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Kooperation von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen

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JUGENDAMT 2/05<br />

<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen<br />

Stadt Leipzig<br />

Dezernat Jugend, Soziales,<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />

Jugendamt


Stadt Leipzig<br />

Dezernat Jugend, Soziales,<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />

Jugendamt


<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen<br />

Dokumentation zum Fachtag am 27. Oktober 2004<br />

Stadt Leipzig<br />

Dezernat Jugend, Soziales,<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />

Jugendamt


2<br />

ISBN 3-935853-37-8<br />

Herausgeber: Stadt Leipzig<br />

Der Oberbürgermeister<br />

Jugendamt<br />

1. Aufl. 2005<br />

Verantwortlich: Dr. Siegfried Haller<br />

Redaktion: Heidrun Wendlocha<br />

Fotos: Jugendamt Leipzig<br />

Umschlag, Layout <strong>und</strong> Satz: Dagmar Zehnel, Leipzig<br />

Druck: DDF, Leipzig<br />

Redaktionsschluss: Januar 2005<br />

Anschrift: Stadt Leipzig � Jugendamt � Naumburger Str. 26 � 04229 Leipzig<br />

Telefon: (03 41) 1 23 44 92 � Fax: (03 41) 1 23 44 84<br />

eMail: jugendamt@leipzig.de<br />

Internet: http://www.leipzig.de/jugendamt<br />

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Quellenangabe gestattet.


Inhalt<br />

Vorwort 5<br />

Begrüßung 6<br />

Burkhard Jung 8<br />

Matthias Hüchelheim 11<br />

Arnfried Schlosser 13<br />

Referate 16<br />

Bilden sich Kinder selbst? 18<br />

Neue entwicklungspsychologische <strong>und</strong> neurobiologische Erkenntnisse<br />

Dr. Rainer Strätz<br />

Erste Überlegungen zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong>svereinbarung 46<br />

in der Praxis<br />

Petra Supplies<br />

Helgard Lewek<br />

Diskussion 52<br />

Resümee 64<br />

Burkhard Jung<br />

Anhang 72<br />

ıZur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule„ – Gemeinsame<br />

Vereinbarung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales <strong>und</strong><br />

des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus<br />

74<br />

Zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt in Leipzig 75<br />

Auszug aus Koalitionsvereinbarung für die 4. Legislaturperiode des<br />

Sächsischen Landtages<br />

76<br />

Verzeichnis der Referenten 81<br />

Veröffentlichungsverzeichnis 82<br />

3


Vorwort<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />

Der Mensch kommt zwar mit bestimmten Anlagen <strong>und</strong> Neigungen zur Welt, er wird durch<br />

seine Erziehung aber entscheidend geprägt <strong>und</strong> geformt. Das war in der Antike nicht<br />

anders als im Mittelalter oder im Barock <strong>und</strong> heute ist es auch noch so.<br />

Neu ist allerdings der hohe Stellenwert in der öffentlichen Debatte <strong>von</strong> frühkindlicher<br />

Erziehung <strong>und</strong> Bildung über die Fachwelt hinaus. Ein wesentlicher Aspekt kommt dabei<br />

dem lebenslangen Lernen zu, das längst vor der Einschulung beginnt <strong>und</strong> an einem eigensinnig,<br />

aktiv gestaltenden Mittun des Kindes ansetzt. So kommt die gemeinsame<br />

Verantwortung <strong>von</strong> Kindertagesstätten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule im Bildungsprozess <strong>von</strong> Kindern<br />

zentral in den Blick. Eine gemeinsame Verantwortung, die präzise vor Ort in ihrem Gehalt<br />

verstanden <strong>und</strong> in ihrer Form gestaltet sein will.<br />

Das Jugendamt der Stadt Leipzig will mit der vorliegenden Dokumentation die fachliche<br />

Debatte vor Ort allgemein zugänglich <strong>und</strong> zugleich einen glänzenden Fachvortrag <strong>von</strong><br />

Rainer Strätz mit Gr<strong>und</strong>satzcharakter über den Hörerkreis <strong>von</strong> 410 TeilnehmerInnen<br />

bekannt machen: Inhalte, Methoden, Tempo <strong>und</strong> Menge sollten immer der Individualität<br />

des Kindes entsprechen. Es gilt, die richtige Balance zwischen behutsamen Lenken,<br />

ermunternden Anregungen <strong>und</strong> selbstständigem Suchen des Kindes zu finden.<br />

Ziel aller Erziehung <strong>von</strong> Anfang an ist so gesehen die Bildung der eigenen Urteilskraft, wie<br />

schon MONTAIGNE in einem seiner berühmten Essais in der zweiten Hälfte des 16.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts geschrieben hat:<br />

ıSo wird auch der Zögling das, was er anderen entlehnt hat, ausbilden <strong>und</strong> miteinander<br />

verbinden, um daraus eine Schöpfung zu gestalten, die gut sein Ergebnis ist, nämlich seine<br />

Urteilskraft.„<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre <strong>und</strong> dabei auch Anreicherung Ihrer Urteilskraft<br />

in der weiteren Ausgestaltung einer gelingenden <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen.<br />

Dr. Siegfried Haller<br />

Leiter des Jugendamtes<br />

5


2<br />

Begrüßung


1 Begrüßung<br />

8<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

liebe Kolleginnen <strong>und</strong> liebe Kollegen,<br />

Burkhard Jung<br />

ich freue mich, dass Sie so zahlreich der Einladung gefolgt sind. Das zeugt <strong>von</strong> Interesse,<br />

zeigt aber auch, dass wir genau die Themen ansprechen, die so viele bewegen. Im<br />

Zusammenhang mit Fragen nach dem Bildungsauftrag der <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> trat<br />

immer wieder die Schnittstelle Kindertageseinrichtung/ Schule in den Fokus. Heute wollen<br />

wir beleuchten, wie dieser Herausforderung zu begegnen ist, wie im Sinne unserer Kinder<br />

künftig diese Schnittstelle zu gestalten ist.<br />

Zu Beginn möchte ich einige ganz besonders liebe Gäste vorstellen.<br />

Ich freue mich, dass Frau Koch aus dem Sächsischen Staatministerium für Kultus, dort<br />

zuständige Referatsleiterin für das Ressort Gr<strong>und</strong>schulen, bei uns ist. Herzlich<br />

Willkommen Frau Koch!<br />

Herr Schlosser aus dem Sächsischen Staatministerium für Soziales, dort als Referatsleiter<br />

zuständig für das Thema Kindertagesstätten, unterstützt uns, wie so oft, auch heute. Ihnen<br />

ein recht herzliches Willkommen.<br />

Ich freue mich, dass Herr Hüchelheim, Leiter des Regionalschulamts, sich mit uns<br />

gemeinsam auf den Weg begibt. Wir werden heute den Rahmen für die künftige<br />

Zusammenarbeit abstecken.<br />

Natürlich begrüße ich die MitarbeiterInnen des Jugendamtes, die sehr intensiv gearbeitet,<br />

sehr gründlich diese Fachtagung vorbereitet haben. Lieber Herr Dr. Haller, Ihr Team hat<br />

eine sehr gute Arbeit geleistet.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

in der kommunalen Bildungspolitik ist heute ein großer Tag. ıKindertagesstätten„ <strong>und</strong><br />

ıSchule„ beraten gemeinsam! Es haben sich Erzieherinnen eingef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Leiterinnen,<br />

Gr<strong>und</strong>schullehrer <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen, Schulleiterinnen <strong>und</strong> Beratungslehrerinnen.<br />

Alle relevanten Ämter der Verwaltung sind anwesend sowie Vertreter der ortsansässigen<br />

Bildungsinstitutionen, <strong>und</strong> zwar der Hochschule für Technik, Wirtschaft <strong>und</strong> Kultur<br />

(HTWK) <strong>und</strong> der Universität Leipzig. Mitarbeiter der Erzieherinnen-Ausbildungsschule


Grußwort Burkhard Jung<br />

ıHenriette-Goldschmidtschule„ sind heute hier <strong>und</strong> auch Mitglieder des<br />

Jugendhilfeausschusses. Die Erziehungsberatungsstellen sind eingeladen, der<br />

Gesamtelternrat, der Stadtelternrat - kurzum eine sehr gutes Spektrum derjenigen<br />

Partnerinnen <strong>und</strong> Partner, die im Wesentlichen diesen Prozess gestalten.<br />

Worum geht es uns, wenn wir über die Schnittstelle Kindertagesstätte/ Schule sprechen? Ich<br />

bin gewiss, für die Anwesenden sind die Begrifflichkeiten eindeutig. Die Praxis zeigt aber<br />

auch, dass das partnerschaftliche Miteinander <strong>von</strong> Kindertagesstätte/ Schule <strong>und</strong> die<br />

kooperative Zusammenarbeit verbesserungsbedürftig sind, dass der Abstimmungsprozess<br />

zwischen beiden Bildungsbereichen künftig kontinuierlich geführt werden muss.<br />

Dafür ist wichtig, dass man sich kennen lernt, dass man <strong>von</strong>einander weiß – <strong>von</strong> den<br />

Erfolgen, aber auch <strong>von</strong> den Schwierigkeiten – nur so kann Verständnis füreinander<br />

wachsen <strong>und</strong> erfolgreiche Zusammenarbeit funktionieren.<br />

Machen wir uns nichts vor - in den letzten Jahrzehnten hat sich durchaus ein<br />

Selbstverständnis herausgebildet – ein in vielen Bereichen erkennbarer Abgrenzungsprozess<br />

hat sich vollzogen. Im Interesse unserer Kinder muss dem begegnet werden. Den Übergang<br />

<strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> in die Gr<strong>und</strong>schule zu erleichtern, das muss unser aller Ziel<br />

sein. Doch wie sieht momentan noch die Realität aus? Ich möchte nur an die<br />

Rückstellungsquoten erinnern bzw. Sie bitten, an die Ergebnisse <strong>von</strong><br />

Vorschuluntersuchungen zu denken. PISA zeigte auch deutlich, dass auf diesem Gebiet<br />

etwas getan werden muss.<br />

Wir allen wissen, dass es noch viel Gestaltungskraft <strong>und</strong> großem Veränderungswille bedarf,<br />

um die gesteckten Ziele zu erreichen. Aber wir können auch zahlreiche positive<br />

Änderungen verweisen, Änderungen, die inzwischen schon Normalität darstellen. Viel<br />

geschehen ist in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> im Hinblick auf pädagogische Zielsetzungen<br />

<strong>und</strong> den Erziehungsauftrag, die Kindertagesstätten sind als Ort der Bildung in den letzten<br />

Jahren zunehmend stärker wieder in den Blick gerückt. Und das ist gut! So bieten sich<br />

verstärkt Möglichkeiten des Austausches mit den Schulen. Umgekehrt hat auch<br />

ıGr<strong>und</strong>schule„ in den letzten Jahrzehnten eine intensive Entwicklung durchgemacht.<br />

Beschäftigungsformen aus dem Kindergarten sind in die Schule eingeführt worden, ich<br />

möchte nur den Morgenkreis nennen, gemeinsames projektorientiertes übergreifendes<br />

Lernen wird praktiziert. Das Aufbrechen <strong>von</strong> Frontalstrukturen im Unterricht – ein ganz<br />

entscheidender Schritt. Sie sehen, auch im Bereich ıSchule„ ist sehr viel passiert.<br />

Mit anderen Worten, wir wollen diesen Prozess weiter befördern <strong>und</strong> ich bin<br />

ausgesprochen dankbar, dass das Sächsische Ministerium für Soziales <strong>und</strong> das Sächsische<br />

Ministerium für Kultus im Jahr 2003 mit einer <strong>Kooperation</strong>svereinbarung den Weg<br />

geebnet haben. Der Rahmen ist vorgegeben, mit Leben muss die <strong>Kooperation</strong> vor Ort<br />

erfüllt werden. Es nützt uns nichts, eine Verordnung auf den Weg zu bringen mit klugen<br />

Ideen, entscheidend ist ihre Umsetzung. Deswegen gilt mein Dank all denen, die sich in<br />

Leipzig auf den Weg gemacht haben, um diese Verordnung mit Leben zu erfüllen.<br />

Heute wollen wir einer <strong>Kooperation</strong>svereinbarung zwischen Jugendamt <strong>und</strong><br />

Regionalschulamt die typisch Leipziger Prägung geben. Von Beginn an wird diese<br />

1<br />

9


1 Partnerschaft<br />

10<br />

Begrüßung<br />

dokumentiert. Nicht nur eine symbolische Unterschrift auf einer Urk<strong>und</strong>e!<br />

Wir wollen heute sofort Impulse für die Praxis geben. Die Fachtagung ist nicht als ein<br />

Diskussionsforum gedacht, sondern sie wird zur ersten Weiterbildungsveranstaltung für alle<br />

Beteiligten. Wir wollen Partnerschaft konkret bestimmen, mit guten Beispielen<br />

festschreiben.<br />

Eine gute Weiterbildung für alle wird sicherlich der Fachvortrag <strong>von</strong> Herrn Dr. Strätz sein.<br />

Er führt uns heute in die Theorie der Selbstbildung ein.<br />

Wir haben, meine Damen <strong>und</strong> Herren, eine gemeinsame Verantwortung für die Kinder in<br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> in der Schule, insbesondere in den Übergangsphasen <strong>und</strong><br />

insbesondere auch für benachteiligte Kinder. Es ist gemeinsame Aufgabe, die Entwicklung<br />

der Kinder zu begleiten, Kinder zu fördern <strong>und</strong> zu fordern <strong>und</strong> dabei stets die<br />

Erziehungspartnerschaft mit den Eltern zu suchen.<br />

Den letzen Gedanken möchte ich noch einmal ganz besonders hervorheben. Alle unsere<br />

Anstrengungen in Schule <strong>und</strong> Kindertagesstätten sind vergebens, wenn wir die Eltern nicht<br />

mitnehmen. Wir können nicht familiäre Problemlagen in unseren Institutionen lösen,<br />

wenn wir nicht die Erziehungsberechtigten, die Sorgeberechtigten, die Eltern mit ins Boot<br />

holen. Das gelingt uns nicht immer.<br />

Es gibt natürlich auch immer noch eine Abgabementalität, manchmal falsche Erwartungen<br />

- die Kita/ Schule wird es schon richten. So kommen wir nicht weiter, sondern nur in<br />

dialogorientierter Partnerschaft mit den Eltern! Aber wie soll das gut funktionieren? Fragen<br />

schließen sich an: Wie kann man den Übergang möglichst optimal gestalten? Wie sollte<br />

diese optimierte Schuleingangsphase funktionieren? Wie kann man aus unterschiedlicher<br />

Sicht, aus verschiedenen Institutionen, zeitlich versetzt, mit einem Kind arbeiten? Und in<br />

diesem Prozess sich den Staffelstab nicht nur übergeben, sondern ihn schon gemeinsam<br />

fassen?! Dieses ıBild„ – das ist meine Vision: Gr<strong>und</strong>schullehrerInnen tragen zum<br />

Selbstbildungsprozess in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> bei <strong>und</strong> ErzieherInnen fördern Kinder<br />

in Gr<strong>und</strong>schulen. In die Institution des anderen gehen, den Alltag kennen lernen,<br />

gemeinsam Projekte umsetzen, so wächst Verständnis füreinander <strong>und</strong> der Umgang<br />

miteinander erhält eine neue Qualität.<br />

Ich freue mich jetzt auf den Fachvortrag. Ich bin mir sicher, dass wir am späten<br />

Nachmittag alle zusammen feststellen werden, dass wir in zum jetzigen Zeitpunkt genau die<br />

richtigen Schritte auf dem richtigen Wege tun. Allen nochmals ein herzliches Willkommen<br />

im Neuen Rathaus.


Matthias Hüchelheim<br />

Liebe Gäste aus Dresden, Frau Koch <strong>und</strong> Herr Schlosser,<br />

sehr geehrter Herr Jung, sehr geehrter Herr Dr. Haller,<br />

meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

Grußwort Matthias Hüchelheim<br />

wir haben heute ein wichtiges Thema auf der Tagesordnung <strong>und</strong> sind uns im Ziel einig. -<br />

Es ist ein partnerschaftliches Übereinkommen zur besseren Gestaltung des Überganges vom<br />

Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule auf den Weg zu bringen.<br />

Vor 15 Jahren wurde hier in Leipzig mit den Montagsdemonstrationen die ıWende„<br />

eingeläutet. - Mit dem uns allen bekannten Ergebnis. Für mich bedeutete die Wende 1990<br />

die Übernahme neuer Aufgaben. Ich wurde Kreisschulrat in Sachsen. Es war für mich<br />

selbstverständlich, dass neben dem Arbeitsfeld ıSchule„ auch die Arbeitsfelder<br />

ıKindergärten„ <strong>und</strong> ıHorte„ zusammen zu betrachten sind. Damals war ich für diese drei<br />

Arbeitsfelder im Verb<strong>und</strong> zuständig.<br />

Mit Einführung des Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetzes (KJHG) in Ostdeutschland kam es zu<br />

einer starken institutionellen Trennung der Verantwortlichkeiten. Kindertagesstätten (später<br />

auch Horte) werden seither in der kommunalen Jugendhilfe geführt <strong>und</strong> finanziert. Der<br />

Freistaat Sachsen hat ein eigenes Kindertagestätten-Gesetz geschaffen.<br />

Diese institutionelle Trennung hat auch zu einer gewissen Distanz in der Kommunikation<br />

geführt.<br />

Heute wissen wir, dass <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule auf ein<br />

partnerschaftliches Miteinander angewiesen sind, wenn Kinder einen erfolgreichen<br />

Übergang haben sollen.<br />

Man könnte nun den Eindruck gewinnen, man erfinde das Fahrrad zum zweiten Mal. Um<br />

beim Bild ıFahrrad„ zu bleiben, muss man differenzieren. Das will ich versuchen.<br />

Aus dem ursprünglich eingängigen Fahrrad der Marke ıMifa„ oder ıDiamant„ haben wir<br />

jetzt die Chance, ein neues Leistungsmodell mit 21 oder 24 Gängen zu konstruieren.<br />

Es ist fast ein wenig traurig für ein Land wie Deutschland, dass es erst einer PISA-Studie<br />

bedurfte, um die <strong>von</strong> den Fachleuten schon lange angemahnte <strong>und</strong> immer wieder<br />

1<br />

11


1 eingeforderte<br />

12<br />

Begrüßung<br />

Zusammenarbeit aller bei der Erziehung <strong>und</strong> Bildung der Kinder Beteiligten<br />

auf den Weg zu bringen <strong>und</strong> dabei die Eltern einzubeziehen.<br />

Ich bin froh, dass diese Tagung heute stattfindet. ıMifa„ möchte ich nicht mehr gern<br />

fahren, ich nehme lieber das Fahrrad mit den 24 Gängen. Ich bin mir sicher, dass wir heute<br />

beginnen dieses Rad aufzubauen <strong>und</strong> dann Gang für Gang entsprechend erweitern werden.<br />

Institutionell gesehen bedeutet das, eine gemeinsame Verantwortung für das weitere Tun<br />

festzuschreiben, jedem Partner seinen Platz zugeben. Wir wollen dazu beitragen, dass sich<br />

in einem Prozess wieder die Ressorts angemessen annähern.<br />

Ich freue mich, heute gemeinsam mit dem Beigeordneten für Jugend <strong>und</strong> Schule, Herrn<br />

Jung, diese wegweisende <strong>Kooperation</strong>svereinbarung für Leipzig unterzeichnen zu dürfen. In<br />

diesem Zusammenhang möchte ich den Wunsch äußern, dass die <strong>Kooperation</strong>spartner jetzt<br />

<strong>und</strong> künftig vorurteilsfrei aufeinander zugehen <strong>und</strong> sie stets <strong>von</strong>einander lernen mögen.<br />

Ich weiß, die Lehrer haben eine ganze Menge zu lernen, auch über die Entwicklungen in<br />

den <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, die sich in den letzten Jahren vollzogen haben. Im<br />

Augenblick denke ich an die Umsetzung <strong>von</strong> neuesten Erkenntnisse aus der frühkindlichen<br />

Bildung. Und sicherlich werden auch die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen der Kindertagesstätten<br />

eine ganze Menge <strong>von</strong> uns lernen können: das veränderte Bild <strong>von</strong> Schule <strong>und</strong> das<br />

veränderte Bild <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>schule, eine ganze Reihe neuer schulgesetzlicher Regelungen.<br />

Der Qualitätsentwicklungsprozess wurde auch im Schulbereich intensiv vorangebracht!<br />

Ich bin zuversichtlich, dass wir alle diese <strong>Kooperation</strong>svereinbarung mit hohem<br />

Engagement umsetzen werden. Für die erfolgreiche Partnerschaft liegt die Meßlatte hoch.<br />

Eine permanente Bereitschaft zum einander Zuhören ist <strong>von</strong>nöten. Es geht um die<br />

gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung der Kinder.<br />

Gestern sprach unseres Altministerpräsidenten Herrn Prof. Biedenkopf bei einer anderen<br />

Veranstaltung genau über unser Thema. ıWie können in der Biographie eines Kindes<br />

Brüche letztendlich vermieden werden?„, ıFängt Schule zu spät an„?, ıTut Kindergarten<br />

noch zu wenig?„. Sie sehen, unser Thema ist hochaktuell.<br />

Wir müssen die Potenziale der drei-, vier- <strong>und</strong> fünfjährigen Kinder nutzen, die sich über<br />

Fragen mit der Erkenntnis ihrer Welt auseinander setzen: ıWarum ist denn das so?„ ıWie<br />

funktioniert das?„....Wir sind es, die diesen Wissensdurst, je nach Entwicklungsstand des<br />

Kindes, so früh als möglich stillen sollen <strong>und</strong> auch müssen. Und das unbeschadet <strong>von</strong><br />

unserer jeweiligen Funktion. Gemeinsam tragen wir die Verantwortung für die Gestaltung<br />

des Heranwachsens unserer Kinder, immer im Dialog mit den Eltern, Jugendhilfe <strong>und</strong><br />

Schule.<br />

Wir haben unsere Ziele hoch gesteckt! In diesem Sinne wünsche ich uns viel, viel Kraft für<br />

diese wichtige, anspruchsvolle <strong>und</strong> auch freudvolle Aufgabe.


Sehr geehrter Herr Jung,<br />

sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen,<br />

Arnfried Schlosser<br />

Grußwort Arnfried Schlosser<br />

ich weiß, es ist immer mühsam mehrere Grußworte zu hören. Nehmen Sie dennoch die<br />

herzlichen Grüße aus dem Sächsischen Ministerium für Soziales <strong>und</strong> dem für Kultus,<br />

sozusagen <strong>von</strong> der Staatsregierung, entgegen.<br />

Wie war es vor 15 Jahren? - Leipzig war der Vorreiter für Entwicklungen in vielerlei<br />

Hinsicht! Auch heute beim Thema ı<strong>Kooperation</strong> Kindergarten – Gr<strong>und</strong>schule„ nimmt<br />

Leipzig wieder eine Vorreiter-Rolle ein. Die landeszentrale Tagung zur Thematik findet erst<br />

nächsten Montag in Meißen statt. Leipzig ist schneller gewesen. Gratulation.<br />

Gratulation auch zu dieser sehr gut vorbereiteten <strong>und</strong> gutbesuchte Tagung!<br />

Dass das Thema brandheiß ist, brauche ich Ihnen sicherlich nicht zu sagen <strong>und</strong> es ist auch<br />

kein Geheimnis, dass es auf der Agenda der Koalitionsverhandlungen, deren Ergebnis wir<br />

noch nicht kennen, war. Wir wissen aber schon jetzt, dass die Gestaltung der<br />

Übergangsphase Kita/Gr<strong>und</strong>schule auch in den nächsten Jahren eine der wichtigsten<br />

Herausforderungen sein wird.<br />

Wie auch schon Herr Jung hervorhob, haben wir uns intensiv bemüht auf der<br />

ministeriellen Ebene einen gewissen Rahmen für die Praxis zur Verfügung zu stellen.<br />

Zwischen beiden Ministerien wurde dazu im letzten Jahr eine <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />

beschlossen.<br />

Diese fand nicht nur in Sachsen, sondern b<strong>und</strong>esweit Beachtung. Sie können sich<br />

vorstellen, dass ich mich gefreut habe als ein Kollege aus dem Saarland mir die<br />

Rückmeldung gab: die Sache ist gut formuliert, man versteht was drin steht <strong>und</strong> der<br />

Verfahrensweg ist praktikabel. Das sind schon drei Punkte, die wichtig sind!<br />

Ganz kurz möchte ich diese <strong>Kooperation</strong> mit einem Brückenbau vergleichen. Bei diesem<br />

speziellen Brückenbau müssen wir da<strong>von</strong> ausgehen, dass es ja zwei verschiedene Ufer sind,<br />

<strong>von</strong> denen aus die Brücke gebaut wird. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben auf der<br />

einen Seite beim Kindergarten ein buntes Mosaik: verschiedenste Trägerschaften, ein<br />

Vielzahl pädagogischer Konzepte <strong>und</strong> auch unterschiedliche inhaltlicher Schwerpunkte. Ich<br />

denke nur an den Kindergarten auf dem Bauernhof in Mölkau oder einen<br />

Waldkindergarten, der in Leipzig entstanden ist, einen Kindergarten für Hochbegabte <strong>und</strong><br />

1<br />

13


1 eine<br />

14<br />

Begrüßung<br />

Reihe kirchlicher Kindergärten mit sehr eigenen Konzepten, sehr interessanten<br />

pädagogischen Strategien.<br />

Auf der anderen Seite: eine gewisse Einheitlichkeit in der Gr<strong>und</strong>schule, kein<br />

monolithischer Block, dass möchte ich keinesfalls sagen, aber doch ein System, das einfach<br />

linearer, auch hierarchischer geordnet ist. Mittlerweile sind starke Qualitätszuwächse zu<br />

verzeichnen. Nennen möchte ich nur neue Konzepten, neuen Lehrpläne <strong>und</strong> die<br />

dialogbereite Annäherung in Richtung <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>.<br />

Zu konstatieren ist, der Brückenbau ist auf beiden Seiten gut vorbereitet. Auf der einen<br />

Seite die neuen Lehrpläne, die Novelle des Schulgesetzes <strong>und</strong> die Konzeption der<br />

verbesserten Schuleingangphase. Auf unserer Seite die Bemühungen um den<br />

Bildungsauftrag des Kindergartens. Demnächst liegt der Entwurf für einen<br />

Bildungsleitfaden hier in Sachsen vor, der zur Diskussion gestellt wird. Dieser Entwurf <strong>und</strong><br />

andere Konzepte können auf dem Bildungsserver (www.kitabildungsserver-sachsen.de)<br />

diskutiert werden. Erste Ergebnisse werden sicherlich im Januar oder Februar 2005 auf<br />

einer Fachtagung öffentlich gemacht. Wir haben dafür kompetente <strong>und</strong> praxisnahe Partner<br />

an der TU Dresden gef<strong>und</strong>en.<br />

Zum erfolgreichen Brückenbau gehört also, dass wir das andere Ufer fest im Blick haben<br />

<strong>und</strong> uns auf dessen Besonderheiten einstellen. Schule kann mit Sicherheit da<strong>von</strong> lernen wie<br />

Kinder im Kindergarten lernen, Kita muss sich für die Schule interessieren, für den neuen<br />

Lehrplan, für Lernmethoden an der Gr<strong>und</strong>schule. Wenn die Brücke dann fertig ist, sollte<br />

sie auch rege genutzt werden <strong>und</strong> zwar nicht nur durch Lehrer <strong>und</strong> Erzieher. Herr Jung hat<br />

es schon betont, ich kann den Appell nur eindringlich wiederholen, auch die Eltern<br />

müssen Mittun!<br />

Kleines Beispiel. In Berlin hat man einen neuen Bildungsplan zeitgleich Kitas <strong>und</strong><br />

Elternvertretern öffentlich gemacht. Dies halte ich für sehr interessant!<br />

Eltern sind schließlich die ersten <strong>und</strong> wichtigsten Erzieher <strong>und</strong> wenn wir sie nicht auf<br />

unserer Seite haben, haben es Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule gleichermaßen schwer!<br />

Ich will aber wie gesagt nicht den einzelnen Aspekten der Fachtagung vorgreifen <strong>und</strong><br />

möchte dennoch vom guten alten Fröbel ein Zitat hier bringen, dass einfach zeigt, das die<br />

Sache auch eine Sache mit Herz ist <strong>und</strong> nicht immer nur in Kategorien der Verwaltung<br />

abgehandelt werden darf. Er schrieb also über die Bildung, Erziehung <strong>und</strong> Betreuung im<br />

Kindergarten:<br />

ıIm Spiele sollen sie freudig <strong>und</strong> allseitig alle Kräfte übend <strong>und</strong> bildend in schuldloser<br />

Heiterkeit, Einträchtigkeit <strong>und</strong> frommer Kindlichkeit sich dar leben. Für die Schule <strong>und</strong><br />

kommende Lebensstufen sich wahrhaft vorbereiten wie die Gewächse in einem Garten<br />

unter dem Segen des Himmels <strong>und</strong> der aufsehenden Pflege des Gärtners.„<br />

Ich denke, die aufsehende Pflege des Gärtners ist ein hervorragendes <strong>und</strong> motivierendes<br />

Bild für ihre Arbeit, <strong>und</strong> auch für diese Tagung. Vielen Dank.


