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A. Lerndaten 15. Teil: (Räuberische) Erpres- sung B ...

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Lernprogramm Strafrecht <strong>15.</strong> <strong>Teil</strong><br />

356<br />

_____________________________________________________________________<br />

A. <strong>Lerndaten</strong> <strong>15.</strong> <strong>Teil</strong>: (<strong>Räuberische</strong>) <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong><br />

Seiten: 13 (368 insgesamt)<br />

! ca. 60 Minuten (1420 Min. = 23h 40 Min. insgesamt)<br />

B. Inhaltsübersicht <strong>15.</strong> <strong>Teil</strong><br />

204 <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> (§ 253) - Prüfungsaufbau<br />

205 Problem Vermögensverfügung<br />

206 Weitere Einzelfragen der <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong><br />

207 Konkurrenzprobleme<br />

208 <strong>Räuberische</strong> <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> (§§ 253, 255) - Prüfungsaufbau<br />

209 <strong>Räuberische</strong> <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> - Einzelfragen<br />

210 Weitere Problemfälle aus dem Bereich der räuberischen <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong><br />

211 §§ 253, 255: Rechtsprechung<br />

C. Lernkontrolle <strong>15.</strong> <strong>Teil</strong><br />

1. Durcharbeiten am: ...............<br />

2. Durcharbeiten am: ...............<br />

3. Durcharbeiten am: ...............<br />

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Lernprogramm Strafrecht <strong>15.</strong> <strong>Teil</strong><br />

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<strong>15.</strong> <strong>Teil</strong>: <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> (§§ 253, 255)<br />

204 <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> (§ 253) - Prüfungsaufbau<br />

Prüfungsschema 33: <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> (§ 253)<br />

A. Tatbestand<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Tathandlung: Nötigung mit<br />

a) Gewalt oder<br />

b) mittels Drohung mit einem empfindlichen Übel<br />

2. Durch die Tathandlung muss es zu zwei Taterfolgen kommen:<br />

a) Handeln, Dulden oder Unterlassen (im einzelnen sehr str.!)<br />

b) durch 2. a) verursachter Vermögensnachteil<br />

II. Subjektiver Tatbestand<br />

1. Vorsatz (zumindest dolus eventualis)<br />

2. Bereicherungsabsicht<br />

a) Absicht, sich oder einen Dritten durch die Tat zu Unrecht zu bereichern<br />

(dolus directus 1. Grades)<br />

b) Hinsichtlich der Unrechtmäßigkeit reicht dolus eventualis aus<br />

B. Rechtswidrigkeit<br />

I. Allgemeine Rechtfertigungsgründe<br />

II. § 253 II: Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation (vgl. § 240 II)<br />

C. Schuld<br />

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205 Problem Vermögensverfügung<br />

υ Achtung: Praktische Bedeutung hat dieses Problem vor allem dort,<br />

wo es an Tatbestandsmerkmalen des § 249 fehlt – z.B. bei der gewaltsamen<br />

Wegnahme von Sachen zum Zwecke des vorübergehenden<br />

Gebrauchs (Taxifall - BGHSt 14, 386) oder bei gewaltsamer<br />

Pfandkehr (vgl. § 289).<br />

a) Rspr.: Eine Vermögensverfügung ist nicht erforderlich (s. z.B. BGH<br />

NStZ 1995, 498). Es genügt, dass der Täter vis absoluta einsetzt, um<br />

so die Möglichkeit zu besitzen, die vermögensschädigende Handlung -<br />

beispielsweise durch Wegnahme einer Sache - selbst vorzunehmen<br />

(es reicht jedwede Duldung durch das Opfer).<br />

Daraus folgt: Wer mangels Zueignungsabsicht nicht gemäß § 249 bestraft<br />

werden kann, wird nach §§ 253, 255 dennoch "gleich einem<br />

Räuber" bestraft! § 249 ist das speziellere Gesetz gegenüber § 255.<br />

BGHSt 14, 386 [Taxifall]: Wer ohne Zueignungsabsicht, aber um sich<br />

zu Unrecht zu bereichern, mit den Mitteln des Raubes einen anderen<br />

rechtswidrig dazu nötigt, die Wegnahme einer fremden beweglichen<br />

Sache zu dulden, begeht eine räuberische <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong>.<br />

