10.11.2014 Aufrufe

Pater Germain Varin - Gwick.ch

Pater Germain Varin - Gwick.ch

Pater Germain Varin - Gwick.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Pater</strong><br />

<strong>Germain</strong><br />

(Pierre)<br />

<strong>Varin</strong><br />

* 17. Dezember 1921<br />

† 21. August 1995<br />

Jahresberi<strong>ch</strong>t 1995/96<br />

Stiftss<strong>ch</strong>ule Einsiedeln<br />

Das Leben von <strong>Pater</strong> Dr. <strong>Germain</strong> <strong>Varin</strong> der am<br />

21. August 1995 im Bürgerspital von Zug an einem<br />

Krebsleider verstorben ist, fällt dur<strong>ch</strong> einige Besonderheiten<br />

auf.<br />

Er war von ganzem Herzen ein Suisse Romand,<br />

besonders ein Jurassien, Bürger von Courgenay<br />

(heute JU, bei seiner Geburt no<strong>ch</strong> BE). Auffallenderweise<br />

trat er s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> in unser Kloster ein<br />

und lernte praktis<strong>ch</strong> akzentfrei das S<strong>ch</strong>weizerdeuts<strong>ch</strong>e<br />

spre<strong>ch</strong>en und wusste um die Vers<strong>ch</strong>iedenheiten,<br />

auf die es in der beiden Spra<strong>ch</strong>en ankommt.<br />

Die Spra<strong>ch</strong>e seines Herzens aber blieb<br />

französis<strong>ch</strong>.<br />

Geboren wurde er am 17. Dezember 1921 in La<br />

Chaux-de-Fonds (NE) und dort auf den Namen<br />

Pierre getauft. Zwei Jahre na<strong>ch</strong>her übersiedelten<br />

seine Eltern na<strong>ch</strong> Genf, na<strong>ch</strong> zwei weiteren Jahren<br />

na<strong>ch</strong> Lausanne (VD), wo er die Primars<strong>ch</strong>ule der<br />

Frères Maristes besu<strong>ch</strong>te und 1928 bei den katholis<strong>ch</strong>en<br />

Pfadfindern eintrat, die ihn na<strong>ch</strong>haltig<br />

beeindruckten. Na<strong>ch</strong> weiteren se<strong>ch</strong>s Jahren wurde<br />

sein Vater berufli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Genf berufen, womit<br />

Pierre ein zweites Mal in die Rhonestadt kam, wo<br />

er se<strong>ch</strong>s Gymnasialjahre im Kleinen Seminar<br />

hinter si<strong>ch</strong> bra<strong>ch</strong>te. Als Gymnasiast kam er 1938<br />

anlässli<strong>ch</strong> des Bundeslagers der Pfadfinder in Züri<strong>ch</strong><br />

zum ersten Mal na<strong>ch</strong> Einsiedeln. Die Familie<br />

bestand aus den Eltern und zwei S<strong>ch</strong>western, die<br />

Pierre altersmässig umrahmten.<br />

Wie es damals Brau<strong>ch</strong> war, trat er für die letzten<br />

zwei Klassen, zusammen mit einigen Romands, in<br />

das Lyzeum der Stiftss<strong>ch</strong>ule Einsiedeln ein. Während<br />

den grossen Ferien und einem Teil der Maturaklasse<br />

absolvierte er die Rekrutens<strong>ch</strong>ule in Lausanne,<br />

die ihn mit Lebensauffassungen konfrontierte,<br />

die ihn bedrückten.<br />

Na<strong>ch</strong> der Matura 1942 ents<strong>ch</strong>loss er si<strong>ch</strong>, das Priesterseminar<br />

in Freiburg zu beginnen. Damit hatte<br />

er, mit Ausnahme des Wallis, in allen Kantonen<br />

«gewirkt», in denen nur oder au<strong>ch</strong> französis<strong>ch</strong> gespro<strong>ch</strong>en<br />

