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2. Aufsicht<br />

84 Der Verweis in ZGB 518 I zielt auf eine Behörde (KARRER, BSK ZGB 518 N 1; anders GIGER,<br />

in: FS Heini, 132: ordentliches Gericht; zur zuständigen kantonalen Behörde s KÜNZLE, BK<br />

ZGB 517 – 518 N 514) am letzten Wohnsitz des Erblassers (ZGB 518 I iVm 595 III u SchlT 54;<br />

Rep 1973, 98). Die Aufsicht ist zwingend (KARRER, BSK ZGB 518 N 10 u 97). Daneben kann ein<br />

Willensvollstrecker unter der Aufsicht einer Berufsorganisation stehen (LGVE 1994 I, Nr 30:<br />

Anwaltskammer), allerdings nur wegen der (gleichzeitigen) Verletzung von Berufspflichten<br />

(BGE 2C_257/2010 E 3.1; 5A_61/2010 E 2.2: Aufsicht über Notare ist nicht zuständig für<br />

Honoraransprüche; BGE 2C.518/2009 E 4.2: Vertretung kollidierender Interessen).<br />

85 Die Aufsichtsbehörde kann von Amtes wegen eingreifen (BGE 5C.77/1988 E 2; 90 II 376 E 3;<br />

anders BRACHER, 146), wird üblicherweise aber aufgrund einer Beschwerde tätig.<br />

Aktivlegitimiert sind (je einzeln) die gesetzlichen und eingesetzten Erben (BGE 66 II 148,<br />

150), die provisorischen Erben (ZR 1992/93, Nr 64 E III1a), die testamentarisch<br />

ausgeschlossenen Erben während der Anfechtungsfrist (dazu ZR 1986, Nr 14 E 3a; nicht aber<br />

die virtuellen Erben, s dazu ZR 1996, Nr 34), die Vermächtnisnehmer (BGE 90 II 376 E 3),<br />

die Erbschaftsgläubiger (BVR 1996, 505 E 3b) und Erbgangsgläubiger. Passivlegitimiert ist<br />

der Willensvollstrecker (BGE 90 II 376, 383), so lange er im Amt ist (KARRER, BSK ZGB 518<br />

N 100).<br />

86 Nach KARRER (BSK ZGB 518 N 101) kann der Willensvollstrecker der Aufsichtsbehörde Fragen<br />

vorlegen (nach dem Muster des Probate Court). Dies wäre sehr zu begrüssen, ist im<br />

geltenden Recht aber nicht vorgesehen (offen gelassen in PKG 2003, Nr 35).<br />

87 Die Aufsichtsbehörde besitzt Kognitionsbefugnis für das formelle Vorgehen des<br />

Willensvollstreckers (ZR 1995, Nr 8: Verkauf einer Eigentumswohnung; ZGGVP 1983/84, 196;<br />

ZR 1977, Nr 101), während materielle Fragen vom Zivilgericht (N 92) beurteilt werden.<br />

Gegenstand der Beschwerde sind getroffene, beabsichtigte oder unterlassene Handlungen des<br />

Willensvollstreckers.<br />

88 Inhalt der Beschwerde an die Aufsichtsbehörde kann sein: (i) rechtliche<br />

(Handlungsunfähigkeit bis Konkurs) oder tatsächliche Unfähigkeit (Krankheit bis<br />

Abwesenheit) (BGE 90 II 376, 379), (ii) Untätigkeit (Verzögerung bis Inaktivität; LGVE<br />

2006 III, Nr 10 E 3), (iii) Unangemessenheit einer Massnahme (unzweckmässig bis<br />

willkürlich; BGE 97 II 20 E 4), (iv) mangelhafte Information (RVJ 2005, 242 E 1a) und (v)<br />

sonstige grobe Pflichtverletzungen (Parteilichkeit usw; BGE 90 II 379 E 3). Zur<br />

Interessenkollision s N 92.<br />

89 Die Aufsichtsbehörde kann sachdienliche Massnahmen anordnen: (i) Aufschluss über die<br />

Tätigkeit verlangen, (ii) Empfehlungen aussprechen (LGVE 1995 I, Nr 46), (iii) Weisungen<br />

(Ge- und Verbote) erteilen (LGVE 2006 III, Nr 11 E 8: Teilungsvertrag beim Grundbuch<br />

anzumelden; ZR 1992/93, Nr 64: Inventar zu erstellen) und (iv) andere sachdienliche<br />

Massnahmen (LGVE 1979 III, Nr 21 E 2) erlassen. Sie kann (v) auch vorsorgliche<br />

(sachdienliche) Massnahmen erlassen, wie eine Grundbuchsperre oder Sperre von Bankkonten<br />

(LGVE 2008, I Nr 38) und die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln entziehen (BGE<br />

5A_502/2008: Vollzug der Erbteilung nach fehlendem Entzug).<br />

90 Die Aufsichtsbehörde kann (daneben) disziplinarische Massnahmen anordnen: (i) Verweis<br />

(LGVE 1995 I, Nr 46), (ii) Ermahnung (BGE 5P.199/2003), (iii) Verwarnung, (iv)<br />

Ordnungsbusse, (v) Androhung der Bestrafung nach StGB 292 (ZR 1992/93, Nr 46 E 1.dα) oder<br />

– bei wiederholter und/oder grober Pflichtverletzung, fehlender Vertrauenswürdigkeit,<br />

Unfähigkeit und länger dauernder Verhinderung (s BGE 5A_111/2008) oder Gefährdung des<br />

Nachlassvermögens – (als ultima ratio; ZR 1992/93, Nr 46 E 5c) (vi) die Absetzung (BGE 90 II<br />

376, 383; 66 II 148, 150). Die Aufsichtsbehörde kann auch (vii) vorsorgliche<br />

(disziplinarische) Massnahmen ergreifen, wie die vorübergehende Suspendierung (BGE<br />

5A_574/2009 E 1.1; BREITSCHMID, Aufsicht, 154; anders KARRER, BSK ZGB 518 N 102).<br />

91 Verfahren: Es wird ein summarisches Verfahren angewendet (BGE 108 Ia 308 E 2a), dessen<br />

Regeln von der Praxis entwickelt wurden (zu Einzelheiten s KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 553<br />

ff). ZPO 248 ff kommen nicht zur Anwendung. Zu den Rechtsmitteln (ein oder zwei kantonale<br />

Rechtsmittel) und der Beschwerde in Zivilsachen (BGE 5A_643/2007) s KÜNZLE, BK ZGB 517–

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