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Kommentar zu Art. 517-518 ZGB<br />
von<br />
Hans Rainer Künzle<br />
in:<br />
Handkommentar zum Schweizer Privatrecht<br />
Band Erbrecht (Art. 457-640 ZGB)<br />
herausgegeben von<br />
Peter Breitschmid und<br />
Alexandra Rumo-Jungo<br />
2. Auflage<br />
Zürich 2012<br />
zitiert: CHK-Künzle, ZGB 517/518 N ....
Art. 517<br />
Fünfter Abschnitt: Die Willensvollstrecker<br />
A. Erteilung des Auftrages<br />
1 Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines<br />
Willens beauftragen.<br />
2 Dieser Auftrag ist ihnen von Amtes wegen mitzuteilen, und sie haben sich binnen 14 Tagen, von dieser Mitteilung an gerechnet,<br />
über die Annahme des Auftrages zu erklären, wobei ihr Stillschweigen als Annahme gilt.<br />
3 Sie haben Anspruch auf angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit.<br />
1<br />
Le testateur peut, par une disposition testamentaire, charger de l’exécution de ses dernières volontés une ou plusieurs perso nnes capables<br />
d’exercer les droits civils.<br />
2<br />
Les exécuteurs testamentaires sont avisés d’office du mandat qui leur a été conféré et ils ont quatorze jours pour déclarer s’ils entendent<br />
l’accepter; leur silence équivaut à une acceptation.<br />
3<br />
Ils ont droit à une indemnité équitable.<br />
1<br />
Il testatore può, mediante disposizione testamentaria, incaricare dell’esecuzione della sua ultima volontà una o più persone aventi l’esercizio<br />
dei diritti civili.<br />
2<br />
L’incarico dev’esser loro comunicato d’officio ed esse devono pronunciarsi sulla accettazione entro quattordici giorni. Il silenzio vale<br />
accettazione.<br />
3<br />
Esse hanno diritto ad un equo compenso per le loro prestazioni.<br />
1<br />
In his last will the testator can appoint one or more persons with capacity to act to execute his will.<br />
2<br />
The probate authority notifies such persons of the appointment of its own accord and they must state whether they accept it within 14 days<br />
of such notification, silence being deemed tacit acceptance.<br />
3<br />
They are entitled to adequate recompense for their activities.<br />
Art. 518<br />
B. Inhalt des Auftrages<br />
1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen<br />
Erbschaftsverwalters.<br />
2 Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden<br />
des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder<br />
nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.<br />
3 Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des<br />
Erblassers gemeinsam zu.<br />
1<br />
Si le disposant n’en a ordonné autrement, les exécuteurs testamentaires ont les droits et les devoirs de l’administrateur officiel d’une<br />
succession.<br />
2<br />
Ils sont chargés de faire respecter la volonté du défunt, notamment de gérer la succession, de payer les dettes, d’acquitter les legs et de<br />
procéder au partage conformément aux ordres du disposant ou suivant la loi.<br />
3<br />
Lorsque plusieurs exécuteurs testamentaires ont été désignés, ils sont réputés avoir reçu un mandat collectif.<br />
1<br />
Salvo contraria disposizione del testatore, gli esecutori testamentari hanno gli stessi diritti e doveri dell’amministratore ufficiale di una<br />
successione.<br />
2<br />
Essi devono far rispettare la volontà del defunto e sono particolarmente incaricati di amministrare la successione, di pagarne i debiti, di<br />