1<br />

15


16<br />

Referate


2 Bilden sich Kinder selbst?<br />

Neue entwicklungspsychologische <strong>und</strong> neurobiologische Erkenntnisse 1<br />

18<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

Die Frage, die mir der Veranstalter aufgegeben hat, ist klar <strong>und</strong> einfach: Bilden sich Kinder<br />

selbst? Sie hätten eine ebenso klare Antwort verdient, aber alles, was ich Ihnen anbieten<br />

kann, ist: ıJa, aber⁄„<br />

Ich will versuchen, beides zu begründen: Das ıja„ <strong>und</strong> das ıaber„.<br />

Kinder bilden sich selbst, ⁄<br />

Die Betonung der aktiven Rolle des Kindes in seiner Entwicklung ist alles andere als neu.<br />

Das Bild vom ıKind als Akteur seiner eigenen Entwicklung„, das Jean Piaget geprägt hat,<br />

ist mehr als fünfzig Jahre alt ebenso wie der Satz, den Maria Montessori Kindern in den<br />

M<strong>und</strong> gelegt hat: ıHilf mir, es selbst zu tun.„ Entsprechend gibt es schon lange<br />

pädagogische Konzepte, die darauf aufbauten, übrigens im Schulbereich ebenso wie in der<br />

Elementarpädagogik - denken Sie nur an Montessori. Diese Konzepte waren allerdings nur<br />

einige <strong>von</strong> vielen <strong>und</strong> auch nicht unbedingt die dominierenden. Sie erfahren jedoch in den<br />

letzten Jahren eine Bestätigung <strong>und</strong> naturwissenschaftliche Begründung durch die<br />

Ergebnisse neurobiologischer Forschungen. Erlauben Sie mir, einige da<strong>von</strong> im Zeitraffer<br />

darzustellen:<br />

Die Bedeutung der Kindheit - neurobiologisch betrachtet<br />

Warum haben wir im pädagogischen Raum diesen Wissenschaftszweig früher kaum zur<br />

Kenntnis genommen? Annette Scheunpflug weist uns darauf hin, dass sich die<br />

deutschsprachige Pädagogik traditionell eher auf ihre geisteswissenschaftlichen Wurzeln<br />

(z.B. aus der Anthropologie oder der Philosophie) beziehe als auf naturwissenschaftliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen - vielleicht abgesehen <strong>von</strong> den Untersuchungen <strong>von</strong> Konrad Lorenz <strong>und</strong> seiner<br />

Schule. Dies sei nicht recht verständlich <strong>und</strong> vielleicht der Befürchtung zuzuschreiben, dass<br />

eine Biologie, die nachweise, dass die Entwicklung <strong>von</strong> Menschen vorherbestimmt sei,<br />

erzieherische Bemühungen <strong>und</strong> damit die Pädagogik überflüssig mache. Die heutige<br />

1<br />

Dr. R. Strätz<br />

Erweiterte schriftliche Fassung eines Vortrags, gehalten beim Fachtag „<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schulen“ am 27. Oktober 2004 in Leipzig


neurobiologische Forschung aber bestätige gerade nicht die Auffassung, dass die<br />

menschliche Entwicklung biologisch vorherbestimmt ist. Im Gegenteil scheine gerade die<br />

Tatsache determiniert zu sein, dass menschliche Entwicklung erstens notwendigerweise<br />

individuell verläuft <strong>und</strong> zweitens stark <strong>von</strong> einer förderlichen Umgebung abhängt.<br />

© WDR, ıQuarks & Co„<br />

Bilden sich Kinder selbst?<br />

Neuronen <strong>und</strong> neuronale Netze<br />

Die Neurobiologie untersucht Aufbau <strong>und</strong> Funktion <strong>von</strong><br />

Neuronen <strong>und</strong> ihren Verbindungen. Eine Nervenzelle<br />

(ıGanglienzelle„) bildet zusammen mit ihren Fortsätzen<br />

(ıNervenfasern„) eine Einheit, ein ıNeuron„. Die<br />

Funktionsweise ist bei allen Neuronen im Gr<strong>und</strong>satz<br />

gleich: Mehrere ıafferente„ Fortsätze, die ıDendriten„,<br />

führen der Nervenzelle Impulse zu. Im Zellkern entsteht<br />

daraus ein elektrisches ıAktionspotential„. Ein<br />

ıefferenter„ Fortsatz, der Neurit (bzw. ıAxon„), leitet das<br />

Aktionspotential weiter, ggf. verzweigt. ıSynapsen„ sind<br />

die Übergangsstellen zu den Dendriten weiterer<br />

Neuronen.<br />

Die Leistung eines Neurons besteht also - technisch<br />

gesprochen - darin, aus vielen verschiedenen<br />

Eingangssignalen nach einer bestimmten<br />

Verarbeitungsregel ein Ausgangssignal zu erzeugen. Je<br />

komplexer die Verknüpfungen sind, desto<br />

leistungsfähiger ist das System.<br />

Bei seiner Geburt verfügt ein Mensch über 10 bis 100 Milliarden ausgebildete Neuronen.<br />

Was zu diesem Zeitpunkt noch fast vollständig fehlt, sind funktionsfähige Verbindungen<br />

zwischen ihnen. Die meisten dieser Verbindungen entstehen in Form ıneuronaler Netze„<br />

vor der Pubertät - also in der Kindheit - durch Lernvorgänge. Jedes Neuron bildet 10.000<br />

bis 100.000 synaptische Kontakte zu anderen Neuronen aus.<br />

Dass jeder Mensch in seiner Kindheit die neuronalen Netze erst aufbauen muss, klingt<br />

zunächst wenig zweckmäßig. Hätte ıMutter Natur„ es sich - <strong>und</strong> den Kindern - nicht<br />

einfacher machen können? Wohl nicht: Manfred Spitzer weist darauf hin, dass eine<br />

Weitergabe der notwendigen Informationen auf dem Weg der Vererbung schon aus<br />

Kapazitätsgründen unmöglich ist: ıDie Verbindungen zwischen den Neuronen des<br />

menschlichen Gehirns können nicht genetisch festgelegt sein, weil hierzu die im gesamten<br />

Genom [Erbgut; d. Verf.] speicherbare Informationsmenge nicht ausreicht.„ (Spitzer 2000, S. 40)<br />

Aber selbst wenn eine Weitergabe auf genetischem Weg möglich wäre, würde sie bedeuten,<br />

dass die Gehirnstrukturen wenig flexibel wären - <strong>und</strong> das ist zumindest beim Menschen<br />

nicht angebracht: ıIn manchen Gegenden kann es gut sein, auf den Anblick roter Beeren<br />

mit Appetit zu reagieren, während dies Verhalten anderswo tödlich sein könnte. Wäre ein<br />

Säugling hier mit einem fest eingestellten Parameter ausgestattet, ... so bliebe keine<br />

Flexibilität. Eine genetische, feste Verdrahtung der neuronalen Verbindungen im<br />

Zentralnervensystem des Menschen wäre somit nicht wünschenswert.„ (Spitzer 2000, S. 37)<br />

2<br />

19


2 ıFlexibilität<br />

20<br />

Referate<br />

ist die eine Seite der Medaille, die andere ist der Aufwand, der für Lernen<br />

aufgebracht wird.„ (Spitzer 2000, S. 41)<br />

Das Maximum an Flexibilität ist unmittelbar nach der Geburt vorhanden: Verknüpfungen<br />

aller Art sind möglich, gerade weil noch kaum eine realisiert <strong>und</strong> damit festgelegt ist. Am<br />

Beispiel der Wahrnehmung <strong>von</strong> Lauten formuliert Spitzer dies so: ıÜberspitzt könnte man<br />

im Hinblick auf die Fähigkeiten des lautlichen Verständnisses (<strong>und</strong> der Lautproduktion)<br />

formulieren: Der Säugling kann potentiell alles, real nichts.„ (Spitzer 2000, S. 233) Aber<br />

schon nach wenigen Monaten haben auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Lernerfahrungen massive, bei<br />

Kindern aus verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Entwicklungen stattgef<strong>und</strong>en:<br />

ıWir Menschen werden mit der Fähigkeit zur Unterscheidung der etwa 70 Phoneme<br />

geboren, aus denen die lautlichen Wörter aller Sprachen der Welt gebildet werden (kein<br />

Druckfehler: es sind tatsächlich nur etwa 70). Bereits in einem Alter <strong>von</strong> etwa einem halben<br />

Jahr jedoch zeigen Säuglinge unterschiedliche Reaktionen auf die Laute ihrer<br />

Muttersprache im Vergleich zu Lauten, die nicht in ihrer Muttersprache vorkommen...<br />

Offensichtlich wurden durch die erfahrenen lautlichen Inputmuster bereits Lautkarten<br />

angelegt, auf denen nur das repräsentiert wird, was tatsächlich gehört wurde. Ist die Karte<br />

erst einmal angelegt, wird es immer schwieriger, sie zu ändern. Man weiß, daß beim<br />

Erlernen einer Fremdsprache nach Abschluß der Pubertät praktisch immer ein Akzent<br />

bleibt.„ (Spitzer 2000, S. 233)<br />

Kinder bauen neuronale Verbindungen so schnell <strong>und</strong> so umfangreich auf, dass darunter<br />

zunächst auch viele entstehen, die nicht dauerhaft benötigt werden. Diese werden dann<br />

auch bald wieder abgebaut. Verbindungen werden also zunächst ıauf Vorrat„ bzw. im<br />

Überschuss geschaffen.<br />

Diese Ergebnisse zeigen die entscheidende Rolle der Kindheit für den Aufbau leistungsfähiger<br />

neuronaler Netze. Danach, d. h. im Jugend- <strong>und</strong> Erwachsenenalter, liegt das Schwergewicht<br />

auf "funktionellen Änderungen"; damit ist die Verstärkung bzw. Schwächung bereits<br />

bestehender Verbindungen gemeint. Ein Neuaufbau findet dann kaum noch statt.<br />

Neuronale Netze speichern Erfahrungen<br />

Die neuronalen Verknüpfungen machen die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns aus. Sie<br />

entstehen durch Lernvorgänge, deren Ergebnis gespeichert wird <strong>und</strong> damit für die<br />

Bewältigung kommender Aufgaben verfügbar bleibt. Lernen ist also ein aktiver Prozess <strong>und</strong><br />

nichts, was dem Kind <strong>von</strong> außen ızugeführt„ wird. Kinder brauchen daher möglichst viele<br />

Lerngelegenheiten: ıWer Lernen für einen passiven Vorgang hält, der sucht nach dem<br />

richtigen Trichter. Wer aber lernen als eine Aktivität versteht, wie beispielsweise das Laufen<br />

oder das Essen, der ... denkt über die Rahmenbedingungen nach, unter denen diese<br />

Aktivität am besten stattfinden kann.„ (Spitzer 2002, S. 4) Dies zeigt eindringlich die<br />

Bedeutung einer anregungsreichen Umgebung: Je mehr Erfahrungen wir Kindern<br />

ermöglichen, desto mehr Möglichkeiten zu lernen haben sie.<br />

Kinder filtern aus solchen Lerngelegenheiten das heraus, was sie speichern: ıWenn<br />

neuronale Netzwerke die Verhältnisse in biologischen Gehirnen abbilden <strong>und</strong> wenn daher


Bilden sich Kinder selbst?<br />

Organismen aus Beispielen lernen <strong>und</strong> nicht dadurch, dass man ihnen (wie etwa einem<br />

Computer) eine Regel einprogrammiert, <strong>und</strong> wenn Menschenkinder sich <strong>von</strong> den<br />

Nachkommen anderer Arten vor allem durch ein Mehr an Lernen unterscheiden, dann<br />

bedeutet dies für die Erziehung, dass sie nicht durch Predigten, sondern durch Beispiele<br />

erfolgt. - ,ErfolgtÂ, nicht ,zu erfolgen hatÂ, denn Lernen läuft auch dann über Beispiele,<br />

wenn der Erzieher predigt. Gelernt wird allerdings in diesem Fall, dass irgendwer immer<br />

predigt!„ (Spitzer 2000, S. 62) ıWenn also der Vater schimpft <strong>und</strong> diese oder jene Maßregel<br />

damit durchzusetzen sucht, so wird das Kind lernen, daß der Vater schimpft (bzw. dass<br />

Väter schimpfen). Gemessen an dieser Regelhaftigkeit im Input sind die einzelnen Inhalte<br />

nahezu vernachlässigbar.„ (Spitzer 2000, S. 63)<br />

Wir lernen nicht durch Regeln, sondern durch Beispiele. Ein aktuell wichtiges Thema ist<br />

dir Sprachförderung; für sie gilt dasselbe: Kinder lernen Sprache nicht, indem wir ihnen<br />

Regeln - etwa Regeln der Grammatik - eintrichtern; Kinder lernen Sprache durch gute<br />

Sprachvorbilder <strong>und</strong> viele Sprechgelegenheiten: ıWussten Sie, dass die Verben, die auf Ù-<br />

,ieren enden, das Partizip Perfekt ohne ,ge bilden? Wir sind gestern gelaufen, waren aber<br />

nicht gespazieren, sondern nur spazieren... was ich vorgestern nur verloren (<strong>und</strong> nicht geverloren)<br />

habe, das habe ich gestern wieder gef<strong>und</strong>en. Kannten Sie die eingangs genannte<br />

Regel? Sofern Sie nicht ,Deutsch für Ausländer unterrichten, ist die Wahrscheinlichkeit<br />

äußerst gering, dass Sie diese <strong>und</strong> Tausende andere Regeln der deutschen Grammatik<br />

kennen. Und das ist auch in Ordnung so, denn Sie brauchen diese Regeln nicht zu wissen,<br />

um richtiges, d. h. grammatikalisch einwandfreies Deutsch zu sprechen... Fast alles, was wir<br />

gelernt haben, wissen wir nicht. Aber wir können es.„ (Spitzer 2002, S. 59) ıPraktisch alle<br />

Menschen können sprechen. Schlägt man jedoch eine Grammatik auf, so glaubt man nicht,<br />

dass dies so ist: Hätten wir die Muttersprache in all ihrer Komplexität auf dem Gymnasium<br />

lernen müssen, würden die meisten <strong>von</strong> uns bis heute wahrscheinlich eher stammeln als<br />

sprechen.„ (Spitzer 2002, S. 68f)<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Alltagserfahrungen bilden Kinder sogenannte Sprach- oder<br />

Bedeutungskarten: ıAuf diesen Karten wird die Erfahrung des Kindes nach Häufigkeit <strong>und</strong><br />

Ähnlichkeit abgebildet sein, zunächst<br />

recht <strong>und</strong>ifferenziert <strong>und</strong> dann<br />

immer genauer. Der Sprachgebrauch<br />

<strong>und</strong> die Interaktionen mit der<br />

Umgebung stellen dann die Summe<br />

der Erfahrung dar, die zeitlebens<br />

dafür sorgt, dass sich die<br />

hochstufigen Bedeutungskarten<br />

ändern <strong>und</strong> anpassen.„ (Spitzer 2000,<br />

S. 255) Unser Wortschatz ist im<br />

Großhirn also nicht - wie in einem<br />

Lexikon - alphabetisch abgelegt oder<br />

etwa nach grammatikalischen Regeln<br />

klassifiziert. Stattdessen sind Worte<br />

benachbart, die häufig zusammen<br />

2<br />

21


2 verwendet<br />

22<br />

Referate<br />

werden, weil sie Ähnliches beschreiben (oder auch Gegensätzliches wie ıschwarz„<br />

<strong>und</strong> ıweiß„) oder Differenzierungen darstellen (wie ıHand„ <strong>und</strong> ıFinger„).„ (Spitzer 2000,<br />

S. 244, Hervorhebungen d. Verf.) Kinder entwickeln solche ıSprachkarten„ schrittweise<br />

durch fortlaufende Differenzierung, indem sie neue Begriffe dorthin einfügen, wohin sie<br />

entsprechend ihren Alltagserfahrungen gehören.<br />

Das kindliche Gehirn ist plastisch<br />

Inzwischen gibt es ıLandkarten„ des Großhirns, in denen detailliert verzeichnet ist, welche<br />

Regionen für welche Funktionen <strong>und</strong> die Verarbeitung welcher Informationen ızuständig„<br />

sind. Die herausragende Rolle der Kindheit für den Entwicklungsprozess wird nun dadurch<br />

unterstrichen, dass das Volumen - <strong>und</strong> damit die Verarbeitungskapazität - der Zentren<br />

variabel ist, <strong>und</strong> zwar abhängig <strong>von</strong> den Erfahrungen, die das Kind macht: "... ist es vor<br />

kurzem gelungen zu zeigen, daß in der Tat bei Musikern, die früh anfangen - es wurden<br />

Geigenspieler untersucht -, das Volumen an Großhirnrinde, in dem die linke Greifhand<br />

repräsentiert ist, ausgeweitet wird, relativ zu dem Bereich in der anderen Hirnhälfte, der für<br />

die Kontrolle der bogenführenden Hand verantwortlich ist. Das schnelle, <strong>und</strong> vor allem<br />

das dissoziierte Greifen-Können braucht offenbar mehr Substrat als das Führen des Bogens.<br />

Bei frühem Beginn - also etwa vor dem 10. Lebensjahr - nimmt die Repräsentation (die<br />

Fläche, auf der die Greifhand repräsentiert ist) hochsignifikant gegenüber nicht geigenden<br />

Kontrollpersonen zu. Bei Geigern, die erst nach dem 20. Lebensjahr anfangen, bei den<br />

,SpätberufenenÂ, kommt es zu keiner Vergrößerung der Repräsentation der Greifhand in<br />

der Großhirnrinde. Hier also ist die physiologische Begründung für das ,Früh übt sich ⁄Â"<br />

(Singer 1998, S. 49 f.)<br />

Aus solchen Bef<strong>und</strong>en ergibt sich fast zwangsläufig: Es gibt ıZeitfenster„ für den Erwerb<br />

bestimmter Funktionen. Das bekannte Sprichwort in diesem Zusammenhang lautet: "Was<br />

Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Ein in der Literatur oft angeführtes Beispiel<br />

ist das Schicksal <strong>von</strong> Blinden, die im Erwachsenenalter durch eine Operation funktionsfähige<br />

Augen erhielten. Sie blieben trotzdem blind, weil sie die Verarbeitung optischer Impulse<br />

nicht rechtzeitig, d. h. in ihrer Kindheit gelernt hatten. (vgl. Singer 2000, S. 43)<br />

Hier stellen Neurobiologen eine Verbindung zur Bedeutung der Eigenaktivität des Kindes<br />

her: ıDamit die jeweiligen Zeitfenster für Lernerfahrungen genutzt werden, ist Kindern ein<br />

Experimentierverhalten angeboren. Kleinkinder fangen <strong>von</strong> sich aus an, Laute zu bilden.<br />

Sie bieten ihrer Mitwelt eine Vielfalt <strong>von</strong> Lauten an - <strong>und</strong> die für die Muttersprache<br />

erforderlichen werden dann verstärkt. Um diese Zeitfenster zu nutzen, ist Kindern zudem<br />

ein Neugierverhalten angeboren. Das explorative Verhalten ermöglicht Kindern..., diese<br />

besonders günstige Zeit des Lernens intensiv zu nutzen„ (Scheunpflug 2001, S. 54 f.). Als<br />

Konsequenz ergibt sich: ıDamit wird sichtbar, dass Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sich ihren<br />

Lernprozess in gewisser Weise selbst organisieren. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sorgen aktiv<br />

für sich selbst.„ (Scheunpflug 2001, S. 61)<br />

Das macht allerdings die Umgebung <strong>und</strong> die Personen, die Teil dieser Umgebung sind <strong>und</strong><br />

sie gestalten, alles Andere als überflüssig: ıWir haben guten Gr<strong>und</strong> zur Annahme, dass sich<br />

das Gehirn <strong>von</strong> Kindern aufgr<strong>und</strong> seiner Reifung nach der Geburt die ihm angemessenen<br />

Erfahrungen zumindest zum Teil selbst verschafft... Dennoch zeigen... Simulationen... auch,


Bilden sich Kinder selbst?<br />

dass der richtige, dem Entwicklungsstand entsprechende Input - sprich: die richtige<br />

Erfahrung - zu rascherem Lernen führt als der falsche. Ein guter Lehrer weiß dies <strong>und</strong><br />

unterrichtet das, was die Kinder gerade lernen können <strong>und</strong> wollen.„ (Spitzer 2000, S. 331)<br />

Bei dieser Sachlage hätte die pädagogische Praxis gern genaue ıZeittafeln„, aus denen<br />

abzulesen wäre, in welchem Entwicklungsstadium welche Tätigkeiten <strong>und</strong> Inhalte für Kinder<br />

besonders wichtig <strong>und</strong> interessant sind. Ebenso wichtig wären Übersichten über Stufenfolgen:<br />

Welcher Entwicklungsschritt folgt (mit großer Wahrscheinlichkeit) auf welchen<br />

vorhergehenden? Es ist unsicher, ob es solche Übersichten jemals geben wird; sicher ist<br />

jedoch, dass sie derzeit (noch) nicht zur Verfügung stehen. Bisher war es nicht möglich,<br />

spezifische ıZeitfenster„ für einzelne Funktionen <strong>und</strong> Entwicklungsabschnitte zu ermitteln.<br />

Daraus ergibt sich für die Neurobiologie eine weitere Schlussfolgerung, die in<br />

elementarpädagogischen Zusammenhängen sehr vertraut klingt: ıEs ist nutzlos <strong>und</strong><br />

womöglich sogar kontraproduktiv, Inhalte anzubieten, die nicht adäquat verarbeitet werden<br />

können, weil die entsprechenden Entwicklungsfenster noch nicht offen sind. Da bislang nur<br />

wenig experimentelle Daten darüber vorliegen, wann das menschliche Gehirn welche<br />

Informationen benötigt, ist es wohl die beste Strategie, sorgfältig zu beobachten,<br />

wonach die Kinder fragen.„ (Singer 2001, Hervorhebung d. Verf.)<br />

Mit dem Begriff des ıZeitfensters„ steht die Auffassung in Zusammenhang, dass Kinder<br />

ihre Kompetenzen schrittweise entwickeln <strong>und</strong> sich daher aus den angebotenen<br />

Inputmustern das herausholen, was ihnen beim nächsten Entwicklungsschritt hilft. Solche<br />

Effekte sind besonders wichtig, wenn es um das Erlernen <strong>von</strong> sprachlichen Strukturen geht,<br />

die komplexe grammatikalische Regeln <strong>und</strong> Satzformen einschließen. Es zeigt sich, dass<br />

Kinder komplexere Satzstrukturen nur verstehen, wenn sie auf dem Verständnis einfacherer<br />

Muster aufbauen können; Lernen erfolgt schrittweise. Dies allerdings würde voraussetzen,<br />

dass Kinder in einer Umgebung aufwachsen, die darauf Rücksicht nimmt <strong>und</strong> ihnen<br />

ständig gezielt nur die jeweils angemessenen Muster <strong>und</strong> Schwierigkeitsgrade anbietet - die<br />

Erfahrung zeigt jedoch, dass dies höchstens vereinzelt der Fall sein dürfte. Das kindliche<br />

Gehirn - gerade weil es noch nicht voll entwickelt ist - vereinfacht die gehörten sprachlichen<br />

Strukturen jedoch so, dass sie Lernschritte auslösen können: ein Zusammenwirken<br />

(ıInteraktion„) <strong>von</strong> Gehirnreifung <strong>und</strong> Lernen (vgl. Spitzer 2000, S. 197 ff.).<br />

Wiederholung, Übung ist wichtig<br />

Verknüpfungen werden dann besonders dauerhaft <strong>und</strong> sind zugleich dann besonders leicht<br />

<strong>und</strong> schnell zu aktivieren, wenn dasselbe Verknüpfungsmuster möglichst oft <strong>und</strong> in<br />

möglichst ähnlicher Weise aktiviert - ıgelernt„ - wurde. Erst auf diese Weise werden<br />

Erfahrungen ins Langzeitgedächtnis übertragen <strong>und</strong> stehen dann dauerhaft zur Verfügung.<br />

Eine zwangsläufige Folge dieser Verarbeitungsart: Das System ist „konservativ‰, neue<br />

Erfahrungen werden, wenn möglich, so behandelt, dass sie in vorhandene<br />

Verarbeitungsmuster passen. Erst wenn dies definitiv nicht möglich ist, werden die<br />

Verarbeitungsmuster selbst geändert. Dies entspricht genau den Beschreibungen z. B. <strong>von</strong><br />

Jean Piaget: Er sprach <strong>von</strong> Prozessen der ıAssimilation„ (Integration neuer Informationen<br />

in vorhandene Denk-Schemata), stellte sie solchen der ıAkkomodation„ (Veränderung der<br />

Schemata) gegenüber <strong>und</strong> wies darauf hin, dass uns Akkomodationsprozesse bedeutend<br />

schwerer fallen als Leistungen der Assimilation. Auch in Beschreibungen <strong>von</strong><br />

2<br />

23


2<br />

24<br />

Referate<br />

Unterrichtsprozessen (z.B. in WDR 2001) wird häufig betont, wie ıstarrsinnig„<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auch angesichts neuer, unverträglicher Informationen bei den<br />

ıbewährten„ Denk- <strong>und</strong> Erklärungsmustern zu bleiben versuchen <strong>und</strong> sich erst dann auf<br />

neue einlassen, wenn alle diese Versuche scheitern.<br />

Manche Dinge bleiben uns auch dann dauerhaft im Gedächtnis, wenn wir sie nur ein<br />

einziges Mal erlebt haben. Wie ist das möglich? Es gibt einen Mechanismus, der den gerade<br />

beschriebenen Übungs- <strong>und</strong> Wiederholungseffekt ısimuliert„, indem bestimmte<br />

Erfahrungen zunächst (im Hippocampus) zwischengespeichert <strong>und</strong> dann immer wieder<br />

aktiviert werden. Dieser Mechanismus wird besonders in bestimmten Schlafphasen (REM-<br />

Schlaf) aktiv. Auch Ruhe- <strong>und</strong> Schlafphasen sind also ıaktive„ Phasen, in denen Gelerntes<br />

verfestigt wird. Der alte Satz, dass Erlebnisse "verarbeitet" werden müssen, hat offenbar<br />

einen ganz handfesten Hintergr<strong>und</strong>. ıVielleicht hat der eine oder andere Leser bei sich<br />

selbst schon beobachtet, dass man tagsüber eine Sache lernen möchte, sie aber trotz größter<br />

Anstrengung einfach nicht richtig fertig bringt. Enttäuscht vom Ergebnis der eigenen<br />

Bemühungen wendet man sich ab, um dann erstaunt festzustellen, dass am nächsten Tag<br />

alles ,wie geschmiert klappt.„ (Spitzer 2002, S. 121)<br />

Bereits die Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess<br />

Wir sind manchmal versucht zu glauben, dass der Prozess der Wahrnehmung darin besteht,<br />

Sinneseindrücke einfach ıabzuspeichern„. Tatsächlich aber ist die Verarbeitung dieser<br />

Sinneseindrücke die entscheidende Leistung; Wahrnehmung ist kein passiver, sondern ein<br />

höchst aktiver Prozess.<br />

Anschauliche Beispiele für aktive Verarbeitungsleistungen sind<br />

auch ıFehlleistungen„, zum Beispiel in Form der so genannten<br />

ıoptischen Täuschungen„. Hier ıwird ein weißes Dreieck gesehen,<br />

obgleich nur Striche <strong>und</strong> Kreise mit kleinen Anschnitten gedruckt<br />

sind,...„ (Spitzer 2000, S. 139) Optische Täuschungen zeigen uns -<br />

positiv ausgedrückt -, dass wir in der Lage sind, bruchstückhafte<br />

Wahrnehmungen ıautomatisch„ so zu ergänzen, dass wir<br />

handlungsfähig werden: Wir erkennen ein Auto, das sich nähert,<br />

auch wenn (zum Beispiel durch Sträucher oder andere Hindernisse) nur ein kleiner Teil<br />

sichtbar ist.<br />

Wir ıreimen uns einen Satz zusammen„, den<br />

wir tatsächlich nur teilweise gehört oder – wie<br />

im abgebildeten Beispiel<br />

© DER SPIEGEL 2003<br />

2 – fehlerhaft gesehen<br />

haben. Diese Verarbeitungsleistungen sind in<br />

den meisten Fällen höchst zweckmäßig <strong>und</strong><br />

erfolgreich - in Einzelfällen ıtäuschen„ sie uns<br />

allerdings.<br />

Wenn Kinder den Umgang mit Wahrnehmungen zum großen Teil erst lernen müssen,<br />

dann ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass sie dazu Zeit brauchen (unwillige Erwachsene nennen<br />

2 © Der Spiegel 2003


Bilden sich Kinder selbst?<br />

das ıTrödeln„). Sie nutzen diese Zeit, um genauer<br />

hinzuschauen, als wir Erwachsenen dies tun, wie eine<br />

Studie jüngst gezeigt hat: Erwachsene neigen dazu,<br />

Bilder, die ihnen vorgelegt werden, kurz anzuschauen,<br />

einzuordnen (ıAha, eine Katze!„) <strong>und</strong> gleich wieder zu<br />

vergessen. Kinder achten mehr auf die Details <strong>und</strong> sind<br />

deshalb besser als Erwachsene in der Lage, später aus<br />

einer Reihe einander ähnlicher Bilder genau dasjenige zu<br />

identifizieren, das sie bereits gesehen haben.<br />

Lernerfahrungen - <strong>und</strong> damit Lernwege - sind<br />

individuell<br />

Die in der beschriebenen Form ablaufende Entwicklung<br />

neuronaler Strukturen ist zwangsläufig ein individueller<br />

Prozess. Es ist schlechthin <strong>und</strong>enkbar, dass zwei Menschen in ihrer Kindheit genau<br />

dieselben Erfahrungen machen. Da zudem die abgespeicherten Erfahrungen wiederum die<br />

Art der Wahrnehmung <strong>und</strong> der Verarbeitung folgender Lernsituationen beeinflussen,<br />

werden sich die Menschen zunehmend nicht nur in ihren Erfahrungen, sondern auch in<br />

ihren Verarbeitungsmustern <strong>und</strong> Lernwegen unterscheiden. ı... jede neue Erfahrung wird<br />

die bereits angelegte Verhaltensweise verstärken. Anders ausgedrückt, ist erst einmal ein<br />

bestimmtes Verhalten angestoßen, kann es sich immer mehr verstärken, weil es selbst<br />

praktisch für die weiteren entsprechenden Erfahrungen sorgt.„ (Spitzer 2000, S. 329) Jede<br />

