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Bakelit kunststoff unter strom - FIZ CHEMIE Berlin

Bakelit kunststoff unter strom - FIZ CHEMIE Berlin

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Deutsche Version www.chemistry.de<br />

25. Erscheinungsjahr / 63. Ausgabe<br />

+report+<br />

Magazin aus der Chemie und angrenzenden Naturwissenschaften<br />

<strong>kunststoff</strong> <strong>unter</strong> <strong>strom</strong><br />

tapete ersetzt lampe und fernseher<br />

<strong>Bakelit</strong><br />

Die industrielle entwicklung des <strong>kunststoff</strong>es


2 >> editorial<br />

Wenn Plastik quietscht und kein<br />

auto mehr fährt<br />

Liebe Leserinnen, Liebe Leser<br />

Heutige Schätzungen datieren das Alter der Menschheit<br />

auf ca. 2 Millionen Jahre. Aus dieser frühen Zeit stammen<br />

Knochenreste der ersten Menschen der Gattung<br />

Homo. Diese Menschen kannten für Werkzeuge und<br />

Gebrauchsgegenstände nur zwei Materialien - Holz und<br />

Stein. Vor ca. 8.000 Jahren entdeckten die Menschen<br />

keramische Werkstoffe und fanden Möglichkeiten zur<br />

Bearbeitung von Kupfer. Nochmals 5.000 Jahre später<br />

hält mit der Verarbeitung von Bronze die Epoche der<br />

Metallbearbeitung Einzug. Tatsächlich beginnt erst im<br />

Jahr 1905 mit den Arbeiten von Leo H. Baekeland an<br />

Phenolharzen, dem späteren <strong>Bakelit</strong>, das heute oft zitierte<br />

Kunststoffzeitalter. Umso erstaunlicher, in wie viele<br />

Lebensbereiche Kunststoffe mittlerweile Einzug gehalten<br />

haben und wie weit sie klassische Werkstoffe schon<br />

ersetzt haben. Über 280 Millionen Tonnen Kunststoff<br />

wurden im Jahr 2008 weltweit produziert. Das entspricht<br />

700.000 voll besetzten ICE-3-Zügen der Deutschen<br />

Bahn. 700.000 ICEs – können Sie sich das vorstellen?<br />

Richard Huber<br />

Leiter Marketing & Kommunikation<br />

Doch was wäre eine Welt ohne Kunststoffe? Sie sind<br />

überall um uns herum und in vielerlei Hinsicht nicht<br />

mehr wegzudenken. Nehmen Sie sich doch einmal einen<br />

Augenblick Zeit und sehen Sie sich um. Wie viel Kunststoff<br />

umgibt Sie gerade? Und haben Sie eigentlich einen<br />

Kunststofffavoriten?<br />

Unsere Redaktion recherchierte und ist dem Kunststoff<br />

auf den Grund gegangen. Herausgekommen ist<br />

ein <strong>unter</strong>haltsamer Einblick in die Welt der Kunststoffe,<br />

über deren Entwicklung, Einsatz und Verarbeitung.<br />

Kennen Sie den Unterschied zwischen Plastik und<br />

Kunststoff oder wissen Sie, warum Marder Autokabel so<br />

gerne haben? Erfahren Sie, warum der Kunststoff die<br />

medizinische Forschung revolutioniert hat und stellen<br />

Sie sich ein Leben mit leuchtender Tapete vor, die mit<br />

einem Klick den Fernseher ersetzt. Abgerundet wird<br />

der +report+ durch den Gastartikel von Herrn Prof.<br />

Dr. Koßmehl, der die Geschichte und Verwendung der<br />

Kunststoffe und vor allem des <strong>Bakelit</strong> im 20. Jahrhundert<br />

anschaulich und informativ <strong>unter</strong> die Lupe nimmt.<br />

Fasziniert von dem Thema Kunststoff und dessen<br />

Vielseitigkeit, angeregt von der Frage eines Kunststofffavoriten<br />

haben unsere Autoren ihre Lieblinge kurz<br />

vorgestellt. Erfahren Sie, was unseren Autoren am Herzen<br />

liegt. Vielleicht ist das ein oder andere ja auch Ihr<br />

Plastikjuwel?<br />

Die Arbeit der <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> +report+ Redaktion ist<br />

wieder abgeschlossen. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserin<br />

und lieber Leser, viel Spaß beim Lesen dieser neuen<br />

Ausgabe.<br />

Herzlichst Ihr<br />

Richard Huber


Vorwort der<br />

Geschäftsführung<br />

Bis zu 350.000 Lernende und Lehrende in Deutschland<br />

greifen Monat für Monat auf unsere naturwissenschaftliche,<br />

multimediale Chemieenzyklopädie ChemgaPedia<br />

zu. Über mehr als zehn Jahre hinweg engagiert sich <strong>FIZ</strong><br />

<strong>CHEMIE</strong> nun schon in der Erstellung und Pflege multimedialer,<br />

webbasierter Ausbildungsinhalte und hat sich<br />

mit den über 1.700 Lerneinheiten zu einem der wichtigsten<br />

Inhaltsanbieter in Deutschland entwickelt. In einem<br />

aktuellen Vergleich wurden die Kosten für Investitionen<br />

in die Ausbildungsenzyklopädie den volkswirtschaftlichen<br />

Auswirkungen auf den Bildungssektor in Deutschland<br />

– gemessen an den Kosten alternativer Lernmaterialien<br />

– gegenübergestellt. Dabei ergibt sich, wenn man ausschließlich<br />

die Nutzung an den Universitäten zugrunde<br />

legt, dass für jeden in die ChemgaPedia investierten Euro<br />

das Bildungssystem ca. drei Euro zurückerhält.<br />

Informationskompetenz und Ausbildung sind zwei Schlüsselforderungen<br />

an die Wissensgesellschaft der kommenden<br />

Jahrzehnte in Deutschland. Und exakt diese Felder<br />

besetzt das <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> seit geraumer Zeit. Ausgehend<br />

von den vielfältigen Informationsquellen des Instituts<br />

werden wir in den kommenden Jahren mit dem <strong>FIZ</strong> CHE-<br />

MIE einen grundlegenden Wandel hin zu einem stärker in<br />

den Informationswissenschaften forschenden und entwickelnden<br />

Leibniz-Institut vollziehen.<br />

Diese grundsätzliche Neufestlegung der Prioritäten des<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> wird in enger Abstimmung mit Hochschulen,<br />

Schulen und Ausbildungseinrichtungen der Industrie<br />

erfolgen. Apropos Industrie – auch hier gibt es Neues<br />

zu vermelden. Seit Anfang 2010 arbeiten wir im Ausbildungsbereich<br />

mit bisher vier Industriepartnern zusammen,<br />

welche im Rahmen von industriellen Lerneinheiten<br />

hochspezialisierte Einblicke in Arbeitsweisen, Prozesse<br />

und Berufsbilder in der Wirtschaft erstellen, die in der<br />

ChemgaPedia veröffentlicht werden. So nutzen wir unsere<br />

Ausbildungsplattform zukünftig verstärkt auch als<br />

Prof. Dr. René Deplanque<br />

Geschäftsführer<br />

Fenster und Motivationsinstrument zur Begeisterung für<br />

MINT-Technologien und <strong>unter</strong>stützen die Anstrengungen<br />

von Unternehmen, junge Menschen für die tragenden<br />

Wirtschaftsbereiche der deutschen Industrie zu begeistern.<br />

Diese Entwicklungen bringen viel Neues. Dabei wollen wir<br />

aber unsere traditionellen Grundwerte nicht über Bord<br />

werfen. <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> steht auch in Zukunft für die Verlässlichkeit<br />

