht nur<br />
Theorie; Beispiele für ıLebensweltorientierung„<br />
finden wir in jeder<br />
Gr<strong>und</strong>schule:<br />
Bottroper Kinder beschäftigen sich im<br />
Sachk<strong>und</strong>eunterricht vermutlich mit der<br />
Steinkohle, Kinder in Leipzig in der Nähe<br />
eines Braunkohlereviers stattdessen mit<br />
Braunkohle. Auch Gr<strong>und</strong>schulkinder<br />
setzen sich gerade mit schwierigen<br />
Problemen besonders intensiv dann<br />
auseinander, wenn es Probleme sind, die<br />
aus ihrer Lebenswelt stammen. Ein simples<br />
Beispiel aus dem Rechenunterricht: Der<br />
Verkehrsfunk meldet zwei Kilometer Stau<br />
am Hermsdorfer Kreuz. Wie viele Autos<br />
sind das? Kinder, so hat es ein Lehrer<br />
berichtet, debattieren tagelang über diese<br />
interessante Frage – interessant deshalb, weil alle Kinder schon einmal auf der Autobahn im<br />
Stau gestanden haben. Sie messen <strong>und</strong> vergleichen die Länge <strong>von</strong> PKWÊs, sie debattieren über<br />
den Abstand zwischen stehenden Autos; ein Kind bringt alle anderen mit dem Hinweis in<br />
Aufruhr, dass im Stau auch Lastwagen stehen könnten, die viel länger sind als PKWÊs⁄<br />
Ein Beispiel für die ıIndividualisierung des Unterrichts„: Die Hausaufgaben im Lesen<br />
bestehen nicht mehr darin, dass alle Kinder denselben Text lesen, sondern jedes Kind liest<br />
in einem Buch, das es sich individuell gewählt hat, einen bestimmten Abschnitt. Die<br />
Rektorin begründet dies so: ıAlle Kinder lernen besser, wenn sie sich mit Dingen<br />
beschäftigen, die sie interessieren. Die Kinder einer Klasse haben aber sehr verschiedene<br />
Interessen. Also besteht unsere Aufgabe darin, mit jedem Kind einzeln seine Aufgabe zu<br />
vereinbaren, <strong>und</strong> natürlich auch darin, speziell für jedes Kind Fragen zu formulieren, die es<br />
schriftlich beantwortet, damit wir erkennen können, wie gut es ,seinen Text verstanden hat.<br />
Ein anderes Thema im Anfangsunterricht: In welcher Form tauchen Zahlen auf<br />
Alltagsgegenständen auf 4 ? Die Kinder im ersten Schuljahr bringen Gegenstände mit in den<br />
Unterricht oder erzählen <strong>von</strong> Gegenständen, die sie auf dem Schulweg gesehen haben. Bei<br />
Gesprächen darüber entdecken sie dann zum Beispiel, dass die Zehnertastatur auf<br />
Taschenrechnern anders angeordnet ist als auf Tastentelefonen oder Handys. An anderen<br />
4 Beispiele aus: Das Zahlenbuch. Mathematik im 1. Schuljahr. Leipzig. Stuttgart, Düsseldorf; Klett, 2000<br />
Bilden sich Kinder selbst?<br />
2<br />
31
2 Gegenständen<br />
32<br />
Referate<br />
entdecken sie auch andere<br />
Rhythmen wie z.B. die Wochentage, die sich auf<br />
dem Kalender alle sieben Tage wiederholen, oder<br />
die St<strong>und</strong>en auf der Uhr.<br />
Eine der Autorinnen dieses Mathematik-Buches, Martina Röhr, schildert in einem Aufsatz<br />
auch, wie sie Kinder selbst Lösungen für Probleme finden lässt: ıEin Freitag im April: 27<br />
Kinder eines ersten Schuljahres sitzen an ihren Tischen. Für jeweils zwei Kinder liegt ein<br />
Meterstab (Holzlatte, 1 m lang) bereit. Die Kinder beraten, wie sie die Länge <strong>und</strong> Breite des<br />
Klassenraums bestimmen können. Gemeinsam werden mehrere Meterstäbe aneinander<br />
gelegt, die Anzahl der Stäbe gezählt <strong>und</strong> die Maße des Klassenraums an der Tafel notiert.<br />
Dann sollen die Kinder selbständig den Flur, den Schulhof, das Schulgebäude <strong>und</strong> die<br />
Wiese hinter der Schule vermessen. Schule, Schulhof <strong>und</strong> Wiese haben Abmessungen, die<br />
eine Zählkompetenz weit über 20 hinaus verlangen. Außerdem steht den Kindern nur eine<br />
begrenzte Anzahl <strong>von</strong> Meterstäben zur Verfügung. Die Kinder können also nicht so<br />
vorgehen wie bei der Vermessung der eigenen Klasse, sondern müssen sich eine andere<br />
Vermessungsmethode überlegen. Dieses Problem wird jedoch nicht vorher angesprochen.<br />
Die Kinder sollen sich selbst Lösungen überlegen, wenn ihnen die Grenzen der bekannten<br />
Methode bewusst werden.<br />
Um die anderen Klassen nicht zu stören, wird für die Vermessung des Flurs eine Gruppe<br />
<strong>von</strong> acht Kindern (mit vier Meterstäben) beauftragt. Alle anderen Kinder verlassen das<br />
Gebäude ohne mich. Ich beobachte eine Zeit lang aus größerer Distanz die Messung auf<br />
dem Flur <strong>und</strong> betrete erst später den Schulhof. Kein Kind ist zu sehen. Auf der Wiese<br />
hinter dem Gebäude dagegen stehen bzw. hocken 20 Kinder zusammen <strong>und</strong> arbeiten. An<br />
der Spitze der Reihe stehen drei Schüler <strong>und</strong> zählen. Ein anderer ruft laut: ,Und der<br />
Nächste!Ê Daraufhin rennt das Kind vom Anfang der Reihe mit seinem Meterstab los <strong>und</strong><br />
schließt sich am anderen Ende an. ,20!Ê ,Und der Nächste!Ê ,21!Ê ,Und der Nächste!Ê ,22Ê.<br />
,Und⁄Ê Nach einiger Zeit kommen 20 stolze Kinder angerannt <strong>und</strong> verkünden: ,Die Wiese<br />
ist genau 36 Meter <strong>und</strong> 2 Zentimeter lang!Ê<br />
Sicher eine Sternst<strong>und</strong>e im Unterrichtsalltag! Eine St<strong>und</strong>e zum kooperativen Lernen wie sie<br />
fast besser nicht sein könnte! Zufall oder nicht? Nicht jeden Tag wäre dies in meiner Klasse<br />
so möglich gewesen. Es erstaunte mich, dass sich eine so große Gruppe so gut organisieren<br />
konnte, um eine problemhaltige <strong>und</strong> offene Aufgabenstellung zu lösen. Aber auch kein<br />
Zufall! Die Kinder waren kooperatives Arbeiten <strong>von</strong> Anfang an gewöhnt. Sie hatten bereits<br />
früh erfahren können, dass es Aufgaben gibt, die man gemeinsam besser <strong>und</strong> leichter lösen<br />
kann.„ (Röhr 1997, S. 32)<br />
Ein anderes Beispiel 5 : ıDie Lehrerin eines zweiten Schuljahres erzählte den Kindern eine<br />
Geschichte <strong>von</strong> einem König, der abends, bevor er zu Bett ging, noch wissen wollte, wie<br />
viele Goldstücke er eigentlich besitze. Er sei aber schon recht müde, ob vielleicht die<br />
5 http://gr<strong>und</strong>schule.bildung-rp.de/gs/boerse/praxisbsp/schatzkiste.html (18.10.2004)
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Kinder ihm beim Zählen behilflich sein könnten? Natürlich! Eifrig zählten die Kinder die<br />
<strong>von</strong> der Lehrerin mitgebrachten Würfel, die als Goldstücke fungierten. 77 Goldtaler war<br />
das Ergebnis <strong>und</strong> zufrieden ging der König zu Bett.<br />
Am nächsten Tag hatte der König Steuereinnahmen <strong>und</strong> Ausgaben für seinen Hof zu<br />
verzeichnen. Abends wollte er natürlich wieder wissen, wie viele Goldtaler er besitzt. Also<br />
musste wieder gezählt werden.<br />
Beim dritten Mal wurde das Zählen dann schon etwas mühselig <strong>und</strong> langweilig. Aber da<br />
hatte der König die Idee, sich <strong>von</strong> seinen Ingenieuren (= die Kinder) eine Schatzkiste bauen<br />
zu lassen, bei der er abends auf einen Blick erkennen kann, wie viele Goldtaler er besitze.<br />
Vorerst genüge wohl eine Schatzkiste für maximal 100 Goldtaler. Aufgabe der Kinder:<br />
Konstruiert eine Schatzkiste für den König! (in Gruppenarbeit)<br />
Am Ende der St<strong>und</strong>e nahm die Lehrerin die Konstruktionsvorschläge der verschiedenen<br />
Gruppen mit nach Hause <strong>und</strong> ließ über Nacht die Schreiner des Königs die Schatzkiste<br />
bauen.<br />
Natürlich ist es nicht überraschend, dass sich in fast allen Gruppen bei der intensiven<br />
Diskussion das H<strong>und</strong>erterfeld, bei dem man sofort sehen kann, wie viele Zehner <strong>und</strong> Einer<br />
vorhanden sind, als geeignet herausstellte. Wichtig dabei: Es waren die Konstruktionen der<br />
Kinder, nicht die Vorgaben der Lehrerin, die zur H<strong>und</strong>ertertafel führten. Die intensive<br />
Auseinandersetzung mit einem Problem, das Ringen um eine geeignete Lösung führte auf<br />
den Begriff. Die Struktur wird verstanden, weil sie selbst entwickelt wurde.„<br />
Solche didaktischen Prinzipien finden sich wohl noch nicht in jeder Gr<strong>und</strong>schule. Aber es<br />
gibt viele, die nach Wegen suchen, jedes einzelne Kind entsprechend seinen Interessen,<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> Bedürfnissen bestmöglich zu fördern. Sie verfolgen Prinzipien, die der<br />
Elementarpädagogik sehr bekannt vorkommen, benennen sie vielleicht nur anders.<br />
Horterzieherinnen haben noch mehr Möglichkeiten als die Schule, Kindern zu helfen,<br />
Zusammenhänge durch eigenes Handeln zu erschließen oder zu ıbe-greifen„. Der Hort war<br />
immer der Ort, an dem Kinder nicht nur lernen konnten, wie man ıFahrrad„ schreibt,<br />
sondern gelernt haben, wie man ein Fahrrad auseinander nimmt - <strong>und</strong> damit auch in seiner<br />
Funktion verstehen lernt. Kinder im Gr<strong>und</strong>schulalter wollen ıetwas Richtiges„ tun - das<br />
kann die Reparaturwerkstatt für Fahrräder sein, die in einem Kellerraum des Hortes<br />
eingerichtet wird. Oder die Hortzeitung, die mit viel Mühe recherchiert, geschrieben,<br />
gedruckt <strong>und</strong> verkauft wird. ıEtwas Richtiges„ können Werkstücke sein, die im Werkraum<br />
oder in einer Schreinerwerkstatt entstehen, sportliche Erfolge, das Anlegen einer Sammlung<br />
<strong>von</strong> Musikstücken im MP3-Format oder <strong>von</strong> Zeitungsausschnitten über einen Popstar, der<br />
Umgang mit einem Haustier oder neue Herausforderungen im künstlerisch-musischen<br />
Bereich: Schulkinder sind in der Lage, fast unendlich viel Energie in Dinge zu stecken, die<br />
sie interessieren. Auch wenn das nicht immer die Dinge sein müssen, die wir für besonders<br />
wertvoll halten. Die Bereitschaft der Kinder, sich zu engagieren, sollten wir würdigen.<br />
ıEtwas Richtiges„ zu tun, geht über Spielen oder Basteln weit hinaus. Einige Beispiele<br />
dafür, welches Anspruchsniveau Kinder im Hortalter an sich selbst haben, stammen aus<br />
einem Projekt des kulturpädagogischen Vereins ıQuartier e. V.„ in Bremen (s. Siamis 2002):<br />
ıÜber mehrere Monate haben 300 Kinder aus <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, Spielhäusern,<br />
2<br />
33
2 Horten<br />
34<br />
Referate<br />
<strong>und</strong> Schulen in Bremen geforscht, gebaut <strong>und</strong><br />
erf<strong>und</strong>en. Unglaubliches ist bei dieser Erfinderwerkstatt<br />
herausgekommen: der Plattmacher, eine Knallkiste, die<br />
Spann-Dreh-Schnapp-Schlauch-Maschine, die Luftreise,<br />
die Hypnose-Maschine, um nur einige der unentbehrlichen<br />
Geräte zu nennen. Am Ende des Projektes<br />
präsentierten die Kinder ihre Erfindungen in einem<br />
Kindermuseum, das in einem Messe-Zelt untergebracht<br />
war.„<br />
Die Produkte zeigen uns: Was Hortkinder <strong>von</strong> sich<br />
verlangen, ist auch Spiel, aber mehr als Spiel. Es ist<br />
nicht nur Kunst, aber auch Kunst. Es ist auch Umgang<br />
mit Technik, aber nicht nur. Es sind komplexe,<br />
anspruchsvolle <strong>und</strong> individuelle Gestaltungsformen.<br />
Kinder bilden sich nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />
Kinder bilden sich selbst. Kinder lernen viel bereitwilliger, intensiver <strong>und</strong> schneller als viele<br />
Erwachsene. Aber: Sie tun dies nur unter bestimmten Voraussetzungen. Dazu ist es<br />
notwendig, nicht nur die Bildung, sondern auch Betreuung <strong>und</strong> Erziehung im engeren<br />
Sinn in den Blick zu nehmen:<br />
Hier sind die drei wichtigen Aspekte pädagogischen Handelns:<br />
Konsequenz<br />
Regeln<br />
Grenzen<br />
Anteilnahme<br />
Vertrauen<br />
Liebe<br />
Unterstützung<br />
Förderung<br />
Motivation
Ich glaube, dass sich mit diesem Schema sowohl die Rolle <strong>von</strong> Eltern als auch die Aufgaben<br />
der Erzieherin wie auch die einer Lehrerin beschreiben lassen. Damit will ich bestimmt<br />
nicht den Unterschied zwischen pädagogischen Fachkräften <strong>und</strong> Laien verwischen. Aber -<br />
auch wenn Fachkräfte die Aufgaben anders angehen <strong>und</strong> zu lösen versuchen - die Aufgaben<br />
sind prinzipiell gleich:<br />
� Es geht um die persönliche Beziehung zum Kind.<br />
� Es geht um Regeln <strong>und</strong> Grenzen, die gerade beim Leben in der Gruppe <strong>und</strong> in der<br />
Einrichtung bzw. in der Schule wichtig sind.<br />
� Es geht um die bestmögliche Förderung der Kinder.<br />
In diesem Zusammenhang sind den<br />
Pädagoginnen drei Begriffe vertraut:<br />
Betreuung, Erziehung <strong>und</strong> Bildung; sie<br />
sind im pädagogischen Handeln<br />
untrennbar miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />
Ein Beispiel aus einem Kindergarten:<br />
Eine Erzieherin sitzt mit vier kleinen<br />
Kindern, die erst seit einigen Tagen im<br />
Kindergarten sind, zusammen <strong>und</strong><br />
schaut sich ein Bilderbuch an.<br />
Sie signalisiert den Kindern: ıIch<br />
nehme mir jetzt Zeit nur für Euch. Ihr<br />
seid mir wichtig, ich möchte Euch<br />
besser kennen lernen.„ (Das ist Betreuung: Der Aufbau verlässlicher Beziehungen)<br />
Die kleinen Kinder lernen bei der Gelegenheit ıfast <strong>von</strong> selbst„, dass es im Allgemeinen<br />
besser ist, nacheinander zu reden statt gleichzeitig (Erziehung). In der Großgruppe würden<br />
sie das übrigens nicht lernen, weil sie sich gar nicht trauen würden, den M<strong>und</strong><br />
aufzumachen.<br />
Und jedes Kind lernt, dass andere Kinder zu einem Bild vielleicht andere Fragen haben,<br />
dass es Dinge zu entdecken <strong>und</strong> zu besprechen gibt, auf die sie vielleicht bisher nicht<br />
geachtet haben (ein Aspekt <strong>von</strong> Bildung). Auch das geht so nur in der Kleingruppe.<br />
Verlässliche soziale Beziehungen sind die Gr<strong>und</strong>lage<br />
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Auch das B<strong>und</strong>es-Modellprojekt ıZum Bildungsauftrag <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>„ hat<br />
noch einmal ausdrücklich herausgestellt: Bildungsprozesse brauchen eine Gr<strong>und</strong>lage in<br />
verläßlichen sozialen Beziehungen. Kinder brauchen Bezugspersonen, auch <strong>und</strong> gerade in<br />
den Institutionen wie Krippe, Kindergarten, Hort <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule.<br />
ıWechselseitige Anerkennung„ geschieht auf drei Ebenen (Leu 1999):<br />
� emotionale Zuwendung (Balance zwischen Zuwendung <strong>und</strong> respektvoller Distanz),<br />
� Zuerkennung gleicher Rechte (u. a. das Recht, selbständig zu entscheiden),<br />
dialogische Interaktionen,<br />
� gegenseitige soziale Wertschätzung.<br />
2<br />
35
2 Ein<br />
36<br />
Referate<br />
ıunscheinbares„ Beispiel dafür: Wenn Kinder sich im Sandkasten ınach Australien<br />
durchgraben„ wollen, buddelt die Erzieherin für ein paar Minuten mit. Erstens erfährt sie<br />
auf diese Weise viel <strong>von</strong> dem, was Kinder - außerhalb der ıTagesordnung„ - miteinander<br />
besprechen. Zweitens zeigt sie Interesse an dem, was die Kinder tun, <strong>und</strong> kann daher auch<br />
mehr Interesse der Kinder an dem erwarten, was sie ihrerseits tut oder einbringt.<br />
Bei solchen Gelegenheiten können wir den Kindern auch glaubhaft machen, dass wir drei<br />
Dinge verstanden haben:<br />
Erstens: Kinder leben in einer anderen Welt als Erwachsene, weil Dinge für sie eine<br />
andere Bedeutung haben. Was für uns wichtig ist, hat für sie wenig Bedeutung - <strong>und</strong><br />
umgekehrt. Dieser Autofahrer hat es gerade wieder einmal erfahren 6 :<br />
Kinder leben in einer anderen Welt als<br />
Erwachsene, weil andere Dinge für sie<br />
wichtig sind.<br />
Sie leben in einer anderen Welt, weil viele<br />
Dinge, die uns vertraut <strong>und</strong> langweilig<br />
sind, für sie neue <strong>und</strong> aufregende<br />
Entdeckungen darstellen. Wer jemals mit<br />
einem Kind ıschnell mal„ kurz vor<br />
Ladenschluss die dreih<strong>und</strong>ert Meter zum<br />
Lebensmittelgeschäft gehen wollte, weiß,<br />
was gemeint ist.<br />