Erzieherin kennt aus Erfahrung die Situation, dass ein Kind bestimmte Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Situationen <strong>von</strong> vornherein vermeidet <strong>und</strong> ihm dadurch nur sehr schwer Erfolgserlebnisse<br />

zu vermitteln sind. Sie weiß ebenso, dass ein <strong>und</strong> dieselbe Situation für das eine Kind<br />

anregend, für das zweite langweilig <strong>und</strong> für das dritte furchterregend sein kann: Kinder<br />

steuern zum großen Teil ihre Lernwege <strong>und</strong> ihre Lernerfahrungen selbst.<br />

Es war <strong>von</strong> ıSprachkarten„ die Rede, die alle Menschen zumeist in ähnlicher Weise<br />

anlegen. Aber es gibt auch einen individuellen Anteil: Die mit einer bestimmten<br />

Wahrnehmung oder einem Begriff verknüpften Assoziationen <strong>und</strong> Bedeutungen<br />

unterscheiden sich teilweise <strong>von</strong> Mensch zu Mensch. Sie werden durch entsprechende<br />

Verfahren, zum Beispiel das ıMind-Mapping„, deutlich sichtbar. Ein gutes Stichwort, um<br />

das zu demonstrieren, ist zum Beispiel ıUrlaub„: Wenn verschiedene Menschen in Form<br />

einer ıMind-Map„ zeichnen, was ihnen zu diesem Stichwort einfällt, dann werden einige<br />

Elemente (wie ıFaulenzen„ oder ıFremde Länder kennen lernen„) gleich sein, andere<br />

werden die unterschiedlichen Erwartungen <strong>und</strong> Erfahrungen deutlich machen, die jede/r<br />

<strong>von</strong> uns mit dem Urlaub verbindet.<br />

Für die Pädagogik bedeutet dies den endgültigen Abschied <strong>von</strong> ıIm-Gleichschritt-marsch!„-<br />

Lehrmethoden. Es kommt im Gegenteil entscheidend darauf an, die individuellen<br />

Vorerfahrungen <strong>und</strong> Lernwege zu berücksichtigen <strong>und</strong> an ihnen anzusetzen.<br />

2<br />

25


2 Der<br />

26<br />

Referate<br />

Lernerfolg hängt ab <strong>von</strong> Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Motivation<br />

Nicht alles, was gelernt werden könnte, wird auch gelernt. Die erste Auswahl findet beim<br />

Übergang zum Kurzzeitgedächtnis statt, das bereits eingangs erwähnt wurde: Der<br />

Hippocampus, ein Teil des „Limbischen Systems‰, steuert unsere Aufmerksamkeit, ohne die<br />

Wahrnehmungen ızum einen Ohr hinein <strong>und</strong> zum anderen Ohr wieder hinaus„ gehen<br />

würden. Es kommt also bei allen pädagogischen Bemühungen zunächst darauf an,<br />

Aufmerksamkeit zu sichern, <strong>und</strong> das wiederum fällt erfahrungsgemäß am leichtesten, wenn<br />

an den bestehenden Erfahrungen <strong>und</strong> Interessen des Kindes angesetzt wird. ıHat der<br />

Hippokampus eine Sache als neu <strong>und</strong> interessant bewertet, dann macht er sich an ihre<br />

Speicherung, d. h. bildet eine neuronale Repräsentation <strong>von</strong> ihr aus. Daraus folgt, dass eine<br />

Sache vergleichsweise neu <strong>und</strong> interessant sein muss, damit unsere schnell lernende<br />

Hirnstruktur sie aufnimmt bzw. ihre Aufnahme unterstützt.„ (Spitzer 2002, S. 34) ıJe<br />

aufmerksamer ein Mensch ist, desto besser wird er bestimmte Inhalte behalten. Der Gr<strong>und</strong><br />

ist aus neurobiologischer Sicht ein zweifacher, denn mit Aufmerksamkeit sind zwei<br />

Prozesse gemeint, erstens die allgemeine Wachheit oder Vigilanz <strong>und</strong> zweitens die selektive<br />

Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Ort, Aspekt oder Gegenstand der Wahrnehmung.„<br />

(Spitzer 2002, S. 155)<br />

Ablenkung ist einer der Gegenspieler <strong>von</strong> Aufmerksamkeit. Deshalb besteht eine<br />

pädagogische Aufgabe sicher auch darin, den Kindern zu ermöglichen, ihre<br />

Aufmerksamkeit der Sache, die sie gerade interessiert, ungeteilt zuzuwenden. Das setzt eine<br />

entsprechende Raumgestaltung, aber auch eine flexible Gestaltung des Tagesablaufs voraus:<br />

Kinder sollen möglichst nicht gestört werden, wenn sie ıbei der Sache„ sind.<br />

Um es kurz zusammenzufassen: Die Neurobiologie zeigt uns, wie ein Kind seine Entwicklung<br />

ıin die eigenen Hände nimmt„. Es verarbeitet, ordnet <strong>und</strong> bewertet auf individuelle Weise die<br />

Erfahrungen, die es macht, es sucht aktiv ılehrreiche„ neue Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Herausforderungen.<br />

Kindzentrierte Pädagogik fördert Selbst-Bildungsprozesse<br />

Das ist - wie schon gesagt - längst pädagogisches<br />

Erfahrungswissen. ıGebildet werden kann man nicht,<br />

bilden muss man sich selbst.„ (G. E. Schäfer) Wir sollten<br />

nicht <strong>von</strong> leeren Kinderköpfen ausgehen, die dringend<br />

irgendwie (mit einem Nürnberger Trichter) gefüllt<br />

werden müssen, sondern <strong>von</strong> Kindern als aktiven <strong>und</strong><br />

kreativen Lernern <strong>und</strong> Entdeckern, deren Kompetenzen<br />

wir wahrnehmen <strong>und</strong> zielgerichtet fördern<br />

müssen. Das heißt auch: Unsere Rolle ist – zumindest in<br />

der frühen Kindheit - nicht die eines Lehrenden, denn<br />

ıman kann Kindern nichts beibringen„. (G. E. Schäfer)<br />

Wir können Kindern etwas anbieten, etwas zu erklären<br />

versuchen, etwas nahe bringen. Aber den letzten, den<br />

entscheidenden Schritt, um sich eine Sache anzueignen,<br />

müssen die Kinder selbst tun.


Bilden sich Kinder selbst?<br />

Wie Kinder lernen? - Implizites <strong>und</strong> explizites Lernen<br />

Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten des Lernens; die erste wird in der Psychologie ıexplizites<br />

Lernen„ genannt. Diese Form des Lernens ist gezielt geplant, Gegenstand ist ein genau<br />

definiertes Thema, <strong>und</strong> allen Beteiligten - Lehrenden wie Lernenden - ist bewußt, worum es<br />

geht, dass gelernt wird <strong>und</strong> was gelernt werden soll.<br />

Auf dem Bild sehen Sie ein Beispiel aus dem Kindergarten zum Bereich ıBewegungsförderung„:<br />

Hier wird explizit gelernt: Es geht darum, das Kinder lernen, sich auf einer<br />

schiefen Ebene zu bewegen, genau das - <strong>und</strong> ausschließlich das - wurde gezielt arrangiert.<br />

Die zweite Form wird als ıimplizites Lernen„<br />

bezeichnet: Indem Menschen etwas tun, lernen<br />

sie verschiedene Dinge, vielleicht ohne dass es<br />

ihnen bewusst ist oder bewusst wird <strong>und</strong><br />

vielleicht auch ohne dass es geplant war. Es<br />

ıergibt sich einfach„, die Beteiligten lernen ıim<br />

Vorbeigehen„.<br />

Die Bilder zeigen Ihnen Beispiele dafür, wie<br />

Kinder ihre Bewegungsmöglichkeiten implizit<br />

selbst fördern: Wenn sie zum Beispiel nur die<br />

Nase nahe genug am Geschehen haben wollen, dann nehmen sie automatisch<br />

Körperhaltungen ein, die bei uns Erwachsenen einen heftigen Muskelkater erzeugen<br />

würden.<br />

Oder: Wenn Kinder wissen wollen, ob<br />

das Wasser, das sie oben in ein Rohr<br />

gießen, tatsächlich unten in das Loch<br />

fließt, das sie im Sand gegraben haben,<br />

dann springen sie notfalls 20 Mal<br />

hintereinander auf, holen sich Wasser,<br />

gießen es ins Rohr <strong>und</strong> laufen durch<br />

den Sand (das ist ausgesprochen<br />

mühsam <strong>und</strong> anstrengend - fragen Sie<br />

Beach-Volleyballer!) zurück, so schnell es<br />

geht.<br />

Der entscheidende Vorteil des impliziten Lernens: Die Frage der ıMotivation„ spielt nicht<br />

die geringste Rolle. Weil die Tätigkeit selbst den Kindern wichtig ist, entwickeln sie alles,<br />

was erfolgreiches Lernen ermöglicht: Sie stecken Energie <strong>und</strong> Ausdauer in das, was sie tun,<br />

bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.<br />

In den ersten drei Lebensjahren ergibt sich jeder Entwicklungsschritt durch implizites<br />

Lernen. Vielleicht erinnern sich die Eltern unter Ihnen noch an die Zeit, als ihr Kind<br />

laufen lernte. Wenn die Zeit gekommen ist, versucht jedes Kind, zu laufen. Das ist ein sehr<br />

komplizierter Bewegungsablauf <strong>und</strong> entsprechend mühsam - <strong>und</strong> durch manchen<br />

Misserfolg erkauft - sind die Fortschritte, die das Kind dabei macht. Wir Erwachsenen<br />

können ihm nicht erklären, was es tun muss, um zu laufen. Ich kann zumindest nicht<br />

2<br />

27


2 erklären,<br />

28<br />

Referate<br />

welche Muskelgruppen wann <strong>und</strong> wie beim Laufen - sorgsam koordiniert<br />

miteinander - angespannt werden müssen, <strong>und</strong> einem Kleinkind könnte ich das schon gar<br />

nicht erklären. Aber es ist auch nicht nötig, denn die Kinder investieren so lange ihre ganze<br />

Energie in das Unternehmen ıLaufenlernen„, bis sie es <strong>von</strong> sich aus können. Unsere Rolle<br />

ist nicht die des Lehrmeisters, sondern eine andere: Wir räumen die Hindernisse <strong>und</strong> die<br />

möglichen Gefahrenquellen aus dem Weg <strong>und</strong> wir bekräftigen das Kind, feuern es an,<br />

trösten es, wenn es hingefallen ist <strong>und</strong> ermutigen es weiterzumachen. Und durch beides –<br />

die ungeheure eigene Anstrengung <strong>und</strong> die unbedingte Ermutigung der erwachsenen<br />

Bezugspersonen lernen alle Kinder laufen, als ob es nichts wäre.<br />

Später, in der Kindergartenzeit, dominiert zwar weiter das implizite Lernen, aber explizites<br />

Lernen kommt hinzu, wie das Beispiel zur Bewegungsförderung gezeigt hat. Das allerdings<br />

funktioniert nur, wenn es den Erzieherinnen gelingt, mit ihren Angeboten – diesen Begriff<br />

müssen wir wörtlich nehmen – das Interesse <strong>von</strong> Kindern zu wecken. Nach wie vor hat jede<br />

Erzieherin, jede Lehrerin, jede Mutter, jeder Vater das Recht <strong>und</strong> die Pflicht, dem Kind<br />

seine Begeisterung für bestimmte Tätigkeiten, seine Freude an der Beschäftigung mit<br />

bestimmten Inhalten deutlich zu machen in der Hoffnung, dass der Funke überspringt –<br />

nicht mehr, aber auch nicht weniger.<br />

Ein weiteres Lernprinzip: Kinder lernen nicht abstrakt <strong>und</strong> sie lernen nicht<br />

systematisch (im Sinne einer Fach-Systematik). Sie lernen stattdessen<br />

1. in Alltagszusammenhängen,<br />

2. anschauungs-,<br />

3. erfahrungs- <strong>und</strong><br />

4. Handlungsbezogen.<br />

Die Art, anschauungsbezogen zu lernen, sollten wir nicht als Handicap oder als Defizit<br />

ansehen, sondern als oft vielversprechenden Weg, Probleme zu lösen. Bestärkt hat mich in<br />

dieser Hinsicht das Beispiel einer Testaufgabe aus PISA:<br />

ıGib eine Methode an, wie der Umfang der Figur C bestimmt werden kann.„<br />

Der brave Schüler wird bei dieser Aufgabe - zu Recht - darauf hinweisen, dass so etwas im<br />

Unterricht nicht vorgekommen ist <strong>und</strong> zur nächsten Aufgabe übergehen.<br />

Ehrgeizige mathematische Amateur-Akrobaten werden vielleicht vorschlagen, die<br />

ger<strong>und</strong>eten Linien der Figur annäherungsweise durch eine Menge gerader Linien zu<br />

ersetzen, würden aber spätestens bei der Ausführung dieser Idee scheitern.


Die aufgeweckte Sechsjährige würde die Figur - gerade weil Sechsjährige nicht abstrakt,<br />

sondern handlungs- <strong>und</strong> anschauungsbezogen denken - vielleicht an eine Schlange erinnern<br />

oder an ein Seil, das auf den Boden gefallen ist. Und so könnte sie leicht auf die Idee<br />

kommen, einen Bindfaden über die Umrisse zu legen, um ihn anschließend auseinander zu<br />

ziehen <strong>und</strong> abzumessen.<br />

Entdeckendes oder forschendes Lernen<br />

Besonders intensiv lernen Kinder dann,<br />

wenn sie durch eigenes Handeln auf<br />

Probleme bzw. Aufgaben stoßen <strong>und</strong> sie<br />

durch eigenes Handeln auch bewältigen.<br />

Die folgende Bilderserie 3 zeigt Kindergartenkinder,<br />

die versuchen, Gegenstände<br />

möglichst weit durch die Luft zu<br />

katapultieren.<br />

Ein Junge hat den Ehrgeiz, nicht nur ein<br />

Gummiklötzchen zu verwenden, sondern<br />

zwei; außerdem stellt er sie senkrecht<br />

aufeinander. Diese Konstruktion ist sehr<br />

instabil; öfter passiert es ihm, dass die<br />

beiden Klötzchen, die ja auf einer schiefen<br />

Ebene stehen, herunterfallen, bevor er am<br />

anderen Ende des Katapults angekommen<br />

ist.<br />

Nach längeren Versuchen findet er die<br />

Lösung: Er vermindert die Schräge des<br />

Bretter, indem er Aststücke darunter legt.<br />

Und um den dadurch kürzeren Hebelarm<br />

auf der Sprungseite zu kompensieren,<br />

springt er jetzt nicht mehr <strong>von</strong> ebener<br />

Erde ab, sondern <strong>von</strong> einem erhöhten<br />

Podest, das es sich herangezogen hat.<br />

Solche Dinge sind gemeint, wenn <strong>von</strong> ıKonstruktionsleistungen„ der Kinder die Rede ist.<br />

Sie sind zwangsläufig individuell, denn jedes Kind wird mit der scheinbar ıgleichen„<br />

Situation auf seine Weise umgehen – auch dann, wenn es beobachtet, was die anderen<br />

3 Fotos <strong>von</strong> Astrid Normann, Leiterin der Evgl. Tageseinrichtung „Kinderbrücke“ in Münster-Handorf<br />

Bilden sich Kinder selbst?<br />

2<br />

29


2 Kinder<br />

30<br />

Referate<br />

tun. Solche ıEigenkonstruktionen„ im gestalterischen Bereich zeigt die nächste<br />

Bilderserie am Beispiel des ıschiefen Turms <strong>von</strong> Pisa„, den Kinder auf jeweils eigene Weise<br />

darstellen:<br />

Gr<strong>und</strong>schuldidaktik heute<br />

Vielleicht orientiert sich unser Bild <strong>von</strong> ıder„ Gr<strong>und</strong>schule noch stark oder sogar<br />

ausschließlich an den eigenen Erfahrungen mit unserer damaligen Schule. Aber seither<br />

haben manche Entwicklungen stattgef<strong>und</strong>en, die mal mehr, mal weniger Schulen betreffen<br />

<strong>und</strong> die enge Verbindungen zur Elementarpädagogik zeigen.


„Für die Bildung der Kinder ist nicht die Menge<br />

des vermittelten Wissens wichtig, sondern die<br />

Qualität der Aneignung <strong>und</strong> die unmittelbare<br />

Sinnhaftigkeit der Lernaktivitäten.“<br />

„Nur Lernerlebnisse, die als wichtig <strong>und</strong> als<br />

auch in der außerschulischen Welt sinnvoll <strong>und</strong><br />

wirksam erfahren werden, hinterlassen<br />

nachhaltige Spuren im Denken <strong>und</strong> Erleben der<br />

Kinder <strong>und</strong> regen zu weiterem Lernen an.“<br />

„Lesen ...[ist]... ein eigenaktiver Prozess der<br />

Sinnkonstruktion. Dementsprechend haben<br />

solche Umgangsweisen mit Texten eine<br />

besondere didaktische Qualität, die <strong>von</strong> einem<br />

individuellen Leseinteresse ausgehen ...“<br />

„Ein zeitgemäßer Sachunterricht ist der Idee der<br />

‚Welterk<strong>und</strong>ung‘ verpflichtet, d.h. er zielt auf die<br />

Gewinnung <strong>von</strong> Handlungskompetenz, wobei<br />

das eigene forschend-entdeckende Tun des<br />

Kindes das primäre Medium der Aneignung ist.<br />

“<br />

(aus: Bildungsansprüche <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>schulkindern<br />

- Standards zeitgemäßer Gr<strong>und</strong>schularbeit.<br />

Empfehlungen des Gr<strong>und</strong>schulverbandes zur<br />

aktuellen Standard-Diskussion<br />

http//:www.gr<strong>und</strong>schulverband.de (21.3.2003))<br />

Die nebenstehenden Zitate könnten aus<br />

einer elementarpädagogischen Schrift<br />

stammen; tatsächlich sind sie<br />

Empfehlungen des Gr<strong>und</strong>schulverbands<br />

zu einer ızeitgemäßen Gr<strong>und</strong>schularbeit„<br />

entnommen. Und sie sind nicht nur<br />

Theorie; Beispiele für ıLebensweltorientierung„<br />

finden wir in jeder<br />

Gr<strong>und</strong>schule:<br />

Bottroper Kinder beschäftigen sich im<br />

Sachk<strong>und</strong>eunterricht vermutlich mit der<br />

Steinkohle, Kinder in Leipzig in der Nähe<br />

eines Braunkohlereviers stattdessen mit<br />

Braunkohle. Auch Gr<strong>und</strong>schulkinder<br />

setzen sich gerade mit schwierigen<br />

Problemen besonders intensiv dann<br />

auseinander, wenn es Probleme sind, die<br />

aus ihrer Lebenswelt stammen. Ein simples<br />

Beispiel aus dem Rechenunterricht: Der<br />

Verkehrsfunk meldet zwei Kilometer Stau<br />

am Hermsdorfer Kreuz. Wie viele Autos<br />

sind das? Kinder, so hat es ein Lehrer<br />

berichtet, debattieren tagelang über diese<br />

interessante Frage – interessant deshalb, weil alle Kinder schon einmal auf der Autobahn im<br />

Stau gestanden haben. Sie messen <strong>und</strong> vergleichen die Länge <strong>von</strong> PKWÊs, sie debattieren über<br />

den Abstand zwischen stehenden Autos; ein Kind bringt alle anderen mit dem Hinweis in<br />

Aufruhr, dass im Stau auch Lastwagen stehen könnten, die viel länger sind als PKWÊs⁄<br />

Ein Beispiel für die ıIndividualisierung des Unterrichts„: Die Hausaufgaben im Lesen<br />

bestehen nicht mehr darin, dass alle Kinder denselben Text lesen, sondern jedes Kind liest<br />

in einem Buch, das es sich individuell gewählt hat, einen bestimmten Abschnitt. Die<br />

Rektorin begründet dies so: ıAlle Kinder lernen besser, wenn sie sich mit Dingen<br />

beschäftigen, die sie interessieren. Die Kinder einer Klasse haben aber sehr verschiedene<br />

Interessen. Also besteht unsere Aufgabe darin, mit jedem Kind einzeln seine Aufgabe zu<br />

vereinbaren, <strong>und</strong> natürlich auch darin, speziell für jedes Kind Fragen zu formulieren, die es<br />

schriftlich beantwortet, damit wir erkennen können, wie gut es ,seinen Text verstanden hat.<br />

Ein anderes Thema im Anfangsunterricht: In welcher Form tauchen Zahlen auf<br />

Alltagsgegenständen auf 4 ? Die Kinder im ersten Schuljahr bringen Gegenstände mit in den<br />

Unterricht oder erzählen <strong>von</strong> Gegenständen, die sie auf dem Schulweg gesehen haben. Bei<br />

Gesprächen darüber entdecken sie dann zum Beispiel, dass die Zehnertastatur auf<br />

Taschenrechnern anders angeordnet ist als auf Tastentelefonen oder Handys. An anderen<br />

4 Beispiele aus: Das Zahlenbuch. Mathematik im 1. Schuljahr. Leipzig. Stuttgart, Düsseldorf; Klett, 2000<br />

Bilden sich Kinder selbst?<br />

2<br />

31


2 Gegenständen<br />

32<br />

Referate<br />

entdecken sie auch andere<br />

Rhythmen wie z.B. die Wochentage, die sich auf<br />

dem Kalender alle sieben Tage wiederholen, oder<br />

die St<strong>und</strong>en auf der Uhr.<br />

Eine der Autorinnen dieses Mathematik-Buches, Martina Röhr, schildert in einem Aufsatz<br />

auch, wie sie Kinder selbst Lösungen für Probleme finden lässt: ıEin Freitag im April: 27<br />

Kinder eines ersten Schuljahres sitzen an ihren Tischen. Für jeweils zwei Kinder liegt ein<br />

Meterstab (Holzlatte, 1 m lang) bereit. Die Kinder beraten, wie sie die Länge <strong>und</strong> Breite des<br />

Klassenraums bestimmen können. Gemeinsam werden mehrere Meterstäbe aneinander<br />

gelegt, die Anzahl der Stäbe gezählt <strong>und</strong> die Maße des Klassenraums an der Tafel notiert.<br />

Dann sollen die Kinder selbständig den Flur, den Schulhof, das Schulgebäude <strong>und</strong> die<br />

Wiese hinter der Schule vermessen. Schule, Schulhof <strong>und</strong> Wiese haben Abmessungen, die<br />

eine Zählkompetenz weit über 20 hinaus verlangen. Außerdem steht den Kindern nur eine<br />

begrenzte Anzahl <strong>von</strong> Meterstäben zur Verfügung. Die Kinder können also nicht so<br />

vorgehen wie bei der Vermessung der eigenen Klasse, sondern müssen sich eine andere<br />

Vermessungsmethode überlegen. Dieses Problem wird jedoch nicht vorher angesprochen.<br />

Die Kinder sollen sich selbst Lösungen überlegen, wenn ihnen die Grenzen der bekannten<br />

Methode bewusst werden.<br />

Um die anderen Klassen nicht zu stören, wird für die Vermessung des Flurs eine Gruppe<br />

<strong>von</strong> acht Kindern (mit vier Meterstäben) beauftragt. Alle anderen Kinder verlassen das<br />

Gebäude ohne mich. Ich beobachte eine Zeit lang aus größerer Distanz die Messung auf<br />

dem Flur <strong>und</strong> betrete erst später den Schulhof. Kein Kind ist zu sehen. Auf der Wiese<br />

hinter dem Gebäude dagegen stehen bzw. hocken 20 Kinder zusammen <strong>und</strong> arbeiten. An<br />

der Spitze der Reihe stehen drei Schüler <strong>und</strong> zählen. Ein anderer ruft laut: ,Und der<br />

Nächste!Ê Daraufhin rennt das Kind vom Anfang der Reihe mit seinem Meterstab los <strong>und</strong><br />

schließt sich am anderen Ende an. ,20!Ê ,Und der Nächste!Ê ,21!Ê ,Und der Nächste!Ê ,22Ê.<br />

,Und⁄Ê Nach einiger Zeit kommen 20 stolze Kinder angerannt <strong>und</strong> verkünden: ,Die Wiese<br />

ist genau 36 Meter <strong>und</strong> 2 Zentimeter lang!Ê<br />

Sicher eine Sternst<strong>und</strong>e im Unterrichtsalltag! Eine St<strong>und</strong>e zum kooperativen Lernen wie sie<br />

fast besser nicht sein könnte! Zufall oder nicht? Nicht jeden Tag wäre dies in meiner Klasse<br />

so möglich gewesen. Es erstaunte mich, dass sich eine so große Gruppe so gut organisieren<br />

konnte, um eine problemhaltige <strong>und</strong> offene Aufgabenstellung zu lösen. Aber auch kein<br />

Zufall! Die Kinder waren kooperatives Arbeiten <strong>von</strong> Anfang an gewöhnt. Sie hatten bereits<br />

früh erfahren können, dass es Aufgaben gibt, die man gemeinsam besser <strong>und</strong> leichter lösen<br />

kann.„ (Röhr 1997, S. 32)<br />

Ein anderes Beispiel 5 : ıDie Lehrerin eines zweiten Schuljahres erzählte den Kindern eine<br />

Geschichte <strong>von</strong> einem König, der abends, bevor er zu Bett ging, noch wissen wollte, wie<br />

viele Goldstücke er eigentlich besitze. Er sei aber schon recht müde, ob vielleicht die<br />

5 http://gr<strong>und</strong>schule.bildung-rp.de/gs/boerse/praxisbsp/schatzkiste.html (18.10.2004)


Bilden sich Kinder selbst?<br />

Kinder ihm beim Zählen behilflich sein könnten? Natürlich! Eifrig zählten die Kinder die<br />

<strong>von</strong> der Lehrerin mitgebrachten Würfel, die als Goldstücke fungierten. 77 Goldtaler war<br />

das Ergebnis <strong>und</strong> zufrieden ging der König zu Bett.<br />

Am nächsten Tag hatte der König Steuereinnahmen <strong>und</strong> Ausgaben für seinen Hof zu<br />

verzeichnen. Abends wollte er natürlich wieder wissen, wie viele Goldtaler er besitzt. Also<br />

musste wieder gezählt werden.<br />

Beim dritten Mal wurde das Zählen dann schon etwas mühselig <strong>und</strong> langweilig. Aber da<br />

hatte der König die Idee, sich <strong>von</strong> seinen Ingenieuren (= die Kinder) eine Schatzkiste bauen<br />

zu lassen, bei der er abends auf einen Blick erkennen kann, wie viele Goldtaler er besitze.<br />

Vorerst genüge wohl eine Schatzkiste für maximal 100 Goldtaler. Aufgabe der Kinder:<br />

Konstruiert eine Schatzkiste für den König! (in Gruppenarbeit)<br />

Am Ende der St<strong>und</strong>e nahm die Lehrerin die Konstruktionsvorschläge der verschiedenen<br />

Gruppen mit nach Hause <strong>und</strong> ließ über Nacht die Schreiner des Königs die Schatzkiste<br />

bauen.<br />

Natürlich ist es nicht überraschend, dass sich in fast allen Gruppen bei der intensiven<br />

Diskussion das H<strong>und</strong>erterfeld, bei dem man sofort sehen kann, wie viele Zehner <strong>und</strong> Einer<br />

vorhanden sind, als geeignet herausstellte. Wichtig dabei: Es waren die Konstruktionen der<br />

Kinder, nicht die Vorgaben der Lehrerin, die zur H<strong>und</strong>ertertafel führten. Die intensive<br />

Auseinandersetzung mit einem Problem, das Ringen um eine geeignete Lösung führte auf<br />

den Begriff. Die Struktur wird verstanden, weil sie selbst entwickelt wurde.„<br />

Solche didaktischen Prinzipien finden sich wohl noch nicht in jeder Gr<strong>und</strong>schule. Aber es<br />

gibt viele, die nach Wegen suchen, jedes einzelne Kind entsprechend seinen Interessen,<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Bedürfnissen bestmöglich zu fördern. Sie verfolgen Prinzipien, die der<br />

Elementarpädagogik sehr bekannt vorkommen, benennen sie vielleicht nur anders.<br />

Horterzieherinnen haben noch mehr Möglichkeiten als die Schule, Kindern zu helfen,<br />

Zusammenhänge durch eigenes Handeln zu erschließen oder zu ıbe-greifen„. Der Hort war<br />

immer der Ort, an dem Kinder nicht nur lernen konnten, wie man ıFahrrad„ schreibt,<br />

sondern gelernt haben, wie man ein Fahrrad auseinander nimmt - <strong>und</strong> damit auch in seiner<br />

Funktion verstehen lernt. Kinder im Gr<strong>und</strong>schulalter wollen ıetwas Richtiges„ tun - das<br />

kann die Reparaturwerkstatt für Fahrräder sein, die in einem Kellerraum des Hortes<br />

eingerichtet wird. Oder die Hortzeitung, die mit viel Mühe recherchiert, geschrieben,<br />

gedruckt <strong>und</strong> verkauft wird. ıEtwas Richtiges„ können Werkstücke sein, die im Werkraum<br />

oder in einer Schreinerwerkstatt entstehen, sportliche Erfolge, das Anlegen einer Sammlung<br />

<strong>von</strong> Musikstücken im MP3-Format oder <strong>von</strong> Zeitungsausschnitten über einen Popstar, der<br />

Umgang mit einem Haustier oder neue Herausforderungen im künstlerisch-musischen<br />

