PDF Download - Tourismus Flandern-Brüssel
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F L A N D E R N S SCHÖNE SEITEN Magazin 2007 Weltkulturerbe in Flandern Schokolade der kleine leitFaden Comic rendeZ-VOuS in brÜSSel MODE MOdeParadieS antWerPen Rubens Helena VOn antWerPen
- Seite 2: . inhalt . flandern 2007 F L A N D
- Seite 6: 6 . beginenhöfe . auf den spuren d
- Seite 10: www.thalys.com Nächster Halt: Ganz
- Seite 14: 14 . antwerpen . diamanten und thor
- Seite 18: 18 . flohmärkte . paradies für fr
- Seite 22: Hartelijk welkom! www.flandern.com
- Seite 26: 6 . mode in antwerpen . hartelijk w
- Seite 30: 0 . bruegel . mit pieter bruegel ü
- Seite 34: 4 . architektur . jugendstil in br
- Seite 38: Die schöne Helena von Antwerpen St
- Seite 42: Schokoladentafeln mit versunkenen M
- Seite 46: 46 . belfriede . glocken, die am hi
- Seite 50: 50 . beginenhöfe . auf den spuren
F L A N D E R N S<br />
SCHÖNE<br />
SEITEN<br />
Magazin 2007<br />
Weltkulturerbe in <strong>Flandern</strong><br />
Schokolade<br />
der kleine leitFaden<br />
Comic<br />
rendeZ-VOuS in brÜSSel<br />
MODE<br />
MOdeParadieS antWerPen<br />
Rubens<br />
Helena VOn antWerPen
. inhalt . flandern 2007<br />
F L A N D E R N S S C H Ö N E S E I T E N<br />
Wer schon mal im Herzen einer flämischen Kunststadt auf einer Sommerterrasse an den Grachten seinen<br />
Kaffee getrunken hat, der kennt das einzigartige Flair dieser historischen Städte.<br />
Die Flamen leben eben gerne und gut – und das spüren und genießen Sie überall. Für dieses Magazin haben<br />
wir einige bekannte Reisejournalisten gebeten, dieses Lebensgefühl für Sie in Worte zu fassen. Sie haben das<br />
mit Freude getan und einige schöne Seiten der flämischen Kultur für Sie beschrieben.<br />
Es ist so einfach, <strong>Flandern</strong> zu entdecken. Den ersten Schritt machen Sie mit dieser Broschüre, den nächsten<br />
können Sie im Internet unternehmen: Unter www.flandern.com finden Sie die komplette Übersicht über die<br />
kulturellen Veranstaltungen, spezielle Hotelangebote und alles, was Sie jemals über <strong>Flandern</strong> wissen wollten.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen – und vergessen Sie auf dem Rückweg nicht, genug Pralinen mit-<br />
zunehmen, um sich an das flämische Urlaubsgefühl zu erinnern oder es mit Familie und Freunden zu teilen.<br />
Pascal De Laet<br />
Direktor <strong>Tourismus</strong> <strong>Flandern</strong>–<strong>Brüssel</strong><br />
11<br />
4 I N H A LT<br />
4 | beginenHöFe<br />
auf den Spuren der<br />
frommen Frauen<br />
Weltkulturerbe in <strong>Flandern</strong>,<br />
Inseln der Besinnung<br />
11 | antWerPen<br />
diamanten und thora<br />
Im Jerusalem des Nordens befin-<br />
det sich das größte Diamanten-<br />
zentrum der Welt<br />
18 | FlOHMärkte<br />
Paradies für Frühaufsteher<br />
Von kultig-bizarr bis edel-nostal-<br />
gisch – <strong>Flandern</strong>s Märkte lassen<br />
Herzen höherschlagen<br />
| MOde antWerPen<br />
„Hartelijk welkom“<br />
Die junge europäische Mode-<br />
metropole gilt als wichtiger<br />
Trendsetter und setzt Maßstäbe<br />
8 | FläMiScHe<br />
MeiSterköcHe<br />
interview: „Mein beruf<br />
ist mein Hobby“<br />
Felix Alen kocht mit Bier<br />
und Leidenschaft<br />
0 | bruegel<br />
Mit Pieter bruegel<br />
übers land<br />
Vor den Toren <strong>Brüssel</strong>s liegt das<br />
Bruegel-Freilichtmuseum<br />
| arcHitektur<br />
Jugendstil in brüssel<br />
Erinnerungen an die Belle Epoque<br />
7 | kuriOSeS<br />
<strong>Flandern</strong> steckt voller<br />
Merkwürdigkeiten<br />
8 | rubenS<br />
die schöne Helena<br />
von antwerpen<br />
Das Lieblingsmotiv des flämischen<br />
Klassikers war seine eigene Frau<br />
www.flandern.com<br />
40<br />
56<br />
51<br />
NORDSEE<br />
FRANKREICH<br />
BRÜGGE<br />
GENT<br />
FLANDERN<br />
BRÜSSEL<br />
MONS<br />
ANTWERPEN<br />
NIEDERLANDE<br />
LEUVEN<br />
BELGIEN<br />
NAMUR<br />
70<br />
HASSELT<br />
LIEGE<br />
AACHEN<br />
LUXEMBURG<br />
KÖLN<br />
DEUTSCHLAND<br />
40 | ScHOkOlade<br />
der kleine leitfaden zum<br />
Stückchen lebenslust<br />
Praktische Tipps für Schokophile<br />
in <strong>Brüssel</strong><br />
44 | belFriede<br />
glocken, die am<br />
Himmel hängen<br />
Die weithin sicht- und hörbaren<br />
Wahrzeichen <strong>Flandern</strong>s<br />
48 | graVenSteen<br />
königreich der Himmel<br />
Das Grafenschloss im Herzen von<br />
Gent ist die imposanteste Kreuzritterburg<br />
Europas<br />
51 | cOMic<br />
rendez-vous in brüssel<br />
Von Lucky Luke bis zu den<br />
Schlümpfen, der bunte Comic-<br />
Strip-Walk führt durch die<br />
Comic-Hauptstadt<br />
6<br />
56 | FietSen<br />
küstenwind<br />
Auf der Küstenradroute die 14<br />
Seebäder der flämischen Nordseeküste<br />
entdecken<br />
6 | <strong>Flandern</strong>S bier<br />
im bierhimmel<br />
Ein Paradies für Alchemisten<br />
und Trappisten<br />
66 | liMburg<br />
kirschen, äpfel und birnen<br />
Mit dem Drahtesel im Obstgarten<br />
<strong>Flandern</strong>s<br />
70 | VlaaMSe<br />
kunStcOllectie<br />
Meisterwerke aus sechs<br />
Jahrhunderten<br />
Die größte Sammlung flämischer<br />
Klassiker in drei herausragenden<br />
Museen<br />
7 | WaSSer<br />
<strong>Flandern</strong>s grachten<br />
Der Reichtum der flämischen<br />
Kunststädte kam über das Wasser<br />
74 | de Haan<br />
urlaubsgrüße aus de Haan<br />
Nostalgie im Seebad aus der<br />
Jahrhundertwende<br />
76 | HauSbOOt<br />
„Mann über bord“<br />
Als Freizeitkapitän(in) durch<br />
flämische Kanäle<br />
78 | terMine 007<br />
Veranstaltungstipps <strong>Flandern</strong><br />
80 | bÜcHerecke<br />
Buchtipps zu <strong>Flandern</strong>
4 . beginenhöfe . auf den spuren der frommen frauen<br />
Auf den<br />
Spuren<br />
der frommen<br />
Frauen<br />
beginenHöFe:<br />
Weltkulturerbe in <strong>Flandern</strong><br />
Hinter schützenden Mauern,<br />
oft umflossen von stillen Grachten,<br />
lehnen sich die Häuser dieser Miniatur-<br />
städtchen im Schatten der Kirchtürme<br />
aneinander. Es sind idyllische architek-<br />
tonische Ensembles von seltener<br />
Geschlossenheit. Ihre beschauliche<br />
Atmosphäre wird den Kenner<br />
heutiger urbaner Zentren nach-<br />
denklich stimmen. Ulrich Traub<br />
Es gehört zu den schönsten Erlebnissen in flämischen Städten,<br />
von den belebten Plätzen der Altstädte zu den oft nur wenige<br />
Schritte entfernten Höfen zu spazieren. Durch ein geschmück-<br />
tes Portal oder ein einfaches Tor tritt man ein in diesen beson-<br />
deren Kosmos. Eine ungewohnte Stille überrascht den Gast.<br />
Man begegnet einzelnen, meist älteren Menschen. Auf ihrem<br />
Weg in die Stadt grüßen sie freundlich. Es scheint ihnen nicht<br />
unangenehm zu sein, in einer Sehenswürdigkeit zu leben.<br />
Andere verschnaufen auf den Bänken, die die Wiese im Zen-<br />
trum einiger Beginenhöfe säumen. Hier und da holpern Fahr-<br />
räder über die Kopfsteinpflastergassen. Und gelegentlich drin-<br />
gen Geräusche aus den Haushalten ans Ohr – das Klappern<br />
von Geschirr oder leise Musik. Urbanes Treiben wähnt man<br />
meilenweit entfernt.
6 . beginenhöfe . auf den spuren der frommen frauen<br />
brÜgge – „ten WiJngaarde“<br />
(ZuM Weingarten)<br />
Verhaltenen Schrittes bummelt man über den baumbestan-<br />
denen Hof in Brügge, wo die Glocken des Kirchleins heute<br />
Benediktinerinnen zur Messe rufen. Gleich neben dem Ein-<br />
gang befindet sich ein kleines, als Museum eingerichtetes<br />
„Begijnhuisje“. Kein anderer Beginenhof wurde so oft be-<br />
schrieben. In Georges Rodenbachs bekannter Brügge-Erzäh-<br />
lung steht er als Beispiel für die einst „tote Stadt“. Auch<br />
andere Dichter konnten sich der Magie des Stiftes nicht ent-<br />
ziehen, wie etwa Rainer Maria Rilke oder Charles Baudelaire.<br />
Öffnungszeiten: April – September, täglich<br />
10 – 12 und 13.45 – 17 Uhr, Eintritt frei<br />
INFO: TOURISMUS BRÜGGE, TELEFON 0032-50-448686<br />
WWW.BRUGGE.BE<br />
Malerisch – der Beginenhof von Lier entstand schon 1258 unter der Schirmherrschaft<br />
der Herzogin Aleidis von Brabant und gilt als einer der ältesten <strong>Flandern</strong>s.<br />
beginenHOF VOn löWen –<br />
eine Stadt in der Stadt<br />
Im weitläufigen Beginenhof von Löwen, wo einst 1 500<br />
Beginen an den Ufern der Dijle ihr gottgefälliges Werk ver-<br />
richteten, leben heute Dozenten und Studenten Tür an Tür.<br />
Im Sommer werden Tische und Stühle auf die Wiesen vor<br />
den Häusern oder in die Vorgärten gestellt und man kommt<br />
bei einem Gläschen schnell ins Gespräch. Die Anonymität,<br />
die das Leben in unseren Städten charakterisiert, ist in den<br />
Beginenhöfen unbekannt. Und manch einer der Besucher<br />
würde sich wohl gerne hierhin zurückziehen.<br />
INFO: TOURISMUS LÖWEN, TELEFON 0032-16-211540<br />
WWW.LEUVEN.BE<br />
Heute dienen die gemütlichen Häuserreihen des Beginenhofes von Lier zum Teil als Sozialwohnungen.<br />
Andere werden privat vermietet. Der Katze scheint das ziemlich egal zu sein.<br />
www.flandern.com 7<br />
beginenHOF VOn lier –<br />
der MaleriScHSte VOn <strong>Flandern</strong><br />
Der „Mandelbaum von Lier“, wie der flämisches Volksdichter<br />
Timmermans das von Straßen und Gassen durchzogene Stift<br />
beschrieben hat, zählt zu den schönsten <strong>Flandern</strong>s.<br />
Der Beginenhof, das sind Häuser aus rotem Ziegelstein, weiß<br />
ausgefugt, mit halbrunden Pforten, an denen Namen stehen<br />
wie „Paradieske“, „Zum lieben Jesu“ oder „Zum unbefleckten<br />
Herzen“. Andere Gebäude tragen so poetische Namen wie<br />
„Stall von Bethlehem“, „Weinberg des Herrn“. Davor Haus-<br />
gärtchen mit Geranien, Samtkissen von Dahlien, Malven,<br />
Rosen in Rosa und Rot und viel Grün. Spät am Nachmittag,<br />
wenn Farben und Stimmung besonders gut mit dem Leben<br />
in alten Gemäuern harmonieren, leuchtet alles in einem<br />
besonderen Licht.<br />
Nicht ohne Grund pilgern Besucher aus aller Welt durch<br />
die Gassen, deren lauschige Winkel bereits Victor Hugo<br />
beschrieb, denn: „Hier glaubt man an Gott mit einem<br />
Stück Speck im Mund.“<br />
INFO: TOURISMUS LIER, TELEFON 0032-34-911393<br />
WWW.LIER.BE<br />
Der große Beginenhof von Mechelen wurde im 13. Jahrhundert gegründet und ist seit dem 16. Jahrhundert innerhalb der Stadtmauern angesiedelt. Kleine Häuschen und verwunschene<br />
Höfchen hinter kleinen Pforten bestimmen das Bild. Seit 1998 steht er – wie auch der Beginenhof von Diksmuide (kleines Foto) – unter dem Schutz der UNESCO.
8 . beginenhöfe . auf den spuren der frommen frauen<br />
Die Frauen führten ein selbstbestimmtes<br />
Leben in einer frei gewählten Gemeinschaft<br />
und in wirtschaftlicher Unabhängigkeit.<br />
daS erbe der beginen<br />
Die Beginenhöfe sind Zeugnisse einer zu Ende gegangenen<br />
Bewegung, deren Anfänge im ausgehenden 12. Jahrhundert<br />
in den blühenden Städten <strong>Flandern</strong>s zu finden sind. Die Be-<br />
ginenhöfe führten lange Zeit ein Schattendasein. Das hat<br />
sich nun geändert. 1998 nahm die UNESCO 13 flämische<br />
Beginenhöfe in die Liste des Weltkulturerbes auf. Sie würdigt<br />
damit nicht nur den Wert dieser architektonischen Kleinode,<br />
sondern ruft auch die Verdienste der Beginen, einer vom Papst<br />
unabhängigen, laienreligiösen Vereinigung, der ausschließlich<br />
Frauen – begüterte wie arme – angehörten, in Erinnerung.<br />
Das Leben als Begine bot eine Alternative zu der Endgültig-<br />
keit, die die Entscheidung für ein Leben als Nonne hatte.<br />
Die Frauen gelobten zwar Keuschheit und verpflichteten sich,<br />
die Regeln, die von der demokratisch gewählten Vorsteherin<br />
festgelegt wurden, zu befolgen. Die Beginen hatten jedoch<br />
jederzeit die Möglichkeit, die Gemeinschaft zu verlassen und<br />
zu heiraten.<br />
Alle waren in Rechten und Pflichten gleichgestellt, was auch<br />
hieß, dass sie für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen<br />
hatten. Sie klöppelten Spitze, zogen Kerzen und webten<br />
Leinen – so erfolgreich, dass sie nicht selten zur Konkurrenz<br />
für das örtliche Handwerk wurden. Unter dem Leitsatz „ora<br />
et labora“ lebten diese „Haushälterinnen Gottes“ genannten<br />
Frauen in solidarischer Bescheidenheit. In sozialer und poli-<br />
tischer Hinsicht wies das Wirken der Beginen revolutionäre<br />
Züge auf. Die einen flüchteten vor der üblichen Zwangsheirat,<br />
andere rettete die Gemeinschaft in den Höfen vor Mittellosig-<br />
keit und Verfolgung. Die Beginen unterrichteten Kinder,<br />
kümmerten sich um die Alten oder pflegten Kranke. Manch<br />
ein Beginenhof hatte ein eigenes Krankenhaus.<br />
Die Frauen führten ein selbstbestimmtes Leben in einer frei<br />
gewählten Gemeinschaft und in wirtschaftlicher Unabhän-<br />
gigkeit. Die Beschlüsse, die in den Höfen getroffen wurden,<br />
erkannten die Magistrate der Städte an. Das war in jener Zeit<br />
alles andere als normal. Schnell fand die flämische Beginen-<br />
bewegung auch in anderen Ländern Anhänger. Der Erfolg<br />
schaffte Neider und es blieb nicht bei missgünstigen Blicken<br />
und ketzerischen Bemerkungen. Inquisition und Reformation,<br />
Aufklärung und Französische Revolution setzten den Beginen<br />
mächtig zu. Am längsten konnten sie sich in <strong>Flandern</strong><br />
behaupten.<br />
ÜbERNAcHtuNGS-tIpp<br />
Stilvoll übernachten in einer Wohnung des<br />
beginenhofes. Die 41 beginenhäuschen<br />
bilden ein geruhsames Dorf im Herzen der<br />
Altstadt von Kortrijk.<br />
Begijnhof 22 – 23, 8500 Kortrijk<br />
Telefon 0032-56-228374<br />
http://users.belgacom.net/begijnhofkortrijk<br />
Stille Einkehr im beginenhof<br />
der Hansestadt brügge
www.thalys.com<br />
Nächster Halt:<br />
Ganz<br />
Belgien.<br />
Egal, welcher Zielbahnhof in Belgien,<br />
Ihre Thalys-Fahrkarte genügt. Entdecken<br />
Sie den Tarif “Alle belgischen Bahnhöfe”<br />
Reisen Sie in ganz Belgien für ein paar Euro mehr. Mit dem Tarif "Alle belgischen<br />
Bahnhöfe" gilt Ihre Thalys-Fahrkarte auch für die innerbelgischen Züge ab<br />
<strong>Brüssel</strong>-Midi. Bedingungen für dieses Tarifangebot und Reservierungen an<br />
den üblichen Verkaufsstellen und unter www.thalys.com<br />
www.flandern.com 11<br />
Antwerpen:<br />
und Thora<br />
Auf dem quirligen Loos plaats radeln Männer in schwarzseidenen Kaftanen um<br />
die Wette. Auf den Köpfen tragen sie pelzverbrämte „schtrajml“-Hüte, ihre bleichen<br />
Gesichter schmücken kräftige bärte, die Schläfen zieren lange Korkenzieherlocken.<br />
Siggi Weidemann
1 . antwerpen . diamanten und thora<br />
Die „péjess“-Locken wehen beim eiligen Radeln wie Fähnchen im Wind.<br />
Von rechts kreuzt eine Gruppe von Halbwüchsigen mit Scheitelkäppchen auf den<br />
kurz geschnittenen Haaren. Frauen in züchtigen langen Röcken schieben Kinderwagen.<br />
Sie tragen „schtérntichlech“, Kopftücher mit perücken darunter. Die eigenen Haare<br />
dürfen sie nicht zeigen, das verbieten uralte jüdische Gesetze.<br />
Wir befinden uns im Getto von Antwerpen. Die Hafenstadt<br />
ist die einzige europäische Stadt, in der außer orthodoxen<br />
und sephardischen Gemeinden auch chassidische Gruppen<br />
streng nach den Geboten der jüdischen Gesetze leben und<br />
miteinander jiddisch sprechen.<br />
Das jüdische Leben spielt sich auf etwa einem Quadratkilo-<br />
meter links und rechts vom kathedralenähnlichen Bahnhof ab.<br />
Die Bahnhofskuppel, die wie ein überdimensionierter Reliqui-<br />
enschrein über den Bahnsteigen liegt, beherrscht das Getto,<br />
in dem die Thora den Rhythmus des Gehens und die Rock-<br />
länge der Frauen bestimmt. Der hebräisch-venezianische<br />
Name „Ghetto“, in vielen Sprachen ein Synonym für Juden-<br />
viertel und diskriminierende Abgrenzung, hat hier keinen<br />
faden Beigeschmack. In den Schaufenstern stehen siebenar-<br />
mige Chanukka-Leuchter. An vielen Türen und Fenstern kleben<br />
winzige „Mesua“-Kapseln, in denen Zitate aus den heiligen<br />
Schriften der Juden enthalten sind und die Schutz gewähren<br />
sollen vor bösen Geistern und bösen Menschen „Wir leben in<br />
der weltweit einzigen Stadt, in der sich die Herde Jacobs zu<br />
einer Gemeinde zusammengefunden hat“, sagt der 57 Jahre<br />
alte Gemeindedirektor Jacques Wenger.<br />
„Die Herde Jacobs“ ist das Synonym für die Gemeinschaft der<br />
Orthodoxen. „Die Tradition der Toleranz hier in Antwerpen<br />
hat es den Juden ermöglicht, dass sie hier ihre Wurzeln haben<br />
und sich wohl fühlen. Es gibt keine zweite Stadt in Europa, in<br />
der wir Juden ungezwungener und selbstverständlicher leben<br />
können als hier“, sagt Wenger. In der Scheldestadt hat Jerusa-<br />
lem seine nördliche Dependance.<br />
und Hier, iM JÜdiScHen Viertel, beFindet SicH<br />
daS gröSSte diaMantenZentruM der Welt.<br />
Hoveniersstraat, Welthauptstraße des Diamantenhandels. Bloß<br />
nicht stehen bleiben. Wer stehen bleibt, macht sich verdächtig.<br />
Manche der schwarz gekleideten Männer in der stark gesicher-<br />
ten Fußgängerzone haben Aktentaschen aus dunklem Rinds-<br />
leder mit silbernen Kettchen am Handgelenk oder am Gürtel<br />
befestigt. In den meisten dieser Taschen sind Vermögen – in<br />
Geld oder in Diamanten. Hier herrscht eine Atmosphäre wie<br />
in Mea Shearim, dem orthodoxen Viertel von Jerusalem.<br />
Die Männer tragen unter den pelzverbrämten „schtrajml“-<br />
Mützen eine „Jarmulke“, ein kreisförmiges Stück Stoff oder<br />
Leder, das mit einer Klammer am Haar befestigt ist. Aus dem<br />
langen schwarzen Kaftan schaut das krawattenlose weiße<br />
Hemd heraus. Wie vor Jahrhunderten tragen manche noch<br />
Kniebundhosen, weiße Strümpfe und ungeschnürte Schuhe.<br />
Bilder wie auf einem Vorkriegsfoto.