b) h.L.: Es ist stets eine Vermögensverfügung des Genötigten erforderlich<br />

- u.U. ist allein eine strafbare Nötigung nach § 240 gegeben,<br />

wenn eine Vermögensverfügung nicht vorliegt und es gleichzeitig an<br />

einem Tatbestandsmerkmal des § 249 fehlt (vgl. o.).<br />

Argumentation: § 253 ist ein selbständiger Deliktstyp; § 249 wäre als<br />

Konsequenz aus der Auffas<strong>sung</strong> des BGH überflüssig (§ 249 gewänne<br />

nur noch dort an Bedeutung, wo jemand zu den Mitteln des Raubes<br />

greift, um völlig wertlose Sachen oder Liebhaberstücke "unter voller<br />

Werterstattung" an sich zu bringen - Betrug und <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> unterscheiden<br />

sich allein dadurch, dass die vermögensschädigende Verfügung<br />

dort durch Täuschung erschlichen und hier durch Nötigung erzwungen<br />

wird).<br />

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206 Weitere Einzelfragen der <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong><br />

a) Genötigter und Verfügender müssen personengleich sein. Wie beim<br />

Betrug ist jedoch auch bei § 253 die Möglichkeit einer "Dreieckstat"<br />

gegeben (sog. "Dreieckserpres<strong>sung</strong>").<br />

Nach BGHSt 41, 123 setzt eine "Dreieckserpres<strong>sung</strong>" (hier: Androhung<br />

eines empfindlichen Übels) ein Näheverhältnis zwischen dem<br />

Nötigungsopfer und dem in seinem Vermögen Geschädigten voraus;<br />

der Genötigte muss die Vermögensinteressen des Geschädigten<br />

wahrnehmen wollen.<br />

b) Im Verhältnis zum Lösegeldschaden bildet die Rückgabe des Diebesgutes,<br />

die auf einer schon vorher entstandenen gesetzlichen Verpflichtung<br />

beruht, kein kompensationsfähiges Äquivalent.<br />

c) Glaubt der Täter auf die Bereicherung einen Anspruch zu haben, so<br />

befindet er sich im Tatbestandsirrtum (BGHSt 4, 105).<br />

d) Wer in Bereicherungsabsicht vortäuscht, er werde erpresst, macht sich<br />

des Betruges, nicht der <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> schuldig, auch wenn der Getäuschte<br />

die angeblich drohende Enthüllung selbst zu befürchten hat<br />

und darum über sein Vermögen verfügt (Arg.: Fehlen des Merkmals<br />

"Drohung", wenn der Drohende in dem Bedrohten nicht die Vorstellung<br />

erweckt, dass der Drohende den Dritten beeinflussen könne) - BGHSt<br />

7, 197.<br />

S. auch BGH NStZ 1996, 435: Wenn das angedrohte Übel nicht durch<br />

den Drohenden selbst, sondern durch einen Dritten verwirklicht werden<br />

soll, muss in dem Bedrohten die Vorstellung geweckt werden, dass der<br />

Drohende den Dritten in der befürchteten Richtung beeinflussen könne<br />

und - bei Nichtvornahme der geforderten Vermögensverfügung - auch<br />

wolle.<br />

e) Vollendung mit der Herbeiführung des Nachteils durch die abgenötigte<br />

Vermögensverfügung. Zu einer Vermögensverschiebung muss es<br />

nicht kommen (BGHSt 19, 342).<br />

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207 Konkurrenzprobleme<br />

a) Tateinheit mit Betrug bei einem Zusammentreffen von Drohung und<br />

Täuschung kommt nur in Ausnahmefällen, wie etwa dann in Betracht,<br />

wenn die zur Willensbeeinflus<strong>sung</strong> eingesetzten Mittel voneinander<br />

unabhängig sind und die darauf beruhende Vermögensverfügung sowohl<br />

dem Einfluss der Drohung als auch dem Einfluss der Täuschung<br />

zuzuschreiben ist (s. z.B. BGHSt 9, 245, 247 - bitte den Sachverhalt<br />

nachlesen!).<br />

b) Wer einen anderen durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur<br />

