Contactuell Biel Nr. 10 - Contact Netz
Contactuell Biel Nr. 10 - Contact Netz
Contactuell Biel Nr. 10 - Contact Netz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
02/2013/ No. <strong>10</strong><br />
Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Zuallererst und unabhängig von<br />
ihrem Lebenswandel braucht eine<br />
Person in einer schwierigen Situation<br />
ein Dach, eine Unterkunft.<br />
In <strong>Biel</strong> garantieren unterschiedliche<br />
Orte ein sich ergänzendes<br />
Angebot: von der Notschlafstelle<br />
bis zur Unterstützung beim selbständigen<br />
Haushalten in der eigenen<br />
Wohnung. Dieses stufenweise<br />
Angebot wird gewährleistet<br />
durch das Sleep-In, das Passantenheim<br />
der Heilsarmee, das<br />
Casanostra (Verein für begleitetes<br />
Wohnen) und durch das<br />
Wohnangebot der Schoeni Stiftung.<br />
Um diese Unterstützung im<br />
gesamten Kanton Bern anbieten<br />
zu können, hat das <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong><br />
eine Serie von Angeboten geschaffen,<br />
welche uns in dieser<br />
vorliegenden Ausgabe des<br />
<strong><strong>Contact</strong>uell</strong> vorgestellt werden.<br />
Ein weiterer Artikel wird sich<br />
schwergewichtig mit den neusten<br />
Entwicklungen in der Regionalstelle<br />
<strong>Biel</strong> des <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> befassen.<br />
Es wird besonders um die<br />
Neuerungen im <strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong> berichtet.<br />
Ziel der Veränderungen<br />
ist, auf die aktuellen Bedürfnisse,<br />
Schwierigkeiten und Risiken, welche<br />
Jugendlichen und jungen<br />
Erwachsenen von heute begegnen<br />
können, besser eingehen zu<br />
können.<br />
Die Neuerungen im <strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong><br />
werden unter der Leitung einer<br />
neuen Verantwortlichen, Haike<br />
Spiller, umgesetzt. Diese stellt<br />
sich in diesem <strong><strong>Contact</strong>uell</strong> vor.<br />
Zwei Mitarbeitende des „ehemaligen“<br />
Streetwork werden ebenfalls<br />
ihren Standpunkt zur jüngsten<br />
Entwicklung mitteilen.<br />
Aber mehr möchte ich dazu nicht<br />
mehr sagen, ausser Ihnen, liebe<br />
Leserin, lieber Leser, eine gute<br />
Lektüre zu wünschen!<br />
Eric Moser, Leiter<br />
Regionalstelle <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> <strong>Biel</strong><br />
Wohnen - ein Grundbedürfnis<br />
Kann ein Mensch tagsüber arbeiten<br />
gehen, wenn er nachts kein<br />
Dach über dem Kopf hat? Ist es<br />
möglich, mit einer suchtmittelabhängigen<br />
Person längerfristige<br />
Perspektiven zu entwickeln, wenn<br />
sie bereits am Abend wieder auf<br />
der Suche nach einer Bleibe für<br />
die Nacht ist? Einen Ort zu haben,<br />
der es erlaubt zur Ruhe zu<br />
kommen, der das täglich Erlebte<br />
auch mal vergessen lässt oder an<br />
dem einfach die Türe geschlossen<br />
werden kann: Dies ist nicht<br />
nur eine Wohltat, es ist ein<br />
Grundbedürfnis. Oft ist ein solcher<br />
Ort für die Betroffenen überdies<br />
die Voraussetzung für die<br />
Entwicklung vieler weiterer Schritte.<br />
Kein Wunder also, dass<br />
<strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> auch im Bereich<br />
Wohnen einen Schwerpunkt<br />
setzt.<br />
Auf vier Stufen wird Menschen<br />
Hilfe bei Wohnproblemen angeboten.<br />
Notschlafplätze für die<br />
akute Intervention bei Obdachlosigkeit,<br />
teilbetreutes oder betreutes<br />
Wohnen zum Erlangen grundlegender<br />
Wohnkompetenzen,<br />
begleitetes Wohnen in Mietwohnungen<br />
des <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> zum<br />
Training grösserer Autonomie<br />
und schliesslich Wohnbegleitung<br />
in Klientenwohnungen als letzter<br />