14 . antwerpen . diamanten und thora<br />
Gucken kostet nichts! Die Schaufenster in der Diamantenmetropole Antwerpen erstrahlen im Glanz kostbarer Edelsteine. Die Lupe ist übrigens das wichtigste Instrument<br />
der Diamantenhändler und -schleifer. Mit ihrer Hilfe werden die Steine zunächst begutachtet, bewertet und schließlich für den Verkauf bearbeitet.<br />
Acht von zehn Rohdiamanten der Weltproduktion und mehr<br />
als die Hälfte aller geschliffenen Steine werden hier verkauft.<br />
Der jährliche Umsatz liegt bei rund 25 Milliarden Euro. Doch<br />
die Menge der hier alljährlich umgeschlagenen Edelsteine<br />
passt in einen kleinen Lieferwagen.<br />
Im Antwerpener Edelsteingeschäft sind – direkt oder indirekt –<br />
etwa 26 000 Menschen beschäftigt. Diamantenmakler und<br />
-großhändler, Einzelhandelsverkäufer, Schleifer, Banker. Sie<br />
alle eilen und stehen im Dienst von Adamas, dem Unbezwing-<br />
baren – von diesem griechischen Wort leitet sich Diamant<br />
ab. Sie hasten von einem der vielen Juweliergeschäfte zum<br />
anderen oder zu einer der vier Antwerpener Diamantenbör-<br />
sen. Unterwegs rufen sie sich, ohne anzuhalten, Neuigkeiten<br />
und Börsenkurse zu. Fremde, die fotografieren oder zu lange<br />
starren, werden weggescheucht.<br />
Fremde gelten hier als Kipler, zu Deutsch: Plagegeister. Das<br />
ganze Viertel wird von Fernsehkameras überwacht, elektro-<br />
nisch gesicherte Drehkreuze versperren den freien Zutritt zu<br />
den Läden und Schleifereien. Die Türen öffnen sich erst, wenn<br />
man seinen Reisepass hinterlegt und eine Sesam-Karte in<br />
einen Schlitz geschoben hat. Jeder hat nur einen Versuch.<br />
Dann blockiert der Mechanismus. Ist mir auch passiert.<br />
Das Heiligtum in der „Beurs voor Diamantenhandel“ ist der<br />
Börsensaal. Er strahlt die Atmosphäre eines Lesesaals in einer<br />
öffentlichen Bibliothek aus. An den langen, breiten Holz-<br />
tischen in dem 46 Meter langen und neun Meter hohen Raum<br />
sitzen sich die Händler gegenüber. Der Händler Rafael Shafeld<br />
lässt mich, den Fremden, einen Blick in das offene Kuvert tun,<br />
das vor ihm auf dem Tisch liegt. Und vor meinen Augen liegt<br />
ein Schatz. Ein Haufen Rohdiamanten. So ein ungeschliffener<br />
Stein fühlt sich glatt und samtig an wie eine Quitte. Der 23-<br />
Jährige ist seit drei Jahren im Diamantenhandel tätig, man<br />
glaubt ihm gern, dass ihm der Handel mit den Steinchen Spaß<br />
macht. „Hier gewöhnt man sich an den Umgang mit großen<br />
Vermögen“, lacht er. Dann widmet er sich wieder seinem<br />
Handelspartner. Gemeinsam untersuchen sie die Steine mit<br />
der Lupe. Ihr Verkaufsgespräch führen Shafeld und sein Part-<br />
ner auf Jiddisch. Wer hier nicht Jiddisch kann, ist geschäftlich<br />
benachteiligt. Shafeld verabschiedet sich mit einem freund-<br />
www.flandern.com<br />
lichen „a gut johr“. Das heißt: „Guten Tag“. Die Diamanten-<br />
börse kennt keine Kurse, keine Elektronik und auch keinen<br />
bürokratischen Firlefanz. Man braucht keine Verträge, man<br />
schließt Geschäfte per Handschlag ab – auch mit Händlern<br />
anderer Religionen. Die Besiegelungsfloskel gilt auch für Inder,<br />
Araber, Japaner und Europäer: „Mazel U‘bracha“ – Glück und<br />
Segen. Wenn dieser jiddische Segensspruch ausgesprochen<br />
ist, ist der Handel nicht mehr rückgängig zu machen – auch<br />
wenn der Käufer hinterher feststellt, dass er ein schlechtes<br />
Geschäft gemacht hat. An Wandtafeln hängen nicht nur<br />
Lost-and-Found-Listen, auf denen verloren gegangene Steine<br />
beschrieben werden, sondern auch Steckbriefe unseriöser<br />
Händler. „Wer sich nur die kleinste Unehrlichkeit zuschulden<br />
kommen lässt, wird weltweit von allen 19 Diamantenbörsen<br />
ausgeschlossen“, erklärt uns Lucien Cornelissens, Direktor<br />
der Börse. Beim Lunch in der koscheren Kantine gehen die Ge-<br />
schäfte oft weiter. Dann liegt manchmal neben dem Teller mit<br />
„gefillte fish“ und dem Glas koscheren Bordeaux ein Papier-<br />
Noch schnell erfolgt eine Transaktion am Telefon, bevor sich dieser jüdische Diamantenhändler<br />
in den Trubel der Diamantenbörse von Antwerpen begibt. In der flämischen Hafenstadt<br />
werden acht von zehn Rohdiamanten der Weltproduktion und mehr als die Hälfte<br />
aller geschliffenen Steine verkauft.<br />
kuvert voller Diamanten. Besucher von Diamondland können<br />
bei Diamantenschleifer Frank Fabecke zusehen, wie aus einem<br />
rohen Stein von sieben Karat ein geschliffener Stein von 2,61<br />
Karat wird. „Für mich ist jeder Stein eine Persönlichkeit“, sagt<br />
der 42-jährige Handwerker. „Hier, siehst du, diese Kante muss<br />
man noch abschleifen. Die gesamte Schnittfläche weist noch<br />
ganz winzige Löcher auf. Da wird einiges geopfert werden<br />
müssen. Vielleicht kann ich ihn noch etwas trimmen.“ Bei der<br />
Beurteilung eines Steines sind die vier „C“ zu berücksichtigen:<br />
Colour (Farbe), Clarity (Reinheit), Cut (Schliff) und Carat<br />
(Gewicht). Daher sollte man Diamanten mit einem ADJA-<br />
oder HDR-Zertifikat kaufen.<br />
are a girl‘s<br />
best friend<br />
Es geht gut mit dem Verkauf von Diamanten in Antwerpen.<br />
Nicht nur, weil es hier die große Auswahl gibt, sondern weil<br />
sie hier auch billiger sind. Außerdem macht es Spaß, all die<br />
Glitzersteine zu sehen. Und so reisen am Wochenende vor<br />
allem Pärchen an, um sich beraten zu lassen und zu kaufen.<br />
Kostbare, mit Diamanten verzierte Geschmeide – in Antwerpen nichts Außergewöhnliches,<br />
aber nicht für jeden Geldbeutel erschwinglich. Allerdings sind Schnäppchen möglich, denn in<br />
Antwerpen ist die Auswahl riesig und man kauft billiger ein als in Deutschland.<br />
15
16 . antwerpen . diamanten und thora<br />
Experten untersuchen die Steine vor dem Verkauf und bewerten Farbe,<br />
Reinheit, Schliff und Gewicht. Der jährliche Umsatz beträgt etwa<br />
25 Milliarden Euro.<br />
Viele kaufen auch nur Steine, die sie dann von ihrem Juwe-<br />
lier daheim fassen lassen. Warum beflügeln Diamanten die<br />
Phantasie, warum entfesseln sie mehr Leidenschaften als jeder<br />
andere Stoff auf Erden? Marilyn Monroe hat es schön dahin-<br />
gehaucht: „Diamonds are a girl‘s best friend.“<br />
Nicht alle Juden leben vom Handel, Schleifen, Spalten, Abko-<br />
chen oder Verkauf der glänzenden „awóhim-yojw“, der guten<br />
Steine. Es gibt die „De Heimishe Bakkerij“, den Schlachter<br />
Mosche Steinmetz, den Apotheker Silberglanz, Konfektions-<br />
geschäfte und Kramläden. Alles, was hier verkauft wird, ist auf<br />
rituelle Reinheit überprüft worden – sogar das Waschpulver<br />
namens „Biwitt“. Es ist Hochbetrieb im koscheren Restaurant<br />
„Hoffy‘s Take Away“. Einige Juden und viele Fremde. Gastro-<br />
nom Benjamin Hoffman rückt sein schwarzes Keppeltje zu-<br />
recht, krault sich nachdenklich den Vollbart und sagt zuver-<br />
sichtlich: „Inzwischen haben uns die Touristen entdeckt.<br />
Das ist schön.“ Und wir wären nicht unter Juden, wenn wir<br />
nicht noch einen Witz erzählt bekämen: „Ein Rabbi bestellt<br />
eine neue Hose, der Schneider liefert sie aber erst nach sechs<br />
Alles, was in dem koscheren Restaurant „Hoffy’s Take Away“ verkauft wird,<br />
ist zuvor auf die rituelle Reinheit überprüft worden. Es schmeckt ausgezeichnet!<br />
Wochen. Der Rabbi fragt ihn vorwurfsvoll: „Warum brauchst<br />
du so viel Zeit für eine Hose? Gott schuf die Welt in sieben<br />
Tagen!“ Der Schneider antwortet: „Nebbich, Rabbi, schau dir<br />
doch nur die Welt an und vergleiche sie mit diesem Meister-<br />
werk von einer Hose.“<br />
DIAMANtEN-tIppS:<br />
Diamondland<br />
Appelmansstraat 33 A, 2018 Antwerpen<br />
Telefon 0032-3-2292990<br />
www.diamondland.be<br />
Diamantmuseum provincie Antwerpen<br />
Koningin Astridplein 19 – 23, 2018 Antwerpen<br />
Telefon 0032-3-202490<br />
www.diamantmuseum.be<br />
GAStRoNoMIE-tIpp:<br />
Hoffy‘s<br />
Lange Kievitstraat 52, 2018 Antwerpen<br />
Telefon 0032-3-2343535<br />
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best friend<br />
Wo’s hingeht …<br />
Wo’s langgeht …<br />
Was los ist …<br />
<strong>Flandern</strong>s Städte –<br />
Freilichtmuseen der anderen Art<br />
Antwerpen<br />
Plaza Hotel ||||<br />
2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />
Brügge<br />
Hotel Aragon ||||<br />
Pro Person im DZ ab º 102<br />
2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />
Pro Person im DZ ab º 124<br />
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Antwerpen, Brügge, <strong>Brüssel</strong> und Gent bieten sich an, um Kunst vom Mittelalter, über die Renaissance bis in die Belle Epoque zu bewundern.<br />
Mit unserem Angebot an Urlaubs- und Erlebnisbausteinen im Katalog „DERTOUR Städtereisen“ Sommer 2007 reisen Kunstliebhaber<br />
und alle, die es werden wollen, in längst vergangene Zeiten.<br />
<strong>Brüssel</strong><br />
Silken Berlaymont Brussels ||||<br />
2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />
Pro Person im DZ ab º 102<br />
Gent<br />
Ibis Gent Centrum Opéra ||<br />
2 Nächte inkl. Frühstück und Vista Point Reiseführer<br />
Pro Person im DZ ab º 70
18 . flohmärkte . paradies für frühaufsteher<br />
Paradies für<br />
Frühaufsteher Morgenstund<br />
Von kultig-bizarr bis edel-nostalgisch präsentieren sich die flämischen Flohmärkte.<br />
Kunst und Kitsch, Nippes und Ramsch, aber auch hochwertige Antiquitäten und<br />
Raritäten zu Spitzenpreisen lassen auf den Antik- und trödelmärkten die Herzen<br />
moderner Jäger und Sammler höherschlagen. Der Hauch der Geschichte, den<br />
besucher in Städten wie tongeren, brügge oder Antwerpen spüren, wird dort<br />
in kleinen und großen Alltags- und Luxusgegenständen sicht- und greifbar – und<br />
ist oft erschwinglich. Was Sie allerdings beachten sollten: Wer zuerst kommt,<br />
mahlt zuerst! Herbert Graf<br />
hat Gold im Mund! Das gute alte Grammophon<br />
wird nun bald das Wohnzimmer der jungen Dame schmücken.<br />
tOngeren – iMMer Wieder SOnntagS<br />
Jeden Sonntag wird <strong>Flandern</strong>s älteste Stadt – schon im<br />
1. Jahrhundert ließen sich hier die alten Römer nieder –<br />
zum Treffpunkt der Jäger und Sammler. Wie unsere Vorfahren<br />
streifen dann moderne Nomaden und Glücksritter schon in<br />
aller Herrgottsfrühe durch die romantisch-gemütliche Stadt,<br />
die nur rund 60 Kilometer von Aachen entfernt liegt. Entlang<br />
am mittelalterlichen Leopoldwall zieht es die aufmerksam<br />
beobachtenden Zeitgenossen hin zur Maastrichenstraat oder<br />
zum Veemarkt in der Altstadt. Dabei haben sie die Klapptische<br />
hunderter Händler stets fest im Blick: immer auf der Suche<br />
nach antiken Leuchtern, Schmuck, Silberwaren, Möbeln, aber<br />
auch einfachem und dennoch gut erhaltenem Trödel von<br />
anno dazumal. Der frühe Vogel fängt den Wurm, das ist ihre<br />
Selbst tim ist auf dem Flohmarkt von<br />
tongeren zu finden. Aber wo hat er seinen<br />
treuen Freund Struppi gelassen?<br />
Devise. Der Antik- und Flohmarkt von Tongeren gilt nicht<br />
umsonst als einer der größten Europas und ist auch internati-<br />
onal eine Institution. Auffallend viele Möbel und Kleinmöbel<br />
wie Beistelltische oder Kommoden sind hier aufgereiht – auch<br />
bei Wind und Wetter. Schnell flüchten sich dann die Besucher<br />
in die nahe gelegene gewaltige Eburonenhalle, in der eben-<br />
falls munter getrödelt wird. Unter der Woche bieten dort<br />
die Gemüse- und Fischhändler ihre frischen Waren an. Nicht<br />
alle Besucher sind jedoch auf der Jagd nach dem ultimativen<br />
Schnäppchen. Vielmehr kommen die meisten, um zu gucken,<br />
sich dem Hauch der Geschichte und der Patina der dargebo-<br />
tenen Gegenstände hinzugeben. Und erliegen dabei nicht<br />
selten dem Charme dieses außergewöhnlichen Marktes, um<br />
sich schließlich bei einem guten Bier oder einem Kaffee noch<br />
einmal über den soeben abgeschlossenen Handel zu freuen.
0 . flohmärkte . paradies für frühaufsteher<br />
brÜSSel – Jeden tag trödeln<br />
Das Wühlen in Schmuck und Strass, in Nippes und Plunder, in<br />
laut angepriesenen Ausverkäufen und unzähligen Haufen von<br />
Krimskrams ist nicht nur eine Leidenschaft der <strong>Brüssel</strong>er, son-<br />
dern aller Besucher des Flohmarktes am Place du Jeu de Balle.<br />
Im Herzen der Marollen – das Viertel des einfachen Volks –<br />
hofft jeder auf sein Schnäppchen, das sich vielleicht zu Hause<br />
und nach erfolgter Expertise doch noch als Glücksgriff erweist.<br />
Wo einst zum Tode Verurteilte öffentlich gehängt wurden,<br />
Prostituierte, Alkoholiker und verkannte Künstler gemeinsam<br />
ihr tristes Leben fristeten, hat der beliebte Trödelmarkt 1873<br />
seine Heimat gefunden. Täglich wechseln hier unzählige<br />
Gegenstände den Besitzer. Wenn allerdings an Sonntagen<br />
Touristen das Viertel bevölkern, kostet ein Plüsch-Elefant auf<br />
Rädern im Trubel der Menschenmassen schon einmal das<br />
Doppelte dessen, zu dem er werktags üblicherweise feilge-<br />
boten wird. Ein wenig gemächlicher geht es hingegen im<br />
Schatten der mächtigen Gotikkirche Notre-Dame am Place<br />
Du Grand Sablon zu. Antiquitätenliebhaber aus aller Herren<br />
Länder erstehen hier qualitativ hochwertige Möbel und Ge-<br />
mälde sowie Porzellan zu einem durchaus realistischen Preis,<br />
Fachwissen sollte allerdings mitgebracht werden. Natürlich<br />
gilt auch hier wie auf allen Märkten <strong>Flandern</strong>s: Wer zu lange<br />
schläft, wacht zu spät auf – für ein wirkliches Schnäppchen<br />
oder zumindest für eine Entdeckung!<br />
Einkaufsmeile: Jeden Sonntag<br />
wird in tongeren gebummelt.<br />
Reges treiben auf dem Flohmarkt<br />
am place du Jeu de balle in brüssel.<br />
tIppS: FLoH- uND ANtIKMäRKtE IN FLANDERN<br />
ANtWERpEN Samstags (9 – 17 Uhr) Lijnwaadmarkt,<br />
sonntags (Ostern – Oktober, 9 – 17 Uhr) St. Jansvliet,<br />
sonntags (8 – 13 Uhr) Arsenaalplaats<br />
bRÜGGE Samstags & sonntags (15.03.–15.11.,10 – 18<br />
Uhr) am Dyver; 3.7.,14.8., 25.9. (7 – 19 Uhr) ‘t Zand<br />
bRÜSSEL Samstags (9 – 18 Uhr), sonntags (9 – 14 Uhr)<br />
Place du Grand Sablon; Place du Jeu de Balle täglich<br />
GENt Freitags – sonntags (8 – 13 Uhr), an der St. Jakobskirche;<br />
Vogelmarkt sonntags (7 – 13 Uhr) Vrijdagmarkt<br />
toNGEREN Sonntags (5 – 13 Uhr) historische Stadtmauer,<br />
Altstadt<br />
<strong>Flandern</strong> – FlOHMärkte Satt<br />
Nahezu in jeder Stadt wird – meist sonntags – ein Trödelmarkt<br />
ausgerichtet. Zu den bekanntesten zählen neben dem Ton-<br />
gerer und den <strong>Brüssel</strong>er Märkten die von Gent, Brügge und<br />
Antwerpen. Gut besucht sind jedoch auch Spezialmärkte wie<br />
etwa der berühmte Blumenmarkt von Gent auf dem Kouter,<br />
wo die schönsten Blumengebinde in leuchtenden Farben er-<br />
strahlen. <strong>Flandern</strong>s größter Antiquitäten- und Flohmarkt findet<br />
dagegen dreimal im Jahr im historischen Zentrum der Hanse-<br />
stadt Brügge statt, während der Rubensmarkt in Antwerpen<br />
der seltenste <strong>Flandern</strong>s ist: Er lockt lediglich einmal im Jahr die<br />
Scharen, am 15. August, Mariä Himmelfahrt. Die der Meister<br />
schon um 1625 so unvergessen auf die Leinwand bannte.
Hartelijk<br />
welkom!<br />
www.flandern.com<br />
Futuristisches Ambiente im hippen Antwerpen: Der „Fish & Chips”-Fashion-Store in<br />
der Kammenstraat ist ein beliebter Treffpunkt der gestylten Jugend. Hier werden bei<br />
schrillen Beats die neuesten Streetware-Trends verkauft. Recht schrill präsentiert sich<br />
auch Walter Van Beirendonck (Foto links).<br />
Dieser Typ ist eine Wucht: Walter Van Beirendonck – ein Name<br />
wie ein Felsbrocken, Statur und Outfit wie ein Biker. Mit dem<br />
aufgetakelten Modevolk hat der Mann so wenig gemein wie<br />
der spindeldürre Lagerfeld mit einem Bauarbeiter. Und doch<br />
ist Van Beirendonck Designer, Kurator, Künstler, Dozent und<br />
Strippenzieher der belgischen Modeszene, der gerade überall<br />
bejubelt wird. Raf Simons, einer seiner Zöglinge, ist seit<br />
kurzem Chef-Designer von Jil Sander, und der erst 29-jährige<br />
Olivier Theyskens aus <strong>Brüssel</strong> entwirft mit großem Erfolg für<br />
das französische Modehaus Rochas. Im Gegensatz zu Karl<br />
Lagerfeld ist Van Beirendonck mit beiden Beinen auf dem<br />
Boden geblieben, zwar auf dem seiner eigenen, total verrück-<br />
ten Walter-Welt, aber doch immerhin. Anders kann ich mir die<br />
Tatsache nicht erklären, dass ich ihn an diesem stinknormalen<br />
Samstag rein zufällig in seinem galerieähnlichen Geschäft in<br />
Mut zuM experiMent Mit neuen Farben und Schnitten in der<br />
total verrückten Walter-Welt: die kollektion Walter van<br />
beirendonckS in SeineM kunStvoll auSStaFFierten MiultiStore<br />
„Walter“ in der St. antoniuSStraat.<br />
Wer Mal da War, kOMMt iMMer Wieder ZurÜck. antWerPen Hat näM-<br />
licH MeHr Zu bieten, alS in einen einZigen WOcHenendtriP HineinPaSSt:<br />
reiZende MenScHen, auFregende MOde, cOOle geScHäFte. kultur, WOHin<br />
Man ScHaut – und Jede Menge ÜberraScHungen. Kerstin Moeser<br />
der St. Antoniusstraat treffe. Mich einfach so durch Antwerpen<br />
treiben zu lassen – das hatte ich mir morgens beim Aufstehen<br />
vorgenommen. Ein paar hübsche Cafés in der Altstadt testen,<br />
an der Uferpromenade der Schelde entlangspazieren und<br />
natürlich die grandiosen Geschäfte durchkämmen. Dass<br />
sich nicht viel später die mit klobigen Silberringen besteckte<br />
Pranke des mächtigen Walter (der Name kommt übrigens von<br />
dem althochdeutschen Wort „walten“, was so viel bedeutet<br />
wie herrschen) auf meine Schulter legen würde, hätte ich im<br />
Leben nicht gedacht.<br />
Als ich kurz zuvor bei „Walter“ – wie sein kunstvoll ausstaffie-<br />
rter Multilabel-Store heißt – eingerückt war, rauschte sofort<br />
eine japanische Verkäuferin heran, drückte mir ein Gläschen<br />
Prosecco in die Hand und zwitscherte mit breitem Grinsen
4 . mode in antwerpen . hartelijk welkom<br />
wieder ab. Beschwingt und bester Dinge setzte ich meine<br />
Reise durch den riesigen Laden fort, tagträumte von einem<br />
Geldregen und traf plötzlich auf den Großmeister höchst-<br />
persönlich. Jetzt nicht lange fackeln, hin da, dachte ich<br />
mir, und voilà! Nach kurzem Begrüßungsgeplänkel frage<br />
ich, ob wir ein Foto von ihm machen dürfen. „Klar“, sagt<br />
er und bringt sich in Pose. „Aber was ist mit dir, willst du<br />
zum Andenken nicht auch mit drauf?“, ruft er dann. Puh,<br />
unverhofft kommt in dieser Stadt wirklich oft. Was soll’s:<br />
Ich rücke näher und bin tief beeindruckt, wie entspannt<br />
und reizend dieser Mann ist. Denn eigentlich gilt Walter<br />
Van Beirendonck als Enfant terrible der „AntwerpSix“, jener<br />
legendären Designer-Truppe, zu der noch Ann Demeule-<br />
meester, Dirk Bikkembergs, Dries Van Noten, Marina Yee<br />
und Dirk Van Saene zählten – die Mitte der 80er Jahre mit<br />
Antwerpen hat Stil.<br />
Und das Beste: Man braucht nicht<br />
mal einen Stadtplan, so nah liegt<br />
hier alles beieinander.<br />
ihrer Anti-Mode international für Aufsehen sorgten. Durch<br />
ihre entschlossene Abkehr vom Gefälligen und ihren Mut<br />
zum Experimentieren mit Farben und neuen Schnitten<br />
eroberten die sechs Absolventen der renommierten König-<br />
lichen Akademie der Schönen Künste die Modewelt.<br />
Und brachten einen Ort ins Gespräch, der bis dahin im<br />
internationalen Designer-Zirkus keine Rolle gespielt hatte.<br />
Heute, gut 20 Jahre später, hat sich Antwerpen seinen<br />
www.flandern.com 5<br />
Status als das Mekka der Mode-Avantgarde gesichert. Die<br />
450 000-Einwohner-Stadt hat aber nicht nur Style, sondern<br />
auch Stil. Die Gemütlichkeit der gotischen Gildehäuser, das<br />
majestätische Flair der Jugendstilvillen im Süden der Stadt,<br />
die edlen Konsumtempel und die urigen Art-déco-Läden<br />
versprühen unvergleichlichen Charme. Eine Weltstadt,<br />
aber überschaubar. Wer shoppen will, braucht nicht mal<br />
einen lästigen Stadtplan, so nah liegt hier alles beieinander.<br />
Unbedingt empfehlenswert ist aber das Büchlein „Antwerp<br />
Fashion Walk“ (gibt’s in der Touristeninformation oder im<br />
Buchladen „Copyright“ des Modemuseums auf der Natio-<br />
nalestraat). Mit dieser Lektüre beginne ich den Tag am Het<br />
Dagelijks Brood, einem wunderhübschen Bäckerei-Café in<br />
der Steenhouwersvest. Bevor morgens die Geschäfte auf-<br />
machen, trifft sich hier die Modegemeinde. Man frühstückt<br />
an einem langen Holztisch vor einer hellen Marmortheke<br />
im Jugendstildekor. Es duftet nach frischen Kaffeebohnen<br />
und warmen Croissants. Das Brot wird im Weidenkorb<br />
serviert, der Milchkaffee in einer Keramikschale. Hätte mir<br />
nicht zufällig jemand erzählt, dass dieses Café ein Ableger<br />
der Franchise-Kette Le Pain Quotidien ist, ich hätte mich<br />
in einem der ältesten Familienbetriebe der Stadt gewähnt.<br />
Nach dem Frühstück begebe ich mich auf Shopping-Tour.<br />
Doch weit komme ich nicht. Zwei Häuser nebenan, bei Epi-<br />
sode, dem besten Secondhand-Laden, den ich je gesehen<br />
habe, muss ich zunächst die Regale plündern. Meine pass-<br />
able Ausbeute: ein enges gepunktetes Kleid, ein giftgrüner<br />
Trenchcoat und eine hippe Tunika für insgesamt 60 Euro –<br />
was für geniale Schnäppchen! Ich ziehe weiter Richtung<br />
Nationalestraat, über die bekannteste Designer-Meile
6 . mode in antwerpen . hartelijk welkom<br />
Antwerpens. Hier befindet sich auch das barocke Modepalais<br />
des grandiosen Avantgarde-Designers Dries Van Noten. Nicht<br />