Kurz: Es gibt ständig viele Möglichkeiten,<br />
Kindern unrecht zu tun, indem wir<br />
übersehen, dass ihre Welt nicht unsere ist.<br />
Das gilt auch für die Begriffe, die Kinder<br />
oft anders verwenden als Erwachsene: Eine<br />
ıFre<strong>und</strong>in„ zu sein oder zu haben meint<br />
bei Kindern etwas anderes, weil sie den<br />
Inhalt einer Fre<strong>und</strong>schaft nicht so<br />
definieren wie wir. Die Aussage ıDu bist<br />
nicht mehr meine Fre<strong>und</strong>in!„ hat bei<br />
Kindern ebenfalls eine andere Bedeutung,<br />
schon weil sich ihr zeitlicher Horizont <strong>von</strong><br />
unserem unterscheidet. William Damon<br />
weist auf die Konsequenzen hin: ıEs ist<br />
praktisch unvermeidlich, dass Erwachsene<br />
das soziale Leben eines Kindes nach ihren eigenen Vorstellungen konzeptualisieren. Die<br />
Spielgefährten eines Kindes nennen wir seine ,Fre<strong>und</strong>eÂ;... Das ist nicht falsch, solange man<br />
erkennt, dass diese Kategorien im sozialen Leben eines Kindes etwas anderes bedeuten als im<br />
sozialen Leben <strong>von</strong> Erwachsenen. Wenn beispielsweise Fre<strong>und</strong>schaft unter Kindern einfach<br />
durch eine Spielbeziehung definiert wird, dann ist damit ein anderes Verhältnis bezeichnet<br />
als im Erwachsenenalter.„ (Damon 1984, S. 58 f.)<br />
6 Comic aus: „Ästhetik <strong>und</strong> Kommunikation“ in: Kindermedien 1977, Heft 27, S. 11
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Zweitens: Wir sehen Kinder nicht als defizitäre Wesen an, sondern als aktive, kompetente<br />
Mit-Menschen.<br />
Ein Beispiel dazu: Kinder bauen ihre Zeichnungen nicht nach dem Prinzip der Zentral-<br />
Perspektive auf. Ehe wir ihnen das mit bedenklichem Gesicht als Defizit ankreiden, sollten<br />
wir uns allerdings ansehen, was sie stattdessen tun:<br />
Damit ein Haus als Haus erkennbar wird,<br />
wird es am besten <strong>von</strong> der Seite<br />
gezeichnet. Schienen dagegen erkennt man<br />
am ehesten "aus der Luft". Bei<br />
Lokomotiven <strong>und</strong> Eisenbahnwaggons ist<br />
die Sache kompliziert: Die Räder müssten<br />
als r<strong>und</strong>e Scheiben erkennbar sein (am<br />
besten <strong>von</strong> der Seite malen?), die die<br />
Schienen berühren (die sind aber doch<br />
<strong>von</strong> oben gemalt!), <strong>und</strong> auch die Fenster<br />
<strong>und</strong> die Gesichter dahinter sollen zu<br />
sehen sein (das wiederum ist nur in der<br />
seitlichen Darstellung zu erreichen). Die<br />
Lösung des Problems: Das sechsjährige Kind malt so, daß alle wichtigen Dinge <strong>und</strong> Details<br />
auf einem Bild aus den jeweils besten Perspektiven sichtbar sind - also viel mehr zu sehen<br />
ist als bei jeder zentralperspektivischen Darstellung.<br />
Drittens: Wir wollen nicht immer <strong>und</strong> überall die Überlegenen sein. Für Kinder sind<br />
solche Aktivitäten <strong>und</strong> Gelegenheiten besonders reizvoll, bei denen das nicht der Fall ist.<br />
Ein eindrückliches Beispiel für mich war ein Projekt: „Unsere Hände haben Urlaub‰, in<br />
dessen Rahmen auch Bilder mit den Füßen oder mit dem M<strong>und</strong> gemalt wurden. Die<br />
größte Freude der Kinder war, mitzuerleben, dass sich ihre Erzieherin nicht besonders<br />
geschickt dabei anstellte.<br />
Bei Kindern im Schulalter ist Verlässlichkeit ein weiteres wichtiges Stichwort: Kinder haben<br />
ein feines Gespür dafür, ob Versprechen nur so dahingesagt oder ob sie auch eingehalten<br />
werden. Das gilt für Hortkinder noch stärker als für Kindergartenkinder. Und nur auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Verlässlichkeit wächst Vertrauen. Kindergartenkinder schenken ihrer<br />
Erzieherin ihr Vertrauen, die meisten <strong>von</strong> ihnen schenken es voraussetzungs- <strong>und</strong><br />
bedingungslos. Eine Horterzieherin dagegen muss sich das Vertrauen der Kinder hart<br />
erarbeiten, indem sie zum Beispiel beweist, dass sie verlässlich ist, dass sie verschwiegen sein<br />
kann, dass sie das Bedürfnis der Kinder nach Autonomie <strong>und</strong> nach aktiver Selbstgestaltung<br />
des eigenen Lebens nicht nur so weit respektiert, wie es irgend geht, sondern weiter fördert<br />
<strong>und</strong> aktiv fordert, dass sie dem Bedürfnis der Kinder nach Gleichbehandlung genauestens<br />
<strong>und</strong> penibel entspricht, dass sie die Verhaltensregeln, die sie den Kindern predigt, auch<br />
selbst beherzigt.<br />
Sicherheit brauchen Kinder besonders bei Übergängen, zum Beispiel beim Übergang vom<br />
Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule. Was dessen Gestaltung betraf, machte vor einigen Jahren<br />
in den westlichen B<strong>und</strong>esländern das Schlagwort ıgleitender Übergang„ die R<strong>und</strong>e,<br />
2<br />
37
2 wogegen<br />
38<br />
Referate<br />
Gisela H<strong>und</strong>ertmarck als prominente Vertreterin des Kindergartens vehement<br />
protestierte: ıKinder sind bitter enttäuscht, wenn Schule nur die Fortsetzung des<br />
Kindergartens mit anderen Mitteln ist.„ Aus einem sächsischen Hort habe ich dazu die<br />
hübsche Anekdote gehört, dass Kinder mit dem ıverspielten„ Beginn der Schule so<br />
unzufrieden waren, dass sie am Nachmittag im Hort ıSchule gespielt„ haben: Mit<br />
Lesebüchern, Tafel, Hausaufgaben <strong>und</strong> allem, was ihrer Meinung nach dazugehört...<br />
Die Kinder wollen einerseits unser deutliches Signal, dass wir registrieren <strong>und</strong><br />
berücksichtigen, dass sie keine Kindergartenkinder mehr sind, sondern Schulkinder.<br />
Andererseits haben sie ein Recht darauf, dass wir in Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindergarten,<br />
Schule <strong>und</strong> Eltern den Schritt, den sie gehen, sicher machen. Das bedeutet zum Beispiel,<br />
dass wir ihnen bei der Bewältigung ihrer Unsicherheiten <strong>und</strong> Ängste helfen. Wie Ängste<br />
<strong>von</strong> Kindern aufgegriffen <strong>und</strong> den Kindern signalisiert werden kann, dass sie ernst<br />
genommen werden, zeigt dieses Beispiel (Hense <strong>und</strong> Buschmeier 2002, S. 140): Kinder, die<br />
in die Schule kommen, schreiben dem Rektor der Gr<strong>und</strong>schule einen Brief, in dem sie<br />
beschreiben, wovor einige<br />
<strong>von</strong> ihnen Angst haben,<br />
<strong>und</strong> erhalten eine sehr<br />
konkret gehaltene <strong>und</strong><br />
Mut machende Antwort.<br />
Ohne eine funktionierende<br />
Zusammenarbeit<br />
zwischen Einrichtung <strong>und</strong><br />
Schule wäre ein solcher<br />
Brief wohl weder<br />
geschrieben noch<br />
(wahrscheinlich) beantwortet<br />
worden.<br />
Der Wert <strong>von</strong> Regeln<br />
Betreuung schafft die Gr<strong>und</strong>lage dafür, dass Kinder sich auf Bildungsprozesse einlassen<br />
wollen. Erziehung schafft Voraussetzungen dafür, dass sich Kinder auf solche Prozesse<br />
einlassen können; ein Beispiel dazu:<br />
Seit sich die Gruppe vor einiger Zeit mit<br />
Wasser <strong>und</strong> Gefäßen beschäftigt hat, steht<br />
in einem Regal im Gruppenraum ein<br />
Tablett mit verschiedenen Fläschchen <strong>und</strong><br />
kleinen Gläsern. Die Kinder holen es sich,<br />
wenn sie wollen, <strong>und</strong> experimentieren<br />
damit: In welche Flasche lässt sich das<br />
meiste Wasser füllen, welche fasst am<br />
wenigsten? Aus welchen Gefäßen lässt sich<br />
Wasser leicht umschütten, mit welchen ist<br />
es schwierig?
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Kindergartenkinder werden vermutlich nicht systematisch variieren <strong>und</strong> auch die Formel<br />
für den Rauminhalt <strong>von</strong> Gefäßen nicht ableiten. Aber sie werden entdecken, dass in<br />
manche Behälter ıüberraschend„ viel Wasser hineingeht, andere ıerstaunlich„ früh bereits<br />
voll sind. Sie werden wahrscheinlich lernen, dass das Volumen eines Gefäßes konstant ist.<br />
Vor allem aber: Sie werden erfahren, dass es interessant ist, genau hinzuschauen, zu<br />
vergleichen <strong>und</strong> Erfahrungen noch einmal zu überprüfen.<br />
Diese Erfahrungen können sich zu einer ıeigengesteuerten Lernhaltung„ verdichten, die<br />
einen positiven Einfluss auf die Leistungen im ersten Schuljahr haben wird (s. Treinies u.<br />
Einsiedler, 1989). Im Kindergartenalter wird diese Haltung vermutlich am ehesten<br />
vorbereitet, wenn die Kinder sich mit Anregungen dieser Art auseinandersetzen können,<br />
wann sie es wollen (individuelle Motivation), wie sie wollen, <strong>und</strong> so lange sie wollen<br />
(individuelle Aneignungsprozesse).<br />
Das wird ihnen ermöglicht durch ein entsprechendes Materialangebot, eine entsprechende<br />
Raumgestaltung (stille Ecken für solche Aktivitäten), durch einen flexiblen Tagesablauf<br />
(Kinder werden aus solchen Aktivitäten nicht herausgerissen) <strong>und</strong> durch etablierte Regeln<br />
(Kinder werden weder durch die Erzieherinnen noch durch andere Kinder gestört).<br />
Für tiefgreifende Lern- <strong>und</strong> Bildungsprozesse brauchen Kinder die Erwachsenen<br />
Ich habe bisher <strong>von</strong> den Prozessen gesprochen, in denen Kinder Wissen <strong>und</strong> Kompetenzen<br />
erwerben. Aber das ist bei weitem nicht alles, was sie ıbei Gelegenheit„ lernen:<br />
Was lernen Kinder? - Die Lernpyramide<br />
Von Lilian Katz, einer US-amerikanischen Psychologin, stammt das Modell einer<br />
Lernpyramide. Sie besagt, dass Kinder bei allem, was sie tun, lernen, <strong>und</strong> zwar auf vier<br />
Ebenen gleichzeitig (vgl. Katz 1995 oder Laevers 1998).<br />
Auf der ersten Ebene: Wissen<br />
Und zwar wird breites Wissen in bezug auf die verschiedensten sachlichen <strong>und</strong> sozialen<br />
Zusammenhänge erworben, einschließlich der Fähigkeit, sich selbständig Wissen zu<br />
beschaffen, Informationen zu bewerten <strong>und</strong> auszuwählen.<br />
Zum ıWissen„ gehört auch die Differenzierung <strong>von</strong> Wahrnehmungserfahrungen. Gerade in<br />
den ersten Lebensjahren verbringen die Kinder viel Zeit damit, Klängen <strong>und</strong><br />
Klangvariationen nachzuforschen, Geruchs-, Geschmacks- oder Tastempfindungen zu<br />
erk<strong>und</strong>en, die differenzierte Welt der Farben kennen zu lernen. ıBildung beginnt mit der<br />
Bildung der Sinne„ sagt Prof. Schäfer an dieser Stelle. Entsprechend setzt die<br />
Krippenpädagogik Schwerpunkte im Bereich der Wahrnehmungs-, aber auch der<br />
Bewegungsförderung, denn beides hängt eng miteinander zusammen. Aber sie ist nicht<br />
darauf beschränkt: Kinder lernen in den ersten drei Lebensjahren so viel wie später nie mehr<br />
in so kurzer Zeit: Zum Beispiel die ersten Regeln des sozialen Miteinander, die ersten <strong>und</strong><br />
wichtigsten Gr<strong>und</strong>lagen der Sprache. Sie lernen ihren Alltag so gut sie können, selbstständig<br />
zu bewältigen, sie lernen – auch im übertragenen Sinn – auf eigenen Füßen zu stehen.<br />
2<br />
39
2 Wissen<br />
40<br />
Referate<br />
erwerben Kinder durch deutlich sichtbare, womöglich lautstarke Aktivitäten. Aber sie<br />
erwerben auch viel Wissen durch ıunscheinbare„, leise Aktivitäten, wenn sie sich zum<br />
Beispiel mit einem Klappspiegel beschäftigen. In allen Fällen gilt: Kinder, die so engagiert<br />
<strong>und</strong> sichtbar ıbei der Sache„ sind, vertieft sind in das, was sie gerade erleben <strong>und</strong> erfahren,<br />
sollten in Ruhe gelassen werden. Hier besteht die Rolle der Erzieherin darin, solche<br />
Erfahrungen zu ermöglichen - durch Bereitstellung <strong>von</strong> Materialien, durch Gestaltung des<br />
Raumes <strong>und</strong> des Tagesablaufs.<br />
Auf der zweiten Ebene: Kompetenzen<br />
Hier erwerben Kinder Kompetenzen in den Bereichen Motorik, Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />
Ausdrucksfähigkeit; logisch-mathematische sowie technische Kompetenzen, psycho-soziale<br />
Kompetenzen wie <strong>Kooperation</strong>s-, Partizipations- <strong>und</strong> Mediationsfähigkeit.<br />
Kinder interessiert nicht nur Spielzeug. Kinder interessiert auch unser reales Alltagsleben<br />
zu Hause, in der Einrichtung <strong>und</strong> in der Umgebung.<br />
Sie interessiert zum Beispiel, was in einem Friseur-Salon geschieht, welches Handwerkszeug<br />
gebraucht wird. Im Zusammenhang mit Kompetenzen ist nun klar, dass die Kinder nicht<br />
nur wissen wollen, was zu einem Friseur-Salon gehört, sondern, dass sie auch das tun<br />
wollen, was dort passiert. Und wie realistisch das dann weitergeht, müssen wir der<br />
Risikobereitschaft der Erzieherinnen überlassen.<br />
Nähen ist ein anderes Beispiel für hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die für<br />
Kindergartenkinder ungeheuer interessant sind.<br />
Etwas ıRichtiges„ tun: Das ist nicht nur für Hortkinder, sondern auch schon für<br />
Kindergartenkinder wichtig. Nicht mit einem Spielzeug-Schraubenzieher zu hantieren,<br />
sondern mit einem ırichtigen„ Schraubenzieher arbeiten zu können. Oder mit ırichtigen„<br />
Pflastersteinen <strong>und</strong> Drainagerohren, Schaufeln <strong>und</strong> Kellen, die Arbeiter einer<br />
nahegelegenen Baustelle den Kindern überlassen haben.<br />
Auf der dritten Ebene: Bereitschaften oder ıDispositionen„<br />
Es geht um die Bereitschaft, sich auf neue Erfahrungen einzulassen <strong>und</strong> sich neuen Herausforderungen<br />
zu stellen. Es geht um Kreativität, die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft, sich realistische<br />
Ziele zu setzen <strong>und</strong> beharrlich zu verfolgen, die Bereitschaft, aus Erfahrung zu lernen.<br />
Ein Beispiel für die Bereitschaften, die<br />
gemeint sind:<br />
Kurz bevor Jennifer den Kindergarten<br />
verließ, kamen Werkbänke in die<br />
Einrichtung, <strong>und</strong> an einer hat sie in den<br />
letzten Wochen ihres Kindergartenlebens<br />
viel Zeit verbracht. Sie hatte den Ehrgeiz,<br />
einen Traktor zu bauen, dessen Räder sich<br />
drehen <strong>und</strong> dessen Räder so r<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
zentriert angebracht sind, dass er beim<br />
Fahren nicht wackelt. Sie hat eine ganze<br />
Woche durchgehalten <strong>und</strong> sie hat es<br />
geschafft. Sie konnte zwar ihren Namen
Bilden sich Kinder selbst?<br />
nicht schreiben, als sie den Kindergarten verließ, aber sie hat viel mehr an Gr<strong>und</strong>lagen für<br />
ihren weiteren Bildungsweg mitgenommen: Eine hohen Anspruch an sich selbst <strong>und</strong><br />
Leistungsbereitschaft.<br />
Solche Bereitschaften werden in der Schule dringend gebraucht. Ein Beispiel für heutige<br />
Lernformen ist die so genannte Werkstattarbeit: In jeder Klasse findet im Umfang <strong>von</strong> 1-2<br />
Unterrichtsst<strong>und</strong>en täglich ıWerkstattunterricht„ statt, in dem unter einem gemeinsamen<br />
Thema (z. B. ıUnsere Schule <strong>und</strong> ihre Umgebung„, ıWind <strong>und</strong> Wetter„) verschiedenartige<br />
Aufgaben zusammen gefasst sind: Sich anhand <strong>von</strong> Orientierungsaufgaben im<br />
Schulgebäude zurechtfinden lernen (dies ist ein Beispiel dafür, wie gut Kinder ızufällig„<br />
lesen lernen, weil sie es für eine interessante Aufgabe brauchen), Getreidekörner in einem<br />
Mörser zerstoßen (das ıMehl„ wird später beim Backen verwendet), die Länge einer Ähre<br />
bzw. den Durchmesser eines Strohhalms messen, Fragen zu einer Wetterkarte aus einer<br />
Zeitung beantworten. Die Kinder bearbeiten die Aufgaben so selbstständig wie möglich.<br />
Die Werkstätten laufen kontinuierlich über Wochen, die Zahl der Aufgaben ist so groß,<br />
dass alle Kinder, auch die mit dem schnellsten Arbeitstempo, während der gesamten<br />
Laufzeit etwas zu tun haben. Einige Aufgaben sind verpflichtend, andere können frei<br />
gewählt werden. Die Lösungen kontrollieren die Kinder entweder selbst oder gegenseitig:<br />
Für viele Aufgaben wird zur Beratung <strong>und</strong> Prüfung ein Kind als ıChef„ bestimmt, nur für<br />