Schritt hin zum selbständigen<br />
Wohnen. <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> ist auf verschiedenen<br />
Stufen mit bedarfsgerechten<br />
Angeboten vertreten.<br />
In Langenthal betreiben wir das<br />
teilbetreute Wohnen TBW für<br />
acht BewohnerInnen. Täglich ist<br />
das Team präsent, jedoch nicht<br />
für 24 Std. Das (Wieder-) Erlangen<br />
von Wohnkompetenz und der<br />
Aufbau einer geregelten Tagesstruktur<br />
stehen im Mittelpunkt des<br />
Geschehens. Hier können die<br />
BewohnerInnen zur Ruhe kommen<br />
und zielführende Perspektiven<br />
entwickeln.<br />
© Alessandro Zocc/shutterstock.com<br />
Im begleiteten Wohnen besuchen<br />
die MitarbeiterInnen des Wohnnetz<br />
Aare-Emme rund 80 KlientInnen<br />
in Mietwohnungen des<br />
<strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong>. In wöchentlichen<br />
Hausbesuchen wird an der grossen<br />
Herausforderung des verantwortungsvollen,<br />
autonomen<br />
Lebens gearbeitet und gefeilt.<br />
Eine Wohnbegleitung in der eigenen<br />
Wohnung erhalten schliesslich<br />
ca. 25 Personen im Wohnnetz<br />
Aare-Emme und 20 Personen<br />
im Wohnnetz Interlaken. Auf<br />
dieser obersten Stufe der Wohnhilfe<br />
geht es hauptsächlich darum,<br />
durch regelmässige Besuche<br />
die aktuelle Wohnform erhalten<br />
zu können.<br />
1/4
CONTACTUELL - Regionalstelle <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> <strong>Biel</strong> 02/2013 <strong>Nr</strong>. <strong>10</strong><br />
Als Partner für zuweisende Institutionen<br />
wie Sozialdienste, psychiatrische<br />
Kliniken, Substitution,<br />
Entzug, Gefängnisse usw. sind<br />
wir bestrebt, unsere Angebote<br />
immer wieder dem aktuellen Bedarf<br />
anzupassen. Die Ansprüche<br />
und Problemlagen verändern sich<br />
stetig. Derzeit sind zwei Trends<br />
erkennbar, auf die wir reagieren:<br />
Junge Erwachsene benötigen<br />
Wohnhilfe, weil sie die Basis der<br />
Wohnkompetenzen noch nicht<br />
kennen, aber möglichst früh viel<br />
Autonomie leben wollen. Zweiter<br />
Trend in unserem Feld sind chronifizierte<br />
Suchtmittelabhängige,<br />
die langfristig eine Wohnbegleitung<br />
benötigen, um vor einer<br />
Verwahrlosung und Vereinsamung<br />
geschützt zu werden. Hierbei<br />
stellt sich zusätzlich vermehrt<br />
die Problematik der Pflegebedürftigkeit.<br />
Eine enge Zusammenarbeit<br />
mit der Spitex sowie mit<br />
Wohn- und Pflegeheimen ist somit<br />
unabdingbar. Diesen neuen<br />
Herausforderungen stellen wir<br />
uns gerne.<br />
Othmar Steiner, Leiter Wohnnetz<br />
Aare-Emme<br />
Neues in <strong>Biel</strong><br />
Im Cactus<br />
Sowohl an der Gerbergasse 25<br />
im Cactus wie auch am Obergässli<br />
15 im <strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong> waren die<br />
vergangenen Wochen von Veränderung<br />
geprägt.<br />
Für die Mitarbeitenden von<br />
Cactus, Anlaufstelle mit Möglichkeit<br />
zum Drogenkonsum unter<br />
Aufsicht, kam es Anfang 2013 zur<br />
doppelten Herausforderung: sich<br />
ohne die Unterstützung des<br />
Yucca-Teams um das Erdgeschoss<br />
zu kümmern und für die<br />
Nachbarschaft eine Verbesserung<br />
im Alltag zu schaffen.<br />
Das Bistro Yucca musste seinen<br />
Betrieb am vergangenen Heiligabend<br />
aufgrund finanzieller<br />
Schwierigkeiten und auf Druck<br />
der Nachbarschaft endgültig einstellen.<br />
Es gab viel zu tun: Anhand<br />
des Modells, wie es in der<br />
K+A in Bern existiert, wurde ein<br />
Verteilsystem für die Räumlichkeiten<br />
und für den Eintritt eingerichtet.<br />
Das war nicht ganz einfach.<br />
Allein für das Errichten der<br />
Eintrittskontrollen musste sich<br />
das Cactus-Team an eine neue<br />
Informatik-Datenbank gewöhnen<br />