und Beständigkeit von hochgradig spezialisierter<br />

Information für Chemie, Pharmazie und den gesamten<br />

naturwissenschaftlichen Ausbildungsbereich. Zusammen<br />

mit Kollegen und Partnern des Instituts bereiten wir das<br />

Wissen der Fachwelt auf und stellen es Ihnen, unseren<br />

Kunden in immer neuen, zielgruppenorientierten Aufbereitungsformen<br />

zur Verfügung.<br />

Mit der konzentrierten Unterstützung durch Politik,<br />

Wissenschaft und Industrie garantieren wir Ihnen auch<br />

in Zukunft höchste Qualität und beste Forschungs- und<br />

Entwicklungsergebnisse.<br />

Ihr<br />

René Deplanque<br />

Vorwort<br />


Impressum<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong><br />

Franklinstr. 11<br />

10587 <strong>Berlin</strong><br />

Telefon: +49 30 399 77-0<br />

Telefax: +49 30 399 77-134<br />

E-Mail: info@fiz-chemie.de<br />

www.chemistry.de<br />

25. Erscheinungsjahr - 2 Ausgaben p.A.<br />

Geschäftsführer<br />

Prof. Dr. René Deplanque;<br />

Aufsichtsratsvorsitzender<br />

SenRat Bernd Lietzau,<br />

<strong>Berlin</strong> Amtsgericht Charlottenburg - HRB 19047<br />

Herausgeber<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong><br />

Chefredaktion<br />

Richard Huber (rh)<br />

Redaktion<br />

Annette Prahl (ap),<br />

Ann Seidel (as),<br />

Dr. Ulrich Rößler (roe),<br />

Michael Laumer (lau)<br />

Dr. Jörg Homann (hm),<br />

Dr. Annett Bartels (bar),<br />

Dr. Dagmar Klein (kln),<br />

Dominik Sollmann (djs),<br />

Prof. Dr. Koßmehl (koß)<br />

Vanessa Vogt-Herrmann (vh)<br />

Dr. Axel Parlow (pa)<br />

Koordination & Anzeigenservice<br />

Annette Prahl<br />

E-Mail: report@fiz-chemie.de<br />

Telefon: +49 30 399 77-110<br />

Telefax: +49 30 399 77-134<br />

z.Z. gültige Preisliste Nr. 25 ab 01.02.2010<br />

Layout<br />

Vanessa Vogt-Herrmann<br />

Redaktionsschluss für diese Ausgabe<br />

26. August 2010<br />

Auflage<br />

2.500 Stück / 500 Stück (dt./engl.)<br />

ISSN<br />

0930-276X<br />

4 >> impressum + inhalt<br />

© 2010 <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong><br />

Heftbestellung<br />

report@fiz-chemie.de<br />

Das Zitieren und die Wiedergabe von Beiträgen im<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> +report+ sind <strong>unter</strong> Angabe von <strong>FIZ</strong><br />

<strong>CHEMIE</strong> +report+ als Quelle erwünscht. Bitte<br />

schicken Sie ein Belegexemplar an <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong>,<br />

Marketing & Kommunikation, Postfach 12 03 37,<br />

10593 <strong>Berlin</strong>.<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> +report+ wird auf Anforderung<br />

kostenlos verschickt. Bitte richten Sie Ihre Anfragen<br />

oder Anschriftsänderungen schriftlich an <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong>,<br />

Marketing & Kommunikation, Postfach 12 03 37,<br />

10593 <strong>Berlin</strong>, E-Mail: report@fiz-chemie.de.<br />

5 >> Was ist Plastik?<br />

6 >> Mein Kunststofffavorit<br />

7 >> <strong>Bakelit</strong> ®<br />

9 >> Freundeskreis Chemie-Museum Erkner e.V. (FCME)<br />

10 >> Verpackungen<br />

11 >> Mein Kunststofffavorit<br />

12 >> Weichmacher<br />

14 >> Kunststoff <strong>unter</strong> Strom<br />

14 >> Dotierung von Polymeren<br />

17 >> Mein Kunststofffavorit<br />

18 >> Spritzguß<br />

19 >> Mein Kunststofffavorit<br />

21 >> Mein Kunststofffavorit<br />

22 >> Einkaufswagenchips, Plastikringe, Hasenzähne<br />

23 >> Mein Kunststofffavorit<br />

24 >> Ein Kunststoff und die Kunst der chemischen Synthese<br />

25 >> Unser Kunststofffavorit<br />

26 >> Wohin mit dem Quietscheentchen?<br />

26 >> Mein Kunststofffavorit<br />

27 >> Neues von der Datenbank<br />

Folgen Sie unserer Badeente Edna durch den +report+. Jedesmal<br />

wenn Sie Edna sehen, können Sie weitere interaktive Informationen zu<br />

diesem Artikel in unserem Online-+report+ im Internet finden.<br />

www.fch.de/home/publikationen.html<br />

JetZt noCH meHr<br />

informationen!!!


Plastik wird umgangssprachlich oft als Synonym für<br />

Kunststoff verwendet, doch Plastik und Kunststoff sind<br />

keineswegs identisch.<br />

Der Begriff „Plastik“ stammt aus dem Griechischen und<br />

bedeutet plastisch, geformt, formend. Er wurde sprachlich<br />

populär, als die Kunststoffe durch Umformungsverfahren<br />

zur Herstellung von Massenprodukten genutzt<br />

wurden. Seitdem haben sich Kunststoffe jedoch so stark<br />

weiterentwickelt, dass für viele Anwendungen der Begriff<br />

Plastik nicht mehr zutreffend erscheint.<br />

Kunststoffe sind synthetisch - aus Erdöl - oder halbsynthetisch<br />

- durch Modifikation von natürlichen Polymeren<br />

- hergestellte Stoffe. Einer der ersten Kunststoffe ist<br />

Galalith oder das sogenannte Kunsthorn, das durch die<br />

Polykondensation von Casein und Formaldehyd entsteht<br />

und als der erste Casein-Kunststoff (1897 von Krische/<br />

Spitteler) entwickelt wurde.<br />

Die industrielle Produktion von Kunststoffen begann Anfang<br />

des zwanzigsten Jahrhunderts. 1905 erforschte der<br />

Belgier Leo H. Baekeland die Kondensation von Phenol<br />

und Formaldehyd und meldete 1907 sein „Druck- und<br />

Hitzepatent“ zur Synthese von Phenolharz in den USA<br />

an. Unter dem Handelsnamen <strong>Bakelit</strong> wurde Phenolharz<br />

als der erste vollsynthetische Kunststoff weltbekannt.<br />

(siehe Artikel von Prof. Dr. Koßmehl Seite 7)<br />

Kunststoffe und ihre Eigenschaften<br />

A B C<br />

Abb: A=Thermoplaste, B=Duroplaste, C=Elastoplaste<br />

Kunststoffe können anhand verschiedener Kriterien in<br />

Gruppen eingeteilt werden. So ist zum Beispiel neben<br />

einer Sortierung anhand ihrer Entstehungsreaktionen<br />

(Polymerisation, Polykondensation und Polyaddition)<br />

Was ist Plastik?<br />

Was ist Plastik?<br />


6 >> Was ist Plastik?<br />

spanend erfolgen, z.B. durch Fräsen, Raspeln oder Sägen.<br />

Übrigens: Werden Duromere nach dem Aushärten<br />

erhitzt, zersetzen sie sich.<br />

Elastomere<br />

Gummi, Elastan u.a.<br />

Elastomere sind Polymernetzwerke aus verknäulten Molekülketten,<br />

die sich bereits bei geringster Krafteinwirkung<br />

dehnen lassen und beim Loslassen wieder in ihren<br />

mein <strong>kunststoff</strong>favorit<br />

Silikonbackformen gibt es in den <strong>unter</strong>schiedlichsten Formen und Größen. Das Be-<br />

sondere im Gegensatz zu herkömmlichen (Metall-)Backformen ist ihre Flexibilität. Der<br />

Kuchen haftet nicht an der Form und lässt sich leicht aus der Form drücken. Die Formen<br />

sind in einem Temperaturbereich von -60 bis 260 °C nutzbar.<br />

Silikone - genauer Polysiloxane - gehören zu der Gruppe der synthetischen Polyme-<br />

re. Sie können als Ringe oder Ketten aufgebaut sein. Die Silicium-Atome sind über<br />

Sauerstoff-Atome verknüpft. Die freien Valenzelektronen des Siliciums sind meist durch<br />

Methyl-Gruppen abgesättigt.<br />

Da Siloxane sehr hohen und sehr niedrigen Temperaturen ausgesetzt werden können<br />

und biegsam sind, ist es möglich die Backformen ohne Zusatzstoffe (oder nur in ver-<br />

nachlässigbaren Mengen) herzustellen.<br />

verknäulten Ausgangszustand zurückkehren, was der<br />

Vernetzung ihrer Grundmoleküle zu verdanken ist. Beim<br />

Dehnen werden die Ketten in die Zugrichtung gestreckt,<br />

können aber nicht voneinander abgleiten. Sie sind zu<br />

hohem Maß reversibel verformbar; ihre Reißdehnung<br />

(Formänderung ohne Rissbildung) hängt dabei stark<br />

vom Grad der Vernetzung ab.<br />

In unserer CHEMGAPEDIA finden Sie weitere nützliche Details und Hintergrundinformationen zu<br />

den Kunststoffklassen: www.chemgapedia.de<br />

+as


Die industrielle entwicklung des<br />

<strong>kunststoff</strong>es<br />

<strong>Bakelit</strong> ®<br />

In Erkner, der Stadt direkt vor den Toren <strong>Berlin</strong>s, fand<br />

ein chemiehistorisch bedeutsames Ereignis statt - 1909<br />

wurde auf der Basis der Patente von Leo Hendrik Baekeland<br />

bei den Rütgerswerken erstmalig ein vollsynthetisches<br />

Kunstharz - das <strong>Bakelit</strong> - im industriellen Maßstab<br />

hergestellt. Nachdem dieses neue Material, das von<br />

dem Siemens-Kabelwerk sofort positiv bewertet wurde,<br />

in vielen Bereichen der Technik Eingang fand, wurde<br />

im Mai 1910 die <strong>Bakelit</strong>e GmbH <strong>Berlin</strong> - Erkner als die<br />