Bereich: Schulkinder sind in der Lage, fast unendlich viel Energie in Dinge zu stecken, die<br />

sie interessieren. Auch wenn das nicht immer die Dinge sein müssen, die wir für besonders<br />

wertvoll halten. Die Bereitschaft der Kinder, sich zu engagieren, sollten wir würdigen.<br />

ıEtwas Richtiges„ zu tun, geht über Spielen oder Basteln weit hinaus. Einige Beispiele<br />

dafür, welches Anspruchsniveau Kinder im Hortalter an sich selbst haben, stammen aus<br />

einem Projekt des kulturpädagogischen Vereins ıQuartier e. V.„ in Bremen (s. Siamis 2002):<br />

ıÜber mehrere Monate haben 300 Kinder aus <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, Spielhäusern,<br />

2<br />

33


2 Horten<br />

34<br />

Referate<br />

<strong>und</strong> Schulen in Bremen geforscht, gebaut <strong>und</strong><br />

erf<strong>und</strong>en. Unglaubliches ist bei dieser Erfinderwerkstatt<br />

herausgekommen: der Plattmacher, eine Knallkiste, die<br />

Spann-Dreh-Schnapp-Schlauch-Maschine, die Luftreise,<br />

die Hypnose-Maschine, um nur einige der unentbehrlichen<br />

Geräte zu nennen. Am Ende des Projektes<br />

präsentierten die Kinder ihre Erfindungen in einem<br />

Kindermuseum, das in einem Messe-Zelt untergebracht<br />

war.„<br />

Die Produkte zeigen uns: Was Hortkinder <strong>von</strong> sich<br />

verlangen, ist auch Spiel, aber mehr als Spiel. Es ist<br />

nicht nur Kunst, aber auch Kunst. Es ist auch Umgang<br />

mit Technik, aber nicht nur. Es sind komplexe,<br />

anspruchsvolle <strong>und</strong> individuelle Gestaltungsformen.<br />

Kinder bilden sich nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />

Kinder bilden sich selbst. Kinder lernen viel bereitwilliger, intensiver <strong>und</strong> schneller als viele<br />

Erwachsene. Aber: Sie tun dies nur unter bestimmten Voraussetzungen. Dazu ist es<br />

notwendig, nicht nur die Bildung, sondern auch Betreuung <strong>und</strong> Erziehung im engeren<br />

Sinn in den Blick zu nehmen:<br />

Hier sind die drei wichtigen Aspekte pädagogischen Handelns:<br />

Konsequenz<br />

Regeln<br />

Grenzen<br />

Anteilnahme<br />

Vertrauen<br />

Liebe<br />

Unterstützung<br />

Förderung<br />

Motivation


Ich glaube, dass sich mit diesem Schema sowohl die Rolle <strong>von</strong> Eltern als auch die Aufgaben<br />

der Erzieherin wie auch die einer Lehrerin beschreiben lassen. Damit will ich bestimmt<br />

nicht den Unterschied zwischen pädagogischen Fachkräften <strong>und</strong> Laien verwischen. Aber -<br />

auch wenn Fachkräfte die Aufgaben anders angehen <strong>und</strong> zu lösen versuchen - die Aufgaben<br />

sind prinzipiell gleich:<br />

� Es geht um die persönliche Beziehung zum Kind.<br />

� Es geht um Regeln <strong>und</strong> Grenzen, die gerade beim Leben in der Gruppe <strong>und</strong> in der<br />

Einrichtung bzw. in der Schule wichtig sind.<br />

� Es geht um die bestmögliche Förderung der Kinder.<br />

In diesem Zusammenhang sind den<br />

Pädagoginnen drei Begriffe vertraut:<br />

Betreuung, Erziehung <strong>und</strong> Bildung; sie<br />

sind im pädagogischen Handeln<br />

untrennbar miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />

Ein Beispiel aus einem Kindergarten:<br />

Eine Erzieherin sitzt mit vier kleinen<br />

Kindern, die erst seit einigen Tagen im<br />

Kindergarten sind, zusammen <strong>und</strong><br />

schaut sich ein Bilderbuch an.<br />

Sie signalisiert den Kindern: ıIch<br />

nehme mir jetzt Zeit nur für Euch. Ihr<br />

seid mir wichtig, ich möchte Euch<br />

besser kennen lernen.„ (Das ist Betreuung: Der Aufbau verlässlicher Beziehungen)<br />

Die kleinen Kinder lernen bei der Gelegenheit ıfast <strong>von</strong> selbst„, dass es im Allgemeinen<br />

besser ist, nacheinander zu reden statt gleichzeitig (Erziehung). In der Großgruppe würden<br />

sie das übrigens nicht lernen, weil sie sich gar nicht trauen würden, den M<strong>und</strong><br />

aufzumachen.<br />

Und jedes Kind lernt, dass andere Kinder zu einem Bild vielleicht andere Fragen haben,<br />

dass es Dinge zu entdecken <strong>und</strong> zu besprechen gibt, auf die sie vielleicht bisher nicht<br />

geachtet haben (ein Aspekt <strong>von</strong> Bildung). Auch das geht so nur in der Kleingruppe.<br />

Verlässliche soziale Beziehungen sind die Gr<strong>und</strong>lage<br />

Bilden sich Kinder selbst?<br />

Auch das B<strong>und</strong>es-Modellprojekt ıZum Bildungsauftrag <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong>„ hat<br />

noch einmal ausdrücklich herausgestellt: Bildungsprozesse brauchen eine Gr<strong>und</strong>lage in<br />

verläßlichen sozialen Beziehungen. Kinder brauchen Bezugspersonen, auch <strong>und</strong> gerade in<br />

den Institutionen wie Krippe, Kindergarten, Hort <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule.<br />

ıWechselseitige Anerkennung„ geschieht auf drei Ebenen (Leu 1999):<br />

� emotionale Zuwendung (Balance zwischen Zuwendung <strong>und</strong> respektvoller Distanz),<br />

� Zuerkennung gleicher Rechte (u. a. das Recht, selbständig zu entscheiden),<br />

dialogische Interaktionen,<br />

� gegenseitige soziale Wertschätzung.<br />

2<br />

35


2 Ein<br />

36<br />

Referate<br />

ıunscheinbares„ Beispiel dafür: Wenn Kinder sich im Sandkasten ınach Australien<br />

durchgraben„ wollen, buddelt die Erzieherin für ein paar Minuten mit. Erstens erfährt sie<br />

auf diese Weise viel <strong>von</strong> dem, was Kinder - außerhalb der ıTagesordnung„ - miteinander<br />

besprechen. Zweitens zeigt sie Interesse an dem, was die Kinder tun, <strong>und</strong> kann daher auch<br />

mehr Interesse der Kinder an dem erwarten, was sie ihrerseits tut oder einbringt.<br />

Bei solchen Gelegenheiten können wir den Kindern auch glaubhaft machen, dass wir drei<br />

Dinge verstanden haben:<br />

Erstens: Kinder leben in einer anderen Welt als Erwachsene, weil Dinge für sie eine<br />

andere Bedeutung haben. Was für uns wichtig ist, hat für sie wenig Bedeutung - <strong>und</strong><br />

umgekehrt. Dieser Autofahrer hat es gerade wieder einmal erfahren 6 :<br />

Kinder leben in einer anderen Welt als<br />

Erwachsene, weil andere Dinge für sie<br />

wichtig sind.<br />

Sie leben in einer anderen Welt, weil viele<br />

Dinge, die uns vertraut <strong>und</strong> langweilig<br />

sind, für sie neue <strong>und</strong> aufregende<br />

Entdeckungen darstellen. Wer jemals mit<br />

einem Kind ıschnell mal„ kurz vor<br />

Ladenschluss die dreih<strong>und</strong>ert Meter zum<br />

Lebensmittelgeschäft gehen wollte, weiß,<br />

was gemeint ist.<br />

Kurz: Es gibt ständig viele Möglichkeiten,<br />

Kindern unrecht zu tun, indem wir<br />

übersehen, dass ihre Welt nicht unsere ist.<br />

Das gilt auch für die Begriffe, die Kinder<br />

oft anders verwenden als Erwachsene: Eine<br />

ıFre<strong>und</strong>in„ zu sein oder zu haben meint<br />

bei Kindern etwas anderes, weil sie den<br />

Inhalt einer Fre<strong>und</strong>schaft nicht so<br />

definieren wie wir. Die Aussage ıDu bist<br />

nicht mehr meine Fre<strong>und</strong>in!„ hat bei<br />

Kindern ebenfalls eine andere Bedeutung,<br />

schon weil sich ihr zeitlicher Horizont <strong>von</strong><br />

unserem unterscheidet. William Damon<br />

weist auf die Konsequenzen hin: ıEs ist<br />

praktisch unvermeidlich, dass Erwachsene<br />

das soziale Leben eines Kindes nach ihren eigenen Vorstellungen konzeptualisieren. Die<br />

Spielgefährten eines Kindes nennen wir seine ,Fre<strong>und</strong>eÂ;... Das ist nicht falsch, solange man<br />

erkennt, dass diese Kategorien im sozialen Leben eines Kindes etwas anderes bedeuten als im<br />

sozialen Leben <strong>von</strong> Erwachsenen. Wenn beispielsweise Fre<strong>und</strong>schaft unter Kindern einfach<br />

durch eine Spielbeziehung definiert wird, dann ist damit ein anderes Verhältnis bezeichnet<br />

als im Erwachsenenalter.„ (Damon 1984, S. 58 f.)<br />

6 Comic aus: „Ästhetik <strong>und</strong> Kommunikation“ in: Kindermedien 1977, Heft 27, S. 11


Bilden sich Kinder selbst?<br />

Zweitens: Wir sehen Kinder nicht als defizitäre Wesen an, sondern als aktive, kompetente<br />

Mit-Menschen.<br />

Ein Beispiel dazu: Kinder bauen ihre Zeichnungen nicht nach dem Prinzip der Zentral-<br />

Perspektive auf. Ehe wir ihnen das mit bedenklichem Gesicht als Defizit ankreiden, sollten<br />

wir uns allerdings ansehen, was sie stattdessen tun:<br />

Damit ein Haus als Haus erkennbar wird,<br />

wird es am besten <strong>von</strong> der Seite<br />

gezeichnet. Schienen dagegen erkennt man<br />

am ehesten "aus der Luft". Bei<br />

Lokomotiven <strong>und</strong> Eisenbahnwaggons ist<br />

die Sache kompliziert: Die Räder müssten<br />

als r<strong>und</strong>e Scheiben erkennbar sein (am<br />

besten <strong>von</strong> der Seite malen?), die die<br />

Schienen berühren (die sind aber doch<br />

<strong>von</strong> oben gemalt!), <strong>und</strong> auch die Fenster<br />

<strong>und</strong> die Gesichter dahinter sollen zu<br />

sehen sein (das wiederum ist nur in der<br />

seitlichen Darstellung zu erreichen). Die<br />

Lösung des Problems: Das sechsjährige Kind malt so, daß alle wichtigen Dinge <strong>und</strong> Details<br />

auf einem Bild aus den jeweils besten Perspektiven sichtbar sind - also viel mehr zu sehen<br />

ist als bei jeder zentralperspektivischen Darstellung.<br />

Drittens: Wir wollen nicht immer <strong>und</strong> überall die Überlegenen sein. Für Kinder sind<br />

solche Aktivitäten <strong>und</strong> Gelegenheiten besonders reizvoll, bei denen das nicht der Fall ist.<br />

Ein eindrückliches Beispiel für mich war ein Projekt: „Unsere Hände haben Urlaub‰, in<br />

dessen Rahmen auch Bilder mit den Füßen oder mit dem M<strong>und</strong> gemalt wurden. Die<br />

größte Freude der Kinder war, mitzuerleben, dass sich ihre Erzieherin nicht besonders<br />

geschickt dabei anstellte.<br />

Bei Kindern im Schulalter ist Verlässlichkeit ein weiteres wichtiges Stichwort: Kinder haben<br />

ein feines Gespür dafür, ob Versprechen nur so dahingesagt oder ob sie auch eingehalten<br />

werden. Das gilt für Hortkinder noch stärker als für Kindergartenkinder. Und nur auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Verlässlichkeit wächst Vertrauen. Kindergartenkinder schenken ihrer<br />

Erzieherin ihr Vertrauen, die meisten <strong>von</strong> ihnen schenken es voraussetzungs- <strong>und</strong><br />

bedingungslos. Eine Horterzieherin dagegen muss sich das Vertrauen der Kinder hart<br />

erarbeiten, indem sie zum Beispiel beweist, dass sie verlässlich ist, dass sie verschwiegen sein<br />

kann, dass sie das Bedürfnis der Kinder nach Autonomie <strong>und</strong> nach aktiver Selbstgestaltung<br />

des eigenen Lebens nicht nur so weit respektiert, wie es irgend geht, sondern weiter fördert<br />

<strong>und</strong> aktiv fordert, dass sie dem Bedürfnis der Kinder nach Gleichbehandlung genauestens<br />

<strong>und</strong> penibel entspricht, dass sie die Verhaltensregeln, die sie den Kindern predigt, auch<br />

selbst beherzigt.<br />

Sicherheit brauchen Kinder besonders bei Übergängen, zum Beispiel beim Übergang vom<br />

Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule. Was dessen Gestaltung betraf, machte vor einigen Jahren<br />

in den westlichen B<strong>und</strong>esländern das Schlagwort ıgleitender Übergang„ die R<strong>und</strong>e,<br />

2<br />

37


2 wogegen<br />

38<br />

Referate<br />

Gisela H<strong>und</strong>ertmarck als prominente Vertreterin des Kindergartens vehement<br />

protestierte: ıKinder sind bitter enttäuscht, wenn Schule nur die Fortsetzung des<br />

Kindergartens mit anderen Mitteln ist.„ Aus einem sächsischen Hort habe ich dazu die<br />

hübsche Anekdote gehört, dass Kinder mit dem ıverspielten„ Beginn der Schule so<br />

unzufrieden waren, dass sie am Nachmittag im Hort ıSchule gespielt„ haben: Mit<br />

Lesebüchern, Tafel, Hausaufgaben <strong>und</strong> allem, was ihrer Meinung nach dazugehört...<br />

Die Kinder wollen einerseits unser deutliches Signal, dass wir registrieren <strong>und</strong><br />

berücksichtigen, dass sie keine Kindergartenkinder mehr sind, sondern Schulkinder.<br />

Andererseits haben sie ein Recht darauf, dass wir in Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindergarten,<br />

Schule <strong>und</strong> Eltern den Schritt, den sie gehen, sicher machen. Das bedeutet zum Beispiel,<br />

dass wir ihnen bei der Bewältigung ihrer Unsicherheiten <strong>und</strong> Ängste helfen. Wie Ängste<br />

<strong>von</strong> Kindern aufgegriffen <strong>und</strong> den Kindern signalisiert werden kann, dass sie ernst<br />

genommen werden, zeigt dieses Beispiel (Hense <strong>und</strong> Buschmeier 2002, S. 140): Kinder, die<br />

in die Schule kommen, schreiben dem Rektor der Gr<strong>und</strong>schule einen Brief, in dem sie<br />

beschreiben, wovor einige<br />

<strong>von</strong> ihnen Angst haben,<br />

<strong>und</strong> erhalten eine sehr<br />

konkret gehaltene <strong>und</strong><br />

Mut machende Antwort.<br />

Ohne eine funktionierende<br />

Zusammenarbeit<br />

zwischen Einrichtung <strong>und</strong><br />

Schule wäre ein solcher<br />

Brief wohl weder<br />

geschrieben noch<br />

(wahrscheinlich) beantwortet<br />

worden.<br />

Der Wert <strong>von</strong> Regeln<br />

Betreuung schafft die Gr<strong>und</strong>lage dafür, dass Kinder sich auf Bildungsprozesse einlassen<br />

wollen. Erziehung schafft Voraussetzungen dafür, dass sich Kinder auf solche Prozesse<br />

einlassen können; ein Beispiel dazu:<br />

Seit sich die Gruppe vor einiger Zeit mit<br />

Wasser <strong>und</strong> Gefäßen beschäftigt hat, steht<br />

in einem Regal im Gruppenraum ein<br />

Tablett mit verschiedenen Fläschchen <strong>und</strong><br />

kleinen Gläsern. Die Kinder holen es sich,<br />

wenn sie wollen, <strong>und</strong> experimentieren<br />

damit: In welche Flasche lässt sich das<br />

meiste Wasser füllen, welche fasst am<br />

wenigsten? Aus welchen Gefäßen lässt sich<br />

Wasser leicht umschütten, mit welchen ist<br />

es schwierig?


Bilden sich Kinder selbst?<br />

Kindergartenkinder werden vermutlich nicht systematisch variieren <strong>und</strong> auch die Formel<br />

für den Rauminhalt <strong>von</strong> Gefäßen nicht ableiten. Aber sie werden entdecken, dass in<br />

manche Behälter ıüberraschend„ viel Wasser hineingeht, andere ıerstaunlich„ früh bereits<br />

voll sind. Sie werden wahrscheinlich lernen, dass das Volumen eines Gefäßes konstant ist.<br />

Vor allem aber: Sie werden erfahren, dass es interessant ist, genau hinzuschauen, zu<br />

vergleichen <strong>und</strong> Erfahrungen noch einmal zu überprüfen.<br />

Diese Erfahrungen können sich zu einer ıeigengesteuerten Lernhaltung„ verdichten, die<br />

einen positiven Einfluss auf die Leistungen im ersten Schuljahr haben wird (s. Treinies u.<br />

Einsiedler, 1989). Im Kindergartenalter wird diese Haltung vermutlich am ehesten<br />

vorbereitet, wenn die Kinder sich mit Anregungen dieser Art auseinandersetzen können,<br />

wann sie es wollen (individuelle Motivation), wie sie wollen, <strong>und</strong> so lange sie wollen<br />

(individuelle Aneignungsprozesse).<br />

Das wird ihnen ermöglicht durch ein entsprechendes Materialangebot, eine entsprechende<br />

Raumgestaltung (stille Ecken für solche Aktivitäten), durch einen flexiblen Tagesablauf<br />

(Kinder werden aus solchen Aktivitäten nicht herausgerissen) <strong>und</strong> durch etablierte Regeln<br />

(Kinder werden weder durch die Erzieherinnen noch durch andere Kinder gestört).<br />

Für tiefgreifende Lern- <strong>und</strong> Bildungsprozesse brauchen Kinder die Erwachsenen<br />

Ich habe bisher <strong>von</strong> den Prozessen gesprochen, in denen Kinder Wissen <strong>und</strong> Kompetenzen<br />

erwerben. Aber das ist bei weitem nicht alles, was sie ıbei Gelegenheit„ lernen:<br />

Was lernen Kinder? - Die Lernpyramide<br />

Von Lilian Katz, einer US-amerikanischen Psychologin, stammt das Modell einer<br />

Lernpyramide. Sie besagt, dass Kinder bei allem, was sie tun, lernen, <strong>und</strong> zwar auf vier<br />

Ebenen gleichzeitig (vgl. Katz 1995 oder Laevers 1998).<br />

Auf der ersten Ebene: Wissen<br />

Und zwar wird breites Wissen in bezug auf die verschiedensten sachlichen <strong>und</strong> sozialen<br />

Zusammenhänge erworben, einschließlich der Fähigkeit, sich selbständig Wissen zu<br />

beschaffen, Informationen zu bewerten <strong>und</strong> auszuwählen.<br />

Zum ıWissen„ gehört auch die Differenzierung <strong>von</strong> Wahrnehmungserfahrungen. Gerade in<br />

den ersten Lebensjahren verbringen die Kinder viel Zeit damit, Klängen <strong>und</strong><br />

Klangvariationen nachzuforschen, Geruchs-, Geschmacks- oder Tastempfindungen zu<br />

erk<strong>und</strong>en, die differenzierte Welt der Farben kennen zu lernen. ıBildung beginnt mit der<br />

Bildung der Sinne„ sagt Prof. Schäfer an dieser Stelle. Entsprechend setzt die<br />

Krippenpädagogik Schwerpunkte im Bereich der Wahrnehmungs-, aber auch der<br />

Bewegungsförderung, denn beides hängt eng miteinander zusammen. Aber sie ist nicht<br />

darauf beschränkt: Kinder lernen in den ersten drei Lebensjahren so viel wie später nie mehr<br />

in so kurzer Zeit: Zum Beispiel die ersten Regeln des sozialen Miteinander, die ersten <strong>und</strong><br />

wichtigsten Gr<strong>und</strong>lagen der Sprache. Sie lernen ihren Alltag so gut sie können, selbstständig<br />

zu bewältigen, sie lernen – auch im übertragenen Sinn – auf eigenen Füßen zu stehen.<br />

2<br />

39


2 Wissen<br />

40<br />

Referate<br />

erwerben Kinder durch deutlich sichtbare, womöglich lautstarke Aktivitäten. Aber sie<br />

erwerben auch viel Wissen durch ıunscheinbare„, leise Aktivitäten, wenn sie sich zum<br />

Beispiel mit einem Klappspiegel beschäftigen. In allen Fällen gilt: Kinder, die so engagiert<br />

<strong>und</strong> sichtbar ıbei der Sache„ sind, vertieft sind in das, was sie gerade erleben <strong>und</strong> erfahren,<br />

sollten in Ruhe gelassen werden. Hier besteht die Rolle der Erzieherin darin, solche<br />

Erfahrungen zu ermöglichen - durch Bereitstellung <strong>von</strong> Materialien, durch Gestaltung des<br />

Raumes <strong>und</strong> des Tagesablaufs.<br />

Auf der zweiten Ebene: Kompetenzen<br />

Hier erwerben Kinder Kompetenzen in den Bereichen Motorik, Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />

Ausdrucksfähigkeit; logisch-mathematische sowie technische Kompetenzen, psycho-soziale<br />

Kompetenzen wie <strong>Kooperation</strong>s-, Partizipations- <strong>und</strong> Mediationsfähigkeit.<br />

Kinder interessiert nicht nur Spielzeug. Kinder interessiert auch unser reales Alltagsleben<br />

zu Hause, in der Einrichtung <strong>und</strong> in der Umgebung.<br />

Sie interessiert zum Beispiel, was in einem Friseur-Salon geschieht, welches Handwerkszeug<br />

gebraucht wird. Im Zusammenhang mit Kompetenzen ist nun klar, dass die Kinder nicht<br />

nur wissen wollen, was zu einem Friseur-Salon gehört, sondern, dass sie auch das tun<br />

wollen, was dort passiert. Und wie realistisch das dann weitergeht, müssen wir der<br />

Risikobereitschaft der Erzieherinnen überlassen.<br />

Nähen ist ein anderes Beispiel für hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die für<br />

Kindergartenkinder ungeheuer interessant sind.<br />

Etwas ıRichtiges„ tun: Das ist nicht nur für Hortkinder, sondern auch schon für<br />

Kindergartenkinder wichtig. Nicht mit einem Spielzeug-Schraubenzieher zu hantieren,<br />

sondern mit einem ırichtigen„ Schraubenzieher arbeiten zu können. Oder mit ırichtigen„<br />

Pflastersteinen <strong>und</strong> Drainagerohren, Schaufeln <strong>und</strong> Kellen, die Arbeiter einer<br />

nahegelegenen Baustelle den Kindern überlassen haben.<br />

Auf der dritten Ebene: Bereitschaften oder ıDispositionen„<br />

Es geht um die Bereitschaft, sich auf neue Erfahrungen einzulassen <strong>und</strong> sich neuen Herausforderungen<br />

zu stellen. Es geht um Kreativität, die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft, sich realistische<br />

Ziele zu setzen <strong>und</strong> beharrlich zu verfolgen, die Bereitschaft, aus Erfahrung zu lernen.<br />

Ein Beispiel für die Bereitschaften, die<br />

gemeint sind:<br />

Kurz bevor Jennifer den Kindergarten<br />

verließ, kamen Werkbänke in die<br />

Einrichtung, <strong>und</strong> an einer hat sie in den<br />

letzten Wochen ihres Kindergartenlebens<br />

viel Zeit verbracht. Sie hatte den Ehrgeiz,<br />

einen Traktor zu bauen, dessen Räder sich<br />

drehen <strong>und</strong> dessen Räder so r<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

zentriert angebracht sind, dass er beim<br />

Fahren nicht wackelt. Sie hat eine ganze<br />

Woche durchgehalten <strong>und</strong> sie hat es<br />

geschafft. Sie konnte zwar ihren Namen


Bilden sich Kinder selbst?<br />

nicht schreiben, als sie den Kindergarten verließ, aber sie hat viel mehr an Gr<strong>und</strong>lagen für<br />

ihren weiteren Bildungsweg mitgenommen: Eine hohen Anspruch an sich selbst <strong>und</strong><br />

Leistungsbereitschaft.<br />

Solche Bereitschaften werden in der Schule dringend gebraucht. Ein Beispiel für heutige<br />

Lernformen ist die so genannte Werkstattarbeit: In jeder Klasse findet im Umfang <strong>von</strong> 1-2<br />

Unterrichtsst<strong>und</strong>en täglich ıWerkstattunterricht„ statt, in dem unter einem gemeinsamen<br />

Thema (z. B. ıUnsere Schule <strong>und</strong> ihre Umgebung„, ıWind <strong>und</strong> Wetter„) verschiedenartige<br />

Aufgaben zusammen gefasst sind: Sich anhand <strong>von</strong> Orientierungsaufgaben im<br />

Schulgebäude zurechtfinden lernen (dies ist ein Beispiel dafür, wie gut Kinder ızufällig„<br />

lesen lernen, weil sie es für eine interessante Aufgabe brauchen), Getreidekörner in einem<br />

Mörser zerstoßen (das ıMehl„ wird später beim Backen verwendet), die Länge einer Ähre<br />

bzw. den Durchmesser eines Strohhalms messen, Fragen zu einer Wetterkarte aus einer<br />

Zeitung beantworten. Die Kinder bearbeiten die Aufgaben so selbstständig wie möglich.<br />

Die Werkstätten laufen kontinuierlich über Wochen, die Zahl der Aufgaben ist so groß,<br />

dass alle Kinder, auch die mit dem schnellsten Arbeitstempo, während der gesamten<br />

Laufzeit etwas zu tun haben. Einige Aufgaben sind verpflichtend, andere können frei<br />

gewählt werden. Die Lösungen kontrollieren die Kinder entweder selbst oder gegenseitig:<br />

Für viele Aufgaben wird zur Beratung <strong>und</strong> Prüfung ein Kind als ıChef„ bestimmt, nur für<br />

einige Aufgaben ist die Lehrkraft selbst ıChef„. Welche Aufgaben ein Kind wie gelöst hat,<br />

wird in einem Arbeitsheft festgehalten. Die Kinder machen gern Werkstattarbeit <strong>und</strong> halten<br />

sich an die notwendigen Regeln. Unterschiede im Lerntempo werden berücksichtigt, jedes<br />

Kind bekommt die Anforderungen, die es bewältigen kann, keines wird mutlos gemacht.<br />

Die Lehrkräfte können sich auf bestimmte Kinder konzentrieren, weil andere gerade keine<br />

Hilfe brauchen.<br />

Alle Lehrer <strong>und</strong> Lehrerinnen, die solche Werkstattarbeit praktizieren, betonen, dass sie dazu<br />

Kinder wie Jennifer brauchen: Kinder mit einem hohen Anspruch an sich selbst, die nicht<br />

bei der ersten Schwierigkeit aufgeben <strong>und</strong> die nicht versuchen, sich mit dem<br />

geringstmöglichen Aufwand durchzulavieren.<br />

Wie kommen solche Bereitschaften zu Stande? Sie fallen nicht vom Himmel, sondern sie<br />

sind das Ergebnis ständiger Förder- <strong>und</strong> Herausforderungsprozesse. Kinder brauchen<br />

ständig Anforderungen, die interessant sind, schwierig, aber auch gerade noch lösbar.<br />

Auf der vierten Ebene: Einstellungen<br />

Gelernt werden Einstellungen wie ein positives Selbstbild, Selbstvertrauen oder eine<br />

prosoziale Einstellung.<br />

Lilian Katz behauptet nun - <strong>und</strong> vieles spricht dafür, dass sie Recht hat - , dass sich auf den<br />

oberen Ebenen, also beim Erwerb <strong>von</strong> Wissen <strong>und</strong> Kompetenzen, auf die Dauer nicht viel<br />

tun wird, wenn es auf den unteren, den gr<strong>und</strong>legenden Ebenen nicht stimmt.<br />

Ein Beispiel für Einstellungen, die sich im Kindergartenalter auf diese Art <strong>und</strong> Weise zu<br />

entwickeln beginnen, sind die sogenannten ıKontrollüberzeugungen„. Wir alle haben<br />

unsere typische Art, mit Erfolgen <strong>und</strong> mit Misserfolgen umzugehen. Die Frage ist, wem wir<br />

Erfolge zuschreiben: Uns selbst? Äußeren Umständen, für die wir nichts können? Dem<br />

2<br />

41


2 Zufall?<br />

42<br />

Referate<br />

Manche schreiben ihre Erfolge stets sich selbst zu, Misserfolge immer ungünstigen<br />

äußeren Umständen, andere machen es genau umgekehrt.<br />

Wie sollten Kinder mit Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg umgehen? Die Haltung ihrer Erzieherin in<br />

dieser Frage können die Kinder an deren Reaktionen <strong>und</strong> Äußerungen ablesen.<br />

Ein Beispiel: Bei einem Mißerfolg (Ein Kind fährt mit einem Tretroller <strong>und</strong> stürzt) können<br />

Sie das Kind entmutigen, indem Sie sagen: ıDafür bist Du auch noch zu klein.„ Die<br />

Botschaft lautet: Es lag an Dir <strong>und</strong> Du kannst es nicht ändern. In eine ganz andere<br />

Richtung ginge die Frage: ıBist Du vielleicht zu schnell gefahren?„ Dadurch lenken Sie die<br />

Aufmerksamkeit des Kindes auf Dinge, die es ändern kann. Oder Sie machen es auf äußere<br />