einige Aufgaben ist die Lehrkraft selbst ıChef„. Welche Aufgaben ein Kind wie gelöst hat,<br />
wird in einem Arbeitsheft festgehalten. Die Kinder machen gern Werkstattarbeit <strong>und</strong> halten<br />
sich an die notwendigen Regeln. Unterschiede im Lerntempo werden berücksichtigt, jedes<br />
Kind bekommt die Anforderungen, die es bewältigen kann, keines wird mutlos gemacht.<br />
Die Lehrkräfte können sich auf bestimmte Kinder konzentrieren, weil andere gerade keine<br />
Hilfe brauchen.<br />
Alle Lehrer <strong>und</strong> Lehrerinnen, die solche Werkstattarbeit praktizieren, betonen, dass sie dazu<br />
Kinder wie Jennifer brauchen: Kinder mit einem hohen Anspruch an sich selbst, die nicht<br />
bei der ersten Schwierigkeit aufgeben <strong>und</strong> die nicht versuchen, sich mit dem<br />
geringstmöglichen Aufwand durchzulavieren.<br />
Wie kommen solche Bereitschaften zu Stande? Sie fallen nicht vom Himmel, sondern sie<br />
sind das Ergebnis ständiger Förder- <strong>und</strong> Herausforderungsprozesse. Kinder brauchen<br />
ständig Anforderungen, die interessant sind, schwierig, aber auch gerade noch lösbar.<br />
Auf der vierten Ebene: Einstellungen<br />
Gelernt werden Einstellungen wie ein positives Selbstbild, Selbstvertrauen oder eine<br />
prosoziale Einstellung.<br />
Lilian Katz behauptet nun - <strong>und</strong> vieles spricht dafür, dass sie Recht hat - , dass sich auf den<br />
oberen Ebenen, also beim Erwerb <strong>von</strong> Wissen <strong>und</strong> Kompetenzen, auf die Dauer nicht viel<br />
tun wird, wenn es auf den unteren, den gr<strong>und</strong>legenden Ebenen nicht stimmt.<br />
Ein Beispiel für Einstellungen, die sich im Kindergartenalter auf diese Art <strong>und</strong> Weise zu<br />
entwickeln beginnen, sind die sogenannten ıKontrollüberzeugungen„. Wir alle haben<br />
unsere typische Art, mit Erfolgen <strong>und</strong> mit Misserfolgen umzugehen. Die Frage ist, wem wir<br />
Erfolge zuschreiben: Uns selbst? Äußeren Umständen, für die wir nichts können? Dem<br />
2<br />
41
2 Zufall?<br />
42<br />
Referate<br />
Manche schreiben ihre Erfolge stets sich selbst zu, Misserfolge immer ungünstigen<br />
äußeren Umständen, andere machen es genau umgekehrt.<br />
Wie sollten Kinder mit Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg umgehen? Die Haltung ihrer Erzieherin in<br />
dieser Frage können die Kinder an deren Reaktionen <strong>und</strong> Äußerungen ablesen.<br />
Ein Beispiel: Bei einem Mißerfolg (Ein Kind fährt mit einem Tretroller <strong>und</strong> stürzt) können<br />
Sie das Kind entmutigen, indem Sie sagen: ıDafür bist Du auch noch zu klein.„ Die<br />
Botschaft lautet: Es lag an Dir <strong>und</strong> Du kannst es nicht ändern. In eine ganz andere<br />
Richtung ginge die Frage: ıBist Du vielleicht zu schnell gefahren?„ Dadurch lenken Sie die<br />
Aufmerksamkeit des Kindes auf Dinge, die es ändern kann. Oder Sie machen es auf äußere<br />
Umstände aufmerksam <strong>und</strong> empfehlen ihm so erhöhte Aufmerksamkeit.<br />
Wenn Sie den ıblinden Zufall„ ansprechen, vielleicht in der Absicht, zu trösten, liegt die<br />
Gefahr darin, dass das Kind meint, sie wollten das Ganze herunterspielen. ıUnd es hat<br />
doch wehgetan!„ lautet dann (hoffentlich) die empörte Antwort.<br />
Durch solche kleinen alltäglichen Reaktionen beeinflussen wir Erwachsenen gravierend<br />
Einstellungen des Kindes <strong>und</strong> seine Leistungsbereitschaft. Solche kleinen Sätze ırutschen<br />
schnell heraus„, zumal wir nur sehr wenig Zeit haben, um uns die Antwort zurechtzulegen.<br />
Umso wichtiger wäre, ab <strong>und</strong> zu das eigene Verhalten selbstkritisch zu reflektieren.<br />
Die meisten Kindergartenkinder akzeptieren ohne Schwierigkeiten, dass andere Kinder<br />
Dinge können <strong>und</strong> wissen, die sie selbst nicht kennen <strong>und</strong> beherrschen. Unterschiede dieser<br />
Art sind für sie nicht besonders wichtig, vielleicht auch deshalb, weil sie selbstverständlich<br />
da<strong>von</strong> ausgehen, dass sie ıspäter einmal„ alles erwerben können, was sie nur wollen. Viele<br />
Kinder sind notorische Erfolgsoptimisten (ıDas wird schon klappen!„), zumindest sind sie<br />
- <strong>und</strong> das ist wohl lebensnotwendig - Entwicklungsoptimisten (ıIrgendwann kriege ich das<br />
auch hin!„).<br />
Kinder im Schulalter dagegen suchen den Wettbewerb <strong>und</strong> den Vergleich mit<br />
Gleichaltrigen - <strong>und</strong> die Ergebnisse können sehr schmerzhaft sein. Sie müssen lernen zu<br />
akzeptieren, dass manche Fähigkeiten ungleich verteilt sind <strong>und</strong> auf Dauer ungleich verteilt<br />
sein werden. Umso wichtiger ist es, dass sie ihre Stärken einschätzen <strong>und</strong> positiv bewerten<br />
lernen <strong>und</strong> das Gefühl eigener Schwächen nicht durch Imponiergehabe oder<br />
Äußerlichkeiten zu überdecken versuchen.<br />
Eine andere Art <strong>von</strong> Einstellungen sind die sogenannten ıGeschlechtsstereotype„,<br />
schematische <strong>und</strong> verfestigte Vorstellungen da<strong>von</strong>, was ein Mädchen bzw. ein Junge<br />
typischerweise tut. Auch sie beginnen sich im Kindergartenalter zu entwickeln, <strong>und</strong> auch<br />
sie haben handfeste Auswirkungen auf die spätere Bildungskarriere, wie PISA gezeigt hat.<br />
Hier zunächst die Daten: Mädchen sind besser im Lesen als Jungen. Der Unterschied ist<br />
übrigens nicht ınaturgegeben„; auch Jungen können - in anderen Ländern - besser gefördert<br />
werden. Aber in Deutschland war der Unterschied zugunsten der Mädchen deutlich.<br />
Umgekehrt waren die Jungen - in Deutschland - im Durchschnitt in Mathe besser. Auch<br />
das ist unterschiedlich in den Ländern, also durch das Bildungssystem beeinflussbar.<br />
Wie ergibt dieser Unterschied in der deutschen Stichprobe? Die PISA-Forschungsgruppe<br />
identifizierte <strong>und</strong> verglich die verschiedenen Einflussgrößen auf die Leistungen im<br />
mathematischen Bereich, hier das Ergebnis:
Den stärksten Einfluss hatte die Leseleistung - kein W<strong>und</strong>er angesichts des PISA-Ansatzes,<br />
keine Rechenroutinen abzufragen, sondern den Umgang mit Problemen, die erst einmal<br />
gelesen <strong>und</strong> verstanden werden müssen. Darauf können die schlechteren Mathe-Leistungen<br />
der Mädchen nicht zurückzuführen sein, denn dort waren sie besser. Den zweitstärksten<br />
Einfluss haben die kognitiven Fähigkeiten. Auch das ist keine Erklärung für die<br />
schlechteren Mathe-Leistungen der Mädchen, denn die kognitiven Fähigkeiten <strong>von</strong><br />
Mädchen <strong>und</strong> Jungen sind im Durchschnitt gleich.<br />
Als drittstärkste Einflussgröße ergab ein kombinierter Einfluss aus Geschlecht <strong>und</strong> dem<br />
Selbstkonzept in Mathematik. (Dieses Selbstkonzept wurde gemessen durch die Antworten<br />
auf Fragen wie: ıIn Mathe komme ich gut zurecht, dafür habe ich ein Händchen„ etc.).<br />
Mädchen haben gegenüber Jungen das deutlich schlechtere Selbstkonzept im<br />
mathematischen Bereich, <strong>und</strong> so sorgt die ıself-fulfilling-prophecy„ dafür, dass sie das, was<br />
sie nicht gut zu können glauben, auch tatsächlich nicht gut können. Und dann helfen<br />
ihnen auch die besseren Leseleistungen nicht mehr.<br />
Offenbar haben wir die Bedeutung <strong>von</strong> Bereitschaften <strong>und</strong> Einstellungen im<br />
Bildungsprozess bisher systematisch unterschätzt. Andere tun das nicht, z. B. die 16jährige<br />
Schülerin, die in einer Diskussion über die PISA-Ergebnisse als Beobachtung aus ihrer<br />
Klasse sagte: ıViele geben einfach zu früh auf... Wenn der erste Misserfolg kommt oder eine<br />
Sache schief läuft, wird oft schon alles einfach hingeschmissen.„<br />
Solche geschlechtsspezifischen Vorstellungen darüber, was Jungen bzw. Mädchen tun <strong>und</strong><br />
was sie besser oder weniger gut können, entwickeln sich bereits im Kindergartenalter. Ein<br />
Beispiel: Über den Einsatz <strong>von</strong> Computern im Kindergarten bzw. im Hort lässt sich<br />
trefflich streiten. Aber es gibt Einrichtungen, die das ausprobieren <strong>und</strong> ihre Erfahrungen in<br />
Fachzeitschriften beschreiben, zum Teil illustriert durch Fotos. Und Sie können wetten:<br />
Das Geschehen im Griff <strong>und</strong> die Maus in der Hand hat ein Junge. Und andächtig <strong>und</strong><br />
offenbar zufrieden in der dritten Reihe sitzt ein Mädchen!<br />
Geschlechtsbewusste Erziehung ist also ein Thema bereits für den Kindergarten <strong>und</strong> noch<br />
viel stärker für die Schule <strong>und</strong> den Hort.<br />
Um Bereitschaften <strong>und</strong> Einstellungen zu entwickeln, brauchen Kinder uns als Begleiter<br />
<strong>und</strong> als Spiegel, der ihnen die notwendigen Rückmeldungen gibt. Dabei müssen wir uns<br />
fragen, welches Vorbild wir den Kindern geben - hinsichtlich der eigenen<br />
Leistungsbereitschaft, der eigenen Geschlechtsrollenstereotype <strong>und</strong> auch hinsichtlich des<br />
eigenen Umgangs mit Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg.<br />
Bildung braucht Vorbilder<br />
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Was verstehen wir unter ıBildung„? Wir dürfen nicht zulassen, dass der Bildungsauftrag<br />
auf die Vermittlung <strong>von</strong> Wissen beschränkt wird, womöglich noch auf die ausschließliche<br />
Vermittlung <strong>von</strong> später beruflich nutzbarem Wissen.<br />
Eine sehr brauchbare aktuelle Definition <strong>von</strong> Bildung stammt vom ıForum Bildung„, einer<br />
Gruppe, die im Auftrag der B<strong>und</strong>esregierung (bereits vor PISA) Empfehlungen zu einer<br />
Reform des deutschen Bildungssystems entwickelt hat:<br />
2<br />
43
2 Bildung<br />
44<br />
Referate<br />
zielt gleichzeitig auf<br />
� die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit,<br />
� die Teilhabe an der Gesellschaft,<br />
� die Vorbereitung auf künftige Lebensabschnitte.<br />
Der erste Punkt beschreibt den ıalten Humboldt„ <strong>und</strong> sein Bildungsideal: Die Förderung<br />
der unverwechselbare Persönlichkeit mit all ihren Fähigkeiten, Interessen <strong>und</strong><br />
Einstellungen. Bildungsarbeit in diesem Sinn bedeutet Förderung auf allen Gebieten <strong>und</strong><br />
will verhindern, dass Menschen zwar "als Originale" geboren werden, aber ıals Kopien"<br />
sterben (vgl. Gruen 1997).<br />
Der zweite Punkt betrifft die Staatsbürgerin <strong>und</strong> den Staatsbürger <strong>von</strong> morgen. Die<br />
Formulierung eigener Standpunkte, die Vertretung eigener Interessen, die Respektierung <strong>von</strong><br />
Mehrheitsentscheidungen, der Schutz <strong>von</strong> Minderheiten, die Übernahme <strong>von</strong> Verantwortung<br />
- all das sind Dinge, die schon im Kindergarten gr<strong>und</strong>gelegt werden. Nur einmal<br />
angenommen, ein Maßstab für den Wert einer Gesellschaft wäre die Art, wie sie mit den<br />
Schwachen umgeht: Solche Werte können sich in der frühen Kindheit entwickeln.<br />
Und schließlich bedeutet Bildung auch - aber eben nur ıauch„ - die Vorbereitung auf<br />
künftige Lebens- <strong>und</strong> Lernabschnitte.<br />
Eine andere, sehr eingängige Bestimmung stammt <strong>von</strong> Prof. Hubert Markl, dem<br />
ehemaligen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft: "...sollte Bildung als der durch<br />
Erziehung unterstützte Entwicklungsprozess verstanden werden, der junge Menschen zu<br />
urteilsfähigen, selbstverantwortlichen <strong>und</strong> zugleich zur Verantwortung für ihre<br />
Mitmenschen <strong>und</strong> die gemeinsamen Lebensbedingungen fähigen <strong>und</strong> bereiten Mitgliedern<br />
einer sozialen Gemeinschaft macht. Zu Menschen, die sich ihrer kulturellen Herkunft <strong>und</strong><br />
Zugehörigkeit bewusst, aber dennoch weltoffen lernbereit sind, <strong>und</strong> die ihrem Leben <strong>und</strong><br />
Handeln auf der Gr<strong>und</strong>lage gemeinsam verbindlicher Werte Sinn <strong>und</strong> Inhalt zu geben<br />
vermögen. Altfränkisch knapper gesagt: Gebildet wäre dann, wer zugleich tugendhaft <strong>und</strong><br />
lebenstüchtig ist, auch wenn er dies nicht in literarischem Stil auszudrücken vermag.<br />
Lebenstüchtigkeit allein genügt nicht, dazu erweisen sich viel zu viele Lumpen als nur allzu<br />
tüchtig; <strong>und</strong> Tugend ohne Tüchtigkeit ist es, die jene Lumpen gerade so erfolgreich sein<br />
lässt." (In: Der Spiegel 32/2002, S. 62 f.)<br />
Was Markl im Blick hat, ist der Mensch mit dem aufrechten Gang: Der Mensch, der<br />
gelernt hat, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, der mit Schwierigkeiten fertig<br />
wird, der Verantwortung übernimmt, der sich einerseits an Regeln hält, der sich auf der<br />
anderen Seite aber auch nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.<br />
Solche Einstellungen werden nicht durch Predigten, sondern durch Vorbilder vermittelt:<br />
Insbesondere Schulkinder beobachten nicht nur genau, was andere Menschen tun, sondern<br />
sind auch sehr an der Frage interessiert, warum sie etwas tun oder lassen. Sie wollen wissen,<br />
wie menschliches Handeln begründet wird <strong>und</strong> werden kann. Und sie beobachten sehr<br />
genau, inwieweit das, was wir sagen <strong>und</strong> predigen, übereinstimmt mit dem, was wir selbst<br />
tun. Unsere Glaubwürdigkeit wird geprüft, <strong>und</strong> das Urteil der Kinder über uns - wie auch<br />
über andere Kinder - kann sehr rigoros ausfallen <strong>und</strong> ziemlich offen <strong>und</strong> rücksichtslos<br />
ausgesprochen werden. Wir sollten das Positive daran sehen: Schulkinder suchen tragfähige
Begründungen <strong>und</strong> Legitimationen für menschliches Handeln <strong>und</strong> die Regeln des<br />
Zusammenlebens <strong>und</strong>: Schulkinder suchen glaubwürdige Vorbilder.<br />
Wie glaubwürdig <strong>und</strong> wie tragfähig die Antworten waren, die wir ihnen zu geben versuchten,<br />
wird sich im Jugendalter zeigen, wenn eine Entwicklungsaufgabe darin bestehen wird, alle<br />
Wertvorstellungen, die mit der eigenen Lebensplanung - <strong>und</strong> der Lebensplanung anderer -<br />
zusammenhängen - so kritisch wie möglich auf den Prüfstand zu stellen.<br />
Literatur:<br />
Bilden sich Kinder selbst?<br />
Andresen, U (2000): Ausflüge in die Wirklichkeit. Gr<strong>und</strong>schulkinder lernen im Dreifachen Dialog. Weinheim<br />
Damon, W. (1984): Die soziale Welt des Kindes. Frankfurt a.M.<br />
Gruen, A. (1997): Der Verlust des Mitgefühls. Über die Politik der Gleichgültigkeit. München<br />
Hense, M. & Buschmeier, G.: Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule Hand in Hand. Chancen, Aufgaben <strong>und</strong> Praxisbeispiele.<br />
München 2002<br />
H<strong>und</strong>ertmarck, G.: Schuleintritt als Beginn eines neuen Abschnitts im Bildungsgang des Kindes. In: Sennlaub et al.:<br />
Schule-Eltern-Kindergarten: Praktizierte <strong>Kooperation</strong>. Düsseldorf 1979, S. 105f<br />
Katz, L.J. (1995): Talks with teachers of young children: A collection. New Jersey<br />
Krappmann, L. (1996): Die Entwicklung der Kinder im Gr<strong>und</strong>schulalter <strong>und</strong> die pädagogische Arbeit des Hortes. In: G.<br />
Berry & L. Pesch: Welche Horte brauchen Kinder? S.85-98<br />
Laevers, F. (1998): Understanding the world of objects and of people: Intuition as the core element of deep level learning.<br />
International Journal of Educational Research 29, S. 69-86<br />
Leu, H.-R. (1999): Wechselseitige Anerkennung - eine Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Bildungsprozessen in einer pluralen Gesellschaft. In:<br />
KiTa aktuell MO 9/1999, S.172-176<br />
Röhr, M. (1997): Kooperatives Lernen im mathematischen Anfangsunterricht – ein Praxisbericht. In: Gr<strong>und</strong>schule (3), S.32-37<br />
Roth, G. (1994): Das Gehirn <strong>und</strong> seine Wirklichkeit. Frankfurt/Main<br />