weltweit erste Kunststofffabrik gegründet. <strong>Bakelit</strong> hat<br />

sich als das „Material der 1000 Möglichkeiten“ einen festen<br />

Platz in allen Lebensbereichen - Haushalt, Technik,<br />

Kunst - erobert und den Boden für weitere vollsynthetische<br />

Werkstoffe bereitet, die uns heute im Kunststoff-<br />

Zeitalter hervorragende Dienste leisten.<br />

Alles fing damit an, dass Adolf Bayer in <strong>Berlin</strong> 1872<br />

Phenol mit Formaldehyd umsetzte und dabei ein harzartiges,<br />

klebriges Produkt erhielt, das mit den damaligen<br />

Methoden nicht charakterisiert werden konnte.<br />

Viele Forscher nahmen sich dieser Reaktion an, um ein<br />

brauchbares Harz als Ersatz für die immer knapper und<br />

teurer werdenden industriell genutzten Naturharze zu<br />

entwickeln. Einen vorübergehenden Erfolg hatte Carl<br />

Heinrich Meyer auf der Basis seines Patents von 1902.<br />

Sein Laccain wurde anstelle von Schellack, ein natürliches<br />

Harz, das aus einem Sekret weiblicher Lackschildläuse<br />

(Kerria lacca) gewonnen wird, als Möbelpolitur<br />

eingesetzt. Es hatte aber den Nachteil, dass es lange<br />

Zeit nach Phenol roch und die damit behandelten Möbel<br />

stark braun verfärbte.<br />

Leo Hendrik Baekeland beschäftigte sich viele Jahre mit<br />

Prof. Dr. koßmehl<br />

Prof. Dr. Koßmehl war Professor für Chemie an der Freien Universität <strong>Berlin</strong><br />

und ist heute Vorsitzender des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e.V.<br />

dieser Reaktion, die er schließlich so steuern konnte,<br />

dass ein besonders für die Elektroindustrie interessantes<br />

Isolationsmaterial gezielt hergestellt werden konnte.<br />

1907 beschrieb er in dem sogenannten „Hitze-Druck-<br />

Patent“ einen neuen Werkstoff, „der beständiger als<br />

Holz, leichter als Eisen und haltbarer als Gummi ist und<br />

die Elektrizität bändigen kann“. Diese Botschaft fiel in<br />

Erkner bei den Rütgerswerken auf fruchtbaren Boden,<br />

zumal dort für Phenol, das in großer Menge aus Steinkohlenteer<br />

gewonnen wurde, ein lukratives Anwendungsgebiet<br />

gesucht wurde. Im Sommer 1909 wurden<br />

mit Unterstützung von Baekeland die ersten Chargen<br />

Phenolharz im industriellen Maßstab in einem Druckkessel<br />

(„Bakelizer“) hergestellt. Erste Prüfungen beim<br />

Siemens-Kabelwerk nahe <strong>Berlin</strong> (dem heutigen <strong>Berlin</strong>-<br />

Siemensstadt) als Isolationsmaterial fielen positiv aus<br />

und so konnte das neue Material seinen Siegeszug in<br />

der Elektroindustrie, aber auch in anderen Industriezweigen<br />

antreten.<br />

Leo Hendrik Baekeland<br />

(1863 – 1944)<br />

Chemiker und Erfinder<br />

von Phenolharzen,<br />

Entdecker des ersten<br />

vollsynthetischen Kunststoffes<br />

<strong>Bakelit</strong> ®<br />

<strong>Bakelit</strong><br />


8


Seit den 1940er Jahren wurde<br />

<strong>Bakelit</strong> bei vielen einfachen<br />

Anwendungen in zunehmendem<br />

Maße durch die auf den<br />

Markt drängenden billigeren<br />

und leichter zu verarbeitenden<br />

Massenkunstoffe, die auf<br />

petrochemischer Basis hergestellt<br />

werden, verdrängt.<br />

Wegen der Rohstoffsituation<br />

in der DDR spielte Phenoplast<br />

weiterhin eine herausragende Rolle in vielen Industriezweigen.<br />

Wegen der Knappheit an Tiefziehblechen<br />

wurde von 1957 bis 1991 in Zwickau der Trabant mit<br />

einer Phenoplast-Karosserie hergestellt. Das in Erkner<br />

für diesen Zweck entwickelte und gelieferte Phenoplast<br />

(17kg) wurde mit Baumwollvlies als Trägermaterial zu<br />

den Duroplast-Karosserieteilen verpresst, die dann auf<br />

das Stahlgerippe aufgeklebt wurden.<br />

1993 wurde das Werk privatisiert und firmiert seit<br />

2002 als DYNEA Erkner GmbH des finnischen DYNEA-<br />

Konzerns. Die Produktpalette wurde stark erweitert<br />

und umfasst heute über 250 Phenolharz-Typen, die den<br />

jeweiligen Anwenderwünschen exakt angepasst sind.<br />

Nach wie vor spielen Phenolharze in praktisch allen<br />

Bereichen der Technik eine wichtige Rolle. Allerdings<br />

treten sie nicht so stark wie früher als Werkstoffe für<br />

alltägliche Gegenstände in Erscheinung. Sie sind essentielle<br />

Bestandteile unzähliger Produkte des täglichen<br />

Lebens und erfüllen Aufgaben, wo es auf spezielle und<br />

anspruchsvolle Anforderungen ankommt: So <strong>unter</strong><br />

<strong>Bakelit</strong><br />

anderem zur Holzveredlung bei Pressholzplatten und<br />

Holzwerkstoffen für Laminatfußböden und dekorative<br />

Schichtpressstoffe, als Grundstoff für Lacke und als<br />

Bernsteinersatz bei Modeschmuck, als Bindemittel für<br />

Schleifscheiben und Bremsbeläge, für hochbeanspruchte<br />

und temperaturbelastbare Autoteile im Austausch gegen<br />

Metallteile zur Gewichtsverringerung und die einfach im<br />

einstufigen Pressverfahren herstellbar sind, als hochbelastbares<br />

Isolationsmaterial in der Elektrotechnik, für<br />

Feuerfestmaterialien und Flammschutzmittel, die ohne<br />

Rauchentwicklung in Graphit übergehen, als Hitzeschild<br />

für Raumfahrzeuge und für Bergwerksschäume sowie als<br />

Blumensteckschaumstoff.<br />

Unzählige Gegenstände vergangener Jahre aus den<br />

verschiedensten Lebensbereichen aus <strong>Bakelit</strong> bzw. Phenoplast<br />

haben als Kultobjekte eine begeisterte Sammlergemeinde<br />

gefunden. Viele Nostalgiker statten ihre<br />

Wohnungen aus den 1920er Jahren mit Lichtschaltern<br />

und Steckdosen aus <strong>Bakelit</strong> bzw. Phenoplast aus, die auf<br />

Trödelmärkten sowie im Nostalgie-Fachhandel erworben<br />

werden können. Der wohl prominenteste Kultgegenstand<br />

ist eindeutig der liebevoll gepflegte Trabant.<br />

freundeskreis Chemie-museum erkner e.V. (fCme)<br />

+koß<br />

2003, im Jahr der Chemie, gründete sich der Freundeskreis Chemie-Museum Erkner e.V. (FCME), um die chemiehistorische<br />

Entwicklung rund um das <strong>Bakelit</strong> aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Verein bietet<br />

im Rahmen des „Forum Chemie Erkner“ in Vorträgen und Experimentalshows historische und aktuelle Informationen<br />

mit dem Ziel, das Bild der Chemie in der Öffentlichkeit angemessen darzustellen und Aufklärungsarbeit gegen den<br />

gedankenlosen und rücksichtslosen Umgang mit chemischen Produkten zu leisten. Im November 2009 entwickelte<br />

der Verein in Zusammenarbeit mit der DYNEA GmbH und der Stadt Erkner die Ausstellung „100 Jahre <strong>Bakelit</strong>“, die<br />

als Wanderausstellung bereits an verschiedenen bekannten Orten wie z.B. in der Bundesanstalt für Materialforschung<br />

und -prüfung, Hochschule Wildau, Urania <strong>Berlin</strong> und BASF in Schwarzheide zu sehen war. Weitere Ausstellungsorte<br />

sind geplant. Nähere Informationen erhalten Sie <strong>unter</strong> www.chemieforum-erkner.de.<br />