Umstände aufmerksam <strong>und</strong> empfehlen ihm so erhöhte Aufmerksamkeit.<br />

Wenn Sie den ıblinden Zufall„ ansprechen, vielleicht in der Absicht, zu trösten, liegt die<br />

Gefahr darin, dass das Kind meint, sie wollten das Ganze herunterspielen. ıUnd es hat<br />

doch wehgetan!„ lautet dann (hoffentlich) die empörte Antwort.<br />

Durch solche kleinen alltäglichen Reaktionen beeinflussen wir Erwachsenen gravierend<br />

Einstellungen des Kindes <strong>und</strong> seine Leistungsbereitschaft. Solche kleinen Sätze ırutschen<br />

schnell heraus„, zumal wir nur sehr wenig Zeit haben, um uns die Antwort zurechtzulegen.<br />

Umso wichtiger wäre, ab <strong>und</strong> zu das eigene Verhalten selbstkritisch zu reflektieren.<br />

Die meisten Kindergartenkinder akzeptieren ohne Schwierigkeiten, dass andere Kinder<br />

Dinge können <strong>und</strong> wissen, die sie selbst nicht kennen <strong>und</strong> beherrschen. Unterschiede dieser<br />

Art sind für sie nicht besonders wichtig, vielleicht auch deshalb, weil sie selbstverständlich<br />

da<strong>von</strong> ausgehen, dass sie ıspäter einmal„ alles erwerben können, was sie nur wollen. Viele<br />

Kinder sind notorische Erfolgsoptimisten (ıDas wird schon klappen!„), zumindest sind sie<br />

- <strong>und</strong> das ist wohl lebensnotwendig - Entwicklungsoptimisten (ıIrgendwann kriege ich das<br />

auch hin!„).<br />

Kinder im Schulalter dagegen suchen den Wettbewerb <strong>und</strong> den Vergleich mit<br />

Gleichaltrigen - <strong>und</strong> die Ergebnisse können sehr schmerzhaft sein. Sie müssen lernen zu<br />

akzeptieren, dass manche Fähigkeiten ungleich verteilt sind <strong>und</strong> auf Dauer ungleich verteilt<br />

sein werden. Umso wichtiger ist es, dass sie ihre Stärken einschätzen <strong>und</strong> positiv bewerten<br />

lernen <strong>und</strong> das Gefühl eigener Schwächen nicht durch Imponiergehabe oder<br />

Äußerlichkeiten zu überdecken versuchen.<br />

Eine andere Art <strong>von</strong> Einstellungen sind die sogenannten ıGeschlechtsstereotype„,<br />

schematische <strong>und</strong> verfestigte Vorstellungen da<strong>von</strong>, was ein Mädchen bzw. ein Junge<br />

typischerweise tut. Auch sie beginnen sich im Kindergartenalter zu entwickeln, <strong>und</strong> auch<br />

sie haben handfeste Auswirkungen auf die spätere Bildungskarriere, wie PISA gezeigt hat.<br />

Hier zunächst die Daten: Mädchen sind besser im Lesen als Jungen. Der Unterschied ist<br />

übrigens nicht ınaturgegeben„; auch Jungen können - in anderen Ländern - besser gefördert<br />

werden. Aber in Deutschland war der Unterschied zugunsten der Mädchen deutlich.<br />

Umgekehrt waren die Jungen - in Deutschland - im Durchschnitt in Mathe besser. Auch<br />

das ist unterschiedlich in den Ländern, also durch das Bildungssystem beeinflussbar.<br />

Wie ergibt dieser Unterschied in der deutschen Stichprobe? Die PISA-Forschungsgruppe<br />

identifizierte <strong>und</strong> verglich die verschiedenen Einflussgrößen auf die Leistungen im<br />

mathematischen Bereich, hier das Ergebnis:


Den stärksten Einfluss hatte die Leseleistung - kein W<strong>und</strong>er angesichts des PISA-Ansatzes,<br />

keine Rechenroutinen abzufragen, sondern den Umgang mit Problemen, die erst einmal<br />

gelesen <strong>und</strong> verstanden werden müssen. Darauf können die schlechteren Mathe-Leistungen<br />

der Mädchen nicht zurückzuführen sein, denn dort waren sie besser. Den zweitstärksten<br />

Einfluss haben die kognitiven Fähigkeiten. Auch das ist keine Erklärung für die<br />

schlechteren Mathe-Leistungen der Mädchen, denn die kognitiven Fähigkeiten <strong>von</strong><br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen sind im Durchschnitt gleich.<br />

Als drittstärkste Einflussgröße ergab ein kombinierter Einfluss aus Geschlecht <strong>und</strong> dem<br />

Selbstkonzept in Mathematik. (Dieses Selbstkonzept wurde gemessen durch die Antworten<br />

auf Fragen wie: ıIn Mathe komme ich gut zurecht, dafür habe ich ein Händchen„ etc.).<br />

Mädchen haben gegenüber Jungen das deutlich schlechtere Selbstkonzept im<br />

mathematischen Bereich, <strong>und</strong> so sorgt die ıself-fulfilling-prophecy„ dafür, dass sie das, was<br />

sie nicht gut zu können glauben, auch tatsächlich nicht gut können. Und dann helfen<br />

ihnen auch die besseren Leseleistungen nicht mehr.<br />

Offenbar haben wir die Bedeutung <strong>von</strong> Bereitschaften <strong>und</strong> Einstellungen im<br />

Bildungsprozess bisher systematisch unterschätzt. Andere tun das nicht, z. B. die 16jährige<br />

Schülerin, die in einer Diskussion über die PISA-Ergebnisse als Beobachtung aus ihrer<br />

Klasse sagte: ıViele geben einfach zu früh auf... Wenn der erste Misserfolg kommt oder eine<br />

Sache schief läuft, wird oft schon alles einfach hingeschmissen.„<br />

Solche geschlechtsspezifischen Vorstellungen darüber, was Jungen bzw. Mädchen tun <strong>und</strong><br />

was sie besser oder weniger gut können, entwickeln sich bereits im Kindergartenalter. Ein<br />

Beispiel: Über den Einsatz <strong>von</strong> Computern im Kindergarten bzw. im Hort lässt sich<br />

trefflich streiten. Aber es gibt Einrichtungen, die das ausprobieren <strong>und</strong> ihre Erfahrungen in<br />

Fachzeitschriften beschreiben, zum Teil illustriert durch Fotos. Und Sie können wetten:<br />

Das Geschehen im Griff <strong>und</strong> die Maus in der Hand hat ein Junge. Und andächtig <strong>und</strong><br />

offenbar zufrieden in der dritten Reihe sitzt ein Mädchen!<br />

Geschlechtsbewusste Erziehung ist also ein Thema bereits für den Kindergarten <strong>und</strong> noch<br />

viel stärker für die Schule <strong>und</strong> den Hort.<br />

Um Bereitschaften <strong>und</strong> Einstellungen zu entwickeln, brauchen Kinder uns als Begleiter<br />

<strong>und</strong> als Spiegel, der ihnen die notwendigen Rückmeldungen gibt. Dabei müssen wir uns<br />

fragen, welches Vorbild wir den Kindern geben - hinsichtlich der eigenen<br />

Leistungsbereitschaft, der eigenen Geschlechtsrollenstereotype <strong>und</strong> auch hinsichtlich des<br />

eigenen Umgangs mit Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg.<br />

Bildung braucht Vorbilder<br />

Bilden sich Kinder selbst?<br />

Was verstehen wir unter ıBildung„? Wir dürfen nicht zulassen, dass der Bildungsauftrag<br />

auf die Vermittlung <strong>von</strong> Wissen beschränkt wird, womöglich noch auf die ausschließliche<br />

Vermittlung <strong>von</strong> später beruflich nutzbarem Wissen.<br />

Eine sehr brauchbare aktuelle Definition <strong>von</strong> Bildung stammt vom ıForum Bildung„, einer<br />

Gruppe, die im Auftrag der B<strong>und</strong>esregierung (bereits vor PISA) Empfehlungen zu einer<br />

Reform des deutschen Bildungssystems entwickelt hat:<br />

2<br />

43


2 Bildung<br />

44<br />

Referate<br />

zielt gleichzeitig auf<br />

� die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit,<br />

� die Teilhabe an der Gesellschaft,<br />

� die Vorbereitung auf künftige Lebensabschnitte.<br />

Der erste Punkt beschreibt den ıalten Humboldt„ <strong>und</strong> sein Bildungsideal: Die Förderung<br />

der unverwechselbare Persönlichkeit mit all ihren Fähigkeiten, Interessen <strong>und</strong><br />

Einstellungen. Bildungsarbeit in diesem Sinn bedeutet Förderung auf allen Gebieten <strong>und</strong><br />

will verhindern, dass Menschen zwar "als Originale" geboren werden, aber ıals Kopien"<br />

sterben (vgl. Gruen 1997).<br />

Der zweite Punkt betrifft die Staatsbürgerin <strong>und</strong> den Staatsbürger <strong>von</strong> morgen. Die<br />

Formulierung eigener Standpunkte, die Vertretung eigener Interessen, die Respektierung <strong>von</strong><br />

Mehrheitsentscheidungen, der Schutz <strong>von</strong> Minderheiten, die Übernahme <strong>von</strong> Verantwortung<br />

- all das sind Dinge, die schon im Kindergarten gr<strong>und</strong>gelegt werden. Nur einmal<br />

angenommen, ein Maßstab für den Wert einer Gesellschaft wäre die Art, wie sie mit den<br />

Schwachen umgeht: Solche Werte können sich in der frühen Kindheit entwickeln.<br />

Und schließlich bedeutet Bildung auch - aber eben nur ıauch„ - die Vorbereitung auf<br />

künftige Lebens- <strong>und</strong> Lernabschnitte.<br />

Eine andere, sehr eingängige Bestimmung stammt <strong>von</strong> Prof. Hubert Markl, dem<br />

ehemaligen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft: "...sollte Bildung als der durch<br />

Erziehung unterstützte Entwicklungsprozess verstanden werden, der junge Menschen zu<br />

urteilsfähigen, selbstverantwortlichen <strong>und</strong> zugleich zur Verantwortung für ihre<br />

Mitmenschen <strong>und</strong> die gemeinsamen Lebensbedingungen fähigen <strong>und</strong> bereiten Mitgliedern<br />

einer sozialen Gemeinschaft macht. Zu Menschen, die sich ihrer kulturellen Herkunft <strong>und</strong><br />

Zugehörigkeit bewusst, aber dennoch weltoffen lernbereit sind, <strong>und</strong> die ihrem Leben <strong>und</strong><br />

Handeln auf der Gr<strong>und</strong>lage gemeinsam verbindlicher Werte Sinn <strong>und</strong> Inhalt zu geben<br />

vermögen. Altfränkisch knapper gesagt: Gebildet wäre dann, wer zugleich tugendhaft <strong>und</strong><br />

lebenstüchtig ist, auch wenn er dies nicht in literarischem Stil auszudrücken vermag.<br />

Lebenstüchtigkeit allein genügt nicht, dazu erweisen sich viel zu viele Lumpen als nur allzu<br />

tüchtig; <strong>und</strong> Tugend ohne Tüchtigkeit ist es, die jene Lumpen gerade so erfolgreich sein<br />

lässt." (In: Der Spiegel 32/2002, S. 62 f.)<br />

Was Markl im Blick hat, ist der Mensch mit dem aufrechten Gang: Der Mensch, der<br />

gelernt hat, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, der mit Schwierigkeiten fertig<br />

wird, der Verantwortung übernimmt, der sich einerseits an Regeln hält, der sich auf der<br />

anderen Seite aber auch nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.<br />

Solche Einstellungen werden nicht durch Predigten, sondern durch Vorbilder vermittelt:<br />

Insbesondere Schulkinder beobachten nicht nur genau, was andere Menschen tun, sondern<br />

sind auch sehr an der Frage interessiert, warum sie etwas tun oder lassen. Sie wollen wissen,<br />

wie menschliches Handeln begründet wird <strong>und</strong> werden kann. Und sie beobachten sehr<br />

genau, inwieweit das, was wir sagen <strong>und</strong> predigen, übereinstimmt mit dem, was wir selbst<br />

tun. Unsere Glaubwürdigkeit wird geprüft, <strong>und</strong> das Urteil der Kinder über uns - wie auch<br />

über andere Kinder - kann sehr rigoros ausfallen <strong>und</strong> ziemlich offen <strong>und</strong> rücksichtslos<br />

ausgesprochen werden. Wir sollten das Positive daran sehen: Schulkinder suchen tragfähige


Begründungen <strong>und</strong> Legitimationen für menschliches Handeln <strong>und</strong> die Regeln des<br />

Zusammenlebens <strong>und</strong>: Schulkinder suchen glaubwürdige Vorbilder.<br />

Wie glaubwürdig <strong>und</strong> wie tragfähig die Antworten waren, die wir ihnen zu geben versuchten,<br />

wird sich im Jugendalter zeigen, wenn eine Entwicklungsaufgabe darin bestehen wird, alle<br />

Wertvorstellungen, die mit der eigenen Lebensplanung - <strong>und</strong> der Lebensplanung anderer -<br />

zusammenhängen - so kritisch wie möglich auf den Prüfstand zu stellen.<br />

Literatur:<br />

Bilden sich Kinder selbst?<br />

Andresen, U (2000): Ausflüge in die Wirklichkeit. Gr<strong>und</strong>schulkinder lernen im Dreifachen Dialog. Weinheim<br />

Damon, W. (1984): Die soziale Welt des Kindes. Frankfurt a.M.<br />

Gruen, A. (1997): Der Verlust des Mitgefühls. Über die Politik der Gleichgültigkeit. München<br />

Hense, M. & Buschmeier, G.: Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule Hand in Hand. Chancen, Aufgaben <strong>und</strong> Praxisbeispiele.<br />

München 2002<br />

H<strong>und</strong>ertmarck, G.: Schuleintritt als Beginn eines neuen Abschnitts im Bildungsgang des Kindes. In: Sennlaub et al.:<br />

Schule-Eltern-Kindergarten: Praktizierte <strong>Kooperation</strong>. Düsseldorf 1979, S. 105f<br />

Katz, L.J. (1995): Talks with teachers of young children: A collection. New Jersey<br />

Krappmann, L. (1996): Die Entwicklung der Kinder im Gr<strong>und</strong>schulalter <strong>und</strong> die pädagogische Arbeit des Hortes. In: G.<br />

Berry & L. Pesch: Welche Horte brauchen Kinder? S.85-98<br />

Laevers, F. (1998): Understanding the world of objects and of people: Intuition as the core element of deep level learning.<br />

International Journal of Educational Research 29, S. 69-86<br />

Leu, H.-R. (1999): Wechselseitige Anerkennung - eine Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Bildungsprozessen in einer pluralen Gesellschaft. In:<br />

KiTa aktuell MO 9/1999, S.172-176<br />

Röhr, M. (1997): Kooperatives Lernen im mathematischen Anfangsunterricht – ein Praxisbericht. In: Gr<strong>und</strong>schule (3), S.32-37<br />

Roth, G. (1994): Das Gehirn <strong>und</strong> seine Wirklichkeit. Frankfurt/Main<br />

Schäfer, Gerd E. (1997): Aus der Perspektive des Kindes? Von der Kindheitsforschung zur ethnographischen<br />

Kinderforschung. In: Neue Sammlung 37. Jg., S. 377-394<br />

Schäfer, Gerd E. (1999): Frühkindliche Bildungsprozesse - Herausforderungen einer Pädagogik der Frühen Kindheit. In:<br />

Neue Sammlung 39. Jg., S. 213-226<br />

Scheunpflug, A (2001): Biologische Gr<strong>und</strong>lagen des Lernens. Berlin<br />

Singer, W. (1998): ıFrüh übt sich...„ - Zur Neurobiologie des Lernens. In: Mantel, G. (Hg.): Ungenutzte Potentiale. Wege<br />

zu konstruktivem Üben. Mainz, S. 43-53 Download unter http://www.mckinsey-bildet.de/40_links/40_downloads.phtml<br />

(04.07.2002)<br />

Singer, W. (2000): Wissensquellen - wie kommt das Wissen in den Kopf? In: Maar, C., Obrist, H.U. & Pöppels, E. (Hg.):<br />

Weltwissen, Wissenswelt, Burda Akademie zum Dritten Jahrtausend. Köln, S. 137-145 Download unter<br />

http://www.mckinsey-bildet.de/40_links/40_downloads.phtml (04.07.2002)<br />

Singer, W. (2001): Was kann ein Mensch wann lernen? Vortrag anlässlich des ersten Werkstattgesprächs der Initiative<br />

ıMcKinsey bildet„ in der Deutschen Bibliothek, Frankfurt/Main am 12. Juni 2001<br />

http://www.mpih-frankfurt.mpg.de/global/np/mckinsey.htm (20.08.2001)<br />

Singer, W. & Bibbig, A. (1996): Neurobiologie <strong>von</strong> Lernen <strong>und</strong> Gedächtnis. In G. Strube et al. (Hg.): Wörterbuch der<br />

Kognitionswissenschaft. Stuttgart, S. 428-434<br />

Spitzer, M.: Geist im Netz. Modelle für Lernen, Denken <strong>und</strong> Handeln. Heidelberg, Berlin, 2000<br />

Spitzer, M.: Wie unser Gehirn lernt. In: Forum Schule 4/2001; http://www.forumschule.de/archiv/04/fs04/magang.html<br />

(4.7.2002)<br />

Spitzer, M.: Lernen. Gehirnforschung <strong>und</strong> die Schule des Lebens. Heidelberg, Berlin 2002<br />

Treinies, G. & Einsiedler, W. (1989): Direkte <strong>und</strong> indirekte Wirkungen des Spielens im Kindergarten auf<br />

Lernbegleitprozesse/Lernleistungen im 1. Schuljahr. In: Unterrichtswissenschaft, 17. Jg., S. 309-326<br />

Westdeutscher R<strong>und</strong>funk (WDR) (Hg.): ıWie wir lernen„ Script zur WDR-Sendereihe ıQuarks &Co„. Mai 2001,<br />

Download unter www.quarks.de<br />

2<br />

45


2 Erste Überlegungen zu Umsetzungsmöglichkeiten der<br />

<strong>Kooperation</strong>svereinbarung in der Praxis<br />

46<br />

Petra Supplies<br />

Helgard Lewek<br />

Als ıgelebte„ <strong>Kooperation</strong> steht nachfolgender Dialog. Konkrete Vorstellungen werden <strong>von</strong><br />

beiden Seiten genannt <strong>und</strong> es wird deutlich, so kann es gehen.<br />

Frau Supplies: Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen, wir<br />

beide möchten Ihnen unser aller Thema noch etwas näher bringen, Sie noch ein Stückweit<br />

weiter mitnehmen. Vereinbarungen, sich vereinbaren, was bedeutet das eigentlich? Wir<br />

haben uns kurzerhand entschieden, dies ganz sinnbildlich zu machen. In wechselseitiger<br />

Rede werden wir <strong>Kooperation</strong> demonstrieren, <strong>Kooperation</strong> vorleben.<br />

Frau Lewek: Ich möchte Sie natürlich auch recht herzlich begrüßen. Mit dem jeweiligen<br />

Wechsel im Dialog möchten wir Ihnen zeigen, dass es immer auf die Situation ankommen<br />

wird. Wir haben heute viele Worte gehört: Wir müssen die Situation vor Ort analysieren,<br />

die momentanen Bedingungen so verknüpfen, dass optimale Lösungen für unsere Kinder<br />

greifbar werden. Das Ziel, <strong>und</strong> darauf wollte ich Sie noch mal hinweisen, kann nur sein,<br />

dass wir im Interesse der Entwicklung unserer Kinder uns annähern <strong>und</strong> uns im Prozess<br />

gegenseitig unterstützen. Dieser Qualtitätsschub in der Zusammenarbeit muss gelingen,<br />

um, wie Herr Jung es auch schon gesagt hat, erfolgreicher <strong>und</strong> noch besser positive<br />

Bedingungen für das Heranwachsen unserer Kinder zu schaffen.<br />

Frau Supplies: Dazu möchten wir eingangs noch mal drei Prämissen benennen, die uns<br />

als besonders wichtig erscheinen:<br />

� Als einen wichtigen Schwerpunkt möchte ich die Umsetzung des jeweils spezifischen<br />

Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrages <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> <strong>von</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schule benennen.<br />

� Es gibt aktuell wissenschaftliche Erkenntnisse über das frühkindliche Lernen, die<br />

permanent in die Praxis umgesetzt werden müssen.<br />

� Und es gibt die Rahmenbedingungen, nämlich die Vereinbarungen zwischen<br />

Sächsischem Staatsministerium für Soziales <strong>und</strong> Sächsischem Staatsministerium für<br />

Kultus <strong>und</strong> die heutige Vereinbarung hier in der Stadt Leipzig.<br />

Die erforderlichen Gr<strong>und</strong>lagen, um diesen spezifischen Bildungsauftrag im jeweiligen


Bereich umzusetzen, sind vorhanden. Jetzt müssen wir gemeinsam handeln.<br />

Zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong> in der Praxis<br />

Frau Lewek: Das bedeutet, wir müssen aufeinander aufsetzende <strong>und</strong> miteinander<br />

abgestimmte Angebote unterbreiten, die auf die Kinder entwicklungsfördernd wirken. Das<br />

sagt sich so leicht. Vor Ort bedeutet das, jeder Partner muss viel <strong>von</strong> dem anderen wissen:<br />

Was leistet der eine, wo setzt der andere seine Akzente? Hospitationen sind hier eine<br />

wirklich gute Möglichkeit, sich kennen zu lernen. Lehrer gehen in die<br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, aber genauso die Erzieherinnen in die ersten Klassen der<br />

Gr<strong>und</strong>schulen. So darf es aber nicht sein, nur hospitieren <strong>und</strong> dann <strong>von</strong>einander<br />

weggehen! Wir müssen debattieren, wir müssen auswerten <strong>und</strong> uns über Wahrgenommenes<br />

verständigen. Warum ist mir das so wichtig? Nur über einen solchen ständigen<br />

Austauschprozess können wir zu gemeinsamen Aktivitäten kommen, wobei die Betonung<br />

auf gemeinsam liegt. Wir müssen gemeinsam planen <strong>und</strong> gemeinsam müssen wir zu diesem<br />

Plan stehen. Aktionen müssen wir gemeinsam durchführen, auch im Blick auf die Eltern.<br />

Die Eltern anerkennen so, wie ernst <strong>und</strong> wie wichtig uns die Kinder sind.<br />

Und <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen müssen diesen Prozess gemeinsam<br />

reflektieren. Immer im Blick auf die Kinder, unbeschadet der Institution.<br />

Frau Supplies: Eine Herausforderung für beide Partner ist eine gelingende Eltern- <strong>und</strong><br />

Familienarbeit. Im Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetz steht dazu, die Pflege <strong>und</strong> Erziehung der<br />

Kinder ist das natürliche Recht der Eltern <strong>und</strong> die ihnen zuförderst obliegende Pflicht.<br />

Eltern sind in der Regel die kompetentesten Ansprechpartner für alle Belange ihrer Kinder.<br />

Das sollten wir würdigen <strong>und</strong> wir sollten sie partnerschaftlich insbesondere in diesen<br />

Prozess mit hinein nehmen. Ja, liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen - Vereinbarungen, noch ein<br />

paar gr<strong>und</strong>legende Gedanken <strong>von</strong> uns dazu.<br />

2<br />

47


2 Frau<br />

48<br />

Referate<br />

Lewek: Der erste wäre: Jeder entwickelt sich stets in seiner ganz konkreten Umwelt<br />

<strong>und</strong> auf die ihm eigene Weise. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird es keine Vorgaben derart geben, so<br />

muss dieses Konzept, dass die Kindertageseinrichtung X mit der Gr<strong>und</strong>schule Y hat,<br />

aussehen! Gehen Sie Ihren eigenen Weg, gestalten Sie mit den vorhandenen Potenzialen, in<br />

der konkreten Situation, diesen Prozess auf der Basis des Vertrauens, der Transparenz, der<br />

Akzeptanz <strong>und</strong> Offenheit. Ich bin persönlich ganz tief überzeugt, dass uns dies nur gelingt,<br />

wenn die Beziehungsebene zwischen den beiden Partnern gepflegt <strong>und</strong> ausgebaut wird. Das<br />

passiert nicht im Selbstlauf. Hier, denke ich, brauchen beide Institutionen noch Zeit: Das<br />

Vertrauen zueinander muss wachsen, die Bewusstheit muss sich entwickeln - wir wollen<br />

gemeinsam im Interesse unserer Kinder wirken.<br />

Heute wurde schon viel über Übergänge gesprochen, über diese schwierige Situation. Und<br />

auch, dass das nicht einfach ist, der Übergang <strong>von</strong> einem System in ein anderes. Er wird<br />

auch immer Knackpunkte geben! Aber jeder, der sich in einer Übergangsphase befindet<br />

<strong>und</strong> diese erfolgreich gestalten will, muss sich anpassen. Für uns bedeutet das eine doppelte<br />

Anpassung. Beide Einrichtungen müssen sich neu orientieren, um gemeinsam gestalten zu<br />

können. Das bedeutet auf beiden Seiten Veränderungen. Veränderungen, die notwendig<br />

sind, wenn wir besser werden wollen.<br />

Frau Supplies: Über diesen Dialog, in den Sie treten werden, -ich möchte sogar einen<br />

Trialog einfordern, um die Eltern in diesem Aushandlungsprozess <strong>von</strong> Beginn an<br />

mitzunehmen, - kommen Sie in die Diskussion darüber, welche Möglichkeiten Sie<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer spezifischen Kompetenzen haben, um sich in die gemeinsame Arbeit<br />

einzubringen: Ich bin mir gewiss, dass Sie dabei auf unterschiedliche Sichtweisen stoßen<br />

werden. Dann gilt es, zu diskutieren, zu verhandeln <strong>und</strong> abzugleichen, um eine Recht- /<br />

Unrechtdiskussion sachorientiert zu führen <strong>und</strong> den gemeinsamen ıNenner„ zu finden.<br />

Dann werden gemeinsame Festlegungen getroffen, termingenau <strong>und</strong> abrechenbar.<br />

Frau Lewek: Das setzt natürlich ein hohes Verantwortungsbewußtsein bei allen voraus.<br />

Natürlich haben SchulleiterInnen <strong>und</strong> KindertagesstättenleiterInnen hier eine besondere<br />

Verantwortung, aber nicht die alleinige. Jeder in dem Bereich Tätige trägt Verantwortung!<br />

Jeder muss im Jetzt <strong>und</strong> in der heutigen Zeit diese Verantwortung übernehmen, artikulieren<br />

<strong>und</strong> natürlich bewusst ausleben.<br />

Frau Supplies: Und sie werden nicht zuletzt ihre Zusammenarbeit regelmäßig reflektieren,<br />

dabei Bewährtes fortführen <strong>und</strong> Neues entwickeln. Damit alle Beteiligten, nämlich Eltern,<br />

Kinder, Lehrer <strong>und</strong> Erzieher, einen Nutzen da<strong>von</strong>tragen!<br />

Frau Lewek: Engagiertes Arbeiten wird immer <strong>von</strong> Motivation getragen. Ich könnt jetzt<br />

fast sagen Gott sei dank. Vieles geschieht über unsere eigene Motivation <strong>und</strong> beflügelt uns,<br />

auch ein bisschen mehr zu tun als man tun müsste. Denn eines, dass wissen wir beide <strong>und</strong><br />

alle hier im Raum, viel Arbeit wird es machen, viel Zeit kosten, um unsere gesteckten Ziele<br />

zu erreichen. Der bedeutendste Ansatz muss der sein, die Übergangsphase transparent zu<br />

gestalten <strong>und</strong> damit den Kindern Sicherheit zu vermitteln, Verlässlichkeit auf die<br />

Erwachsenen zu demonstrieren <strong>und</strong> das wichtigste, Freude zu geben.<br />

Freude auf die Schule. Ich war lange genug Lehrerin <strong>und</strong> hatte viele erste Klassen, es ist


Zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong> in der Praxis<br />

nichts wichtiger als Freude zu haben. Freude am Lernen, dass ist die beste Voraussetzung.<br />

Kinder spüren dann: ıIch weiß <strong>von</strong> meiner Schule etwas, die Schule weiß was ich schon<br />

alles kann, hat meine Zeichnungen gesehen, hat mich erlebt.„ Das macht Kinder stark <strong>und</strong><br />

bringt ihnen Entwicklungszuwachs. In welchen Bereichen, da haben wir uns auch festgelegt,<br />

dass ist für <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen ja einheitlich – Sprache,<br />

emotional-soziales Verhalten, Alltagswissen usw.<br />

Frau Supplies: Selbstverständlich haben auch die Eltern einen Nutzen <strong>von</strong> dieser<br />

<strong>Kooperation</strong>. Für Eltern wird dabei gesichert, dass Sachverständige ihre Kinder in der<br />

Übergangsphase begleiten. Das sie beruhigt dem nächsten Lebensabschnitt ihres Kindes<br />

entgegenblicken können. Sie können da<strong>von</strong> ausgehen, dass klare Ziele verfolgt werden <strong>und</strong><br />

sie auf Basis professioneller Beobachtung eine Rückkopplung über die Leistung ihres<br />

Kindes erwarten können. Sie sind mit dem Entwicklungsgeschehen genauso vertraut wie die<br />

ErzieherInnen <strong>und</strong> LeiterInnen <strong>und</strong> LehrerInnen. Dass ein offener <strong>und</strong> fairer<br />

Kommunikationsprozess in Gang gesetzt wird, dass erleben Eltern in diesem Trialog. Sie<br />

gewinnen die Überzeugung <strong>und</strong> Gewissheit, dass der Übergang vom Kindergarten in die<br />

Gr<strong>und</strong>schule ohne Brüche für ihre Kinder vor sich geht. Zur Zeit erlebe ich auch viele,<br />

viele Fragen <strong>von</strong> Eltern, eine hohe Interessiertheit am Geschehen, aber auch gleichzeitig<br />

Ängste, die mitschwingen. Ich glaube über zeitiges Informieren, Aufklären <strong>und</strong> Einbeziehen<br />

der Kompetenz <strong>von</strong> Eltern in diesen Prozess können wir den Eltern die Gewissheit <strong>und</strong><br />

Sicherheit geben, die sie brauchen, um ihr Kind auf diesem Lebensabschnitt zu begleiten.<br />

Frau Lewek: LehrerInnen könnten jetzt denken, habe ich da<strong>von</strong> wirklich einen Nutzen?<br />

Nicht nur viel mehr Arbeit als sonst. Aber ich bin mir sicher, so bald man sich mit den<br />

Fakten auseinandersetzt fallen Ihnen viele Argumente ein, die den Berufsalltag erleichtern.<br />

Eine Vielzahl an Informationen über das Umfeld des Kindes, über das Kind selbst, über die<br />

2<br />

49


2 Eltern<br />

50<br />

Referate<br />

<strong>und</strong> über die, die das Kind bis jetzt begleitet haben, bekommen wir <strong>von</strong> den<br />

Kindergärtnerinnen. Die Kindergärtnerinnen konnten sich natürlich in den drei Jahren, in<br />

denen sie die Kinder begleiteten, ein umfassendes Bild <strong>von</strong> jedem einzelnen machen. Der<br />

Informationsaustausch zwischen Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule ermöglicht eine präzise<br />

Beschreibung der Lernsituation <strong>und</strong> ist gute Voraussetzung für einen erleichterten<br />

Schulstart. Es gibt auch Beispiele, wie Elternblätter mit Hinweisen zur Sprachförderung, die<br />

gemeinsam <strong>von</strong> Schule <strong>und</strong> Kita erarbeitet wurden. Beispiele zur Unterstützung eines<br />

gelingenden Schulstarts. In solchen Entwicklungsprozessen, im Hinterfragen der eigenen<br />

Arbeit, erhöht sich auch die eigene Professionalität, der Blick für Herausforderungen wird<br />

geschärft. Ganz wichtig dabei ist, dass wir produktorientiert Handeln. Es geht nicht nur<br />

darum zu sagen, was tue ich <strong>und</strong> was du, sondern, wo wollen wir gemeinsam hin. Diese<br />

Orientierung ist im Sinne der Kinder zu nutzen!<br />

Frau Supplies: Nicht zuletzt erfährt auch die Erzieherin in dieser Übergangsphase einen<br />

Wertgewinn. Sie erfährt Wertschätzung <strong>und</strong> Anerkennung für das Geleistete der letzten<br />

Jahre. Aber auch Trauer spielt eine Rolle -Kinder ein stückweit begleitet zu haben <strong>und</strong> sie<br />

dann zu entlassen in einen nächsten Lebensabschnitt - ich glaube, genau das ist die<br />

Gefühlslage.<br />

Die Kompetenzen der Erzieherin in diesem Prozess wachsen beständig, die<br />

Professionalisierung ihrer Arbeit nimmt zu. Ich möchte nur auf die<br />

Entwicklungsdokumentationen für die einzelnen Kinder verweisen. Ein gutes Beispiel auch<br />

für die allseits geforderte Transparenz. In Falle dieser Portfolios haben wir bereits ein gutes<br />

Feedback, <strong>von</strong> Erzieherinnen <strong>und</strong> Eltern gleichermaßen. In der angestrebten <strong>Kooperation</strong><br />

sehen wir ausgezeichnete Reflektionsmöglichkeiten für geleistete Arbeit zweier vertrauter<br />

Partner nach langjährigem Beziehungsaufbau. Genießen Sie es!