Schäfer, Gerd E. (1997): Aus der Perspektive des Kindes? Von der Kindheitsforschung zur ethnographischen<br />
Kinderforschung. In: Neue Sammlung 37. Jg., S. 377-394<br />
Schäfer, Gerd E. (1999): Frühkindliche Bildungsprozesse - Herausforderungen einer Pädagogik der Frühen Kindheit. In:<br />
Neue Sammlung 39. Jg., S. 213-226<br />
Scheunpflug, A (2001): Biologische Gr<strong>und</strong>lagen des Lernens. Berlin<br />
Singer, W. (1998): ıFrüh übt sich...„ - Zur Neurobiologie des Lernens. In: Mantel, G. (Hg.): Ungenutzte Potentiale. Wege<br />
zu konstruktivem Üben. Mainz, S. 43-53 Download unter http://www.mckinsey-bildet.de/40_links/40_downloads.phtml<br />
(04.07.2002)<br />
Singer, W. (2000): Wissensquellen - wie kommt das Wissen in den Kopf? In: Maar, C., Obrist, H.U. & Pöppels, E. (Hg.):<br />
Weltwissen, Wissenswelt, Burda Akademie zum Dritten Jahrtausend. Köln, S. 137-145 Download unter<br />
http://www.mckinsey-bildet.de/40_links/40_downloads.phtml (04.07.2002)<br />
Singer, W. (2001): Was kann ein Mensch wann lernen? Vortrag anlässlich des ersten Werkstattgesprächs der Initiative<br />
ıMcKinsey bildet„ in der Deutschen Bibliothek, Frankfurt/Main am 12. Juni 2001<br />
http://www.mpih-frankfurt.mpg.de/global/np/mckinsey.htm (20.08.2001)<br />
Singer, W. & Bibbig, A. (1996): Neurobiologie <strong>von</strong> Lernen <strong>und</strong> Gedächtnis. In G. Strube et al. (Hg.): Wörterbuch der<br />
Kognitionswissenschaft. Stuttgart, S. 428-434<br />
Spitzer, M.: Geist im Netz. Modelle für Lernen, Denken <strong>und</strong> Handeln. Heidelberg, Berlin, 2000<br />
Spitzer, M.: Wie unser Gehirn lernt. In: Forum Schule 4/2001; http://www.forumschule.de/archiv/04/fs04/magang.html<br />
(4.7.2002)<br />
Spitzer, M.: Lernen. Gehirnforschung <strong>und</strong> die Schule des Lebens. Heidelberg, Berlin 2002<br />
Treinies, G. & Einsiedler, W. (1989): Direkte <strong>und</strong> indirekte Wirkungen des Spielens im Kindergarten auf<br />
Lernbegleitprozesse/Lernleistungen im 1. Schuljahr. In: Unterrichtswissenschaft, 17. Jg., S. 309-326<br />
Westdeutscher R<strong>und</strong>funk (WDR) (Hg.): ıWie wir lernen„ Script zur WDR-Sendereihe ıQuarks &Co„. Mai 2001,<br />
Download unter www.quarks.de<br />
2<br />
45
2 Erste Überlegungen zu Umsetzungsmöglichkeiten der<br />
<strong>Kooperation</strong>svereinbarung in der Praxis<br />
46<br />
Petra Supplies<br />
Helgard Lewek<br />
Als ıgelebte„ <strong>Kooperation</strong> steht nachfolgender Dialog. Konkrete Vorstellungen werden <strong>von</strong><br />
beiden Seiten genannt <strong>und</strong> es wird deutlich, so kann es gehen.<br />
Frau Supplies: Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen, wir<br />
beide möchten Ihnen unser aller Thema noch etwas näher bringen, Sie noch ein Stückweit<br />
weiter mitnehmen. Vereinbarungen, sich vereinbaren, was bedeutet das eigentlich? Wir<br />
haben uns kurzerhand entschieden, dies ganz sinnbildlich zu machen. In wechselseitiger<br />
Rede werden wir <strong>Kooperation</strong> demonstrieren, <strong>Kooperation</strong> vorleben.<br />
Frau Lewek: Ich möchte Sie natürlich auch recht herzlich begrüßen. Mit dem jeweiligen<br />
Wechsel im Dialog möchten wir Ihnen zeigen, dass es immer auf die Situation ankommen<br />
wird. Wir haben heute viele Worte gehört: Wir müssen die Situation vor Ort analysieren,<br />
die momentanen Bedingungen so verknüpfen, dass optimale Lösungen für unsere Kinder<br />
greifbar werden. Das Ziel, <strong>und</strong> darauf wollte ich Sie noch mal hinweisen, kann nur sein,<br />
dass wir im Interesse der Entwicklung unserer Kinder uns annähern <strong>und</strong> uns im Prozess<br />
gegenseitig unterstützen. Dieser Qualtitätsschub in der Zusammenarbeit muss gelingen,<br />
um, wie Herr Jung es auch schon gesagt hat, erfolgreicher <strong>und</strong> noch besser positive<br />
Bedingungen für das Heranwachsen unserer Kinder zu schaffen.<br />
Frau Supplies: Dazu möchten wir eingangs noch mal drei Prämissen benennen, die uns<br />
als besonders wichtig erscheinen:<br />
� Als einen wichtigen Schwerpunkt möchte ich die Umsetzung des jeweils spezifischen<br />
Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrages <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> <strong>von</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schule benennen.<br />
� Es gibt aktuell wissenschaftliche Erkenntnisse über das frühkindliche Lernen, die<br />
permanent in die Praxis umgesetzt werden müssen.<br />
� Und es gibt die Rahmenbedingungen, nämlich die Vereinbarungen zwischen<br />
Sächsischem Staatsministerium für Soziales <strong>und</strong> Sächsischem Staatsministerium für<br />
Kultus <strong>und</strong> die heutige Vereinbarung hier in der Stadt Leipzig.<br />
Die erforderlichen Gr<strong>und</strong>lagen, um diesen spezifischen Bildungsauftrag im jeweiligen
Bereich umzusetzen, sind vorhanden. Jetzt müssen wir gemeinsam handeln.<br />
Zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong> in der Praxis<br />
Frau Lewek: Das bedeutet, wir müssen aufeinander aufsetzende <strong>und</strong> miteinander<br />
abgestimmte Angebote unterbreiten, die auf die Kinder entwicklungsfördernd wirken. Das<br />
sagt sich so leicht. Vor Ort bedeutet das, jeder Partner muss viel <strong>von</strong> dem anderen wissen:<br />
Was leistet der eine, wo setzt der andere seine Akzente? Hospitationen sind hier eine<br />
wirklich gute Möglichkeit, sich kennen zu lernen. Lehrer gehen in die<br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, aber genauso die Erzieherinnen in die ersten Klassen der<br />
Gr<strong>und</strong>schulen. So darf es aber nicht sein, nur hospitieren <strong>und</strong> dann <strong>von</strong>einander<br />
weggehen! Wir müssen debattieren, wir müssen auswerten <strong>und</strong> uns über Wahrgenommenes<br />
verständigen. Warum ist mir das so wichtig? Nur über einen solchen ständigen<br />
Austauschprozess können wir zu gemeinsamen Aktivitäten kommen, wobei die Betonung<br />
auf gemeinsam liegt. Wir müssen gemeinsam planen <strong>und</strong> gemeinsam müssen wir zu diesem<br />
Plan stehen. Aktionen müssen wir gemeinsam durchführen, auch im Blick auf die Eltern.<br />
Die Eltern anerkennen so, wie ernst <strong>und</strong> wie wichtig uns die Kinder sind.<br />
Und <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen müssen diesen Prozess gemeinsam<br />
reflektieren. Immer im Blick auf die Kinder, unbeschadet der Institution.<br />
Frau Supplies: Eine Herausforderung für beide Partner ist eine gelingende Eltern- <strong>und</strong><br />
Familienarbeit. Im Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetz steht dazu, die Pflege <strong>und</strong> Erziehung der<br />
Kinder ist das natürliche Recht der Eltern <strong>und</strong> die ihnen zuförderst obliegende Pflicht.<br />
Eltern sind in der Regel die kompetentesten Ansprechpartner für alle Belange ihrer Kinder.<br />
Das sollten wir würdigen <strong>und</strong> wir sollten sie partnerschaftlich insbesondere in diesen<br />
Prozess mit hinein nehmen. Ja, liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen - Vereinbarungen, noch ein<br />
paar gr<strong>und</strong>legende Gedanken <strong>von</strong> uns dazu.<br />
2<br />
47
2 Frau<br />
48<br />
Referate<br />
Lewek: Der erste wäre: Jeder entwickelt sich stets in seiner ganz konkreten Umwelt<br />
<strong>und</strong> auf die ihm eigene Weise. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird es keine Vorgaben derart geben, so<br />
muss dieses Konzept, dass die Kindertageseinrichtung X mit der Gr<strong>und</strong>schule Y hat,<br />
aussehen! Gehen Sie Ihren eigenen Weg, gestalten Sie mit den vorhandenen Potenzialen, in<br />
der konkreten Situation, diesen Prozess auf der Basis des Vertrauens, der Transparenz, der<br />
Akzeptanz <strong>und</strong> Offenheit. Ich bin persönlich ganz tief überzeugt, dass uns dies nur gelingt,<br />
wenn die Beziehungsebene zwischen den beiden Partnern gepflegt <strong>und</strong> ausgebaut wird. Das<br />
passiert nicht im Selbstlauf. Hier, denke ich, brauchen beide Institutionen noch Zeit: Das<br />
Vertrauen zueinander muss wachsen, die Bewusstheit muss sich entwickeln - wir wollen<br />
gemeinsam im Interesse unserer Kinder wirken.<br />
Heute wurde schon viel über Übergänge gesprochen, über diese schwierige Situation. Und<br />
auch, dass das nicht einfach ist, der Übergang <strong>von</strong> einem System in ein anderes. Er wird<br />
auch immer Knackpunkte geben! Aber jeder, der sich in einer Übergangsphase befindet<br />
<strong>und</strong> diese erfolgreich gestalten will, muss sich anpassen. Für uns bedeutet das eine doppelte<br />
Anpassung. Beide Einrichtungen müssen sich neu orientieren, um gemeinsam gestalten zu<br />
können. Das bedeutet auf beiden Seiten Veränderungen. Veränderungen, die notwendig<br />
sind, wenn wir besser werden wollen.<br />
Frau Supplies: Über diesen Dialog, in den Sie treten werden, -ich möchte sogar einen<br />
Trialog einfordern, um die Eltern in diesem Aushandlungsprozess <strong>von</strong> Beginn an<br />
mitzunehmen, - kommen Sie in die Diskussion darüber, welche Möglichkeiten Sie<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer spezifischen Kompetenzen haben, um sich in die gemeinsame Arbeit<br />
einzubringen: Ich bin mir gewiss, dass Sie dabei auf unterschiedliche Sichtweisen stoßen<br />
werden. Dann gilt es, zu diskutieren, zu verhandeln <strong>und</strong> abzugleichen, um eine Recht- /<br />
Unrechtdiskussion sachorientiert zu führen <strong>und</strong> den gemeinsamen ıNenner„ zu finden.<br />
Dann werden gemeinsame Festlegungen getroffen, termingenau <strong>und</strong> abrechenbar.<br />
Frau Lewek: Das setzt natürlich ein hohes Verantwortungsbewußtsein bei allen voraus.<br />
Natürlich haben SchulleiterInnen <strong>und</strong> KindertagesstättenleiterInnen hier eine besondere<br />
Verantwortung, aber nicht die alleinige. Jeder in dem Bereich Tätige trägt Verantwortung!<br />
Jeder muss im Jetzt <strong>und</strong> in der heutigen Zeit diese Verantwortung übernehmen, artikulieren<br />
<strong>und</strong> natürlich bewusst ausleben.<br />
Frau Supplies: Und sie werden nicht zuletzt ihre Zusammenarbeit regelmäßig reflektieren,<br />
dabei Bewährtes fortführen <strong>und</strong> Neues entwickeln. Damit alle Beteiligten, nämlich Eltern,<br />
Kinder, Lehrer <strong>und</strong> Erzieher, einen Nutzen da<strong>von</strong>tragen!<br />
Frau Lewek: Engagiertes Arbeiten wird immer <strong>von</strong> Motivation getragen. Ich könnt jetzt<br />
fast sagen Gott sei dank. Vieles geschieht über unsere eigene Motivation <strong>und</strong> beflügelt uns,<br />
auch ein bisschen mehr zu tun als man tun müsste. Denn eines, dass wissen wir beide <strong>und</strong><br />
alle hier im Raum, viel Arbeit wird es machen, viel Zeit kosten, um unsere gesteckten Ziele<br />
zu erreichen. Der bedeutendste Ansatz muss der sein, die Übergangsphase transparent zu<br />
gestalten <strong>und</strong> damit den Kindern Sicherheit zu vermitteln, Verlässlichkeit auf die<br />
Erwachsenen zu demonstrieren <strong>und</strong> das wichtigste, Freude zu geben.<br />
Freude auf die Schule. Ich war lange genug Lehrerin <strong>und</strong> hatte viele erste Klassen, es ist
Zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong> in der Praxis<br />
nichts wichtiger als Freude zu haben. Freude am Lernen, dass ist die beste Voraussetzung.<br />
Kinder spüren dann: ıIch weiß <strong>von</strong> meiner Schule etwas, die Schule weiß was ich schon<br />
alles kann, hat meine Zeichnungen gesehen, hat mich erlebt.„ Das macht Kinder stark <strong>und</strong><br />
bringt ihnen Entwicklungszuwachs. In welchen Bereichen, da haben wir uns auch festgelegt,<br />
dass ist für <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen ja einheitlich – Sprache,<br />
emotional-soziales Verhalten, Alltagswissen usw.<br />
Frau Supplies: Selbstverständlich haben auch die Eltern einen Nutzen <strong>von</strong> dieser<br />
<strong>Kooperation</strong>. Für Eltern wird dabei gesichert, dass Sachverständige ihre Kinder in der<br />
Übergangsphase begleiten. Das sie beruhigt dem nächsten Lebensabschnitt ihres Kindes<br />
entgegenblicken können. Sie können da<strong>von</strong> ausgehen, dass klare Ziele verfolgt werden <strong>und</strong><br />
sie auf Basis professioneller Beobachtung eine Rückkopplung über die Leistung ihres<br />
Kindes erwarten können. Sie sind mit dem Entwicklungsgeschehen genauso vertraut wie die<br />
ErzieherInnen <strong>und</strong> LeiterInnen <strong>und</strong> LehrerInnen. Dass ein offener <strong>und</strong> fairer<br />
Kommunikationsprozess in Gang gesetzt wird, dass erleben Eltern in diesem Trialog. Sie<br />
gewinnen die Überzeugung <strong>und</strong> Gewissheit, dass der Übergang vom Kindergarten in die<br />
Gr<strong>und</strong>schule ohne Brüche für ihre Kinder vor sich geht. Zur Zeit erlebe ich auch viele,<br />
viele Fragen <strong>von</strong> Eltern, eine hohe Interessiertheit am Geschehen, aber auch gleichzeitig<br />
Ängste, die mitschwingen. Ich glaube über zeitiges Informieren, Aufklären <strong>und</strong> Einbeziehen<br />
der Kompetenz <strong>von</strong> Eltern in diesen Prozess können wir den Eltern die Gewissheit <strong>und</strong><br />
Sicherheit geben, die sie brauchen, um ihr Kind auf diesem Lebensabschnitt zu begleiten.<br />
Frau Lewek: LehrerInnen könnten jetzt denken, habe ich da<strong>von</strong> wirklich einen Nutzen?<br />
Nicht nur viel mehr Arbeit als sonst. Aber ich bin mir sicher, so bald man sich mit den<br />
Fakten auseinandersetzt fallen Ihnen viele Argumente ein, die den Berufsalltag erleichtern.<br />
Eine Vielzahl an Informationen über das Umfeld des Kindes, über das Kind selbst, über die<br />
2<br />
49
2 Eltern<br />
50<br />
Referate<br />
<strong>und</strong> über die, die das Kind bis jetzt begleitet haben, bekommen wir <strong>von</strong> den<br />
Kindergärtnerinnen. Die Kindergärtnerinnen konnten sich natürlich in den drei Jahren, in<br />
denen sie die Kinder begleiteten, ein umfassendes Bild <strong>von</strong> jedem einzelnen machen. Der<br />
Informationsaustausch zwischen Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule ermöglicht eine präzise<br />
Beschreibung der Lernsituation <strong>und</strong> ist gute Voraussetzung für einen erleichterten<br />
Schulstart. Es gibt auch Beispiele, wie Elternblätter mit Hinweisen zur Sprachförderung, die<br />
gemeinsam <strong>von</strong> Schule <strong>und</strong> Kita erarbeitet wurden. Beispiele zur Unterstützung eines<br />
gelingenden Schulstarts. In solchen Entwicklungsprozessen, im Hinterfragen der eigenen<br />
Arbeit, erhöht sich auch die eigene Professionalität, der Blick für Herausforderungen wird<br />
geschärft. Ganz wichtig dabei ist, dass wir produktorientiert Handeln. Es geht nicht nur<br />
darum zu sagen, was tue ich <strong>und</strong> was du, sondern, wo wollen wir gemeinsam hin. Diese<br />
Orientierung ist im Sinne der Kinder zu nutzen!<br />
Frau Supplies: Nicht zuletzt erfährt auch die Erzieherin in dieser Übergangsphase einen<br />
Wertgewinn. Sie erfährt Wertschätzung <strong>und</strong> Anerkennung für das Geleistete der letzten<br />
Jahre. Aber auch Trauer spielt eine Rolle -Kinder ein stückweit begleitet zu haben <strong>und</strong> sie<br />
dann zu entlassen in einen nächsten Lebensabschnitt - ich glaube, genau das ist die<br />
Gefühlslage.<br />
Die Kompetenzen der Erzieherin in diesem Prozess wachsen beständig, die<br />
Professionalisierung ihrer Arbeit nimmt zu. Ich möchte nur auf die<br />
Entwicklungsdokumentationen für die einzelnen Kinder verweisen. Ein gutes Beispiel auch<br />
für die allseits geforderte Transparenz. In Falle dieser Portfolios haben wir bereits ein gutes<br />
Feedback, <strong>von</strong> Erzieherinnen <strong>und</strong> Eltern gleichermaßen. In der angestrebten <strong>Kooperation</strong><br />
sehen wir ausgezeichnete Reflektionsmöglichkeiten für geleistete Arbeit zweier vertrauter<br />
Partner nach langjährigem Beziehungsaufbau. Genießen Sie es!
Zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong> in der Praxis<br />
Frau Lewek: Wir möchten Ihnen noch etwas auf den Weg geben. Wir möchten darauf<br />
hinweisen, welche Aspekte aus unserer heutigen Sicht eine Vereinbarung zwischen<br />
Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule unbedingt beinhalten muss, Dinge, die<br />
entscheidend <strong>und</strong> unverzichtbar sind.<br />
Frau Supplies: Es geht uns dabei überhaupt nicht darum festzuschreiben, wann Sie sich,<br />
wo wer mit wem zu welchem Thema zusammensetzen, sondern wir zeigen Gr<strong>und</strong>sätzliches<br />
auf. Ich möchte hier an den Worten <strong>von</strong> Herrn Jung anknüpfen, die ja auch in der<br />
<strong>Kooperation</strong>svereinbarung fixiert sind. Es geht uns darum, dass jede Schule <strong>und</strong> jede<br />
Kindertageseinrichtung mindestens eine Partnereinrichtung findet <strong>und</strong> mit dieser eine<br />
Vereinbarung schließt. Wir haben hier schon w<strong>und</strong>erbare Modelle, wo sich drei, vier ja bis<br />
fünf <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> unterschiedlicher Trägerschaft zusammengef<strong>und</strong>en haben <strong>und</strong><br />
mit einer Gr<strong>und</strong>schule gemeinsam im Gespräch sind. Nicht additiv, sondern miteinander die<br />
Dinge vorbereiten, umsetzen <strong>und</strong> zum Abschluss bringen. Diese Modelle sind verschriftlicht.<br />
Dies zu Anregung! Denn wie gesagt, das Mifa-Fahrrad müssen wir nicht neu erfinden.<br />
Frau Lewek: Unverzichtbar ist wirklich, dass sich die Partner auf gleicher Augenhöhe<br />
begegnen – eine gleichberechtigte, produktorientierte Zusammenarbeiten gewährleistet ist.<br />
Hier wird man viel Zeit investieren müssen, um auch wirklich vieles auszudiskutieren, neue<br />
Akzente zu setzen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wie Frau Supplies schon sagte,<br />
ıTag der offenen Tür„ in Schulen <strong>und</strong> Kindertageseinrichtung gibt es schon immer,<br />
Kennenlerntage auch, wir wünschen uns jetzt gemeinsame Schnuppertage. Gemeinsame<br />
Aufgaben, die Sie entwickeln. Als Beispiel möchte ich die Sprachförderung nennen. Und<br />
genau zu diesem Punkt gemeinsame Teamsitzungen, um die Entwicklung zu befördern.<br />
Frau Supplies: Zuletzt, aber eine der drei wichtigsten Botschaften, die wir ihnen heute<br />
auch für die Praxisausgestaltung mitgeben möchten, ist die, die Elternberatung,<br />
Elternmitwirkung gemeinsam prozesshaft abzustimmen <strong>und</strong> zu organisieren. Dass Eltern<br />
auch das Gefühl haben, hier wird miteinander geredet, das verzahnt sich <strong>und</strong> wir sind ein<br />
wichtiger Baustein in diesem Geschehen. So wird das Sicherheitsgefühl erhalten <strong>und</strong> zum<br />
anderen können Sie hier ihre Kompetenzen in diesen Prozess einbringen.<br />
2<br />
51
Diskussion
3 Diskussion<br />
54<br />
Dieser Abschnitt der Broschüre ist dreigliedrig angelegt.<br />
Der erste Teil beinhaltet einen Fragen-Antworten-Katalog zum Referat <strong>von</strong> Herrn Dr. Strätz.<br />
Im zweiten Teil werden erste Erläuterungen des Beigeordneten Herrn Jung zur <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />
wieder gegeben.<br />
Im dritten Teilabschnitt wird die Abschlussdiskussion dargestellt.<br />
Die Moderation für die gesamte Veranstaltung hat Frau Carla Schneider, Jugendamt, übernommen.<br />
Alle drei Teilabschnitte sind redaktionell überarbeitet <strong>und</strong> leicht gekürzt.<br />
Teil I – Fragen-Antworten-Katalog<br />
Moderation: Ein Dank nochmals an den Referenten. Ich bin mir gewiss, das eine oder<br />
andere Bild wird mit Sicherheit in Ihrem ıErwachsenenhirn„ bleiben als Ergebnis des<br />
Selbstbildungsprozesses, vielleicht mehr als die Buchstaben, die Sie dann gedruckt als<br />
Dokumentation erhalten werden. Nutzen Sie die Zeit <strong>und</strong> fragen Sie den Referenten! Noch<br />
eine Anmerkung: Alle namentlich nicht bekannten Anfrager werden im folgenden mit<br />
ıTeilnehmerIn„ betitelt.<br />
TeilnehmerIn: Was passiert, wenn man das Einschulungsalter heruntersetzt?<br />
Herr Dr. Strätz: Es wird dann eine andere Art <strong>von</strong> Didaktik des ersten Schuljahres geben<br />
müssen. Zumindest zeigt das das niederländische Beispiel. Die Niederländer haben eine<br />
sogenannte Basisschule, in die Kinder mit fünf Jahren eingeschult werden. Was in dieser<br />
Schulart vermittelt wird ist genau das, was üblicherweise bei uns in der Kita passiert.<br />
Altersangepasst muss sich die Gr<strong>und</strong>schuldidaktik für dieses neue erste Schuljahr ändern.<br />
Man kann nichts vorwegnehmen. Behaupte ich zumindest.<br />
TeilnehmerIn: Ist es angedacht, dass sich an der Schuluntersuchung etwas ändert? Nur ein<br />
Beispiel: Es sind sechs Kinder, aber nur fünf Äpfel. Das Kind wird nach einer Lösung<br />
gefragt <strong>und</strong> sagt, ich bastle noch einen Apfel. Die Antwort ist falsch... So sollte es doch<br />
nicht sein! Oder?<br />
Herr Dr. Strätz: Ich kenne die Umstände der Einschulung im Freistaat Sachsen nicht!<br />
Aber ich kann Ihnen erzählen, was zwischen Rhein <strong>und</strong> Weser passiert. Es ist vielleicht das<br />
gleiche Thema. Wir überlegen, wie wir die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schule nutzen können, damit so etwas wie der geschilderte Fall nicht mehr passiert.<br />
Die Voraussetzung dafür scheint zu sein, dass Erzieherinnen <strong>und</strong> Lehrkräfte den<br />
Arbeitsalltag der jeweils anderen Seite besser kennen lernen! Erst wenn es an jeder<br />
Gr<strong>und</strong>schule eine Lehrerkraft gibt, die mehrere Kitas <strong>von</strong> innen kennt <strong>und</strong> weiß wie dort<br />
gearbeitet wird <strong>und</strong> umgekehrt, dass in jeder Kita eine Erzieherin weiß wie Gr<strong>und</strong>schulen<br />
heute arbeiten. Dann wird sich ein Klima der Zusammenarbeit entwickeln, das dann auch<br />
erlaubt, darüber zu reden, wie gestalten wir den Übergang. Zum Übergang gehört auch,<br />
dass die Informationen über ein bestimmtes Kind zwischen den Institutionen ausgetauscht
Teil I – Fragen-Antworten-Katalog<br />
werden. Und das wiederum nicht ohne Eltern! Es müsste ein Gespräch sein, in dem man<br />
sich über dieses Kind unterhält: was sind seine Interessen, was sind seine Bedürfnisse, wie<br />
ist seine Entwicklung. Die Erzieherin <strong>und</strong> die Eltern legen ihre Sicht offen dar <strong>und</strong> die<br />
Lehrkraft spricht darüber was sie bisher wahrgenommen hat <strong>und</strong> welche Erwartungen sie<br />
hat. So könnte es gehen!....<br />
Was nicht funktioniert..., <strong>und</strong> da machen gerade einige Kommunen im Ruhrpott ihre<br />
Erfahrungen, sind Testverfahren! Die meisten wichtigen Informationen werden in dieser<br />
Altersstufe so nicht gewonnen. Gerade im Sprachverhalten, aber auch in anderen Bereichen,<br />
sind Kinder sehr abhängig in ihrer Testleistung <strong>von</strong> der jeweiligen sozialen Situation. Es<br />
gibt Kinder, die schnattern wie ein Wasserfall mit ihrer Erzieherin in der Kita <strong>und</strong> sie<br />
bekommen, wenn sie zum ersten Mal mit der Lehrerin zusammen sind, den M<strong>und</strong> nicht<br />
auf. Das ist so in diesem Alter. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, irgendwelche<br />
Verfahren zu entwickeln, die das in Zahlen <strong>und</strong> Werte fassen können...<br />
Signifikante Ergebnisse wird dieser <strong>Kooperation</strong>sprozess nach meiner Einschätzung bei<br />
unseren rheinischen Kollegen in etwa fünf Jahren bringen.<br />
Moderation: Vielen Dank Herr Dr. Strätz für die Beantwortung dieser Frage. Frau Koch,<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus, möchte noch Ausführungen zu dieser Frage<br />
machen.<br />
Frau Koch: Genau das ist Anliegen dieser <strong>Kooperation</strong>svereinbarung: Amtsarzt,<br />
Kindergärtnerin <strong>und</strong> künftige Gr<strong>und</strong>schullehrerin sowie natürlich auch die Eltern sind im<br />
Bündnis, um einen positiven Übergang für unsere Kinder zu gestalten. Solche<br />
Negativbeispiele, wie das eingangs erwähnte, bei Schuluntersuchungen sind bekannt. Auch<br />
diesen sollen durch die <strong>Kooperation</strong>svereinbarung getilgt werden. Ein erster Schritt dazu<br />
sind die Veränderungen in der Schulges<strong>und</strong>heitspflegeverordnung.<br />
Moderation: Vielen Dank Frau Koch für die aktuellen Informationen. Ich gebe Herrn<br />
Schlosser, Sächsisches Staatsministerium für Soziales, das Wort.<br />
Herr Schlosser: Herr Dr. Strätz, an einer Stelle nannten Sie der Begriff vom gleitenden<br />
Übergang. Er sei sozusagen ein bisschen zu den Akten gelegt <strong>und</strong> Sie sprachen vom Schritt.<br />
Das kam dann aber ein bisschen zu kurz, vielleicht können Sie diesen Gedanken vertiefen.<br />
Herr Dr. Strätz: Mein Lieblingsbeispiel dazu aus einer Kita in Düsseldorf. Kinder im<br />
Alter <strong>von</strong> 0 bis 14 Jahren werden dort betreut <strong>und</strong> gefördert. Die hat einen w<strong>und</strong>erschönen<br />
Haupteingang, den alle Kinder benutzen, weil man auch im Flur riechen kann, was es zu<br />
essen geben wird. Alle Kinder gehen durch den Haupteingang - mit einer Ausnahme, die<br />
Schulanfänger! Diese gehen nicht durch den Haupteingang. Sie gehen am Gebäude vorbei,<br />
gehen am nächsten Gebäude vorbei, sie gehen einen kleinen Weg hinein in den Innenhof<br />
<strong>und</strong> dann über die Feuerleiter direkt in den ersten Stock - in ihre Hortgruppe. Der Gr<strong>und</strong><br />
ist, sie mit dem ıGrobzeug„ da unten nichts zu tun haben! Das gibt sich im Laufe des<br />
Schuljahres. Sinnbildlicher kann man nicht beschreiben, was Schuleintritt unseren Kindern<br />
bedeutet!<br />
3<br />
55
3 Aber<br />
56<br />
Diskussion<br />
zunächst einmal haben Kinder das Recht, das man ihnen deutlich macht: Wir<br />
nehmen wahr, dass ihr einen Schritt vollzogen habt! Die Kinder müssen erfahren, dass sie<br />
jetzt nicht mehr Kindergartenkind, sondern Schulkind/ Hortkind sind. Das Recht haben<br />
sie! Wie nutzt man jetzt wirklich das Expertenwissen <strong>von</strong> Kindern, die diesen Schritt hinter<br />
sich haben? Ein w<strong>und</strong>erschönes Beispiel dazu aus dem Buch ıKindergarten <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schule – Hand in Hand„. Die Frage ist doch die, wie gehen wir mit den<br />
Befürchtungen der Kindern, der Eltern um? Wie wird es in der Schule sein? Der Trick ist,<br />
man organisiert eine Freizeitaktivität im Sommer, man lädt dazu die Kinder ein, die vor<br />
einem Jahr eingeschult worden sind. Man nimmt sich ein Thema vor, z. B. Indianer, dann<br />
bauen die Kinder – Schulstarter <strong>und</strong> Erstklässler- gemeinsam Tippis. Aber eigentlich<br />
schnattern sie, sie schnattern über die Schule. Die Experten, die Erstklässler, erzählen dann<br />
wie Schule wirklich ist! Das nimmt Unsicherheiten – bei Kindern <strong>und</strong> Eltern!<br />
Wichtig ist, dass die Erwachsenen den Kindern deutlich machen, du hast einen<br />
Entwicklungsschritt getan <strong>und</strong> du kannst auch stolz darauf sein!<br />
Der Übergang sollte für die Kinder schon ein Schritt sein, aber doch so gestaltet, dass das<br />
Kind sich auf einer ızu hohen„ Treppenstufe nicht gleich einen Arm bricht!<br />
Moderation: Frau Koch, Sie hatten noch eine Anfrage?<br />
Frau Koch: Ich habe keine Frage, mir hat nur ein Satz so sehr gut gefallen: ıDer Mensch<br />
wird als Original geboren <strong>und</strong> sollte nicht als Kopie sterben!.„ Ich meine, das sollten wir<br />
bei aller Pädagogik bedenken <strong>und</strong> unsere Kraft dafür einsetzen, dass dieser Satz uns stets<br />
gegenwärtig ist. Jeder sollte selbst reflektieren, ob er schon zur Kopie geworden ist oder<br />
noch das Original.<br />
Herr Dr. Haller: Frau Koch, ich möchte gern an Ihre Worte anschließen. Ich bin mal vor<br />
20 Jahren als Schulpsychologe gestartet. Ich frage mich nach diesem Vortrag, ob ich in der<br />
Jugendhilfe ıverkommen„ bin? Das würde ich so nie mit ja beantworten, aber was er<br />
andeutet, da sehe ich mich in der gleichen Schublade. Wir sind irgendwo, Herr Dr. Strätz,<br />
schon Jugendhilfe. Das ist auch gut so. Aber wir können nur mit einem starken Partner auf<br />
einer anderen Seite das realisieren, was hier in der <strong>Kooperation</strong>svereinbarung drin steht. Es<br />
gibt Zuständigkeiten auch aus gutem Gr<strong>und</strong>. Aber erreichen werden wir nur etwas, wenn<br />
wir aus diesen Schubladen heraus kommen <strong>und</strong> so habe ich ihren Vortrag als Jugendhilfe,<br />
Herr Dr. Strätz, auch verstanden. Wir sind auf dem Weg, aber wir müssen noch tüchtig<br />
voranschreiten. Das hat mir sehr gut gefallen.<br />
Herr Jung: Mir geht es noch einmal um das Menschenbild. Ich möchte provozieren. Herr<br />
Dr. Strätz, letztlich liegt den Gr<strong>und</strong>lagen, die sie entwickelt haben, auch ein Stufenmodell<br />
zu Gr<strong>und</strong>e oder habe ich das falsch verstanden, dass Menschen sich entwickeln <strong>und</strong> dass<br />
wir bei Übergängen helfen? Kurzum, meine Frage ist die, wie erreichen wir diesen<br />
optimalen Spannungsbogen zwischen dem berechtigten Anliegen Übergange zu gestalten,<br />
verlässlich zu agieren <strong>und</strong> dennoch die Individualität des Menschen in seiner jeweiligen<br />
Lebensaltersstufe ganz <strong>und</strong> gar zu akzeptieren <strong>und</strong> anzunehmen?<br />
Herr Dr. Strätz: Übergänge sind immer kritische Phasen in unserem Leben <strong>und</strong> der
Übergang vom Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule ist ja nur einer. Natürlich, ein Kind ist<br />
ein kompletter Mensch, mit all seinen Rechten. Alle haben Übergänge im Laufe des Lebens<br />
zu absolvieren. Da ist der Übergang in das Berufsleben, der Übergang in die Partnerschaft<br />
hinein. Wer hilft Menschen, die eine Partnerschaft aufbauen wollen, aber damit ihre<br />
Schwierigkeiten haben?<br />
Wenn Sie sich erinnern als Ihre Kinder in die Schule kamen war dies auch für Sie ein<br />
einschneidendes Erlebnis! Sicher waren Sie zunächst einmal massiv verunsichert. Sie waren<br />
schon an dem interessiert, was auf das Kind zukommt: Aber Sie waren auch beunruhigt<br />
<strong>und</strong> haben auch ein Stück Trauerarbeit geleistet. Unser Kind ist kein Kindergartenkind/<br />
Kleinkind mehr, es ist jetzt ein Schulkind. Deshalb sind Eltern auch manchmal so nervlich<br />
angeschlagen in dieser Phase des Überganges. Natürlich kann man sagen: Jeder Mensch ist<br />
in jeder Phase seines Lebens ein Mensch mit eigenem Recht <strong>und</strong> dem jeweiligen Alter<br />
entsprechender Individualität. Jeder Mensch hat Übergänge zu bewältigen <strong>und</strong> jeder<br />
Mensch hat Anspruch auf Hilfe dabei!<br />
Moderation: Ich möchte mit den Worten <strong>von</strong> Norbert Strömer ıLieber auf neuen Wegen<br />
stolpern, als in alten Bahnen auf der Stelle treten„ zum nächsten Programmpunkt<br />
überleiten.<br />
Teil II – Die <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
Teil II – Die <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />
das Vorwort unserer <strong>Kooperation</strong>svereinbarung habe ich Ihnen ja schon näher gebracht.<br />
Gemeinsame Verantwortung <strong>und</strong> gemeinsame Aufgabe – das ist es, was für uns auf der<br />
Agenda steht. Und das ist eine wirklich neue Qualität. In der Tat hat Herr Hüchelheim<br />
Recht, wir müssen das Fahrrad nicht zweimal erfinden. Aber wir alle wissen auch, wir<br />
haben momentan ein ganz anderes, ein richtig hohes Ansatzniveau. In den gesetzlichen<br />
Gegebenheiten <strong>von</strong> Jugendhilfe <strong>und</strong> Schule sind die gemeinsame Verantwortung für den<br />
Übergang <strong>und</strong> das Miteinander bei der Entwicklung, Begleitung <strong>und</strong> Förderung unserer<br />
Kinder klar festgeschrieben. Eine für jeden Beteiligten fassbare Qualität. Unsere Anliegen<br />
auf der Umsetzungsebene muss es nun sein, gemeinsam sich zu Gr<strong>und</strong>haltungen <strong>und</strong><br />
Maßnahmen zu bekennen, abzustimmen <strong>und</strong> optimale Übergänge zu gestalten.<br />
Wie wollen wir das gestalten? Ich zitiere aus dem gemeinsamen Papier der Ministerien, in<br />
dem es da heißt, ı...gemeinsame Vorhaben tragen nur dann wirklich zur <strong>Kooperation</strong> bei,<br />
wenn sie gemeinsam geplant, gestaltet <strong>und</strong> reflektiert werden„. Das ist, wie ich meine, ein<br />
gr<strong>und</strong>legender Passus, den wir verinnerlichen müssen. Gemeinsam planen, die Ideen<br />
zusammenführen <strong>und</strong> gemeinsam umsetzen – so sollte unsere <strong>Kooperation</strong> funktionieren.<br />
Unserer heutigen Auftaktveranstaltung sollen regelmäßige Austauschr<strong>und</strong>en zwischen den<br />
Partnern folgen. Die verantwortlichen MitarbeiterInnen des Regionalschulamtes <strong>und</strong> des<br />
Jugendamtes erarbeiten dazu einen Themenkatalog mit entsprechender Zeitschiene für die<br />
3<br />
57
3 weitere<br />
58<br />
Diskussion<br />
Arbeitstreffen.<br />
An der Stelle hier ein Exkurs. Das Jugendamt ist zwar örtlicher Träger <strong>von</strong><br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, aber auch Partner für freie Träger dieses Leistungsbereichs. Wir<br />
haben in der Stadt Leipzig zur Zeit 202 Kindertagesstätten, da<strong>von</strong> nur noch 60 kommunale<br />