soddisfare i legati e di procedere alla divisione conformemente alle disposizioni del testatore o a tenor di legge.<br />
3<br />
Se sono nominati più esecutori testamentari, essi esercitano il loro ufficio in comune, salvo contraria disposizione del testatore.<br />
1<br />
Unless otherwise provided by the testator, the executors have the same rights and duties as an official estate administrator.<br />
2<br />
The executors’ function is to represent the testator’s wishes and, in particular, to administer the estate, settle debts left by the testator,<br />
distribute legacies and divide the estate in accordance with the testator’s instructions or as required by law.<br />
3<br />
Where more than one executor has been appointed, these powers are exercised jointly unless the testator has provided otherwise.<br />
Literaturverzeichnis<br />
ABRECHT BERNARD, Problèmes liés à la désignation d‘un exécuteur testamentaire de substitution, successio<br />
2008, 182 ff; BIBER RENÉ, Der Umgang des Willensvollstreckers mit Grundstücken im Nachlass, in:<br />
Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme, Zürich 2004, 51 ff (= ZBGR 2005, 1 ff); BOSON ISABELLE,<br />
Les mesures de sûreté en droit successoral, RVJ 2010, 102 ff; BRACHER HANSJÜRG, Der Willensvollstrecker,<br />
insbesondere im zürcherischen Zivilprozessrecht, Zürich 1966; BREITSCHMID PETER, Einsatz des<br />
Willensvollstreckers bei persönlichkeitsrechtlichen Belangen, in: Willensvollstreckung – Aktuelle
Rechtsprobleme (2), Zürich 2006, 37 ff (BREITSCHMID, Einsatz); BREITSCHMID PETER, Behördliche Aufsicht<br />
über den Willensvollstrecker, in: Willensvollstreckung, Bern 2001, 149 ff (BREITSCHMID, Aufsicht);<br />
BREITSCHMID PETER, Die Stellung des Willensvollstreckers in der Erbteilung, in: Praktische Probleme der<br />
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eines Willensvollstreckers, TREX 2008, 41 ff; DRUEY JEAN NICOLAS, Die Aufgaben des Willensvollstreckers,<br />
in: Willensvollstreckung, Bern 2001, 1 ff; EITEL PAUL, Prozessführung durch den Willensvollstrecker,<br />
in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme (2), Zürich 2006, 125 ff; FLÜCKIGER ANDREAS, Das<br />
Honorar des Willensvollstreckers, in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme (2), Zürich<br />
2006, 201 ff; FUHRER STEPHAN, Die Haftung des Willensvollstreckers und ihre Versicherung, in:<br />
Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme, Zürich 2004, 107 ff; GIGER HANS, Der<br />
Willensvollstrecker im Spannungsfeld von Erblasser und Erbe, in: FS Heini, Zürich 1995, 123 ff; JUCHLER<br />
RENÉ, Anfang und Ende der Willensvollstreckung, Zürich 1998; KÜNZLE HANS RAINER, Die Anlagestrategie des<br />
Willensvollstreckers, successio 2009, 51 ff; KÜNZLE HANS RAINER, Internationale Nachlässe: Tätigkeit<br />
ausländischer Vollstrecker in der Schweiz, in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme (2),<br />
Zürich 2006, 291 ff (KÜNZLE, Nachlässe); KÜNZLE HANS RAINER, Erbengemeinschaft und Willensvollstrecker,<br />
in: Individuum und Verband, Zürich 2006, 159 ff (KÜNZLE, Erbengemeinschaft); KÜNZLE HANS RAINER,<br />
Anlageberatung, Vermögensverwaltung und Willensvollstreckung, in: FS Rey, Zürich 2003, 451 ff; KÜNZLE<br />
HANS RAINER/LYK CHRISTIAN, Die Stellung des Willensvollstreckers im Steuerverfahren, StR 2010, 123 ff und<br />
182 ff; PFÄFFLI ROLAND, Erbrechtliche Auswirkungen auf das Immobiliarsachenrecht, successio 2009, 32 ff;<br />