und alle Personen erneut erfassen,<br />
welche das Angebot weiterhin<br />
nutzen wollten.<br />
Glücklicherweise erhielt das<br />
Cactus tatkräftige Unterstützung<br />
der KollegInnen von der K+A in<br />
Bern sowie vom Informatikdienst<br />
des <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong>. Der Übergang<br />
verlief gut und die BenutzerInnen<br />
machten auch mit: Sie akzeptierten<br />
nicht nur, dass sie sich mit<br />
dem Vorweisen eines öffentlichen<br />
Dokuments erneut registrieren<br />
lassen mussten, sondern auch,<br />
sich für eine sichere Eintrittskontrolle<br />
fotografieren zu lassen.<br />
Diese Umstellungen waren auch<br />
dank dem Engagement der Stadt<br />
<strong>Biel</strong> möglich, insbesondere der<br />
Abteilung Sicherheit, welche<br />
nützliche Koordinationssitzungen<br />
mit der Kantonspolizei organisiert<br />
hat und den Einsatz von Sicherheitskräften<br />
der Firma Securitas<br />
garantiert hat. Letztere bewiesen<br />
Professionalität und Fachwissen,<br />
welches sie sich übrigens bereits<br />
in der Zusammenarbeit mit der<br />
K+A in Bern angeeignet hatten.<br />
Der zweite und noch gewichtigere<br />
Schritt erwartet Cactus in der<br />
zweiten Jahreshälfte: auch seinen<br />
Umzug erfolgreich zu gestalten,<br />
wie er von der städtischen<br />
Regierung verlangt wird.<br />
<strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong><br />
Zur Erinnerung: Gemäss der<br />
kantonalen Strategie im Suchtbereich<br />
und der Übereinkunft mit<br />
der Berner Gesundheit wurden<br />
die Fachstellen (die „ehemaligen“<br />
Beratungsstellen) des <strong>Contact</strong><br />
<strong>Netz</strong> beauftragt, in erster Linie die<br />
Zuständigkeit für gefährdete oder<br />
bereits betroffene Jugendliche mit<br />
Suchtverhalten, unabhängig von<br />
Substanzen und Konsumformen,<br />
sowie für deren Eltern und Angehörige<br />
zu übernehmen. Dazu<br />
musste die Beratungsstelle seine<br />
Angebotspalette erweitern und<br />
ergänzen, etwa im Bereich der<br />
legalen Suchtmittel und des substanzungebundenen<br />
Suchtverhaltens,<br />
wie des missbräuchlichen<br />
Konsums neuer Medien. Nun hat<br />
aber diese spezifischere Zielgruppe<br />
– die Jungen – oft wenig<br />
Risikobewusstsein in Bezug auf<br />
Erlebtes. Wie könnten sie dazu<br />
gebracht werden, die bereitgestellten<br />
Angebote frühzeitig zu<br />
nutzen?<br />
In <strong>Biel</strong> ist die Zielgruppe der<br />
Jugendlichen seit mehreren Jahren<br />
auch im Fokus eines anderen<br />
Angebots des <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong>:<br />
Streetwork. Es mussten eine<br />
Reihe von Fragen geklärt werden,<br />
damit Synergien genutzt<br />
werden konnten. Strukturen<br />
konnten vereinfacht und Personalabgänge<br />
genutzt werden, um<br />
neue Personen anzustellen. Und<br />
so kam im Februar eine kleine<br />
Revolution zustande. Unter dem<br />
neuen Namen „<strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong>,<br />
Fachstelle für Jugend, Eltern und<br />
Sucht des <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong>“ wurden<br />
die beiden Teams von <strong>Contact</strong><br />
<strong>Biel</strong> und Streetwork vereint.<br />
Zusätzlich zu den bisherigen<br />
Angeboten zu Beratung und Therapie<br />
kommen modulare Programme<br />
zur Anwendung, welche<br />
abstinenzorientiert sind (für jüngere<br />
unumgänglich) oder zumindest<br />
einen kontrollierten Konsum<br />
anstreben. <strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong> nimmt<br />
hier mit dem Einbezug von<br />
Streetwork eine führende Rolle<br />
ein: aufgrund der Erfahrungen im<br />
Bereich der Lebensrealitäten von<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen,<br />
aber vor allem auch<br />