© knipseline / pixelio.de<br />

10 >><br />

Welches Wasser bevorzugen Sie? Aus dem Wasserhahn<br />

gezapft oder direkt an der Quelle geschöpft? Still oder<br />

mit Kohlensäure versetzt? Aus der Glas- oder aus der<br />

Kunststoffflasche? Pur oder mit leichtem Aroma?<br />

Ich zapfe mein Wasser entweder direkt aus dem Wasserhahn,<br />

koche es und aromatisiere es mit Teebeuteln<br />

oder ich kaufe kohlensäurehaltiges Wasser in Einweg-<br />

Kunststoffflaschen im Supermarkt um die Ecke. Wasser<br />

aus Glasflaschen kaufe ich so gut wie nie, da ich sie als<br />

unpraktisch empfinde. Ich bin viel zu Fuß und mit dem<br />

Fahrrad <strong>unter</strong>wegs, somit hat die leichte und schwer<br />

zerbrechliche Flasche aus Polyethylenterephthalat<br />

(PET) einen großen Vorteil gegenüber der Glasflasche.<br />

Der amorphe thermoplastische Kunststoff PET wird in<br />

der Lebensmittelindustrie bevorzugt eingesetzt, weil<br />

er durch die geringe Packungsdichte und ungeordnete<br />

Struktur der Atome eine geringere Dichte als kristalline<br />

Stoffe aufweist und damit nicht so hart und spröde ist.<br />

Zudem weist das PET eine hohe Lichtdurchlässigkeit auf.<br />

O<br />

O<br />

Verpackungen<br />

Pet oder nicht Pet, dass ist hier die frage<br />

Verpackungen<br />

PET (Polyethylenterephthalat) /<br />

Summenformel: (C H O ) / CAS-RN*: 25038-59-9<br />

10 8 4 n<br />

Und prompt sind wir bei den Nachteilen des Wassergenusses<br />

aus PET-Flaschen. Der aufmerksame Verbraucher<br />

hat sich sicherlich schon einmal gefragt, warum die<br />

Mindesthaltbarkeitsdaten der abgefüllten Glasflasche<br />

und der PET-Flasche so <strong>unter</strong>schiedlich ausfallen. Ist das<br />

Wasser in Glasflaschen mehrere Jahre haltbar, sind es<br />

bei der PET-Flasche in der Regel nur mehrere Monate.<br />

O<br />

O<br />

n<br />

ohne H-Atome<br />

*CAS REGISTRY Number® (CAS-RN) is a Registered Trademark of the American Chemical Society.<br />

Die Antwort liegt im Kunststoff. Polyethylenterephthalat<br />

ist nicht gasdicht, weshalb die Kohlensäure diffundiert.<br />

Bei der Herstellung der Flaschen entsteht in Spuren das<br />

bedenkliche Acetaldehyd (CH CHO), eine brennbare<br />

3<br />

farblose Flüssigkeit und hochreaktive Verbindung mit<br />

charakteristisch stechendem Geruch, die aus den PET-<br />

Gebinden wieder freigesetzt werden kann und somit in<br />

das Wasser übergeht und es geschmacklich verändern<br />

kann. Es ist dies der Grund für die Ablehnung, die Wasser<br />

aus PET-Flaschen in der Gunst vieler Verbraucher erfährt.<br />

Erst in sehr hohen Mengen ist Acetaldehyd für den<br />

menschlichen Organismus gefährlich. Stilles Wasser ist<br />

übrigens nicht betroffen, da Kohlensäure den Lösungsvorgang<br />

von Acetaldehyd begünstigt.<br />

O<br />

H 3C H<br />

Acetaldehyd (Ethanal) / Summenformel: C 2 H 4 O / CAS-<br />

RN*: 75-07-0 / InChI-Key: IKHGUXGNUITLKF-UHFF-<br />

FAOYAB<br />

Ein weiterer Stoff, der sich aus PET-Flaschen herauslösen<br />

kann, ist Antimon. Antimonoxide dienen als Katalysator<br />

zur Herstellung von PET. In der EU gilt für Antimon<br />

ein Grenzwert von 5 µg/l Trinkwasser. Getränkeproben<br />

aus PET-Flaschen ergaben Antimonkonzentrationen von<br />

bis zu 44,7 µg/l. Die Gefahrstoffkennzeichnung gliedert<br />

Antimon in die Gruppe der reizenden Substanzen ein.<br />

Nach der Recherche an diesem Artikel muss ich zugeben,<br />

dass meine Skepsis gegenüber PET-Flaschen<br />

zugenommen hat, und so werde ich mein Wasser nicht<br />

mehr auf Vorrat kaufen. Der Gefahren des Acetaldehyds<br />

und des Antimons bin ich mir bewusst. Und ein positiver


Aspekt kommt hinzu: PET landet hierzulande<br />

nicht auf der Mülldeponie, sondern durchläuft<br />

verschiedene Recyclingzyklen.<br />

Das erleichtert mir die Nutzung von PET-<br />

Flaschen und ich freue mich, wenn ich den<br />

nächsten Einkauf mit dem Pfandgeld der<br />

zurückgebrachten Flaschen refinanziere.<br />

www.chemgaroo.de<br />

CHEMGAROO ®<br />

Jump to Knowledge<br />

+lau<br />

mein <strong>kunststoff</strong>favorit<br />

Während meiner Kindheit hielt ich vieles in den Händen. Papier in der Schule, Holz beim<br />

Basteln, Metall beim Essen und in ganz jungen Jahren Sand auf dem Spielplatz. Doch bis<br />

zur ersten Freundin war mir das Liebste in meinen Fingern ein Gamepad aus Kunststoff.<br />

Raumschiffe wurden so präzise durch fremde Galaxien manövriert, Autos mit Höchstge-<br />

schwindigkeit über Highways gejagt, Amok laufende Roboter recycelt und pillenabhängige<br />

Smileys durch Labyrinthe gesteuert. Um die Welt und andere Welten zu retten, bedurfte es<br />

nur Kunststoff in Form eines Steuerkreuzes und vierer Knöpfe.<br />

• Neue Wege in der Ausbildung - Chemie Lernen leicht gemacht<br />

• Naturwissenschaften entdecken - lebendig, anschaulich, interaktiv<br />

• Umfangreiche Inhalte - von den Grundlagen zu modernsten Technologien<br />

• Online oder Offline - individuelle Lösungen für Ihr Unternehmen<br />

Telefon: +49 30 39977 0 · E-Mail: info@chemgaroo.de<br />

Verpackungen


12 >><br />

Ob Kinderspielzeug oder Haushaltsgeräte, viele Alltagsgegenstände<br />

bestehen zu einem nicht unerheblichen<br />

Teil aus Kunststoff. Die Anforderungen an Kunststoffe<br />

können grundverschieden sein: Je nach zu erzeugendem<br />

Produkt werden entweder harte und starre oder weiche<br />

und flexible Werkstoffe benötigt. Viele Kunststoffe (in<br />

der Regel organische Polymere) wie das weit verbreitete<br />

PVC sind in unbehandelter Form hart und spröde. Durch<br />

Zugabe von Weichmachern – der sogenannten äußeren<br />

Weichmachung – lässt sich diese Eigenschaft ändern<br />

und man erhält entsprechend flexible Kunststoffe. Hierbei<br />

schieben sich die Weichmachermoleküle zwischen die<br />

Polymerketten und wechselwirken mit diesen, wodurch<br />

es zu einer Auflockerung der Polymerketten kommt.<br />

Neben der äußeren gibt es auch eine innere Weichmachung.<br />

In diesem Fall erfolgt die Weichmachung nicht,<br />

wie oben beschrieben, durch dem Polymer zugefügte<br />

Zusatzstoffe, sondern schon während des Polymerisationsvorganges<br />

durch den Einbau von sperrigen Comonomeren<br />

in die Polymerketten. So wird z.B. Vinylchlorid<br />

mit Vinylacetat oder Methylacrylat copolymerisiert.<br />

Dieser Artikel konzentriert sich im Weiteren auf die<br />

äußere Weichmachung und stellt einige der wichtigsten<br />

Weichmacherklassen vor.<br />

Phthalate<br />

Weichmacher – Die kunst, harte stoffe weich zu machen<br />

Die kunst, harte stoffe weich zu machen<br />

Weichmacher<br />

starre abflussrohre und flexible Bodenbeläge – zwei auf den ersten Blick<br />

verschiedene Gegenstände, die aber aus dem gleichen Werkstoff bestehen<br />

können: Polyvinylchlorid (PVC). Den entscheidenden <strong>unter</strong>schied in den<br />

materialeigenschaften machen Weichmacher.<br />

Phthalate – die Diester der ortho-Phthalsäure – gehören<br />

zu den bekanntesten Weichmachern. Mit Ausnahme des<br />

Butylbenzylphthalats sind bei den industriell relevanten<br />

Phthalaten die beiden Alkyl-Reste der Esterfunktionen<br />

gleich. Die Synthese der verschiedenen Phthalate erfolgt<br />

sowohl aus Phthalsäure als auch Phthalsäureanhyd-<br />

*CAS REGISTRY Number ® (CAS-RN) is a Registered Trademark of the American Chemical Society.<br />

rid mit den entsprechenden Alkoholen. Besonders die<br />

längerkettigen Alkohole werden häufig nicht isomerenrein<br />

eingesetzt, so dass auch die daraus resultierenden<br />

Phthalate Isomerengemische darstellen wie z.B. DINP<br />

und DIDP mit ihren Isononyl- bzw. Isodecyl-Resten.<br />

Eingesetzt als Weichmacher werden die Phthalate <strong>unter</strong><br />

anderem in PVC (DEHP, DINP, DIDP), Cellulosenitrat<br />

(BBP, DEHP) oder Polystyrol (BBP).<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

R 1<br />

R 2<br />

Butylbenzylphthalat (BBP; R 1 = CH 2 C 6 H 5 , R 2 = n-C 4 H 9 ) /<br />

Summenformel: C 19 H 20 O 4 / CAS-RN*: 85-68-7 / InChI-<br />

Key: IRIAEXORFWYRCZ-UHFFFAOYAR<br />

ortho-Phthalsäure (1,2-Benzoldicarbonsäure; R1 = R2 = H) / Summenformel: C H O / CAS-RN*: 88-99-3 /<br />