SCHULER-BUCHE CAROLINE, L'exécuteur testamentaire, l'administrateur officiel et le liquidateur officiel,<br />
Zürich/Basel/Genf 2003; SIEHR KURT, Internationale Nachlässe: Tätigkeit des Willensvollstreckers im<br />
Ausland, in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme (2), Zürich 2006, 269 ff; STEIN-WIGGER<br />
MATTHIAS, Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit erblasserischer Teilungsvorschriften, AJP 2001, 1135 ff;<br />
SUTTER-SOMM THOMAS/CHEVALIER MARCO, Die prozessualen Befugnisse des Willensvollstreckers, successio 2007,<br />
24 ff; WEBER ROGER, Gerichtliche Vorkehren bei der Nachlassabwicklung, AJP 1997, 554 ff; WEIMAR PETER,<br />
Die Erbschaftsteilung als Erfüllungs- und Verfügungsgeschäft, in: FS Engel, Lausanne 1989, 443 ff;<br />
WETZEL CLAUDE, Interessenkonflikte des Willensvollstreckers, Zürich 1985; WOLF STEPHAN, Die Teilung der<br />
Erbschaft durch den Willensvollstrecker, in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme (2),<br />
Zürich 2006, 107 ff; ZWEIFEL MARTIN, Steuerrechtliche Fragen, in: Willensvollstreckung – Aktuelle<br />
Rechtsprobleme (2), Zürich 2006, 177 ff.<br />
I. Begriff und Rechtsstellung<br />
1 Zweck: Der Willensvollstrecker ist die Vertrauensperson des Erblassers, welche den<br />
Nachlass verwaltet (N 21 ff) und den letzten Wille des Erblassers umsetzt, indem er<br />
Vermächtnisse ausrichtet (N 49), unter den Erben vermittelt (N 56 ff) und den<br />
Erbteilungsvertrag vollzieht (N 60 ff; ZGB 518 II). Er kann nicht ermächtigt werden (N 39),<br />
den letzten Willen des Erblassers zu ergänzen oder zu konkretisieren, etwa die<br />
Begünstigten auszuwählen und/oder die Höhe der auszurichtenden Beträge zu bestimmen<br />
(BGE 5C.163/2003; 89 II 278, 282; 81 II 22, 32; 68 II 155, 166; ZGRG 2010, 101 E 2c/bb).<br />
2 Rechtsnatur: Der Willensvollstrecker untersteht dem Bundeszivilrecht (ZGB 517 – 518),<br />
Zuständigkeiten (Einsetzung) und Verfahren (Aufsicht) sind aber kantonal geregelt (N 9, 16<br />
und 84). Er ist ein Institut eigener Art (privatrechtliches Amt). Im Verhältnis zu den<br />
Erben steht das Auftragsverhältnis (OR 394 ff) im Vordergrund, im Verhältnis zu Dritten<br />
die Regeln über die gesetzliche Vertretung (ZGB 554 f und 595 ff) und im Verhältnis zu den<br />
Vermächtnisnehmern die Regeln der Treuhand (KÜNZLE, BK ZGB N 63 Vorbem 517 – 518).<br />
3 Abgrenzung: Der Willensvollstrecker ist abzugrenzen vom Erbschaftsverwalter (ZGB 554),<br />
welcher bei besonderen Konstellationen unter den Erben zum Einsatz kommt, vom<br />
Erbschaftsliquidator (ZGB 595), welcher bei einer Überschuldung des Nachlasses zum Zug<br />
kommt, und vom Erbenvertreter (ZGB 602 III), welcher bei Konflikten unter den Erben<br />
eingesetzt wird. Bei der Durchsetzung eines Patiententestaments (dazu BREITSCHMID, Einsatz,<br />
55) ist häufig die gleiche Person im Einsatz, allerdings (noch) nicht als<br />
Willensvollstrecker.<br />
4 Wann ist es besonders ratsam, einen Willensvollstrecker einzusetzen? (i) Wenn Erben<br />
geschäftsunerfahren sind, (ii) wenn sie keinen näheren Kontakt zum Erblasser pflegen<br />
und/oder keine nähere Kenntnis vom Nachlass haben, (iii) wenn komplizierte tatsächliche<br />
oder rechtliche Verhältnisse vorliegen: (a) wenn zu erwarten ist, dass sich die Erben ohne<br />
Unterstützung nicht einigen werden, (b) wenn sich Nachlassvermögen im Ausland befindet,<br />
(c) wenn grössere Nachlassvermögen zu teilen sind.
