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Moore in Brandenburg - LUGV - Land Brandenburg

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124 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 19 (3, 4) 2010; 124-125<br />

Vorwort<br />

Neue <strong>Moore</strong> braucht das <strong>Land</strong>!<br />

Seit me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit hier <strong>in</strong> Ostbrandenburg<br />

fasz<strong>in</strong>ieren mich <strong>in</strong> besonderer Weise naturnah<br />

erhaltene Moorlandschaften: Ihre Eigenart<br />

und Schönheit, Stille, Weite, E<strong>in</strong>samkeit,<br />

Ursprünglichkeit, aber auch das Nachdenken<br />

über ihr Werden, ihre Entstehung, ihre<br />

Lebensfülle mit den e<strong>in</strong>gepassten Pflanzenund<br />

Tierarten. Ich hatte das Glück und die<br />

Möglichkeit, mich seit nunmehr fast 50 Jahren<br />

<strong>in</strong>tensiv mit Moorlandschaften ause<strong>in</strong>ander<br />

zu setzen, sie zu erforschen <strong>in</strong> ihrer<br />

Vegetationsstruktur und Tierwelt, ihrer Genese,<br />

ihren Funktionen im <strong>Land</strong>schaftshaushalt,<br />

ihrer menschlich bed<strong>in</strong>gten Abwandlung,<br />

ihrer Nutzung. Schließlich konnte ich<br />

mich zunehmend für ihren Schutz, ihren<br />

Fortbestand e<strong>in</strong>setzen, <strong>in</strong> Ostdeutschland,<br />

<strong>in</strong> Europa und nun <strong>in</strong> den verschiedensten<br />

Teilen der Welt. Ich gehöre zu e<strong>in</strong>er Generation,<br />

<strong>in</strong> deren K<strong>in</strong>dheit noch extensiv genutzte<br />

Moorwiesen das <strong>Land</strong>schaftsbild prägten.<br />

Es waren historisch gewachsene Kulturlandschaften,<br />

die sich durch Schönheit, Mannigfaltigkeit<br />

und Nützlichkeit auszeichneten.<br />

Es waren wunderschöne Blumenwiesen mit<br />

e<strong>in</strong>- oder zweischüriger Mahd, nur mäßig<br />

entwässert, voller Orchideen, mit Trollblumen<br />

und Schlangenknöterich, mit Fieberklee<br />

und Sumpfdotterblume, mit Frosch und<br />

Kröte, mit Kiebitz und Bekass<strong>in</strong>e, mit Wachtelkönig<br />

und Brachvogel. Dann, ab Mitte<br />

der 1960er Jahre erlebte ich hautnah die<br />

Komplexmelioration unserer großen Niedermoore,<br />

den großen „<strong>in</strong>terglazialen Irrtum”,<br />

wie wir es heute e<strong>in</strong>schätzen müssen. Es<br />

g<strong>in</strong>g um die Realisierung von Höchstertragskonzeptionen,<br />

befohlen von der Partei,<br />

ausgedacht von Wissenschaftlern, vorangebracht<br />

durch Funktionäre, projektiert durch<br />

Ingenieure und umgesetzt <strong>in</strong> den großen<br />

volkseigenen Meliorationskomb<strong>in</strong>aten. Ich<br />

erlebte e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dustriemäßige Agrarnutzung,<br />

die all unsere ausgedehnten Niedermoore<br />

erfasste. Durch tief greifende Entwässerungen<br />

sollten die <strong>Moore</strong> „ausbluten”, um so<br />

die schwere Agrartechnik tragen zu können,<br />

Voraussetzung für „hoch produktives, gestaffelt<br />

nutzungsreif zu bewirtschaftendes<br />

Moor-Saatgrasland” – so die se<strong>in</strong>erzeitige<br />

Sprache. E<strong>in</strong> kurzer Traum, denn schon nach<br />

20 Jahren e<strong>in</strong>er Intensivnutzung kam es<br />

zum zunehmenden Verlust der „Gebrauchswerteigenschaften”<br />

der Niedermoorstandorte.<br />

Vermullung setzte e<strong>in</strong>, als Ergebnis<br />

grundlegender physikalischer, chemischer<br />

und biologischer Veränderungen des Torfkörpers.<br />

Aus e<strong>in</strong>st von Wasserüberschuss<br />

geprägten Niederungsstandorten wurden<br />

phasenhaft Wassermangelstandorte, <strong>in</strong> denen<br />

ungebremst Prozesse des Moorschwundes,<br />

der Selbstauflösung abliefen.<br />

Nun erst begannen mehr und mehr Menschen<br />

zu begreifen, <strong>in</strong>takte <strong>Moore</strong> haben<br />

vielfältige Funktionen im Naturhaushalt zu<br />

erfüllen. Wir können ihre Vernutzung, d.h.<br />

ihre Entwässerung mit der Umkehrung von<br />

e<strong>in</strong>em Akkumulationsökosystem zu e<strong>in</strong>em<br />

Freisetzungsökosystem, nicht ungestraft h<strong>in</strong>nehmen.<br />

Seit ca. 20 Jahren werden nun<br />

Moorschutzprogramme weltweit <strong>in</strong> Angriff<br />

genommen, umgesetzt. G<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> Deutschland<br />