nur die Mode-Journalisten lieben Van Notens opulent-fröhlichen<br />
Stil, der ganz ohne Werbung, ja sogar ohne Logo auskommt.<br />
Und über die Kammerstraat gelange ich schließlich<br />
in die Lombardenstraat.<br />
Die Boutique AVe, von außen unscheinbar, entpuppt sich<br />
als mein persönliches Shopping-Paradies. Inhaberin Annick<br />
Vande-Cappelle schneidert aus antiken Stoffen und alten Klamotten<br />
umwerfende Glockenröcke und Kostüme im 50er-<br />
Jahre-Stil. „Ich entwerfe Mode für Cinderellas“, sagt sie. Wahrscheinlich<br />
meint sie mich, denn ich werde schwach bei dem<br />
Anblick der korallenfarbenen Strickjäckchen mit Marienkäfer-<br />
Insider-Tipps für Antwerpen<br />
EINKAuFEN<br />
aVe, Lombardenstraat 18,<br />
Telefon 0032-3-2274401<br />
Öffnungszeiten:<br />
Do., Fr. + Sa., 11 – 18 Uhr<br />
Märchenhaft verspielte Vin-<br />
tage-Couture und Accessoires<br />
im 50er-Jahre-Stil<br />
chucks von bernhard Willhelm<br />
im „Walter“–Store<br />
clinic, De Burburestraat 5,<br />
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Multilabel-Store mit Café<br />
im Süden der Stadt<br />
cocodrillo,<br />
Schuttershofstraat 9,<br />
Telefon 0032-3-2332093<br />
Bester Schuhladen in<br />
Antwerpen (u. a. Sergio Rossi,<br />
Dries Van Noten)<br />
episode,<br />
Steemjpiwersvest 34 a,<br />
Telefon 0032-3-2343414<br />
Bester Secondhand-Laden,<br />
riesige Auswahl, gute Preise<br />
Fish & chips,<br />
Kammenstraat 36 – 38,<br />
www.fishandchips.be<br />
Erste Street-Fashion-Adresse<br />
Zoé & James, Kammenstraat<br />
69, Telefon 0032-3-2880915<br />
Flagship-Store der Designerin<br />
Ann-Sophie de Campos<br />
knöpfen und bin entzückt von den Broschen der Schmuck-<br />
Künstlerin Lea Stein. „Will ich alles haben“, schreit es aus den<br />
Tiefen meiner Seele. Mein letzter Weg führt ins Strantwerpen,<br />
Antwerpens ersten und einzigen Beach-Club.<br />
Er liegt direkt am Scheldeufer, nicht weit von Het Zuid entfernt,<br />
dem trendigen Szeneviertel im Süden der Stadt. Nach<br />
einem kurzen Gespräch mit Inhaber Karim kommt seine<br />
Freundin auf mich zu: „Hallo“, sagt sie, „du bist also auch aus<br />
Hamburg.“ Ein Bier später stellen wir fest, dass wir gemeinsame<br />
Bekannte haben. Ihren Job für Gucci hat Ann lange Zeit<br />
von Hamburg aus gemacht, erst vor kurzem kam sie nach<br />
Antwerpen. „Die Stadt ist einfach der Wahnsinn“, sagt sie.<br />
Ich würde eher sagen: eine Wucht!<br />
Verso,<br />
Lange Gasthuisstraat 9 – 11<br />
www.verso.be<br />
Edler Shopping-Tempel im<br />
Art-déco-Stil<br />
AuSGEHEN<br />
entrepot du congo,<br />
Vlaamsekaai 42,<br />
Telefon 0032-3-2389232<br />
Gutes Restaurant<br />
Het dagelijks brood,<br />
Steenhouwersvest 48,<br />
Telefon 0032-3-2267613<br />
Das perfekte Frühstück<br />
Strantwerpen, Scheldekaai<br />
14 B , Tel. 0032-3-6103630,<br />
www.strantwerpen.be<br />
Beach-Club an der Schelde<br />
Vasen-Deko bei AVe<br />
ÜbERNAcHtEN<br />
charles rogier Xl,<br />
Karel Rogierstraat 11,<br />
mobil 0032-475-299989<br />
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<strong>Flandern</strong>s Küste, alles was zu<br />
einem schönen Urlaub<br />
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Ob zu zweit oder mit der ganzen Familie.<br />
An <strong>Flandern</strong>s Küsten finden Familien bei jeder Wetterlaune<br />
Ihren feuchtfröhlichen Badespaß. Ob an der Küste<br />
oder im tropischen Badeparadies "Aquafun" in den<br />
beiden Sunparks in De Haan und Oostduinkerke.<br />
Sie möchten die flämische Gastfreundschaft, Kultur und<br />
Küche genießen? z.B. im Grand Hotel Bellevue e<br />
1 Woche mit Frühstück ab € 235.<br />
Weitere Informationen unter www.tui-autoreisen.de
„Mein<br />
Beruf ist<br />
auch mein<br />
Hobby“<br />
Dass die belgische Küche zu den besten der Welt zählt, ist unter Feinschmeckern längst<br />
kein Geheimnis mehr. Ganz oben an der Spitze der belgischen Kochelite bringt Meister-<br />
koch Felix Alen ganz belgien immer wieder aufs Neue „auf den feinen Geschmack“.<br />
bekannt wurde Alen, der schon in jungen Jahren am belgischen Königshof kochte, vor<br />
allem durch seine tV-Sendungen und zahlreiche Kochbücher. Ein guter Grund, den sympathischen<br />
Koch auf seinem weitläufigen und idyllisch gelegenen Anwesen Hof te Rhode<br />
in Flämisch-brabant zu besuchen. Interview mit Dieter Knaut<br />
ein kulinariScHeS geSPräcH<br />
Mit belgienS MeiSterkOcH FeliX alen<br />
Herr Alen, was ist das Geheimnis Ihres anhaltenden Erfolges?<br />
Felix Alen: Der Hauptgrund liegt sicher darin, dass mein Beruf<br />
für mich auch mein Hobby ist. Wissen Sie, Kochen ist immer<br />
wieder eine spannende Sache. Jeden Tag probiere ich andere<br />
Tendenzen und neue Rezepte aus. Kurz, ich bleibe zwar der<br />
klassischen Küche treu, probiere aber neue Trends wie etwa<br />
die molekulare Küche aus. Wir haben hier alle notwendigen<br />
Küchenwerkzeuge im Haus und experimentieren damit.<br />
Was zeichnet Ihrer Meinung nach die regionale Küche von<br />
Flämisch-Brabant besonders aus?<br />
Alen: Das Besondere ist, dass unsere Küche unverfälscht ist.<br />
Diest ist eine Bierstadt. Unsere Rezepte enthalten deshalb<br />
viel Bier. Außerdem haben wir hier im Hageland eine eigene<br />
Weinkultur, viel Gemüse und Obst wie Äpfel und Beeren, dazu<br />
Federvieh und Wild. All diese Zutaten finden sich auch in<br />
meinen Menüs wieder.<br />
Ist Ihre Küche saisonal ausgerichtet?<br />
Alen: Ja, ich finde, dass viel zu wenige Köche die Jahreszeiten<br />
„spielen lassen“. Wir tun dies. Jede Jahreszeit hat doch ihre<br />
eigene Philosophie in der Küche und jedes Produkt hat seine<br />
eigene Saison. Für mich heißt das auch, dass kein Chicorée im<br />
www.flandern.com 9<br />
Sommer oder Spargel im Winter auf die Speisekarte darf, Wild<br />
und Pilze gibt es im Herbst.<br />
Auf Ihrem Anwesen duftet es herrlich nach Kräutern. Mit wel-<br />
chen kochen Sie am liebsten?<br />
Alen: Jedes der Kräuter hat seinen eigenen Charakter. Mein<br />
persönlicher Favorit ist Salbei, den ich für alle möglichen<br />
Fleischgerichte nutze. Auch zum Aromatisieren von Sahne,<br />
die wir auf die Fischsuppe gießen und dann unter dem Grill<br />
glacieren, greife ich auf Salbei zurück.<br />
REISE-tIppS:<br />
Kommen wir noch einmal zurück zum Kochen mit Bier, wofür<br />
die flämische Küche ja bekannt ist. Gibt es Biersorten, die Sie<br />
bei der Zubereitung bestimmter Menüs bevorzugen?<br />
Alen: Ich koche mit allen Sorten von Bier. Ragouts etwa<br />
mit Pilsener oder Wildgerichte zusammen mit Beeren und<br />
dunklem Bier, das ja ein bisschen bitterer schmeckt. Für eine<br />
kalte Sauce nehme ich Kriek, Lambic oder Gueze. Wie die<br />
Kräutern hat auch jedes Bier seinen eigenen Charakter.<br />
In der flämischen Küche spielt Chicorée eine ganz besondere<br />
Rolle. Ist auch in Ihrer Küche „Witloof“ vertreten?<br />
Hof te Rhode in Schaffen-Diest ist kein öffent-<br />
liches Restaurant. Wer allerdings eine besondere<br />
Festivität plant, ist auf dem Anwesen von Felix<br />
Alen gerne willkommen. Wegen der großen<br />
Nachfrage sollte etwa ein Jahr im Voraus gebucht<br />
werden. Infos unter www.hofterhode.be<br />
Alen: Und ob, ich liebe Chicorée. Wissen Sie, man muss mit<br />
Witloof groß geworden sein. Er ist ein ausgesprochen viel-<br />
seitiges Gemüse, das wir sogar zur Zubereitung von Eis oder<br />
süßer Torte verwenden. Persönlich esse ich unseren Chicorée,<br />
den man übrigens auch panieren oder frittieren kann, ange-<br />
schwitzt mit guter Butter. Einfach großartig!<br />
Wo wir gerade beim Thema sind, Sie sind Mitglied der Xaverius-<br />
Bruderschaft für Ess- und Tischkultur im stillen Beginenhof von<br />
Diest. Bruderschaft, das klingt irgendwie geheimnisvoll …<br />
Alen: Im Jahre 1999 sind wir mit dem ersten kulinarischen<br />
Kulturzentrum Belgiens im Beginenhof gestartet. Pro Jahr ver-<br />
anstalten wir ca. 30 bis 40 Events zum Thema Esskultur. Das<br />
Clubhaus, zu dem eine kulinarische Bibliothek gehört und in<br />
dem TV-Sendungen aufgezeichnet werden, ist der Mittelpunkt<br />
unserer gar nicht so geheimnisvollen Bruderschaft.<br />
Herr Alen, man spürt, Sie sprühen geradezu vor Leidenschaft,<br />
wenn es ums Thema Kochen geht. Neue Projekte in Planung?<br />
Alen: Zurzeit arbeite ich an mehreren Buchprojekten. In einem<br />
davon, das ich gemeinsam mit dem Teamkoch der Fußball-<br />
Nationalmannschaft vorbereite, werden elf junge Fußballspie-<br />
ler nach ihren kulinarischen Vorlieben gefragt. Ein Buch wird<br />
unter dem Titel „Felix alles pur“ erscheinen. Außerdem habe<br />
ich noch ein Witloof-Buch im Miniformat in Planung.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
Neben dem charmanten Städtchen Diest<br />
mit seinem jahrhundertealten Beginenhof lohnt<br />
in Flämisch-Brabant auch ein Besuch des Zucker-<br />
museums der Zuckerstadt Tienen, der Wallfahrts-<br />
kirche Scherpenheuvel und eine Brauereiführung<br />
in der Bierstadt Hoegaarden.<br />
Infos unter www.flandern.com
0 . bruegel . mit pieter bruegel übers land<br />
MIT PIETER BRUEGEL<br />
ÜBERS LAND<br />
ob bruegel die wilden Hefen gekannt hat, ist nicht überliefert. Ziemlich sicher ist aber,<br />
dass er das produkt, das sich bis heute ihrer Mithilfe verdankt, verköstigt haben wird.<br />
ob es Lambics und Gueuzes sind, diese besonderen biere, die es nur in der Heimat des<br />
berühmten flämischen Malers gibt, die auf seinen bildern wie der „bauernhochzeit“ ausgeschenkt<br />
werden? tatsache ist jedenfalls, dass bruegel heimatverbundener war, als es<br />
seine fantastischen Landschaftskompositionen vermuten lassen. Ulrich TraubDer Westen von <strong>Brüssel</strong>,<br />
www.flandern.com 1<br />
Das immer noch bäuerlich geprägte Pajottenland ist zwar ein<br />
Wallfahrtsort für Bier-Liebhaber, darüber hinaus aber kaum<br />
bekannt. Dass Pieter Bruegel der Ältere, der so genannte Bau-<br />
ern-Bruegel, hier im 16. Jahrhundert wesentliche Anregungen<br />
zu seinem Werk gefunden hat, war nur noch eine Fußnote in<br />
seiner Biografie – bis sich Albrecht de Schrijver und seine Un-<br />
terstützer an die Arbeit gegen das Vergessen machten. „Das<br />
waren wir Bruegel, der für mich der größte Maler <strong>Flandern</strong>s<br />
ist, schuldig“, erklärt der engagierte Herr mit Nachdruck. Sein<br />
Werk habe einen wichtigen Beitrag zur Schaffung flämischer<br />
Identität geleistet. Nun lädt in der weit verzweigten Land-<br />
gemeinde Dilbeek ein Freilichtmuseum zum Kennenlernen<br />
von Bruegels Malerei und der Landschaft ein. Rundwege für<br />
Wanderer und Radler führen zu insgesamt 19 Stationen, an<br />
denen Reproduktionen, die mehr oder weniger Originalgröße<br />
aufweisen, aufgestellt worden sind. Es geht über Wiesen und<br />
Felder und durch die kleinen Ortsteile, in denen manch<br />
Verblüffende Ähnlichkeit. Pieter Bruegels „Das Gleichnis des Blinden”<br />
vor der Kirche Sint-Anna-Pede<br />
stattliches Eigenheim auf neue Bewohner hindeutet. Auch<br />
die EU-Bürokraten schätzen die Ruhe der Landschaft vor den<br />
Toren der Hauptstadt. „Sieht die Kirche hier in Sint-Anna-Pede<br />
nicht genauso aus wie auf Bruegels Gemälde?“, fragt Albrecht<br />
de Schrijver und zeigt auf „Das Gleichnis von den Blinden“,<br />
das vor dem Gotteshaus steht. Tatsächlich ist die Ähnlichkeit<br />
verblüffend. Auch Mühlen und Höfe, wie sie noch heute im<br />
hügeligen Pajottenland zu finden sind, lassen sich in den Ge-<br />
mälden entdecken. Und dann ist da ja noch das Bier. Bruegel-<br />
Kenner de Schrijver weiß aber natürlich, dass dem Maler kein<br />
Abbild der Landschaft vorschwebte, sondern dass er Kom-<br />
mentare zu einer sehr schweren Zeit des Umbruchs schuf, die<br />
er in visionären Landschaften verschlüsselte. Wo hat man in<br />
<strong>Flandern</strong> auch schon mal solche dramatischen Gebirgskulissen<br />
gesehen? So geht es bei der Bruegel-Route dann auch weni-<br />
ger darum, das Original eines Bildmotivs zu suchen. Vielmehr<br />
sollte man sich einlassen auf das Spiel der Gedanken, auf das<br />
Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Dabei<br />
wird man feststellen, dass diese Landschaft ihren Charakter<br />
noch nicht verloren hat. So gesehen, ist die Bruegel-Route ein<br />
Beitrag zum Landschaftsschutz. „Und die Bruegel-Fans dürfen<br />
sich darüber freuen, dass sie so viele Werke betrachten können<br />
wie in keinem Museum der Welt“, schmunzelt Albrecht de<br />
Schrijver. Es besteht folglich kein Grund, so ernst zu sein wie<br />
die Menschen in den Bruegel-Szenen, deren Sorgen und Nöte<br />
sich trotz Feier und Tanz in ihren Mienen widerspiegeln.<br />
Da half auch das Bier nichts. Das ist heute anders. Auch wenn<br />
nur eine Handvoll Lambic-Betriebe im Pajottenland das Brau-<br />
ereisterben überlebt hat – zu Bruegels Zeiten gab es in jedem<br />
Dorf gleich mehrere –, erfreut sich diese Spezialität hoher<br />
Wertschätzung.<br />
bruegel-Route, Zugang gratis. Die broschüre<br />
kann man für 2,50 Euro bestellen beim:<br />
Cultuurdienst Dilbeek, Gemeenteplein 1,<br />
1702 Groot-Bijgaarden, www.dilbeekserfgoed.be<br />
Lambic-brauerei 3 Fonteinen: besichtigung<br />
nach Voranmeldung, Telefon 0032-2-3067103<br />
(deutschsprachig), www.3fonteinen.be; das Restaurant<br />
bietet gute Küche zu zivilen preisen.<br />
Übernachtung: Hof ter Vrijlegem, Mollem bei Asse:<br />
DZ/F 74 Euro, Telefon 0032-2-4528545<br />
(deutschsprachig), www.hoftervrijlegem.be
. architektur . jugendstil in brüssel<br />
Jugendstil<br />
in BRÜSSEL<br />
Dieter Knaut<br />
die grOSSe leidenScHaFt der<br />
MadaMe Feryn<br />
„Junger Mann, klappen Sie Ihren Reiseführer<br />
zu, ich würde Ihnen sehr gerne einige per-<br />
sönliche Ratschläge für Ihren Aufenthalt in<br />
meinem <strong>Brüssel</strong> geben“, sagt eine freundliche<br />
Dame am Nebentisch, während ich vor einem<br />
gemütlichen Bistro im Herzen <strong>Brüssel</strong>s gerade<br />
Sahne in meinen Kaffee rühre und dabei lese.<br />
„Wenn Sie sich für Jugendstil, oder wie wir<br />
hier sagen, für Art nouveau interessieren, dann<br />
bin ich eine perfekte Ratgeberin. Wissen Sie<br />
eigentlich, dass <strong>Brüssel</strong> heute noch über das<br />
reichste und vielfältigste Erbe des Jugendstils<br />
in Europa verfügt?“ Die nette ältere Dame<br />
lädt mich dazu ein, an ihrem Tisch Platz zu<br />
nehmen, ich bestelle uns zwei weitere Tassen<br />
Kaffee – und Madame Feryn fängt an zu<br />
erzählen. „Die meisten Gäste, die mein <strong>Brüssel</strong><br />
heute besuchen, haben ein vollkommen<br />
falsches Bild von der Stadt. Denn hier gibt es<br />
nicht nur moderne Hochhäuser und euro-<br />
kratische Hektik, sondern auch mehr als 450<br />
Häuser, die noch aus der Zeit des Jugendstils<br />
(1893 – 1910) erhalten geblieben sind. In den<br />
60er Jahren, als während des unsäglichen Bau-<br />
booms viele historische Baudenkmäler einfach<br />
abgerissen wurden, war ich übrigens in einer<br />
Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des<br />
kulturellen Erbes der Belle Epoque einsetzte.<br />
Gott sei Dank ist doch noch vieles erhalten ge-<br />
blieben. Bummeln Sie nachher mal durch die<br />
Straßen der Stadtviertel Schaerbeek, St. Gilles<br />
und Ixelles, da können Sie von der pracht-<br />
vollen Architektur aus der Zeit der Jahrhundert<br />
wende noch einige sehr schöne Bauten zu<br />
sehen bekommen.“
4 . architektur . jugendstil in brüssel<br />
Selbst das Licht ist stilisiert –<br />
Art-nouveau-Leuchte in brüssel.<br />
Orte VOller nOStalgie …<br />
Während unseres Gesprächs fällt mir immer mehr auf, dass<br />
Jugendstil die große Leidenschaft meiner Tischnachbarin sein<br />
muss, mit der sie viele persönliche Erinnerungen verbindet.<br />
„Wissen Sie, am meisten liebe ich in meinem <strong>Brüssel</strong> Orte<br />
voller Nostalgie wie das Café Le Cirio in der Rue de la Bourse,<br />
in dem ich in den 50er Jahren meinen Mann kennenlernte. Es<br />
würde mich interessieren, wie Ihnen die ein bisschen kitschig<br />
und plüschig anmutende Atmosphäre und das in dunklem<br />
Holz gehaltene Interieur, der glockenartige Glasleuchter und<br />
der ganze Nippes dort gefällt. Im Le Cirio können Sie übrigens<br />
auch sehr gut essen – probieren Sie dort mal den Croque Cirio<br />
oder ein Orval zum Thunfischsalat. Einfach köstlich. Auf der<br />
Terrasse gegenüber dem Café Le Cirio kann man übrigens sehr<br />
schön sitzen und bei einem kühlen Glas Leffe quasi in das Café<br />
hineinschauen und dabei den Straßenmusikanten zuhören.<br />
Unweit des Cafés gibt es, ebenfalls in direkter Börsen-Nähe,<br />
noch ein anderes sehr schönes Restaurant mit Jugendstil-Ein-<br />
richtung, das Café Falstaff.“<br />
HöHePunkte deS art nOuVeau<br />
Auf meine Frage hin, welche besonderen Jugendstil-Bauten<br />
<strong>Brüssel</strong> zu bieten hat, empfiehlt Madame Feryn das „Old Eng-<br />
Ein Meister der Glaskunst schuf dieses<br />
vom Licht durchflutete Jugendstil-Fenster.<br />
land“ in der Hofberg 2, ein im Jahre 1898 von Paul Saintenoy<br />
erbautes Warenhaus für Damen- und Herrenbekleidung, das<br />
heute das bekannte Musikinstrumenten-Museum beherbergt.<br />
Bei meinem späteren Besuch dort gefallen mir besonders die<br />
Innendekors im Art-nouveau-Stil wie die über stählernen Trä-<br />
gern rankenden Disteln und das Treppengeländer aus stilisier-<br />
ten Pflanzen, die aus Mosaiksteinchen geschlungenen Bänder<br />
in den Farben Gelb, Orange und Lila. Einen schönen Ausblick<br />
bietet im „Old England“ die Dachterrasse im fünften Stock-<br />
werk, wo es bei aufkommendem Wind allerdings manchmal<br />
etwas zugig werden kann. Wem die Treppen zu anstrengend<br />
sind, der kann den Fahrstuhl nutzen.<br />
Ein anderer wertvoller Besucher-Tipp meiner netten <strong>Brüssel</strong>er<br />
Tischnachbarin ist das 1903 von Victor Horta entworfene<br />
heutige Comic-Museum, das einst eine Kaufhausgalerie war.<br />
Typisch Jugendstil ist die sandfarbene Fassade mit ihren<br />
übergroßen Fenstern im Erdgeschoss – nicht floral verspielt,<br />
sondern eher schlicht gehalten. Im Gebäude selbst fallen<br />
besonders die eisernen Säulchen mit Blattkapitellen und die<br />
ausladende Laterne im von Licht durchfluteten Foyer ins Auge.<br />
Auch die große Steintreppe mit ihrer organisch fließenden Ba-<br />
lustrade aus Eisen und Holz ist wirklich sehenswert. Dass heute<br />
hier solche berühmten Comic-Helden wie Tim und Struppi<br />
oder Lucky Luke gezeigt werden, ist ein sehr interessanter,<br />
www.flandern.com 5<br />
Der Eingangsbereich des von Victor Horta<br />
entworfenen heutigen comic-Museums.<br />
aber keineswegs störender Kontrast. Denn hier treffen Art<br />
nouveau und neue Kunst gekonnt aufeinander. Wer im<br />
Comic-Museum mehr über Art nouveau erfahren möchte,<br />
sollte den kleinen Raum im Erdgeschoss rechts neben der<br />
Treppe besuchen. Dass Comic-Freunde im altehrwürdigen<br />
Haus auf ihre Kosten kommen, versteht sich von selbst.<br />
eiSen alS dekOratiVeS – und<br />
uMStritteneS – bauMaterial<br />
Ganz sicher, meint Madame Feryn, ist auch das einstige<br />
Wohnhaus und Atelier des wohl bekanntesten belgischen<br />
Jugendstil-Architekten Victor Horta (1861 – 1947) einen Besuch<br />
wert. Denn hier hat alles begonnen. Im heutigen Musée Horta<br />
in der Rue Americaine 25 können Liebhaber des Jugendstils<br />
nach vorheriger Anmeldung die Verliebtheit in die rhyth-<br />
mischen Harmonien des Art nouveau bewundern. Ein weiteres<br />
sehenswertes Gebäude Victor Hortas ist das Herrenhaus „Van<br />
Eetvelde“ in der Palmerstonlaan 2 – 6. Der ehemalige General-<br />
sekretär des Kongo, Van Eetvelde, der viele Hölzer für die In-<br />
nenausstattung mitbrachte, beauftragte Horta im Jahre 1895<br />
mit dem Bau des Hauses, das dann in zwei Bauabschnitten<br />
entstand. Während dieser architektonisch geradezu revoluti-<br />
onären Jahre musste Horta übrigens viele Menschen davon<br />
überzeugen, dass auch im Inneren eines Hauses Eisen, das<br />
viele eher an Bahnhöfe erinnerte, sehr wohl als dekoratives<br />
Baumaterial dienen kann. Will man die ganze Vielfalt der<br />
Metropole des Jugendstils entdecken, empfiehlt mir Madame<br />
Feryn noch, sollte man am besten eine organisierte Stadtwan-<br />
derung mit einem kundigen Führer unternehmen.<br />
Denn manche Jugendstil-Bauten „verstecken“ sich geradezu<br />
in Straßen, in denen man sie nicht vermuten würde. Beispiels-<br />
weise „De Ultieme Hallucinatie“ in der Koningsstraat 316 am<br />
Rande von Schaerbeek, wo heute an vielen Bauten sichtbar<br />
der Zahn der Zeit nagt. Aber schon beim Eintritt ins „De Ultie-<br />
me Hallucinatie“ atmet der Besucher die Zeit des Jugendstils<br />
und kann viele Stilelemente der Epoche bestaunen. Sehr nett<br />
ist auch der kleine Biergarten des Hauses, der dem Gast nur<br />
wenige Meter von der Hektik der Straße entfernt eine kleine<br />
Oase der Ruhe bietet.<br />
Eines ist jedenfalls sicher: Wer sich für die von Licht und von<br />
fließenden Linien erfüllte belgische Architektur des Jugend-<br />
stils interessiert, geboren aus Eisen, Gusseisen und Glas, ist<br />
in <strong>Brüssel</strong> genau richtig. Denn hier hat mit den mutigen und<br />
geradezu revolutionären Ideen der Architekten Victor Horta<br />
und Paul Hankar (um nur zwei zu nennen) alles seinen Anfang<br />
genommen. Ob Horta, Hankar, Strauven oder Cauchie – sie<br />
alle genossen es auf ihre Art, innovativ zu sein und architekto-<br />
nische Zeichen zu setzen.<br />
Harmonisch schwelgt das treppenhaus<br />
ganz im Stil der belle Epoque.