Einrichtungen. Diese Zahlen verdeutlichen wie wichtig es ist, die freien Träger <strong>von</strong> Beginn<br />
an in diesen Prozess partnerschaftlich einzubinden. Hier meine eindringliche Botschaft an<br />
die freien Träger. – Bringen Sie sich aktiv ein. Wie mir Frau Supplies versicherte, werden<br />
Ihre Aktivitäten im Amt erwartet. Wir alle wollen gemeinsam ıTun„.<br />
Gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage. Wir möchten gern nachhaltig belegen, was wir<br />
uns vornehmen. Die Entwicklungsdokumentation der Kinder in der Kita sollen zu einem<br />
Arbeitspapier für Erzieherin <strong>und</strong> Lehrerin werden, als Gr<strong>und</strong>lage für gemeinsame<br />
Entwicklungsgespräche zwischen Eltern, Lehrern <strong>und</strong> Erziehern dienen. Und das<br />
insbesondere in der Übergangsphase.<br />
Gemeinsame Arbeitsgr<strong>und</strong>lagen, gemeinsame inhaltliche Gr<strong>und</strong>lagen setzen voraus, dass<br />
man sich zum Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrag verständigt. Kurz um: Was für ein<br />
Menschenbild prägt uns? Was ist Bildungsauftrag? Wie formulieren wir Bildung? Das muss<br />
miteinander besprochen werden, so dass das Vorschulhalbjahr, die optimierte<br />
Schuleingangsphase, unter diesem Aspekt eines gemeinsamen Bildungsauftrages <strong>und</strong><br />
Erziehungsbegriffs ausgestaltet wird.<br />
Jedes Kind erhält die Möglichkeit, im letzten Kindergartenjahr eine Schule <strong>und</strong> einen Hort<br />
kennen zu lernen. Hier in Leipzig haben wir folgendes Problem: 70 Gr<strong>und</strong>schulen <strong>und</strong> 202<br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong>. Das Optimum, dass jedes Kind exakt mit der Gr<strong>und</strong>schule<br />
Kontakt bekommt, die es später besucht, werden wir wohl nicht erreichen. Also geht es uns<br />
vor Ort um praktikable Lösungen. Rein rechnerisch müsste eine Schule für drei<br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> in der Verantwortung stehen. Das ist ein hoher Anspruch <strong>und</strong><br />
für die Schulen eine Belastung. Das bindet Personalkapazitäten. Ich weiß, wie es in der<br />
Gr<strong>und</strong>schule in Hinblick auf Teilzeitvereinbarungen <strong>und</strong> Auslastungsfragen aussieht. Vor<br />
uns stehen echte Herausforderungen, die wohl durchdacht sein müssen. Lösungen so<br />
nebenher sind nicht zu erwarten! Dennoch sollen alle Kinder, die eingeschult werden, im<br />
Vorfeld die Möglichkeit haben, schulisches Arbeiten, schulische Räume <strong>und</strong> schulische<br />
Möglichkeiten kennen zu lernen <strong>und</strong> Erfahrungen zu sammeln. Insofern mein Appell an<br />
die anwesenden Gr<strong>und</strong>schulvertreterInnen. - Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen finden!<br />
Erziehungspartnerschaft mit Eltern. Ich habe das heute morgen schon thematisiert <strong>und</strong> will<br />
darauf verweisen, ohne Eltern wird unsere <strong>Kooperation</strong>svereinbarung nicht funktionieren.<br />
Ich spreche auch ganz bewusst den Gesamtelternrat Kindertagesstätten <strong>und</strong> den<br />
Schulelternrat an. Wir brauchen auch diese Akteure im Boot, um unser modellhaftes<br />
Vorgehen zu realisieren. Auch alle Eltern sind als Partner in diesem Prozess gefragt,<br />
ansonsten kann er nicht gelingen.<br />
Engagement <strong>und</strong> Dialogbereitschaft im Umgang mit allen Beteiligten. Eine<br />
Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> eine Schule, das sind immer Einrichtungen in einem sozialen
Raum. Es gibt immer eine Nachbarschaft, es gibt Vereine <strong>und</strong> Verbände, es gibt Wirtschaft,<br />
es gibt Handwerk, es gibt Einzelhandel usw. Wir wissen alle, dass Kindergarten <strong>und</strong> Schule<br />
sich im Rahmen der Sozialräumlichkeit öffnen. <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> werden zum Ort,<br />
an dem Eltern sich treffen, wo diskutiert wird, wo nicht um 17:00 Uhr zugeschlossen wird,<br />
sondern wo etwas passiert, wo Kommunikation stattfindet. Genauso Gr<strong>und</strong>schule! Ein<br />
Ort, wo man sich begegnet, wo Erziehung reflektiert wird, wo Kultur stattfinden kann.<br />
Unser dringlicher Wunsch, dass beide Einrichtungen sich für alle Beteiligten im<br />
Einzugsbereich öffnen - in unserem Sinne. Die Ist-Situationen sollte miteinander erörtert<br />
werden, weitere Arbeitsschritte angedacht <strong>und</strong> Umsetzungsvarianten abgeleitet werden.<br />
Ich weiß, dass es vielfältige Formen der Zusammenarbeit vor Ort bereits existieren. Durch<br />
unsere <strong>Kooperation</strong>svereinbarung erfährt diese Zusammenarbeit neue Impulse, wird<br />
qualitätsvoller, verbindlicher. Darum geht es eigentlich. Der Rahmen ist gesetzt, die Partner<br />
erklären ihren Willen; das stärkt sie <strong>und</strong> stabilisiert sie.<br />
Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />
Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />
Moderation: Liebe TeilnehmerInnen, ich möchte ausdrücklich dazu auffordern, erste<br />
Gedanken zur Handhabbarkeit unserer Vereinbarung zu äußern. Denn wir alle wissen, in<br />
naher Zukunft werden nicht so viele ıUmsetzer„ wie heute an einem Ort versammelt sein.<br />
Frau Erdmann, 172. Gr<strong>und</strong>schule: Meine Fragen richten sich an Herrn Jung, Frau<br />
Supplies <strong>und</strong> Frau Lewek. Für mich liegt ein Stückweit der Teufel im Detail. Herr Jung hat<br />
betont, dass jeder Schulanfänger die Möglichkeit hat, vorab eine Schule oder einen Hort zu<br />
besuchen. Ziel soll sein, so habe ich die Worte <strong>von</strong> Frau Lewek verstanden, dass ich<br />
(Gr<strong>und</strong>schule) die Kinder näher kennen lerne <strong>und</strong> zu Beginn schon ganz viel über das<br />
einzelne Kind weiß. Für mich ist das aber nicht das Problem: Denn Konzepte mit den<br />
Kindergärten für die Schuleingangsphase stehen. Seit 2003 haben wir zwischen SMS <strong>und</strong><br />
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59
3 SMK<br />
60<br />
Diskussion<br />
die Vereinbarung zum Übergang. Immer wieder näheren wir uns dem, was in meinen<br />
Augen die echte Herausforderung ist. Ich möchte, meine Kollegen wollen, meine<br />
Beratungslehrerin will, unsere Kinder kennen lernen, unsere künftigen Schüler. Aber!<br />
Gemeinsam mit unseren Erzieherinnen, mit unseren Kindergärten – vielleicht sehe ich das<br />
Ganze zu kritisch - aber hier liegt für mich das Problem!<br />
Herr Jung: Ich habe versucht mit einem einfachen Zahlenspiel, d. h. ca. 70 zu 200, vorhin<br />
die Ausgangslage zu beschreiben. Dieses Modell, dass ich die künftigen Erstklässler meiner<br />
Schule kennen lerne, ist so in Leipzig nicht tragfähig. Aber wir müssen solche<br />
exemplarische Situationen schaffen, den Kindern damit die Angst vor der Schule nehmen<br />
<strong>und</strong> umgekehrt, Begegnungen zwischen Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule organisieren. Und da<br />
werden wir dauerhaft über Formen nachdenken müssen, <strong>und</strong> ich spreche die Schulseite an,<br />
über einen konkreten Verantwortlichen innerhalb eines Kollegiums für die<br />
Zusammenarbeit Kita/Schule <strong>und</strong> auch in den Kitas genau mit diesem Hintergr<strong>und</strong>. Das<br />
muss bis zum St<strong>und</strong>envolumen gehen! Ich weiß das. Alles andere ist Augenwischerei,<br />
dessen bin ich mir wohl bewusst. Das muss, denke ich, mit einem Team <strong>von</strong> Menschen<br />
geschehen, die in einer besonderen Weise für diese Sache auch brennen. Das werden auch<br />
nicht alle Erzieherinnen <strong>und</strong> alle Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen gleichermaßen tun können.<br />
Frau Lewek: Das ist wirklich eine ganz besondere Schwierigkeit <strong>und</strong> hier ist der ländliche<br />
Raum natürlich in einer besseren Situation. Ich kann jeden Elternteil <strong>und</strong> jedes Kind<br />
verstehen, dass sie natürlich ıihre„ Schule kennen lernen wollen. Aber die örtlichen<br />
Gegebenheiten lassen das nicht zu! Wir müssen anderen Weg finden, um trotzdem bei den<br />
Kindern Freude an Schule, auch wenn es dann eine andere ist, zu erhalten.<br />
TeilnehmerIn: Ich komme <strong>von</strong> der Kindertageseinrichtung ıSankt Theresia„ <strong>und</strong> sehe<br />
diese Diskussion aus der Sicht der Kinder. Ich habe die Sorge, dass es für die Kinder der<br />
Vorschulgruppe mit diesem ıanderen Weg„ sehr verwirrend sein kann. Die Freude auf<br />
Schule ist da, die Kinder sind wirklich offen <strong>und</strong> wollen lernen. Wir gehen manchmal mit<br />
der Vorschulgruppe in die Schule. Da entwickeln sich schon Beziehungen! Wenn jetzt noch<br />
die Lehrerin in den Kindergarten kommt. Wir alle wissen wie wichtig Bezugspersonen für<br />
Kinder gerade in diesem Alter sind. Die erste Bezugspersonen aus der Schule – meine<br />
künftige Lehrerin, die ich kennen lerne, die erste Schule, die ich sehe. Die Kinder kommen<br />
mit Bildern zum ersten Schultag, zum Schulbeginn <strong>und</strong> sind dann doch in einer eigentlich<br />
ganz schwierigen Situation. Das ist nicht meine Lehrerin! - Ich finde, auf solche Situationen<br />
müssen Eltern <strong>und</strong> Kindern gleichermaßen vorbereitet werden. Momentan weiß ich jedoch<br />
nicht, wie eine gute Lösung dafür sein kann.<br />
Herr Dr. Haller: Ich denke, man muss diese Frage im Rahmen der bestehenden<br />
Regelungen zweier verschiedener Systeme offen <strong>und</strong> ehrlich in den jeweiligen Stärken<br />
beantworten. Die Gr<strong>und</strong>schule hat Schuleinzugsbereiche, das ist eine Stärke! Das schafft<br />
Verlässlichkeit <strong>und</strong> Orientierung! Die Kindertageseinrichtung hat eine offene, plurale<br />
Angebotsform, dass ist genau die Stärke der Städte gegenüber den Dörfern. In der Stadt<br />
überlegen sich Eltern für ihre Kinder sehr genau, wohin geben sie bis zum Alter der<br />
Einschulung programmatisch ihr Kind. Ist es eine christlich orientierte Einrichtung, ist es
Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />
ein Waldorfkindergarten, ist es eine kommunale Einrichtung oder gehen sie zu einem<br />
anderen freien Trägern. Das ist eine Stärke des pluralen Angebotes. Das, was Sie jetzt in der<br />
Übergangsphase erwarten, würde bedeuten, dass man entweder in der Gr<strong>und</strong>schule die<br />
Schuleinzugsbereiche auflöst, was ich für nicht denkbar halte <strong>und</strong> auch nicht empfehlen<br />
würde, oder im Kindertagesstättenbereich, im Vorschulbereich, die Attrakivität pluraler<br />
Angebote, individuell gewählt für das eigene Kind, aufgibt. Auch das würde ich niemals<br />
empfehlen. Wenn man das so akzeptiert, wie ich es eben vorgetragen habe, muss man in<br />
der Konsequenz diese Korridore - da spielen Zeitfenster eine entscheidende Rolle - in<br />
zweierlei Hinsicht definieren. Man hat einmal Überlappungen, die wahrscheinlich größer<br />
sein werden als der Rest, wo Kinder einer Kindertageseinrichtung die dazugehörige<br />
Gr<strong>und</strong>schule besuchen. In vielen Bereichen wird dies so sein. Es wird aber nicht eins zu<br />
eins so sein, dass bedeutet, man muss unabhängig <strong>von</strong> der konkreten Bezugsperson den<br />
Übergang für dieses Kind attraktiv gestalten, in dem Sinne wie es Herr Dr. Strätz<br />
vorgeschlagen hat, <strong>und</strong> das ist eine ganz spannende Herausforderung. Genau dieses<br />
Phänomen steht auch an anderen Überganssituationen. Wir werden dies niemals<br />
ıbruchfrei„ schaffen können, wenn wir keine Einheitsverordnung wollen. Die wollen wir<br />
nicht! Das ist zwar leicht gesagt, es ist natürlich in der Praxis, <strong>und</strong> so verstehe ich die<br />
Nachfrage, eine große Herausforderung, diese beiden Ansprüche zu bewältigen. Aber so<br />
ehrlich müssen wir miteinander umgehen, wenn wir das eine für richtig finden, nämlich<br />
diese doppelte Organisation, die ich höchst attraktiv finde, auch wenn sie schwierig ist,<br />
dann müssen wir darauf aufbauen <strong>und</strong> nicht so tun als wäre eine Lösung denkbar das eins<br />
zu eins umzusetzen. Ich glaube, das muss man wissen.<br />
Frau Koch: Ich möchte den Satz <strong>von</strong> Dr. Haller einfach mal fortsetzen. Wir müssen<br />
wissen, welchen Bildungsauftrag hat Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> welchen Auftrag hat<br />
Schule. Das ist das ıA„ <strong>und</strong> ıO„. Wir dürfen das nicht so eng fassen, das ich nur die eine<br />
Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> die eine Kindertageseinrichtung sehe. Sie wissen selbst, welche<br />
Kindertageseinrichtung gehören zum Schulbezirk, <strong>und</strong> ich kann an Sie nur appellieren,<br />
gehen Sie diesen Schritt <strong>und</strong> mit allen Partnern, mit allen Kindertageseinrichtung <strong>und</strong><br />
führen Sie gemeinsam Gespräche. Sie werden sicherlich nicht eins zu eins jedes Kind<br />
kennen lernen, aber Sie müssen wissen, was passiert in Richtung Bildungsauftrag in den<br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> umgekehrt in den Gr<strong>und</strong>schulen. Sie müssen <strong>von</strong>einander<br />
Bescheid wissen <strong>und</strong> dass muss <strong>Kooperation</strong> ausmachen. Im Mittelpunkt all unserer<br />
Bemühungen sollte immer das Kind stehen.<br />
Frau Hackl: Ich wollte nur etwas ergänzen. Aber ich glaube noch eine kleine Nuance<br />
einbringen zu können. Eine Schule als Institution kennen zu lernen – das sollte im Vorfeld<br />
schon jedes Kind. Ich denke, es würde ıSchule„ überfordern, wenn alle Kitas nur in eine<br />
ıModellschule„ gehen. Das organisatorisch hinzubekommen, das stelle ich mir auch sehr<br />
schwierig vor. Aber es ist schon so, dass man da<strong>von</strong> ausgeht, mit wem kann man eine<br />
Vereinbarung treffen, was ist machbar, so dass die Kinder die Schule kennen lernen. Und<br />
irgendwie ähneln sich die Schulen ja doch - in den Gebäuden, den Räumen <strong>und</strong> in allem<br />
was da ist.<br />
Mit dieser <strong>Kooperation</strong>svereinbarung gehen wir in die Verpflichtung als Kindertageseinrichtung<br />
z. B. Entwicklungsdokumentationen bis hin zur Portfolio-Qualität zu<br />
3<br />
61
3 führen.<br />
62<br />
Diskussion<br />
Ich denke, das ist der richtige Weg, für alle Kinder abrechenbare Aufzeichnungen<br />
zu erarbeiten. Eltern sind hier in erster Linie unsere Ansprechpartner.<br />
Entwicklungsdokumentationen sind für die Gespräche mit ihnen gemeinsame<br />
Diskussionsgr<strong>und</strong>lage.<br />
In der Verantwortung der Eltern liegt es, Informationen über die Entwicklung des Kindes<br />
aus dem Erfahrungsschatz einer Erzieherin, an Schule weiter zu geben. Eltern entscheiden<br />
selbst, was sie weiteren Personen zur Kenntnis geben.<br />
Moderation: Vielen Dank Frau Hackl, dass die Punkte Beobachtung <strong>und</strong> Beobachtungsdokumentation<br />
<strong>und</strong> speziell die Rolle der Eltern noch einmal im Gespräch waren.<br />
TeilnehmerIn: Mein Name ist Pfeiffer, ich arbeite an der August-Bebel-Gr<strong>und</strong>schule. Unsere<br />
Schule pflegt enge Kontakte mit dem Kindergarten in der Gabelsberger Straße. Schon im<br />
vorigen Jahr kamen die Vorschulkinder zu uns, dass sind bei weitem nicht alles Schüler, die<br />
bei uns eingeschult werden. Es geht auch nicht, in diesem begrenzten Rahmen. Nicht alle<br />
Kindergärten können so intensiv betreut werden. Ich erwarte einfach, dass die angrenzenden<br />
Schulen dann ıunsere„ Schulanfänger genauso betreuen <strong>und</strong> auffangen wie wir.<br />
Es geht eigentlich in erster Linie darum, dass die Kinder keine Angst mehr vor Schule<br />
haben. Bei vielen Eleven ist diese Ängstlichkeit schon nach dem dritten Besuch bei uns<br />
abgeklungen. Wir hatten letztens ein ganz schüchternes Kind, ein Mädchen, dass plötzlich<br />
lächelte. Sie hatte sich bis dahin immer verweigert, sie meldete sich sogar. Das sind Sachen<br />
– ich glaube alle wissen, wo<strong>von</strong> ich spreche. Es ist wichtig, dass man mit den Eltern spricht,<br />
ich war zum Elternabend erst kürzlich in der neuen Gruppe. Die Eltern sind sehr<br />
interessiert gewesen. Ich glaube, die Zusammenarbeit mit ıunserem„ Kindergarten klappt<br />
ganz gut. Wir geben gerne unsere Erfahrungen weiter.<br />
TeilnehmerIn: Ich wollte lediglich meine Sicht darlegen. Meine Erfahrungen zeigen, wenn<br />
es darum geht, denn Kindern die Ängste vor der Schule zu nehmen, dann ist es egal, ob<br />
dies an der Gr<strong>und</strong>schule geschieht, in die das Kind später eingeschult wird oder nicht. Die<br />
Kinder müssen wissen, was auf sie zukommt. Die Art <strong>und</strong> Weise, wie Kinder auf Schule<br />
vorbereitet werden, ist entscheidend. Wir arbeiten schon lange mit einer Gr<strong>und</strong>schule<br />
zusammen, ich arbeite in einem Kindergarten bei einem freien Träger. Wir haben gute<br />
Erfahrungen gemacht, indem wir alle Kinder nehmen <strong>und</strong> eine Gr<strong>und</strong>schule besuchen.<br />
Egal, ob das Kind dann in diese Schule gehen wird oder nicht.<br />
Frau Matthias: Mein Name ist Matthias: Ich bin Schulleiterin der 80. Gr<strong>und</strong>schule. Wir<br />
führen dieses schulvorbereitendes Halbjahr seit drei Jahren durch <strong>und</strong> wir haben die<br />
Schwierigkeit, dass wir vier Kindergärten im Einzugsbereich haben. Damit natürlich auch<br />