Zur Umsetzung der <strong>Kooperation</strong> in der Praxis<br />

Frau Lewek: Wir möchten Ihnen noch etwas auf den Weg geben. Wir möchten darauf<br />

hinweisen, welche Aspekte aus unserer heutigen Sicht eine Vereinbarung zwischen<br />

Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule unbedingt beinhalten muss, Dinge, die<br />

entscheidend <strong>und</strong> unverzichtbar sind.<br />

Frau Supplies: Es geht uns dabei überhaupt nicht darum festzuschreiben, wann Sie sich,<br />

wo wer mit wem zu welchem Thema zusammensetzen, sondern wir zeigen Gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

auf. Ich möchte hier an den Worten <strong>von</strong> Herrn Jung anknüpfen, die ja auch in der<br />

<strong>Kooperation</strong>svereinbarung fixiert sind. Es geht uns darum, dass jede Schule <strong>und</strong> jede<br />

Kindertageseinrichtung mindestens eine Partnereinrichtung findet <strong>und</strong> mit dieser eine<br />

Vereinbarung schließt. Wir haben hier schon w<strong>und</strong>erbare Modelle, wo sich drei, vier ja bis<br />

fünf <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> unterschiedlicher Trägerschaft zusammengef<strong>und</strong>en haben <strong>und</strong><br />

mit einer Gr<strong>und</strong>schule gemeinsam im Gespräch sind. Nicht additiv, sondern miteinander die<br />

Dinge vorbereiten, umsetzen <strong>und</strong> zum Abschluss bringen. Diese Modelle sind verschriftlicht.<br />

Dies zu Anregung! Denn wie gesagt, das Mifa-Fahrrad müssen wir nicht neu erfinden.<br />

Frau Lewek: Unverzichtbar ist wirklich, dass sich die Partner auf gleicher Augenhöhe<br />

begegnen – eine gleichberechtigte, produktorientierte Zusammenarbeiten gewährleistet ist.<br />

Hier wird man viel Zeit investieren müssen, um auch wirklich vieles auszudiskutieren, neue<br />

Akzente zu setzen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wie Frau Supplies schon sagte,<br />

ıTag der offenen Tür„ in Schulen <strong>und</strong> Kindertageseinrichtung gibt es schon immer,<br />

Kennenlerntage auch, wir wünschen uns jetzt gemeinsame Schnuppertage. Gemeinsame<br />

Aufgaben, die Sie entwickeln. Als Beispiel möchte ich die Sprachförderung nennen. Und<br />

genau zu diesem Punkt gemeinsame Teamsitzungen, um die Entwicklung zu befördern.<br />

Frau Supplies: Zuletzt, aber eine der drei wichtigsten Botschaften, die wir ihnen heute<br />

auch für die Praxisausgestaltung mitgeben möchten, ist die, die Elternberatung,<br />

Elternmitwirkung gemeinsam prozesshaft abzustimmen <strong>und</strong> zu organisieren. Dass Eltern<br />

auch das Gefühl haben, hier wird miteinander geredet, das verzahnt sich <strong>und</strong> wir sind ein<br />

wichtiger Baustein in diesem Geschehen. So wird das Sicherheitsgefühl erhalten <strong>und</strong> zum<br />

anderen können Sie hier ihre Kompetenzen in diesen Prozess einbringen.<br />

2<br />

51


Diskussion


3 Diskussion<br />

54<br />

Dieser Abschnitt der Broschüre ist dreigliedrig angelegt.<br />

Der erste Teil beinhaltet einen Fragen-Antworten-Katalog zum Referat <strong>von</strong> Herrn Dr. Strätz.<br />

Im zweiten Teil werden erste Erläuterungen des Beigeordneten Herrn Jung zur <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />

wieder gegeben.<br />

Im dritten Teilabschnitt wird die Abschlussdiskussion dargestellt.<br />

Die Moderation für die gesamte Veranstaltung hat Frau Carla Schneider, Jugendamt, übernommen.<br />

Alle drei Teilabschnitte sind redaktionell überarbeitet <strong>und</strong> leicht gekürzt.<br />

Teil I – Fragen-Antworten-Katalog<br />

Moderation: Ein Dank nochmals an den Referenten. Ich bin mir gewiss, das eine oder<br />

andere Bild wird mit Sicherheit in Ihrem ıErwachsenenhirn„ bleiben als Ergebnis des<br />

Selbstbildungsprozesses, vielleicht mehr als die Buchstaben, die Sie dann gedruckt als<br />

Dokumentation erhalten werden. Nutzen Sie die Zeit <strong>und</strong> fragen Sie den Referenten! Noch<br />

eine Anmerkung: Alle namentlich nicht bekannten Anfrager werden im folgenden mit<br />

ıTeilnehmerIn„ betitelt.<br />

TeilnehmerIn: Was passiert, wenn man das Einschulungsalter heruntersetzt?<br />

Herr Dr. Strätz: Es wird dann eine andere Art <strong>von</strong> Didaktik des ersten Schuljahres geben<br />

müssen. Zumindest zeigt das das niederländische Beispiel. Die Niederländer haben eine<br />

sogenannte Basisschule, in die Kinder mit fünf Jahren eingeschult werden. Was in dieser<br />

Schulart vermittelt wird ist genau das, was üblicherweise bei uns in der Kita passiert.<br />

Altersangepasst muss sich die Gr<strong>und</strong>schuldidaktik für dieses neue erste Schuljahr ändern.<br />

Man kann nichts vorwegnehmen. Behaupte ich zumindest.<br />

TeilnehmerIn: Ist es angedacht, dass sich an der Schuluntersuchung etwas ändert? Nur ein<br />

Beispiel: Es sind sechs Kinder, aber nur fünf Äpfel. Das Kind wird nach einer Lösung<br />

gefragt <strong>und</strong> sagt, ich bastle noch einen Apfel. Die Antwort ist falsch... So sollte es doch<br />

nicht sein! Oder?<br />

Herr Dr. Strätz: Ich kenne die Umstände der Einschulung im Freistaat Sachsen nicht!<br />

Aber ich kann Ihnen erzählen, was zwischen Rhein <strong>und</strong> Weser passiert. Es ist vielleicht das<br />

gleiche Thema. Wir überlegen, wie wir die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schule nutzen können, damit so etwas wie der geschilderte Fall nicht mehr passiert.<br />

Die Voraussetzung dafür scheint zu sein, dass Erzieherinnen <strong>und</strong> Lehrkräfte den<br />

Arbeitsalltag der jeweils anderen Seite besser kennen lernen! Erst wenn es an jeder<br />

Gr<strong>und</strong>schule eine Lehrerkraft gibt, die mehrere Kitas <strong>von</strong> innen kennt <strong>und</strong> weiß wie dort<br />

gearbeitet wird <strong>und</strong> umgekehrt, dass in jeder Kita eine Erzieherin weiß wie Gr<strong>und</strong>schulen<br />

heute arbeiten. Dann wird sich ein Klima der Zusammenarbeit entwickeln, das dann auch<br />

erlaubt, darüber zu reden, wie gestalten wir den Übergang. Zum Übergang gehört auch,<br />

dass die Informationen über ein bestimmtes Kind zwischen den Institutionen ausgetauscht


Teil I – Fragen-Antworten-Katalog<br />

werden. Und das wiederum nicht ohne Eltern! Es müsste ein Gespräch sein, in dem man<br />

sich über dieses Kind unterhält: was sind seine Interessen, was sind seine Bedürfnisse, wie<br />

ist seine Entwicklung. Die Erzieherin <strong>und</strong> die Eltern legen ihre Sicht offen dar <strong>und</strong> die<br />

Lehrkraft spricht darüber was sie bisher wahrgenommen hat <strong>und</strong> welche Erwartungen sie<br />

hat. So könnte es gehen!....<br />

Was nicht funktioniert..., <strong>und</strong> da machen gerade einige Kommunen im Ruhrpott ihre<br />

Erfahrungen, sind Testverfahren! Die meisten wichtigen Informationen werden in dieser<br />

Altersstufe so nicht gewonnen. Gerade im Sprachverhalten, aber auch in anderen Bereichen,<br />

sind Kinder sehr abhängig in ihrer Testleistung <strong>von</strong> der jeweiligen sozialen Situation. Es<br />

gibt Kinder, die schnattern wie ein Wasserfall mit ihrer Erzieherin in der Kita <strong>und</strong> sie<br />

bekommen, wenn sie zum ersten Mal mit der Lehrerin zusammen sind, den M<strong>und</strong> nicht<br />

auf. Das ist so in diesem Alter. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, irgendwelche<br />

Verfahren zu entwickeln, die das in Zahlen <strong>und</strong> Werte fassen können...<br />

Signifikante Ergebnisse wird dieser <strong>Kooperation</strong>sprozess nach meiner Einschätzung bei<br />

unseren rheinischen Kollegen in etwa fünf Jahren bringen.<br />

Moderation: Vielen Dank Herr Dr. Strätz für die Beantwortung dieser Frage. Frau Koch,<br />

Sächsisches Staatsministerium für Kultus, möchte noch Ausführungen zu dieser Frage<br />

machen.<br />

Frau Koch: Genau das ist Anliegen dieser <strong>Kooperation</strong>svereinbarung: Amtsarzt,<br />

Kindergärtnerin <strong>und</strong> künftige Gr<strong>und</strong>schullehrerin sowie natürlich auch die Eltern sind im<br />

Bündnis, um einen positiven Übergang für unsere Kinder zu gestalten. Solche<br />

Negativbeispiele, wie das eingangs erwähnte, bei Schuluntersuchungen sind bekannt. Auch<br />

diesen sollen durch die <strong>Kooperation</strong>svereinbarung getilgt werden. Ein erster Schritt dazu<br />

sind die Veränderungen in der Schulges<strong>und</strong>heitspflegeverordnung.<br />

Moderation: Vielen Dank Frau Koch für die aktuellen Informationen. Ich gebe Herrn<br />

Schlosser, Sächsisches Staatsministerium für Soziales, das Wort.<br />

Herr Schlosser: Herr Dr. Strätz, an einer Stelle nannten Sie der Begriff vom gleitenden<br />

Übergang. Er sei sozusagen ein bisschen zu den Akten gelegt <strong>und</strong> Sie sprachen vom Schritt.<br />

Das kam dann aber ein bisschen zu kurz, vielleicht können Sie diesen Gedanken vertiefen.<br />

Herr Dr. Strätz: Mein Lieblingsbeispiel dazu aus einer Kita in Düsseldorf. Kinder im<br />

Alter <strong>von</strong> 0 bis 14 Jahren werden dort betreut <strong>und</strong> gefördert. Die hat einen w<strong>und</strong>erschönen<br />

Haupteingang, den alle Kinder benutzen, weil man auch im Flur riechen kann, was es zu<br />

essen geben wird. Alle Kinder gehen durch den Haupteingang - mit einer Ausnahme, die<br />

Schulanfänger! Diese gehen nicht durch den Haupteingang. Sie gehen am Gebäude vorbei,<br />

gehen am nächsten Gebäude vorbei, sie gehen einen kleinen Weg hinein in den Innenhof<br />

<strong>und</strong> dann über die Feuerleiter direkt in den ersten Stock - in ihre Hortgruppe. Der Gr<strong>und</strong><br />

ist, sie mit dem ıGrobzeug„ da unten nichts zu tun haben! Das gibt sich im Laufe des<br />

Schuljahres. Sinnbildlicher kann man nicht beschreiben, was Schuleintritt unseren Kindern<br />

bedeutet!<br />

3<br />

55


3 Aber<br />

56<br />

Diskussion<br />

zunächst einmal haben Kinder das Recht, das man ihnen deutlich macht: Wir<br />

nehmen wahr, dass ihr einen Schritt vollzogen habt! Die Kinder müssen erfahren, dass sie<br />

jetzt nicht mehr Kindergartenkind, sondern Schulkind/ Hortkind sind. Das Recht haben<br />

sie! Wie nutzt man jetzt wirklich das Expertenwissen <strong>von</strong> Kindern, die diesen Schritt hinter<br />

sich haben? Ein w<strong>und</strong>erschönes Beispiel dazu aus dem Buch ıKindergarten <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schule – Hand in Hand„. Die Frage ist doch die, wie gehen wir mit den<br />

Befürchtungen der Kindern, der Eltern um? Wie wird es in der Schule sein? Der Trick ist,<br />

man organisiert eine Freizeitaktivität im Sommer, man lädt dazu die Kinder ein, die vor<br />

einem Jahr eingeschult worden sind. Man nimmt sich ein Thema vor, z. B. Indianer, dann<br />

bauen die Kinder – Schulstarter <strong>und</strong> Erstklässler- gemeinsam Tippis. Aber eigentlich<br />

schnattern sie, sie schnattern über die Schule. Die Experten, die Erstklässler, erzählen dann<br />

wie Schule wirklich ist! Das nimmt Unsicherheiten – bei Kindern <strong>und</strong> Eltern!<br />

Wichtig ist, dass die Erwachsenen den Kindern deutlich machen, du hast einen<br />

Entwicklungsschritt getan <strong>und</strong> du kannst auch stolz darauf sein!<br />

Der Übergang sollte für die Kinder schon ein Schritt sein, aber doch so gestaltet, dass das<br />

Kind sich auf einer ızu hohen„ Treppenstufe nicht gleich einen Arm bricht!<br />

Moderation: Frau Koch, Sie hatten noch eine Anfrage?<br />

Frau Koch: Ich habe keine Frage, mir hat nur ein Satz so sehr gut gefallen: ıDer Mensch<br />

wird als Original geboren <strong>und</strong> sollte nicht als Kopie sterben!.„ Ich meine, das sollten wir<br />

bei aller Pädagogik bedenken <strong>und</strong> unsere Kraft dafür einsetzen, dass dieser Satz uns stets<br />

gegenwärtig ist. Jeder sollte selbst reflektieren, ob er schon zur Kopie geworden ist oder<br />

noch das Original.<br />

Herr Dr. Haller: Frau Koch, ich möchte gern an Ihre Worte anschließen. Ich bin mal vor<br />

20 Jahren als Schulpsychologe gestartet. Ich frage mich nach diesem Vortrag, ob ich in der<br />

Jugendhilfe ıverkommen„ bin? Das würde ich so nie mit ja beantworten, aber was er<br />

andeutet, da sehe ich mich in der gleichen Schublade. Wir sind irgendwo, Herr Dr. Strätz,<br />

schon Jugendhilfe. Das ist auch gut so. Aber wir können nur mit einem starken Partner auf<br />

einer anderen Seite das realisieren, was hier in der <strong>Kooperation</strong>svereinbarung drin steht. Es<br />

gibt Zuständigkeiten auch aus gutem Gr<strong>und</strong>. Aber erreichen werden wir nur etwas, wenn<br />

wir aus diesen Schubladen heraus kommen <strong>und</strong> so habe ich ihren Vortrag als Jugendhilfe,<br />

Herr Dr. Strätz, auch verstanden. Wir sind auf dem Weg, aber wir müssen noch tüchtig<br />

voranschreiten. Das hat mir sehr gut gefallen.<br />

Herr Jung: Mir geht es noch einmal um das Menschenbild. Ich möchte provozieren. Herr<br />

Dr. Strätz, letztlich liegt den Gr<strong>und</strong>lagen, die sie entwickelt haben, auch ein Stufenmodell<br />

zu Gr<strong>und</strong>e oder habe ich das falsch verstanden, dass Menschen sich entwickeln <strong>und</strong> dass<br />

wir bei Übergängen helfen? Kurzum, meine Frage ist die, wie erreichen wir diesen<br />

optimalen Spannungsbogen zwischen dem berechtigten Anliegen Übergange zu gestalten,<br />

verlässlich zu agieren <strong>und</strong> dennoch die Individualität des Menschen in seiner jeweiligen<br />

Lebensaltersstufe ganz <strong>und</strong> gar zu akzeptieren <strong>und</strong> anzunehmen?<br />

Herr Dr. Strätz: Übergänge sind immer kritische Phasen in unserem Leben <strong>und</strong> der


Übergang vom Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule ist ja nur einer. Natürlich, ein Kind ist<br />

ein kompletter Mensch, mit all seinen Rechten. Alle haben Übergänge im Laufe des Lebens<br />

zu absolvieren. Da ist der Übergang in das Berufsleben, der Übergang in die Partnerschaft<br />

hinein. Wer hilft Menschen, die eine Partnerschaft aufbauen wollen, aber damit ihre<br />

Schwierigkeiten haben?<br />

Wenn Sie sich erinnern als Ihre Kinder in die Schule kamen war dies auch für Sie ein<br />

einschneidendes Erlebnis! Sicher waren Sie zunächst einmal massiv verunsichert. Sie waren<br />

schon an dem interessiert, was auf das Kind zukommt: Aber Sie waren auch beunruhigt<br />

<strong>und</strong> haben auch ein Stück Trauerarbeit geleistet. Unser Kind ist kein Kindergartenkind/<br />

Kleinkind mehr, es ist jetzt ein Schulkind. Deshalb sind Eltern auch manchmal so nervlich<br />

angeschlagen in dieser Phase des Überganges. Natürlich kann man sagen: Jeder Mensch ist<br />

in jeder Phase seines Lebens ein Mensch mit eigenem Recht <strong>und</strong> dem jeweiligen Alter<br />

entsprechender Individualität. Jeder Mensch hat Übergänge zu bewältigen <strong>und</strong> jeder<br />

Mensch hat Anspruch auf Hilfe dabei!<br />

Moderation: Ich möchte mit den Worten <strong>von</strong> Norbert Strömer ıLieber auf neuen Wegen<br />

stolpern, als in alten Bahnen auf der Stelle treten„ zum nächsten Programmpunkt<br />

überleiten.<br />

Teil II – Die <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

Teil II – Die <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />

das Vorwort unserer <strong>Kooperation</strong>svereinbarung habe ich Ihnen ja schon näher gebracht.<br />

Gemeinsame Verantwortung <strong>und</strong> gemeinsame Aufgabe – das ist es, was für uns auf der<br />

Agenda steht. Und das ist eine wirklich neue Qualität. In der Tat hat Herr Hüchelheim<br />

Recht, wir müssen das Fahrrad nicht zweimal erfinden. Aber wir alle wissen auch, wir<br />

haben momentan ein ganz anderes, ein richtig hohes Ansatzniveau. In den gesetzlichen<br />

Gegebenheiten <strong>von</strong> Jugendhilfe <strong>und</strong> Schule sind die gemeinsame Verantwortung für den<br />

Übergang <strong>und</strong> das Miteinander bei der Entwicklung, Begleitung <strong>und</strong> Förderung unserer<br />

Kinder klar festgeschrieben. Eine für jeden Beteiligten fassbare Qualität. Unsere Anliegen<br />

auf der Umsetzungsebene muss es nun sein, gemeinsam sich zu Gr<strong>und</strong>haltungen <strong>und</strong><br />

Maßnahmen zu bekennen, abzustimmen <strong>und</strong> optimale Übergänge zu gestalten.<br />

Wie wollen wir das gestalten? Ich zitiere aus dem gemeinsamen Papier der Ministerien, in<br />

dem es da heißt, ı...gemeinsame Vorhaben tragen nur dann wirklich zur <strong>Kooperation</strong> bei,<br />

wenn sie gemeinsam geplant, gestaltet <strong>und</strong> reflektiert werden„. Das ist, wie ich meine, ein<br />

gr<strong>und</strong>legender Passus, den wir verinnerlichen müssen. Gemeinsam planen, die Ideen<br />

zusammenführen <strong>und</strong> gemeinsam umsetzen – so sollte unsere <strong>Kooperation</strong> funktionieren.<br />

Unserer heutigen Auftaktveranstaltung sollen regelmäßige Austauschr<strong>und</strong>en zwischen den<br />

Partnern folgen. Die verantwortlichen MitarbeiterInnen des Regionalschulamtes <strong>und</strong> des<br />

Jugendamtes erarbeiten dazu einen Themenkatalog mit entsprechender Zeitschiene für die<br />

3<br />

57


3 weitere<br />

58<br />

Diskussion<br />

Arbeitstreffen.<br />

An der Stelle hier ein Exkurs. Das Jugendamt ist zwar örtlicher Träger <strong>von</strong><br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong>, aber auch Partner für freie Träger dieses Leistungsbereichs. Wir<br />

haben in der Stadt Leipzig zur Zeit 202 Kindertagesstätten, da<strong>von</strong> nur noch 60 kommunale<br />

Einrichtungen. Diese Zahlen verdeutlichen wie wichtig es ist, die freien Träger <strong>von</strong> Beginn<br />

an in diesen Prozess partnerschaftlich einzubinden. Hier meine eindringliche Botschaft an<br />

die freien Träger. – Bringen Sie sich aktiv ein. Wie mir Frau Supplies versicherte, werden<br />

Ihre Aktivitäten im Amt erwartet. Wir alle wollen gemeinsam ıTun„.<br />

Gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage. Wir möchten gern nachhaltig belegen, was wir<br />

uns vornehmen. Die Entwicklungsdokumentation der Kinder in der Kita sollen zu einem<br />

Arbeitspapier für Erzieherin <strong>und</strong> Lehrerin werden, als Gr<strong>und</strong>lage für gemeinsame<br />

Entwicklungsgespräche zwischen Eltern, Lehrern <strong>und</strong> Erziehern dienen. Und das<br />

insbesondere in der Übergangsphase.<br />

Gemeinsame Arbeitsgr<strong>und</strong>lagen, gemeinsame inhaltliche Gr<strong>und</strong>lagen setzen voraus, dass<br />

man sich zum Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrag verständigt. Kurz um: Was für ein<br />

Menschenbild prägt uns? Was ist Bildungsauftrag? Wie formulieren wir Bildung? Das muss<br />

miteinander besprochen werden, so dass das Vorschulhalbjahr, die optimierte<br />

Schuleingangsphase, unter diesem Aspekt eines gemeinsamen Bildungsauftrages <strong>und</strong><br />

Erziehungsbegriffs ausgestaltet wird.<br />

Jedes Kind erhält die Möglichkeit, im letzten Kindergartenjahr eine Schule <strong>und</strong> einen Hort<br />

kennen zu lernen. Hier in Leipzig haben wir folgendes Problem: 70 Gr<strong>und</strong>schulen <strong>und</strong> 202<br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong>. Das Optimum, dass jedes Kind exakt mit der Gr<strong>und</strong>schule<br />

Kontakt bekommt, die es später besucht, werden wir wohl nicht erreichen. Also geht es uns<br />

vor Ort um praktikable Lösungen. Rein rechnerisch müsste eine Schule für drei<br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> in der Verantwortung stehen. Das ist ein hoher Anspruch <strong>und</strong><br />

für die Schulen eine Belastung. Das bindet Personalkapazitäten. Ich weiß, wie es in der<br />

Gr<strong>und</strong>schule in Hinblick auf Teilzeitvereinbarungen <strong>und</strong> Auslastungsfragen aussieht. Vor<br />

uns stehen echte Herausforderungen, die wohl durchdacht sein müssen. Lösungen so<br />

nebenher sind nicht zu erwarten! Dennoch sollen alle Kinder, die eingeschult werden, im<br />

Vorfeld die Möglichkeit haben, schulisches Arbeiten, schulische Räume <strong>und</strong> schulische<br />

Möglichkeiten kennen zu lernen <strong>und</strong> Erfahrungen zu sammeln. Insofern mein Appell an<br />

die anwesenden Gr<strong>und</strong>schulvertreterInnen. - Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen finden!<br />

Erziehungspartnerschaft mit Eltern. Ich habe das heute morgen schon thematisiert <strong>und</strong> will<br />

darauf verweisen, ohne Eltern wird unsere <strong>Kooperation</strong>svereinbarung nicht funktionieren.<br />

Ich spreche auch ganz bewusst den Gesamtelternrat Kindertagesstätten <strong>und</strong> den<br />

Schulelternrat an. Wir brauchen auch diese Akteure im Boot, um unser modellhaftes<br />

Vorgehen zu realisieren. Auch alle Eltern sind als Partner in diesem Prozess gefragt,<br />

ansonsten kann er nicht gelingen.<br />

Engagement <strong>und</strong> Dialogbereitschaft im Umgang mit allen Beteiligten. Eine<br />

Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> eine Schule, das sind immer Einrichtungen in einem sozialen


Raum. Es gibt immer eine Nachbarschaft, es gibt Vereine <strong>und</strong> Verbände, es gibt Wirtschaft,<br />

es gibt Handwerk, es gibt Einzelhandel usw. Wir wissen alle, dass Kindergarten <strong>und</strong> Schule<br />

sich im Rahmen der Sozialräumlichkeit öffnen. <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> werden zum Ort,<br />

an dem Eltern sich treffen, wo diskutiert wird, wo nicht um 17:00 Uhr zugeschlossen wird,<br />

sondern wo etwas passiert, wo Kommunikation stattfindet. Genauso Gr<strong>und</strong>schule! Ein<br />

Ort, wo man sich begegnet, wo Erziehung reflektiert wird, wo Kultur stattfinden kann.<br />

Unser dringlicher Wunsch, dass beide Einrichtungen sich für alle Beteiligten im<br />

Einzugsbereich öffnen - in unserem Sinne. Die Ist-Situationen sollte miteinander erörtert<br />

werden, weitere Arbeitsschritte angedacht <strong>und</strong> Umsetzungsvarianten abgeleitet werden.<br />

Ich weiß, dass es vielfältige Formen der Zusammenarbeit vor Ort bereits existieren. Durch<br />

unsere <strong>Kooperation</strong>svereinbarung erfährt diese Zusammenarbeit neue Impulse, wird<br />

qualitätsvoller, verbindlicher. Darum geht es eigentlich. Der Rahmen ist gesetzt, die Partner<br />

erklären ihren Willen; das stärkt sie <strong>und</strong> stabilisiert sie.<br />

Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />

Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />

Moderation: Liebe TeilnehmerInnen, ich möchte ausdrücklich dazu auffordern, erste<br />

Gedanken zur Handhabbarkeit unserer Vereinbarung zu äußern. Denn wir alle wissen, in<br />

naher Zukunft werden nicht so viele ıUmsetzer„ wie heute an einem Ort versammelt sein.<br />

Frau Erdmann, 172. Gr<strong>und</strong>schule: Meine Fragen richten sich an Herrn Jung, Frau<br />