wird. Im Priesterseminar in Freiburg<br />

kam er zur Auffassung, dass er do<strong>ch</strong> ins Kloster<br />

Einsiedeln gehöre, und so trat er 1943 in unser<br />

Kloster ein, zusammen mit <strong>Pater</strong> Beda Baumer<br />

aus St. Gallen. Unter der klugen Führung des<br />

Novizenmeisters <strong>Pater</strong> Dr. Eugen Pfiffner bestand<br />

er das Noviziat und erhielt bei der einfa<strong>ch</strong>en Profess<br />

1944 den Klosternamen <strong>Germain</strong>, was an die<br />

Tradition der Wests<strong>ch</strong>weiz erinnerte.<br />

Na<strong>ch</strong> drei Jahren Theologiestudium an der theologis<strong>ch</strong>en<br />

Hauss<strong>ch</strong>ule des Klosters legte er die<br />

feierli<strong>ch</strong>e, ewige Profess ab, am 18. Oktober 1947


wurde er von Bis<strong>ch</strong>of François Charrière zum<br />

Priester geweiht, und am folgenden Tag feierte er<br />

seine Primiz. Die Festanspra<strong>ch</strong>e hielt sein Verwandter,<br />

der Generalvikar für den Jura, Msgr.<br />

Cuenin in der Studentenkapelle in französis<strong>ch</strong>er<br />

Spra<strong>ch</strong>e. Na<strong>ch</strong> einem weiteren Jahr des Studiums<br />

der Pastoraltheologie begann er seine Tätigkeit an<br />

der Stiftss<strong>ch</strong>ule im Herbst 1949. Er wurde Klassenlehrer<br />

der 1. Klasse b mit den Fä<strong>ch</strong>ern Religion<br />

und Latein, ferner erteilte er Französis<strong>ch</strong> in den<br />

beiden Abteilungen der 5. und 7. Klasse. Dieses<br />

Jahr hatte die Aufgabe, seine didaktis<strong>ch</strong>en Fähigkeiten<br />

zu testen.<br />

Da dieser Test offenbar überzeugte, wurde er von<br />

1950 bis 1954 zum Studium der Romanistik mit<br />

Französis<strong>ch</strong> und Spanis<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ickt. Nebenbei<br />

nahm er au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> Violinunterri<strong>ch</strong>t am Konservatorium.<br />

Er wohnte, zusammen mit einem Mitbruder,<br />

in der Académie Sainte Croix, dem Tö<strong>ch</strong>tergymnasium<br />

von Freiburg, wo immer zwei Einsiedler-Patres<br />

als Spirituale wirkten und Religionsunterri<strong>ch</strong>t<br />

erteilten, und zwar seit der Gründung des<br />

Hauses im Jahre 1905.<br />

Bei Professor Pierre-Henri Simon doktorierte er<br />

über den Roman von Joseph Malègue (1876-1940)<br />

«Augustin ou le Maître est là». Der Titel der Dissertation<br />

heisst: «Foi perdue et retrouvée. La<br />

psy<strong>ch</strong>ologie de la perte de la foi et du retour à Dieu<br />

dans ‹Augustin ou le maître est là›». Wie dieser<br />

Titel zeigt, geht es um das religiöse Problem des<br />

Modernismus und dessen Bewältigung in der<br />

Theologie sowie im Leben der Intellektuellen,<br />

besonders in Frankrei<strong>ch</strong>. Typis<strong>ch</strong> für Père <strong>Germain</strong><br />

ist das religiöse Thema.<br />

Im Herbst 1953 begann für ihn nun die dauernde<br />

Tätigkeit an der Stiftss<strong>ch</strong>ule bis zum Ende des<br />

S<strong>ch</strong>uljahres 1987/88, also mit Einbezug des s<strong>ch</strong>on<br />

erwähnten Testjahres 36 Jahre. Während all dieser<br />

Jahre war sein Hauptfa<strong>ch</strong> naturgemäss immer<br />

Französis<strong>ch</strong>. Die ersten zwei Jahre war er au<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> Unterpräfekt im Internat und musste die<br />