Begehung eines Diebstahls nötigt, um sich die dabei erlangte Beute<br />

aushändigen zu lassen, macht sich der Anstiftung zum Diebstahl in<br />

Tateinheit mit Nötigung schuldig, begeht aber keine <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong>, wenn<br />

der Genötigte nicht bereits vor der Tat in einem besonderen Näheverhältnis<br />

zum dem betroffenen Vermögen stand.<br />

BGH NStZ-RR 2000, 106: Dient das dem Opfer einer schweren räuberischen<br />

<strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> bzw. eines schweren Raubes nach Vollendung der<br />

Tat abgenötigte Verhalten ausschließlich der Sicherung der zuvor erlangten<br />

Beute, kommt § 240 gegenüber §§ 249, 250, 255 keine eigenständige<br />

Bedeutung zu. Die tatbestandlich verwirklichte Nötigung tritt<br />

zurück.<br />

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208 <strong>Räuberische</strong> <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> (§§ 253, 255) - Prüfungsaufbau<br />

υ Klausurhinweis: § 255 ist Qualifikation zu § 253 I. Es empfiehlt sich,<br />

§§ 253 I, 255 in den Obersatz aufzunehmen und die Prüfung der räuberischen<br />

<strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> mit dem Grunddelikt zu beginnen. Die Prüfung<br />

des § 255 sollte nach der Erörterung des subjektiven Tatbestandes<br />

des § 253 I und vor Abhandlung der Rechtswidrigkeit des Grunddelikts<br />

§ 253 I erfolgen (Arg.: Im Rahmen des § 255 entfällt das Erfordernis<br />

der Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation!).<br />

Prüfungsschema 34: <strong>Räuberische</strong> <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> (§§ 253 I, 255)<br />

A. Tatbestand<br />

I. Objektiver Tatbestand (Tathandlung)<br />

1. Gewalt gegen eine Person oder<br />

2. Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben<br />

...<br />

209 <strong>Räuberische</strong> <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> - Einzelfragen<br />

a) Abgrenzung zu § 253<br />

aa) § 255 ist Qualifikation zu § 253 (s.o.)<br />

bb) Des weiteren unterscheiden sich die Nötigungsmittel -<br />

(1) Gewalt:<br />

§ 253: Lediglich Zufügung eines gegenwärtigen Übels, das<br />

nicht unmittelbar gegen den Körper wirkt<br />

§ 255: Gewalt gegen eine Person<br />

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(2) Drohung:<br />

§ 253: Mit einem empfindlichen Übel<br />

§ 255: Mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben = unmittelbar<br />

oder mittelbar gegen den Körper gerichtete<br />

Gewalt, die nicht völlig unerheblich ist<br />

b) Abgrenzung zu § 249<br />

aa)<br />

Grundsätzliches<br />

§ 249: Wegnahme<br />

§ 255: Opfer nimmt selbst eine vermögensmindernde Handlung vor<br />

bb)<br />

Im Übrigen gilt<br />

(1) Rspr.: Nicht die innere Willensrichtung wie beim Betrug und Diebstahl,<br />

sondern das äußere Erscheinungsbild ist entscheidend:<br />

• Geben = § 255<br />

• Nehmen = § 249<br />

BGH NStZ-RR 1997, 321: Auch bei einer "Dreieckserpres<strong>sung</strong>" richtet<br />

sich die Zuordnung zu den Tatbeständen des Raubes oder der <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong><br />

nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tat und nicht nach<br />

der Sicht des mit der Aushändigung der Beute nicht einverstandenen<br />

Gewahrsamsinhabers (zur Dreieckserpres<strong>sung</strong> s.o. RN 206 a)).<br />

BGH NStZ 1999, 350: Für die Abgrenzung von Raub und räuberischer<br />

<strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> ist das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden<br />

Verhaltens des Verletzten maßgebend. Wird dieser mit Gewalt<br />

oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für<br />

Leib oder Leben gezwungen, die Wegnahme der Sache durch den Täter<br />

selbst zu dulden, so liegt Raub vor; wird er nicht nur zur Duldung,<br />

sondern zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung gezwungen,<br />

so ist eine räuberische <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> anzunehmen.<br />