unSERE BRÜSSELER ARt-<br />
nouvEAu-tippS Auf EinEn BLick<br />
reStaurantS iM JugendStil<br />
de ultieme Hallucinatie<br />
Koningsstraat 316,<br />
1210 <strong>Brüssel</strong><br />
Telefon 0032-2-217064<br />
Restaurantbetrieb außer Sa. und So.,<br />
12 – 14.30 Uhr, 19.30 – 22.30 Uhr<br />
Taverne ab 11 Uhr, Sa. ab 16 Uhr<br />
le cirio<br />
Beursstraat 20,<br />
1000 <strong>Brüssel</strong><br />
Telefon 0032-2-5121395<br />
café Metropole<br />
Brouckere Plein 31,<br />
1000 <strong>Brüssel</strong><br />
Telefon 0032-2-2192384<br />
(schöne Terrasse, allerdings<br />
auch nicht ganz billig)<br />
le Perroquet<br />
Watteaustraat 31, 1000 <strong>Brüssel</strong><br />
Telefon 0032-2-5129922<br />
Täglich 10.30 – 1.30 Uhr<br />
(leckere Torten)<br />
StadtFÜHrungen<br />
(buStOuren) art nOuVeau<br />
z. B. ARAU<br />
Telefon 0032-2-2193345<br />
SHOPPing iM JugendStil<br />
Senses<br />
Lebeaustraat 31 (Zavel)<br />
1000 <strong>Brüssel</strong><br />
www.senses-artnouveau.com<br />
(Reproduktionen von Jugendstil-<br />
objekten und -schmuck und vom Ju-<br />
gendstil inspirierte Modeaccessoires)<br />
Pallissandre<br />
Drievuldigheidsvoorplain 4, 1050<br />
<strong>Brüssel</strong> (Art-nouveau- und Art-déco-<br />
Antiquitäten, u. a. Jugendstil-Vasen)<br />
ÜbernacHtung iM JugendStil<br />
astoria<br />
(Reichhaltiges Frühstück im Art-nou-<br />
veau-Ambiente) Koningsstraat 103<br />
(Nähe Botanischer Garten),<br />
1000 <strong>Brüssel</strong>, www.sofitel.com<br />
Metropole<br />
Brouckere Plein<br />
1000 <strong>Brüssel</strong><br />
www.metropolehotel.be<br />
taScHenFÜHrer<br />
„den Jugendstil erleben“<br />
(Zu Fuß oder mit dem Fahrrad)<br />
Für 3 Euro erhältlich in den Fremden-<br />
verkehrsbüros der Innenstadt<br />
www.bruxelles-art-nouveau.be<br />
biennale art nOuVeau 007<br />
die ursprünge des art nouveau<br />
(St. Gilles und das Viertel Louise)<br />
Am 6. und 7. 10. 2007<br />
aufschwung des art nouveau<br />
(Schaerbeek und der Norden von<br />
<strong>Brüssel</strong>) Am 13. und 14. 10. 2007<br />
erfindergeist des art nouveau<br />
(Etterbeek, die Teiche von Ixelles<br />
und das Viertel der „Squares“)<br />
Am 20. und 21. 10. 2007<br />
www.flandern.com<br />
Belgien in Zahlen<br />
1/4 der <strong>Brüssel</strong>er sind Ausländer.<br />
24 Dollar war der Preis, den der Belgier Pierre<br />
Minuit den Indianern im Jahre 1624 für die<br />
Insel Manhattan bezahlte. Er wurde der Gouverneur<br />
von „Nova Belgica“, das heute New<br />
York genannt wird.<br />
80 % aller Billardkugeln kommen aus Belgien.<br />
108 Michelin-Sterne zählt Belgien. Auf den<br />
Einwohner gesehen schlägt Belgien damit das<br />
Gourmetland Frankreich.<br />
600 Sorten Bier – von Kirsch- bis zu den legendären<br />
Trappistenbieren – brauen die Belgier.<br />
185 Millionen Spiele im Jahr, das sind 200<br />
Spielkarten pro Sekunde, werden in der Spielkartenstadt<br />
Turnhout hergestellt.<br />
165-milliardenfach größer als ein Eisenmolekül<br />
ist das Atomium.<br />
Beliebteste Belgier<br />
Manneken Pis<br />
Den politisch korrekten Gutmenschen<br />
und Regierenden ein Dorn im Auge.<br />
Schamlos, anarchisch, aber unbekümmert<br />
und glücklich. Weiter so!<br />
Sympathiepunkte 8 121<br />
Tim & Struppi<br />
Der wohl faulste Journalist aller Zeiten –<br />
er hat noch nie eine Reportage zu Ende<br />
geschrieben – reist mit seinem Hund in<br />
alle Länder dieser Welt und hat deshalb<br />
eine internationale Fangemeinde.<br />
Sympathiepunkte 5 742<br />
Rubens<br />
Der Malerfürst und seine drallen weiblichen<br />
Schönheiten sind ein wohltuender<br />
Gegenpol zu dem Schlankheitswahn und<br />
den magersüchtigen Models.<br />
Sympathiepunkte 3 693<br />
Schokophilie<br />
13 kg der belgischen Schokolade verzehrt ein<br />
<strong>Brüssel</strong>er pro Jahr.<br />
Reinheitsgebot für Schokolade<br />
Warum ist belgische Schokolade weltberühmt?<br />
In Belgien darf, anders als in allen anderen<br />
Ländern, nur echte Kakaobutter zum Schokolademachen<br />
verwendet werden. Das Ergebnis ist<br />
viel edler als bei der Verwendung anderer Fette.<br />
Frittologie<br />
Durchschnittlich verbraucht ein Friturist<br />
65 kg Kartoffeln pro Tag. Alle flämischen<br />
Frituristen zusammen (= etwa 2 700)<br />
verarbeiten täglich 175 500 kg Kartoffeln.<br />
Mit einem durchschnittlichen Ertrag von<br />
42 Tonnen pro Hektar sind hierfür täglich<br />
4,18 Hektar Kartoffelanbaufläche nötig.<br />
Um ganz <strong>Flandern</strong> ein ganzes Jahr hindurch<br />
mit Pommes aus der „Frituur“ zu ernähren,<br />
bräuchte man 1 525 Hektar oder 3 052<br />
Fußballfelder Kartoffeln ...<br />
Rekord im Frittenbacken<br />
Den Rekord im Dauer-Pommesbacken hält<br />
Ludwig Reynen aus Kalmthout (Belgien).<br />
Vom 2. bis 5. April 1987 frittierte er 72<br />
Stunden lang 15 000 Schälchen Pommes.<br />
Die längste Fritte<br />
Stephan Tyvaert aus Gent bastelte in einem<br />
Zeitraum von vier Stunden eine Pommes<br />
aus Kartoffelpüree zusammen, die am<br />
Ende 9,79 Meter lang und 2 x 2 Zentimeter<br />
dick war. Er verkaufte sie anschließend in<br />
Stückchen.<br />
7
Die schöne Helena<br />
von Antwerpen<br />
Stille Tage<br />
an der Wapper:<br />
der Malerfürst im<br />
Sinnenrausch und<br />
die Bürgerstochter<br />
als angebetete<br />
Liebesgöttin<br />
Manfred Schwarz<br />
Am Anfang steht ein frommer Wunsch: „Nichts erschüttere<br />
dich, weder Zorn noch Begierde.“ Peter Paul Rubens hat<br />
diese Inschrift, die zu einem maßvollen und gelassenen Leben<br />
mahnt, weithin sichtbar am Torgiebel seines Stadthauses<br />
in Antwerpen anbringen lassen. Für einen Hofmaler und Groß-<br />
unternehmer, der hohen Besuch hier zu empfangen gedenkt,<br />
für einen wahren Mann von Welt und belesenen Humanisten<br />
war dies weit mehr als ein hübsches Motto. Es äußert sich da-<br />
rin, wie überall in der Anlage und Ausstattung seines Palastes<br />
an der Wapper, eine ganze Lebenshaltung, ein Verhaltensideal<br />
aus klassischen Zeiten: niemals die Fassung, die Haltung verlie-<br />
ren, auch nicht in den wildesten Stürmen des Lebens.<br />
Erst 1630, als er sich endgültig ins geliebte Antwerpen, in sein<br />
so komfortabel ausgestattetes Stadt-Palais zurückziehen und<br />
den Rest seines Lebens in gediegener Ruhe verbringen will,<br />
lässt er sich von einem Ereignis völlig überwältigen – in seinem<br />
tiefsten Innern erschüttern. Dieses Ereignis aber, das ihn auf so<br />
wunderbare Weise seinen Gleichmut, bisweilen vielleicht sogar<br />
die Haltung verlieren lässt, hat rosige Haut, eine rotblonde<br />
Lockenpracht und, in wirklich atemberaubenden Übermaß:<br />
Kurven. Überall Kurven. Ein ganzer Tumult von Kurven. Eine<br />
flämische Schönheit wie aus dem Bilderbuch – ein Bilderbuch<br />
www.kulturflandern.com 9<br />
von Rubens. Frisch und gesund, süß und üppig. Blutjung<br />
mit ihren zwar erst 16 Jahren. Aber offensichtlich frühvollen-<br />
det. Voll erblühte, ausgereifte Weiblichkeit, die den Malerfürs-<br />
ten mit sich reißt: natürlich nicht im Zorn, aber in unersättli-<br />
cher Begierde. Das vornehme Haus an der Wapper, wo Rubens<br />
einen exquisiten großbürgerlichen Lebensstil pflegt, wo er<br />
seine Werkstatt betreibt und seine ausgedehnten Kunstsamm-<br />
lungen aufbewahrt, wird nun für die letzten zehn Jahre seines<br />
Lebens zu einem wahren Liebesnest. Zum Schauplatz entfes-<br />
selter, allem Anschein nach erfüllter und heiterer Sinnlichkeit.<br />
Eines Sinnenrauschs überdies, dem wir eine ganze Anthologie<br />
von Meisterwerken verdanken. Die gefeierten Gemälde aus<br />
dem Spätwerk des Malers, insbesondere die mythologischen<br />
Szenen mit ihren epochalen weiblichen Aktdarstellungen –<br />
etwa die „Drei Grazien“, das „Parisurteil“, das „Venusfest“<br />
oder der „Liebesgarten“ – , wären ohne diese Erschütterung<br />
nicht denkbar. So ist das Rubenshaus in Antwerpen, dies<br />
übersieht man leicht, nicht nur das ehrwürdige Denkmal eines<br />
der größten Maler aller Zeiten. Es ist auch der Erinnerungsort<br />
einer erstaunlichen Liebe, einer Leidenschaft, die den allmäh-<br />
lich alternden, vom Weltgeschehen ermüdeten Künstler zu<br />
seiner letzten und wohl auch bedeutendsten Schaffensphase<br />
inspiriert. Der mythologische „Liebesgarten“ meint ja nichts<br />
anderes als den idyllischen Garten seines Antwerpener Hauses.<br />
Und der ebenso erschütternde wie beflügelnde Einbruch im<br />
Leben des Malers – das ist natürlich seine zweite Ehefrau:<br />
Hélène Fourment, Meisterwerk der Natur und Tochter aus<br />
gutbürgerlichem Hause, einer alteingesessenen Antwerpen-<br />
er Patrizierfamilie. In ihrer blühenden Leibespracht, in ihrer<br />
ganzen ebenso frischen wie sinnlichen Anmutung überdies<br />
der damalige Inbegriff flämischer Schönheit, wie wir ihm nicht<br />
nur in den Werken des barocken Meisters begegnen, sondern<br />
auch, schon seit dem späten Mittelalter, in den Berichten von<br />
entzückten Reisenden aus dem Ausland, von italienischen<br />
Kaufleuten und spanischen Diplomaten – oder vom deutschen<br />
Kaiser. Maximilian von Habsburg etwa war so begeistert von<br />
den schönen „Frauenzimmern“ aus <strong>Flandern</strong>, dass er darüber<br />
fast seine Kriegszüge und den weniger erfreulichen Rest des<br />
Heiligen Römischen Reiches vergaß. Glücklicherweise war<br />
die junge Ehefrau nicht nur die angebetete Liebesgöttin im<br />
privaten Leben des Meisters, in seinem Arkadien an der Wap-<br />
per. Er hat sie unermüdlich immer wieder gemalt, als kecke<br />
Braut, als glückliche Mutter, als elegante Dame oder, wie im<br />
Meisterwerk „Het Pelsken“, als irdische Venus im Pelz. Vor<br />
allem jedoch posierte sie, die stadtbekannte Beauty-Queen,<br />
die von den einheimischen Dichtern als „Schöne Helena von<br />
Antwerpen“ gepriesen wurde, ganz und gar unverhüllt als<br />
Aktmodell für die mythologischen Göttinnen und Nymphen<br />
in den Werken von Rubens, die ohne dieses Vorbild gewiss<br />
nicht so rauschhaft, vielleicht sogar niemals entstanden wären.<br />
Denn der Maler konnte sich, genau wie wir, an ihrer Pracht<br />
einfach nicht sattsehen. Rubens war so stolz, so verliebt, so<br />
völlig überwältigt, dass er jegliche Contenance und Diskretion<br />
verlor. Dass die nackten Göttinnen auf seinen Gemälden nie-<br />
mand anders zeigen als seine eigene und, nun ja, völlig nackte<br />
Ehefrau, wusste man in der ganzen Stadt; man nahm es amü-<br />
siert zur Kenntnis. Immerhin war sie ja „die schönste Frau, die<br />
man hier finden kann“, wie der Statthalter an den spanischen<br />
König schrieb: die Venus Antwerpens. Und das Rubenshaus –<br />
das war das Reich dieser flämischen Liebesgöttin.<br />
MuSEuMS-tIpp:<br />
Rubenshaus, Wapper 9 – 11,<br />
Telefon: 0032-3-232 47 47<br />
http://museum.antwerpen.be/rubenshuis
Schokolade: der kleine<br />
leitfaden zum Stückchen<br />
lebenSluSt<br />
„Ich verkaufe träume, kleine trostspender,<br />
harmlose süße Versuchungen, die all die<br />
kleinen Heiligen zwischen pralinen und<br />
trüffeln schwach werden lassen“, lässt<br />
Joanne Harris ihre chocolatière Vivianne<br />
Rocher in dem Roman „chocolat“ sagen.<br />
Andreas Meyer<br />
Bezeichnenderweise spielt der nicht etwa in Belgien, sondern<br />
in Frankreich. Kein Wunder. Ein Pfarrer, der gegen die Eröffnung<br />
eines Pralinengeschäfts weihrauchschwenkend zu Felde<br />
zieht? Zwischen <strong>Brüssel</strong>, Knokke und De Panne ein absurder<br />
Gedanke. Dieser Mann hätte wahrlich viel zu tun, Belgien ist<br />
schließlich ein Schokoladenland. Nirgendwo werden Pralinenliebhaber<br />
besser bedient als hier. Dabei überzeugt nicht nur<br />
die schier unglaubliche Dichte an Chocolatiers. Schokolade<br />
kaufen macht in Belgien definitiv am meisten Spaß.<br />
Und so funktioniert’s:<br />
Schritt 1: Die Rahmenbedingungen des Pralinenkaufs klären.<br />
Niemand kauft irgendein Kleid, irgendeinen Whisky oder<br />
irgendwelche Schuhe. Bei Pralinen muss das nicht anders<br />
sein. Denn Belgiens Spezialisten liefern die ganze glanzvolle<br />
Bandbreite – und das für jeden Anlass, jede Vorliebe und<br />
jeden Geldbeutel. Was, bitte, sollte es also sein? Die schnelle<br />
Nougatmuschel für zwischendurch? Eine feine Tafelschokolade<br />
mit orientalischen Früchten in schmucker Geschenkverpa-<br />
ckung für die liebe Familie? Oder zur eigenen Belohnung für<br />
egal was die noble Design-Praline mit ausgeklügelter Rezeptur,<br />
die die Geschmacksnerven verblüfft?<br />
Schritt 2: Läden suchen, Schaufenster gucken. Hier beginnt<br />
die Verzauberung. Imposant und stolz etwa residiert Neuhaus<br />
mit seinem Stammhaus in der St.-Hubertus-Galerie, in dem<br />
Jean Neuhaus 1912 die erste Praline erfand. Einem Rokoko-<br />
Schmuckkästchen hingegen gleicht Mary, wo sahnige Kreati-<br />
onen in blau-goldener Atmosphäre angeboten werden. Antik<br />
mutet der Zugang zum Salon de Thé und Schokoshop „A<br />
M Sweet“ an. Laurent Gerbaud, ein Spezialist für raffinierte
Schokoladentafeln mit versunkenen Macadamia-Nüssen oder<br />
Früchten, vertreibt hier seine ausgefallenen Produkte, für<br />
die er einen speziellen Fünfziger- bzw. Siebziger-Kakaoboh-<br />
nenblend exklusiv bei Domori in Genua fertigen lässt. Pierre<br />
Marcolini stellt seine Kreationen am Place du Grand Sablon<br />
in edlem Boutique-Ambiente aus. Frederic Blondeel, der seine<br />
maritim inspirierten Pralinen zunächst in Oostduinkerke und<br />
Koksijde vertrieb, ließ sich inzwischen mit seinem neuesten<br />
Shop auch am Quais aux Briques nieder. Auf die äußerst<br />
praktische Mischung aus Geschäft und Café setzt wiederum<br />
das etablierte Haus Wittamer. Allen gemein sind aufwendig<br />
dekorierte Auslagen, die unweigerlich ins Innere locken.<br />
Schritt 3: Laden betreten. Direkt hinter der Eingangstür um-<br />
fängt einen dieser spezielle Duft aus Schokolade, Vanille und<br />
Frucht. Hinter Glas in Vitrinen liegt sorgfältig aufgeschichtet<br />
die seidig glänzende Pracht. Der Eilige greift einfach zu einer<br />
der bereits fertig verpackten Pralinenmischungen, wahlweise<br />
aus dem ganzen Sortiment oder aus einer der speziellen<br />
„Collectionen“, die viele Chocolatiers – einem Modeschöpfer<br />
nicht unähnlich – regelmäßig neu entwickeln. So brachte<br />
Pierre Marcolini im Sommer 2006 mit der „Collection Eph-<br />
émère Eté 2006“ eine Reihe von fünf schlanken Pralinen in<br />
frischen, blumigen Geschmacksrichtungen auf den Markt.<br />
Auch Galler mag es duftig, ließ sich vom „Zauberer von Oz“<br />
inspirieren und entwarf die Serie „Les Florales“. Ungleich<br />
reizvoller ist es jedoch, vor den Tresen zu treten und sich<br />
seine persönliche Mischung zusammenstellen zu lassen.<br />
Natürlich kann man einfach auf die gewünschte Praline<br />
zeigen – wenn auch bitte nicht so ungeniert raumgreifend,<br />
wie Präsident Bush es anlässlich seines Besuchs bei Mary tat<br />
(www.mary.be). Man kann sie aber auch beim Namen nen-<br />
nen. Denn die großteils noch handgefertigten Kunstwerke<br />
besitzen oft wie selbstverständlich einen. Bei Neuhaus heißen<br />
sie etwa „Méphisto“, „Othello“, „Bonaparte“; bei Mary<br />
„Marguerite“ oder „Pompadour“. Marcolini gibt sich mit<br />
„Madagascar“ oder „Vénézuela“ exotisch, Léonidas hinge-<br />
gen verführt mit „Eve“, „Irrésistible“ oder „Désirées“. Dass<br />
auch prominenten Mitgliedern des belgischen Königshauses<br />
eigene Pralinen gewidmet sind, ist zudem keine Seltenheit.<br />
Wählen Sie einfach, was Ihnen gefällt. Vorsichtig werden weiß<br />
behandschuhte Verkäuferinnen die ausgewählten Stücke in so<br />
genannte „Ballotins“ legen, diese typisch belgischen Pralinen-<br />
schachteln, die Jean Neuhaus 1915 zum Schutz seiner Köst-<br />
lichkeiten zusammen mit Gattin Louise Agostini erfand – sich<br />
unwiderstehlich – brüssel ist die Hochburg berühmter chocolatiers.<br />
Ihre handgeschöpften Kreationen sollte man auf jeden Fall probieren!<br />
aber nicht patentieren ließ. Eine Lage Seidenpapier deckt das<br />
Konfekt am Ende zu. Noch eine letzte Dekorschleife um die<br />
Schachtel, dann verschwindet das Paket in einer schicken<br />
Lacktüte, die draußen vor der Tür von der eines Modedesi-<br />
gners kaum zu unterscheiden ist.<br />
Schritt 4: Ein letzter Tipp. Sie sitzen mit dem süßen Schatz<br />
daheim, haben soeben eine perfekte Komposition aus dunkler<br />
Schokolade, Orange und Thymian auf ihrer Zunge zergehen<br />
lassen und sind glücklich. Da tritt jemand Unangenehmes auf<br />
die Spaßbremse, indem er an die Kalorienzahl der genossenen<br />
Köstlichkeit erinnert. Bleiben Sie entspannt. Setzen Sie Ihr<br />
charmantestes Zartbitterlächeln auf und kontern Sie mit fol-<br />
gendem Ausspruch: „Was Sie von mir sehen, ist das Ergebnis<br />
eines lebenslangen Genusses von Schokolade.“ Dass diesen<br />
Katherine Hepburn im Alter von 70 Jahren prägte, dürfen Sie<br />
diskret verschweigen.<br />
SHop-ADRESSEN:<br />
A M Sweet (Laurent Gerbaud),<br />
Kartuizerstraat 4, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />
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Telefon 0032-2-5020266, www.galler.com<br />
Godiva, Koniginnengalerij 1, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />
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Telefon 0032-2-7368408, www.leonidas.com<br />
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1000 <strong>Brüssel</strong>, Telefon 0032-2-5141206,<br />
www.marcolini.be<br />
Mary, Koningsstraat 73, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />
Telefon 0032-2-2174500, www.mary.be<br />
Neuhaus, St. Hubertus Galerijen 25 – 27,<br />
1000 <strong>Brüssel</strong>, www.neuhaus.be<br />
MuSEuM:<br />
Musée de cacao et chocolat,<br />
Guldenhoofdstraat 9 – 11, 1000 <strong>Brüssel</strong>,<br />
Telefon 0032-2-5142048, www.mucc.be
44 . belfriede . glocken, die am himmel hängen<br />
GLocKEN, DIE AM<br />
HIMMEL HäNGEN<br />
trutzig thronen sie über den Städten, mal elegant, mal<br />
wuchtig überragen sie jede noch so kleine Gemeinde:<br />
die belfriede, weithin sichtbare steinerne Wahrzeichen<br />
<strong>Flandern</strong>s. Seit 1999 sind sie geschützt, diese zunächst als<br />
Wachtürme angelegten, schier uneinnehmbaren Festungen,<br />
geschützt als Weltkulturerbe der uNESco. Noch heute symbolisieren<br />
sie die unerschütterliche Macht, die Freiheit und<br />
den Reichtum der Städte, die einst die Emanzipation des<br />
bürgertums von den Feudalherren möglich machten.<br />
Herbert Graf<br />
der belFried VOn brÜgge<br />
„Und oben blieb? – Die Stille nur, ich glaube,<br />
und kostet langsam und von nichts gedrängt<br />
Beere um Beere aus der süßen Traube<br />
des Glockenspiels, das in den Himmeln hängt.”<br />
So beschrieb einst Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht „Quai du Rosaire“ das<br />
Glockenspiel des Stadtturms von Brügge, eines der berühmtesten Belfriede<br />
<strong>Flandern</strong>s, den er 1906 besuchte. 1240 erbaut, wurde auf den steinernen, an<br />
eine grazile Tänzerin erinnernden Turm eine hölzerne Spitze gesetzt, die jedoch<br />
40 Jahre später abbrannte. 1296 wurde sie wieder aufgebaut, um 1493 erneut<br />
abzubrennen, diesmal zusammen mit der Stadtglocke. Auch die dritte Turmspitze<br />
wurde 1741 ein Opfer der Flammen und 1822 schließlich wurde statt der Spitze<br />
eine neogotische steinerne Krone auf den mittelalterlichen Turm gesetzt. Das Ca-<br />
rillon, wie sich das von Rilke beschriebene Glockenspiel nennt, stammt aus dem<br />
www.flandern.com 45<br />
Der belfried von brügge beherrscht wie kein<br />
anderes bauwerk die Silhouette des nächtlichen<br />
brügge. Noch heute ist er das steinerne Symbol<br />
für die Macht des mittelalterlichen bürgertums.
