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EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München

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viele Väter sich in der derzeitigen Situation machtlos und der<br />

Willkür der Mütter ausgeliefert fühlen. In der Beratung und<br />

Mediation kommt von den Müttern oft ein Satz wie: „Ich will<br />

mir erst einmal anschauen wie engagiert XY als Vater ist ...<br />

und ob er es gut macht mit dem Kind“ und manche Mütter<br />

sagen noch nicht einmal das, sondern wollen einfach keine<br />

gemeinsame elterliche Sorge um den anderen Elternteil auf<br />

der Elternebene etwas büßen zu lassen, was er ihnen auf der<br />

Paarebene schuldig geblieben ist.<br />

Bei der automatischen gemeinsamen elterlichen Sorge<br />

von Geburt an gibt es diese Bewährungsproben nicht. Der<br />

Gesetzgeber würde dadurch dokumentieren, dass er beide<br />

Elternteile für gleichermaßen befähigt hält die Elternrolle zu<br />

übernehmen. Es würde kein Gefälle mehr geben von einem<br />

Elternteil mit einer juristisch starken Position und einem<br />

Elternteil mit einer juristisch schwachen Position. Klappt<br />

es dann tatsächlich nicht mit der gemeinsamen elterlichen<br />

Sorge, kann immer noch ein Elternteil, wie auch bei<br />

Ehepaaren, die alleinige elterliche Sorge für sich beantragen.<br />

Bei den Altfällen (Kinder vor der gesetzlichen Neuregelung<br />

geboren) sieht die Realität in der Beratung aus wie folgt: Aus<br />

der Erfahrung unserer bisherigen Beratungspraxis lassen sich<br />

drei Gruppen unterscheiden, die mit dem Thema gemeinsame<br />

Sorge unterschiedlich umgehen.<br />

- Einvernehmen zur gemeinsamen Sorge<br />

Das sind die Eltern, die sich von Haus aus gut verstehen.<br />

Sie sind entweder verheiratet oder geben gleich bei der<br />

Geburt oder auch schon vor der Geburt die gemeinsame<br />

Sorgeerklärung ab. Für diese Gruppe ändert sich nichts.<br />

- Konflikte zur gemeinsamen Sorge<br />

Das sind die Eltern, die sich von Haus aus nicht gut verstehen,<br />

meist, weil sie schon getrennt lebend sind. Sie haben<br />

ohnehin nicht den Grundkonsens, den es braucht um die<br />

gemeinsame elterliche Sorge auszuüben. Vielfach haben<br />

sich beide schon öfter an das Familiengericht gewandt mit<br />

Anträgen zum Umgangsrecht, zur Unterhaltszahlung oder<br />

zur Auseinandersetzung von gemeinsamen Vermögen. Meist<br />

gibt es zahlreiche abgebrochene Versuche von Beratung und<br />

Mediation, initiiert von den machtlosen Vätern, die versuchen,<br />

zumindest auf diesem Weg eine Verbesserung ihrer Situation<br />

zu erreichen. Diese Beratungen und Mediationen werden<br />

meist von den Müttern abgebrochen, die in der Regel nicht<br />

wirklich motiviert sind, an ihrer rechtlich starken Position<br />

freiwillig etwas zu verändern.<br />

Die meisten Väter, die nach der Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts bei Gericht versuchen ein<br />

gemeinsames Sorgerecht auch gegen den Willen der Mutter<br />

gerichtlich durchzusetzen, kommen aus dieser Gruppe von<br />

Eltern. Sie hoffen auf eine neue Chance. Fakt ist jedoch, dass<br />

in der Praxis die meisten Richter gerade bei diesen Paaren<br />

das gemeinsame Sorgerecht nicht anordnen werden. Denn<br />

Grundvoraussetzung für die gemeinsame elterliche Sorge ist<br />

nach wie vor, dass diese dem Kindeswohl entsprechen muss.<br />

Es entspricht aber nach Meinung vieler Richter nicht dem<br />

Kindeswohl, die gemeinsame elterliche Sorge an Eltern zu<br />

geben, die gegeneinander prozessieren, die es noch nicht<br />

einmal schaffen, Terminabsprachen miteinander zu treffen,<br />

die Gegenwart des anderen nicht mehr ertragen oder nur per<br />

Mail und SMS miteinander verkehren können.<br />

- Kooperation trotz getrennter Sorge<br />

Und dann gibt es noch die Elternpaare, bei denen zwar nur die<br />

Mutter die elterliche Sorge innehat, die aber ihr Elternsein so<br />

praktizieren, als hätten sie die gemeinsame elterliche Sorge.<br />

Das heißt, sie haben ein Modell kooperativer Elternschaft,<br />

besprechen sich, stimmen sich ab, treffen alle wichtigen<br />

Entscheidungen das Kind betreffend gemeinsam. Die Väter<br />

aus dieser Gruppe werden ebenfalls nicht von der neuen<br />

gesetzlichen Regelung Gebrauch machen. Sie brauchen gar<br />

kein gemeinsames Sorgerecht, da ihnen die Mutter auch<br />

ohne das gemeinsame elterliche Sorgerecht ein gleich starkes<br />

Mitbestimmungsrecht einräumt. Und wenn diese Väter es<br />

wollen würden würde die Partnerin voraussichtlich mit ihnen<br />

zusammen einer Sorgeerklärung zustimmen, ohne dass es der<br />

Mitwirkung des Gerichts bedarf.<br />

Fazit - Einschätzung der Praktiker<br />

Das neue Gesetz wird für die Kinder, die nach seinem in Kraft<br />

treten geboren werden, für eine bessere Ausgangssituation<br />

der Väter sorgen. Und das entspricht grundsätzlich erst<br />

einmal immer dem Kindeswohl, von Ausnahmen abgesehen.<br />

Für Altfälle wird es bis auf wenige Ausnahmen keine<br />

Verbesserung der Sorgerechtssituation durch das neue<br />

Gesetz geben. Der Ausnahmefall wird der sein, dass ein<br />

Vater einfach in all den Jahren vorher zu bequem war, in<br />

einer gut funktionierenden Elternschaft den Antrag auf<br />

Abgabe der gemeinsamen Sorgeerklärung zu stellen. Deshalb<br />

liegt die wesentliche Hilfestellung für die Altfälle nicht im<br />

juristischen Bereich, in Form des voraussichtlich erfolglosen<br />

Einklagens des gemeinsamen Sorgerechts, sondern weiterhin<br />

in der Beratung und Mediation, um mit dem Elternpaar<br />

die Voraussetzungen dafür zu schaffen, auch juristisch<br />

gemeinsam die Verantwortung für das Kind tragen zu können<br />

und sich dabei gegenseitig zu vertrauen.<br />

Ulrike Buchner<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung

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