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Stigmatisierung - keine Randerscheinung, Regenbogen-Cup 2010

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Meine Meinung<br />

Kolumne von Christine Numberger<br />

Psychiatrie - eine Gesellschaft innerhalb der<br />

Gesellschaft<br />

Eine Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft. <strong>Stigmatisierung</strong><br />

innerhalb der von der Psychiatrie Betroffenen,<br />

seien es Ärzte, Pflegepersonal, Patienten,<br />

Bewohnern einer WG, Putz- und Küchenpersonal.<br />

Die Psychiatrie ist in gewisser Weise eine Gesellschaft<br />

außerhalb der Gesellschaft.<br />

Ich fange erst einmal bei mir an mit der <strong>Stigmatisierung</strong>.<br />

Zum einen: Zu einer gewissen Zeit<br />

schaute ich auf andere Frauen oder Männer herunter<br />

und habe ein Feindbild aufgebaut, jeden als<br />

Feind angesehen und sogar verachtet und war gehässig.<br />

Bis ich mich eines Besseren belehren ließ.<br />

Ich habe psychische Probleme. Ich werde stigmatisiert,<br />

was mich verunsichert hat und dachte, es<br />

wäre mein Fehler, dass ich psychische Schwierigkeiten<br />

habe, und habe gedacht, dass ich mit "Gesunden"<br />

nicht mithalten kann und dass sie mich<br />

mit Recht stigmatisieren, bis ich so weit kam festzustellen,<br />

was ich alles geleistet habe während meiner<br />

Krankheit, dass ich etwas wert bin.<br />

Gezeigt haben mir das die Menschen mit psychischen<br />

Schwierigkeiten, die mich annahmen, obwohl<br />

ich zu ihnen vorher gehässig war und auf die<br />

ich heruntergeschaut habe. Sie haben mir verziehen<br />

und waren sehr freundlich und haben mich für<br />

ernst genommen, gefragt, wie es mir geht, usw. Das<br />

ist eine Reaktion, die in der "gesunden" Gesellschaft<br />

nicht so oft vorkommt, was eigentlich wünschenswert<br />

wäre. Ich fühlte mich bestätigt und<br />

habe mir gedacht, Menschen mit psychischen<br />

Schwierigkeiten sind sehr, sehr menschlich. Ich<br />

habe auch so meine Menschlichkeit kennen gelernt<br />

und mich respektieren und lieben gelernt. Diese<br />

Menschen haben mir gezeigt, dass sie trotz vieler<br />

Fähigkeiten und Können das Pech hatten, in die<br />

Psychiatrie zu kommen.<br />

Ich fing an, meine Fähigkeiten, die ich früher als<br />

Kind und Jugendliche hatte, wo ich mich teilweise<br />

auch als Außenseiterin gesehen habe, wieder zu<br />

entdecken und dass die Zeit in der Psychiatrie<br />

nicht umsonst war, weil ich viel gelernt habe und<br />

meine Fähigkeiten und Begabungen erkannt und<br />

auch in einem kleinen Rahmen, nämlich im Rahmen<br />

der Psychiatrie, meine Fähigkeiten und Begabungen<br />

verwirklichen konnte, wovon ich früher<br />

nur geträumt habe.<br />

Ich arbeite als Spülerin im Cafe, als Journalistin für<br />

den <strong>Regenbogen</strong>-Report, als Malerin und als Englischlehrerin.<br />

Eigentlich könnte ich damit zufrieden<br />

sein, weil die Qualität, so sage ich mal, genauso<br />

gut ist, wie von Menschen in der "gesunden" Gesellschaft.<br />

Doch was treibt mich nach draußen.<br />

Erstens möchte ich, auch wenn ich mich nicht<br />

mehr stigmatisiere, wie ich es vor meiner Psychiatrieerfahrung<br />

tat, wo ich gedacht habe ich wäre<br />

nicht anerkannt, obwohl ich anerkannt war, auf viel<br />

Verständnis gestoßen bin, so möchte ich doch<br />

denen beweisen, die auf mich heruntergeschaut<br />

haben, beweisen, dass ich Erfolg habe. Hauptsächlich<br />

ist aber die Tatsache, dass es unter den Patienten<br />

so fiese Typen gibt, dass man es kaum glauben<br />

mag. Es gibt viele, die auf einem rumhacken, wenn<br />

es einem schlecht geht, d.h. verwünschen, verbal<br />

angreifen, usw. Geht es einem gut, wird man akzeptiert,<br />

man ist freundlich, doch von so einigen<br />

gehasst, angefeindet. Ist man so gut wie gesund,<br />

wird es einem manchmal nicht gegönnt.<br />

Ich sehe alle Aufenthalte in Kliniken als eine<br />

Chance an, mich zu entwickeln, meine Fähigkeiten<br />

zu entwickeln, trotz enormer seelischer Schwierigkeiten<br />

und manchmal hohem Leidensdruck. Ich<br />

habe sehr interessante und auch liebenswerte Menschen<br />

kennengelernt. Außerdem habe ich mein<br />

Wertesystem als auch meine Prioritäten anders gesetzt…<br />

regenbogen-report 01•10 31

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