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Regattaberichte Regattaberichte<br />
Tschechische Meisterschaft<br />
Nove Mlyny 7.-10. Oktober 2010<br />
Bericht von Jiri Huracek<br />
Kurzfassung für Schnellleser:<br />
16ter von 29, Pumpen ist geil, Segeln<br />
geht auch ohne Bier.<br />
Die Tschechische Meisterschaft<br />
fand dieses Jahr auf Nove Mlyny<br />
statt, einem Stausee 50km südlich<br />
von Brünn und 100 km nördlich<br />
von Wien. Mit 29 Teilnehmern war<br />
die Beteiligung eher schwach, die<br />
Östereicher hatten einen anderen<br />
Anlass und selbst Mike Majer war<br />
wegen des Malcesine Cup abwesend.<br />
Der Club Dyje hat das Land dem<br />
Staat abgekauft, eine grosse Halbinsel<br />
die zu 70% als Camping und<br />
zu 30% für den Bootsbereich genutzt wird. Die Einfahrt wird 24 Stunden bewacht, die Personen<br />
wechseln zwar ständig, aber wenn man sich als Regattateilnehmer zu erkennen gibt, wird<br />
man eingelassen. Drin gibt es unglaublich viel Platz. Man lässt alles dort stehen, wo man gerade<br />
ist, Auto und Trailer komfortabel neben dem Schiff und alle Plachen rund herum frei<br />
ausgelegt. Die Infrastruktur besteht aus ausgebauten Wohncontainern mit Giebeldach oder<br />
grossen Partyzelten und ist tipp topp, die sanitären Anlagen inklusive. Es gibt einen kleinen<br />
Laden mit frischen Gipfeli und eine gemütliche Gartenbeiz mit allem.<br />
Zu Fuss erreichbare Hotels gibt es keine, wer nicht campiert muss mindestens 10 km Auto<br />
fahren. Das wiederum bedeutet kein Bier. In Tschechien gelten bei rigorosen Kontrollen<br />
0,0°%. In der Praxis heisst das, wer abends ein Bier trinkt, kann am Morgen nicht mit dem<br />
Auto zur Arbeit fahren.<br />
Nur zwei Wasserungsrampen stehen zur Auswahl, beide nicht unproblematisch. Die östliche<br />
ist nur bei Westwind nutzbar, die nördliche nur zu dritt. Der Stausee ist sehr flach und durch<br />
einen befahrbaren Damm in 2 Hälften geteilt. Damit ist nur die östliche Hälfte zum Segeln<br />
76 <strong>Schweizer</strong> <strong>Finn</strong>-<strong>Gischt</strong> 53<br />
nutzbar. Bei Westwind gibt es recht mühsame Dreher durch den unmittelbar südlich angrenzenden<br />
Berg, bei Ostwind gibt es wenig Dreher und die Nordseite ist klar bevorzugt.<br />
Thomas Gautschi nahm hier eine Woche vor mir an einer Fireball Meisterschaft teil, hatte aber<br />
trainingshalber auch sein <strong>Finn</strong> mit. Auf der Rückreise versorgte er mich mit Tips und warnte<br />
vor sibirischer Kälte, alles sollte sich als gold-richtig erweisen.<br />
Am ersten Tag starteten 6 Klassen, am zweiten Tag kamen noch die T2,6 und die Optis dazu.<br />
Die Bahnen wurden wie am Gardasee mit inner- und outer loop ausgelegt, trotzdem wurde es<br />
auf dem relativ kleinen See eng und vor allem die Wartezeiten bei beissender Kälte quälend<br />
lang. Regelmässig kamen an jeder Boje diverse Klassen zusammen. Vollkommen hemmungsloses<br />
Fluchen gehört offenbar zur tschechischen Segelkultur, sowie ein ausgesprochen aggressives<br />
Startverhalten. Nach meiner Einschätzung handelte es sich durchs Band um Massenfrühstarts,<br />
die ignoriert wurden. Einmal bin ich sogar abgefallen und wollte zurück, als ich sah dass<br />
der Lauf weiter geht. Doch die Einheimischen meinten dazu, die Startlinie hänge eh immer<br />
durch, also keine Hemmungen beim vordrücken.<br />
Auch tüchtiges Pumpen auf Vorwind scheint ein Teil der Kultur zu sein. Die Flaggen R und O<br />
werden zwar genutzt und die Jury lies auch im 5. Lauf 3 Exzentriker kringeln, doch das alles<br />
störte Niemanden. Ich übte mich in der ersten Runde noch in korrekter <strong>Schweizer</strong> Zurückhaltung,<br />
doch als ich als letzter rundete, fielen die Hemmungen von mir wie das Nachthemd von<br />
der Jungfrau. Ich griff zur Schot und als ich am vorletzten vorbeipumpte, warf er mir nur ein<br />
angefrösteltes Lächeln zu. Dank der vorigen Runde war ich ja noch voll bei Kräften.<br />
Wenn Wind war, war Ostwind und ich verdanke Thomas’s Tip nach links zu fahren viele guten<br />
Plätze. Gleich am ersten Tag konnten vier erschöpfende Läufe bei 4 Beaufort und Böen bis 5<br />
gesegelt werden. Die Rangliste mit vom Lauf zu Lauf schlechterem Resultat klärte mich über<br />
meine Kondition auf. Tomas Vika gewann alle Läufe. Er ist hier der Favorit und macht Mike<br />
Majer zunehmend die Krone streitig.<br />
An den Abenden wurde gefeiert. Der See liegt in einer Weinregion, also wurde viel degustiert.<br />
Für meinen Geschmack ein eher schwerer und trotzdem trockener Wein. Die Feste zeichnen<br />
sich durch viel Herzlichkeit aus und wollen nie enden. Am Morgen ist dann der Club leer, aber<br />
die Tschechen schlafen nicht. Sie treffen sich schon sehr früh zum morgendlichen Fischen. Alle<br />
Fische werden wieder freigelassen, was viel Freiraum für das Fischerlatein beim Frühstück<br />
lässt.<br />
Am zweiten Tag gab es überhaupt keinen Wind. Bei Windstille wird hier der Himmel stark von<br />
ultraleicht-Fliegern frequentiert, d.h. Gleitschirmen mit einem Rucksackmotor in Rasenmähergrösse,<br />
was zu einem permanenten Krach führt. Krach gibt es auch am Land. Was zunächst wie<br />
<strong>Schweizer</strong> <strong>Finn</strong>-<strong>Gischt</strong> 53 77