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Syntax der Nominalphrase I

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<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> 09.12.2010<br />

<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> I<br />

<strong>Nominalphrase</strong>n<br />

• <strong>Nominalphrase</strong>n ist gemeinsam, dass sie einen nominalen Kern haben: ein Substantiv (=<br />

Kernnomen) o<strong>der</strong> ein Pronomen<br />

• <strong>Nominalphrase</strong>n unterscheiden sich aber in ihrem Umfang bzw. in ihrer Komplexität<br />

– sie können einzig aus dem Kopfnomen bestehen:<br />

1. Obst (ist vitaminreich)<br />

– Sie können aber auch deutlich umfangreicher bzw. komplexer sein:<br />

2. das erste heimische Obst des Jahres aus biologischem Anbau, das erst vor kurzem geerntet<br />

wurde, (ist für viele Familien unbezahlbar)<br />

• Die Komplexität <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> in (2) ergibt sich daraus, dass das Kopfnomen Obst<br />

durch mehrere Konstruktionen erweitert wird<br />

Die Erweiterungstypen<br />

• Die erweiternden Konstruktionen stehen links und rechts vom Kopfnomen Obst und fungieren<br />

– bis auf den Determinierer – als Attribut<br />

• Die erweiternden Konstruktionen gehören verschiedenen syntaktischen Kategorien an:<br />

– Determinierer: das<br />

– Adjektive: erste, heimische (adjektivisches Attribut)<br />

– NP: des Jahres (Genitivattribut)<br />

– PP: aus biologischem Anbau (Präpositionalattribut)<br />

– Satz: …, das erst vor kurzem geerntet wurde (Attributsatz)<br />

• Die Position <strong>der</strong> einzelnen Erweiterungstypen relativ zum Kopfnomen ist fest: Determinierer<br />

und adjektivische Attribute treten immer links, Genitivattribute, Präpositionalattribute und<br />

Attributsätze immer rechts vom Kopfnomen auf<br />

Struktur <strong>der</strong> dt. Sprache 2: Der Satz Wintersemester 2010/11 Dr. Said Sahel


<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> 09.12.2010<br />

Topologie <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong><br />

• Die lineare Anordnung <strong>der</strong> Elemente in einer <strong>Nominalphrase</strong> lassen Regularitäten erkennen,<br />

die durch ein topologisches Schema erfasst werden können<br />

• Das Kopfnomen nimmt in diesem topologischen Schema die mittlere Position ein, während<br />

die Linkserweiterungen im Vorfeld und die Rechtserweiterungen im Nachfeld stehen<br />

Vorfeld Mitte Nachfeld<br />

das erste heimische Obst des Jahres aus biologischem Anbau, das<br />

erst vor kurzem geerntet wurde<br />

• Auffällig ist, dass die Vorfeld- und Nachfeldbesetzungen in einem unterschiedlichen morphosyntaktischen<br />

Verhältnis zum Kopfnomen stehen<br />

• Die Vorfeldbesetzungen (Determinierer und Adjektive) kongruieren mit dem Kopfnomen in<br />

Kasus, Numerus und Genus, Die Nachfeldbesetzungen nicht<br />

– Der Determinierer das und die Adjektive erste und heimische stehen im selben Kasus,<br />

Numerus und Genus wie das Kopfnomen Obst<br />

• Die unterschiedlichen Stellungen sind also nicht zufällig; vielmehr sind sie durch das unterschiedliche<br />

morphosyntaktische Verhalten <strong>der</strong> betreffenden Erweiterungen motiviert<br />

• Die Regularität, dass kongruierende Elemente links, nicht kongruierende Elemente rechts<br />

vom Kopfnomen stehen, hat sich im Laufe <strong>der</strong> Sprachgeschichte herausgebildet<br />

• So wird die allmähliche Festlegung von Genitivattributen, die früher oft im Vorfeld <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong><br />

aufgetreten sind (z.B. des Kaisers Bart), auf die Nachfeldposition (z.B. <strong>der</strong> Bart<br />

des Kaisers)auf ebendiese Regularität zurückgeführt; denn Genitivattribute kongruieren mit<br />

Kopfnomen nicht<br />

Die Reihenfolge <strong>der</strong> Erweitrungen: kurz vor lang<br />

• Eine weitere Stellungsregularität in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> betrifft die Reihenfolge <strong>der</strong> Erweiterungen<br />

im Vor- bzw. Nachfeld<br />

• Die lineare Anordnung scheint hier dem Behaghelchen Gesetz <strong>der</strong> wachsenden Glie<strong>der</strong> zu<br />

folgen: kürzere Erweiterungen stehen vor längeren Erweiterungen<br />

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<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> 09.12.2010<br />