υ Achtung: Insoweit steht diese Auffas<strong>sung</strong> des BGH nicht im Widerspruch<br />

zu der Beurteilung solcher Fälle, in denen es an einem Tatbestandsmerkmal<br />

des § 249 fehlt (z.B. Taxifall - s.o. - dort hatte sich der<br />

Täter eindeutig etwas genommen), denn § 255 ist nach Auffas<strong>sung</strong><br />

des BGH nur insoweit ausgeschlossen (lex generalis) als § 249 (lex<br />

specialis) vorliegt!<br />

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(2) h.L.: Stellt auf das Vorliegen oder Fehlen einer willensgesteuerten<br />

Vermögensverfügung ab - vis absoluta kein Gewaltmittel im Rahmen<br />

des § 255 (s.o.) - zur räuberischen Sacherpres<strong>sung</strong> gehört eine Willensbeugung<br />

und eine darauf beruhende Mitwirkung des Opfers in<br />

Gestalt einer willentlichen Gewahrsamsübertragung, deren Vorliegen<br />

durch das äußere Erscheinungsbild "Hingeben" indiziert wird.<br />

c) Zusammenfas<strong>sung</strong> der Einordnungsprobleme zwischen<br />

§ 249 und §§ 253, 255<br />

Zusammenfas<strong>sung</strong><br />

A. Problemstellung 1: Es fehlt bei der Prüfung des Raubs z.B. am<br />

Merkmal "fremd" oder an der Zueignungsabsicht<br />

I. h.L.: Begreift §§ 253, 255 - ebenso wie § 263 - als Selbstschädigungsdelikt<br />

- es ist eine Vermögensverfügung erforderlich!<br />

II. Rspr.: Lässt die Duldung der Wegnahme ausreichen; § 255 als lex<br />

generalis, § 249 als lex specialis<br />

Konsequenz(en): Nach Ansicht der Lehre fehlt es bei einer erzwungenen<br />

Wegnahme, bei der sich das Opfer ohne Chance sieht, an der erforderlichen<br />

Vermögensverfügung - es verbleibt lediglich eine Strafbarkeit<br />

nach § 240!<br />

Nach Auffas<strong>sung</strong> des BGH hingegen ergibt sich eine Strafbarkeit nach<br />

§§ 253, 255, wobei es hier nicht auf das äußere Erscheinungsbild ankommt<br />

(dazu s.u. B.).<br />

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B. Problemstellung 2: Abgrenzung § 249 - §§ 253, 255<br />

I. Lehre: Vgl. §§ 242/263 - Abgrenzung nach der inneren Willensrichtung:<br />

Entscheidende Frage ist die, ob das Opfer auch unter dem<br />

Eindruck der Drohung die Möglichkeit hatte, den Gewahrsamswechsel<br />

zu verhindern<br />

II. Rspr.: Äußeres Erscheinungsbild ist entscheidend ("Geben"/ "Nehmen")<br />

BGH NStZ-RR 1998, 235: Liegt Raub als Sonderfall der <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong><br />

nicht vor, weil die Sache lediglich als Pfand genommen werden sollte,<br />

kommt i.d.R. auch Strafbarkeit wegen räuberischer <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> nicht in<br />

Betracht, da es an der Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil<br />

und vom Opfer erlittenen Schaden fehlt (bitte nachlesen!).<br />

210 Weitere Problemfälle aus dem Bereich der räuberischen<br />

<strong>Erpres</strong><strong>sung</strong><br />

a) Tankstellenfall<br />

BGH NJW 1984, 501: Eine räuberische <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> begeht nicht, wer<br />

sich einen durch Betrug erlangten Vorteil in der Weise sichert, dass er<br />

aufgrund eines neu gefassten Entschlusses den Geschädigten mit Gewalt<br />

gegen eine Person an der Durchsetzung seiner Forderung hindert<br />

- Arg.: Es fehlt an einer Vermögensbeschädigung - lediglich Vorteilssicherung<br />

im Hinblick auf den vorangegangenen und bereits abgeschlossenen<br />

Betrug, das Tatbestandselement der Vermögensschädigung<br />

darf nicht doppelt in Ansatz gebracht werden. Es verbleibt bei einer<br />

Strafbarkeit nach § 240.<br />

b) BGHSt 32, 88<br />

BGHSt 32, 88: Der räuberischen <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> kann sich schuldig machen,<br />