8 6 4<br />

InChI-Key: XNGIFLGASWRNHJ-UHFFFAOYAX<br />

Bis(2-ethylhexyl)phthalat (Diethylhexylphthalat, DEHP;<br />

R1 = R2 = CH CH(n-C H )(n-C H )) / Summenformel:<br />

2 2 5 4 9<br />

C H O / CAS-RN*: 117-81-7 / InChI-Key: BJQHL-<br />

24 38 4<br />

KABXJIVAM-UHFFFAOYAB<br />

Dibutylphthalat (DBP; R1 = R2 = n-C H ) / Summenfor-<br />

4 9<br />

mel: C H O / CAS-RN*: 84-74-2 / InChI-Key: DOIR-<br />

16 22 4<br />

QSBPFJWKBE-UHFFFAOYAM


Weichmacher – Die kunst, harte stoffe weich zu machen


Polymere können auch leuchten. in oleD (organischen leuchtdioden) sollen<br />

sie künftig nicht nur als Displays in mobilen Geräten wie Handys zu<br />

finden sein, sondern auch als extrem dünne und großflächige lichtquelle<br />

eingesetzt werden: auf <strong>unter</strong>schiedlich gebogenen, transparenten oder sogar<br />

flexiblen substraten gefertigt, bis hin zu leuchtenden tapeten oder<br />

hoch auflösenden Bildschirmen an der Wand.<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

e<br />

14 >><br />

M +<br />

<strong>kunststoff</strong> <strong>unter</strong> <strong>strom</strong><br />

<strong>kunststoff</strong> <strong>unter</strong><br />

M<br />

M<br />

ab 2020 könnte die tapete lampe und<br />

M +<br />

M +<br />

Wahnsinn! Während ich im Bett liege und die ganzflä-<br />

chig leuchtenden Wände meines Schlafzimmers langsam<br />

von orangegelb nach dunkelrot dimme, werde ich<br />

richtig euphorisch. Insgesamt 32 Jahre habe ich darauf<br />

gewartet – seit ich sie 1990 zum ersten Mal in einem<br />

Science-Fiction-Film gesehen habe. Gut, noch sind diese<br />

Multifunktionstapeten ziemlich teuer. Dafür verbrauchen<br />

sie im Vergleich zu entsprechenden Glühbirnen, die zwischen<br />

2009 und 2016 nach und nach verboten wurden,<br />

rund siebenmal weniger Energie. Das rechnet sich, denn<br />

die Strompreise sind in den vergangenen Jahren weiterhin<br />

stark gestiegen. Das Beste ist aber, dass ich mir das<br />

lästige Streichen sparen konnte. Einfach die Leuchttapeten<br />

auf die Magnetstreifen an der Wand drücken, fertig – mit<br />

Strom werden sie kabellos versorgt.<br />

Dotierung von Polymeren<br />

Der Begriff „Dotierung“ wurde aus der Halbleitertechnik entlehnt. Allerdings<br />

steht er hier nicht für den Einbau von Fremdatomen in Halbleiterkristalle. Mit<br />

starken Oxidations- oder Reduktionsmitteln entstehen in einem Polymer mit<br />

einem ausgedehnten π-Elektronensystem (c) delokalisierte ionische Zentren.<br />

Zu diesen bildet das jeweilige Dotierungsmittel das Gegenion. Die Oxidation,<br />

etwa mit einem Halogen oder AsF 5 , wird als p-Dotierung (b, a) bezeichnet,<br />

die Reduktion, etwa mit einem Alkalimetall, als n-Dotierung (d, e). Die po-<br />

sitiven oder negativen Ladungsträger im Polymer wandern bei angelegter<br />

elektrischer Spannung entlang der Kette.<br />

X - = Halogenidanion, M + = Alkalimetallkation, X • , M • = ungeladenes<br />

Halogen- bzw. Alkalimetallatom<br />

Quelle: ChemgaPedia


<strong>strom</strong><br />

fernseher ersetzen<br />

Licht aus einer Plastikfolie: Anfang der 1990er war das,<br />

was ich 2022 endlich besitze, in „Total Recall – Die totale<br />

Erinnerung“ zu sehen. Zu dieser Zeit erstrahlten gerade<br />

mal die ersten kleinen OLED in Forschungslaboren.<br />

Damals wurde Kunststoff in der Elektroindustrie fast<br />

ausschließlich für Gehäuse und Kabelummantelungen<br />

eingesetzt - weil er isolierte, also elektrischen Strom<br />

nicht leitete.<br />

Schon damals waren die Chemiker allerdings längst<br />

so weit, auch Kunststoffe in elektrische Halbleiter und<br />

sogar Leiter zu verwandeln: Polymere, die „extrinsisch“<br />

leiten, indem man ihnen Metallpulver oder Ruße beimengt,<br />

und auch solche die intrinsisch leiten. Letztere<br />

besitzen ein ausgedehntes π-Elektronensystem. Ohne<br />

weitere „chemische Extras“ liegt die Leitfähigkeit im Bereich<br />

von Halb- oder Nichtleitern. Erst wenn man solche<br />

Polymere dotiert, steigt sie deutlich an.<br />

Können Kunststoffe Strom leiten, lassen sich daraus<br />

elektronische Bauteile herstellen, die früher aus Metallen<br />

und anorganischen Halbleitern gefertigt werden mussten:<br />

meine neuen Tapeten mit OLED, den organischen<br />

Leuchtdioden, zum Beispiel. Wenn ich daran denke, wie<br />

„dick“ der erste OLED-Fernseher mit seiner mickrigen<br />

Bildschirmdiagonale von elf Zoll war, den Sony 2008<br />

auf den japanischen Markt brachte: klobige drei Millimeter.<br />

Auch 2010 hatte man noch keinen anderen Weg<br />

gefunden, die empfindlichen Schichten einer OLED luftund<br />

wasserdicht einzuschließen, als sie zwischen zwei<br />

Glasplatten zu packen. Nur dadurch wurden sie so dick,<br />

denn die restlichen Schichten machen zusammen nur<br />

wenige 100 Nanometer aus und sind damit wesentlich<br />

dünner als ein menschliches Haar. Meine Tapeten sind<br />

nicht nur hauchdünn, sondern auch flexibel – weil es<br />

später gelungen ist, dünne Kunststofffolien und Verkapselungstechniken<br />

zu entwickeln, welche die OLED sicher<br />

einschließen.<br />

Im Zimmer ist es jetzt stockfinster und mit der Fern-<br />

<strong>kunststoff</strong> <strong>unter</strong> <strong>strom</strong><br />


16 >><br />

<strong>kunststoff</strong> <strong>unter</strong> <strong>strom</strong><br />

und das Licht entweder verschatteten oder durchließen<br />

und färbten. OLED leuchten von alleine.<br />

Wenn man sie abschaltet, wird es richtig dunkel – der<br />

Kontrast ist praktisch unendlich. Deshalb liebe ich es,<br />

Horrorfilme auf meiner neuen Tapete zu schauen. So<br />

finster wurde mein Zimmer mit meinem ersten LCD-<br />

Fernseher nie. Weil das Rücklicht an blieb, war der Kontrast<br />

durch die schlecht verschattenden Kristalle miserabel:<br />

Schwarz war nur ein dunkles Grau. Selbst durch<br />

die Tür von der Toilette kann ich bequem weiterschauen,<br />

ohne dass eine Farbe verfälscht wird - und das trotz<br />

eines Blickwinkels von etwa 15 Grad. Das liegt ebenfalls<br />

daran, dass die OLED selbst leuchten, praktisch direkt<br />

an der Oberfläche.<br />

Plastik das selber leuchtet … wie funktionierte das noch<br />

gleich?! OLED steht für organische, Licht emittierende<br />

Dioden. Stimmt, und die funktionieren wie ihre anorganischen<br />

Pendants: LED. Beide bestehen aus einem<br />

n-leitenden Halbleiter. Der heißt so, weil er Elektronen<br />

transportieren kann, die negativ geladen sind. Über<br />

dem n-Leiter befindet sich eine p-Halbleiterschicht, die<br />

positive Elektronenlücken oder –löcher in hoher Dichte<br />

enthält (siehe Abbildung S.15). Wie bei einer normalen<br />

Diode vereinen sich auch in LED die Elektronen mit den<br />

Löchern in der Grenzschicht, wo sich beide Materialien<br />

berühren. Dabei geben die Elektronen ihre Energie<br />

in Form von Licht ab. Über eine Stromquelle werden<br />

*CAS REGISTRY Number ® (CAS-RN) is a Registered Trademark of the American Chemical Society.<br />