<strong>in</strong> den 90er Jahren zunächst noch<br />

weitgehend um den Versuch der Wiederherstellung<br />

der e<strong>in</strong>stigen Blumenwiesen,<br />

von extensiv zu nutzendem Moorgrünland,<br />

so haben wir <strong>in</strong>zwischen verstanden, dass es<br />

uns bei der Moorrevitalisierung vor allem<br />

darum gehen muss, die Funktionstüchtigkeit<br />

der <strong>Moore</strong> im Naturhaushalt wieder<br />

herzustellen. Das verlangt, sie wieder <strong>in</strong><br />

wachsende, Torf speichernde Ökosysteme<br />

zurückzuführen. Nunmehr ist begriffen, dass<br />

<strong>in</strong>takte <strong>Moore</strong> aktuell die bedeutendsten<br />

CO2-Speichersysteme des Festlandes unserer<br />

Erde s<strong>in</strong>d. Sie bedecken nur 3% der<br />

<strong>Land</strong>fläche unseres Planeten, speichern dabei<br />

aber 30% des terrestrischen Kohlenstoffs!<br />

Mit dem gewonnenen Verständnis<br />

über Funktion und Funktionstüchtigkeit von<br />

Moorökosystemen im <strong>Land</strong>schaftshaushalt<br />

muss es uns heute e<strong>in</strong>erseits darum gehen,<br />

weltweit alle noch nicht anthropogen<br />

stärker bee<strong>in</strong>trächtigten <strong>Moore</strong> unabd<strong>in</strong>gbar<br />

<strong>in</strong> ihrem Naturzustand zu erhalten.<br />

Andererseits s<strong>in</strong>d auf den bislang durch<br />

Entwässerung veränderten <strong>Moore</strong>n Revitalisierungen,<br />

d.h. Wiedervernässungen vorzunehmen,<br />

soweit dazu noch ausreichend<br />

Wasser aus der <strong>Land</strong>schaft zu Verfügung<br />

steht. Bei Bedarf s<strong>in</strong>d des weiteren auf diesen<br />

wieder vernässten <strong>Moore</strong>n Nutzungsformen<br />

zu etablieren, die die Funktionstüchtigkeit<br />

der <strong>Moore</strong> als akkumulierende<br />

Ökosysteme sichern. Das geht nur <strong>in</strong> semiaquatischen<br />

Ökosystemen, den sogenannten<br />

Paludikulturen, also Formen der Moornutzung,<br />

die im letzten Jahrzehnt <strong>in</strong>sbesondere<br />

am Greifswalder Institut für Botanik und<br />

<strong>Land</strong>schaftsökologie entwickelt wurden. Die<br />

Abschöpfung der oberirdischen Biomasse,<br />

bei unterirdisch ungefährdet weiter stattf<strong>in</strong>dender<br />

Torfspeicherung, dürfte e<strong>in</strong>e bedeutende<br />

Zukunftsoption im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

dauerhaft umweltgerechten <strong>Land</strong>schaftsnutzung<br />

darstellen. Aus all diesen Erkenntnissen<br />

heraus werden <strong>in</strong> Deutschland seit<br />

ca. 10 Jahren Moorschutzkonzepte vorangetrieben,<br />

umgesetzt. Ganz sicher hat diesbezüglich<br />

das Bundesland Mecklenburg-<br />

Vorpommern e<strong>in</strong>e Führungsrolle. E<strong>in</strong>ige<br />

Zehntausend Hektar Niedermoore wurden<br />

bereits wiedervernässt, entwickeln sich <strong>in</strong><br />

unterschiedlicher Geschw<strong>in</strong>digkeit zu wieder<br />

Torf speichernden Ökosystemen mit<br />

Entfaltung e<strong>in</strong>er ungeahnten Biodiversität.<br />

Das zeigt sich besonders auffallend bei den<br />

plötzlich <strong>in</strong> großer Zahl hier rastenden und<br />

<strong>in</strong>sbesondere auch brütenden Sumpf- und<br />

Wasservogelarten. Bei diesen sich neu etablierenden<br />

Moorstandorten handelt es sich<br />

zunächst um Überflutungs- und Verlandungsmoore<br />

mit e<strong>in</strong>er hoch produktiven<br />

Vegetationsdecke aus Schilf-, Rohrglanzgras-,<br />

Wasserschwaden oder Rohrkolbenröhrichten<br />

bzw. Großseggenrieden aber<br />

auch Erlenbruchwäldern, durchsetzt von<br />

polytrophen, organismenreichen Flachgewässern.<br />

Im Rahmen von weltweiten Klima<strong>in</strong>itiativen<br />

werden gegenwärtig <strong>in</strong> mehreren<br />

Ländern unserer Erde Moorrevitalisierungen<br />

<strong>in</strong> großem Maßstab <strong>in</strong> Angriff genommen.<br />

Zu nennen s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong>sbesondere Weißrussland,<br />

aber auch Ch<strong>in</strong>a. Auf diesen „neuen<br />

<strong>Moore</strong>n” werden ökologische, ökonomische<br />

und auch soziale Erfordernisse unserer Zeit<br />

beispielhaft zusammengeführt. Es ist schon<br />

ungewöhnlich, <strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>em Menschenleben<br />

e<strong>in</strong>en derartigen Wandel <strong>in</strong> der <strong>Land</strong>nutzung,<br />

<strong>in</strong> der Beurteilung des Wertes, des<br />

Nutzens e<strong>in</strong>es Naturraumes, zu erfahren!<br />

Ich kann nur wünschen, dass nun auch <strong>in</strong><br />

<strong>Brandenburg</strong> beim Umgang mit den großen<br />

Niedermooren e<strong>in</strong>e Neuorientierung erfolgt.<br />

Das <strong>in</strong> diesem <strong>Land</strong> so beispielhaft und<br />

erfolgreich durchgeführte „Waldmoor-<br />

Programm” und das gerade begonnene<br />

Schutzprogramm der Braunmoosmoore<br />

Abb. 1: Schlangenknöterich-Wiese<br />

im<br />

Biesenthaler Becken<br />

(<strong>Brandenburg</strong>)<br />

Foto: M. Succow,<br />

1971

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