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EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München

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37<br />

Persönliche Anmerkung<br />

Nach fast 10-jähriger Mitarbeit im Ständigen Ausschuss für<br />

Psychologische Beratung und Seelsorge des DEKT und zuvor<br />

als Beraterin bzw. später als Schichtleitung für die Beratung<br />

bei Deutschen Evangelischen Kirchentagen beendete ich im<br />

September 2010 meine Tätigkeit für die Kirchentage. Begonnen<br />

hatte ich diese 1993 beim Kirchentag in München. Mit<br />

dem Ökumenischen Kirchentag 2010 in München hat sich für<br />

mich die Tätigkeit, die ich sehr gerne getan habe, gerundet.<br />

Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

3.4 Meine Schuld erdrückt und lähmt<br />

mich und ich will doch leben<br />

Unter diesem Titel bot ich eine Gruppe auf dem 2. Ökumenischen<br />

Kirchentag in München an. Viele Teilnehmer/innen<br />

waren interessiert daran neben der theologischen Sichtweise<br />

des Themenkomplexes „Schuld“ auch die psychologischen<br />

Erklärungsmodelle rund um den Begriff „Schuld“ kennen zu<br />

lernen. Ich bezog mich hierbei vor allem auf den psychoanalytischen<br />

Begriff vom Über-Ich, der eng mit der Ausprägung<br />

einer Schuldempfindung verknüpft ist. Folgende Überlegung<br />

war für viele Teilnehmer/innen nachvollziehbar:<br />

Triebhafte Impulse aus dem Unbewussten (dem “Es“), oft gespeist<br />

durch Reste von Tagesempfindungen oder getriggert<br />

durch Erinnerungen aus der Vergangenheit, steigen auf: Das<br />

können z.B. Angst, Ärger, Wut, Sehnsucht, Trauer oder sexuelle<br />

Empfindungen sein. Diese Impulse werden damit bewusstseinsnah<br />

und müssen auf irgendeine Art und Weise von<br />

unserem bewussten „Ich“ gehalten, strukturiert und geordnet<br />

werden. Dieser Vorgang findet mehrmals am Tage statt und<br />

ist an sich völlig “normal“, denn die emotionale Triebhaftig-<br />

keit und Lebendigkeit sind uns angeboren. Schwierig wird es<br />

erst, wenn die Instanz des „Über-Ichs“ hinzukommt. Diese<br />

wird vom Kind erst erworben und ist nicht per se angeboren.<br />

Die Eltern-Instanzen sind hier bestimmend: Wertevorstellungen,<br />

die von den Eltern, der Familie, der Gesellschaft und der<br />

jeweiligen Religionsgemeinschaft vorgegeben werden, und<br />

an denen man sich orientieren und Halt finden kann. Nun<br />

geht es letztendlich darum die beiden Antipoden „Es“ und<br />

„Über-Ich“ gut verbindend in sich zu halten, wozu ein funktionierendes<br />

und stabiles „Ich“ notwendig ist. Stehen alle drei<br />

Instanzen in einem guten Einklang miteinander, so spricht<br />

man von einer ausgeglichenen Persönlichkeitsstruktur.<br />

Für viele Gruppenteilnehmer/innen war dieses psychoanalytische<br />

Regulationsmodell gut nachvollziehbar und hilfreich<br />

bei der Bewertung der eigenen Verstrickung in schuldbesetzte<br />

Prozesse. Im Gruppengespräch wurden die jeweils eigenen<br />

Erlebnisse, die schuldhaft verarbeitet wurden, vorgetragen.<br />

Im Schutz der Gruppe war es möglich, auf einer Ebene, die<br />

von Wohlwollen und gegenseitiger Wertschätzung getragen<br />

war, die jeweiligen Prägungen rund um den Schuldbegriff zu<br />

diskutieren und somit aufzulockern. Dieser Vorgang wurde<br />

von vielen als sehr druckmindernd erlebt („ach so kann man<br />

das auch sehen“). Besonders interessiert zeigten sich die Teilnehmer/innen,<br />

als ich auf den Vorgang der Verdrängung zu<br />

sprechen kam. Der Punkt, dass ein rigides Über-Ich-System,<br />

das nur Verdrängung vorsieht und keine Entlastungs- oder<br />

Sublimierungsmöglichkeiten zulässt, auch krankheitsfördernd<br />

sein kann und sich in psychosomatischen Beschwerden<br />

zeigen kann, war für viele sehr gut nachvollziehbar.<br />

Natürlich gab es auch lebhafte Diskussionen darüber, welche<br />

Vorstellung von Schuld (die evangelische, katholische,<br />

eine ganz private, die von Naturvölkern, eine psychoanalytische,<br />

pädagogische, philosophische oder andere) denn hier<br />

und jetzt auf dem Kirchentag die allgemein verbindliche<br />

und letztendlich gültige sei. In einer Gruppe kamen wir auf<br />

folgenden gemeinsamen Nenner: Es wurde still, eine Kerze<br />

wurde angezündet, und wir beteten gemeinsam das “Vater<br />

unser“.<br />

Helmut Brandmair<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

©<br />

Martin Breer

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