wer ein Hotel unter Anwendung von Gewalt gegenüber dem Hotelportier<br />

mit seinem Gepäck verlässt, weil er nicht in der Lage ist, die<br />

Hotelrechnung zu bezahlen. Der Vermögensnachteil kann in einem<br />

solchen Fall in der Beeinträchtigung des gesetzlichen Pfandrechts des<br />

Gastwirts (§ 704 BGB) liegen [nicht aber in der Nötigung, das Verlassen<br />

des Hotels ohne Bezahlung zu dulden!].<br />

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211 §§ 253, 255: Rechtsprechung<br />

a) Drohung<br />

BGH NStZ-RR 1998, 135: Eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr<br />

für Leib oder Leben i.S.d. § 255 ist auch dann zu bejahen, wenn der<br />

Täter dem Opfer eine - nicht zu lang bemessene - Zahlungsfrist<br />

setzt [hier: Fristsetzung am 17.1. bis 3.2].<br />

BGH NStZ-RR 1999, 266 [Vergiftung von Lebensmitteln]: Eine Gefahr<br />

ist dann als gegenwärtig anzusehen, wenn die in Aussicht gestellte<br />

Schädigung in ungestörter Weiterentwicklung der Dinge nach<br />

menschlicher Erfahrung als sicher od. höchstwahrscheinlich zu erwarten<br />

ist, falls nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.<br />

Es genügt eine Gefahr, die als "Dauergefahr" über einen längeren<br />

Zeitraum in dem Sinne gegenwärtig ist, dass sie jederzeit - zu einem<br />

ungewissen Zeitpunkt, alsbald od. auch später - in einen<br />

Schaden umschlagen kann.<br />

BGH StV 2000, 558: Wird die Vergabe eines Auftrags von der Zahlung<br />

eines Schmiergeldes abhängig gemacht, kommt eine Verurteilung wegen<br />

<strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> dann in Betracht, wenn die Schmiergeldforderung mit<br />

der Drohung verknüpft wird, bei Nichterfüllung werde eine bestehende<br />

Geschäftsbeziehung vertragswidrig aufgekündigt. Liegt eine Drohung<br />

mit einem empfindlichen Übel in der Ankündigung, ein rechtlich nicht<br />

gebotenes Handeln zu unterlassen, kann dann eine <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> bzw.<br />

Nötigung angenommen werden, wenn der Adressat der Drohung ohne<br />

den Geschäftsabschluss in existentielle wirtschaftliche Not geriete und<br />

eben diese Notlage zur Durchsetzung des Schmiergeldverlangens<br />

ausgenutzt wird.<br />

b) Vermögensnachteil<br />

BGH NStZ-RR 1998, 233: Der Nachteil für das Vermögen i.S.d. § 253<br />

ist gleichbedeutend mit der Vermögensbeschädigung beim Betrug, so<br />

dass auch schon eine bloße Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil<br />

darstellt, wenn bereits die Gefahr des Verlusts das Vermögen<br />

mindert. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob im Einzelfall<br />

durch die Verfügung das Vermögen konkret gefährdet, also mit<br />

wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen ist [hier verneint].<br />

c) Tatbestandsvorsatz und Bereicherungsabsicht<br />

BGH NJW 1988, 2623 [Vorübergehender Besitz als erstrebte Bereicherung?]:<br />

Geht man zugunsten des T davon aus, dass er sich zum<br />

Zeitpunkt des Überfalls nicht bewusst war, dass er den erbeuteten<br />

Geldbetrag in den wenigen Minuten bis zur Rückgabe wirtschaftlich<br />

würde nutzen können, so fehlte ihm die Vorstellung, der vorübergehende<br />

Wechsel des Besitzes an dem erbeuteten Geld könnte mit einem<br />

irgendwie gearteten Vermögensvorteil für ihn selbst verbunden<br />

sein. Fehlte ihm dieses Bewusstsein, so hat er keinen Vermögensvorteil<br />

erstrebt, wie es §§ 253, 255 erfordern.<br />

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BGH NStZ 1996, 39 [zur Frage der Nutzung eines Kraftfahrzeugs als<br />