II. Inbesitznahme der Erbschaft<br />
1. Ernennbare Personen<br />
5 Der Erblasser kann eine oder mehrere bestimmte oder bestimmbare natürliche oder<br />
juristische Personen oder Personengesellschaften als Willensvollstrecker ernennen, welche<br />
handlungsfähig sein müssen und sich nicht in einer Interessenkollision (N 92) befinden<br />
dürfen (zu Einzelheiten s KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 7 ff). Weitere Anforderungen werden<br />
vom Gesetz (ZGB 517 I) nicht genannt, sind in der Praxis aber erforderlich (BGE<br />
5A_111/2008: Fehlen notwendiger Fähigkeiten; AB-SH 1997, 143: «fachlich wie sachlich<br />
gehörige Mandatsführung»).<br />
2. Ernennung des Willensvollstreckers<br />
6 Der Erblasser kann den Willensvollstrecker nur in einer letztwilligen Verfügung (nicht<br />
in einem Erbvertrag; ZBJV 1944, 39) ernennen. Beispiel: «Mit der Willensvollstreckung<br />
beauftrage ich X.»<br />
7 Nur der Erblasser kann (aus beliebigen Gründen; ABRECHT, successio 2008, 184) einen Ersatz<br />
des Willensvollstreckers bestimmen (Extraits 1962, 25; anders GIGER, in: FS Heini, 140) und<br />
zwar auf gleiche Weise wie bei dessen Ernennung (N 6). Beispiel: «Wenn der<br />
Willensvollstrecker das Mandat nicht annimmt oder niederlegt, (…)». Zu den<br />
«Büronachfolgeklauseln» s BGE AJP 1996, 85; AGVE 2001, 30.<br />
8 Ernennt der Erblasser mehrere Willensvollstrecker (BGE 110 II 183, 184), kann er ihre<br />
Aufgaben und Kompetenzen selbst festlegen (BGE 89 II 438; 78 II 123, 128). Unterbleibt<br />
dies, handeln die Willensvollstrecker gemeinsam (ZGB 518 III; einstimmige Beschlüsse,<br />
Aufteilung der Ausführung) und haften solidarisch (N 70). Eine (interne) Geschäftsordnung<br />
teilt die Verantwortung nicht (KARRER, BSK ZGB 518 N 92). Das Honorar für mehrere<br />
Willensvollstrecker ist entweder ein Gesamthonorar, welches aufgeteilt wird, oder es setzt<br />
sich ansonsten aus mehreren Honoraren zusammen, wobei die Gesamtsumme den sonst üblichen<br />
Rahmen (N 67) nur unwesentlich überschreiten darf. Scheidet ein Willensvollstrecker aus,<br />
setzen die übrigen ihre Tätigkeit (alleine) fort.<br />
3. Anfang der Willensvollstreckung<br />
a. Einreichung des Testaments an die zuständige Behörde<br />
9 Nach dem Tod des Erblassers ist die letztwillige Verfügung der zuständigen kantonalen<br />
Behörde (s dazu KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 24) am letzten Wohnsitz des Erblassers (ZGB 538)<br />
zur Eröffnung einzureichen (ZGB 556).<br />
10 Die zuständige kantonale Behörde (s dazu KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 25) teilt dem<br />
Ernannten von Amtes wegen seine Ernennung mit und setzt ihm eine Frist von 14 Tagen,<br />
innert welcher er das Amt annehmen oder ablehnen kann (ZGB 517 II). Die Mitteilung erfolgt<br />
umgehend (vor der Eröffnung; ZR 1974, Nr 3) und formfrei (schriftlich oder mündlich). Ihr<br />
Inhalt richtet sich nach kantonalem Recht (KARRER, BSK ZGB 517 N 12). Eine bedingte<br />
Ernennung wird erst nach Eintritt der Bedingung mitgeteilt (ZR 1967, Nr 100 E 2). Die<br />
Frist läuft ab dem Eintreffen der Fristansetzung beim Ernannten, ihr Ende wird nach OR<br />
76 ff berechnet (ESCHER, ZK ZGB 517 N 8).<br />
11 Der Willensvollstrecker kann vor seinem Entscheid Einsicht in die letztwilligen<br />
Verfügungen nehmen (ZBGR 1950, 173). Die uneingeschränkte Einsicht (LGVE 2006 III, 421)<br />
wird etwa dann durchbrochen, wenn er nur einen beschränkten Auftrag hat. Ihm sind auch<br />
nachträglich eröffnete Verfügungen zuzustellen (ZR 1955, Nr 172 E 4).<br />
b. Annahme durch den Willensvollstrecker<br />
12 Der Willensvollstrecker nimmt sein Amt durch eine formfreie (mündliche oder<br />
schriftliche) Erklärung gegenüber der zuständigen kantonalen Behörde (N 9) an (nach KARRER,<br />
BSK ZGB 517 N 17, bestimmt das kantonale Recht die Form; dafür ist aber kein Raum, weil<br />
ZGB 517 II ausdrücklich Stillschweigen [OR 6] zulässt). Tätigwerden als<br />
Willensvollstrecker in Kenntnis der Ernennung ist als konkludente Annahme auszulegen. Die<br />
Annahme kann schon mit der Einreichung des Testaments an die Eröffnungsbehörde erklärt<br />
werden (WEBER, AJP 1997, 554).