permanent Elektronen und Löcher nachgeliefert. Dazu<br />

befindet sich <strong>unter</strong> der n-Schicht eine Metall-Kathode,<br />

über der p-Schicht die Anode, die oft aus Indiumzinnoxid<br />

besteht. Da Anode und Lochleiterschicht durchsichtig<br />

sind, kann das Licht entweichen. Schon bei kleinen<br />

Stromstärken, nimmt man Licht wahr. Erhöht man sie,<br />

wächst die Lichtintensität proportional.<br />

Während in LED Mischkristalle wie Galliumarsenid als<br />

Halbleiter eingesetzt wurden, waren es in polymeren<br />

OLED zunächst Polymere wie PEDOT/PSS als Lochtransportschicht.<br />

S +<br />

O O<br />

n<br />

PEDOT/PSS [Poly(3,4-ethylendioxythiophen):Polystyrol-<br />

sulfonat] / CAS-RN*: 155090-83-8<br />

Für den Elektronentransport kann man PPV verwenden.<br />

PPV [Poly(p-phenylenvinylen)] / Summenformel: (C 8 H 6 ) n<br />

/ CAS-RN*: 26009-24-5<br />

n<br />

SO 3 -<br />

n


Weil in polymeren OLED die Elektronen und Löcher nicht genau<br />

zwischen der p- und n-Schicht rekombinieren, sondern<br />

in der n-Schicht, bezeichnet man diese als Emitterschicht.<br />

Die chemische Struktur des Polymers, das darin zum Einsatz<br />

kommt, bestimmt die Farbe des emittierten Lichtes.<br />

So funktionierten OLED zumindest um 2010. Seitdem habe<br />

ich die technische Entwicklung nicht mehr ganz so intensiv<br />

verfolgt. Der Film ist so langweilig, dass ich nur noch<br />

abschweife und müde bin. Ich schalte auf „Sleep“. Vor und<br />

neben mir blendet der Sandstrand einer Insel mit Blick aufs<br />

weite Meer ein. Während ich einschlafe, geht am Horizont<br />

langsam die rote Sonne <strong>unter</strong> bis der Raum finster ist.<br />

mein <strong>kunststoff</strong>favorit<br />

Es gibt bestimmte Rituale im Leben, auf die möchte man einfach nicht verzichten. Für mich<br />

ist eines dieser Rituale mein morgendlicher Kaffee. Ohne ihn läuft gar nichts, und ohne ihn<br />

möchte man mir auch ganz sicher nicht über den Weg laufen.<br />

Da man üblicherweise am Morgen meist im Stress ist, ist es am einfachsten den Kaffee<br />

einfach auf dem Weg zu genießen. Coffee-to-Go heißt das Phänomen, das immer mehr<br />

Menschen lieben lernen. Nun soll der Kaffee aber nicht im Auto oder auf der Hose landen.<br />

Da kommt er ins Spiel - der Thermobecher. Mein Becher ist aus doppelwandigem Kunst-<br />

stoff, hält den Kaffee dadurch länger warm, und da verschließbar, passt er auf, dass der<br />

Kaffee da bleibt, wo er hingehört, im Becher.<br />

<strong>kunststoff</strong> <strong>unter</strong> <strong>strom</strong>


© by CyBio AG, Jena<br />

18 >><br />

spritzguß - je präziser, desto schneller zum Wirkstoff<br />

spritzguß<br />

Je präziser, desto schneller zum Wirkstoff<br />

Eine kleine Geschichte zu kleinen Pipetten<br />

HTS - High Throughput Screening – meint ein nahezu<br />

vollautomatisiertes Verfahren in der pharmazeutischen<br />

Wirkstoffsuche, welches die Untersuchung zigtausender<br />

Substanzen hinsichtlich einer gewünschten Wirkung in<br />

wenigen Stunden bis Tagen ermöglicht. Die Millionen<br />

von Substanzen, die in den klimatisierten Lagern der<br />

Pharmakonzerne ihrer Bestimmung harren, können<br />

durch Laborkräfte nicht mehr in bezahlbarer Zeit von<br />

Hand bewältigt werden.<br />

Bis noch vor etwa zwanzig Jahren war stets ein größeres<br />

Team von hochqualifizierten Wissenschaftlern Monate,<br />

wenn nicht Jahre, damit beschäftigt, den Kreis der<br />

infrage kommenden Verbindungen auf vielleicht 40 bis<br />

50 Aspiranten einzuengen, die mittels Händen, Augen,<br />

Handpipetten, Armbewegungen etc. noch gut <strong>unter</strong>sucht<br />

werden konnten.<br />

Dieses Verfahren hat sich, zum Vorteile des Produzenten<br />

aber auch Konsumenten, insofern umgekehrt, dass in<br />

einem wesentlich verkürzten Forschungsvorlauf und mit<br />

Hilfe von Datenbanken, jedwede Verbindung, die auch<br />

nur entfernt in Verdacht steht, die gewünschte Wirkung<br />

zu entfalten, in den Untersuchungsprozess einbezogen<br />

werden kann. Die Anzahl dieser Substanzen erreicht<br />

somit häufig die erwähnte Größenordnung. Der Ruf:<br />

„Aha, also wieder Masse statt Klasse und wegrationalisiertes<br />

Personal“ liegt zwar nahe, ist aber nach kurzer<br />

Betrachtung nicht richtig. Erstens kann so das intellektuelle,<br />

also gehaltsbestimmende Potential qualifizierter<br />

Mitarbeiter unbeeinträchtigt von körperlichen Abnutzungserscheinungen<br />

an geeigneterer Stelle zum Einsatz<br />

kommen. Zweitens favorisieren sich in diesem Prozess


spritzguß - je präziser, desto schneller zum Wirkstoff


20 >><br />

spritzguß - je präziser, desto schneller zum Wirkstoff<br />

Anlagenkomponenten kommuniziert, aufgezeichnet. Dieses<br />

Programm weiß, welche Substanz in welchem Well<br />

und welcher Platte leuchtet. Diese Kandidaten werden<br />

erneut aus dem Substanzlager angefordert und je nach<br />

Anzahl auf der entsprechenden Platte durch Pipettoren<br />

mit wenigen und variablen Pipetten zusammengeführt<br />

und einem weiteren Analyseprozess <strong>unter</strong>zogen. Nach<br />

ein paar Stunden oder einer Woche gehen eine Hand<br />

voll Verbindungen („hot hits“- Vorsicht, jetzt nicht fallen<br />

lassen, Software kann irren) zu weiteren Untersuchungen<br />

in die Hände des Wissenschaftlers im Labor. Die in<br />

den Platten mit 96 und 384 Vertiefungen verbleibenden<br />

Mengen - die Vertiefungen werden von Platte zu Platte<br />

naturgemäß kleiner - werden wieder versiegelt und gelagert,<br />

einem zweiten Reaktionspartner zugeführt oder,<br />

wenn nicht kostenintensiv, verworfen.<br />

Man könnte sich nun fragen, weshalb der Pipettierkopf<br />

mit 96 Pipetten, nicht in 16 <strong>unter</strong>schiedlichen Positionen<br />

die 1536er Platte befüllt? Es könnten Substanzen,<br />

Pipettenspitzen, Investitionen (Pipettierer) und eventuell<br />

ein Weiteres an Zeit eingespart werden.<br />

Man arbeitet an der Einsparung von Zwischenschritten.<br />

Es ist im Wesentlichen eine Frage der Präzision; der<br />

Präzision von Bewegung der Plattenwagen bzw. Halterungen,<br />

des Pipettierkopfes (der bis zu 25 kg wiegt)<br />

über den Platten sowie der winzigen Kolben, die sich in<br />

den Pipetten wenige Millimeter heben und senken. Hier<br />

entscheiden, je nach Länge der Ereigniskette, Differenzen<br />

im Zehntel- bis in den Hundertstelmillimeter. Doch<br />

dies ist ein eigenes Thema.<br />

Hier geht es um die Frage der Präzision und Reproduzierbarkeit<br />

der Spritzgussprodukte Pipettenspitze und<br />

Substanzplatte, die in der Regel aus Polypropylen bestehen.<br />

Die Platten sind ca. 13 cm lang und 9 cm breit, die Breite<br />

eines der 1536* Wells beträgt etwa 1,5 mm mit einer<br />

Tiefe von max. 5 mm. Wir sprechen also von der Befüllung<br />

von Reaktoren mit einem Reaktionsvolumen von<br />

0,2 (!) bis etwa 10 µl (10-3 ml). Hier dominieren Oberflächenkräfte<br />

längst die Schwerkraft, soll heißen: Wenn die<br />

Pipette nicht genau trifft, kann die eine Substanz an der<br />

einen Reaktorinnenwand (Well) kleben und die andere<br />

unbemerkt an der anderen, ohne dass sich beide berühren<br />

und vielleicht zu einem „hot hit“ vereinen.<br />

Die Romeos und Julias der Pharmazie<br />

Auch wenn zur Vermeidung des zuletzt genannten<br />

Phänomens mittlerweile Plattenhalter mit Vibratoren<br />

eingesetzt werden, bestehen weiterhin ungeheuer hohe<br />

Anforderungen an die Fertigung der Plastikspitzen und<br />

Platten. Gewiss, fräs- oder laserbares Material könnte<br />

die geforderten Parameter liefern, ist angesichts des<br />

enormen Verschleißes im HTS jedoch viel zu teuer. Der<br />

Markt für entsprechende Pipettenspitzen für das 1536er-<br />

HTS ist daher auch nur <strong>unter</strong> wenigen Herstellern (wenn<br />

auch <strong>unter</strong> vielen Anbietern) aufgeteilt. Die Anforderungen<br />

bestehen im Wesentlichen aus der absoluten<br />

Dichtheit an der Kolbeneinfassung, Geradheit in der<br />

Länge, Glätte und Gratfreiheit der Oberfläche und des<br />

Auslasses, Abwesenheit von Blasen und Einschlüssen<br />

sowie der absoluten Kontaminationsfreiheit. Allein an<br />

der Herstellung der Verpackung sind viele erfahrene<br />

Hersteller gescheitert. Das Spritzgusswerkzeug, also das<br />

geometrische Gegenstück zur Pipettenspitze, muss im<br />

Mikrometerbereich gefertigt werden. Weiterhin erfordert<br />

die Optimierung von Einspritzdruck und -zeit sowie<br />

Abkühldauer bis zum Auswurf ein hohes Maß an Ingenieurskenntnis<br />

und Erfahrung. Welches Verhältnis wählt<br />

*Übrigens: Forscher experimentieren inzwischen mit 6144 Wells. Neben den beschriebenen Faktoren stößt man hier jedoch auch<br />

an die Grenzen der Bildauflösung der Detektoren.