3. Das erste heimische Obst des Jahres aus biologischem Anbau, das erst vor kurzem geerntet<br />

wurde<br />

Art < Adj N GenAttr < PräpAttr < AttribS<br />

• „kurz vor lang“ erleichtert insofern die kognitive Verarbeitung, als das Kurzzeitgedächtnis<br />

entlastet wird<br />

Die Abfolge attributiver Adjektive<br />

• Ein Substantiv kann durch mehrere aufeinan<strong>der</strong>folgende Adjektive erweitert werden:<br />

4. Die zehn erwähnten schönen roten amerikanischen Autos<br />

• Die Adjektive zehn, erwähnt, schön, rot und amerikanisch lassen sich unterschiedlichen semantischen<br />

Klassen zuordnen<br />

• zehn ist ein Zahladjektiv und lässt sich <strong>der</strong> Klasse <strong>der</strong> quantifizierenden Adjektive<br />

(einige, manche…) zuordnen<br />

• erwähnt ist ein situierendes Adjektiv. Situierende Adjektive haben eine temporale<br />

(heutig, gestrig…) o<strong>der</strong> lokale (hiesig, dortig…) Bedeutung. Sie können sich aber auch<br />

auf eine Ereignisfolge beziehen (folgend, anschließend)<br />

• schön ist ein evaluierendes bzw. bewertendes Adjektiv. Evaluierende Adjektive beziehen<br />

sich z.B. auf die Ästhetik (schön, hübsch) o<strong>der</strong> auf die Zu- bzw. Abneigung<br />

(lieb, wi<strong>der</strong>wärtig.)<br />

• rot ist ein charakterisierendes Adjektiv. Zu dieser semantischen Klasse von Adjektiven<br />

gehören neben den Farbadjektiven u.a. Adjektive <strong>der</strong> Form (rund, groß, schlank)<br />

und Adjektive <strong>der</strong> stofflichen Beschaffenheit (metallisch, hölzern)<br />

• amerikanisch ist ein klassifizierendes Adjektiv. Hierzu gehören u.a. Zugehörigkeitsadjektive<br />

(kommunal, universitär) und Herkunftsadjektive (europäisch, amerikanisch)<br />

• Die Abfolge attributiver nach ihrer semantischen Klasse<br />

quant. Adj < sit. Adj. < eval. Adj. < chark. Adj. < klas. Adj.<br />

• Die semantischen Eigenschaften <strong>der</strong> Adjektive korrelieren mit ihren syntaktischen Eigenschaften<br />

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• je ‚adjektivhafter‘ ein Adjektiv ist, desto größer die Distanz zum Determinierer und zum Substantiv<br />

• Die ‚Adjektivhaftigkeit‘ kann daran gemessen werden, in welchen syntaktischen Verwendungen<br />

die Adjektive einer bestimmten semantischen Klasse auftreten können<br />

• Am ‚adjektivhaftesten‘ sind evaluierende Adjektive, da sie attributiv, prädikativ wie auch<br />

adverbial gebraucht werden können<br />

attributiv: Das schöne Bild<br />

prädikativ: Das Bild ist schön<br />

adverbial: Sie singt schön<br />

• Das evaluierende Adjektiv schön nimmt eine Position ein, die am weitesten von den beiden<br />

Polen (Determinierer bzw. Substantiv ) entfernt ist<br />

• Die Adjektivhaftigkeit nimmt in Richtung bei<strong>der</strong> Pole kontinuierlich ab:<br />

Determinierer<br />

Adjektiv<br />

3<br />

Adjektiv<br />

2<br />

Adjektiv<br />

1<br />

Adjektiv<br />

2<br />

Adjektiv<br />

3<br />

Substantiv<br />

Die zehn erwähnten schönen roten amerikanischen Autos<br />

- + + -<br />

Adjektivhaftigkeit<br />

• Charakterisierende Adjektive wie rot können in <strong>der</strong> Regel attributiv o<strong>der</strong> prädikativ, aber<br />

nicht adverbial gebraucht werden<br />

• Noch eingeschränkter in ihrem syntaktischen Gebrauch sind quantifizierende (zehn) und<br />

klassifizierende Adjektive (amerikanischen). Beide Adjektivklassen werden ausschließlich<br />

attributiv verwendet<br />

• Je eingeschränkter <strong>der</strong> syntaktische Gebrauch eines Adjektivs, desto eher tendiert es, näher<br />

am Deteminierer bzw. am Substantiv zu stehen<br />

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<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> 09.12.2010<br />