Kinder, die später nicht zu uns kommen werden. Zwei Probleme tun sich für mich auf.<br />
Unbenommen, die vier Kindergärten, die wir haben, leisten alle eine engagierte Arbeit.<br />
Aber – nun das Problem für die Gr<strong>und</strong>schule – alle vier haben gr<strong>und</strong>verschiedene<br />
Konzepte. Nun sollen wir aufeinander zugehen, wir sollen aufeinander eingehen – so das<br />
Anliegen der <strong>Kooperation</strong>. In unserem Falle kann das nicht funktionieren. Die vier<br />
Kindergärten müssten sich anpassen. Und Herr Dr. Haller, Sie haben gesagt, dass wollen<br />
wir nicht! Ich bin absolut Ihrer Meinung. Aber ich sehe in der Umsetzung schon sehr
Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />
große Schwierigkeiten. Nun das zweite Problem, welches absolut nicht zu unterschätzen ist.<br />
Wir haben heute hier ganz oft <strong>von</strong> Eltern gesprochen <strong>und</strong> die Eltern wollen<br />
Schulvorbereitung auch in der Schule. Wollen, dass die Kinder Schule kennen lernen. Im<br />
Laufe <strong>von</strong> drei Jahren haben wir erreicht, dass alle Eltern, die Kinder, die nicht in einen<br />
<strong>von</strong> den vier Kindergärten gehen, diese wöchentlich zu den schulvorbereitenden<br />
Vormittagen bringen. Das wird auch in diesem Jahr so ein! Ich glaube, diesen Fakt, dass<br />
Eltern für ihre Kinder die richtige Schule wollen, den unterschätzen wir. Vielleicht?!<br />
Moderation: Zum Abschluss noch zwei, drei Worte: Ich bemerke zunehmend in der<br />
Diskussion mit LehrerInnen, ErzieherInnen, KitaleiterInnen <strong>und</strong> auch Eltern, dass ein<br />
Verständigungsbedarf zum Begriff Schulvorbereitung besteht. Ich denke, wenn wir uns<br />
dazu austauschen, kommen wir schnell dahin, dass jeder etwas anderes meint <strong>und</strong> wir<br />
finden vielleicht mehr Anknüpfungspunkte für die gemeinsame Arbeit.<br />
Gr<strong>und</strong>voraussetzung auch für vier Kindertageseinrichtung mit verschiedenen Konzepten<br />
ist, das alle <strong>von</strong> einem gemeinsamen Gr<strong>und</strong>verständnis <strong>von</strong> Bildung in der frühen<br />
Kindheit ausgehen. Dann können auch vier verschiedene Umsetzungskonzepte existieren.<br />
3<br />
63
Resümee
4 Resümee<br />
66<br />
Burkhard Jung<br />
Meine sehr versehrten Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
liebe Kolleginnen <strong>und</strong> liebe Kollegen,<br />
ich möchte die Gelegenheit nutzen <strong>und</strong> allen, die in die Organisation <strong>und</strong> Durchführung<br />
dieser Veranstaltung eingeb<strong>und</strong>en waren, danken. Für mich, <strong>und</strong> ich glaube auch im<br />
Namen der Anwesenden zu sprechen, war diese Tagung nicht nur informativ, sie war<br />
wegweisend.<br />
Nun kurz ein paar Überlegungen. Ich behaupte einmal, es sind nicht die verschiedenartigen<br />
Konzeptionen im Bildungsbereich, die hier in Deutschland fehlen. Es fehlt eine<br />
gemeinsame, miteinander verzahnte Lernkultur. Wir sind aber auf dem Wege dahin!<br />
Damit meine ich, dass das in Kindertagesstätten geformte Bild vom Kind, so wie es heute<br />
morgen Herr Dr. Strätz ızeichnete„, zum tragenden Element wird, übergeht, in der Schule<br />
aufgenommen, weiter ausgeprägt wird - selbstverständlich unterschiedlich programmatisch.<br />
Aber eine Gr<strong>und</strong>überzeugung ist diesem Prozess immanent. Kinder lernen nur das, was sie<br />
aus sich selbst heraus lernen, dabei benötigen sie vielfältige Möglichkeiten zum Gestalten,<br />
zum Experimentieren, zum Forschen haben, sich praktisch selbst zu bilden. Welche Rolle<br />
wir dabei als Erzieherin, als Lehrerin spielen, dass ist in den jeweiligen Konzepten<br />
festgeschrieben. Die Konzepte legen den Rahmen fest, in dem wir uns bewegen, <strong>und</strong> weisen<br />
die Steuerungsmöglichkeiten aus. Von den Aufgaben sind die Vorgänge alle sehr ähnlich,<br />
sie lassen sich klar vergleichen, aber in der Ausformung ist eine große Vielfalt da. Das ist<br />
richtig <strong>und</strong> gewollt!<br />
Wir werden mit Sicherheit, <strong>und</strong> das meine unabhängig vom Blick auf das einzelne Kind,<br />
bei IGLU <strong>und</strong> bei PISA künftig besser abschneiden, wenn es gelingt, stärker die bereits<br />
benannte Lernkultur Wirklichkeit werden zu lassen. Eine Lernkultur, die den Rahmen setzt<br />
für die Prozesse, die in den Kindertagesstätten beginnen, sich in unseren Klassenzimmern<br />
fortsetzen - <strong>und</strong> das bis zum Abitur. In dieser Handlungskette gibt es meines Erachtens<br />
noch sehr viele Potenzen.<br />
In den <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> ist bereits unglaublich viel passiert, da sind zahlreiche,<br />
unglaublich gute didaktische Konzepte auf den Weg gebracht worden. Die Erzieherinnen<br />
stellen sich dem Thema Bildungsauftrag mit einem Engagement, wie ich es zu Beginn im<br />
Jahr 2000 mir so gar nicht vorgestellt habe. Und umgekehrt weiß ich ganz genau, was an<br />
Gr<strong>und</strong>schulen für eine Kraft in den letzen Jahren entwickelt worden ist, um Schule zu
Resümee<br />
verändern <strong>und</strong> neu zu definieren. Qualitätsänderungen, wahrnehmbare<br />
Qualitätsverbesserungen sind hier wie dort angesagt.<br />
Der Weg für eine neue Kultur des Lernens ist bereitet, eine Kultur, die das einzelne Kind<br />
mit seinen Möglichkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten in seiner zeitlichen, seiner individuellen<br />
Begabung, Neigung, mit seinen Talenten ernst nimmt <strong>und</strong> in den Mittelpunkt stellt, sich<br />
am Kinde orientiert, es stärkt.<br />
Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf das Hauptreferat zurückkommen. Der Vortrag<br />
<strong>von</strong> Herrn Dr. Strätz - ich möchte einfach paar Sätze noch mal in den Blick holen. Herr<br />
Dr. Strätz hat sich sehr stark bezogen auf Dr. Schäfers Satz ıGebildet werden kann man<br />
nicht, bilden muss man sich selbst„, der sich zuspitzt in dem Gedanken, man kann Kinder<br />
nichts beibringen. In dieser Schärfe ist der Satz so wohl nicht gemeint, aber in der<br />
Pointierung treffend. Das heißt, Kinder bilden sich selbst <strong>und</strong> diese Erkenntnis ist<br />
überhaupt nicht neu. Ob ich mich mit Piaget beschäftige, mit Montessori, ob ich es mit<br />
Jean Jack Rousseau versuche, mit Pestalozzi, Fröbel, Diesterweg, welche Reformpädagogen<br />
ich auch immer hier aufführe, alle kommen zu diesem Schluss.<br />
Kinder müssen selbst entdeckend, aktiv sich die Welt aneignen <strong>und</strong> wir können ihnen<br />
diesen Prozess nicht abnehmen, das Wissen darum nicht ıeintrichtern„. Das finde ich<br />
wichtig <strong>und</strong> ich musste es einfach noch einmal betonen.<br />
Für uns heißt das, Veränderungen einleiten. Eine wäre: Weg vom Frontalunterricht hin zu<br />
anderen Formen! Aber das ist ja vielerorts schon in Umsetzung.<br />
Herr Dr. Strätz hat uns fünf Thesen vorgestellt:<br />
1. Lernen erfolgt schrittweise. Die beste Strategie ist, sorgfältig zu beobachten, wo ein<br />
Kind steht <strong>und</strong> es da abzuholen, wo es steht, <strong>und</strong> es selbst gehen zu lassen.<br />
2. Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess. Ich muss hellwach beobachten können. Die<br />
Informationskanäle müssen sich entwickeln, ich muss verschiedene<br />
Informationskanäle bedienen - vom Audiotiven über das Optische bis hin zum<br />
Gestaltenden, zum Kreativen.<br />
3. Wiederholung. Wiederholung ist ein entscheidendes Moment, das wir aktiv nutzen<br />
müssen.<br />
4. Lernerfahrungen, Lernwege sind individuell. Das heißt aber Abschied nehmen vom<br />
ıIm-Gleichschritt-marschieren„. Individuelle Formen sind auch in die Gr<strong>und</strong>schule<br />
noch stärker zu integrieren. Und das Schulgesetz sieht dies vor, die Novellierung im<br />
Schulgesetz eröffnet die Einführung <strong>von</strong> jahrgangsübergreifenden Gruppen.<br />
5. Wie Kinder lernen? Kinder lernen über Alltagszusammenhänge,<br />
Alltagsanschauungen; sie lernen erfahrungsbezogen, handlungsbezogen. Herr Dr.<br />
Strätz hat das forschende, das entdeckende Lernen genannt. Er hat die Lernwerkstatt<br />
genannt <strong>und</strong> ich habe sehr viele Schnittmengen gesehen <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule. Sehr viele Berührungen, Gemeinsamkeiten, auf unterschiedlicher<br />
Stufe ausgeprägt.<br />
4<br />
67
4 Es<br />
68<br />
Resümee<br />
geht also um die persönliche Beziehung zum Kind, es geht auch um Regeln, um<br />
Grenzen. Das wollen wir nicht verschweigen. Selbstbilden heißt nicht, alles ist erlaubt, die<br />
Kinder können machen was sie wollen, sondern, es heißt auch Grenzsetzung, klare Ansage,<br />
Rahmung. Ein Setting ist zu organisieren, das ich zu verantworten habe. Damit bin ich bei<br />
der Rolle der Begleitenden, der Erzieherin oder bei der Lehrerin. Es geht natürlich um die<br />
steuernde Funktion der Erzieherin / der Lehrerin. Diese Steuerung nimmt uns keiner ab.<br />
Und dass unsere ureigenste Verantwortung!<br />
Ein kleiner Exkurs <strong>von</strong> mir: Ich weiß nicht, wer <strong>von</strong> Ihnen den ıEmile oder über die<br />
Erziehung„ <strong>von</strong> Jean Jack Rousseau gelesen hat. Rousseau entlässt seinen Zögling Emile in<br />
den Wald. Er soll dort seine Erfahrungen sammeln. Rousseau gibt ihm keine Karte mit,<br />
gibt ihm keine Hilfe. Er sagt ihm nicht, was er dort tun soll; er lässt ihn nur einfach in den<br />
Wald gehen. Aber Rousseau hat vorher den Wald exakt untersucht, er weiß genau in<br />
welchen Wald Emile geht. Und als er zurückkommt, befragt er Emile über den Wald <strong>und</strong><br />
natürlich kann dieser Antworten geben. Weil Rousseau den Wald selbst so gut kennt,<br />
entdeckt er in den Antworten seinen Zögling. Ich will deutlich machen, schon im 18.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert wurde glasklar formuliert, dass die Begleitenden, die Erzieherin / die Lehrerin,<br />
abzustecken haben, wohin wir Kinder schicken. Aber die Erfahrungen in den Räumen, die<br />
wir gestalten, sollen die Kinder selbst machen! Unser Rollenverständnis ist somit eindeutig:<br />
steuern, Rahmen setzen, auch die Vorbilddiskussion müssen wir führen. Natürlich sind wir<br />
Vorbilder. Und verlässliche, soziale Beziehungen müssen wir gewähren. Und schon bin ich<br />
beim Menschenbild: Die Kinder - den kleinen Menschen - achten als gleichwertige, kreative,<br />
eigenständige, kompetente Menschen <strong>und</strong> nicht als defizitäres Wesen ansehen, das sich erst<br />
entwickeln <strong>und</strong> hingebogen werden muss.
Resümee<br />
Worum geht es eigentlich, wenn wir <strong>von</strong> Übergängen sprechen? In der Tat gehören<br />
Übergänge zum Leben <strong>und</strong> können als Chance oder als Krise erlebt werden. Beides ist<br />
möglich, Chance oder Krise. Wie viele Kinder haben in den ersten Monaten in der<br />
Gr<strong>und</strong>schule eine tiefe Krise: Erwartungen, die sich nicht erfüllen; sie sind falsch<br />
vorbereitet, haben Angst vor der großen Gruppe. Übergänge, was haben wir, die Begleiter<br />
<strong>und</strong> Steuerer, zu organisieren? Angst <strong>und</strong> Freude erleben wir bei Kindern, die vorwärts<br />
gehen. Das ist dieses Gefühlsgemisch, was jeder <strong>und</strong> <strong>von</strong> uns auch ganz gut kennt. Ich weiß<br />
nicht, ob Sie sich erinnern, wie Sie mit der Tüte im Arm da gestanden <strong>und</strong> überlegt haben:<br />
Was kommt denn da jetzt auf mich zu? Enttäuschung, Hoffnung, endlich bin ich ein Stück<br />
größer?! Und in allen Übergangsphasen müssen wir die Ängste der Kinder, deren Sorgen,<br />
deren Nöte wahrnehmen <strong>und</strong> ihnen Unterstützung bieten, das haben Frau Supplies <strong>und</strong><br />
Frau Lewek sehr deutlich gemacht.<br />
Mir gefällt das Bild der Brücke ganz gut. Eine klassische Brücke wird <strong>von</strong> zwei Seiten<br />
gebaut. Diese treffen sich in der Mitte <strong>und</strong> dann wird der Schlussstein eingesetzt. Das<br />
könnte ein Bild sein, das das Verhältnis <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> Kindertagesstätte wiedergibt.<br />
Es geht nicht darum, die Kindertageseinrichtung ızu verschulen„, es geht auch nicht<br />
darum die Schule ızu verspielen„, sondern es geht um das Aufeinander-Zugehen <strong>von</strong> zwei<br />
Systemen mit ihren jeweiligen Stärken <strong>und</strong> Möglichkeiten. Wir treffen uns <strong>und</strong> schlagen<br />
eine Brücke. Und diese im Sinne der Kinder.<br />
Warum <strong>Kooperation</strong>? Ich spreche <strong>von</strong> Kindern aus bildungsfernen Familien, <strong>von</strong> Kindern<br />
mit Sprachstörungen, mit Kommunikationsdefiziten, Kinder, die sensitive Bereiche nicht<br />
ausgebildet haben, die feinmotorisch nicht entwickelt sind. Machen wir uns nichts vor. Der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsbericht der Stadt Leipzig ist an der Stelle eindeutig. Der Anteil frühkindlicher<br />
Störungen hat zugenommen. Mein Appell an Sie ist, lassen Sie uns diesen Kindern Brücken<br />
bauen im Hinblick auf die Schule. Helfen Sie, Diskontunitäten zu vermeiden, fördern Sie<br />
insbesondere benachteiligte Kinder!<br />
Künftige Herausforderungen<br />
Die Effekte könnten sein, dass falsche Erwartungen an Schule abgebaut werden, dass keine<br />
Brüche durch uns produziert werden, dass wir frühzeitig Lernstörungen insbesondere<br />
durch die Dokumentation entdecken <strong>und</strong> besondere Begabungen genauso frühzeitig.<br />
Talente finden gehört auch dazu! Die Vorurteile, die hier <strong>und</strong> da dennoch bestehen<br />
zwischen Erzieherinnen <strong>und</strong> LehrerInnen, die gilt es anzupacken, die müssen wir abbauen.<br />
Lehrkräfte <strong>und</strong> Erzieher können dabei wirklich <strong>von</strong>einander lernen.<br />
Natürlich gibt es auch Problemfelder in diesem Prozess.<br />
Ich möchte nur das Zeitproblem bei ErzieherInnen wie auch bei Lehrerinnen nennen.<br />
Wenn Teamsitzungen zusammen gestaltet werden sollen, wenn Elternabende gemeinsam<br />
veranstaltet werden oder sogar gemeinsame Projekte auf die Beine gestellt werden sollen,<br />
dann kostet das sehr, sehr viel Zeit. Das ist eine Sperre im <strong>Kooperation</strong>sprozess, die dessen<br />
Verlauf sicherlich verlangsamt. Zwischen Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule gibt manchmal ganz<br />
unterschiedliche Erziehungsauffassungen. Da möchte ich nur bitten <strong>und</strong> raten - lassen Sie<br />
uns über eine neue Lernkultur sprechen. Erörtern Sie die Gr<strong>und</strong>haltung zum Kind <strong>und</strong><br />
dann, da bin ich gewiss, brauchen Sie nicht mehr über die Konzepte streiten!<br />
4<br />
69
4 Unterschiedliche<br />
70<br />
Resümee<br />
Arbeitszeiten, unterschiedliche Besoldungen könnten hier <strong>und</strong> da eine<br />
Rolle spielen. Fühlen wir uns aufgr<strong>und</strong> unserer Ausbildung weniger anerkannt? Ich meine<br />
Erzieherinnen ohne universitären Hintergr<strong>und</strong> sehen sich häufig selbst als benachteiligt<br />
gegenüber den Lehrerinnen. Umgekehrt vielleicht gibt es hier <strong>und</strong> da auf Lehrerseite eine<br />
gewisse Überheblichkeit gegenüber den einfacheren pädagogischen Möglichkeiten in den<br />
Kindertagesstätten, vorsichtig ausgedrückt. Hier ist Offenheit angesagt! Diskutieren Sie Ihre<br />
Möglichkeiten <strong>und</strong> nennen Sie Ihre Grenzen beim Namen. Nur so kann der<br />
Annäherungsprozess funktionieren.<br />
Zu einem möglichen Problemfeld könnten Kinder werden, die gar keine<br />
Kindertageseinrichtung besuchen. Wir haben etwa 8 % solcher Kinder in Leipzig.<br />
Diese Kinder kommen, soweit nicht sehr bewusst <strong>von</strong> bildungsbürgerlichen Kreisen auf<br />
Schule vorbereitet, in eine Institution, die sie überhaupt nicht einschätzen können. Ein<br />
Rezept, wie damit um zu gehen ist, habe ich nicht! Aber auf unermüdliche Elternarbeit<br />
möchte ich an dieser Stelle verweisen.<br />
Eine weitere Herausforderung wird sein, wie wir die Kinder <strong>von</strong> Migranten in unseren<br />
Institutionen integrieren. Im inneren Osten unserer Stadt haben wir mittlerweile einen<br />
Ausländeranteil bei Kinder <strong>von</strong> über 12 %. Dann gibt es einzelne Bereiche, in denen dieser<br />
Prozentsatz noch wesentlich höher ist. Damit muss Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule umgehen.<br />
Sprachkompetenzen sind gefragt. Unbedingte Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindertagesstätte <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schule ist erforderlich. Migranten sind in besonderer Weise in den Blick zu nehmen.<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren, ich wünsche mir, dass jeder <strong>von</strong> Ihnen heute ideenreich nach<br />
Hause geht. Und mit großer Lust, sich auf etwas Neues einzulassen <strong>und</strong> etwas Neues zu<br />
versuchen. Vieles wurde Ihnen auf den Weg gegeben.<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren, ich möchte Sie herzlich ermuntern, gehen Sie es an! Planen Sie<br />
z. B. eine gemeinsame Gr<strong>und</strong>schule-Kita-Konferenz. Es geht nicht nur darum, dass wir<br />
irgendwann einmal in Europa wieder unter den ersten fünf Bildungsnationen zu finden<br />
sind, sondern es geht um die kleinen uns anvertrauten Menschen, die uns brauchen, unsere<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Begleitung.
