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ANWALTSPRAXIS/PRATIQUE DU BARREAU<br />

verhalt in BGE 136 II 43 ff. Das Bundesgericht hält in jenem Entscheid<br />

fest, dass Art. 31 FINMAG die FINMA berechtigt, alle notwendigen<br />

Verfügungen zu erlassen, die Missstände beseitigen<br />

und den ordnungsgemässen Zustand wiederherstellen. 55 «Geht<br />

eine Gesellschaft unbewilligt einer den Banken oder den bewilligten<br />

Effektenhändlern vorbehaltenen Tätigkeit nach, kann die<br />

FINMA sie im Rahmen der allgemeinen Verfassungs- und Verwaltungsgrundsätze<br />

(Willkürverbot, Rechtsgleichheits- und Verhältnismässigkeitsgebot,<br />

Treu und Glauben usw.) aufsichtsrechtlich<br />

liquidieren» (vgl. Art. 37 Abs. 3 FINMAG). 56 Soweit sich das betroffene<br />

Unternehmen als überschuldet oder dauernd zahlungsunfähig<br />

erweist, verfügt die FINMA den Bankenkonkurs – analog<br />

den Bestimmungen von Art. 33 ff. BankG. Auch für deren Durchführung<br />

sind die Bestimmungen des BankG sinngemäss anwendbar,<br />

wobei die Sanierungsfähigkeit (vgl. Art. 28 ff. BankG) regelmässig<br />

nicht mehr geprüft werden muss. 57 Anwendbar sind auch<br />

die Bestimmungen über das SchKG, soweit die Bankengesetzgebung<br />

nichts Abweichendes regelt, wobei Art. 34 Abs. 3 BankG<br />

die FINMA in jedem Fall berechtigt, abweichende Verfügungen<br />

und Anordnungen zu treffen. 58<br />

Des Weiteren bestätigte das Bundesgericht seine Rechtsprechung<br />

hinsichtlich der Gruppentätigkeit, die sich durch arbeitsteiliges<br />

Vorgehen verschiedener Personen auszeichnet. Danach<br />

kann eine bewilligungspflichtige Tätigkeit als Effektenhändler beziehungsweise<br />

eine bankenrechtlich unzulässige Entgegennahme<br />

von Publikumsgeldern auch bei Gruppentätigkeiten vorliegen,<br />

weshalb die einzelnen Gruppengesellschaften als Gesamtbild zu<br />

betrachten, zu beurteilen und (gegebenenfalls) 59 zu liquidieren<br />

sind. 60<br />

9. Internationale Verhältnisse<br />

BGE 136 II 566 ff.: 61 «Lugano-Übereinkommen; Gerichtsstand<br />

der provisorischen Rechtsöffnung. Die provisorische<br />

Rechtsöffnung fällt unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ. Der Gerichtsstand<br />

der provisorischen Rechtsöffnung ist deshalb nicht Gegenstand<br />

einer Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 17 LugÜ)<br />

(E. 3).»<br />

Die Sparkasse Y. mit Sitz in Deutschland betrieb X. mit Wohnsitz<br />

in der Schweiz. Die Sparkasse stützte ihre Forderung auf einen<br />

vom Betriebenen als «Selbstschuldner» unterzeichneten Bürgschaftsvertrag,<br />

mit welchem Forderungen der Sparkasse gegen<br />

die W. GmbH aus einem Rahmenvertrag für Fremdwährungsdarlehen<br />

gesichert worden waren. In diesem Bürgschaftsvertrag<br />

wurde der Sitz der Sparkasse Y. in Deutschland als Gerichtsstand<br />

bestimmt.<br />

Das Bundesgericht beurteilte einzig die Frage, ob die Schweizer<br />

Gerichte zur Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung zuständig<br />

seien. Der Beschwerdeführer X. berief sich auf die im<br />

55 BGE 136 II 43 E. 3.1 S. 46.<br />

56 BGE 136 II 43 E. 3.2 [erster Satz] S. 46.<br />

57 Vgl. BGE 136 II 43 E. 3.2 S. 46.<br />

58 Urteil 2C_237/2009 vom 28. September 2009 E. 3.2.1.<br />

59 Vgl. BGE 136 II 43 E. 7 S. 55–60.<br />

60 Vgl. BGE 136 II 43 E. 4.3.1 S. 49.<br />

61 Urteil 5A_36/2010 vom 7. Oktober 2010.<br />

Bürgschaftsvertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung, wonach<br />