Supplies <strong>und</strong> Frau Lewek. Für mich liegt ein Stückweit der Teufel im Detail. Herr Jung hat<br />

betont, dass jeder Schulanfänger die Möglichkeit hat, vorab eine Schule oder einen Hort zu<br />

besuchen. Ziel soll sein, so habe ich die Worte <strong>von</strong> Frau Lewek verstanden, dass ich<br />

(Gr<strong>und</strong>schule) die Kinder näher kennen lerne <strong>und</strong> zu Beginn schon ganz viel über das<br />

einzelne Kind weiß. Für mich ist das aber nicht das Problem: Denn Konzepte mit den<br />

Kindergärten für die Schuleingangsphase stehen. Seit 2003 haben wir zwischen SMS <strong>und</strong><br />

3<br />

59


3 SMK<br />

60<br />

Diskussion<br />

die Vereinbarung zum Übergang. Immer wieder näheren wir uns dem, was in meinen<br />

Augen die echte Herausforderung ist. Ich möchte, meine Kollegen wollen, meine<br />

Beratungslehrerin will, unsere Kinder kennen lernen, unsere künftigen Schüler. Aber!<br />

Gemeinsam mit unseren Erzieherinnen, mit unseren Kindergärten – vielleicht sehe ich das<br />

Ganze zu kritisch - aber hier liegt für mich das Problem!<br />

Herr Jung: Ich habe versucht mit einem einfachen Zahlenspiel, d. h. ca. 70 zu 200, vorhin<br />

die Ausgangslage zu beschreiben. Dieses Modell, dass ich die künftigen Erstklässler meiner<br />

Schule kennen lerne, ist so in Leipzig nicht tragfähig. Aber wir müssen solche<br />

exemplarische Situationen schaffen, den Kindern damit die Angst vor der Schule nehmen<br />

<strong>und</strong> umgekehrt, Begegnungen zwischen Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule organisieren. Und da<br />

werden wir dauerhaft über Formen nachdenken müssen, <strong>und</strong> ich spreche die Schulseite an,<br />

über einen konkreten Verantwortlichen innerhalb eines Kollegiums für die<br />

Zusammenarbeit Kita/Schule <strong>und</strong> auch in den Kitas genau mit diesem Hintergr<strong>und</strong>. Das<br />

muss bis zum St<strong>und</strong>envolumen gehen! Ich weiß das. Alles andere ist Augenwischerei,<br />

dessen bin ich mir wohl bewusst. Das muss, denke ich, mit einem Team <strong>von</strong> Menschen<br />

geschehen, die in einer besonderen Weise für diese Sache auch brennen. Das werden auch<br />

nicht alle Erzieherinnen <strong>und</strong> alle Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen gleichermaßen tun können.<br />

Frau Lewek: Das ist wirklich eine ganz besondere Schwierigkeit <strong>und</strong> hier ist der ländliche<br />

Raum natürlich in einer besseren Situation. Ich kann jeden Elternteil <strong>und</strong> jedes Kind<br />

verstehen, dass sie natürlich ıihre„ Schule kennen lernen wollen. Aber die örtlichen<br />

Gegebenheiten lassen das nicht zu! Wir müssen anderen Weg finden, um trotzdem bei den<br />

Kindern Freude an Schule, auch wenn es dann eine andere ist, zu erhalten.<br />

TeilnehmerIn: Ich komme <strong>von</strong> der Kindertageseinrichtung ıSankt Theresia„ <strong>und</strong> sehe<br />

diese Diskussion aus der Sicht der Kinder. Ich habe die Sorge, dass es für die Kinder der<br />

Vorschulgruppe mit diesem ıanderen Weg„ sehr verwirrend sein kann. Die Freude auf<br />

Schule ist da, die Kinder sind wirklich offen <strong>und</strong> wollen lernen. Wir gehen manchmal mit<br />

der Vorschulgruppe in die Schule. Da entwickeln sich schon Beziehungen! Wenn jetzt noch<br />

die Lehrerin in den Kindergarten kommt. Wir alle wissen wie wichtig Bezugspersonen für<br />

Kinder gerade in diesem Alter sind. Die erste Bezugspersonen aus der Schule – meine<br />

künftige Lehrerin, die ich kennen lerne, die erste Schule, die ich sehe. Die Kinder kommen<br />

mit Bildern zum ersten Schultag, zum Schulbeginn <strong>und</strong> sind dann doch in einer eigentlich<br />

ganz schwierigen Situation. Das ist nicht meine Lehrerin! - Ich finde, auf solche Situationen<br />

müssen Eltern <strong>und</strong> Kindern gleichermaßen vorbereitet werden. Momentan weiß ich jedoch<br />

nicht, wie eine gute Lösung dafür sein kann.<br />

Herr Dr. Haller: Ich denke, man muss diese Frage im Rahmen der bestehenden<br />

Regelungen zweier verschiedener Systeme offen <strong>und</strong> ehrlich in den jeweiligen Stärken<br />

beantworten. Die Gr<strong>und</strong>schule hat Schuleinzugsbereiche, das ist eine Stärke! Das schafft<br />

Verlässlichkeit <strong>und</strong> Orientierung! Die Kindertageseinrichtung hat eine offene, plurale<br />

Angebotsform, dass ist genau die Stärke der Städte gegenüber den Dörfern. In der Stadt<br />

überlegen sich Eltern für ihre Kinder sehr genau, wohin geben sie bis zum Alter der<br />

Einschulung programmatisch ihr Kind. Ist es eine christlich orientierte Einrichtung, ist es


Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />

ein Waldorfkindergarten, ist es eine kommunale Einrichtung oder gehen sie zu einem<br />

anderen freien Trägern. Das ist eine Stärke des pluralen Angebotes. Das, was Sie jetzt in der<br />

Übergangsphase erwarten, würde bedeuten, dass man entweder in der Gr<strong>und</strong>schule die<br />

Schuleinzugsbereiche auflöst, was ich für nicht denkbar halte <strong>und</strong> auch nicht empfehlen<br />

würde, oder im Kindertagesstättenbereich, im Vorschulbereich, die Attrakivität pluraler<br />

Angebote, individuell gewählt für das eigene Kind, aufgibt. Auch das würde ich niemals<br />

empfehlen. Wenn man das so akzeptiert, wie ich es eben vorgetragen habe, muss man in<br />

der Konsequenz diese Korridore - da spielen Zeitfenster eine entscheidende Rolle - in<br />

zweierlei Hinsicht definieren. Man hat einmal Überlappungen, die wahrscheinlich größer<br />

sein werden als der Rest, wo Kinder einer Kindertageseinrichtung die dazugehörige<br />

Gr<strong>und</strong>schule besuchen. In vielen Bereichen wird dies so sein. Es wird aber nicht eins zu<br />

eins so sein, dass bedeutet, man muss unabhängig <strong>von</strong> der konkreten Bezugsperson den<br />

Übergang für dieses Kind attraktiv gestalten, in dem Sinne wie es Herr Dr. Strätz<br />

vorgeschlagen hat, <strong>und</strong> das ist eine ganz spannende Herausforderung. Genau dieses<br />

Phänomen steht auch an anderen Überganssituationen. Wir werden dies niemals<br />

ıbruchfrei„ schaffen können, wenn wir keine Einheitsverordnung wollen. Die wollen wir<br />

nicht! Das ist zwar leicht gesagt, es ist natürlich in der Praxis, <strong>und</strong> so verstehe ich die<br />

Nachfrage, eine große Herausforderung, diese beiden Ansprüche zu bewältigen. Aber so<br />

ehrlich müssen wir miteinander umgehen, wenn wir das eine für richtig finden, nämlich<br />

diese doppelte Organisation, die ich höchst attraktiv finde, auch wenn sie schwierig ist,<br />

dann müssen wir darauf aufbauen <strong>und</strong> nicht so tun als wäre eine Lösung denkbar das eins<br />

zu eins umzusetzen. Ich glaube, das muss man wissen.<br />

Frau Koch: Ich möchte den Satz <strong>von</strong> Dr. Haller einfach mal fortsetzen. Wir müssen<br />

wissen, welchen Bildungsauftrag hat Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> welchen Auftrag hat<br />

Schule. Das ist das ıA„ <strong>und</strong> ıO„. Wir dürfen das nicht so eng fassen, das ich nur die eine<br />

Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> die eine Kindertageseinrichtung sehe. Sie wissen selbst, welche<br />

Kindertageseinrichtung gehören zum Schulbezirk, <strong>und</strong> ich kann an Sie nur appellieren,<br />

gehen Sie diesen Schritt <strong>und</strong> mit allen Partnern, mit allen Kindertageseinrichtung <strong>und</strong><br />

führen Sie gemeinsam Gespräche. Sie werden sicherlich nicht eins zu eins jedes Kind<br />

kennen lernen, aber Sie müssen wissen, was passiert in Richtung Bildungsauftrag in den<br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> umgekehrt in den Gr<strong>und</strong>schulen. Sie müssen <strong>von</strong>einander<br />

Bescheid wissen <strong>und</strong> dass muss <strong>Kooperation</strong> ausmachen. Im Mittelpunkt all unserer<br />

Bemühungen sollte immer das Kind stehen.<br />

Frau Hackl: Ich wollte nur etwas ergänzen. Aber ich glaube noch eine kleine Nuance<br />

einbringen zu können. Eine Schule als Institution kennen zu lernen – das sollte im Vorfeld<br />

schon jedes Kind. Ich denke, es würde ıSchule„ überfordern, wenn alle Kitas nur in eine<br />

ıModellschule„ gehen. Das organisatorisch hinzubekommen, das stelle ich mir auch sehr<br />

schwierig vor. Aber es ist schon so, dass man da<strong>von</strong> ausgeht, mit wem kann man eine<br />

Vereinbarung treffen, was ist machbar, so dass die Kinder die Schule kennen lernen. Und<br />

irgendwie ähneln sich die Schulen ja doch - in den Gebäuden, den Räumen <strong>und</strong> in allem<br />

was da ist.<br />

Mit dieser <strong>Kooperation</strong>svereinbarung gehen wir in die Verpflichtung als Kindertageseinrichtung<br />

z. B. Entwicklungsdokumentationen bis hin zur Portfolio-Qualität zu<br />

3<br />

61


3 führen.<br />

62<br />

Diskussion<br />

Ich denke, das ist der richtige Weg, für alle Kinder abrechenbare Aufzeichnungen<br />

zu erarbeiten. Eltern sind hier in erster Linie unsere Ansprechpartner.<br />

Entwicklungsdokumentationen sind für die Gespräche mit ihnen gemeinsame<br />

Diskussionsgr<strong>und</strong>lage.<br />

In der Verantwortung der Eltern liegt es, Informationen über die Entwicklung des Kindes<br />

aus dem Erfahrungsschatz einer Erzieherin, an Schule weiter zu geben. Eltern entscheiden<br />

selbst, was sie weiteren Personen zur Kenntnis geben.<br />

Moderation: Vielen Dank Frau Hackl, dass die Punkte Beobachtung <strong>und</strong> Beobachtungsdokumentation<br />

<strong>und</strong> speziell die Rolle der Eltern noch einmal im Gespräch waren.<br />

TeilnehmerIn: Mein Name ist Pfeiffer, ich arbeite an der August-Bebel-Gr<strong>und</strong>schule. Unsere<br />

Schule pflegt enge Kontakte mit dem Kindergarten in der Gabelsberger Straße. Schon im<br />

vorigen Jahr kamen die Vorschulkinder zu uns, dass sind bei weitem nicht alles Schüler, die<br />

bei uns eingeschult werden. Es geht auch nicht, in diesem begrenzten Rahmen. Nicht alle<br />

Kindergärten können so intensiv betreut werden. Ich erwarte einfach, dass die angrenzenden<br />

Schulen dann ıunsere„ Schulanfänger genauso betreuen <strong>und</strong> auffangen wie wir.<br />

Es geht eigentlich in erster Linie darum, dass die Kinder keine Angst mehr vor Schule<br />

haben. Bei vielen Eleven ist diese Ängstlichkeit schon nach dem dritten Besuch bei uns<br />

abgeklungen. Wir hatten letztens ein ganz schüchternes Kind, ein Mädchen, dass plötzlich<br />

lächelte. Sie hatte sich bis dahin immer verweigert, sie meldete sich sogar. Das sind Sachen<br />

– ich glaube alle wissen, wo<strong>von</strong> ich spreche. Es ist wichtig, dass man mit den Eltern spricht,<br />

ich war zum Elternabend erst kürzlich in der neuen Gruppe. Die Eltern sind sehr<br />

interessiert gewesen. Ich glaube, die Zusammenarbeit mit ıunserem„ Kindergarten klappt<br />

ganz gut. Wir geben gerne unsere Erfahrungen weiter.<br />

TeilnehmerIn: Ich wollte lediglich meine Sicht darlegen. Meine Erfahrungen zeigen, wenn<br />

es darum geht, denn Kindern die Ängste vor der Schule zu nehmen, dann ist es egal, ob<br />

dies an der Gr<strong>und</strong>schule geschieht, in die das Kind später eingeschult wird oder nicht. Die<br />

Kinder müssen wissen, was auf sie zukommt. Die Art <strong>und</strong> Weise, wie Kinder auf Schule<br />

vorbereitet werden, ist entscheidend. Wir arbeiten schon lange mit einer Gr<strong>und</strong>schule<br />

zusammen, ich arbeite in einem Kindergarten bei einem freien Träger. Wir haben gute<br />

Erfahrungen gemacht, indem wir alle Kinder nehmen <strong>und</strong> eine Gr<strong>und</strong>schule besuchen.<br />

Egal, ob das Kind dann in diese Schule gehen wird oder nicht.<br />

Frau Matthias: Mein Name ist Matthias: Ich bin Schulleiterin der 80. Gr<strong>und</strong>schule. Wir<br />

führen dieses schulvorbereitendes Halbjahr seit drei Jahren durch <strong>und</strong> wir haben die<br />

Schwierigkeit, dass wir vier Kindergärten im Einzugsbereich haben. Damit natürlich auch<br />

Kinder, die später nicht zu uns kommen werden. Zwei Probleme tun sich für mich auf.<br />

Unbenommen, die vier Kindergärten, die wir haben, leisten alle eine engagierte Arbeit.<br />

Aber – nun das Problem für die Gr<strong>und</strong>schule – alle vier haben gr<strong>und</strong>verschiedene<br />

Konzepte. Nun sollen wir aufeinander zugehen, wir sollen aufeinander eingehen – so das<br />

Anliegen der <strong>Kooperation</strong>. In unserem Falle kann das nicht funktionieren. Die vier<br />

Kindergärten müssten sich anpassen. Und Herr Dr. Haller, Sie haben gesagt, dass wollen<br />

wir nicht! Ich bin absolut Ihrer Meinung. Aber ich sehe in der Umsetzung schon sehr


Teil III – Die Abschlussdiskussion<br />

große Schwierigkeiten. Nun das zweite Problem, welches absolut nicht zu unterschätzen ist.<br />

Wir haben heute hier ganz oft <strong>von</strong> Eltern gesprochen <strong>und</strong> die Eltern wollen<br />

Schulvorbereitung auch in der Schule. Wollen, dass die Kinder Schule kennen lernen. Im<br />

Laufe <strong>von</strong> drei Jahren haben wir erreicht, dass alle Eltern, die Kinder, die nicht in einen<br />

<strong>von</strong> den vier Kindergärten gehen, diese wöchentlich zu den schulvorbereitenden<br />

Vormittagen bringen. Das wird auch in diesem Jahr so ein! Ich glaube, diesen Fakt, dass<br />

Eltern für ihre Kinder die richtige Schule wollen, den unterschätzen wir. Vielleicht?!<br />

Moderation: Zum Abschluss noch zwei, drei Worte: Ich bemerke zunehmend in der<br />

Diskussion mit LehrerInnen, ErzieherInnen, KitaleiterInnen <strong>und</strong> auch Eltern, dass ein<br />

Verständigungsbedarf zum Begriff Schulvorbereitung besteht. Ich denke, wenn wir uns<br />

dazu austauschen, kommen wir schnell dahin, dass jeder etwas anderes meint <strong>und</strong> wir<br />

finden vielleicht mehr Anknüpfungspunkte für die gemeinsame Arbeit.<br />

Gr<strong>und</strong>voraussetzung auch für vier Kindertageseinrichtung mit verschiedenen Konzepten<br />

ist, das alle <strong>von</strong> einem gemeinsamen Gr<strong>und</strong>verständnis <strong>von</strong> Bildung in der frühen<br />

Kindheit ausgehen. Dann können auch vier verschiedene Umsetzungskonzepte existieren.<br />

3<br />

63


Resümee


4 Resümee<br />

66<br />

Burkhard Jung<br />

Meine sehr versehrten Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

liebe Kolleginnen <strong>und</strong> liebe Kollegen,<br />

ich möchte die Gelegenheit nutzen <strong>und</strong> allen, die in die Organisation <strong>und</strong> Durchführung<br />

dieser Veranstaltung eingeb<strong>und</strong>en waren, danken. Für mich, <strong>und</strong> ich glaube auch im<br />

Namen der Anwesenden zu sprechen, war diese Tagung nicht nur informativ, sie war<br />

wegweisend.<br />

Nun kurz ein paar Überlegungen. Ich behaupte einmal, es sind nicht die verschiedenartigen<br />

Konzeptionen im Bildungsbereich, die hier in Deutschland fehlen. Es fehlt eine<br />

gemeinsame, miteinander verzahnte Lernkultur. Wir sind aber auf dem Wege dahin!<br />

Damit meine ich, dass das in Kindertagesstätten geformte Bild vom Kind, so wie es heute<br />

morgen Herr Dr. Strätz ızeichnete„, zum tragenden Element wird, übergeht, in der Schule<br />

aufgenommen, weiter ausgeprägt wird - selbstverständlich unterschiedlich programmatisch.<br />

Aber eine Gr<strong>und</strong>überzeugung ist diesem Prozess immanent. Kinder lernen nur das, was sie<br />

aus sich selbst heraus lernen, dabei benötigen sie vielfältige Möglichkeiten zum Gestalten,<br />

zum Experimentieren, zum Forschen haben, sich praktisch selbst zu bilden. Welche Rolle<br />

wir dabei als Erzieherin, als Lehrerin spielen, dass ist in den jeweiligen Konzepten<br />

festgeschrieben. Die Konzepte legen den Rahmen fest, in dem wir uns bewegen, <strong>und</strong> weisen<br />

die Steuerungsmöglichkeiten aus. Von den Aufgaben sind die Vorgänge alle sehr ähnlich,<br />

sie lassen sich klar vergleichen, aber in der Ausformung ist eine große Vielfalt da. Das ist<br />

richtig <strong>und</strong> gewollt!<br />

Wir werden mit Sicherheit, <strong>und</strong> das meine unabhängig vom Blick auf das einzelne Kind,<br />

bei IGLU <strong>und</strong> bei PISA künftig besser abschneiden, wenn es gelingt, stärker die bereits<br />

benannte Lernkultur Wirklichkeit werden zu lassen. Eine Lernkultur, die den Rahmen setzt<br />

für die Prozesse, die in den Kindertagesstätten beginnen, sich in unseren Klassenzimmern<br />

fortsetzen - <strong>und</strong> das bis zum Abitur. In dieser Handlungskette gibt es meines Erachtens<br />

noch sehr viele Potenzen.<br />

In den <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> ist bereits unglaublich viel passiert, da sind zahlreiche,<br />

unglaublich gute didaktische Konzepte auf den Weg gebracht worden. Die Erzieherinnen<br />

stellen sich dem Thema Bildungsauftrag mit einem Engagement, wie ich es zu Beginn im<br />

Jahr 2000 mir so gar nicht vorgestellt habe. Und umgekehrt weiß ich ganz genau, was an<br />

Gr<strong>und</strong>schulen für eine Kraft in den letzen Jahren entwickelt worden ist, um Schule zu


Resümee<br />

verändern <strong>und</strong> neu zu definieren. Qualitätsänderungen, wahrnehmbare<br />

Qualitätsverbesserungen sind hier wie dort angesagt.<br />

Der Weg für eine neue Kultur des Lernens ist bereitet, eine Kultur, die das einzelne Kind<br />

mit seinen Möglichkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten in seiner zeitlichen, seiner individuellen<br />

Begabung, Neigung, mit seinen Talenten ernst nimmt <strong>und</strong> in den Mittelpunkt stellt, sich<br />

am Kinde orientiert, es stärkt.<br />

Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf das Hauptreferat zurückkommen. Der Vortrag<br />

<strong>von</strong> Herrn Dr. Strätz - ich möchte einfach paar Sätze noch mal in den Blick holen. Herr<br />

Dr. Strätz hat sich sehr stark bezogen auf Dr. Schäfers Satz ıGebildet werden kann man<br />

nicht, bilden muss man sich selbst„, der sich zuspitzt in dem Gedanken, man kann Kinder<br />

nichts beibringen. In dieser Schärfe ist der Satz so wohl nicht gemeint, aber in der<br />

Pointierung treffend. Das heißt, Kinder bilden sich selbst <strong>und</strong> diese Erkenntnis ist<br />

überhaupt nicht neu. Ob ich mich mit Piaget beschäftige, mit Montessori, ob ich es mit<br />

Jean Jack Rousseau versuche, mit Pestalozzi, Fröbel, Diesterweg, welche Reformpädagogen<br />

ich auch immer hier aufführe, alle kommen zu diesem Schluss.<br />

Kinder müssen selbst entdeckend, aktiv sich die Welt aneignen <strong>und</strong> wir können ihnen<br />

diesen Prozess nicht abnehmen, das Wissen darum nicht ıeintrichtern„. Das finde ich<br />

wichtig <strong>und</strong> ich musste es einfach noch einmal betonen.<br />

Für uns heißt das, Veränderungen einleiten. Eine wäre: Weg vom Frontalunterricht hin zu<br />

anderen Formen! Aber das ist ja vielerorts schon in Umsetzung.<br />

Herr Dr. Strätz hat uns fünf Thesen vorgestellt:<br />

1. Lernen erfolgt schrittweise. Die beste Strategie ist, sorgfältig zu beobachten, wo ein<br />

Kind steht <strong>und</strong> es da abzuholen, wo es steht, <strong>und</strong> es selbst gehen zu lassen.<br />

2. Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess. Ich muss hellwach beobachten können. Die<br />

Informationskanäle müssen sich entwickeln, ich muss verschiedene<br />

Informationskanäle bedienen - vom Audiotiven über das Optische bis hin zum<br />

Gestaltenden, zum Kreativen.<br />

3. Wiederholung. Wiederholung ist ein entscheidendes Moment, das wir aktiv nutzen<br />

müssen.<br />

4. Lernerfahrungen, Lernwege sind individuell. Das heißt aber Abschied nehmen vom<br />

ıIm-Gleichschritt-marschieren„. Individuelle Formen sind auch in die Gr<strong>und</strong>schule<br />

noch stärker zu integrieren. Und das Schulgesetz sieht dies vor, die Novellierung im<br />

Schulgesetz eröffnet die Einführung <strong>von</strong> jahrgangsübergreifenden Gruppen.<br />

5. Wie Kinder lernen? Kinder lernen über Alltagszusammenhänge,<br />

Alltagsanschauungen; sie lernen erfahrungsbezogen, handlungsbezogen. Herr Dr.<br />

Strätz hat das forschende, das entdeckende Lernen genannt. Er hat die Lernwerkstatt<br />

genannt <strong>und</strong> ich habe sehr viele Schnittmengen gesehen <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule. Sehr viele Berührungen, Gemeinsamkeiten, auf unterschiedlicher<br />

Stufe ausgeprägt.<br />

4<br />

67


4 Es<br />

68<br />

Resümee<br />

geht also um die persönliche Beziehung zum Kind, es geht auch um Regeln, um<br />

Grenzen. Das wollen wir nicht verschweigen. Selbstbilden heißt nicht, alles ist erlaubt, die<br />

Kinder können machen was sie wollen, sondern, es heißt auch Grenzsetzung, klare Ansage,<br />

Rahmung. Ein Setting ist zu organisieren, das ich zu verantworten habe. Damit bin ich bei<br />

der Rolle der Begleitenden, der Erzieherin oder bei der Lehrerin. Es geht natürlich um die<br />

steuernde Funktion der Erzieherin / der Lehrerin. Diese Steuerung nimmt uns keiner ab.<br />

Und dass unsere ureigenste Verantwortung!<br />

Ein kleiner Exkurs <strong>von</strong> mir: Ich weiß nicht, wer <strong>von</strong> Ihnen den ıEmile oder über die<br />

Erziehung„ <strong>von</strong> Jean Jack Rousseau gelesen hat. Rousseau entlässt seinen Zögling Emile in<br />

den Wald. Er soll dort seine Erfahrungen sammeln. Rousseau gibt ihm keine Karte mit,<br />

gibt ihm keine Hilfe. Er sagt ihm nicht, was er dort tun soll; er lässt ihn nur einfach in den<br />

Wald gehen. Aber Rousseau hat vorher den Wald exakt untersucht, er weiß genau in<br />

welchen Wald Emile geht. Und als er zurückkommt, befragt er Emile über den Wald <strong>und</strong><br />

natürlich kann dieser Antworten geben. Weil Rousseau den Wald selbst so gut kennt,<br />

entdeckt er in den Antworten seinen Zögling. Ich will deutlich machen, schon im 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert wurde glasklar formuliert, dass die Begleitenden, die Erzieherin / die Lehrerin,<br />

abzustecken haben, wohin wir Kinder schicken. Aber die Erfahrungen in den Räumen, die<br />

wir gestalten, sollen die Kinder selbst machen! Unser Rollenverständnis ist somit eindeutig:<br />

steuern, Rahmen setzen, auch die Vorbilddiskussion müssen wir führen. Natürlich sind wir<br />

Vorbilder. Und verlässliche, soziale Beziehungen müssen wir gewähren. Und schon bin ich<br />

beim Menschenbild: Die Kinder - den kleinen Menschen - achten als gleichwertige, kreative,<br />

eigenständige, kompetente Menschen <strong>und</strong> nicht als defizitäres Wesen ansehen, das sich erst<br />

entwickeln <strong>und</strong> hingebogen werden muss.