dritte und vierte Klasse im Studium und in der Internatsordnung<br />

betreuen. Mit seiner eher reservierten<br />

Art bekam er aber mit den deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Pubeszenten einige S<strong>ch</strong>wierigkeiten, besonders<br />

weil er es sehr genau nahm.<br />

Darauf übernahm er das Fa<strong>ch</strong> Französis<strong>ch</strong>e Literatur<br />

für die Wests<strong>ch</strong>weizer, die traditionell immer<br />

eine Gruppe in den obersten zwei Klassen<br />

bildeten, den sogenannten «Cercle français», und<br />

behielt diese Aufgabe mit grosser Freude bis 1975.<br />

Leider ist diese Tradition langsam ausgestorben,<br />

was in vers<strong>ch</strong>iedener Hinsi<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>ade ist.


Es gab nämli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> den umgekehrten Fall, dass<br />

Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizer von uns für die letzten zwei<br />

Jahre na<strong>ch</strong> St-Maurice zogen. An Stelle dieser<br />

Aufgabe übernahm Père <strong>Germain</strong> die Betreuung<br />

des Spra<strong>ch</strong>labors, das ni<strong>ch</strong>t zuletzt auf seine dringenden<br />

Wüns<strong>ch</strong>e hin für das folgende S<strong>ch</strong>uljahr<br />

eingeri<strong>ch</strong>tet worden war. Diese Aufgabe besorgte<br />

er mit Hingebung und Freude.<br />

S<strong>ch</strong>on bald na<strong>ch</strong> seiner Tätigkeit an der S<strong>ch</strong>ule<br />

hatte er au<strong>ch</strong> Violinunterri<strong>ch</strong>t übernommen, wofür<br />

er ja in Freiburg ebenfalls ausgebildet worden<br />

war. Mit der Zeit kam au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> das Freifa<strong>ch</strong> Spanis<strong>ch</strong><br />

hinzu. Regelmässig führte er alle zwei Jahre<br />

eine Klasse zur Matura im Fa<strong>ch</strong> Französis<strong>ch</strong>.<br />

Seiner religiösen Einstellung entspra<strong>ch</strong> es au<strong>ch</strong>,<br />

dass er etli<strong>ch</strong>e deuts<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riften und grössere<br />

Werke ins Französis<strong>ch</strong>e übersetzte. Es handelte<br />

si<strong>ch</strong> um Gelegenheitss<strong>ch</strong>riften, z. B. Führer für<br />

fremdspra<strong>ch</strong>ige Touristen und Pilger für Einsiedeln<br />

und andere Klöster, aber au<strong>ch</strong> mehrbändige<br />

Werke in Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern.<br />

Eine wi<strong>ch</strong>tige Zäsur war das S<strong>ch</strong>uljahr 1976/77,<br />

auf das hin er zum Novizenmeister und Instruktor<br />

der Fratres (der jungen Mön<strong>ch</strong>e, die no<strong>ch</strong> in der<br />

Ausbildung stehen) berufen wurde. Er betreute<br />

dieses anspru<strong>ch</strong>svolle Amt se<strong>ch</strong>s Jahre lang bis<br />

1982. Merkwürdigerweise blieb unterdessen sein<br />

Pensum an der Stiftss<strong>ch</strong>ule fast unverändert.<br />

Während der letzten se<strong>ch</strong>s Jahre bis 1988 ma<strong>ch</strong>ten<br />

si<strong>ch</strong> leider zunehmend Ermüdungsers<strong>ch</strong>einungen<br />

bemerkbar. Trotzdem fiel ihm der Abs<strong>ch</strong>ied<br />

von der S<strong>ch</strong>ule ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t, besonders als<br />

ausgere<strong>ch</strong>net einmal ein wests<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es Mitglied<br />