spritzguß - je präziser, desto schneller zum Wirkstoff


22 >><br />

einkaufswagenchips, Plastikringe, Hasenzähne<br />

einkaufswagenchips,<br />

Plastikringe, Hasenzähne<br />

Das messe–roadteam zeigt, wie es geht!<br />

Kunststoffe umgeben uns Menschen der modernen Zivilisationsgesellschaft<br />

so vielfältig wie selbstverständlich.<br />

Wir nutzen vom Joghurtdeckel bis zum Einkaufschip tausenderlei<br />

Gebrauchsgegenstände aus <strong>unter</strong>schiedlichen<br />

plastischen bis spröden Werkstoffen aus den Hexenküchen<br />

der makromolekularen Chemie. Konträr zu diesem<br />

selbstverständlichen Umgang und Gebrauch von Kunststoffen<br />

ist bei vielen Mitmenschen ein weitgehendes<br />

Unwissen über Herstellungsverfahren und Eigenschaften<br />

zu beobachten.<br />

Umso neugieriger zeigen sich Besucher aller Altersgruppen,<br />

wenn das Roadteam von <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> und<br />

Technischer Hochschule Wildau auf Veranstaltungen und<br />

Leitmessen an ihren Mitmachmesseständen Spritzgießmaschinen<br />

im laufenden Produktionsprozess vorführt.<br />

Schnell bilden sich Menschentrauben um die kleinen<br />

Anlagen der Firma Babyplast, die aus dem Labor- und<br />

Übungsbetrieb der Hochschule entliehen, zusammen mit<br />

multimedialen Lerneinheiten des <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> und aufbereitet<br />

durch den tatkräftigen Einsatz von Tutoren gerade<br />

jungen Zielgruppen ein Fenster in die Welt der Kunststofftechnik<br />

eröffnen. Gespritzt werden b<strong>unter</strong> Modeschmuck,<br />

Einkaufschips, Hasenzähne - kleine Andenken,<br />

die sich jeder Besucher, noch warm vom Herstellungsprozess,<br />

in die Tasche stecken darf.<br />

Die Anlagen der Firma Babyplast sind für diesen Demonstrationseinsatz<br />

prädestiniert. Zum einen ermöglichen<br />

kompakte Abmessungen und Gewicht (ca. 120kg)<br />

einen vergleichsweise unkomplizierten Transport, zum<br />

anderen erlaubt der wartungsarme Dauerbetrieb einen<br />

durchgehenden Produktionsprozess auf Messen und<br />

Kongressen. Durch die transparente Schutzabdeckung<br />

kann der Standbesucher Ausschnitte des eigentlichen<br />

Produktionszyklus vom Verschließen des Werkzeugs bis<br />

zum Auswerfen des Kunststoffteils verfolgen. Bemerkenswert<br />

erscheint vielen Besuchern auch die Intensität<br />

der Farbpellets im Kunststoffgranulat. So reicht ca.<br />

ein Farbgranulatkorn auf ca. eintausend transparente<br />

Granulatkügelchen zum vollständigen Durchfärben des<br />

Produktes z.B. bunt marmorierter Kunststoffringe.<br />

Durch den Einsatz der Spritzgießmaschinen zusammen<br />

mit vielen weiteren Exponaten aus den Bereichen<br />

Naturwissenschaft und Technik konnte das FCH Messeteam<br />

auf der ACHEMA 2009 und der Hannover Messe<br />

2010 jeweils etwa 12.000 zumeist junge Besucherinnen<br />

und Besucher für Naturwissenschaft und Technik (MINT-<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> deckt den dringenden Bedarf an einer aussagekräftigen Darstellung von anspruchsvollen Arbeitsplätzen und Arbeits-<br />

prozessen in der Industrie mit einer neuen Idee. Unternehmen können Forschungsfelder und Produktionsprozesse, Technologien,<br />

Geräte und Verfahren auf der kostenlos zugänglichen Bildungsplattform ChemgaPedia in industriellen Lerneinheiten (ILE) selbst<br />

vorstellen. Die CHEMGAROO-Fachredaktion des <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> <strong>unter</strong>stützt dabei technisch und didaktisch. ChemgaPedia ist heute mit<br />

durchschnittlich 350.000 Nutzern pro Monat die meistbesuchte naturwissenschaftlich-technische Ausbildungsplattform im deutsch-<br />

sprachigen Raum. Die ersten fünf industriellen Lerneinheiten der Firmen INMATEC, KNAUER, ORGENTEC und Heraeus sind<br />

bereits online verfügbar <strong>unter</strong> www.chemgapedia.de


Technologien) begeistern. Das durchweg positive Feedback<br />

der Zielgruppen zeigt, dass gerade der ansonsten<br />

wenig beachtete Bereich der Kunststofftechnik durch das<br />

Vorstellen von Produktionsprozessen und Technologien in<br />

der Gunst der Besucherinnen und Besucher eine deutliche<br />

Aufwertung erfährt.<br />

mein <strong>kunststoff</strong>favorit<br />

Mein Lieblings<strong>kunststoff</strong>gegenstand ist von zylindrischer Gestalt, ca. 40 mm<br />

hoch und 20 mm im Durchmesser. Der aus Silikonen oder Polyethylen bestehende<br />

+rh<br />

Gegenstand wird im Spritzgieß- oder Extrusionsverfahren hergestellt und trägt dazu bei, dass<br />

eine zunehmende Anzahl der 1.200.000.000 Pendants aus Kork, die jedes Jahr in Deutschland<br />

verwendet werden, in Zukunft eingespart werden kann. Mein Gegenstand ist absolut lebens-<br />

mittelecht und bildet, anders als sein Naturpendant kein Trichloranisol (TCA). TCA kann durch<br />

eine Reaktion von chlorgebleichtem Naturkork und im Korken verbliebenen Pilzen entstehen und<br />

ist bei 5%-10% der weltweiten Weinproduktion für ein vorzeitiges Verderben des Traubensafts<br />

verantwortlich. Na, jetzt hab ich meinen Lieblings<strong>kunststoff</strong>gegenstand ja schon fast verraten. Es<br />

ist der Kunststoffkorken.<br />

einkaufswagenchips, Plastikringe, Hasenzähne


24 >><br />

ein <strong>kunststoff</strong> und die kunst der chemischen synthese<br />

ein <strong>kunststoff</strong> und die kunst<br />

der chemischen synthese<br />

Jeder, der sich in seinem Leben mit organischen Synthesen<br />

herumplagen musste, weiß, wie viel Mühe es<br />

machen kann, nach einer erfolgreichen chemischen Reaktion<br />

noch viele Schritte der Reinigung, Aufkonzentrierung<br />

und chromatografischen Trennung durchführen zu<br />

müssen. Die Natur geht hier einen geschickteren Weg:<br />

Sie bindet im Vorfeld bereits einen Reaktionspartner<br />

an einen festen Träger und löst das Reaktionsprodukt<br />

nach erfolgter chemischer Reaktion einfach wieder vom<br />

Träger ab.<br />

B. Merrifield machte sich erstmals in den 60er Jahren<br />

dieses Prinzip des Aufbaus von komplexen Molekülen<br />

wie Proteinen aus einem relativ kleinen Pool von Aminosäuren<br />

bei der Automatisierung der Peptidsynthese<br />

zunutze.<br />

Die sogenannten Festphasenreaktionen sind seitdem<br />

eine interessante Alternative zur „klassischen Chemie<br />

in Lösung“. Als Träger werden organische Kunststoffe<br />

verwendet (meist vernetzte Polystyrole), an die über<br />

einen sogenannten Linker (gängiger Begriff in der Polymerchemie:<br />

Anker) einer der Ausgangstoffe gebunden<br />

wird. Diese Bindung ist idealerweise inert gegenüber<br />

den Reaktionsbedingungen der nachfolgenden Reaktionen,<br />

lässt sich aber am Ende <strong>unter</strong> genau definierten<br />

Bedingungen wieder lösen. Während der eigentlichen<br />

Synthese aber bleibt das Produkt oder Zwischenprodukt<br />

fest am unlöslichen Träger gebunden und kann mit<br />

verschiedenen Reagenzien und Waschlösungen zusammengebracht<br />

werden. Eine einfache Filtration ersetzt<br />

hier zeitaufwendiges Abtrennen mittels Destillation oder<br />

Chromatographie von anderen Ausgangsstoffen, Nebenprodukten<br />

und Reaktionsmedien.<br />

Diese Vorteile und eben auch die oben genannte leichtere<br />

Automatisierbarkeit führten dazu, dass seit 1963 bis<br />

zur Gegenwart zehntausende Anwendungen und Weiterentwicklungen<br />

dieser innovativen Technik in den Fachzeitschriften<br />

auftauchen und es einen steigenden Bedarf<br />

gibt, diese zusammenzufassen und zu systematisieren.<br />

- eine Spezialdatendank von <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> und<br />

