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EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München

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Sabine Simon: Welches Thema ist aus deiner Erfahrung<br />

sehr schwierig für die Klientinnen?<br />

Renate Mitleger: Beim Thema Umgangsrecht hakt es immer<br />

wieder. Ich hatte viele Beratungen, in denen Frauen bereits in<br />

der Schwangerschaft große Ängste äußerten, überhaupt ein<br />

Umgangsrecht zuzulassen. Auf dem Hintergrund einer gerade<br />

erst beendeten Beziehung, des Verlassenwerdens oder einer<br />

flüchtigen Affäre, ist die Abwehr weiterer Kontakte zu dem<br />

Kindesvater ja verständlich. Ich habe aber auch die schwierige<br />

Aufgabe die Frauen darauf vorzubereiten, dass sie einen<br />

Umgang des Vaters mit dem Kind grundsätzlich zulassen<br />

sollten, ja sogar müssen. Die Frauen können zwar mit allen<br />

möglichen Mitteln versuchen, dies zu verhindern, aber vor<br />

dem Hintergrund der Gesetzesänderungen und dem langsamen<br />

Umdenken bei den Richtern im Laufe der vergangenen<br />

10 Jahre haben die Mütter immer weniger Möglichkeiten das<br />

Umgangsrecht letztendlich zu vereiteln.<br />

Ein zweiter Punkt, der in den letzten Jahren sehr viel mehr<br />

in den Vordergrund gerückt ist, obwohl es hierzu keine wesentlichen<br />

gesetzlichen Veränderungen gegeben hat, ist die<br />

Umsetzung des Paragrafen 1615l BGB, der den Unterhaltsanspruch<br />

der nicht ehelichen Mutter gegenüber dem Kindesvater<br />

regelt. Erst seit einigen Jahren wird von öffentlicher<br />

Seite vermehrt auf die Durchsetzung dieser Ansprüche gedrängt.<br />

Sozialleistungsträger, die ansonsten Regelleistungen<br />

für die Frau erbringen müssten, setzen Frauen unter Druck,<br />

ihre möglichen Ansprüche gegenüber den Männern geltend<br />

zu machen. Sehr viele Frauen möchten aber am liebsten nicht<br />

von dem Ex-Partner finanziell abhängig sein. Dass sie schon<br />

Unterhalt für das Kind einfordern müssen und das manchmal<br />

als Betteln oder Hinterherjagen empfinden, reicht ihnen<br />

schon. In der Beratung der Frauen geht es darum, Mut zu<br />

machen, die möglichen Ansprüche gegenüber dem Kindesvater<br />

dennoch anzumelden und durchzusetzen, um nicht über<br />

längere Zeit in finanzielle Not zu geraten. Die Frauen müssen<br />

sich einfach mit dem Thema auseinandersetzen, es bleibt ihnen<br />

nichts anderes übrig.<br />

Sabine Simon: Welche zukünftigen familienrechtlichen Änderungen<br />

siehst du in den nächsten Jahren auf die Frauen<br />

und Männer, die uns zu Beratung aufsuchen, zukommen?<br />

Renate Mitleger: Momentan sehe ich mit etwas Skepsis auf<br />

das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach auch in<br />

Deutschland ein vereinfachter Zugang von nicht ehelichen<br />

Vätern zu einem gemeinsamen Sorgerecht verlangt wird.<br />

Zurzeit ist es ja so, dass mit der Geburt des nicht ehelichen<br />

Kindes die Mutter das alleinige Sorgerecht für das Kind hat.<br />

Der Vater kann mit Zustimmung der Mutter zur gemeinsamen<br />

elterlichen Sorge gelangen. In vielen Ländern erhält sie der<br />

Vater, der die Vaterschaft zuvor anerkannt hat, automatisch<br />

ab Geburt, genauso wie die Mutter. Diese Regelung halte ich<br />

für äußerst problematisch, denn nicht wenige Väter ziehen<br />

sich schon während der Schwangerschaft komplett aus der<br />

Verantwortung und sind nicht greifbar. Manchmal hatte die<br />

Frau nur eine kurze Affäre und soll nun mit einem eigentlich<br />

Fremden alltägliche Fragen der Kindererziehung erörtern. Bei<br />

binationalen Paaren droht manchmal, dass der nicht eheliche<br />

Vater aufgrund der gemeinsamen elterlichen Sorge ohne<br />

Zustimmung der Mutter einen Pass für das Kind beantragen<br />

kann. Bei den Müttern entsteht dadurch die Angst vor einer<br />

Verschleppung des Kindes ins Ausland. Ich befürchte, dass<br />

Frauen im Schwangerschaftskonflikt diese mögliche neue<br />

Regelung als bedrohlich und massiv einschränkend empfinden<br />

werden, wenn sie den Kindesvater nicht näher kennen<br />

oder mit ihm eigentlich nichts mehr zu tun haben möchten.<br />

Es liegt nahe, dass diese Zukunftsaussichten sie noch einmal<br />

eher einen Abbruch erwägen lassen werden.<br />

Sabine Simon: Hältst du die juristische Beratung in der<br />

Schwangerschaftsberatung weiterhin für sinnvoll, wo es<br />

doch eigentlich auch die kostenreduzierte Rechtsberatung<br />

in juristischen Kanzleien gibt?<br />

Renate Mitleger: Ich halte dieses Angebot für sehr wichtig.<br />

Ein Beratungszentrum wie das ebz ist einfach niederschwelliger.<br />

Hier kann man sich in der juristischen Beratung die Zeit<br />

nehmen, zunächst sehr unzusammenhängende Erzählungen<br />

zu entwirren und zum Kern des Problems vorzudringen,<br />

Papiere können sortiert und Prioritäten festgelegt werden.<br />

Nicht wenige Klientinnen haben einfach sehr viele Probleme<br />

und Fragen. Und ich kann, wenn nötig, sogar mal einen Dolmetscher<br />

hinzuziehen. Der Austausch mit den Berater/innen<br />

und deren weitere Begleitung der Klientin oder der Familie<br />

sorgt auch dafür, dass etwas weitergeht, was sonst im Chaos<br />

des Alltags wieder ungelöst bleiben würde.<br />

Sabine Simon: Renate, ich danke dir für das Gespräch und<br />

für deine langjährige hervorragende Arbeit, auch im Namen<br />

der Kolleg/innen und vor allem der Klient/innen der<br />

Schwangerschaftsberatung.<br />

Sabine Simon<br />

Schwangerschaftsberatung

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