46 . belfriede . glocken, die am himmel hängen<br />
<strong>Flandern</strong>s ältestes Schöffenhaus<br />
neben dem belfried von Aalst, dessen<br />
Glockenspiel 52 Glocken schmücken.<br />
Fast ein wenig zierlich wirkt der belfried<br />
von Dendermonde. Der turm wurde im<br />
Ersten Weltkrieg schwer beschädigt.<br />
Die neogotische steinerne<br />
Krone erhielt der belfried von<br />
brügge erst 1822.<br />
Lebensfreude vor historischer Kulisse: 1914<br />
geschah unglaubliches – beim Läuten für die<br />
„Genter Feste“ zerbarst die Glocke „Roland”.<br />
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17. Jahrhundert. Die Glocken erklangen allerdings schon viel<br />
früher von <strong>Flandern</strong>s Belfrieden: Immer dann, wenn der Feind<br />
im Anzug war, wurden die Bürger mit Geläut zum Waffengang<br />
aufgefordert. Aber auch bei Feuer, Hinrichtungen, hohem Be-<br />
such oder der Öffnung der Märkte wurden die Bewohner mit<br />
den Glocken alarmiert. Heute klingen zu jeder vollen Stunde<br />
die 47 Glocken durch die Gassen des „Venedigs des Nordens“.<br />
Einige Male im Jahr werden sie aber auch für Konzerte ge-<br />
nutzt. Wenn der Wind günstig steht, ist die Musik bis in den<br />
Hafen von Zeebrügge zu hören, sagt man. Und sind die 366<br />
Stufen bis auf 83 Meter Höhe erst einmal erklommen – vorbei<br />
an der Schatzkammer und dem riesigen Uhrwerk –, blickt man<br />
hinunter auf die eiförmige Innenstadt, die durch die leicht<br />
erhöhte und mit Bäumen bewehrte Stadtbefestigung einge-<br />
schlossen ist. Ein atemberaubender Anblick, bei dem man gar<br />
nicht bemerkt, dass sich der Turm mehr als einen Meter nach<br />
Südosten neigt!<br />
der belFried VOn gent<br />
Der Belfried am Botermarkt direkt an der Tuchhalle entstand<br />
zwischen 1313 und 1380. Im Laufe der Jahrhunderte erhielt<br />
er sieben unterschiedliche Bekrönungen, um so der wachsen-<br />
den Zahl der Glocken des Glockenspiels Platz zu bieten. Heute<br />
trägt der 95 Meter hohe Turm ein Glockenspiel des berühm-<br />
ten Löwener Glockengießers Peter Hemony. Das Spiel der<br />
54 Glocken wird mit dem Uhrmechanismus und einer kupfer-<br />
nen Spieltrommel betrieben, vergleichbar einer Spieldose.<br />
Jede Viertelstunde wird die Trommel in Gang gesetzt, dann<br />
ertönen Glockenspielfragmente, Bearbeitungen von klas-<br />
sischen oder modernen Musikstücken oder neue Kompositi-<br />
onen des Stadtglockenspielers. Kurios: Die 6 070 Kilogramm<br />
schwere Glocke „Roland“, die seit 1660 ertönte, zerbarst im<br />
Jahre 1914 während des Läutens anlässlich der „Genter Feste“.<br />
Seit 1950 kann die alte Glocke nun auf dem Goudenleeuw-<br />
plein bewundert werden. Der Aufstieg zum Belfried ist übri-<br />
gens besonders dann lustig, wenn auf dem schmalen Rund-<br />
gang auf der obersten Ebene Gruppen von Touristen partout<br />
in die Gegenrichtung marschieren wollen. Das geht nämlich<br />
nicht, der Gang ist dafür einfach zu schmal. Allerdings hat<br />
man von hier aus nicht nur eine herrliche Sicht auf die Leie<br />
und das Grachten-Labyrinth Gents, sondern auch auf die<br />
Spitze des Turms. Dort schwebt als Wetterfahne ein über drei<br />
Meter langer vergoldeter Drache, der sich vormals auf der So-<br />
phienkirche in Konstantinopel befand und im Jahre 1204 nach<br />
der Eroberung der Stadt durch die Kreuzfahrer von Balduin<br />
IX., dem Grafen von <strong>Flandern</strong>, nach Gent geschickt wurde.<br />
die belFriede VOn aalSt und denderMOnde<br />
Die Geschichte des Belfrieds der Blumenstadt Aalst – zwischen<br />
Gent und <strong>Brüssel</strong> an der Dender gelegen – geht auf das Jahr<br />
1125 zurück, als das Schöffenhaus, das älteste <strong>Flandern</strong>s, aus<br />
Sandstein erbaut wurde. Der Belfried wurde 1460 vollendet<br />
und erhielt ein Jahr später das erste Glockenspiel eines Meche-<br />
lener Meisters. Heute erklingen hier insgesamt 52 Glocken.<br />
Nicht weit von Aalst liegt auch Dendermonde. Der Belfried<br />
aus dem 14. Jahrhundert war ursprünglich ein Eckturm der<br />
Tuchhalle, mit deren Bau 1337 begonnen worden war. Als im<br />
Ersten Weltkrieg Dendermonde schwer beschädigt wurde,<br />
ging auch das Carillon verloren. Es wurde erneuert und heute<br />
erklingt wieder das himmlische Glockenspiel über der Stadt.<br />
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Öffnungszeiten: täglich 9.30 – 17.30 uhr<br />
Eintritt: Erwachsene 5 Euro, Kinder 3 Euro, unter<br />
13 Jahren freier Eintritt, Infos unter www.brugge.be<br />
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10 – 12.30 uhr / 14 – 17.30 uhr<br />
Eintritt: 3 Euro, Infos unter www.gent.be<br />
47
Konigreich<br />
der Himmel<br />
Die düstergrauen Steine, die sich zu einem angsteinflößenden<br />
bollwerk über die Stadt Gent erheben, erzählen aus<br />
dem Dunkel der Vergangenheit, geschwärzt von dem Feuer<br />
brandschatzender und mordender Normannen, die auf ihren<br />
Schiffen die Leie zum plündern heraufzogen. Herrscherwille<br />
und Macht haben diese Steine zusammengehalten. Herbert Graf<br />
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Auch heute, wenn Ausflugsboote voller Touristen auf der<br />
Leie unterhalb der gewaltigen Wasserburg Gravensteen her-<br />
fahren, wirkt diese Ritterburg unter dem Himmel der flachen,<br />
eher kühlen Landschaft exotisch und fremd. In Syrien stehen<br />
ähnlich schroffe Kreuzritterburgen unter der gleißenden<br />
Sonne des Nahen Ostens. Der Erbauer, Graf Philipp von<br />
<strong>Flandern</strong>, war Kreuzritter und ließ auf den Grundfesten eine<br />
echte Kreuzritterburg errichten. Der dritte Kreuzzug ins Heilige<br />
Land endete allerdings in einem Desaster. Graf Philipp sollte<br />
König des Königreiches von Jerusalem werden, fiel aber in<br />
Syrien, und die Kreuzritterburgen stehen nun wie ein stummes<br />
Mahnmal unter dem Zeichen des Halbmondes. Nach den<br />
verlorenen Kämpfen besannen sich die Grafen von <strong>Flandern</strong><br />
auf ihre Heimat und schauten von den 24 Zinnen auf ihre<br />
Untertanen herab, ließen ihre Macht spielen.<br />
Gegen die Steuererhöhung von Kaiser Karl V. aber lehnten sich<br />
die selbstbewussten Genter auf. Der bestrafte daraufhin die<br />
Aufständischen seiner Heimatstadt. Er ließ 50 Bürger barfuß<br />
durch die Stadt laufen, nur mit einem weißen Stück Leinen<br />
bekleidet und mit einem Strick um den Hals, um Gnade bet-<br />
telnd. Daher stammt auch der Spottname aller Genter:<br />
„stroop-dragers“ – Strickträger. Während der „Genter Feste“<br />
im Sommer laufen die Strickträger barfuß durch die Stadt.<br />
Über den Torbau, der quasi eine Burg in der Burg bildet,<br />
gelangt man<br />
Geschichtsträchtig – während der „Genter Feste“ laufen 50 Bürger in weißem<br />
Leinen und mit einem Strick um den Hals barfuß durch die Stadt.<br />
Gruselig – im Museum sorgen die mittelalterlichen Folterinstrumente<br />
und deren Gebrauchsanweisungen für Gänsehaut.<br />
in die Ringburg und in deren Herz, den Donjon, einen<br />
klobigen Wehrturm. Über die unteren Hallen geht es in den<br />
größten und festlichsten Saal. Dutzende Ritterrüstungen,<br />
riesige Schwerter und Helme strahlen im Licht, das durch die<br />
riesigen Fenster fällt. Eine Wendeltreppe führt hinauf auf das<br />
Dach des Donjons. Hinab vom Himmel führen die ausge-<br />
tretenen Stufen, direkt in die Hölle. Nicht zufällig befindet<br />
sich hier das Foltermuseum, denn die Burg diente von 1407<br />
bis 1708 als Gerichtssitz. Kerker und Folterkammer wurden<br />
eingerichtet und deshalb heißt das Museum offiziell auch<br />
„Gerechtsmuseum“. Beim Anblick der Streckbank, auf der die<br />
Inhaftierten langsam gestreckt wurden, bis die Gelenke krach-<br />
ten, oder der Mundbirne, die den Wehrlosen in den Mund<br />
gesteckt wurde, um die Schreie zu ersticken, meint man noch<br />
heute das stumme Wimmern der Gepeinigten zu hören.<br />
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St.-Veerleplein 11, 9000 Gent<br />
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Geöffnet: 1. April bis 20. September<br />
täglich 9 – 18 uhr, 1. oktober bis<br />
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49
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Der Mann meiner träume, der cowboy, der<br />
schneller schießt als sein Schatten, erwartet mich<br />
in brüssel. und ja – ich bin nervös, schließlich<br />
haben wir uns noch nicht persönlich kennen-<br />
gelernt. Im Zug, bei einer tasse Kaffee, lasse ich<br />
mir noch einmal meinen plan durch den Kopf<br />
gehen. Erst taste ich sein umfeld ab, lerne seine<br />
Freunde kennen, und dann werde ich rein zufällig<br />
an seinem Haus vorbeischlendern.<br />
Der Rest ergibt sich von allein …<br />
Sarah Stock
Bei der Touristeninformation bekomme ich gratis einen Stadtplan<br />
und, worüber ich mich besonders freue, einen „Stripwalk-Plan“<br />
durch die Stadt. Hier sind alle Comic-Fassaden von<br />
<strong>Brüssel</strong> eingezeichnet, die man bei einem Spaziergang durch<br />
die Stadt bewundern kann. Der so genannte „Comic-Walk“<br />
ist einzigartig in Europa. Wo hat man schon die Gelegenheit,<br />
alle belgischen Comic-Helden von dem Marsupilami bis zu<br />
den Schlümpfen überlebensgroß auf der Straße zu treffen?<br />
Das kommt nicht von ungefähr, denn <strong>Brüssel</strong> ist die Heimat<br />
vieler Comic-Zeichner. Nicht nur Hergé, der geistige Vater<br />
von Tim & Struppi, ließ sich von <strong>Brüssel</strong> und seinen Museen<br />
inspirieren. Die 6 km lange Route führt an insgesamt 32 großformatigen<br />
Comic-Malereien an Hauswänden vorbei und gibt<br />
einen Überblick über die vielfältige Comic-Kultur <strong>Brüssel</strong>s. Als<br />
Erstes entdecke ich die Comic-Wand, auf der „Nero“ versucht,<br />
auf einen Baum zu klettern – Nero ist sympathisch, aber ein<br />
typisch flämischer Pantoffelheld, der dicke Waffeln futtert, also<br />
nichts für mich. Im Marollenviertel laufen mir auf einer bunten<br />
Comic-Wand Schnieff und Schnuff entgegen. Der Platz ist<br />
gut gewählt, denn in der Welt des kleinen Jungen mit seinem<br />
Hund erinnert vieles an das typische <strong>Brüssel</strong>. Die beiden heißen<br />
hier Boule & Bill und sind das Werk des zweiten großen<br />
Comic-Meisters, Jean Roba. Ultramarinblau leuchtet die Comic-Fassade<br />
mit meiner Lieblings-Comic-Heldin, der schönen,<br />
jungen und intelligenten Detektivin Caroline Baldwin.<br />
Der Mann, der schneller schießt als sein Schatten:<br />
„Lucky Luke” von Morris hat für alles eine Lösung – seine<br />
Lieblingsfeinde: die Daltons (Foto l.). Bei Kindern sehr beliebt:<br />
Führungen durch das Comic-Museum (Foto r.) und natürlich<br />
der Hergé-Klassiker „Tim & Struppi”, hier ohne Struppi, dafür<br />
aber mit Professor Bienlein (ganz r.).<br />
Das Schatzsuch-Fieber hat mich gepackt, schnell zur nächsten<br />
Wand. Eins der Highlights meiner Reise ist das Comic-Museum.<br />
Allein das Gebäude ist ein Museumsstück, wurde es doch<br />
von Victor Horta, einem Jugendstil-Architekten, Anfang des<br />
20. Jahrhunderts für einen Textilhändler entworfen. Im Museum<br />
fällt mir zuerst der schöne überdachte „Innenhof“ auf. Von<br />
hier aus führt eine Treppe zu den Ausstellungsräumen. Hier<br />
werden sowohl permanente Ausstellungen über die Klassiker<br />
und Comic-Veteranen als auch wechselnde Ausstellungen<br />
zu verschiedenen anderen Themen gezeigt. Ich bin aber vor<br />
allem an Werken des berühmten Morris, meines Schwiegervaters<br />
in spe, interessiert, der 1949 mit zwei anderen Comic-<br />
Zeichnern in den Wilden Westen reiste. Diese Reise hat ihn<br />
bestimmt zu dem Namen, den er später seinem Sohn gab,<br />
inspiriert. So „lucky“ war dieser damit vielleicht nicht, aber<br />
bestimmt hat gerade das ihn so moralisch und stark gemacht.<br />
Er hat einfach Charakter! Nervös oder nicht, ich muss ihn jetzt<br />
endlich finden. Der Tag neigt sich dem Ende zu und mein Zug<br />
wartet leider nicht. Endlich! An der Straße „Rue de la Buanderie“<br />
sehe ich meinen Cowboy, „poor“ und „lonesome“ steht er<br />
da. Ich spüre ganz deutlich: Wir sind ein Herz und eine Seele –<br />
ja, wir verstehen uns. Ich trage zwar keinen Ring an meinem<br />
Finger, aber ihr könnt mich ab jetzt Mrs. Luke nennen.<br />
Happy End<br />
www.flandern.com 5<br />
in der „brasserie Horta“ im comic-Museum treffe<br />
ich den jungen Pressechef und leidenschaftlichen<br />
comic-Fan Willem de graeve.<br />
Warum ist ausgerechnet <strong>Brüssel</strong> die Comic-Stadt?<br />
De Graeve: Belgien ist schon immer ein besonderes und multikulturelles<br />
Land gewesen. Auch jetzt noch werden hier drei<br />
Sprachen gesprochen: Flämisch, Französisch und Deutsch.<br />
Diese Multikulturalität hatte aber zur Folge, dass die Kommunikation<br />
untereinander oft schwierig war. Bilder wurden<br />
von allen verstanden. So entstand eine ganz spezielle „Bild-<br />
Erzähl-Kultur“, vor allem in der Hauptstadt <strong>Brüssel</strong>. Als aus<br />
Amerika der Comic-Stil herüberschwappte, wurde dieser hier<br />
mit offenen Armen empfangen und weiterentwickelt.<br />
Hat <strong>Brüssel</strong> einen besonderen Humor?<br />
De Graeve: Belgier, und somit auch <strong>Brüssel</strong>er, besitzen in der<br />
Tat einen ganz speziellen Humor. Sie sind sehr anarchistisch<br />
und ironisch. Nimmt sich jemand zu ernst, wird er auf die<br />
Schippe genommen. Über jeden werden Witze gemacht.<br />
Gibt es in einer anderen europäischen Stadt<br />
eine vergleichbare Comic-Kultur?<br />
De Graeve: In keiner anderen Stadt in Europa werden so<br />
viele Dauerausstellungen und Veranstaltungen zum Thema<br />
Comic geboten. Es gibt mindestens 25 Comic-Shops, mehrere<br />
Comic-Festivals und natürlich das Comic-Museum. In Frankreich<br />
werden zwar auch viele Festivals und Ausstellungen zum<br />
Thema Comic organisiert, aber die Comic-Kunst ist nicht, wie<br />
in <strong>Brüssel</strong>, ein ständiges Thema.<br />
Was gefällt dir persönlich an <strong>Brüssel</strong> am besten?<br />
De Graeve: Das Multikulturelle. Die Stadt spricht zwei Sprachen,<br />
Flämisch und Französisch. Das bringt schon ein besonderes<br />
Flair mit sich. Außerdem ist <strong>Brüssel</strong> eine sehr internationale<br />
und tolerante Stadt.<br />
Hast du für Comic-Touristen noch einen Geheimtipp?<br />
De Graeve: Das Buch „<strong>Brüssel</strong> gestript“ (ein spezieller Comic-<br />
Stadtführer, in Englisch, Französisch oder Niederländisch in<br />
den Comic-Shops zu bekommen) kann ich nur jedem<br />
empfehlen.
54 . comic . rendez-vous in brüssel<br />
Hast du eine Lieblings-Comic-Serie und wer sind deine<br />
Lieblingshelden?<br />
De Graeve: Am allerliebsten lese ich Gaston LaGaffe und Nero.<br />
Beide Serien sind sehr humorvoll und überraschend, alles ist<br />
möglich. Diese beiden sind auch meine Lieblingshelden oder<br />
eher meine Lieblings-Antihelden.<br />
Wenn du ein Comic-Held sein könntest, welcher wärest du<br />
dann gerne?<br />
De Graeve: Ich denke, ich wäre am liebsten Tim (Tim &<br />
Struppi von Hergé). Er reist viel und er kann alles: Flugzeug<br />
fliegen, tauchen, und er hat immer für alle Probleme eine<br />
gute Lösung.<br />
Jean Robas „Schnieff und Schnuff”<br />
erleben aufregende Abenteuer –<br />
selbst an einer Wohnhausfassade.<br />
Das ist nicht der cowboy!<br />
Aber wo ist er? Vor dem<br />
Wandbild von Marc Sleen.<br />
Wann gibt es im Museum wieder eine Ausstellung<br />
mit Nachwuchskünstlern?<br />
De Graeve: Immer zum Schuljahresende, d. h. Ende Juli,<br />
zeigen wir Werke der Absolventen von Universitäten, die<br />
Comic-Zeichnen als Unterrichtsfach anbieten.<br />
Kennst du ein Nachwuchstalent, von welchem du<br />
denkst, dass es ein Talent mit Zukunft ist?<br />
De Graeve: Da fällt mir auf jeden Fall Pieter de Poortere ein.<br />
Seine Serie „Bourke“ kommt ganz ohne Worte aus und ist so-<br />
mit auch international leicht zu vermarkten. Seine Geschichten<br />
sind sehr humorvoll und individuell gezeichnet. Zwei seiner<br />
Bücher sind jetzt schon im Handel.<br />
Hier ermittelt taymans<br />
caroline baldwin – die<br />
coolste Detektivin<br />
überhaupt.<br />
Wo’s hingeht …<br />
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Das historische Gebäude aus dem 13. Jahrhundert mit neogotischer<br />
Kirche und Innengarten wurde in ein Hotel umgestaltet,<br />
wobei die mystische Atmosphäre und der authentische<br />
Charakter bewahrt blieben. Zuvor waren in dieser stillen<br />
Oase Jahrhunderte lang der Beginenhof „Sint Autbertus“ und<br />
das Kloster „Poortackere“ beheimatet.<br />
2 Nächte inklusive Frühstück, ein Willkommenskörbchen mit<br />
regionalen ost-flämischen Produkten, ein Stadtspaziergang<br />
im historischen Gent auf den Spuren des heiligen Autbertus<br />
mit drei „Drink Stops“ in typischen „Genter Cafés“ und ein<br />
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56 . fietsen . küstenwind<br />
Kusten<br />
Wind<br />
Wie perlen auf einer Schnur liegen die weißen Strände<br />
der Seebäder an der flämischen Küste. Die schönste Art,<br />
die unterschiedlichen badeorte zwischen Frankreich und<br />
den Niederlanden kennenzulernen, ist eine tour auf der<br />
Küstenradroute – 86 Kilometer zwischen De panne und<br />
Knokke-Heist, die ein urlaubsgefühl bieten, das man einfach<br />
nur am Meer erleben kann.<br />
Nils Flieshardt<br />
Passagierfähren liegen am Kai, Himmel und See wetteifern um das schönste Blau<br />
und Möwen grüßen aus der salzigen Luft. Schon die Einfahrt in die „Stadt am<br />
Meer“ ist ein maritimes Erlebnis, doch der Ruck kurz vor der Ankunft bedeutet<br />
nicht etwa den Kontakt mit der Kaimauer, sondern den abrupten Halt im Bahnhof<br />
von Oostende. Das größte Seebad an der flämischen Küste begrüßt seine Gäste,<br />
die aus dem Inland angeschwemmt werden, mit einem imposanten Bau.<br />
Der liegt direkt am Wasser und seine Gleise neben dem Hafen wirken fast wie Liegeplätze<br />
für Züge. Doch die Verabredung mit der Stadt muss noch warten, denn<br />
Oostende ist das quirlige Zentrum der 67 Kilometer langen Küste. Der Ausgangspunkt<br />
für die Tour auf der Küstenradroute liegt am westlichen Ende, nahe der<br />
Grenze zu Frankreich. Und um dort hinzugelangen, steigt man am besten in die<br />
„Kusttram“, die Küstenstraßenbahn, die alle flämischen Orte an der See verbindet.<br />
Auf der Fahrt nach Westen zum Startpunkt De Panne gibt es so schon einen<br />
Vorgeschmack auf die Aussichten der anstehenden Radtour.<br />
Strand Oder Strecke?<br />
In De Panne kommt es zum ersten Mal zu dem besonderen Konflikt, den ein<br />
Radurlaub am Meer mit sich bringt. Der breite Strand lockt und so stehen die<br />
Räder noch eine Weile still. Außerdem gilt es, zunächst ein Stück flämischer Kultur<br />
zu erleben, das zwar nach Klischee klingt, aber zu einem <strong>Flandern</strong>-Urlaub einfach<br />
dazugehört: die typischen Pommes frites. Sie sind überall zu finden und leicht zu<br />
identifizieren – der Rest der riesigen Auslagen jedoch macht Appetit und ratlos
58 . fietsen . küstenwind<br />
Meerblick – 86 Kilometer Radwege winden sich an<br />
der Nordsee entlang und wollen entdeckt werden.<br />
zugleich, denn auf den ersten Blick bleibt verborgen, was<br />
sich unter den verschiedenen Panaden verbirgt. Da hilft nur<br />
probieren und schnell wird klar, dass „Frikandel“ keine Fri-<br />
kadelle ist und dass „Kroketje“ nichts mit Kartoffeln zu tun<br />
haben. Zugegeben, die frittierten Fleischspezialitäten sind<br />
nicht gerade eine leichte Radlermahlzeit, aber schließlich<br />
warten noch genügend Kilometer, um die Kalorien wieder<br />
loszuwerden. Schade, dass man nicht schon vom Zuschauen<br />
abnimmt – innerhalb kürzester Zeit hätte man am Strand<br />
von De Panne Traummaße. Kitesurfer lassen sich von ihren<br />
Drachen über die Wellen tragen, Jogger pflastern den Sand<br />
mit Fußabdrücken und Strandsegler flitzen auf drei Rädern<br />
über die natürliche Rennstrecke.<br />
Auf zwei Rädern geht es nun in Richtung Osten – nach<br />
Knokke-Heist an der holländischen Grenze. Die Küstenrad-<br />
route führt auf ruhigen Nebenstraßen durch das Ortsinnere<br />
von De Panne und schlängelt sich von hier aus durch wunder-<br />
schöne Wohnviertel mit Häusern im Cottagestil und liebevoll<br />
gestalteten Gärten nach Sint-Idesbald und Koksijde. Am Strand<br />
von Oostduinkerke kann man abgehärteten Männern bei ihrer<br />
Arbeit zusehen. Im gelben Ölzeug ziehen die Fischer bei Ebbe<br />
Malerisch – der Leuchtturm von<br />
Nieuwpoort überragt die höchsten Dünen.<br />
weit aufs Meer hinaus, um Krabben aus der See zu fischen<br />
und zu kontrollieren, ob Fische in die auf-gestellten Netze<br />
gegangen sind. Bis zur Hüfte stehen sie in der Brandung, um<br />
ihr die geschuppten Schätze zu entlocken. An manchen Tagen<br />
im Sommer kann man hier eine weltweit einzigartige Fang-<br />
methode beobachten: Auf Pferden ziehen die Fischer dann<br />
durchs Wasser, um ihre Krabbenkörbe zu füllen. Die kleinen<br />
Köstlichkeiten werden per Pferd an den Strand gebracht, dort<br />
zubereitet und an die hungrigen Zuschauer verkauft. Heute ist<br />
leider nichts zu holen – die Fischer behalten ihren verdienten<br />
Fang für sich.<br />
Auf wenig befahrenen Straßen führt die Küstenradroute<br />
immer flach durch Polderlandschaften auf die Ijzer zu, die bei<br />
Nieuwpoort in die Nordsee mündet. Hier dreht sich alles um<br />
kleine Jollen, ausgewachsene Segler und kraftstrotzende Mo-<br />
torboote – über 2 000 Liegeplätze gibt es im größten Jacht-<br />
hafen Nordeuropas. Wer genügend Geld in der Reisekasse hat,<br />
kann aus einem Abstecher zum Hafen auch eine Shoppingtour<br />
machen – dann gilt es, nur noch die Entscheidung zwischen<br />
Segel- und Motorjacht zu fällen, und eines der brandneuen<br />
Modelle hinter den Schaufenstern der Showrooms hat einen<br />
Kusten www.radflandern.com<br />
Wind<br />
59<br />
Witzig – die krummen Räder im „lustigen<br />
Velodroom” in blankenberge sind ein Spaß<br />
für Jung und Alt. Auch sehr beliebt: Drachen<br />
steigen lassen am Strand.<br />
neuen Kapitän. Das eigene Budget lässt den Wechsel vom<br />
Bike aufs Boot nicht zu, und so rollen die Räder weiter am<br />
befestigten Ufer entlang nach Westende und Middelkerke.<br />
Der Blick schweift gen Meer und über mehrere Kilometer kann<br />
man die Wellen beobachten, wie sie an die Mauer unterhalb<br />
des Radwegs schlagen. Dann kündigt sich ein Wiedersehen<br />
an: Oostende liegt auf dem Weg und dieses Mal gibt es kei-<br />
nen schnellen Abschied – zu viel hat diese Stadt zu bieten.<br />
die königin der Seebäder<br />
Das Rad hat jetzt Pause, zu Fuß geht es auf einen Stadtbum-<br />
mel durch die belebten Gassen und Fußgängerzonen des<br />
Zentrums. Kleine Geschäfte, abwechslungsreiche Gastronomie<br />
und Kaufhäuser warten auf Kundschaft. Die Museen bieten<br />
sehenswerte Ausstellungen. Am Visserskai direkt am Bahnhof<br />
liegen mehrere historische Schiffe und an zahlreichen Buden<br />
werden frische und frittierte Meeresfrüchte angeboten. Fast<br />
alle Verkäufer rühren in großen Töpfen vor ihren Ständen,<br />
aus denen es würzig lecker duftet. „Warme Wulloks“ ist auf<br />
Schildern zu lesen, und was sich auf Nachfrage als See-<br />
schnecken entpuppt, sollten Fischfreunde unbedingt probie-<br />
ren. Die Mischung aus muschelähnlichem Geschmack und<br />
Kalamariskaugefühl ist lecker und kostet nicht viel. Nobler<br />
geht es hingegen im frisch renovierten Casino von Oostende<br />
zu. Hier kann man in der Fischbrasserie „Oostend Queen“ die<br />
edelsten Meerestiere kosten und bekommt dazu einen fan-<br />
tastischen Blick auf die Nordsee geschenkt. Die Küche ist her-<br />
vorragend, aber wirklich bekannt wurde das Restaurant durch<br />
eine kuriose Geschichte: Der gute Ruf der „Oostend Queen“<br />
eilte ihr derart weit voraus, dass sie schon eine Erwähnung im<br />
renommierten französischen Restaurantführer „Guide Rouge“<br />
von Michelin bekam, bevor überhaupt Eröffnung gefeiert<br />
werden konnte. Peinlich für den Verlag – das Restaurant wurde<br />
durch die Episode jedoch weltberühmt und beweist heute,<br />
dass es die Vorschusslorbeeren nicht nötig gehabt hätte.<br />
Wieder auf dem Rad, bleibt Oostendes Trubel zurück und<br />
schon nach wenigen Kilometern ist Bredene erreicht. Der Ort<br />
ist Natur pur, und das in allen Belangen: Am kilometerlangen<br />
Strand gibt es keine Uferbefestigung, und auch die Badegäste<br />
können sich im FKK-Abschnitt ganz natürlich geben. Bredene<br />
eignet sich außerdem hervorragend, um auf dem Fahrradnetz-<br />
werk der Region einen Ausflug ins Brügger Umland zu starten.