Kongruenz in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong><br />

Vorfeld Mitte Nachfeld<br />

das erste heimische Obst des Jahres aus biologischem Anbau, das erst vor kurzem<br />

geerntet wurde<br />

• Linkserweiterungen des Substantivs (= die Vorfeldselemente) bilden mit diesem eine strukturelle<br />

Einheit, indem sie mit ihm in Kasus, Numerus und Genus kongruieren<br />

• Die grammatischen Merkmale Kasus, Numerus und Genus werden vom Kernnomen auf<br />

das/die Adjektiv(e) und den Determinierer übertragen<br />

Das erste heimische Obst<br />

NP<br />

Det<br />

Das<br />

[Nom., Sg., Neutr.]<br />

N'<br />

A<br />

erste<br />

[Nom., Sg., Neutr.]<br />

N'<br />

A<br />

heimische<br />

[Nom., Sg., Neutr.]<br />

N<br />

Obst<br />

[Nom., Sg., Neutr.]<br />

Wortgruppenflexion<br />

• Bei <strong>der</strong> morphologischen Markierung <strong>der</strong> grammatischen Merkmale ‚kooperieren‘ die Komponenten<br />

<strong>der</strong> Nominalphase (Determinierer, Adjektiv und Substantiv)<br />

„…streng genommen gibt es keine Deklination des Artikels, des bestimmenden o<strong>der</strong> attributiven<br />

Adjektivs o<strong>der</strong> des Substantivs, son<strong>der</strong>n nur eine Mitwirkung dieser Elemente<br />

an <strong>der</strong> Deklination <strong>der</strong> Gruppe“ (Fourquet 1977: 122)<br />

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<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong><br />

09.12.2010<br />

• Die Komponenten tragen im Verbund zur Identifizierung <strong>der</strong> grammatischen Merkmale ei-<br />

ner Nominalphase bei:<br />

5. …Eines dieser neuen Bücher ist...<br />

• Aufgrund des Formensynkretismus in den Flexionsparadigmen aller deklinierbaren Wortarten<br />

ist eine eindeutige Identifizierung <strong>der</strong> grammatischen Merkmale einer Nominalphase<br />

erst möglich, wenn alle drei Komponenten hinzugezogen werden (vgl. Bsp. (5))<br />

Monoflexion in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong>nflexion<br />

• In Bezug auf die Verteilung <strong>der</strong> Flexive auf die einzelnen Komponenten besteht eine ‚Ar-<br />

beitsteilung‘ in <strong>der</strong> NP<br />

6. Dieses teure knusprige Brot<br />

7. Unser teures knuspriges Brot<br />

8. Teures knuspriges Brot<br />

• Das starke Flexiv wird entwe<strong>der</strong> am Determinierer (6) o<strong>der</strong> am Adjektiv (7, 8) realisiert<br />

• Fehlt <strong>der</strong> Determinierer (8) o<strong>der</strong> trägt er keine Flexionsendung (7), wird das starke Flexiv am<br />

Adjektiv (7, 8) realisiert<br />

• Die Verteilung <strong>der</strong> Flexive in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> folgt dem Prinzip <strong>der</strong> Monoflexion, dem<br />

zufolge das starke Flexiv nur einmal in <strong>der</strong> Nominalphase realisiert wird: entwe<strong>der</strong> am De-<br />

terminierer (6) o<strong>der</strong> am Adjektiv (7, 8), nicht an beiden Komponenten<br />

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Dr. Said Sahel


<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> 09.12.2010<br />

Aber:<br />

• Das starke Flexiv wird in einer bestimmten grammatischen Position (Gen. Sg. Mask./Neutr.)<br />

we<strong>der</strong> am Determinierer noch am Adjektiv, son<strong>der</strong>n am Substantiv realisiert<br />