4<br />
71
72<br />
Anhang
A „Zur<br />
74<br />
Anhang<br />
<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule‰ -<br />
Vereinbarung des SMS <strong>und</strong> SMK
Zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt in Leipzig<br />
Gemeinsame Vereinbarung zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong><br />
Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt in Leipzig<br />
vom 27. Oktober 2004<br />
auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
der gemeinsamen Vereinbarung zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule<br />
Gliederung:<br />
zwischen SMS <strong>und</strong> SMK<br />
vom 13. August 2003<br />
0. Vorwort<br />
1. Dialogische Gr<strong>und</strong>haltung<br />
2. Gestaltung gemeinsamer Vorhaben<br />
3. Gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage<br />
4. Entwicklung einer gemeinsamen Erziehungspartnerschaft mit den Eltern<br />
5. Engagement im Umfeld mit allen Beteiligten<br />
<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt<br />
A<br />
75
A<br />
76<br />
Anhang<br />
0. Vorwort<br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen haben eine gemeinsame Verantwortung,<br />
Kindern den Übergang in die Schule zu erleichtern. Es ist ihre gemeinsame Aufgabe, die<br />
Entwicklung, Begleitung <strong>und</strong> Förderung eines jeden einzelnen Kindes <strong>und</strong> die<br />
Erziehungspartnerschaft mit Eltern in dieser Übergangsphase möglichst optimal zu<br />
gestalten.<br />
Eine qualitätsgerechte <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule erfordert<br />
die partnerschaftliche Zusammenarbeit der einzelnen Einrichtungen vor Ort ebenso wie die<br />
der zuständigen Fachämter.<br />
Anliegen der vorliegenden <strong>Kooperation</strong>svereinbarung ist es, sich gemeinsam zu<br />
Gr<strong>und</strong>haltungen <strong>und</strong> Maßnahmen zu bekennen, die im Sinne eines optimalen Übergangs<br />
entwickelt <strong>und</strong> umgesetzt werden sollen.<br />
1. Dialogische Gr<strong>und</strong>haltung<br />
ıDie <strong>Kooperation</strong> setzt voraus, ein gemeinsames Anliegen vor dem Hintergr<strong>und</strong> gegenseitiger Information in<br />
einer vertrauensvollen Atmosphäre umsetzen zu wollen.„ 1<br />
Das Jugendamt <strong>und</strong> das Regionalschulamt arbeiten an einem gemeinsamen<br />
Gr<strong>und</strong>verständnis <strong>von</strong> Bildung <strong>und</strong> Erziehung in Kindertageseinrichtung <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schule. Dazu organisieren sie eine gemeinsame Veranstaltung mit einem Fachvortrag<br />
zum Thema ı Bildung <strong>und</strong> Erziehung in der Kindheit„ , der die Basis für einen weiteren<br />
fachlichen Dialog liefern soll.<br />
Es erfolgt eine Vernetzung aller am Übergang Kita – GS beteiligten Kräfte, die sich unter<br />
gegenseitiger Achtung <strong>und</strong> Akzeptanz einbringen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>prinzipien für ihre weiteren<br />
Zusammenkünfte entwickeln.<br />
Sie entwerfen Strategien zur Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung der <strong>Kooperation</strong>sarbeit im Praxisfeld.<br />
2. Gestaltung gemeinsamer Vorhaben<br />
ıGemeinsame Vorhaben tragen nur dann wirklich zur <strong>Kooperation</strong> bei, wenn sie gemeinsam geplant, gestaltet<br />
<strong>und</strong> reflektiert werden.„ 2<br />
Im Anschluss an die unter 1. genannte Einstiegsveranstaltung sollen sich regelmäßige<br />
Austauschr<strong>und</strong>en anschließen. TeilnehmerInnen sind LehrerInnen <strong>und</strong> Erzieher- Innen<br />
(auch Hort-). In diesen Workshops, unter Anleitung <strong>von</strong> FachberaterInnen aus den<br />
2 Ämtern, sollen die Inhalte der <strong>Kooperation</strong>svereinbarungen zwischen <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen vorgestellt <strong>und</strong> deren Umsetzung diskutiert werden.<br />
Die verantwortlichen MitarbeiterInnen des Regionalschulamtes <strong>und</strong> Jugendamtes erarbeiten<br />
einen Themenkatalog mit einer Zeitschiene für weitere Arbeitstreffen zwischen den Ämtern.<br />
1<br />
Gemeinsame Vereinbarung des SMS <strong>und</strong> SMK zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> GS vom 13.08.2003, S. 13<br />
2<br />
ebenda, S. 13
3. Gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage<br />
ıDie Entwicklungsbereiche bilden die gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage.......„ 3<br />
Dazu wird folgendes vereinbart :<br />
� Die Dokumentationen zur Entwicklung <strong>von</strong> Kindern in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />
<strong>und</strong> Horten durch die ErzieherInnen werden zur Gr<strong>und</strong>lage für gemeinsame<br />
Entwicklungsgespräche zwischen Lehrerin, Erzieherin <strong>und</strong> Eltern. Das gilt besonders für<br />
die Phase des Übergangs eines Kindes <strong>von</strong> der Kita in die Gr<strong>und</strong>schule.<br />
� Den Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrag <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Schule im Blick,<br />
soll die Ausgestaltung des geplanten ıVorschulhalbjahres„ als Angebot der Gr<strong>und</strong>schule<br />
an die Familien mit den Trägern <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> abgesprochen werden.<br />
� Jedes Kind erhält die Möglichkeit, im letzten Kindergartenjahr eine Schule <strong>und</strong> einen<br />
Hort kennen zu lernen. Die Ausgestaltung dieses Prozesses übernehmen die<br />
Fachkräfte in gemeinsamer Absprache <strong>und</strong> Planung. Das Prinzip der<br />
Partnereinrichtung wird angestrebt.<br />
4. Entwicklung einer gemeinsamen Erziehungspartnerschaft mit den Eltern<br />
ıDie Eltern sind als Partner in die Gestaltung der Übergangsphase vom Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule<br />
aktiv einzubeziehen....„. 4<br />
Regionalschulamt <strong>und</strong> Jugendamt regen die Zusammenarbeit der Gesamt -<br />
Elternvertretungen <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen an.<br />
Vorhandene bewährte Formen der Zusammenarbeit zwischen Ämtern <strong>und</strong><br />
Elternvertretungen sollen dabei genutzt <strong>und</strong> weiterentwickelt werden.<br />
5. Engagement im Umfeld mit allen Beteiligten<br />
ı<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule bedarf der Vernetzung aller am Übergang<br />
Beteiligten auf regionaler Ebene..„ 5<br />
Jährlich findet eine Fachwerkstatt in Leipzig statt mit allen an der <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kita<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule Beteiligten. Ziel soll sein, die Ist-Situation <strong>von</strong> Kindern beim Übergang<br />
in die Schule darzustellen <strong>und</strong> weitere Arbeitsschritte für die Zusammenarbeit abzuleiten.<br />
Leipzig, den 27. Oktober 2004<br />
__________________________ _________________________<br />
Burkhard Jung Matthias Hüchelheim<br />
Beigeordneter für Jugend, Direktor des Regionalschulamtes<br />
Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />
3 ebenda, S. 13<br />
4 ebenda, S. 15<br />
5 ebenda, S. 15<br />
<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt<br />
A<br />
77
A Auszug<br />
78<br />
Anhang<br />
aus der Koalitionsvereinbarung
3. Bildung, Schulen <strong>und</strong> Sport<br />
Auszug aus der Koalitionsvereinbarung<br />
Die Koalitionspartner sind sich der Schlüsselrolle <strong>von</strong> Bildung für die persönliche Entwicklung<br />
jedes Einzelnen wie für die nachhaltige Entwicklung unseres Landes in einer modernen<br />
dynamischen Welt bewusst. Sie werden alle Anstrengungen unternehmen, um chancengerecht die<br />
Leistungsfähigkeit des sächsischen Bildungswesens zu erhöhen <strong>und</strong> an die sich wandelnden<br />
Bedingungen in einer globalisierten Welt anzupassen. Die Koalitionspartner orientieren sich dabei<br />
an den Ergebnissen der Besten in Europa.<br />
3.1 Bildung in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> sind Orte der Bildung, Erziehung <strong>und</strong> Betreuung, die die Kinder für<br />
einen optimalen Start in das Leben vorbereiten <strong>und</strong> ihnen bestmögliche Chancen in der<br />
Wissensgesellschaft des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts eröffnen sollen. Sie übernehmen in partnerschaftlicher<br />
Zusammenarbeit mit den Eltern Verantwortung für die Bildung <strong>und</strong> Erziehung der ihnen<br />
anvertrauten Kinder. Das gilt bereits für Kinder unter drei Jahren, da Bildung ein Prozess ist, der<br />
mit der Geburt beginnt, gr<strong>und</strong>sätzlich individuell ist <strong>und</strong> lebenslang verläuft.<br />
<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> legen in enger Zusammenarbeit mit den Eltern die F<strong>und</strong>amente für die<br />
Entwicklung <strong>von</strong> Lernfähigkeit <strong>und</strong> Lernbereitschaft der Kinder. Deshalb werden Zugangskriterien,<br />
die Kinder <strong>von</strong> diesem Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsangebot ausschließen, abgelehnt.<br />
Internationale Vergleichsuntersuchungen wie PISA <strong>und</strong> PIRLS/IGLU verweisen auf die<br />
f<strong>und</strong>amentale Bedeutung konsequenter frühkindlicher Förderung <strong>und</strong> rücken den Übergang vom<br />
Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> die Gestaltung der Schuleingangsphase verstärkt ins<br />
Blickfeld. Die Koalitionspartner stimmen überein, dass die Kinder besonders im letzten<br />
Kindergartenjahr auf die Herausforderungen der Schule vorbereitet werden. Das wird durch eine<br />
verbindliche Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>schule sichergestellt, die<br />
die besondere Bedeutung dieses Übergangs widerspiegelt.<br />
Die Koalitionspartner stimmen überein, dass dafür<br />
- klare Regelungen zur Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindertagesstätten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen notwendig<br />
sind, die die bestehende Vereinbarung zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule<br />
einbeziehen;<br />
- die Anerkennung <strong>von</strong> Kindertagesstätten als Stätten der Bildung noch stärker durchgesetzt<br />
werden muss;<br />
- ein gemeinsames Verständnis <strong>von</strong> Bildung in Kindertagesstätten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen<br />
Voraussetzung für die Entwicklung des sächsischen Bildungsplanes für Kindertagesstätten <strong>und</strong><br />
die Weiterentwicklung der Lehrpläne für die Gr<strong>und</strong>schule ist;<br />
- die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Qualität der vorschulischen<br />
Bildung <strong>und</strong> Erziehung zu erhöhen;<br />
- das letzte Kindertagesstättenjahr als Zeit der zunehmenden Schulvorbereitung weiterentwickelt<br />
<strong>und</strong> mit der bereits vollzogenen verbesserten Schuleingangsphase eng verb<strong>und</strong>en wird.<br />
Zur Umsetzung dieser fünf Ziele sind folgende inhaltlichen <strong>und</strong> organisatorischen Veränderungen<br />
<strong>und</strong> Maßnahmen notwendig:<br />
- Der sächsische Bildungsplan für Kindertagesstätten <strong>und</strong> die Lehrpläne der Gr<strong>und</strong>schulen<br />
werden auf der Gr<strong>und</strong>lage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterentwickelt <strong>und</strong><br />
aufeinander abgestimmt.<br />
- Das letzte Kindergartenjahr wird im sächsischen Bildungsplan besonders betrachtet. Um den<br />
Übergang zur Gr<strong>und</strong>schule zu qualifizieren, wird dieses Jahr zu einem Schulvorbereitungsjahr<br />
weiterentwickelt. Der Bildungsplan legt dafür spezielle Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsziele fest, die<br />
A<br />
79
A der<br />
80<br />
Anhang<br />
schulischen Bildung im eigentlichen Sinne nicht vorgreifen.<br />
- Das Schulvorbereitungsjahr wird organisatorisch so gestaltet, dass Kinder auf der Gr<strong>und</strong>lage des<br />
sächsischen Bildungsplanes in Projekten die notwendigen Lernkompetenzen erwerben können.<br />
- Die Projekte werden gemeinsam <strong>von</strong> Erzieherinnen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen <strong>und</strong> –lehrern<br />
inhaltlich <strong>und</strong> methodisch auf der Gr<strong>und</strong>lage des sächsischen Bildungsplanes vorbereitet. Im<br />
letzten Halbjahr werden die Projekte <strong>von</strong> der Erzieherin gemeinsam mit Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen<br />
<strong>und</strong> -lehrern verwirklicht. Im Laufe des Schulvorbereitungsjahres nehmen Umfang <strong>und</strong><br />
Intensität der schulvorbereitenden Projekte zu.<br />
- Mit dem Schulvorbereitungsjahr in den Kindertagesstätten werden die Voraussetzungen dafür<br />
geschaffen, dass jedes Kind die bereits eingeführte optimierte Schuleingangsphase erfolgreich<br />
bewältigen kann.<br />
- Zur Realisierung des Schulvorbereitungsjahres wird der Freistaat zusätzliche personelle <strong>und</strong><br />
finanzielle Ressourcen bereitstellen. Für die Vorbereitung <strong>und</strong> Umsetzung der Projekte im<br />
letzten Kindertagesstättenjahr (Schulvorbereitungsjahr) werden drei Wochenst<strong>und</strong>en je Gruppe<br />
(13 Kinder) <strong>und</strong> Erzieherin vom Land zusätzlich finanziert.<br />
- Zur Vorbereitung der neuen Anforderungen der Schulvorbereitungsphase sind entsprechend der<br />
Weiterbildungs- <strong>und</strong> Fortbildungsverordnung die dort vorgesehenen fünf Bildungstage zur<br />
Weiterbildung der Erzieherinnen zu verwenden. Die Fortbildung der Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen<br />
<strong>und</strong> -lehrer ist organisatorisch <strong>und</strong> finanziell zu sichern.<br />
- Das Landesjugendamt <strong>und</strong> die Sächsische Akademie für Lehrerfortbildung werden abgestimmte<br />
Fortbildungs- <strong>und</strong> Weiterbildungsangebote erarbeiten, die die gemeinsame Qualifizierung der<br />
Erzieherinnen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen <strong>und</strong> –lehrer sichern.<br />
Die Staatsregierung wird prüfen, ob der Stichtag für die Einschulung um ein halbes Jahr<br />
vorgezogen werden soll, um das Einschulungsalter zu senken.<br />
Für den Einsatz der Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen <strong>und</strong> -lehrer im zweiten Halbjahr werden drei St<strong>und</strong>en<br />
je Gruppe <strong>und</strong> Woche <strong>und</strong> Lehrer zusätzlich finanziert.<br />
3.2 Schulen<br />
Alle Bemühungen <strong>und</strong> Maßnahmen in der Schulpolitik dienen dem Ziel, jedem jungen Menschen<br />
in Sachsen optimale Entwicklungsbedingungen zu geben, damit er ein selbstbestimmtes Leben in<br />
sozialer, ökologischer <strong>und</strong> kultureller Verantwortung führen kann.<br />
Unsere Kinder haben Anspruch auf eine erstklassige Schulbildung. Ziel jeder Veränderung <strong>und</strong><br />
Weiterentwicklung des Bildungssystems muss es deshalb sein, die Qualität des Unterrichts <strong>und</strong><br />
damit das Bildungsniveau zu steigern.<br />
Aufbauend auf internationalen Erfahrungen wird die Staatsregierung mit all ihren Möglichkeiten<br />
eine Schul- <strong>und</strong> Lernkultur befördern, die jeden jungen Menschen individuell fördert <strong>und</strong> stärkt<br />
sowie zu hoher Leistung <strong>und</strong> Kreativität motiviert <strong>und</strong> befähigt. Die Staatsregierung legt<br />
Bildungsziele unter Einbeziehung nationaler Bildungsstandards fest. Die Lehrpläne orientieren sich<br />
künftig an den Bildungszielen.<br />
Die Koalitionspartner kommen überein, dass die mit der Novellierung des Schulgesetzes<br />
eingeführten Regelungen zur Stärkung der Verantwortung der Einzelschule konsequent weiter<br />
ausgebaut werden. Schulen sollen mehr pädagogische Freiheit <strong>und</strong> mehr personellen Spielraum<br />
bekommen. Die Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells für Lehrer, das nicht mehr<br />
ausschließlich auf der Unterrichtsverpflichtung basiert, wird geprüft.<br />
Die Qualitätssicherung der schulischen Bildung gewinnt in Zukunft an Bedeutung. Die<br />
Staatsregierung wird deshalb die Evaluationsagentur zügig ausbauen.
Verzeichnis der Referenten<br />
Name Dienststelle Anschrift<br />
Haller, Siegfried<br />
Dr.<br />
Hüchelheim,<br />
Matthias<br />
Jugendamt Leipzig<br />
Amtsleiter<br />
Regionalschulamt Leipzig<br />
Direktor des<br />
Regionalschulamts<br />
Jung, Burkhard Stadt Leipzig<br />
Beigeordneter für Jugend,<br />
Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
Schule<br />
Koch, Christina Sächsisches<br />
Staatsministerium<br />
für Kultus<br />
Lewek, Helgard Regionalschulamt Leipzig<br />
Referatsleiterin<br />
Schlosser,<br />
Arnfried<br />
Strätz, Rainer<br />
Dr.<br />
Sächsisches<br />
Staatsministerium für<br />
Soziales<br />
Sozialpädagogisches<br />
Institut<br />
NRW<br />
Supplies, Petra Jugendamt Leipzig<br />
Abteilungsleiterin<br />
Naumburger Str. 26<br />
04229 Leipzig<br />
Tel.: (03 41) 1 23 44 94<br />
Email: shaller@leipzig.de<br />
Nonnenstraße 17-19<br />
04229 Leipzig<br />
Tel.: (03 41) 4 94 57 01<br />
Email:<br />
matthias.huechelheim@rsal.smk.sachsen.de<br />
Martin-Luther-Ring 4 – 6<br />
04109 Leipzig<br />
Tel.: (03 41) 1 23 43 00<br />
Email: bjung@leipzig.de<br />
Carolaplatz 1<br />
01097 Dresden<br />
Tel.: (0351) 5 64 - 0<br />
Email: christina.koch@smk.sachsen.de<br />
Nonnenstraße 17-19<br />
04229 Leipzig<br />
Tel.: (03 41) 4 94 57 01<br />
Email: helgard.lewek@rsal.smk.sachsen.de<br />
Albertstr. 10<br />
01097 Dresden<br />
Tel.: (03 51) 5 64 – 0<br />
Email: schlosser@sms.sachsen.de<br />
An den Dominikanern 02<br />
50668 Köln<br />
Tel.: (02 21) 1 60 52 20<br />
Email: straetz@spi.nrw.de<br />
Naumburger Str. 26<br />
04229 Leipzig<br />
Tel.: (03 41) 1 23 43 89<br />
Email: petra.supplies@leipzig.de<br />
Referentenverzeichnis<br />
A<br />
81
A<br />
82<br />
Anhang<br />
Veröffentlichungsverzeichnis<br />
Publikationen 2001<br />
Titelnummer Titel ISBN<br />
01/01 Geschäftsbericht 2000<br />
Das neue Jugendamt stellt sich vor<br />
ISBN 3-935853-00-9<br />
02/01 Auf der Suche nach pädagogischen<br />
Handlungskonzepten<br />
Fachtagung zur Qualität in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />
ISBN 3-935853-01-7<br />
03/01 Beratungangebote in Leipzig ISBN 3-935853-02-5<br />
04/01 Fachplan „Kindertagesstätten‰ ISBN 3-935853-03-3<br />
05/01 Fachplan „Hilfen zur Erziehung‰ ISBN 3-935853-04-1<br />
06/01 Fachplan Beratungsstellen ISBN 3-935853-05-X<br />
07/01 Fachplan „Kinder- <strong>und</strong> Jugendförderung‰<br />
(Erscheinungstermin auf 2002 verschoben)<br />
08/01 Strassensozialarbeit in Leipzig<br />
Ein Angebot des Jugendamtes stellt sich der<br />
Diskussion<br />
09/01 Jugendgerichtshilfe in Leipzig -<br />
Ein Tätigkeitsbericht<br />
Publikationen 2002<br />
Titelnummer Titel ISBN<br />
ISBN 3-935853-06-8<br />
ISBN 3-935853-07-6<br />
ISBN 3-935853-08-4<br />
01/02 Geschäftsbericht 2001 ISBN 3-935853-09-2<br />
02/02 Straßensozialarbeit<br />
Ansätze – Bedingungen - Ziele<br />
ISBN 3-935853-10-6<br />
03/02 Die PISA-Studie - Eine Herausforderung an die<br />
Kommunalpolitik<br />
Die 6. Stadtwerkstatt<br />
ISBN 3-935853-11-4<br />
04/02 Jugendhilfereport ISBN 3-935853-12-2<br />
05/02 Das AIB-Projekt in Leipzig - Ein Bericht ISBN 3-935853-13-0<br />
06/02 Aufsuchende systemische Familientheraphie -<br />
Eine Projektbeschreibung in drei Phasen<br />
ISBN 3-935853-14-9<br />
07/02 Fachplan „Kinder- <strong>und</strong> Jugendförderung‰ ISBN 3-935853-06-8<br />
08/02 Kindertagesstätten in Leipzig ISBN 3-935853-15-7<br />
09/02 Internationale Jugendarbeit ISBN 3-935853-16-5<br />
10/02 Fachplan „Hoheitliche Aufgaben „<br />
(Erscheinungstermin auf 2003 verschoben)<br />
ISBN 3-935853-17-3
Veröffentlichungsverzeichnis<br />
Publikationen 2003<br />
Titelnumm Titel ISBN<br />
01/03 Geschäftsbericht 2002 ISBN 3-935853-18-1<br />
02/03 Pro <strong>und</strong> Contra ıBabyklappe„<br />
Ein Expertenhearing<br />
03/03 Kinder- <strong>und</strong> Familienbericht –<br />
Erste Fortschreibung 2003<br />
ISBN 3-935853-19-X<br />
ISBN 3-935853-20-3<br />
04/03 Beteiligung <strong>von</strong> Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ISBN 3-935853-21-1<br />
05/03 Jugendhilfereport – Erste Fortschreibung 2002 ISBN 3-935853-22-X<br />
06/03 Forum ıPflegeeltern„ – Eine Dokumentation ISBN 3-935853-23-8<br />
07/03 Fachplan ıKindschaftsrecht <strong>und</strong> Kindeswohl„ ISBN 3-935853-17-3<br />
08/03 Kindertagesstättenplanung 2003 /2004 ISBN 3-935853-24-6<br />
09/03 Lernspuren <strong>von</strong> Kindern entdecken -<br />
Dokumentation zur Fachtagung<br />
ISBN 3-935853-25-4<br />
10/03 Stadtplan für Kinder ISBN 3-935853-26-2<br />
Publikationen 2004<br />
Titelnumm Titel ISBN<br />
Veröffentlichungsverzeichnis<br />
01/04 Geschäftsbericht 2003 ISBN 3-935853-27-0<br />
02/04 Fachplan ıHilfen zur Erziehung„<br />
Fortschreibung<br />
ISBN 3-935853-28-9<br />
03/04 Fachplan ıKindertagesstätten„ ISBN 3-935853-29-7<br />
04/04 Forum ıPflegeeltern„ <strong>und</strong> ıEin Tag für<br />
Pflegefamilien„<br />
Eine Zusammenschau<br />
ISBN 3-935853-23-8<br />
05/04 SoBIK – Sozialpädagogische Beratungs-,<br />
Interventions- <strong>und</strong> Koordinierungsstelle<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
ISBN 3-935853-30-0<br />
06/04 Jugendhilfe aus dem Blickwinkel einer sächsischen<br />
Großstadt<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
ISBN 3-935853-31-9<br />
07/04 Steuerungsmöglichkeiten der Jugendhilfe <strong>und</strong> ihre<br />
Grenzen<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
ISBN 3-935853-32-7<br />
08/04 Kinder <strong>und</strong> Familie stärken – Gesungheit fördern<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
ISBN 3-935853-33-5<br />
09/04 Soko Papa – Unterhalt <strong>und</strong> Unterhaltsleistungen<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
ISBN 3-935853-34-3<br />
10/04 Jugendhilfereport 2003 ISBN 3-935853-35-1<br />
A<br />
83
A<br />
84<br />
Anhang<br />
Veröffentlichungsverzeichnis<br />
Publikationen 2005<br />
Titelnummer Titel ISBN<br />
01/05 Geschäftsbericht 2004 ISBN 3-935853-36-X<br />
02/05 <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schulen<br />
Dokumentation zum Fachtag<br />
ISBN 3-935853-37-8<br />
03/05 Jugendhilfereport 2004 ISBN 3-935853-38-6<br />
04/05 Der 1. Leipziger Familientag – Eine<br />
Zusammenschau<br />
05/05 Hilfeplanverfahren – Neue Steuerungsätze in<br />
Leipzig<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
06/05 Kinder- <strong>und</strong> Jugendschutz – Zugang <strong>und</strong><br />
Umsetzung<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
07/05 Controlling im Jugendamt Leipzig<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
ISBN 3-935853-39-4<br />
ISBN 3-935853-40-8<br />
ISBN 3-935853-41-6<br />
ISBN 3-935853-42-4<br />
08/05 Fachkonzept Kindertagesstätten ISBN 3-935853-43-2<br />
09/05 Netzwerke im Sozialraum<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
10/05 Jugendhilfe zwischen Politik <strong>und</strong> Verwaltung<br />
Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />
ISBN 3-935853-44-0<br />
ISBN 3-935853-45-9
ISBN 3-935853-37-8
ISBN 3-935853-37-8