seiner Mobilität. Das <strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong><br />
wird vermehrt auch für Bezugspersonen<br />
der Jugendlichen zugänglich<br />
werden. Dies können<br />
Lehrpersonen, Personen aus der<br />
Schulsozialarbeit, der Jugendarbeit,<br />
aus Lehrstellen oder Sportclubs<br />
usw. sein; alle, welche mit<br />
Ausrutschern ihrer Schützlinge<br />
konfrontiert sind und eine professionelle<br />
Unterstützung wünschen.<br />
Treffen vor Ort, im bekannten<br />
Umfeld und innerhalb kurzer Zeitspannen<br />
sind möglich.<br />
2/4
CONTACTUELL - Regionalstelle <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> <strong>Biel</strong> 02/2013 <strong>Nr</strong>. <strong>10</strong><br />
Momentan geht es darum, diese<br />
neue Zusammenstellung mit seinen<br />
neuen multidimensionalen<br />
und mobilen Angeboten, welche<br />
eine frühzeitige Intervention ermöglichen,<br />
bei allen unseren<br />
Partnerinstitutionen in der Region<br />
bekannt zu machen. Auf das<br />
zweite Drittel des Jahres hin planen<br />
wir gemeinsam mit allen<br />
Regionalstellen des <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong><br />
eine Informationskampagne, um<br />
unsere neuen Angebote auch der<br />
breiten Öffentlichkeit bekannt zu<br />
machen.<br />
Wir befinden uns in der bestmöglichen<br />
Ausgangslage, um der<br />
schönsten Herausforderung gerecht<br />
zu werden, die darin besteht,<br />
die grösstmögliche Anzahl<br />
von Jugendlichen so zu unterstützen,<br />
dass Schadenminderung<br />
gar nicht mehr nötig ist!<br />
Eric Moser, Leiter Regionalstelle<br />
<strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> <strong>Biel</strong><br />
Eine „Lebensreise“ nach<br />
<strong>Biel</strong><br />
Vor fast 29 Jahren verliess ich<br />
nach meinem Schulabschluss<br />
meine Heimatstadt Berlin und zog<br />
in die USA. Zu dem Zeitpunkt<br />
dachte ich, ich würde ein paar<br />
Jahre in New York leben und<br />
dann wieder nach Berlin zurückziehen.<br />
Ich hätte mir nie vorstellen<br />
können, dass ich dort 23 Jahre<br />
wohnen und arbeiten würde.<br />
Noch sehr viel undenkbarer war<br />
es, das ich 2006 nach Mali ziehen<br />
und ein paar Jahre später, im<br />
Januar 2013, in <strong>Biel</strong> bei <strong>Contact</strong><br />
<strong>Netz</strong> eine Stelle als Leiterin der<br />
Fachstelle anfangen würde...<br />
Ich studierte an der New York<br />
University, wo ich einen Masters<br />
in Rehabilitation Counseling abschloss:<br />
eine sonderpädagogische<br />
und berufskundliche Ausbildung,<br />
deren Ziel es ist, unter<br />
Anbetracht der sozialen, psychologischen,<br />
medizinischen und<br />
suchtspezifischen Aspekte Klienten<br />
zu integrieren. Meine erste<br />
Stelle war als Rehabilitation<br />
Counselor für über 40 Jugendliche<br />
in einer therapeutischen,<br />
drogenfreien Wohngemeinschaft.<br />
Später betreute ich auch Erwachsene<br />
‚Drop-outs‘, die sich nach<br />
2 Jahren stationärer Therapie auf<br />
die Reintegration vorbereiteten.<br />
Anfang der 90er Jahre hatte sich<br />
die Crack-Kokainepidemie verheerend<br />
auf New York ausgewirkt<br />
Ganz besonders frappierend<br />
stieg der Missbrauch bei der<br />
marginalisierten Bevölkerung und<br />
bei Frauen. Ich beobachtete,<br />
dass die bisher üblichen suchttherapeutischen<br />
Ansätze der Verhaltenstherapie,<br />
auch der kognitiven<br />
Verhaltenstherapie, bei vielen<br />
Frauen nicht erfolgreich waren.<br />
Ein neues, innovatives Pilotprogramm<br />
öffnete seine Türen in<br />
New York und bot schwangeren<br />
Frauen und Frauen mit kleinen<br />
Kindern ein neues, ganzheitliches<br />
Wohnkonzept an, mit Betonung<br />
auf Fallmanagement, und ich fing<br />
dort eine neue Stelle an.<br />