9. Im Mai vergangenen Jahres<br />

• Die Verteilung <strong>der</strong> Flexive in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> nach dem Prinzip <strong>der</strong> Monoflexion ist nur<br />

möglich, weil das Adjektiv als einzige Wortart über zwei Flexionsmuster verfügt: ein starkes<br />

und ein schwaches Flexionsmuster<br />

starkes Adjektivflexion<br />

schwache Adjektivflexion<br />

Sg. Pl. Sg. Pl.<br />

Mask. Fem. Neutr. Mask. Fem. Neutr.<br />

Nom. neuer neue neues neue neue neue neue neuen<br />

Akk. neuen neue neues neue neuen neue neue neuen<br />

Dat. neuem neuer neuem neuen neuen neuen neuen neuen<br />

Gen. neuen neuer neuen neuer neuen neuen neuen neuen<br />

Drei Positionen in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong><br />

• In <strong>Nominalphrase</strong>n mit kongruierenden Komponenten werden drei strukturelle Positionen<br />

unterschieden:<br />

Determinierer Adjektiv Substantiv<br />

Dieses teure knusprige Brot<br />

[stark]<br />

[schwach]<br />

• Die schwache Flexion beim Adjektiv wird von <strong>der</strong> Determinierer-Position ausgelöst, wenn<br />

dort ein flektierter Determinierer steht<br />

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• Die schwache Flexion beim Adjektiv kann auch von <strong>der</strong> Substantiv-Position ausgelöst werden,<br />

wenn das Substantiv das Genitivflexiv -(e)s trägt und die Determinierer-Position nicht<br />

besetzt ist<br />

Determinierer Adjektiv Substantiv<br />

(Im Mai) Ø vergangenen Jahres<br />

[schwach]<br />

[stark]<br />

Sechs Regeln und drei Komponenten<br />

• Die Verteilung <strong>der</strong> Flexive auf die drei Komponenten <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> kann durch folgende<br />

sechs Regeln erfasst werden:<br />

Drei Zuweisungsregeln<br />

1. Jede <strong>Nominalphrase</strong> hat einen Hauptmerkmalträger (Die an<strong>der</strong>en Wortformen sind<br />

dann Nebenmerkmalträger)<br />

2. Als Hauptmerkmalträger wird die am weitesten links stehende Wortform gewählt, das<br />

kann ein Artikelwort o<strong>der</strong> ein Adjektiv sein – aber nur wenn sie eine Endung tragen (an<strong>der</strong>nfalls<br />

ist die nächste weiter rechts stehende Wortform Hauptmerkmalträger)<br />

3. Adjektive (auch substantivierte) werden parallel flektiert. Das heißt, sie sind alle entwe<strong>der</strong><br />

Haupt- o<strong>der</strong> Nebenmerkmalträger<br />

10. Dieses teure knusprige Brot<br />

11. Unser teures knuspriges Brot<br />

12. Teures knuspriges Brot<br />

• Regel 1: In den <strong>Nominalphrase</strong>n (10-12) gibt es jeweils einen Hauptmerkmalträger: In (10) ist<br />

dieses Hauptmerkmalträger, die Adjektive teure knusprige und das Substantiv Brot sind Nebenmerkmalträger<br />

(Anmerkung: die Adjektive teure knusprige bilden eine Einheit )<br />

• Regel 2: In (10 und 12) ist jeweils dieses bzw. teures knuspriges <strong>der</strong> Hauptmerkmalträger, da<br />

sie am linken Rand <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong> stehen. In (11) steht am linken Rand <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong><br />

ein Artikelwort ohne Flexionsendung: unser und kann daher nicht Hauptmerkmalträger<br />

sein. Hier sind die Adjektive teures knuspriges Hauptmerkmalträger, da diese die nächste<br />

weiter rechts stehende Position besetzen<br />

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09.12.2010<br />

• Regel 3: Die Position des Adjektivs kann mehrfach besetzt sein. In diesem Fall werden alle<br />

Elemente dieser Position gleich flektiert: entwe<strong>der</strong> alle stark und alle schwach. In (10) sind<br />

die Adjektive teure knusprige<br />

schwach, in (11-12) 12) sind sie stark flektiert: teures knuspriges.<br />

Drei Formregeln<br />

1. Artikelwörter haben starke Endungen, , wenn sie Hauptmerkmalträger sind, sonst gar<br />

keine.<br />

2. Adjektive haben starke Endungen, , wenn sie Hauptmerkmalträger sind, sonst schwache.<br />

3. Substantive haben tendenziell nur dann Kasusendungen, wenn sie Nebenmerkmalträger<br />

sind.<br />

• Regel 1: : Ein Artikelwort (= Determinierer) weist entwe<strong>der</strong> eine starke Flexionsendung<br />