der Gerichtsstand am Sitz der Sparkasse vereinbart worden<br />

war.<br />

Das Bundesgericht prüfte die in der Lehre umstrittene Frage,<br />

ob aufgrund von Art. 16 Z. 5 LugÜ für die provisorische Rechtsöffnung<br />

eine zwingende Zuständigkeit gelte.<br />

Die Auffassung, wonach die provisorische Rechtsöffnung nicht<br />

unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ falle, werde im Wesentlichen damit begründet,<br />

dass es sich dabei nach dem System des LugÜ nicht um<br />

ein Zwangsvollstreckungs-, sondern um ein Erkenntnisverfahren,<br />

also um ein materiellrechtliches Verfahren, handle. Das Bundesgericht<br />

habe allerdings stets an der rein betreibungsrechtlichen Natur<br />

der provisorischen Rechtsöffnung festgehalten. Der Rechtsöffnungsrichter<br />

befinde nicht über den Bestand der in Betreibung<br />

gesetzten Forderung, sondern einzig über deren Vollstreckbarkeit.<br />

Dass im Rahmen des Rechtsöffnungsverfahrens vorfrageweise<br />

auch gewisse materiellrechtliche Punkte zu berücksichtigen seien,<br />

ändere an der Rechtsnatur desselben nichts.<br />

Der provisorischen Rechtsöffnung komme aufgrund des anders<br />

gelagerten Streitgegenstandes keine Rechtskraftwirkung für den<br />

späteren Forderungsprozess zu, der Ausgang des Rechtsöffnungsverfahrens<br />

beeinflusse lediglich die Parteirollenverteilung für den<br />

materiellen Prozess. Die vom Schuldbetreibungsrecht vorgesehene<br />

Abfolge von provisorischer Rechtsöffnung und Forderungsprozess<br />

zeige, dass es sich beim vorausgehenden Rechtsöffnungsverfahren<br />

nicht um ein Erkenntnisverfahren handeln könne. Die<br />

Aneinanderreihung zweier materiellrechtlicher Verfahren wäre<br />

nicht sinnvoll.<br />

Zusammenfassend hält das Bundesgericht richtigerweise fest,<br />

der Bezug der provisorischen Rechtsöffnung zur Zwangsvollstreckung<br />

sei dermassen eng, dass sie unter Art. 16 Ziff. 5 LugÜ zu<br />

subsumieren sei. Der Gerichtsstand der provisorischen Rechtsöffnung<br />

stehe somit nicht zur Disposition und könne in einer Gerichtsstandsvereinbarung<br />

nicht derogiert werden.<br />

BGE 136 III 575: 62 «Art. 30a, 33 Abs. 2, Art. 74 Abs. 1<br />

SchKG; Betreibung gegen einen ausländischen Staat; Frist zur<br />

Erhebung des Rechtsvorschlages. Voraussetzungen für die Zustellung<br />

des Zahlungsbefehls und für die Verlängerung der<br />

Rechtsvorschlagsfrist in einer gegen einen Staat eingeleiteten<br />

Betreibung (E. 4).»<br />

BGE 136 III 587 ff.: 63 «Art. 85a Abs. 2 und Art. 173 Abs. 1<br />

SchKG; Einstellung der Betreibung und Aussetzung des Konkursentscheides.<br />

Wird vor dem Entscheid über das Konkursbegehren<br />

eine negative Feststellungsklage anhängig gemacht,<br />

ist zuerst über die Einstellung der Betreibung zu befinden;<br />

diese kann superprovisorisch verfügt werden (E. 2).»<br />

Nachdem die Schuldnerin (Beschwerdeführerin) äusserst kurz vor<br />

der Konkursverhandlung die negative Feststellungsklage eingereicht<br />

habe, habe sie nach Treu und Glauben davon ausgehen<br />

dürfen, dass vor dem Konkurstermin wenigstens vorläufig über<br />

die Einstellung der Betreibung entschieden würde. Sie habe alles<br />

62 Urteil 5A_286/2010 vom 7. Oktober 2010.<br />

63 Urteil 5A_534/2010 vom 28. Oktober 2010; Entscheid ist ebenfalls besprochen<br />

von GÜNGERICH/BURI in ius.focus 1/2011, S. 20.<br />

440 10/2011

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