60 . fietsen . küstenwind<br />
Mit De Haan liegt eine weitere Perle der Küstenkette auf der<br />
Route. Die Fahrt durch den beschaulichen Ort führt vorbei an<br />
kleinen Türmchen, Fachwerkhäusern und verspielten Bauten<br />
im Belle-Epoque-Stil – hohe Appartementgebäude gibt es hier<br />
nicht. Wer Ruhe sucht, der findet sie hier.<br />
WeiSSe Villen und luXuSläden<br />
Die Radroute führt an der Strandpromenade entlang zum<br />
letzten Seebad vor der niederländischen Grenze. Knokke-Heist<br />
ist wahrlich der krönende Abschluss für die Entdeckungstour<br />
entlang der flämischen Küste. Der mondäne Ort trägt immer<br />
seinen Sonntagsanzug – besonders im Ortsteil Het Zoute, wo<br />
in den ausschließlich weißen Villen und Ferien-Appartements<br />
die internationale High Society wohnt. Das Zentrum von<br />
Knokke ist ein echtes Shoppingparadies: Stores der edelsten<br />
Designer und Juweliere bieten sündhaft teure Urlaubser-<br />
innerungen an, und exklusive Läden für Inneneinrichtung<br />
inspirieren zur Umgestaltung des eigenen Domizils. Aber es<br />
gibt auch Bezahlbares in den Shops der angesagten Surf- und<br />
Streetwear-Marken. Kunstinteressierte dagegen stöbern in den<br />
rund 50 Galerien. Übrigens schützt hier auch das Wochenen-<br />
Kusten Wind<br />
de nicht vor einer leeren Urlaubskasse – sonntags haben die<br />
Geschäfte ebenso geöffnet wie an Feiertagen. Ganz umsonst<br />
hingegen ist ein Bummel über die wunderschöne Strandpro-<br />
menade und ein Strandspaziergang zum „Surfers Paradise“.<br />
Hier kann man den Kitesurfern bei ihren waghalsigen Flugma-<br />
növern über dem Meer zusehen und an manchen Tagen wird<br />
der Club zum Set für Film- und Fotoaufnahmen – dann stehen<br />
eher die Models als die Männer in Neopren im Mittelpunkt.<br />
Für Naturfreunde hingegen ist ein Besuch des Schlick- und<br />
Salzwiesengebiets „Het Zwin“ Pflicht. Ist dies bei Flut zum Teil<br />
vom Nordseewasser überspült, flattern und schnattern hier<br />
über 100 Vogelarten wild durcheinander. Bänke laden zum<br />
Verweilen und Beobachten ein, und mit Gummistiefeln an den<br />
Füßen kann man auch den Wanderführern des Naturschutz-<br />
gebiets durch die Landschaft folgen. Ein letztes Mal wird die<br />
Kamera gezückt, und das violette Blütenmeer der Strandnel-<br />
ken kommt als Urlaubserinnerung mit nach Hause.<br />
KÜStEN-RADRoutE<br />
<strong>Download</strong> der Radwegenetzkarte<br />
„Küste“ als pDF-Datei unter<br />
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Wer im Schutz deS deutSchen reinheitSge-<br />
botS aufgeWachSen iSt, betrachtet fremde<br />
biere mit SkepSiS. doch die belgier haben daS<br />
brauen und zechen zur kunStform erhoben.<br />
Burkhard Strassmann<br />
im bierhimmel<br />
www.flandern.com 6<br />
Mitten in Belgien, in der Provinz Brabant, liegt die Stadt Leu-<br />
ven. Leuven oder Löwen ist eine Universitätsstadt, vital, lustig,<br />
mit spätgotischem Rathaus und einer prachtvollen Universi-<br />
tätsbibliothek, die im Ersten Weltkrieg zerstört und in einem<br />
schrillen Neorenaissancestil wiedererrichtet wurde. In dieser<br />
Stadt kann man lecker essen und prima shoppen. Doch wir<br />
spazieren ins Gewerbegebiet. Denn wir sind auf Recherche.<br />
Es geht um Bier. Belgisches Bier.<br />
Unter den vielen Gründen, nach Belgien zu reisen (gelbe<br />
Autobahnbeleuchtung, Grabenkrieg zwischen Flamen und<br />
Wallonen, Plattenbauten an der Nordseeküste), erscheint<br />
einem Deutschen das belgische Bier als der hinterletzte.<br />
Nicht umsonst ist man im Geltungsbereich des deutschen<br />
Reinheitsgebots aufgewachsen. Man hält Deutschland für<br />
den Weltmeister im Bierbrauen und im Biertrinken, ist stolz<br />
auf eine sorgfältig aufgebaute, über 15 Minuten lang stand-<br />
feste Schaumkrone auf dem Pils und hütet im Wortschatz den<br />
schönen Begriff „bierernst“. Ausgerechnet ein Dutzend deut-<br />
scher Journalisten hatte das Flämische <strong>Tourismus</strong>büro in<br />
Köln zu einer „Pressereise Bier“ eingeladen. Wir waren gekö-<br />
dert worden mit eigenartigen Assoziationen („B wie Belgien<br />
und Bier“) und beunruhigenden Begriffen wie „Himbeerbier“.<br />
Wir ahnten: Uns standen drei harte Tage bevor. Im Löwener<br />
Gewerbegebiet residiert eine Brauerei mit dem unbelgischen,<br />
an Bier zuallerletzt erinnernden Namen Interbrew. Interbrew<br />
trug früher den schönen Namen Stella Artois. Unter dem neu-<br />
en, hässlichen Namen kauft Interbrew alle Brauereien auf,<br />
deren Eigentümer gerade Bargeld brauchen (Beck & Co.,<br />
Diebels, Franziskaner). Die Betriebsbesichtigung besteht aus<br />
drei Teilen: Bier trinken, durch riesige Hallen mit glänzenden<br />
Kesseln und Rohrleitungen gehen, Bier trinken. Erinnerlich<br />
bleibt der säuerliche Nachgeschmack des mit Mais gebrauten<br />
Stella. Und ein Satz des Führers, der uns Becks-Trinkern noch<br />
saurer aufstößt: „Jedes Mal, wenn Interbrew eine Brauerei<br />
aufkauft, bleiben Name und regionale Eigenheiten erhalten.<br />
Nur die Produktion unterliegt ab sofort den hohen Interbrew-<br />
Qualitätsansprüchen.“<br />
trOckeneS MundgeFÜHl, bitterer abgang<br />
Ein Tiefschlag, in dessen Folge wir die Brauerei schwankend<br />
verlassen. Doch es soll noch schlimmer kommen. Domus<br />
heißt die nächste Herausforderung, eine Hausbrauerei in der
64 . flanderns bier . im bierhimmel<br />
umwerfend – <strong>Flandern</strong>s hochprozentige biere verfehlen ihre<br />
Wirkung nicht und verfeinern zudem die Spitzenküche.<br />
Innenstadt mit einer Pipeline direkt ins Wirtshaus zu den Zapf-<br />
hähnen. Der Wirt reicht uns die Getränkekarte. Fassungslos<br />
starren wir auf das Angebot: „tiefrotbraun, karamellwarm, voll<br />
und rund, sanfter Abgang, mit einer Spur reifer Waldfrüchte“.<br />
Es geht hier nicht um einen Bordeaux. Sondern um Engel, ein<br />
Bier mit 7 Prozent Alkoholgehalt. Wir halten offenbar eine Bier-<br />
karte in der Hand! Neben dem Engel steht das Düvel („8,5<br />
Prozent, trockenes Mundgefühl, bitterer Abgang“). Es gibt<br />
auch ein Kirschbier und ein anderes mit „angenehm warmem,<br />
alkoholischem Abgang“ (10 Prozent). Eine Sorte heißt Mort<br />
subite, was auf nichts anderes verweisen kann als den plötz-<br />
lichen Tod an der Frischluft.<br />
Was wir erleben, ist nicht weniger als ein Kulturschock. Hop-<br />
fen und Malz wurden an unserer Wiege besungen, und nun<br />
das: Zucker und Mais, Honig und Reis, Kräuter und Obst! All<br />
das im Bier! Und die Hausmarken der Domusbrauerei nennen<br />
sich Nostra Domus und Con Domus. Belgier finden so was<br />
lustig. Deutsche irgendwann auch. Der spätere Abend be-<br />
schert weitere, noch üppigere Erfahrungen: Man kann Bier aus<br />
rosa Gläsern trinken; der rechtsradikale Vlaams Blok hat über<br />
10 Prozent der Ratssitze; Sandra von der Agentur hat Schrau-<br />
Voraussetzung – der Hopfen aus poperinge gilt als der beste <strong>Flandern</strong>s<br />
und verleiht dem bier den charakteristischen, leicht bitteren Geschmack.<br />
ben im Knie; Bier kann fast 13 Umdrehungen haben; und<br />
Wallonen wohnen wenige Kilometer von Löwen entfernt, aber<br />
kommen nicht hierher, weil man hier Niederländisch spricht.<br />
Zu Ende geht der erste Biertag, sagen wir: unstrukturiert. In<br />
Deutschland ist Biertrinken eine eher trockene Angelegenheit,<br />
ein beinahe nüchterner Vorgang, selbstverständlich und sau-<br />
ber. In Belgien dagegen Kultur. Und mehr: Kult. Löwen zum<br />
Beispiel ist stolz darauf, den Ehrentitel „Bierstadt“ zu tragen.<br />
Die Stadt bietet ihren Gästen Bierfeste und allen Ernstes das<br />
Pauschalangebot „Löwener Bierwochenende“ an, einschließ-<br />
lich eines dreigängigen „Biermenüs“ mit drei Biersorten und<br />
eines „Probebettchens“ bei Domus (drei Gläser Bier in einem<br />
Holzbettchen). Für das ganze Land gibt es zur Planung mono-<br />
thematischer Bierreisen regelrechte Bierkarten mit Bierrouten.<br />
600 Sorten Bier werden in Belgien gebraut, über 100 Braue-<br />
reien können theoretisch aufgesucht und ausprobiert werden.<br />
Das kann die Kategorie Interbrew sein, aber auch eine Dorfk-<br />
litsche wie De Dolle Brouwers in Diksmuide.<br />
De Dolle Brouwers ist eine schräge Hobbybrauerei in Familien-<br />
hand, die insbesondere eine Biersorte herstellt, das Oerbier.<br />
Gern lachen belgische und holländische Gäste über diesen<br />
Namen, der in ihren Ohren wie „Hurenbier“ klingt und zu<br />
allerlei Wortspielen einlädt. Im Winter wird hier auch „Stille<br />
Nacht“ gebraut, ein Hammer von einem Bier (11,6 Prozent),<br />
mit weißem und braunem Kandis und Honig versetzt und<br />
entsprechend pappsüß und bleischwer. Es trinkt sich likörartig<br />
und beschert dem Trinker vermutlich schlagartig eine stille<br />
Nacht. Apropos Blei: Gern zeigt Brauherr Kris Herteleer, ge-<br />
lernter Architekt, seinen Gästen Tische, aus denen der Schrei-<br />
ner Blei herauskratzen musste. Das Blei erinnert wie unzählige<br />
Gräber, bleihaltige Bäume, noch vorhandene Schützengräben<br />
und knochenhaltige Äcker in dieser Gegend an das entsetz-<br />
liche Abschlachten im Stellungskrieg 1914/15 rund um die<br />
flandrischen Orte Ypern/Ieper und Langemarck. Tatsächlich<br />
spielt in dieser Region bis heute weder der Biertourismus noch<br />
der ebenfalls geförderte Fahrradtourismus die wichtigste Rolle.<br />
Die meisten ausländischen Touristen kommen aus England<br />
und interessieren sich nur für eins: Militärgeschichte.<br />
Es gäbe einen weiteren Grund für Touristen, sich hier her-<br />
umzutreiben. Wer bei Belgien an Pommes frites denkt und<br />
glaubt, dass überall dort, wo man Niederländisch spricht,<br />
die gastronomischen Highlights beim Chinesen zu finden<br />
sind, muss umdenken. Die belgische Küche ist fantastisch. In<br />
Belgien sind nicht nur Antialkoholiker fehl am Platze, sondern<br />
auch Menschen, die auf ihre Linie achten. Man kann ohne<br />
Quälerei in drei Tagen zwei Kilo zunehmen. Dass es so gut<br />
schmeckt, hängt ebenfalls mit Bier zusammen. Die so genann-<br />
te belgische Bierküche lässt keine Gelegenheit aus, Speisen<br />
mit den unterschiedlichsten Biersorten zu akzentuieren. Zum<br />
Abendessen lassen wir uns im ’t Hommelhof im Bierstädtchen<br />
Watou nieder. Eine Spitzenbierküche wird dem Restaurant<br />
nachgesagt. Tatsächlich traktiert man uns zum Hauptgang mit<br />
in Bier gegartem Wildschweinfilet, biergetränkter Fasanenkeule<br />
und in Bier eingelegtem Hasenrücken. Umwerfend! Dazu trin-<br />
ken wir aus Gläsern, die wie Weingläser aussehen, Biere wie<br />
das St. Bernhardus Abt, ein sehr exklusives, nach Champag-<br />
nerart hergestelltes Gebräu. Es hat Sektkorken und wird vom<br />
gepflegten Kellner so elegant eingeschenkt (freie Hand hinter<br />
dem Rücken), wie wir es sonst nur von Sommeliers kennen.<br />
An den geheimnisvollen und innigen Zusammenhang<br />
zwischen Mönchstum und Alkohol wird man in Belgien auf<br />
Schritt und Tritt erinnert. Als am dritten Tag unser sorgsam<br />
gehaltener Alkoholspiegel für einen Augenblick zu sinken<br />
beginnt, erreichen wir gottlob die Abtei St. Sixtus in West-<br />
vleteren. Sie ist eins der sechs berühmten belgischen Trappi-<br />
stenklöster, die das noch berühmtere dunkle Trappistenbier<br />
herstellen, das aufgrund seiner vielen Kalorien den Mönchen<br />
über die Fastenzeit hilft. Wahrscheinlich hilft das Bier auch<br />
über die Einsamkeit hinweg. Trappisten dürfen nämlich nur<br />
ausnahmsweise reden, ansonsten unterhalten sie sich mit<br />
Gebärden. Da die meisten Gäste aber keine Gebärdensprache<br />
verstehen, entfällt bei St. Sixtus die Brauereiführung. Für uns<br />
Gäste steht außerhalb der Klostermauern eine Schänke, in<br />
der uns das hochprozentige, dunkle Gebräu – überraschend<br />
fein zwischen malzig und bitter ausbalanciert – durch die<br />
Kehlen rinnt. Im gleichen Gebäude gibt es einen Laden. Zu<br />
den Öffnungszeiten ist der rammelvoll, und draußen auf dem<br />
Parkplatz werden ganze Kofferräume mit den kleinen Flaschen<br />
vollgeladen. Trappistenbier scheint sehr populär zu sein, Wei-<br />
terverkauf ist verboten, das Angebot limitiert. Kluge Bierkäufer<br />
stellen vorher sicher, dass die gewünschte Sorte auf Lager ist.<br />
Sie rufen das klostereigene Biertelefon an.<br />
Wieder zurück in Deutschland. Umsteigen in Dortmund.<br />
Drei Tage lang haben wir ununterbrochen belgisches Bier<br />
getrunken. Nach deutscher Definition unreines Bier. Weder<br />
die Hand ist uns abgefault noch die Zunge verpilzt, selbst die<br />
Eingeweide arbeiten noch. Doch etwas anderes ist passiert.<br />
In der Bahnhofsgaststätte stellen wir fest, dass deutsches Bier<br />
labberig schmeckt, fade und uninteressant. Das Trinken macht<br />
keinen Spaß. Die Biertrinker wirken unfroh. Kein Zweifel: Das<br />
deutsche Reinheitsgebot ist ein Desaster. Weg damit!<br />
© DIE ZEIT 15.01.2004 Nr. 4 04/2004<br />
65<br />
bRAuEREIbESIcHtIGuNG:<br />
De Dolle brouwers, Roeselarestraat 12 b<br />
in Esen, Telefon 0032-51-502781 (Sa. + So.)<br />
GAStRo-tIpp:<br />
belgische bierküche: t’ Hommelhof,<br />
Watouplein 17 in Watou,<br />
Telefon 0032-57-388024
66 . limburg . kirschen, äpfel und birnen<br />
Kirschen,Äpfel<br />
und Birnen<br />
DER HASpENGAu ISt EIN LANDStRIcH, DER SIcH NIcHt JEDEM SoFoRt ERScHLIESSt.<br />
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SÜDEN VoN bELGIScH LIMbuRG. Esther Bakker<br />
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So geht es schon die ganze Zeit. Nichtsahnend auf einem<br />
Weg radeln, sich kurz umschauen und schon steht da ein Ka-<br />
stell auf einem Hügel, mit Zinnen, die keck in der Sonne fun-<br />
keln. Wir, mein Partner mit seiner Kamera und ich mit meinem<br />
Stift, wären beinah daran vorbeigeradelt, ohne es zu sehen.<br />
Glänzende, reife Beeren hängen in Trauben, hellrot leuchten<br />
sie auf dem Feld mit den dunkelgrünen Johannisbeerbüschen.<br />
Würdest du die leckeren Johannisbeertrauben nicht am lieb-<br />
sten am Stielchen packen, in deinen Mund fallen lassen und<br />
die Beeren mit den Zähnen abreißen ... Dann ein schläfriges<br />
Dorf in der Mittagshitze, die Fensterläden geschlossen. Aber<br />
am Ende des Dorfes entfaltet sich die Pracht einer pastoralen<br />
Szene. Eine Kuhherde im Schatten der Laubbäume. Hügel mit<br />
Obstgärten und darüber geschwungene Mauern, so als wäre<br />
es eine Burg – ein befestigter Bauernhof.<br />
Der Haspengau, der fruchtbare<br />
obstgarten <strong>Flandern</strong>s.<br />
„Du musst es sehen wollen“, sagt eine Limburger Dame<br />
stolz, als sie unseren Weg kreuzt. Nichts auf den ersten Blick,<br />
nichts Atemberaubendes. Aber die, die gut aufpassen, kom-<br />
men aus dem Staunen nicht heraus. Noch ein kleinerer Weg<br />
und weiter über den Feldweg. Was für eine Aussicht mit den<br />
feinen Turmspitzen und den Feldern voller Getreidegarben!<br />
Das perfekte Verkehrsmittel ist das Rad. Mit dem schnellen<br />
Auto würdest du alles verpassen. Die Äpfel voller Tautropfen,<br />
die mit Früchten überladenen Zweige der Kirschbäume, die<br />
Feldwege, die Kornfelder, der heimliche Blick in den Innen-<br />
hof eines uralten Bauernhofs und die unzähligen Schlösser:<br />
einige groß ausgeschildert, andere geheimnisvoll verborgen<br />
im Gehölz wie das Schloss von Dornröschen. Und doch ist die<br />
Zeit seit dem Mittelalter nicht stehengeblieben. Wir sitzen auf<br />
dem Rad mit einem Navigationssystem am Lenker. Als wir uns<br />
67