(dieses) und gar keine (unser) auf. Im ersten Fall ist es Hauptmerkmalträger, im zweiten<br />

Fall Nebenmerkmalträger<br />

• Regel 2: : Adjektive verfügen über zwei Flexionsmuster: ein starkes und ein schwaches<br />

(siehe oben). Wenn sie stark flektiert sind, fungieren sie als Hauptmerkmalträger; sind<br />

sie schwach flektiert, fungieren sie als Nebenmerkmalträger<br />

• Regel 3: : ist für die hier interessierenden Zusammenhänge zu vernachlässigen<br />

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<strong>Syntax</strong> <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong><br />

09.12.2010<br />

Variation in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong>nflexion<br />

• Im gegenwärtigen Standarddeutschen tritt in bestimmten grammatischen Konstellationen<br />

Variation in <strong>der</strong> <strong>Nominalphrase</strong>nflexion auf:<br />

13a. (nach) altem christlichem Brauch<br />

13b. (nach) altem christlichen Brauch<br />

14a. (Im Mai) dieses Jahres<br />

14b. (Im Mai) diesen Jahres<br />

• In (13a) sind die Adjektive christlichem und altem gemäß <strong>der</strong> dritten Zuweisungsregel paral-<br />

lel flektiert<br />

• In (13b) hingegen ist das zweite Adjektiv christlichen entgegen <strong>der</strong> dritten Zuweisungsregel<br />

schwach flektiert, während das erste Adjektiv altem stark flektiert ist<br />

• In (14a) trägt <strong>der</strong> Determinierer dieses gemäß <strong>der</strong> ersten Formregel eine starke Flexionsenentgegen<br />

<strong>der</strong> ersten Formregel eine<br />

schwache dung<br />

• In (14b) hingegen trägt <strong>der</strong> Determinierer diesen<br />

Flexionsendung<br />

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• Wie können diese Variationsfälle syntaktisch erklärt werden?<br />

• Die Variation in <strong>der</strong> Flexion des zweiten Adjektivs (13) bzw. in <strong>der</strong> Flexion des Determinierers<br />

(14) kann durch die Annahme erklärt werden, dass die Komponenten in den betreffenden<br />

<strong>Nominalphrase</strong>n in 13a und 13b bzw. 14a und 14b jeweils unterschiedliche syntaktische Positionen<br />

einnehmen<br />

• Die Variation in (13) kann dadurch erklärt werden,<br />

• dass in (13a) beide Adjektive altem christlichem regulär die Position des Adjektivs<br />

einnehmen, da sie parallel flektiert sind,<br />

Determinierer Adjektiv Substantiv<br />

(nach) Ø altem christlichem Brauch<br />

während in (13b) nur das Adjektiv christlichen in <strong>der</strong> Position des Adjektivs steht;<br />

das Adjektiv altem steht hingegen in <strong>der</strong> Determinierer-Position<br />

Determinierer Adjektiv Substantiv<br />

(nach) altem christlichen Brauch<br />

[stark]<br />

[schwach]<br />

• Die schwache Flexion des Adjektivs christlichen in (13b) kann nur durch eine vorangehende<br />

starke Flexionsendung ausgelöst sein. Diese starke Flexionsendung ist am<br />

ersten Adjektiv altem realisiert, das hier die syntaktische Position des Determinierers<br />

einnimmt. Hier verhält sich das Adjektiv altem syntaktisch wie ein Determinierer<br />

• Die Variation in (14) kann dadurch erklärt werden,<br />

• dass in (14a) <strong>der</strong> Determinierer dieses die Position des Determierers einnimmt,<br />

da er gemäß <strong>der</strong> ersten Formregel stark flektiert ist,<br />

Determinierer Adjektiv Substantiv<br />

(Im Mai) dieses Ø Jahres<br />

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• während in (14b) <strong>der</strong> Derminierer diesen die Position des Adjektivs einnimmt, da er<br />

sich hier flexivisch wie ein Adjektiv verhält: Er ist schwach flektiert und entspricht <strong>der</strong><br />

zweiten Formregel, die für Adjektive gilt<br />

Determinierer Adjektiv Substantiv<br />

(Im Mai) Ø diesen Jahres<br />

[schwach]<br />

[stark]<br />

• Die schwache Flexion des Determinieres diesen in (14b) kann analog zu schwach flektierten<br />

Adjektiven in <strong>der</strong> selben Position nur durch das Substantiv Jahres ausgelöst<br />

worden sein<br />

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