Heike Spiller<br />
© <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong><br />
1996 änderten sich die Sozialhilfegesetze<br />
der USA. Sozialhilfeempfänger<br />
mussten als Gegenleistung<br />
für ihre Unterstützung<br />
Arbeitsstunden verrichten. Die<br />
Stadt New York finanzierte ein<br />
Pilotprogramm, um süchtigen<br />
Sozialhilfeempfängern intensive<br />
Fallmanagementleistungen bieten<br />
zu können. Nur so könnten sie es<br />
schaffen, den hohen Forderungen<br />
gerecht zu werden, ihre<br />
Sozialgelder weiter zu beziehen<br />
und gleichzeitig die nötige Unterstützung<br />
erhalten, um reintegriert<br />
zu werden. Das Pilotprogramm<br />
wurde mehrere Monate lang in<br />
intensiver Arbeit konzeptualisiert<br />
und eröffnete im Januar 2000.<br />
Ein halbes Jahr später betreuten<br />
die interdisziplinären Fallmanagement-Teams,<br />
für welche ich<br />
verantwortlich war, bereits über<br />
<strong>10</strong>00 Klienten.<br />
Im Januar 2005 reiste ich nach<br />
Mali und verliebte mich in das<br />
Land – und in meinen Mann, den<br />
ich in Timbuktu traf. Ich beschloss,<br />
New York den Rücken<br />
zu kehren und ein neues Leben<br />
in Mali zu beginnen. Ich gründete<br />
eine Sprachenschule, wo ich<br />
auch Englisch unterrichtete. Zusätzlich<br />
gründete ich zusammen<br />
mit meinem Mann eine Beratungsfirma,<br />
mit der wir unter anderem<br />
Adoptionseltern und Waisenhäuser<br />
betreuten. Die zunehmende<br />
politische Unsicherheit<br />
führte dazu, dass ich im Juli 2012<br />
das Land verliess, um uns einen<br />
Neuanfang in Europa zu sichern.<br />
Und so kam ich nach <strong>Biel</strong> …<br />
Durch meine „Lebensreise“ lernte<br />
ich vor allem eines: Es ist wichtig<br />
und gut, Ziele zu haben und anzusteuern,<br />
aber es ist noch wichtiger,<br />
den Weg als solches bewusst<br />
zu erleben, mit offenen<br />
Augen, authentisch und präsent.<br />
Es war mir immer wichtig, mein<br />
Umfeld und „Mitreisende“ wahrzunehmen,<br />
ohne zu urteilen, ihre<br />
Freuden und Sorgen zu teilen,<br />
mich auszutauschen, und spannende<br />
Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />
zu entdecken.<br />
<strong>Contact</strong>-<strong>Biel</strong> befindet sich auch<br />
auf einer „Reise“. Wir, die Mitarbeiter,<br />
haben die Gelegenheit,<br />
eine neue, innovative Fachstelle<br />
aufzubauen. Ich freue mich auf<br />
den Austausch, den Verlauf - die<br />
„Reise“ - und dann die gemeinsame<br />
„Ankunft“ an unserem Ziel!<br />
Haike Spiller, Leiterin <strong>Contact</strong><br />
<strong>Biel</strong><br />
3/4
CONTACTUELL - Regionalstelle <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong> <strong>Biel</strong> 02/2013 <strong>Nr</strong>. <strong>10</strong><br />
Mit seinen 2.7 Stellen und unter der Führung von Haike Spiller<br />
verstärkt das Team der vier Streetworker die Fachstelle <strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong>.<br />
Von links nach rechts: Esther Tellenbach, Jan Hartmann, Sophie<br />
Pfister, Haike Spiller und Tony Rotondo.<br />
© <strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong><br />
Streetwork integriert sich<br />
in <strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong>, neue<br />
Fachstelle für Jugend,<br />
Eltern und Sucht<br />
Ende der 80er Jahre waren in<br />
<strong>Biel</strong> Personen aus der offenen<br />
Drogenszene die Hauptzielgruppe<br />
von Streetwork. Streetwork<br />
verteilte ihnen sauberes Spritzenmaterial,<br />
Informationen zu<br />
verschiedenen sozialen Themen<br />
(Gesundheit, Finanzen, Wohnen),<br />
bot Beratung und Unterstützung<br />
an. StreetworkerInnen waren niederschwellige<br />
professionelle Ansprechpersonen<br />
auf der Strasse.<br />