Accelrys<br />

In der Solid Phase Organic Reactions (SPORE) Datenbank<br />

werden Reaktionen zusammengetragen, die sich<br />

ausschließlich mit der Synthese kleiner organischer Moleküle<br />

an fester Phase beschäftigen. Diese Reaktionendatenbank<br />

wurde speziell für den organischen Chemiker<br />

entwickelt, der im Bereich der organischen Synthese an<br />

fester Phase tätig ist. Die Datenbank enthält seit der<br />

ersten Veröffentlichung von Merrifield im Jahre 1963 bis<br />

zur Gegenwart alle Reaktionen, die die folgenden Prozesse<br />

beschreiben:<br />

- Kupplungsreaktionen an die feste Phase und<br />

Abspaltung von der festen Phase<br />

- Einführung von Linkern und Spacern<br />

- Reaktionen der polymer-gebundenen Moleküle<br />

- Einführung und Abspaltung von Schutzgruppen<br />

an funktionellen Gruppen<br />

- Modifikation von Polymeren


ein <strong>kunststoff</strong> und die kunst der chemischen synthese


26 >><br />

Wohin mit dem Quietscheentchen?<br />

Wohin mit dem Quietscheentchen?<br />

Diese Frage stellte ich mir ganz besorgt, als ich über<br />

meinen Lieblingsgegenstand aus Kunststoff schrieb und<br />

recherchierte, dass in Deutschland das ausgediente<br />

Badeentchen bislang in die graue Restemülltonne gehört<br />

und damit letztendlich leider in der Verbrennungsanlage<br />

verschwindet.<br />

So ergeht es bis heute nicht nur den vielen tausend<br />

alten Quietscheentchen, sondern auch anderen Kunststoffgegenständen,<br />

die in den grauen Mülltonnen<br />

Deutschlands verschwinden. Doch Rettung naht, denn<br />

in Zukunft müssen in Deutschland neue Wege beschritten<br />

werden, die den EU-Abfallrahmenrichtlinien zur<br />

Abfallvermeidung und zum Recycling sowie zur Ressourcenschonung<br />

der weltweit immer knapper werdenden<br />

Rohstoffe genügen. Diese Richtlinien müssen von den<br />

EU-Mitgliedsstaaten bis zum Ende des Jahres 2010 umgesetzt<br />

werden.<br />

mein <strong>kunststoff</strong>favorit<br />

In Deutschland wird es daher bald ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />

geben, welches <strong>unter</strong> anderem die<br />

Einführung einer neuen Wertstofftonne bzw. eine Erweiterung<br />

der gelben Tonne vorsieht, um mehr Wertstoffe<br />

aus den Haushalten ziehen zu können. So werden dann<br />

neben dem Verpackungsmüll außerdem andere recyclingfähige<br />

Materialien wie Textilien und Kunststoffteile<br />

ohne grünen Punkt, also auch altes Spielzeug, gesammelt<br />

bzw. von der grauen Tonne hin zur neuen Wertstofftonne<br />

umgeschichtet.<br />

Erfolgreiche Modellprojekte der letzten Jahre in <strong>Berlin</strong>,<br />

Hamburg und Leipzig mit der „Gelben Tonne Plus“ zeigen<br />

bereits, dass so mehr kostbare Wertstoffe gesammelt<br />

und wieder im Recyclingsystem genutzt werden<br />

können. Drücken wir die Daumen, dass dieses System<br />

ab dem kommenden Jahr praktisch und flächendeckend<br />

auch in ganz Deutschland umgesetzt wird.<br />

Sie ist so süß, so gelb und so bekannt. Sie wurde in den 1970er Jahren besungen in der Sesamstraße und es wird um sie<br />

gestritten in Herrn Müller-Lüdenscheidts Badewanne. Sie schwamm seit 1992 sogar schon auf den Weltmeeren herum<br />

und sorgte für wissenschaftliche Erkenntnisse über die Meeresströmungen. Sie ist eine Freude für groß und klein und hat<br />

schon so manche Sammlerleidenschaft hervorgerufen – heute existieren bereits weit über 1.000 verschiedene Varianten<br />

von ihr.<br />

Auch bei mir zu Hause hat das Quietscheentchen aus dem elastischen Kunststoff seinen festen Platz auf dem Badewan-<br />

nenrand und sitzt an gemütlichen Abenden, an denen ich mich im warmen Schaumwasser vom arbeitsreichen Alltag<br />

erhole, neben meinem Glas trockenem Rotwein (natürlich aus einer Flasche mit Kunststoffkorken).<br />

Und eines ist damit wohl klar, für mich stellt sich nicht die heute heiß diskutierte Frage nach der Entsorgung. Ich bleibe<br />

meiner Quietscheente treu, denn wegen ihrem hohen Anteil an Weichmachern, bislang hineingeworfen in die Restemüll-<br />

tonne, würde man sie in der Verbrennungsanlage elendig sterben lassen. Und das wäre wirklich sehr traurig!<br />

+ap


neues von der Datenbank - Cheminform und inChi<br />

Neues von der Datenbank<br />

Cheminform und inChi<br />

fiZ aktuell27<br />

In den Datenspeichern des ChemInform haben sich in den<br />

nunmehr nahezu 20 Jahren seines Bestehens erhebliche<br />

Mengen an Information angesammelt. Außer den etwa 1,3<br />

Millionen Reaktionen, den Hauptelementen der Datenbanken, finden sich dort derzeit etwa 1,4 Millionen<br />

<strong>unter</strong>schiedliche Moleküle. Es ist jedoch nicht einfach, ein bestimmtes Molekül zu identifizieren, etwa für<br />

eine Abfrage nach bestimmten Informationen über dieses Molekül. Eindeutig festgelegt ist die chemische<br />

Struktur, also die Strukturformel mit der Beschreibung der Atome und Bindungen, aber diese ist meist sehr<br />

komplex und nur mit spezieller Software zu handhaben. Seit einigen Jahren gibt es daher den InChI, den<br />

IUPAC International Chemical Identifier, der von der IUPAC (International Union of Pure and Applied Che-<br />

mistry) und dem NIST (National Institute of Standards and Technology) entwickelt wurde. Es handelt sich<br />

dabei um einen automatisch generierbaren Code, der sich aus der Struktur ableitet, und der auch wieder<br />

rückwärts die Erzeugung der Struktur aus dem Code erlaubt. Er stellt sozusagen den eindeutigen „Namen“<br />

einer chemischen Substanz dar und ist zum internationalen Standard geworden. Die zahllosen auf der gan-<br />

zen Welt verteilten, in Datenbanken gespeicherten oder neu publizierten Informationen und<br />

Daten lassen sich mit seiner Hilfe einfach korrelieren und gegenseitig ergänzen.<br />

Auch die Moleküle des ChemInform sind jetzt „InChIfied“, mit dem InChI-Code versehen.<br />

Die für die Erzeugung notwendige Software, die auf der IUPAC-Website frei her<strong>unter</strong>geladen werden kann,<br />

konnte vor kurzem erfolgreich für das Betriebssystem OpenVMS adaptiert und in den Produktionsprozess<br />

integriert werden. Mit Hilfe des InChI-Codes können die Kunden des ChemInform wesentlich leichter als<br />

früher die Eigenschaften von Molekülen, wie etwa die kommerzielle Verfügbarkeit, recherchieren.<br />

InChI macht chemische Strukturformeln im Internet für<br />

alle Suchmaschinen sichtbar<br />

Chemie-Fachgesellschaften, Wissenschaftsverlage und <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> engagieren sich mit einem internationalen Trust<br />

für die Verbreitung und Weiterentwicklung einer standardisierten Kennung für chemische Strukturen im Internet. Die<br />

Identifikations-Zeichenkette 'InChI' ermöglicht Suchmaschinen die sichere quellenübergreifende Identifizierung von<br />

Substanzen. Werkzeuge zum Erzeugen der InChI-Codes sind im Internet kostenlos bereitgestellt. Nähere Informationen<br />

<strong>unter</strong> http://www.inchi-trust.org.<br />


www.cheminform.com<br />

ChemInform ®<br />

The best compendium in organic synthesis<br />

phone: +49 30 399 77 0 · e-mail: cheminform@fiz-chemie.de

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