EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München
EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München
EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
3<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Im Blick auf das vergangene Jahr beschäftigt mich ein Wort<br />
des Apostels Paulus an die Menschen in Korinth. Dort heißt<br />
es: „Gott sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten,<br />
er hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben – zur<br />
Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes.“ Und weiter: „ Wir haben<br />
diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche<br />
Kraft von Gott ist und nicht von uns.“ (Die Bibel, 2. Kor .4)<br />
Nimmt man dieses Bild beim Wort erzeugt es Stirnrunzeln.<br />
Wie kann ein Licht, das in einem irdenen Gefäß, einem Tontopf<br />
steht, sichtbar werden? Das geht doch nur, wenn das<br />
Tongefäß Risse oder Durchbrüche hat. Dabei geht es nicht<br />
um die Schönheit wohlgeformter Tongefäße, sondern es geht<br />
um das Leben. Das Bild des Paulus wendet sich dem Fragmentarischen,<br />
Gebrochenen, Sehnsüchtigen, Unvollkommenen<br />
zu. Die Risse und Brüche gehören zum Menschsein. Es geht<br />
im Leben nicht darum, vollkommen zu sein, ganz zu sein oder<br />
heil. Auch allen Wegen gegenüber, die das versprechen ist<br />
Vorsicht geboten. Um mit Adorno zu sprechen: „Das Ganze<br />
ist das Unwahre.“ Es ist eher im Gegenteil: unser Leben ist<br />
ein Fragment.<br />
Paulus weist darauf hin, dass gänzlich unabhängig von unseren<br />
Rissen und Brüchen ein Licht von Gott in uns gestellt<br />
ist. Ein Licht, das leuchtet, gerade auch in und durch unsere<br />
Unvollkommenheit, unsere Fragmentarität, durch die Brüche<br />
unserer Existenz. Dieses Licht ist in jedem Herzen verborgen.<br />
In jedem unserer Herzen, in jedem Herzen unserer Klient/innen,<br />
im Herzen eines jedem Menschen hat Gott diesen hellen<br />
Schein gelegt.<br />
Sie halten den Jahresbericht 2010 des ebz in Händen. Ca.<br />
31.000 Menschen nutzen die Angebote des ebz im vergangenen<br />
Jahr, waren mit ihren Rissen und Brüchen bei uns präsent.<br />
Eine Vielzahl von Themen hat uns im vergangenen Jahr<br />
beschäftigt. Davon zeugen die Artikel in diesem Jahresbericht.<br />
Doch was wir hier in diesem Jahresbericht zeigen ist<br />
nur die Spitze eines Eisbergs. Auch unsere Präventionsangebote<br />
und ebz-Gespräche, die manche unserer Themen in der<br />
Öffentlichkeit bekannt machen, zeigen nicht die Vielfalt und<br />
Komplexität des Beratungsgeschehens. Die Beratungsgespräche,<br />
die 60 % unserer Arbeit ausmachen und unser Kerngeschäft<br />
sind, geschehen im Verborgenen. Verschwiegenheit<br />
und Anonymität sind unser Qualitätsmerkmal. Das, was uns<br />
schon bei unserem 50-jährigen Jubiläum beschäftigt hat,<br />
zieht sich weiter durch. Die Beratungen werden komplexer,<br />
verlangen danach, dass das ebz gut vernetzt ist mit anderen<br />
Hilfeeinrichtungen in München.<br />
Und vielleicht kann dann im Beratungsgeschehen die Erfahrung<br />
wachsen, dass ein Licht in uns gestellt ist, leuchtet<br />
durch all unsere Brüche und Risse, all unsere Unvollkommenheiten,<br />
Verwundungen und Verletzungen. Die Erfahrung,<br />
dass ich anders angeschaut werde, Wertschätzung erfahre,<br />
angenommen bin. Das heißt, dass ich meine Würde nicht<br />
selbst erschaffen muss. Sie ist einfach da, weil ein Licht in<br />
mich gestellt ist. Ich bin anerkannt von vornherein, mit den<br />
Rissen und Brüchen in meinem Leben. Gott weiß, dass das<br />
Licht in einem irdenen Gefäß steht, das brüchig ist. Und genau<br />
dadurch, im Verborgenen, Fragmentarischen wird die<br />
überschwängliche Kraft Gottes deutlich.<br />
Ich wünsche Ihnen und unseren Klient/innen die<br />
Entdeckung des Lichts, das in irdenen Gefäßen leuchtet,<br />
jeden Tag neu.<br />
Ihre<br />
Gerborg Drescher<br />
Vorstand