Anfangs der 90er Jahre wurde<br />
Streetwork mit der ersten Welle<br />
der Jugendarbeitslosigkeit konfrontiert.<br />
Eine grosse Anzahl der<br />
Jugendliche landete auf der<br />
Strasse und konsumierte Suchtmittel.<br />
Streetwork begann an<br />
diesem Zeitpunkt ihre Interventionen<br />
auf diese Zielgruppe auszurichten.<br />
Sie wurden in der Stadt<br />
und in den Quartieren aufgesucht,<br />
angesprochen, informiert,<br />
beraten und wenn nötig vernetzt.<br />
Die Jugendlichen und jungen<br />
Erwachsenen erhielten Unterstützung<br />
bei der Entwicklung und<br />
Realisation ihrer Ideen und bei<br />
der Gestaltung ihres Lebensweges.<br />
Das Ziel blieb, Personen zu<br />
zu erreichen, welche keinen<br />
Zugang zu professioneller Unterstützung<br />
haben oder diesen nicht<br />
in Anspruch nehmen. Durch regelmässigen<br />
Kontakt wurden<br />
suchtgefährdete Jugendliche und<br />
junge Erwachsene bereits früh<br />
erkannt und begleitet, damit<br />
Chronifizierungen verhindert oder<br />
begrenzt werden konnten. Ende<br />
der 90er Jahre weitete Streetwork<br />
den Bereich der Schadensminderung<br />
auf das „Nachtleben“ aus<br />
und stellte ein entsprechendes<br />
Angebot auf die Beine, woraus<br />
später Rave it safe entstand.<br />
Rave it safe ist seit 20<strong>10</strong> für die<br />
Nightlife-Arbeit im ganzen Kanton<br />
Bern zuständig und arbeitet in der<br />
Region <strong>Biel</strong> mit Streetwork zusammen.<br />
In den letzten dreissig Jahren<br />
entstanden in <strong>Biel</strong> neue Institutionen,<br />
die unterschiedliche Bedürfnisse<br />
abdecken. Die Angebote<br />
der städtischen Jugendarbeit und<br />
in den Aussen-Quartieren wurden<br />
in enger Zusammenarbeit mit<br />
Streetwork aufgestockt. Durch<br />
diese neuen Angebote haben die<br />
Jugendlichen neu direkte Ansprechpersonen<br />
in ihrem Quartier.<br />
Die Sensibilisierung zum<br />
Thema Safer-Use im Nightlife-<br />
Bereich übernimmt Rave it safe<br />
für den ganzen Kanton. Aufgrund<br />
dieser institutionellen, gesellschaftlichen<br />
und politischen Änderungen<br />
kann Streetwork seine<br />
Ressourcen bündeln, mit dem<br />
Ziel Jugendliche und junge Erwachsene<br />
mit erhöhtem Risiko<br />
für Suchtprobleme bereits möglichst<br />
früh zu erreichen und zu<br />
unterstützen.<br />
Es ist daher zweckmässig, zwei<br />
kleine Teams, Streetwork und<br />
<strong>Contact</strong> <strong>Biel</strong>, zu fusionieren,<br />
wodurch ab Februar 2013 ein<br />
verstärkter Ressourcen-Pool entsteht.<br />
Die klassische Methode der<br />
aufsuchenden Sozialarbeit wird<br />
reduziert, und der mobile Ansatz<br />
entsprechend hochgefahren.<br />
Mobile Arbeit hat den Vorteil, in<br />
der Lebenswelt der Jungen präsent<br />
zu sein, auf Krisensituationen<br />
schnell reagieren zu können,<br />
und bedingt einen engen Austausch<br />
und Kontakt zu deren<br />
Bezugspersonen. Der Ansatz der<br />
mobilen Suchtarbeit der „Fachstelle<br />
für Jugend, Eltern und<br />
Sucht“ entspricht dem heutigen<br />
Zeitgeist. Der Name Streetwork<br />
verschwindet, es bleibt der Geist<br />
und die Arbeitsweise, auf Personen<br />
unvoreingenommen zuzugehen<br />
und für betroffene Personen<br />
leicht erreichbar zu sein.<br />
Esther Tellenbach und Tony<br />
Rotondo, MitarbeiterInnen<br />
Streetwork<br />
Impressum<br />
Herausgeber/Kontakt:<br />
<strong>Contact</strong> <strong>Netz</strong><br />
Regionalstelle <strong>Biel</strong><br />
<strong><strong>Contact</strong>uell</strong><br />
Obergässli 15t, Postfach<br />
2501 <strong>Biel</strong><br />
Tel. 032 321 75 00<br />
contactuell.biel-bienne@<br />
contactmail.ch<br />
www.contactnetz.ch<br />
<strong><strong>Contact</strong>uell</strong> erscheint zwei Mal<br />
jährlich.<br />
4/4