13 Die Annahme ist unteilbar und bedingungsfeindlich. Es besteht keine Pflicht zur<br />
Übernahme des Amtes (SCHULER-BUCHE, 17). Die Nichtannahme muss nicht begründet werden.<br />
14 Die Annahme wirkt ab Eintreffen der Erklärung bei der zuständigen Behörde (N 9). Die<br />
Wirkung wird durch eine Ungültigkeitsklage zwar nicht gehindert (BGE 74 I 423, 425), der<br />
Willensvollstrecker hat aber in diesem Fall nur die notwendigsten Verwaltungshandlungen<br />
vorzunehmen (BGE 91 II 177, 181; ZR 1977, Nr 66 E2). Der Willensvollstrecker wird in<br />
seinem Amt sistiert für die Dauer einer Erbschaftsverwaltung (ZGB 554), eines öffentlichen<br />
Inventars (ZGB 580 ff) und einer amtlichen Liquidation (ZGB 596 f) sowie wenn alle Erben<br />
ausgeschlagen haben (ZGB 573; PKG 1989, Nr 61 E 3b). Wenn dringende Sicherungsmassnahmen<br />
notwendig sind (N 27), hat der Willensvollstrecker möglicherweise schon vor dem<br />
eigentlichen Amtsantritt zu handeln.<br />
15 Der Willensvollstrecker hat sein Amt persönlich zu führen (OR 398 III; BGE AJP 1996, 84<br />
f; anders BRACHER, 35), soweit nicht ohnehin eine juristische Person bestimmt wurde. Er<br />
darf bzw muss Fachleute beiziehen (Anwalt, Steuerberater, Vermögensverwalter,<br />
Liegenschaftsverwalter, Kunstsachverständiger, Auktionator, Schätzer), welche er frei<br />
wählen kann (KGer GR, Entscheid ZF 08 2 vom 4.3.2008), und Hilfspersonen einsetzen<br />
(Buchhalter, Sekretärin; OGer ZH, AJP 1996, 89). Unzulässig ist allerdings eine völlige<br />
Substitution (AGVE 1971, 39; anders GIGER, in: FS Heini, 135 ff), zumal es weder eine<br />
Abtretung des Amtes noch die Ernennung eines Ersatzes durch den Willensvollstrecker (N 7)<br />
gibt.<br />
c. Willensvollstrecker-Ausweis<br />
16 Die zuständige kantonale Behörde (KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 35) stellt dem<br />
Willensvollstrecker auf sein Begehren einen Willensvollstrecker-Ausweis (eine<br />
Bescheinigung) aus (BGE 91 II 177, 181), dessen Inhalt vom kantonalen Recht bestimmt wird<br />
(WETZEL, 122). Bei mehreren Willensvollstreckern kann dies zu Unklarheiten führen<br />
(AGVE 2002, 33). Der Ausweis wird üblicherweise auch ausgestellt, wenn seine Einsetzung<br />
umstritten ist (Rep 1999, 166; KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 35 ff). Der Willensvollstrecker<br />
kann auch eine Erbbescheinigung benützen, in welcher er erwähnt ist (Rep 1940, 465). Zu<br />
den Ausweisen ausländischer Vollstrecker s N 100.<br />
17 In dringenden Fällen kann sich der Willensvollstrecker mit dem (Original-)Testament<br />
oder einem beglaubigten Testamentsauszug (allenfalls zusammen mit dem Todesschein)<br />
ausweisen (BRACHER, 36 f).<br />
4. Eigentum<br />
18 Das Eigentum geht mit dem Ableben des Erblassers von Gesetzes wegen auf die Erben über<br />
(ZGB 560). Diese bilden eine Gesamthandsgemeinschaft (ZGB 602). Der Willensvollstrecker<br />
erwirbt kein Eigentum (BGE 84 II 324, 327), auch kein fiduziarisches (BGE 90 II 376, 381).<br />
5. Besitz<br />
19 Die Erben erwerben mit dem Eigentumserwerb (N 18) auch Besitz am Nachlass (ZGB 560 II).<br />
Um seine Aufgabe erfüllen zu können, hat der Willensvollstrecker Anspruch auf<br />
unselbständigen Besitz (ZGB 920 II) am Nachlass (SJZ 1947, 111), welchen er notfalls<br />
klageweise (BGE 86 II 355, 359) beim ordentlichen Gericht (BGE 77 II 122, 125; N 92)<br />
gestützt auf ZGB 518 II (Verwaltung der Erbschaft) geltend macht. Er wird den Besitz<br />