der Maturitätskommission die S<strong>ch</strong>ulleitung<br />

briefli<strong>ch</strong> darauf aufmerksam ma<strong>ch</strong>te.<br />

Bereits 1982 hatte er die Betreuung des Säkularinstitutes<br />

der Gemeins<strong>ch</strong>aft unserer Lieben Frau als<br />

Zusatzaufgabe übernommen, eine Aufgabe, die<br />

ihm entspra<strong>ch</strong>, und die er bis zu seinem Tode ausübte.<br />

Im Herbst 1988 begann er seine letzte Aufgabe<br />

als Spiritual im Institut Heiligkreuz bei<br />

Cham. Diese Aufgabe befriedigte ihn sehr, und<br />

zwar vor allem deshalb, weil sie seiner eigenen,<br />

stark religiös geprägten Anlage entspra<strong>ch</strong>. Diese<br />

Aufgabe betreute er bis zu seinem Tode. Verhältnismässig<br />

oft tau<strong>ch</strong>te er im Kloster auf und ma<strong>ch</strong>te<br />

einen glückli<strong>ch</strong>en Eindruck. Leider hat ihn die<br />

heimtückis<strong>ch</strong>e Krankheit zu früh aus diesem Wirkungsfeld<br />

abberufen. Die S<strong>ch</strong>western von Cham<br />

nahmen an seinem Tod grossen Anteil.


<strong>Pater</strong> <strong>Germain</strong> war ein feinfühliger Mens<strong>ch</strong> und<br />

zuglei<strong>ch</strong> sehr zurückhaltend. Grobe Reaktionen<br />

lagen ihm gar ni<strong>ch</strong>t. Er litt unter der Trägheit und<br />

Interesselosigkeit der S<strong>ch</strong>üler bzw. unter dem, was<br />

er als sol<strong>ch</strong>es empfand. I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te diese Eigens<strong>ch</strong>aft<br />

mit dem Wort «empfindsam» bezei<strong>ch</strong>nen.<br />

Er gab si<strong>ch</strong> alle Mühe, si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> aussen ni<strong>ch</strong>ts anmerken<br />

zu lassen. Aber die verursa<strong>ch</strong>ende jeweilige<br />

Lage lähmte ihn in seiner Arbeit. Die ni<strong>ch</strong>t so<br />

fein veranlagte S<strong>ch</strong>ülers<strong>ch</strong>aft merkte das ni<strong>ch</strong>t<br />

und empfand diese Eigens<strong>ch</strong>aft als langweilig. Im<br />

Grunde genommen litt er darunter, dass es ihm<br />

trotz aller Anstrengung ni<strong>ch</strong>t gelang, die Begeisterung<br />

für die französis<strong>ch</strong>e Literatur und Kultur zu<br />

vermitteln, wie er sie für si<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong> erlebte.<br />

Einen Berei<strong>ch</strong> hatte er, der ihn zu heftigen Reaktionen<br />

verleiten konnte. Das waren die Auseinandersetzungen<br />

über die Jurafrage. Er war eben im<br />

Innersten seines Herzens ein überzeugter Vertreter<br />

der Suisse Romande. Er lehnte die Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz<br />

aber ni<strong>ch</strong>t ab, er vermo<strong>ch</strong>te es sogar, ihre<br />

Spra<strong>ch</strong>e vollständig zu beherrs<strong>ch</strong>en und in vielen<br />

Belangen in ihr zu denken. Er erwartete, dass die<br />

S<strong>ch</strong>üler die glei<strong>ch</strong>e Fähigkeit hätten, und empfand<br />

deren tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Reaktion als hölzern.<br />

Er war kein Finsterling und konnte herzhaft fröhli<strong>ch</strong><br />

sein, hatte aber ein feines Gefühl für Anstand<br />

und Culture. Als man ihm mitteilte, dass seine<br />

Krankheit tödli<strong>ch</strong> sei, sagte er s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t: „J’accepte.<br />

Je suis prêt.”<br />

Er war bis zu seinem Tode ein überzeugter, im<br />

religiösen Glauben gefestigter Mens<strong>ch</strong>, Mön<strong>ch</strong><br />

und Mitbruder. Er ruhe im Frieden.<br />

<strong>Pater</strong> Rupert Ruhstaller

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!