68 . limburg . kirschen, äpfel und birnen<br />
Schloss Aldenbiesen, einst Sitz des<br />
Deutschen Ritterordens.<br />
verfahren, hören wir direkt die Anweisung aus dem Kopfhörer:<br />
„Sie verlassen die Route. Kehren Sie um!“ Ich kenne die Rou-<br />
tenplaner und die satellitengestützten „Navis“ im Auto, aber<br />
eine Radroute mit GPS und einem persönlichen Audio- und<br />
Video-Reiseleiter? Das ist neu für mich.<br />
„Terra fecunda“ heißt diese Route und bedeutet so viel wie<br />
„fruchtbares Land“. Im Gemeindehaus von Alken, im Norden<br />
von Limburg, bekommt man so ein Gerät, klemmt es an sein<br />
Leihfahrrad und los geht‘s: Radeln mit dem „Verhalenfluister-<br />
aar“, dem Geschichten erzählenden Reiseleiter. Erklärungen,<br />
Musik, ein Hörspiel mit Tipps. Der kleine Monitor zeigt<br />
auch Filmfragmente an besonderen Punkten der Route. Der<br />
„Geschichtenerzähler“, wie das digitale Gerät von <strong>Tourismus</strong><br />
Limburg genannt wird, ist eine Erleichterung für die, die keine<br />
Lust haben, alle paar Minuten mit den unhandlichen Karten<br />
im Wind stehenzubleiben, um den Weg zu finden. Ab und zu<br />
aufpassen, dass man bei den Geschichten den Verkehr nicht<br />
vergisst, den es auf Teilstrecken der Route gibt. Zum Glück<br />
führt die Route vor allem über einsame Feldwege. Außerdem<br />
lässt sich das Ding ganz einfach abschalten, wenn man mal<br />
die Ruhe der Landschaft genießen möchte. Ruhe, davon gibt<br />
es hier genug. Der Haspengau ist eine dünnbesiedelte Region<br />
im Süden von Belgisch Limburg und steht ganz im Zeichen<br />
des Obstbaus. Mit den Äpfeln (Jonagold), den Birnen (Con-<br />
férence), den Süß- und Sauerkirschen, den Johannisbeeren,<br />
den Pflaumen und Erdbeeren. Ein fruchtbares Fleckchen<br />
<strong>Flandern</strong>. Auch Weintrauben, aus denen Haspengauer Wein<br />
gekeltert wird, werden hier schon seit der Römerzeit ange-<br />
baut. Es würde nicht <strong>Flandern</strong> sein, wenn hier nicht auch seit<br />
Urzeiten reichlich Bier gebraut würde. Es ist ein Wochenende<br />
im Hochsommer, an dem wir den Haspengau kennenlernen.<br />
Das Korn reift auf den Feldern, die Kirschen werden gepflückt,<br />
am Stamm stehen hohe Leitern. Rund um den Obstgarten mit<br />
grünen Äpfeln steht eine Hecke voller Johannisbeersträucher.<br />
Ich nasche eine Traube, es ist strengstens verboten, aber für<br />
eine gute Geschichte riskiere ich alles. Sie sind unglaublich!<br />
So süß ...<br />
Im Frühjahr muss es hier ein richtiges Obstblütenfest geben.<br />
Auch der Herbst hat seinen Charme. Dann ist die Apfel- und<br />
Birnenzeit. Vor allem für die berühmten Sirupkocher eine<br />
wichtige Zeit. Nach diesem Wochenende wollen wir unbe-<br />
Auf einsamen Feldwegen lässt sich der Haspengau,<br />
die grüne Lunge <strong>Flandern</strong>s, am besten genießen.<br />
dingt die traditionellen Sirupkocher in Wellen sehen. Diese<br />
Familie kocht seit 1843 Apfel- und Birnensirup. Die alten Kup-<br />
ferkessel sind eindrucksvoll, aber leider fehlt der leckere Sirup.<br />
Das heißt, wir müssen im Oktober zurückkommen, wenn der<br />
karamellbraune Apfelsirup in den Kesseln köchelt.<br />
DER HASpENGAu,<br />
DER obStGARtEN FLANDERNS<br />
KuLINARIScHE SpEZIALItätEN<br />
Mit ihren fruchtigen Spezialitäten zählt die<br />
Haspengauer Küche zu den ehrlichsten und<br />
besten in <strong>Flandern</strong>. probieren Sie das legendäre<br />
„Stroop“ (Apfel- und birnenmus), das aus<br />
birnen und äpfeln gekocht wird, die leckeren<br />
Fruchtkonfitüren und Weine. Nehmen Sie eine<br />
Fahrradtasche mit, denn am Wegesrand kann<br />
man je nach Jahreszeit süße beeren, Kirschen<br />
und „Stroop“ kaufen.<br />
ScHLÖSSER<br />
Aldenbiesen, die imposante burg des Deut-<br />
schen Ritterordens, ist das tor zum Haspen-<br />
gauer Schlösserland.<br />
tERRA FEcuNDA<br />
Der Geschichtenerzähler, ein persönlicher<br />
Reiseleiter mit GpS, Hörspiel und Video-clip<br />
führt durch den obstgarten belgiens. Ein<br />
Leihfahrrad mit GpS-Audio-Guide bekommen<br />
Sie bei <strong>Tourismus</strong> Alken, Hoogdorpstraat 38,<br />
3570 Alken, Telefon 0032-11-599976<br />
Weitere Infos unter www.radflandern.com,<br />
www.toerismelimburg.be
70 . vlaamse kunstcollectie . meisterwerke aus sechs jahrhunderten<br />
vlaamsekunstcollectie<br />
DIE KUNSTSTÄDTE ANTWERPEN, GENT, BRÜGGE<br />
www.kulturflandern.de 71<br />
<strong>Flandern</strong>s Kunststädte gehören zu den faszinierendsten Stadtlandschaften Europas.<br />
brügge, Gent und Antwerpen bewahren bis heute einen unübertroffenen Reichtum an<br />
mittelalterlicher und barocker Kunst. Auf den historischen Marktplätzen und Straßen ist<br />
die Kunst allgegenwärtig. Die Museen und Kirchen sind Schatztruhen voller Meisterwerke,<br />
von Van Eyck und Memling über Rubens und Van Dyck bis hin zu den Surrealisten<br />
wie Ensor und Magritte. Hans-Helmut Schild<br />
VlaaMSe kunStcOllectie<br />
Diese Dachmarke steht für die Zusammenarbeit der drei<br />
großen kunsthistorischen Museen in <strong>Flandern</strong>: das König-<br />
liche Museum für Schöne Künste Antwerpen, das Groeninge-<br />
Museum Brügge und das Museum für Schöne Künste Gent.<br />
Die hochkarätigen Sammlungen der Häuser ergänzen sich<br />
in idealer Weise. Zusammen bieten sie einen einzigartigen,<br />
repräsentativen Überblick über die bildende Kunst der süd-<br />
lichen Niederlande vom 14. bis zum 20. Jahrhundert:<br />
– mehr als 200 Jahre Museumsgeschichte<br />
– 6 750 Gemälde und 40 000 Zeichnungen<br />
– 2 000 Skulpturen, zwölf Ausstellungen pro Jahr<br />
MuSeuM FÜr ScHöne kÜnSte gent<br />
Die Sammlung spiegelt die Kunst vom Mittelalter bis hin zur<br />
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wider. Mit ihrer Kombina-<br />
tion aus flämischer Kunst und zahlreichen Werken aus der<br />
europäischen Kunstgeschichte ist diese Sammlung einzigartig<br />
in Belgien. Hier kann man das berühmte Meisterwerk von<br />
Hieronymus Bosch „Christus trägt das Kreuz“ bewundern.<br />
grOeninge-MuSeuM brÜgge<br />
Das Museum bietet einen umfangreichen und faszinierenden<br />
Einblick in sechs Jahrhunderte flämischer bildender Kunst –<br />
von Jan Van Eyck bis Marcel Broodthaers. Höhepunkte sind<br />
die weltberühmte Sammlung der flämischen Meister, Werke<br />
von zahlreichen Renaissance- und Barockmeistern, eine Aus-<br />
lese aus der neoklassizistischen und realistischen Periode des<br />
19. Jahrhunderts, Meilensteine des belgischen Symbolismus,<br />
Modernismus und Expressionismus.<br />
Zusätzlich finden Ausstellungen aus der Sammlung der<br />
modernen Kunst von 1940 bis 1945 statt.<br />
INFO: DIJVER 12, Telefon 0032-50-448743, www.brugge.be<br />
königlicHeS MuSeuM FÜr<br />
ScHöne kÜnSte antWerPen<br />
Dieser im 19. Jahrhundert erbaute Kunsttempel im Stadtteil<br />
Het Zuid bietet eine nahezu vollständige Übersicht über die<br />
flämische und belgische Kunst vom 14. bis zum 20. Jahrhun-<br />
dert. Wichtige Sammlungen der flämischen Meister, monu-<br />
mentale Werke von Peter Paul Rubens und aus der Epoche<br />
des Barocks charakterisieren dieses Museum. Auch die bedeu-<br />
tendste Ensor-Sammlung sowie die weltgrößte Sammlung von<br />
Rik Wouters sind hier zu sehen. Neben Kunstwerken aus den<br />
südlichen Niederlanden, die den größten Anteil der Samm-<br />
lung bilden, gibt es eine Anzahl wichtiger internationaler<br />
Meisterwerke, u. a. von Jean Fouquet, Tizian Amadeo Modig-<br />
liani sowie Skulpturen von Ossip Zadkine und Auguste Rodin.<br />
INFO: LEOPOLD WAELPLAATS, Telefon 0032-3-2420416,<br />
www.kmska.be
7 . wasser . flandern grachten<br />
Gent, einst Hauptstadt der mittelalterlichen Grafschaft <strong>Flandern</strong>,<br />
wird wie das nahe gelegene brügge vom Wasser regiert. Die Schifffahrt<br />
ließ die Geburtsstadt Karls V. zu einer prächtigen Handelsstadt<br />
aufsteigen. Heute wird fröhliche Geselligkeit zelebriert. Herbert Graf<br />
www.flandern.com<br />
Wasser dominiert auch die<br />
alte Hansestadt brügge.<br />
inSelStadt an ScHelde und leie<br />
Wasser ist ein Lebenselixier der Menschen – nicht nur wichtig<br />
für den Flüssigkeitshaushalt des Körpers, sondern auch für die<br />
Mobilität. Frühe Siedlungen oder Abteien entstanden deshalb<br />
bevorzugt an Flüssen. Im Laufe der Jahrhunderte machte sich<br />
der Mensch das Wasser zu Nutze, er erfand Bewässerungssy-<br />
steme, Wasserleitungen und Kanäle. Allerdings hatte das kühle<br />
Nass neben dem Nutzwert auch immer etwas Unvorherseh-<br />
bares, fast Bedrohliches. Flüsse veränderten sich ständig, wur-<br />
den breiter oder änderten ihren Lauf. Sie konnten ganze Städ-<br />
te ernähren und wachsen lassen, aber auch wieder zerstören.<br />
Schon zur Zeit Karls des Großen blühte Gent auf. Dank des<br />
direkten Anschlusses an die Wasserstraßen entstand eine flo-<br />
rierende Handelsstadt, Wolle und das weltberühmte „Genter<br />
Tuch“ brachten Wohlstand. Ende des 13. Jahrhunderts war die<br />
Stadt einer der wichtigsten Handelsplätze nördlich der Alpen.<br />
Davon zeugen die prächtigen mittelalterlichen Zunfthäuser,<br />
die sich majestätisch im Wasser der Grachten und Kanäle<br />
spiegeln, die wie ein Labyrinth die Stadt durchziehen. Eines<br />
ist dabei allen gemeinsam: Sie fließen hin zur Graslei, an der<br />
die eleganten Fassaden so manche Geschichte vom Handels-<br />
Gent lässt sich am besten<br />
mit dem boot erkunden.<br />
sinn der selbstbewussten Genter Bürger erzählen könnten, die<br />
heute wie damals die Freude an der Geselligkeit leben. Offen<br />
und tolerant präsentieren sich die Bewohner der alten Univer-<br />
sitätsstadt, die viele Jahrhunderte das Tor zur Welt war. Selbst<br />
wenn die Sonne nur kurz hervorlugt, zieht Jung und Alt an die<br />
Graslei, lässt am Wasser die Seele baumeln. Von der Uferpro-<br />
menade fahren die Boote zur Stadtrundfahrt ab, denn die<br />
Altstadt erkundet man am besten mit dem Boot. Feste feiern<br />
kann man an der Leie, das zeigen die „Genter Feste“, die jedes<br />
Jahr im Juli zehn Tage am Stück ausgelassen zelebriert werden.<br />
Dann verwandelt sich das historische Zentrum in eine riesige<br />
Bühne für Weltmusik, Jazz, Theater, Puppenspiel und Kabarett.<br />
Mit rund zwei Millionen Besuchern sind die „Genter Feste“<br />
das größte Volksfest <strong>Flandern</strong>s. Sogar auf dem Wasser ziehen<br />
die Musikbands dann in Booten durch das Stadtzentrum. Und<br />
ihren Flüssigkeitsbedarf stillen die Menschen in dieser Zeit<br />
nicht mit Wasser, sondern mit dem süffigen flämischen Bier.<br />
tIpp: GRAcHtENFAHRt<br />
Von März bis November zwischen 10 uhr und<br />
18 uhr ab Graslei, Preis für ca. 40 Minuten:<br />
Erwachsene 5 Euro, Kinder 2,50 Euro. Weitere Touren<br />
(auch im Winter): www.gent-watertoerist.be<br />
7
74 . de haan . urlaubsgrüße aus de haan<br />
Urlaubsgrüße<br />
aus De Haan<br />
Dieter Knaut<br />
Meine liebe Josephine,<br />
wie in jedem Jahr verbringe ich auch diesen Spätsommer im<br />
nostalgischen Seebad De Haan an der belgischen Nordseekü-<br />
ste. Hatte ich Dir in den letzten Jahren meine Urlaubsgrüße<br />
immer nur per Postkarte übersandt, so möchte ich Dir heute<br />
einmal etwas mehr über den nostalgischen Charme und die<br />
Geschichte des beschaulichen Städtchens berichten, dessen<br />
mildes Klima und die von gesundem Jod geschwängerte Luft<br />
bereits König Leopold II. zu schätzen wusste. Während ich Dir<br />
diesen Brief schreibe, sitze ich vor der Brasserie Paname an<br />
der Promenade, trinke ein Glas Bier (oder vielleicht werden<br />
es auch zwei) und lausche dem Geschrei der Möwen. Gestern<br />
habe ich den ganzen Tag mit Philippe verbracht, Du erinnerst<br />
Dich sicher noch an meinen „alten“ Urlaubsbekannten aus<br />
<strong>Brüssel</strong>, den es so wie mich in jedem Spätsommer wieder<br />
hierher verschlägt. Gleich morgens hatten wir uns getroffen,<br />
um – von einer leichten Brise umweht – den längsten Sand-<br />
strand an <strong>Flandern</strong>s Nordseeküste in aller Ruhe zu erwandern.<br />
Auf unserem Weg genossen wir die Weite der Nordsee und<br />
haben uns darüber amüsiert, wie Kinder ihre bunten Dra-<br />
chen in der Luft tanzen ließen. Gemütlich sind wir dann mit<br />
der Küstentram zurückgefahren. Als wir an der historischen<br />
Tramstation ankamen, fühlten wir uns wie im Film „Die Ferien<br />
des Monsieur Hulot“ von Jacques Tati und mussten an die<br />
goldene Zeit der Belle Epoque denken. Der süße Bahnhof „de<br />
blekken statie“ (der blecherne Bahnhof) im Art-nouveau-Stil<br />
ist ein kleines Symbol für die Anfänge des Seebads De Haan.<br />
Heute ist der Bahnhof ein nostalgisches Postkartenmotiv,<br />
aber damals war er der Inbegriff des Fortschritts. Schließlich<br />
www.flandern.com 75<br />
war die Küstenstraßenbahn der Auslöser dafür, dass sich das<br />
Fischerdörfchen zum malerischsten Seebad entwickelte. Mit<br />
dem Anschluss an die Dampfstraßenbahnverbindung Oost-<br />
ende–Blankenberge stellte die Gemeindeverwaltung De Haan<br />
die Weichen für eine neue Ära der Stadt. Zeitgleich mit dem<br />
ersten Hotel, dem „Hotel du Coq“, das auf dem heutigen<br />
Marktplatz steht, wurde im Juli 1889 der Badeort eröffnet.<br />
Nachdem Philippe und ich am gestrigen Mittag mit von Sand<br />
gepuderten Schuhen von unserer Wanderung zurück in die<br />
Stadt gekommen waren, haben wir uns zunächst einmal in<br />
einem der kleinen Restaurants mit einer der typischen Spezi-<br />
alitäten der belgischen Küste gestärkt. Einfach köstlich waren<br />
diese Nordseekrabbenkroketten.<br />
Nachmittags sind wir dann durch die Sträßchen der „Stadt<br />
der Villen“ geschlendert, wobei wir neben der eigenwilligen<br />
Kombination normannischen Cottagestils mit Art déco und<br />
Art nouveau die für De Haan so typischen Dachbauten und<br />
Zuckerbäckertürmchen bestaunen konnten. Unterwegs erzähl-<br />
te mir Philippe ein paar sehr interessante Geschichten über die<br />
Stadt. Eine dieser Geschichten ist die eines Hahnes, dem einer<br />
Legende nach De Haan seinen Namen zu verdanken hat. Wie<br />
man erzählt, hat das nächtliche schrille Krähen des Hahnes<br />
einst die Einwohner an den Strand gelockt und damit einer<br />
Schiffsbesatzung das Leben gerettet.<br />
Wenn ich mich noch richtig erinnere, bist Du immer schon<br />
eine große Bewunderin von Albert Einstein gewesen. Deshalb<br />
lass Dir noch kurz berichten, dass Einstein von März bis<br />
September 1933 mit Frau und Töchtern in De Haan lebte.<br />
Um genau zu sein, in der Villa „Savoyarde“ in der Shake-<br />
spearelaan. Übrigens liebte es der Nobelpreisträger, der mit<br />
der belgischen Königsfamilie befreundet war, zwei- bis dreimal<br />
täglich zu wechselnder Zeit am Meer entlang- und durch die<br />
Dünen zu spazieren. Kein schlechter Gedanke – das werde ich<br />
jetzt auch tun, denn ich möchte nachher noch ein paar Fotos<br />
von der ins Meer versinkenden Sonne machen.<br />
Es grüßt Dich aus De Haan<br />
Dein alter Freund<br />
Alexander<br />
pS: Anbei habe ich für Dich noch ein paar<br />
Reiseinfos in Kurzform aufgeschrieben.<br />
tipps zu Spazierwegen und Radfahrrouten<br />
erhältst Du beim Verkehrsamt De Haan in der<br />
Leopoldlaan 24.<br />
Für Dich als Freundin der Nostalgie wäre<br />
übrigens der August eine passende Reise-<br />
zeit. Am ersten Samstag dieses Monats wer-<br />
den in De Haan jedes Jahr die uhren zurückgedreht<br />
und die goldenen Zeiten der belle<br />
Epoque werden wieder lebendig.