Bereicherung]: Der BGH bejaht eine Bereicherungsabsicht nach<br />

§ 253, wenn es dem Täter bei dem Besitzentzug eines Fahrzeugs um<br />

den wirtschaftlichen Vorteil geht, der in der Nutzung des Fahrzeugs<br />

als Transportmittel und Fluchtfahrzeug liegt.<br />

BGH StV 2000, 78: Zur Frage der Bereicherungsabsicht bei der Erlangung<br />

von Sicherheiten [hier: Wechsel] für eine bestehende Forderung<br />

(im Fall zwingt der Täter sein Opfer mit vorgehaltener Waffe zur Ausstellung<br />

von Wechseln für eine i.ü. rechtmäßig bestehende Forderung);<br />

Absicht zweifelhaft da hierfür dolus directus 1. Grades erforderlich (fallabhängig).<br />

BGH NStZ 2002, 481, 482: Bei der <strong>Erpres</strong><strong>sung</strong> ist die Rechtswidrigkeit<br />

des erstrebten Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal,<br />

auf das sich der – zumindest bedingte – Vorsatz des Täters<br />

erstrecken muss. Stellt sich deshalb der Täter für die erstrebte Bereicherung<br />

eine Anspruchsgrundlage vor, die in Wirklichkeit nicht besteht<br />

oder von der Rechtsordnung nicht geschützt ist, so handelt er in einem<br />

Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1.<br />

BGH NStZ 2004, 37 [Durchsetzung eines Anspruchs aus Drogengeschäften<br />

mit Gewalt]: Überlässt ein Betäubungsmittelhändler seinem<br />

Kunden, der ihn über seine Zahlungsfähigkeit und –willigkeit getäuscht<br />

hat, die verkauften Drogen ohne Kaufpreiszahlung, hat er auch keinen<br />

Anspruch auf deren Rückgabe, denn eine derartige Forderung ist wegen<br />

unzulässiger Rechtsausübung mit Treu und Glauben unvereinbar.<br />

Ihm steht daher nach Verbrauch der Drogen durch den Kunden auch<br />

kein Anspruch auf Geldersatz zu. Will er die Bezahlung der Betäubungsmittel<br />

mit Nötigungsmitteln durchsetzen, erstrebt er dem gemäß<br />

eine unrechtmäßige Bereicherung i.S.d. § 253 I. Ein Irrtum des <strong>Erpres</strong>sers<br />

über die Unrechtmäßigkeit der von ihm erstrebten Bereicherung<br />

liegt nicht schon dann vor, wenn er sich nach den Anschauungen der<br />

einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs<br />

gegen das Opfer fühlt. Maßgeblich ist vielmehr, ob er sich vorstellt,<br />

dass dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung anerkannt<br />

wird und er seine Forderung dem gemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem<br />

Zivilprozess durchsetzen könnte.“<br />

S. in diesem Zusammenhang aber auch BGH NJW 2002, 2117: Der<br />

BGH bestätigt seine Rechtsprechung, wonach im Rahmen eines Betruges<br />

(§ 263) auch derjenige an seinem Vermögen geschädigt wird,<br />

der eine Geldleistung im Rahmen eines verbotenen oder sittenwidrigen<br />

Geschäfts erbringt, ohne die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten.<br />

Im konkret entschiedenen Fall ging es um das unerlaubte Handeltreiben<br />

mit Betäubungsmitteln. Des Weiteren hält der BGH fest, dass<br />

dem Käufer von Rauschgift, der durch Betrug zu einer Geldzahlung<br />

veranlasst wird, ohne das vereinbarte Rauschgift zu erhalten, gegen<br />

den Verkäufer ein Schadenersatzanspruch nach § 823 II BGB i.V.m.<br />

§ 263 I zustehe; dieser Schadenersatzanspruch könne sodann, wenn<br />

er mit Nötigungsmitteln durchgesetzt werde, der Absicht unrechtmäßiger<br />

Bereicherung (im Rahmen von §§ 253, 263) entgegenstehen.<br />

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d) Sonstige Fragen<br />

BGH NStZ 1994, 187: Bekräftigt ein <strong>Erpres</strong>ser die Drohung, Bierflaschen<br />

der genötigten Brauerei mit Salzsäure auf den Markt zu bringen,<br />

dadurch, dass er demonstrativ eine derart präparierte Bierflasche in einem<br />

Verkaufsregal aufstellt, so ist das Tatbestandsmerkmal des Beisichführens<br />

i.S.d. § 250 I Nr. 2 (a.F.) erfüllt.<br />

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368<br />

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S. 368 bleibt für spätere Ergänzungen frei<br />

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