Resümee<br />

Worum geht es eigentlich, wenn wir <strong>von</strong> Übergängen sprechen? In der Tat gehören<br />

Übergänge zum Leben <strong>und</strong> können als Chance oder als Krise erlebt werden. Beides ist<br />

möglich, Chance oder Krise. Wie viele Kinder haben in den ersten Monaten in der<br />

Gr<strong>und</strong>schule eine tiefe Krise: Erwartungen, die sich nicht erfüllen; sie sind falsch<br />

vorbereitet, haben Angst vor der großen Gruppe. Übergänge, was haben wir, die Begleiter<br />

<strong>und</strong> Steuerer, zu organisieren? Angst <strong>und</strong> Freude erleben wir bei Kindern, die vorwärts<br />

gehen. Das ist dieses Gefühlsgemisch, was jeder <strong>und</strong> <strong>von</strong> uns auch ganz gut kennt. Ich weiß<br />

nicht, ob Sie sich erinnern, wie Sie mit der Tüte im Arm da gestanden <strong>und</strong> überlegt haben:<br />

Was kommt denn da jetzt auf mich zu? Enttäuschung, Hoffnung, endlich bin ich ein Stück<br />

größer?! Und in allen Übergangsphasen müssen wir die Ängste der Kinder, deren Sorgen,<br />

deren Nöte wahrnehmen <strong>und</strong> ihnen Unterstützung bieten, das haben Frau Supplies <strong>und</strong><br />

Frau Lewek sehr deutlich gemacht.<br />

Mir gefällt das Bild der Brücke ganz gut. Eine klassische Brücke wird <strong>von</strong> zwei Seiten<br />

gebaut. Diese treffen sich in der Mitte <strong>und</strong> dann wird der Schlussstein eingesetzt. Das<br />

könnte ein Bild sein, das das Verhältnis <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> Kindertagesstätte wiedergibt.<br />

Es geht nicht darum, die Kindertageseinrichtung ızu verschulen„, es geht auch nicht<br />

darum die Schule ızu verspielen„, sondern es geht um das Aufeinander-Zugehen <strong>von</strong> zwei<br />

Systemen mit ihren jeweiligen Stärken <strong>und</strong> Möglichkeiten. Wir treffen uns <strong>und</strong> schlagen<br />

eine Brücke. Und diese im Sinne der Kinder.<br />

Warum <strong>Kooperation</strong>? Ich spreche <strong>von</strong> Kindern aus bildungsfernen Familien, <strong>von</strong> Kindern<br />

mit Sprachstörungen, mit Kommunikationsdefiziten, Kinder, die sensitive Bereiche nicht<br />

ausgebildet haben, die feinmotorisch nicht entwickelt sind. Machen wir uns nichts vor. Der<br />

Ges<strong>und</strong>heitsbericht der Stadt Leipzig ist an der Stelle eindeutig. Der Anteil frühkindlicher<br />

Störungen hat zugenommen. Mein Appell an Sie ist, lassen Sie uns diesen Kindern Brücken<br />

bauen im Hinblick auf die Schule. Helfen Sie, Diskontunitäten zu vermeiden, fördern Sie<br />

insbesondere benachteiligte Kinder!<br />

Künftige Herausforderungen<br />

Die Effekte könnten sein, dass falsche Erwartungen an Schule abgebaut werden, dass keine<br />

Brüche durch uns produziert werden, dass wir frühzeitig Lernstörungen insbesondere<br />

durch die Dokumentation entdecken <strong>und</strong> besondere Begabungen genauso frühzeitig.<br />

Talente finden gehört auch dazu! Die Vorurteile, die hier <strong>und</strong> da dennoch bestehen<br />

zwischen Erzieherinnen <strong>und</strong> LehrerInnen, die gilt es anzupacken, die müssen wir abbauen.<br />

Lehrkräfte <strong>und</strong> Erzieher können dabei wirklich <strong>von</strong>einander lernen.<br />

Natürlich gibt es auch Problemfelder in diesem Prozess.<br />

Ich möchte nur das Zeitproblem bei ErzieherInnen wie auch bei Lehrerinnen nennen.<br />

Wenn Teamsitzungen zusammen gestaltet werden sollen, wenn Elternabende gemeinsam<br />

veranstaltet werden oder sogar gemeinsame Projekte auf die Beine gestellt werden sollen,<br />

dann kostet das sehr, sehr viel Zeit. Das ist eine Sperre im <strong>Kooperation</strong>sprozess, die dessen<br />

Verlauf sicherlich verlangsamt. Zwischen Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule gibt manchmal ganz<br />

unterschiedliche Erziehungsauffassungen. Da möchte ich nur bitten <strong>und</strong> raten - lassen Sie<br />

uns über eine neue Lernkultur sprechen. Erörtern Sie die Gr<strong>und</strong>haltung zum Kind <strong>und</strong><br />

dann, da bin ich gewiss, brauchen Sie nicht mehr über die Konzepte streiten!<br />

4<br />

69


4 Unterschiedliche<br />

70<br />

Resümee<br />

Arbeitszeiten, unterschiedliche Besoldungen könnten hier <strong>und</strong> da eine<br />

Rolle spielen. Fühlen wir uns aufgr<strong>und</strong> unserer Ausbildung weniger anerkannt? Ich meine<br />

Erzieherinnen ohne universitären Hintergr<strong>und</strong> sehen sich häufig selbst als benachteiligt<br />

gegenüber den Lehrerinnen. Umgekehrt vielleicht gibt es hier <strong>und</strong> da auf Lehrerseite eine<br />

gewisse Überheblichkeit gegenüber den einfacheren pädagogischen Möglichkeiten in den<br />

Kindertagesstätten, vorsichtig ausgedrückt. Hier ist Offenheit angesagt! Diskutieren Sie Ihre<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> nennen Sie Ihre Grenzen beim Namen. Nur so kann der<br />

Annäherungsprozess funktionieren.<br />

Zu einem möglichen Problemfeld könnten Kinder werden, die gar keine<br />

Kindertageseinrichtung besuchen. Wir haben etwa 8 % solcher Kinder in Leipzig.<br />

Diese Kinder kommen, soweit nicht sehr bewusst <strong>von</strong> bildungsbürgerlichen Kreisen auf<br />

Schule vorbereitet, in eine Institution, die sie überhaupt nicht einschätzen können. Ein<br />

Rezept, wie damit um zu gehen ist, habe ich nicht! Aber auf unermüdliche Elternarbeit<br />

möchte ich an dieser Stelle verweisen.<br />

Eine weitere Herausforderung wird sein, wie wir die Kinder <strong>von</strong> Migranten in unseren<br />

Institutionen integrieren. Im inneren Osten unserer Stadt haben wir mittlerweile einen<br />

Ausländeranteil bei Kinder <strong>von</strong> über 12 %. Dann gibt es einzelne Bereiche, in denen dieser<br />

Prozentsatz noch wesentlich höher ist. Damit muss Kita <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule umgehen.<br />

Sprachkompetenzen sind gefragt. Unbedingte Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindertagesstätte <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schule ist erforderlich. Migranten sind in besonderer Weise in den Blick zu nehmen.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, ich wünsche mir, dass jeder <strong>von</strong> Ihnen heute ideenreich nach<br />

Hause geht. Und mit großer Lust, sich auf etwas Neues einzulassen <strong>und</strong> etwas Neues zu<br />

versuchen. Vieles wurde Ihnen auf den Weg gegeben.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, ich möchte Sie herzlich ermuntern, gehen Sie es an! Planen Sie<br />

z. B. eine gemeinsame Gr<strong>und</strong>schule-Kita-Konferenz. Es geht nicht nur darum, dass wir<br />

irgendwann einmal in Europa wieder unter den ersten fünf Bildungsnationen zu finden<br />

sind, sondern es geht um die kleinen uns anvertrauten Menschen, die uns brauchen, unsere<br />

Unterstützung <strong>und</strong> Begleitung.


4<br />

71


72<br />

Anhang


A „Zur<br />

74<br />

Anhang<br />

<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule‰ -<br />

Vereinbarung des SMS <strong>und</strong> SMK


Zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt in Leipzig<br />

Gemeinsame Vereinbarung zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong><br />

Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt in Leipzig<br />

vom 27. Oktober 2004<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

der gemeinsamen Vereinbarung zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule<br />

Gliederung:<br />

zwischen SMS <strong>und</strong> SMK<br />

vom 13. August 2003<br />

0. Vorwort<br />

1. Dialogische Gr<strong>und</strong>haltung<br />

2. Gestaltung gemeinsamer Vorhaben<br />

3. Gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage<br />

4. Entwicklung einer gemeinsamen Erziehungspartnerschaft mit den Eltern<br />

5. Engagement im Umfeld mit allen Beteiligten<br />

<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt<br />

A<br />

75


A<br />

76<br />

Anhang<br />

0. Vorwort<br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen haben eine gemeinsame Verantwortung,<br />

Kindern den Übergang in die Schule zu erleichtern. Es ist ihre gemeinsame Aufgabe, die<br />

Entwicklung, Begleitung <strong>und</strong> Förderung eines jeden einzelnen Kindes <strong>und</strong> die<br />

Erziehungspartnerschaft mit Eltern in dieser Übergangsphase möglichst optimal zu<br />

gestalten.<br />

Eine qualitätsgerechte <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule erfordert<br />

die partnerschaftliche Zusammenarbeit der einzelnen Einrichtungen vor Ort ebenso wie die<br />

der zuständigen Fachämter.<br />

Anliegen der vorliegenden <strong>Kooperation</strong>svereinbarung ist es, sich gemeinsam zu<br />

Gr<strong>und</strong>haltungen <strong>und</strong> Maßnahmen zu bekennen, die im Sinne eines optimalen Übergangs<br />

entwickelt <strong>und</strong> umgesetzt werden sollen.<br />

1. Dialogische Gr<strong>und</strong>haltung<br />

ıDie <strong>Kooperation</strong> setzt voraus, ein gemeinsames Anliegen vor dem Hintergr<strong>und</strong> gegenseitiger Information in<br />

einer vertrauensvollen Atmosphäre umsetzen zu wollen.„ 1<br />

Das Jugendamt <strong>und</strong> das Regionalschulamt arbeiten an einem gemeinsamen<br />

Gr<strong>und</strong>verständnis <strong>von</strong> Bildung <strong>und</strong> Erziehung in Kindertageseinrichtung <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schule. Dazu organisieren sie eine gemeinsame Veranstaltung mit einem Fachvortrag<br />

zum Thema ı Bildung <strong>und</strong> Erziehung in der Kindheit„ , der die Basis für einen weiteren<br />

fachlichen Dialog liefern soll.<br />

Es erfolgt eine Vernetzung aller am Übergang Kita – GS beteiligten Kräfte, die sich unter<br />

gegenseitiger Achtung <strong>und</strong> Akzeptanz einbringen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>prinzipien für ihre weiteren<br />

Zusammenkünfte entwickeln.<br />

Sie entwerfen Strategien zur Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung der <strong>Kooperation</strong>sarbeit im Praxisfeld.<br />

2. Gestaltung gemeinsamer Vorhaben<br />

ıGemeinsame Vorhaben tragen nur dann wirklich zur <strong>Kooperation</strong> bei, wenn sie gemeinsam geplant, gestaltet<br />

<strong>und</strong> reflektiert werden.„ 2<br />

Im Anschluss an die unter 1. genannte Einstiegsveranstaltung sollen sich regelmäßige<br />

Austauschr<strong>und</strong>en anschließen. TeilnehmerInnen sind LehrerInnen <strong>und</strong> Erzieher- Innen<br />

(auch Hort-). In diesen Workshops, unter Anleitung <strong>von</strong> FachberaterInnen aus den<br />

2 Ämtern, sollen die Inhalte der <strong>Kooperation</strong>svereinbarungen zwischen <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen vorgestellt <strong>und</strong> deren Umsetzung diskutiert werden.<br />

Die verantwortlichen MitarbeiterInnen des Regionalschulamtes <strong>und</strong> Jugendamtes erarbeiten<br />

einen Themenkatalog mit einer Zeitschiene für weitere Arbeitstreffen zwischen den Ämtern.<br />

1<br />

Gemeinsame Vereinbarung des SMS <strong>und</strong> SMK zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> GS vom 13.08.2003, S. 13<br />

2<br />

ebenda, S. 13


3. Gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage<br />

ıDie Entwicklungsbereiche bilden die gemeinsame inhaltliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage.......„ 3<br />

Dazu wird folgendes vereinbart :<br />

� Die Dokumentationen zur Entwicklung <strong>von</strong> Kindern in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />

<strong>und</strong> Horten durch die ErzieherInnen werden zur Gr<strong>und</strong>lage für gemeinsame<br />

Entwicklungsgespräche zwischen Lehrerin, Erzieherin <strong>und</strong> Eltern. Das gilt besonders für<br />

die Phase des Übergangs eines Kindes <strong>von</strong> der Kita in die Gr<strong>und</strong>schule.<br />

� Den Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrag <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Schule im Blick,<br />

soll die Ausgestaltung des geplanten ıVorschulhalbjahres„ als Angebot der Gr<strong>und</strong>schule<br />

an die Familien mit den Trägern <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> abgesprochen werden.<br />

� Jedes Kind erhält die Möglichkeit, im letzten Kindergartenjahr eine Schule <strong>und</strong> einen<br />

Hort kennen zu lernen. Die Ausgestaltung dieses Prozesses übernehmen die<br />

Fachkräfte in gemeinsamer Absprache <strong>und</strong> Planung. Das Prinzip der<br />

Partnereinrichtung wird angestrebt.<br />

4. Entwicklung einer gemeinsamen Erziehungspartnerschaft mit den Eltern<br />

ıDie Eltern sind als Partner in die Gestaltung der Übergangsphase vom Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule<br />

aktiv einzubeziehen....„. 4<br />

Regionalschulamt <strong>und</strong> Jugendamt regen die Zusammenarbeit der Gesamt -<br />

Elternvertretungen <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen an.<br />

Vorhandene bewährte Formen der Zusammenarbeit zwischen Ämtern <strong>und</strong><br />

Elternvertretungen sollen dabei genutzt <strong>und</strong> weiterentwickelt werden.<br />

5. Engagement im Umfeld mit allen Beteiligten<br />

ı<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule bedarf der Vernetzung aller am Übergang<br />

Beteiligten auf regionaler Ebene..„ 5<br />

Jährlich findet eine Fachwerkstatt in Leipzig statt mit allen an der <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kita<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule Beteiligten. Ziel soll sein, die Ist-Situation <strong>von</strong> Kindern beim Übergang<br />

in die Schule darzustellen <strong>und</strong> weitere Arbeitsschritte für die Zusammenarbeit abzuleiten.<br />

Leipzig, den 27. Oktober 2004<br />

__________________________ _________________________<br />

Burkhard Jung Matthias Hüchelheim<br />

Beigeordneter für Jugend, Direktor des Regionalschulamtes<br />

Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule<br />

3 ebenda, S. 13<br />

4 ebenda, S. 15<br />

5 ebenda, S. 15<br />

<strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Jugendamt <strong>und</strong> Regionalschulamt<br />

A<br />

77


A Auszug<br />

78<br />

Anhang<br />

aus der Koalitionsvereinbarung


3. Bildung, Schulen <strong>und</strong> Sport<br />

Auszug aus der Koalitionsvereinbarung<br />

Die Koalitionspartner sind sich der Schlüsselrolle <strong>von</strong> Bildung für die persönliche Entwicklung<br />

jedes Einzelnen wie für die nachhaltige Entwicklung unseres Landes in einer modernen<br />

dynamischen Welt bewusst. Sie werden alle Anstrengungen unternehmen, um chancengerecht die<br />

Leistungsfähigkeit des sächsischen Bildungswesens zu erhöhen <strong>und</strong> an die sich wandelnden<br />

Bedingungen in einer globalisierten Welt anzupassen. Die Koalitionspartner orientieren sich dabei<br />

an den Ergebnissen der Besten in Europa.<br />

3.1 Bildung in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> sind Orte der Bildung, Erziehung <strong>und</strong> Betreuung, die die Kinder für<br />

einen optimalen Start in das Leben vorbereiten <strong>und</strong> ihnen bestmögliche Chancen in der<br />

Wissensgesellschaft des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts eröffnen sollen. Sie übernehmen in partnerschaftlicher<br />

Zusammenarbeit mit den Eltern Verantwortung für die Bildung <strong>und</strong> Erziehung der ihnen<br />

anvertrauten Kinder. Das gilt bereits für Kinder unter drei Jahren, da Bildung ein Prozess ist, der<br />

mit der Geburt beginnt, gr<strong>und</strong>sätzlich individuell ist <strong>und</strong> lebenslang verläuft.<br />

<strong>Kindertageseinrichtungen</strong> legen in enger Zusammenarbeit mit den Eltern die F<strong>und</strong>amente für die<br />

Entwicklung <strong>von</strong> Lernfähigkeit <strong>und</strong> Lernbereitschaft der Kinder. Deshalb werden Zugangskriterien,<br />

die Kinder <strong>von</strong> diesem Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsangebot ausschließen, abgelehnt.<br />

Internationale Vergleichsuntersuchungen wie PISA <strong>und</strong> PIRLS/IGLU verweisen auf die<br />

f<strong>und</strong>amentale Bedeutung konsequenter frühkindlicher Förderung <strong>und</strong> rücken den Übergang vom<br />

Kindergarten in die Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> die Gestaltung der Schuleingangsphase verstärkt ins<br />

Blickfeld. Die Koalitionspartner stimmen überein, dass die Kinder besonders im letzten<br />

Kindergartenjahr auf die Herausforderungen der Schule vorbereitet werden. Das wird durch eine<br />

verbindliche Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindertageseinrichtung <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>schule sichergestellt, die<br />

die besondere Bedeutung dieses Übergangs widerspiegelt.<br />

Die Koalitionspartner stimmen überein, dass dafür<br />

- klare Regelungen zur Zusammenarbeit <strong>von</strong> Kindertagesstätten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen notwendig<br />

sind, die die bestehende Vereinbarung zur <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule<br />

einbeziehen;<br />

- die Anerkennung <strong>von</strong> Kindertagesstätten als Stätten der Bildung noch stärker durchgesetzt<br />

werden muss;<br />

- ein gemeinsames Verständnis <strong>von</strong> Bildung in Kindertagesstätten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen<br />

Voraussetzung für die Entwicklung des sächsischen Bildungsplanes für Kindertagesstätten <strong>und</strong><br />

die Weiterentwicklung der Lehrpläne für die Gr<strong>und</strong>schule ist;<br />

- die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Qualität der vorschulischen<br />

Bildung <strong>und</strong> Erziehung zu erhöhen;<br />

- das letzte Kindertagesstättenjahr als Zeit der zunehmenden Schulvorbereitung weiterentwickelt<br />

<strong>und</strong> mit der bereits vollzogenen verbesserten Schuleingangsphase eng verb<strong>und</strong>en wird.<br />

Zur Umsetzung dieser fünf Ziele sind folgende inhaltlichen <strong>und</strong> organisatorischen Veränderungen<br />

<strong>und</strong> Maßnahmen notwendig:<br />

- Der sächsische Bildungsplan für Kindertagesstätten <strong>und</strong> die Lehrpläne der Gr<strong>und</strong>schulen<br />

werden auf der Gr<strong>und</strong>lage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterentwickelt <strong>und</strong><br />

aufeinander abgestimmt.<br />

- Das letzte Kindergartenjahr wird im sächsischen Bildungsplan besonders betrachtet. Um den<br />

Übergang zur Gr<strong>und</strong>schule zu qualifizieren, wird dieses Jahr zu einem Schulvorbereitungsjahr<br />

weiterentwickelt. Der Bildungsplan legt dafür spezielle Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsziele fest, die<br />

A<br />

79


A der<br />

80<br />

Anhang<br />

schulischen Bildung im eigentlichen Sinne nicht vorgreifen.<br />

- Das Schulvorbereitungsjahr wird organisatorisch so gestaltet, dass Kinder auf der Gr<strong>und</strong>lage des<br />

sächsischen Bildungsplanes in Projekten die notwendigen Lernkompetenzen erwerben können.<br />

- Die Projekte werden gemeinsam <strong>von</strong> Erzieherinnen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen <strong>und</strong> –lehrern<br />

inhaltlich <strong>und</strong> methodisch auf der Gr<strong>und</strong>lage des sächsischen Bildungsplanes vorbereitet. Im<br />

letzten Halbjahr werden die Projekte <strong>von</strong> der Erzieherin gemeinsam mit Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen<br />

<strong>und</strong> -lehrern verwirklicht. Im Laufe des Schulvorbereitungsjahres nehmen Umfang <strong>und</strong><br />

Intensität der schulvorbereitenden Projekte zu.<br />

- Mit dem Schulvorbereitungsjahr in den Kindertagesstätten werden die Voraussetzungen dafür<br />

geschaffen, dass jedes Kind die bereits eingeführte optimierte Schuleingangsphase erfolgreich<br />

bewältigen kann.<br />

- Zur Realisierung des Schulvorbereitungsjahres wird der Freistaat zusätzliche personelle <strong>und</strong><br />

finanzielle Ressourcen bereitstellen. Für die Vorbereitung <strong>und</strong> Umsetzung der Projekte im<br />

letzten Kindertagesstättenjahr (Schulvorbereitungsjahr) werden drei Wochenst<strong>und</strong>en je Gruppe<br />

(13 Kinder) <strong>und</strong> Erzieherin vom Land zusätzlich finanziert.<br />

- Zur Vorbereitung der neuen Anforderungen der Schulvorbereitungsphase sind entsprechend der<br />

Weiterbildungs- <strong>und</strong> Fortbildungsverordnung die dort vorgesehenen fünf Bildungstage zur<br />

Weiterbildung der Erzieherinnen zu verwenden. Die Fortbildung der Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen<br />

<strong>und</strong> -lehrer ist organisatorisch <strong>und</strong> finanziell zu sichern.<br />

- Das Landesjugendamt <strong>und</strong> die Sächsische Akademie für Lehrerfortbildung werden abgestimmte<br />

Fortbildungs- <strong>und</strong> Weiterbildungsangebote erarbeiten, die die gemeinsame Qualifizierung der<br />

Erzieherinnen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen <strong>und</strong> –lehrer sichern.<br />

Die Staatsregierung wird prüfen, ob der Stichtag für die Einschulung um ein halbes Jahr<br />

vorgezogen werden soll, um das Einschulungsalter zu senken.<br />

Für den Einsatz der Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen <strong>und</strong> -lehrer im zweiten Halbjahr werden drei St<strong>und</strong>en<br />

je Gruppe <strong>und</strong> Woche <strong>und</strong> Lehrer zusätzlich finanziert.<br />

3.2 Schulen<br />

Alle Bemühungen <strong>und</strong> Maßnahmen in der Schulpolitik dienen dem Ziel, jedem jungen Menschen<br />

in Sachsen optimale Entwicklungsbedingungen zu geben, damit er ein selbstbestimmtes Leben in<br />

sozialer, ökologischer <strong>und</strong> kultureller Verantwortung führen kann.<br />

Unsere Kinder haben Anspruch auf eine erstklassige Schulbildung. Ziel jeder Veränderung <strong>und</strong><br />

Weiterentwicklung des Bildungssystems muss es deshalb sein, die Qualität des Unterrichts <strong>und</strong><br />

damit das Bildungsniveau zu steigern.<br />

Aufbauend auf internationalen Erfahrungen wird die Staatsregierung mit all ihren Möglichkeiten<br />

eine Schul- <strong>und</strong> Lernkultur befördern, die jeden jungen Menschen individuell fördert <strong>und</strong> stärkt<br />

sowie zu hoher Leistung <strong>und</strong> Kreativität motiviert <strong>und</strong> befähigt. Die Staatsregierung legt<br />

Bildungsziele unter Einbeziehung nationaler Bildungsstandards fest. Die Lehrpläne orientieren sich<br />

künftig an den Bildungszielen.<br />

Die Koalitionspartner kommen überein, dass die mit der Novellierung des Schulgesetzes<br />

eingeführten Regelungen zur Stärkung der Verantwortung der Einzelschule konsequent weiter<br />

ausgebaut werden. Schulen sollen mehr pädagogische Freiheit <strong>und</strong> mehr personellen Spielraum<br />

bekommen. Die Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells für Lehrer, das nicht mehr<br />

ausschließlich auf der Unterrichtsverpflichtung basiert, wird geprüft.<br />

Die Qualitätssicherung der schulischen Bildung gewinnt in Zukunft an Bedeutung. Die<br />

Staatsregierung wird deshalb die Evaluationsagentur zügig ausbauen.


Verzeichnis der Referenten<br />

Name Dienststelle Anschrift<br />

Haller, Siegfried<br />

Dr.<br />

Hüchelheim,<br />

Matthias<br />

Jugendamt Leipzig<br />

Amtsleiter<br />

Regionalschulamt Leipzig<br />

Direktor des<br />

Regionalschulamts<br />

Jung, Burkhard Stadt Leipzig<br />

Beigeordneter für Jugend,<br />

Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Schule<br />

Koch, Christina Sächsisches<br />

Staatsministerium<br />

für Kultus<br />

Lewek, Helgard Regionalschulamt Leipzig<br />

Referatsleiterin<br />

Schlosser,<br />

Arnfried<br />

Strätz, Rainer<br />

Dr.<br />

Sächsisches<br />

Staatsministerium für<br />

Soziales<br />

Sozialpädagogisches<br />

Institut<br />

NRW<br />

Supplies, Petra Jugendamt Leipzig<br />

Abteilungsleiterin<br />

Naumburger Str. 26<br />

04229 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 1 23 44 94<br />

Email: shaller@leipzig.de<br />

Nonnenstraße 17-19<br />

04229 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 4 94 57 01<br />

Email:<br />

matthias.huechelheim@rsal.smk.sachsen.de<br />

Martin-Luther-Ring 4 – 6<br />

04109 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 1 23 43 00<br />

Email: bjung@leipzig.de<br />

Carolaplatz 1<br />

01097 Dresden<br />

Tel.: (0351) 5 64 - 0<br />

Email: christina.koch@smk.sachsen.de<br />

Nonnenstraße 17-19<br />

04229 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 4 94 57 01<br />

Email: helgard.lewek@rsal.smk.sachsen.de<br />

Albertstr. 10<br />

01097 Dresden<br />

Tel.: (03 51) 5 64 – 0<br />

Email: schlosser@sms.sachsen.de<br />

An den Dominikanern 02<br />

50668 Köln<br />

Tel.: (02 21) 1 60 52 20<br />

Email: straetz@spi.nrw.de<br />

Naumburger Str. 26<br />

04229 Leipzig<br />

Tel.: (03 41) 1 23 43 89<br />

Email: petra.supplies@leipzig.de<br />

Referentenverzeichnis<br />

A<br />

81


A<br />

82<br />

Anhang<br />

Veröffentlichungsverzeichnis<br />

Publikationen 2001<br />

Titelnummer Titel ISBN<br />

01/01 Geschäftsbericht 2000<br />

Das neue Jugendamt stellt sich vor<br />

ISBN 3-935853-00-9<br />

02/01 Auf der Suche nach pädagogischen<br />

Handlungskonzepten<br />

Fachtagung zur Qualität in <strong>Kindertageseinrichtungen</strong><br />

ISBN 3-935853-01-7<br />

03/01 Beratungangebote in Leipzig ISBN 3-935853-02-5<br />

04/01 Fachplan „Kindertagesstätten‰ ISBN 3-935853-03-3<br />

05/01 Fachplan „Hilfen zur Erziehung‰ ISBN 3-935853-04-1<br />

06/01 Fachplan Beratungsstellen ISBN 3-935853-05-X<br />

07/01 Fachplan „Kinder- <strong>und</strong> Jugendförderung‰<br />

(Erscheinungstermin auf 2002 verschoben)<br />

08/01 Strassensozialarbeit in Leipzig<br />

Ein Angebot des Jugendamtes stellt sich der<br />

Diskussion<br />

09/01 Jugendgerichtshilfe in Leipzig -<br />

Ein Tätigkeitsbericht<br />

Publikationen 2002<br />

Titelnummer Titel ISBN<br />

ISBN 3-935853-06-8<br />

ISBN 3-935853-07-6<br />

ISBN 3-935853-08-4<br />

01/02 Geschäftsbericht 2001 ISBN 3-935853-09-2<br />

02/02 Straßensozialarbeit<br />

Ansätze – Bedingungen - Ziele<br />

ISBN 3-935853-10-6<br />

03/02 Die PISA-Studie - Eine Herausforderung an die<br />

Kommunalpolitik<br />

Die 6. Stadtwerkstatt<br />

ISBN 3-935853-11-4<br />

04/02 Jugendhilfereport ISBN 3-935853-12-2<br />

05/02 Das AIB-Projekt in Leipzig - Ein Bericht ISBN 3-935853-13-0<br />

06/02 Aufsuchende systemische Familientheraphie -<br />

Eine Projektbeschreibung in drei Phasen<br />

ISBN 3-935853-14-9<br />

07/02 Fachplan „Kinder- <strong>und</strong> Jugendförderung‰ ISBN 3-935853-06-8<br />

08/02 Kindertagesstätten in Leipzig ISBN 3-935853-15-7<br />

09/02 Internationale Jugendarbeit ISBN 3-935853-16-5<br />

10/02 Fachplan „Hoheitliche Aufgaben „<br />

(Erscheinungstermin auf 2003 verschoben)<br />

ISBN 3-935853-17-3


Veröffentlichungsverzeichnis<br />

Publikationen 2003<br />

Titelnumm Titel ISBN<br />

01/03 Geschäftsbericht 2002 ISBN 3-935853-18-1<br />

02/03 Pro <strong>und</strong> Contra ıBabyklappe„<br />

Ein Expertenhearing<br />

03/03 Kinder- <strong>und</strong> Familienbericht –<br />

Erste Fortschreibung 2003<br />

ISBN 3-935853-19-X<br />

ISBN 3-935853-20-3<br />

04/03 Beteiligung <strong>von</strong> Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ISBN 3-935853-21-1<br />

05/03 Jugendhilfereport – Erste Fortschreibung 2002 ISBN 3-935853-22-X<br />

06/03 Forum ıPflegeeltern„ – Eine Dokumentation ISBN 3-935853-23-8<br />

07/03 Fachplan ıKindschaftsrecht <strong>und</strong> Kindeswohl„ ISBN 3-935853-17-3<br />

08/03 Kindertagesstättenplanung 2003 /2004 ISBN 3-935853-24-6<br />

09/03 Lernspuren <strong>von</strong> Kindern entdecken -<br />

Dokumentation zur Fachtagung<br />

ISBN 3-935853-25-4<br />

10/03 Stadtplan für Kinder ISBN 3-935853-26-2<br />

Publikationen 2004<br />

Titelnumm Titel ISBN<br />

Veröffentlichungsverzeichnis<br />

01/04 Geschäftsbericht 2003 ISBN 3-935853-27-0<br />

02/04 Fachplan ıHilfen zur Erziehung„<br />

Fortschreibung<br />

ISBN 3-935853-28-9<br />

03/04 Fachplan ıKindertagesstätten„ ISBN 3-935853-29-7<br />

04/04 Forum ıPflegeeltern„ <strong>und</strong> ıEin Tag für<br />

Pflegefamilien„<br />

Eine Zusammenschau<br />

ISBN 3-935853-23-8<br />

05/04 SoBIK – Sozialpädagogische Beratungs-,<br />

Interventions- <strong>und</strong> Koordinierungsstelle<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

ISBN 3-935853-30-0<br />

06/04 Jugendhilfe aus dem Blickwinkel einer sächsischen<br />

Großstadt<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

ISBN 3-935853-31-9<br />

07/04 Steuerungsmöglichkeiten der Jugendhilfe <strong>und</strong> ihre<br />

Grenzen<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

ISBN 3-935853-32-7<br />

08/04 Kinder <strong>und</strong> Familie stärken – Gesungheit fördern<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

ISBN 3-935853-33-5<br />

09/04 Soko Papa – Unterhalt <strong>und</strong> Unterhaltsleistungen<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

ISBN 3-935853-34-3<br />

10/04 Jugendhilfereport 2003 ISBN 3-935853-35-1<br />

A<br />

83


A<br />

84<br />

Anhang<br />

Veröffentlichungsverzeichnis<br />

Publikationen 2005<br />

Titelnummer Titel ISBN<br />

01/05 Geschäftsbericht 2004 ISBN 3-935853-36-X<br />

02/05 <strong>Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindertageseinrichtungen</strong> <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schulen<br />

Dokumentation zum Fachtag<br />

ISBN 3-935853-37-8<br />

03/05 Jugendhilfereport 2004 ISBN 3-935853-38-6<br />

04/05 Der 1. Leipziger Familientag – Eine<br />

Zusammenschau<br />

05/05 Hilfeplanverfahren – Neue Steuerungsätze in<br />

Leipzig<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

06/05 Kinder- <strong>und</strong> Jugendschutz – Zugang <strong>und</strong><br />

Umsetzung<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

07/05 Controlling im Jugendamt Leipzig<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

ISBN 3-935853-39-4<br />

ISBN 3-935853-40-8<br />

ISBN 3-935853-41-6<br />

ISBN 3-935853-42-4<br />

08/05 Fachkonzept Kindertagesstätten ISBN 3-935853-43-2<br />

09/05 Netzwerke im Sozialraum<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

10/05 Jugendhilfe zwischen Politik <strong>und</strong> Verwaltung<br />

Diskussionsbeträge aus der Jugendhilfepraxis<br />

ISBN 3-935853-44-0<br />

ISBN 3-935853-45-9


ISBN 3-935853-37-8


ISBN 3-935853-37-8

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