76 . hausboot . „mann über bord“<br />
„Mann Über bord“<br />
Die bilanz scheint schrecklich: Mann über bord, Handy „ertrunken“,<br />
boot beschädigt. Fazit: Ein bisschen Verlust ist immer, aber Schippern<br />
im Hausboot über <strong>Flandern</strong>s Kanäle ist ein Riesenspaß. Iris Zilkens<br />
Der Schleusenwärter rauft sich die Haare: „Frau am Steuer!“<br />
Ich habe ja gleich gesagt, dass ich nicht Boot fahren kann.<br />
Und so eine Luxusjacht schon gar nicht! Wo kam plötzlich<br />
diese Strömung auf dem harmlosen Kanal her und wieso<br />
steht da ein Poller so blöd im Wasser? Nie hätte ich mir unter<br />
einem „Hausboot“ so ein makelloses Riesenschiff vorgestellt,<br />
das jetzt hinten links unter einer unschönen Schürfwunde<br />
in der weißen Außenhaut leidet. Der Herr vom Bootsverleih<br />
tröstet telefonisch: kein Problem, nur ein Schutzblech. Sie<br />
sind versichert.“ Es lebe die Vollkaskoversicherung! Nach einer<br />
Probefahrt mit Einweisung in die Geheimnisse der Schifffahrt<br />
durch den Verleiher kommt „Frau“ eben gefährlich schnell in<br />
Fahrt: Das 13-Meter-Schiff, das bei der Abfahrt im belgischen<br />
Küstenort Nieuwpoort noch so unhandlich und lang zu sein<br />
schien, ist nach den ersten Fahrkilometern zu einem über-<br />
schaubaren und folgsamen Gefährt geworden. Brücken öffnen<br />
sich auf (Handy-)Anruf, die Schleusenwärter winken, die Fahrradfahrer<br />
auch, die Stimmung steigt und schwappt fast über.<br />
Beste Voraussetzungen für Übermut mit Crash-Folgen.<br />
Die Idee, im kleinen Kollegenkreis einige Tage auf <strong>Flandern</strong>s<br />
wenig befahrenen Kanälen durch die Küstenregion Westhoek<br />
zu tuckern, war gut. Die Idee, sich auf ein „Männer-“ und ein<br />
„Frauenboot“ zu verteilen, noch besser. Wer im selben Boot<br />
sitzt, lernt sich kennen, manchmal vielleicht sogar näher, als<br />
man möchte. Während die Damen mit Gelassenheit auftrumpfen<br />
und dem Motto folgen: „Wir können alle nicht Boot<br />
fahren, aber Hauptsache, es macht Spaß“, gehen die Herren<br />
die Sache mit theoretisch-technischem Know-how an. Jeder<br />
ist Kapitän, jeder weiß alles und alles besser, jeder wurde mit<br />
www.flandern.com 77<br />
einem Navigationssystem im Gehirn geboren. Nach den ers-<br />
ten Stunden im vorsichtigen Schneckentempo kommt für die<br />
Freizeit-Kapitäne bereits das entscheidende, schockierende<br />
Erlebnis: Auf der Landstraße nebenan ziehen winkende Kinder<br />
auf kleinen Fahrrädern vorbei. Da fühlt man sich doch bei<br />
der Ehre gepackt und drückt den Gashebel durch, so dass die<br />
Graureiher nur so aus dem Schilf fliehen.<br />
Auch das An- und Ablegen an Schleusenwänden und Stegen,<br />
das noch vor Stunden den Angstschweiß auf die Stirn trieb,<br />
ist nach kurzem schon Routine. Manchmal allerdings auch<br />
nicht: ein sportlicher, aber leider voreiliger Sprung Richtung<br />
Steg und … Mann über Bord! Das Bad im kalten Wasser, das<br />
„ertrinkende“ Handy in der Hosentasche – alles könnte<br />
„Mann“ ertragen. Aber das hämische Lachen aus dem Frau-<br />
enboot kühlt die Stimmung vorübergehend ab. In solchen<br />
Zeiten bewährt sich der Vorteil des Hausbootfahrens: Wer<br />
will, kann sich aus dem Weg gehen, denn es darf fast überall<br />
angelegt werden, wo’s schön ist. Die Bootsfirma gibt jedem<br />
Kanalfahrer eine dicke Mappe mit Vorschlägen für kleine<br />
Landausflüge mit. Ein Stopp im mittelalterlichen Städtchen<br />
Veurne, ein bisschen Backsteinromantik in der fast tausend-<br />
jährigen Ortschaft Loo, eine Begegnung mit dem „Männchen<br />
im Mond“ in der Butterstadt Diksmuide, eine Fahrradtour mit<br />
zünftigem „Bruegel-Buffet“ in Stavele, Kultur und Geschäfte-<br />
gucken im historischen Brügge bieten sich an der Wasserstrasse<br />
an. Während sich im Frauenboot die Lust an der Langsamkeit<br />
längst breitgemacht hat, das Steuer mit links und die Kaffee-<br />
tasse mit rechts gehalten werden, testen die Männer die Mög-<br />
lichkeiten des Motors, kreuzen unruhig vor geschlossenen<br />
Schleusentoren und Brücken hin und her, um im falschen<br />
Moment am richtigen Ort zu sein: unter einer sich schnell<br />
senkenden Hebebrücke. Der Rückwärtsgang rettet das Boot<br />
in letzter Sekunde, der Brückenwärter flucht auf Flämisch, die<br />
Damen haben ihre Freude, die Herren das Nachsehen. Nur<br />
die Aussicht auf ein außergewöhnliches Bier-Menü in Brügge<br />
stimmt versöhnlich. Nach belgischem Bier vom Aperitif bis<br />
zum Dessert bleibt auch der Reiselustigste besser festgezurrt<br />
am Liegeplatz, denn bei Alkohol am Schiffssteuer hilft auch<br />
die beste Vollkaskoversicherung nicht. Die neuen Schiffe des<br />
Hausboot-Spezialisten, der Firma Connoisseur, machen den<br />
Aufenthalt an Bord angenehm: Außen- und Innen-Steu-<br />
erstand, schöne Räume mit Heizung, Mini-Nasszellen mit<br />
warmem Wasser in jeder Kabine und eine voll eingerichte-<br />
te Bordküche. Für uns weibliche Leichtmatrosen wird diese<br />
vergnügliche Bootsfahrt durch die friedliche Polderlandschaft<br />
nicht die letzte gewesen sein, doch die Kapitäne lassen wir<br />
demnächst an Land.<br />
© Artikel aus der Rheinischen Post vom 21. Mai 2005<br />
Wichtig: Hausboote dürfen ohne Bootsführerschein gefahren<br />
werden. Anfänger sollten auf ein Schiff mit Bugstrahlruder ach-<br />
ten. Während der Sommermonate nur Wochenbuchungen.<br />
REStAuRANt-tIppS<br />
Restaurant Martinique, Brugse Steenweg 7,<br />
8620 Nieuwpoort, Bier-Menü im Restaurant<br />
„Den Dyver”, Dyver 5, Brügge<br />
(beide für Feinschmecker)<br />
HAuSboot-VERLEIH:<br />
Fa. connoisseur, c/o Arns France GmbH,<br />
Marktplatz 4, 61118 Bad Vilbel, Telefon<br />
06101-5579133, www.connoisseur.de<br />
LItERAtuR-tIpp:<br />
bootsferien in belgien und Holland<br />
Verlag Pietsch, ISBN 3-613-50397-2
78 . termine 007 . veranstaltungstipps flandern<br />
terMine 007<br />
09.0 . 007<br />
l’uOMO dal FiOre in bOcca<br />
brüssel, LaMonnaie, www.brewaeys.be<br />
www.lamonnaie.be<br />
1988 gewann Luc Brewaeys den Prix de<br />
Musique Contemporaire du Québec und<br />
1996 zeichnete ihn die belgische Musik-<br />
presse für die Einspielung seines sympho-<br />
nischen Werks mit gleich zwei Preisen aus.<br />
Anfang Februar wird im <strong>Brüssel</strong>er Opernhaus<br />
die erste Oper des flämischen Komponisten<br />
uraufgeführt. „L’uomo dal fiore in bocca“<br />
basiert auf einem Text von Luigi Pirandello.<br />
Brewaeys verwandelt die Vorlage – einen er-<br />
schütternden Dialog zweier Männer über den<br />
Sinn des Lebens – in 40 Minuten Musikthea-<br />
ter für Tenor, Bass und Orchester.<br />
16. – 5.0 . 007<br />
aniMa 007<br />
brüssel, www.folioscope.be<br />
Mit seinem Showcase-Programm, internati-<br />
onalen Wettbewerben, Retrospektiven und<br />
Workshops ist das „Anima“-Festival eine der<br />
bekanntesten internationalen Plattformen für<br />
qualitativ hochwertige Zeichentrick-Produk-<br />
tionen. Jedes Jahr werden aus der europä-<br />
ischen Auswahl Kandidaten für den „Cartoon<br />
d’or“ nominiert. Über 650 Filme bewerben<br />
sich jährlich um eine Ausstrahlung im Rah-<br />
men des Festivals.<br />
16.0 . – 1 .08. 007<br />
100 JaHre Hergé<br />
brüssel, Königlich-belgische Kunstmuseen<br />
www.fine-arts-museum.be<br />
Der geistige Vater von Tim & Struppi, der<br />
berühmte belgische Comic-Strip-Zeichner<br />
Hergé, würde am 22. Mai 2007 seinen hun-<br />
dertsten Geburtstag feiern. Anlässlich dieses<br />
Jubiläums ehrt <strong>Brüssel</strong> seinen berühmten<br />
Sohn mit einer Retrospektive. Die Ausstellung<br />
beleuchtet den wechselseitigen Einfluss zwi-<br />
schen Hergés Comic-Art und der modernen<br />
Kunst. An über 50 Originalzeichnungen wird<br />
die künstlerische Qualität seines revolutio-<br />
nären und reduzierten Stils, der „ligne claire“,<br />
sichtbar.<br />
08.04. 007<br />
runde VOn <strong>Flandern</strong><br />
Start: brügge – Ziel: Ninove, www.rvv.be<br />
Die „Runde von <strong>Flandern</strong>“ ist eine der<br />
zwölf Radrennweltmeisterschaften. Berühmt<br />
und berüchtigt ist die legendäre „Mauer<br />
von Geraardsbergen“, ein Anstieg mit Kopf-<br />
steinpflaster.<br />
16. – 5.0 . 007<br />
internatiOnaler<br />
MuSikWettbeWerb<br />
„königin eliSabetH“<br />
brüssel, www.concours-reine-elisabeth.be<br />
Königin Elisabeth, selbst eine bemerkens-<br />
werte Geigerin, gründete 1937 zusammen<br />
mit dem Violinisten Eugène Ysaye einen<br />
Wettbewerb zur Förderung junger Musiker<br />
unter 30 Jahren. Inzwischen gehört die unter<br />
der Schirmherrschaft von Königin Fabiola<br />
stehende Veranstaltung zu den berühmtesten<br />
Musikwettbewerben der Welt. Zu den<br />
Preisträgern gehören legendäre Interpreten<br />
wie Leon Fleisher, Emil Gigels oder David<br />
Oistrakh. Baiba Skride und Nikolaj Znaider,<br />
Gewinner des Jahres 2001, haben bereits ihre<br />
Weltkarrieren angetreten. Neben den Sparten<br />
Klavier, Violine und Komposition wurde der<br />
Wettbewerbskanon 1988 auf Anregung<br />
von Gérard Mortier um die Klasse Gesang<br />
erweitert.<br />
0. – .04. 007<br />
art bruSSelS<br />
brüssel, Messe, www.artbrussels.be<br />
Die Kunstmesse ist für jeden Kunstinteressier-<br />
ten zugänglich. Und verbindet perfekt span-<br />
nende Malerei, Photographie und Design<br />
mit belgischer Lebensart. Das Ergebnis: eine<br />
Kunstschau, die lässig und unkompliziert auf-<br />
tritt und schnell den verbissenen Ernst etwa<br />
einer Art Cologne vergessen lässt. Eingeteilt<br />
in Rubriken wie „Etablierte Galerien“, „Junge<br />
Galerien“ oder „First Call“, informiert die<br />
Schau über die Trends des weltweiten Kunst-<br />
marktes. Wer nicht auf eigene Faust durch die<br />
vielen Kojen schlendern möchte, kann sich<br />
einer der täglich stattfindenden Führungen<br />
anschließen. Ideal in Verbindung mit einem<br />
Wochenendtrip nach <strong>Brüssel</strong>.<br />
Mai 007<br />
OOStende VOr anker<br />
www.oostendevooranker.be<br />
Das seit 2002 jährlich ausgerichtete bunte<br />
Volksfest gilt als eins der größten Seefahrts-<br />
feste im Nordseeraum. Segelschiffe unter-<br />
schiedlicher Nationen schmücken den<br />
Oostender Hafen und werden teilweise dem<br />
Publikum zugänglich gemacht. Über die Kais<br />
und Plätze der Stadt verteilt spielen Rock-,<br />
Blues- und Folkgruppen. Theatralische Wal-<br />
king Acts beleben die Straßen, ein Flohmarkt<br />
mit maritimen Antiquitäten und Kuriositäten<br />
rundet das Angebot ab. Jedes Jahr steht ein<br />
anderes Land im Zentrum des Interesses.<br />
Nach unter anderem Großbritannien (2002)<br />
www.flandern.com<br />
und Frankreich (2005) wird sich 2007 voraus-<br />
sichtlich Italien in Oostende präsentieren.<br />
Mai – nOVeMber 007<br />
<strong>Flandern</strong>-FeStiVal<br />
www.festival.be<br />
Das <strong>Flandern</strong>-Festival findet jährlich in acht<br />
Städten, darunter natürlich Antwerpen, Brüg-<br />
ge und Gent, statt. Die Spielorte für haupt-<br />
sächlich klassische Konzerte jedweder Form<br />
sind unter anderem <strong>Flandern</strong>s historische<br />
Bauten wie Kirchen, Bibliotheken und Gilde-<br />
häuser. Das Programm bietet alte wie neue<br />
Musik, interpretiert von Einheimischen und<br />
ausländischen Gästen von internationalem<br />
Rang, darunter 2006 etwa das Kronos Quar-<br />
tet oder Wim Vandekeybus. Die Veranstal-<br />
tungen des <strong>Flandern</strong>-Festivals – eine reizvolle<br />
Alternative, die zahlreichen Denkmäler und<br />
Prachtbauten einmal nicht per Führung, son-<br />
dern im Rahmen eines Konzertes zu betreten.<br />
Und die beeindruckenden Innenräume über<br />
die Musik für sich zu entdecken.<br />
17.05. 007<br />
Heiligblut-PrOZeSSiOn<br />
brügge, www.holyblood.com<br />
Es war im Jahre 1150, als Dietrich von Elsass,<br />
Graf von <strong>Flandern</strong> von einem Kreuzzug zu-<br />
rückkam und einige Tropfen des Blutes Christi<br />
aus Jerusalem mit nach Brügge brachte.<br />
Noch heute wird die Reliquie in der Heilig-<br />
blut-Kapelle verwahrt. Einmal im Jahr, immer<br />
am Himmelfahrtstag, wird die Kostbarkeit in<br />
einer ebenso feierlichen wie prunkvollen Pro-<br />
zession durch Brügge getragen. Laienschau-<br />
spieler aus Brügge stellen in Fußgruppen und<br />
auf Wagen nicht nur Szenen des alten und<br />
neuen Testaments nach. Auch der historische<br />
Hintergrund des Geschehens ist Teil des Um-<br />
zugs. Der hat übrigens Tradition: Erstmals<br />
urkundlich erwähnt wird die Prozession im<br />
Jahr 1291.<br />
Juli 007<br />
genter FeSte<br />
Gent, www.gentsefeesten.be<br />
Die „Genter Feste“ sind nicht einfach ein<br />
Straßenfest. In den rund 150 Jahren seiner<br />
jüngeren Geschichte hat sich das Fest zu<br />
einem wahren Open-Air-Spektakel mit vier<br />
international besetzten Festivals entwickelt.<br />
1,5 Millionen Zuschauer kommen jährlich<br />
nach Gent, um auf den Straßen und Plätzen<br />
zehn Tage lang kostenlos Musik, Theater,<br />
Comedy, Tanz und Unterhaltung zu erleben.<br />
Das Internationale Straßentheater-Festival<br />
(www.istf.be) präsentiert in diesem Rahmen<br />
außergewöhnliche Outdoor-Performances,<br />
das International Puppet Buskers Festi-<br />
val (www.eftcgent.be) widmet sich dem<br />
Puppen- und Objektspiel. „10 Days Off“<br />
(www.10daysoff.be) gilt als das renommier-<br />
teste Meeting für elektronische Musik in<br />
Belgien. Und das Blue Note Records Festival<br />
(www.bluenoterecordsfestival.be) steht ganz<br />
im Zeichen des Jazz. An sechs Tagen stellen<br />
sich allabendlich vier Bands vor.<br />
Juni – SePteMber 007<br />
internatiOnaleS<br />
cartOOnFeStiVal<br />
Knokke-Heist, www.cartoonfestival.be<br />
Subtil, drastisch, ironisch, sarkastisch. Doch<br />
wie sehen Cartoons in China aus? Wie im<br />
Iran oder in Japan? Das renommierte interna-<br />
tionale Cartoonfestival in Knokke-Heist stellt<br />
jedes Jahr die weltbesten Cartoons aus. Das<br />
Bilder-Meeting ging seinerzeit aus dem<br />
„Salon van de Humor“ hervor, der 1962<br />
erstmals in Heist ausgerichtet wurde. Seit<br />
nunmehr 1964 treffen sich die Cartoonisten<br />
regelmäßig. Mehr als 800 Künstler aus über<br />
60 Ländern reichen für den Wettbewerb<br />
inzwischen mehr als 4 000 Zeichnungen<br />
ein. Neben dem Preis des Cartoonfestivals<br />
wird auch der Preis „Press Cartoon Belgium“<br />
ausgelobt. Jedes Jahr erscheint zudem das<br />
prächtige, vom Davidsfonds herausgegebene<br />
„Cartoonboek“, das einen repräsentativen<br />
Überblick über die internationale Cartoon-<br />
szene verschafft.<br />
Okt. 007 – Feb. 008<br />
eurOPalia<br />
brüssel, www.europalia.be<br />
Seit 1969 richtet <strong>Brüssel</strong> alle zwei Jahre für ein<br />
spezielles europäisches Land das Kunst- und<br />
Kulturfest „Europalia“ aus. 2005 stellte sich<br />
Russland insgesamt 1 109 536 Besuchern vor.<br />
Außergewöhnliches planen die Organisatoren<br />
nun für das nächste Festival 2007: Denn dann<br />
ist Europa zu Gast bei Europalia – und somit<br />
erstmals mehrere Nationen. Anlass für diese<br />
Ausnahmeregelung ist der 50. Jahrestag der<br />
Verträge von Rom, mit denen am 25.03.1957<br />
in den Musei Capitolini die Gründung der<br />
Europäischen Union besiegelt wurde. Im<br />
Zentrum des Festivals werden Ausstellungen<br />
stehen, die die Kunstgeschichte Europas illus-<br />
trieren sollen. Zeitgenössische Strömungen<br />
finden ihren Niederschlag in Theater-, Tanz-,<br />
Musik-, Literatur- und Filmvorführungen.<br />
79
80 . bücherecke . buchtipps zu flandern<br />
bÜcHerecke<br />
radatlaS liMburg<br />
Auf gut ausgebauten und ausgeschilderten Radrouten beglei-<br />
tet Sie dieses Buch durch das Radparadies Belgisch Limburg.<br />
Rund 700 Kilometer Radwege entlang von Obstwiesen, Kanä-<br />
len, Heide und Wald erwarten Sie im grünen Limburg. Stre-<br />
ckenbeschreibungen, Stadtpläne und ein Übernachtungsver-<br />
zeichnis – in diesem Atlas finden Sie die wichtigsten kulturellen<br />
und touristischen Tipps für eine Radtour durch Limburg.<br />
Verlag Esterbauer GmbH, Bikeline,<br />
122 Seiten, Karten 1 : 75 000<br />
Preis: 12,90 Euro<br />
ISBN-13 978-3-85000-197-7<br />
bed & bike <strong>Flandern</strong><br />
Ob Sie auf Ihrer Radtour durch <strong>Flandern</strong> ein Quartier für eine<br />
Nacht suchen oder Radausflüge in die nähere und weitere<br />
Umgebung unternehmen möchten – die in „bed & bike“ auf-<br />
geführten Gastbetriebe sind besonders fahrradfreundlich. Alle<br />
verfügen über Fahrradgarage, Trockenraum und Werkzeug,<br />
und ein reichhaltiges Frühstück macht Lust aufs Radeln.<br />
Verlag Esterbauer GmbH, Bikeline,<br />
ca. 132 Seiten,<br />
Preis: 4,90 Euro<br />
ISBN: 978-3-85000-225-7<br />
<strong>Flandern</strong>-rOute<br />
Von Tongeren – der ältesten Stadt <strong>Flandern</strong>s – führt Sie diese<br />
Rundtour vorbei an saftigen Weiden, flachen Polderland-<br />
schaften und flämischen Dörfern bis an die Nordseeküste.<br />
Entlang der Kanäle geht es auf alten Treidelpfaden von<br />
Brügge, dem Venedig des Nordens, über das mittelalterliche<br />
Gent zurück zur Maas.<br />
Verlag Esterbauer GmbH, Bikeline,<br />
140 Seiten, Karten 1 : 75 000<br />
Preis: 12,90 Euro<br />
ISBN-13 978-3-85000-215-8<br />
unterWegS an der belgiScHen kÜSte<br />
Dieses Buch ist mehr als ein Reiseführer, es ist eine Liebeser-<br />
klärung an das flämische Land am Meer. So geht es auf zwölf<br />
ausgewählten Routen auch um die einst ebenfalls zu <strong>Flandern</strong><br />
gehörenden angrenzenden französischen und niederlän-<br />
dischen Regionen. Genießen Sie die beschauliche flämische<br />
Landschaft und reisen Sie in die weltberühmten Kunststädte<br />
Brügge, Gent und Antwerpen. Entdecken Sie den Welthafen<br />
Antwerpen, das niederländische Deltawerk an der Oosterschel-<br />
de oder den Eurotunnel bei Calais. Eingebettet sind diese Rou-<br />
ten, zu denen praktische Informationen, Tipps, Adressen und<br />
Hinweise gehören, in zahlreiche feuilletonistische Beiträge.<br />
Grenzecho Verlag,<br />
Christoph & Corinna Wendt,<br />
336 Seiten<br />
Preis: 19,80 Euro<br />
ISBN-13 978-3-867 12-004-3
8 . impressum . www.flandern.com<br />
I M P R E S S U M<br />
VerantWOrtlicHer<br />
HerauSgeber<br />
J. Vercruysse<br />
Generalverwalter a. I. <strong>Tourismus</strong><br />
Zentrale <strong>Flandern</strong><br />
Grasmarkt 61<br />
1000 <strong>Brüssel</strong>, Belgien<br />
realiSatiOn<br />
& kOOrdinatiOn<br />
<strong>Tourismus</strong><br />
<strong>Flandern</strong> – <strong>Brüssel</strong><br />
Cäcilienstraße 46<br />
50667 Köln, Deutschland<br />
kOnZePt, deSign<br />
& PrePreSS<br />
Framework GmbH<br />
Venloer Straße 21<br />
50672 Köln, Deutschland<br />
druck<br />
Gillrath Print-Consult24<br />
Im Mediapark 4 a<br />
50670 Köln, Deutschland<br />
cOPyrigHt FOtOS<br />
Brueghel06, Westtoer, Toerisme<br />
Antwerpen, BITC, Stad Gent,<br />
Vlaamse Kunstcollectie, Rys (TVL),<br />
De Brie (TVL), De Kievith (TVL),<br />
Monney (TVL), A.Kouprianoff<br />
(TVL), A. Lornier (TVL), Potigny<br />
(TVL), Sarah Stock (TVL), Daniel<br />
Fouss (Centrum voor Beeldverhaal),<br />
Joel Etzold (TVL), Jens<br />
Rufenach (TVL), Diamondcouncil<br />
Antwerpen, Diamantmuseum<br />
Antwerpen, Bas Jongerius<br />
(Toerisme Limburg), Weichselbaum<br />
(TVL), Palenicek (TVL),<br />
Connoisseur, Johan Jacobs<br />
(BITC), Matsumoto (TVL),<br />
Herbert Graf, J. Almblad (TVL),<br />
Fotodienst (Stedelijke Musea<br />
Antwerpen), Dieter Knaut (TVL),<br />
Werner Bastian<br />
D/2007/5635/9/3:<br />
Duitse magazine<br />
A U T O R E N<br />
1 ) dr. PHil. iriS ZilkenS<br />
Kunsthistorikerin, schreibt als<br />
freie Journalistin für den Reiseund<br />
Magazinteil der Rheinischen<br />
Post, Düsseldorf. Sie liebt Belgien<br />
im Allgemeinen und die belgischen<br />
Pralinen im Besonderen.<br />
2 ) dieter knaut<br />
Autor verschiedener Reisebücher<br />
mit Schwerpunkt südliches Afrika<br />
und freier Chefredakteur des<br />
Rhein-Ruhr MAGAZINs. Lieblingszitat:<br />
„Den Charakter eines Volkes<br />
erkennt man daran, wie es seine<br />
Tiere behandelt.“ (Alexander von<br />
Humboldt)<br />
3 ) kerStin MOeSer<br />
Nach Modestudium und Journalistenschule<br />
betreute Kerstin<br />
Moeser, 28, bei „Woman“ das<br />
Ressort Lifestyle & Trend. Seit<br />
September 2006 lebt sie in<br />
München und arbeitet für die<br />
Zeitschrift „Elle“.<br />
4 ) Siggi WeideMann<br />
hat <strong>Flandern</strong> vor 22 Jahren bei<br />
„Aal in het groen“ und dem<br />
Genuss von Trappistenbier<br />
zum ersten Mal kennen- und<br />
schätzen gelernt. Seitdem ist er<br />
beim liebenswerten Nachbarn<br />
regelmäßig zu Gast. Zahlreiche<br />
Reportagen und Reisebücher<br />
sind das Ergebnis. Der mehrfach<br />
ausgezeichnete Journalist ist<br />
Autor der Süddeutschen Zeitung,<br />
studierte Kunstgeschichte und<br />
Archäologie.<br />
5 ) nilS FlieSHardt<br />
Redakteur der „Radwelt“, des<br />
Mitgliedermagazins des Allgemeinen<br />
Deutschen Fahrrad-<br />
Clubs, und freier Journalist. Seine<br />
Radsportbegeisterung hat er mit<br />
den Flamen gemein, und durch<br />
seine Tour an der Küste wurde er<br />
endgültig zum <strong>Flandern</strong>-Fan.<br />
6 ) ulricH traub<br />
Bekommt von Bier und Pommes<br />
immer noch keine Magenschmerzen<br />
und liebt die einzigartige<br />
Städtelandschaft <strong>Flandern</strong>s.<br />
7 ) HanS-HelMut ScHild<br />
Leitete viele Jahre das Institut für<br />
Bildungsreisen und war Geschäftsführer<br />
der Düsseldorf Marketing<br />
<strong>Tourismus</strong> GmbH. Belgien kennt<br />
er wie seine Westentasche. Insbesondere<br />
Antwerpen ist ihm ans<br />
Herz gewachsen.<br />
8 ) andreaS Meyer<br />
Journalist, verbrachte Mitte der<br />
70er Jahre mit der Familie den<br />
ersten Urlaub in Oostende, seither<br />
ist er bekennender <strong>Flandern</strong>-,<br />
Ensor- und Pralinen-Enthusiast.<br />
Er lebt in Bochum und arbeitet<br />
als Redakteur für die Ruhrgebietund<br />
Düsseldorf-Ausgabe des<br />
Lifestylemagazins PRINZ.<br />
9 ) eStHer bakker<br />
Die reiselustige Niederländerin<br />
(1965*) verbrachte den größten<br />
Teil ihres Lebens in einsamen<br />
Re-gionen der Welt, die sie auf<br />
ihren Wanderungen entdeckte.<br />
Bekannt wurde sie vor allem<br />
durch ihr Buch über historische<br />
Reiseberichte von niederländischen<br />
Frauen.<br />
10) Herbert graF<br />
1963 in Köln geboren, arbeitet<br />
als freier Autor von Reisereportagen.<br />
Er lebt mit seiner Frau<br />
und seinen zwei Kindern an der<br />
belgischen Nordseeküste.<br />
11) ManFred ScHWarZ<br />
(*1962) ist Kunstkritiker und lebt<br />
in Köln. Von dort aus beobachtet<br />
er seit vielen Jahren die Kunst<br />
und Lebenskultur in diesem bedeutendsten<br />
Land der Welt mit<br />
dem allergrößten Vergnügen.<br />
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Kunst und Shopping in einzigartigen Kulturstädten<br />
Weltoffenes <strong>Brüssel</strong>, historisches Brügge und Diamanten in Antwerpen. Entdecken Sie diese und<br />
viele weitere spannende Metropolen mit TUI. Ganz individuell oder mit abwechslungsreichen Städte-<br />
Programmen. Und neu: TUI City Tipps für jeden Geschmack und Geldbeutel. Mehr dazu im TUI<br />
Weltentdecker Katalog Städte erleben, in Ihrem TUI Reisebüro oder auf www.tui.com<br />
Antwerpen, Hotel Agora <br />
Doppelzimmer, 1 Übernachtung inkl. Frühstück, pro Person ab€ 55<br />
<strong>Brüssel</strong>, Crowne Plaza Brussels Le Palace <br />
Doppelzimmer, 1 Übernachtung inkl. Frühstück, pro Person ab€ 57<br />
Neu: Brügge, Hotel Martin‘s Brügge <br />
Doppelzimmer, 1 Übernachtung inkl. Frühstück, pro Person ab€ 63<br />
8
Alles über <strong>Flandern</strong> unter:<br />
WWW.FLANDERN.coM<br />
<strong>Flandern</strong> für Radfahrer:<br />
RADFLANDERN.coM<br />
<strong>Flandern</strong> für Entdecker:<br />
KuLtuRFLANDERN.coM<br />
<strong>Flandern</strong> für Golfer:<br />
GoLFFLANDERN.coM<br />
t o u R I S M u S F L A N D E R N – b R Ü S S E L Cäcilienstraße 46 D – 50667 Köln