allerdings nur soweit notwendig und sinnvoll ausüben. Daneben kann er ein Retentionsrecht<br />
geltend machen (BGE 86 II 355, 360).<br />
6. Grundbuch<br />
20 Bei Grundstücken können die Erben oder der Willensvollstrecker (unter Vorweisung des<br />
Erbscheins) die Erbengemeinschaft ins Grundbuch eintragen lassen (PFÄFFLI, successio 2009,<br />
37). Seit der Teilrevision des Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts vom 9.12.2009 (in Kraft<br />
seit 1.1.2012) kann sich nach ZGB 962 der Willensvollstrecker im Grundbuch anmerken lassen<br />
(«2. […] und der Willensvollstrecker auf ihr Begehren und auf Begehren eines Erben oder der<br />
zuständigen Behörde»), was unberechtigte Verfügungen verhindern kann. Zur provisorischen<br />
Erbbescheinigung s BezGer Meilen, ZBGR 1986, 207 = SJZ 1984, 304. Der Willensvollstrecker<br />
kann auch den Vollzug von Vermächtnissen im Grundbuch anmelden (PFÄFFLI, successio 2009,
44).<br />
III. Verwaltung der Erbschaft<br />
1. Grundlagen für die Tätigkeit<br />
21 Grundlagen für die Tätigkeit des Willensvollstreckers sind das Gesetz (insbes ZGB 517<br />
f: Generalexekution), die letztwillige Verfügung (Spezialexekution; BGE 4A_55/2010<br />
Sachverhalt B; SJZ 1939/40, 126) und die (einstimmigen; BGE 5P.440/2002 E 2.3)<br />
Beschlüsse der Erben (soweit nicht Rechte Dritter tangiert werden). Der<br />
Willensvollstrecker geniesst einen grossen Ermessensspielraum (CHRIST, PKE ZGB 518 N 49)<br />
und sollte soweit möglich und sinnvoll die Erben einbeziehen (ZR 1995, Nr 51 E 4.3). Auf<br />
die Willensvollstreckung ist ergänzend und analog Auftragsrecht anwendbar (BGE AJP 1996,<br />
82; BGE 101 II 47 E 2; 90 II 380 E 2).<br />
22 Der Willensvollstrecker muss mit seiner Vermögensverwaltung den Nachlass (sowohl<br />
Aktiven als auch Passiven) soweit möglich in natura erhalten (BGE 108 II 535 E 3; 94 II<br />
231; ZR 1917, Nr 88: Willensvollstrecker darf Aktivum, das ein Erbe übernehmen möchte,<br />
nicht verkaufen). Zu weit geht es, wenn der Willensvollstrecker kurz nach dem Tod alle<br />
Wertschriften verkauft (anders BJM 1963, 203). Gleichzeitig sollte er den Nachlass<br />
möglichst in einen teilungsfähigen Zustand bringen, sodass Lose (ZGB 611, 634) gebildet<br />
werden können (BGE 97 II 11 E 3).<br />
23 Der Willensvollstrecker muss von Anfang an bestrebt sein, so rasch als möglich die<br />
Teilung herbeizuführen. Dies gebietet Zurückhaltung beim Abschluss von<br />
Verpflichtungsgeschäften (KARRER, BSK ZGB 518 N 16, 27 und 34; zu eng AGVE 1968, 286:<br />
Aufnahme einer Hypothek nur mit ausdrücklicher Ermächtigung des Erblassers).<br />
2. Inventaraufnahme<br />
24 Der Willensvollstrecker beginnt seine Tätigkeit mit der Inventaraufnahme (ZR 1967, Nr<br />
103 E 8; BREITSCHMID, Stellung, 115: 15 Bundesordner voller Belege sind kein Status). Diese<br />
Pflicht ist zwingend (ZR 1992/93, Nr 64 E IV5b; anders WETZEL, 134). Das Inventar dient der<br />
Bestandesaufnahme und ist laufend nachzuführen; Bewertungen sind nicht in jedem Fall<br />
notwendig.<br />
25 Grundlage für das Inventar sind die Steuererklärung des Erblassers und (später) das<br />
Steuerinventar (DBG 154 ff; N 43). Der Willensvollstrecker schreibt alle bekannten Banken<br />
und Gläubiger an (privater Rechnungsruf ohne Ausschlusswirkung; KARRER, BSK ZGB 518 N 16).<br />
26 Die Einrichtung einer Nachlassbuchhaltung, welche nach kaufmännischer Art zu führen und<br />
nachvollziehbar sein muss (BGE 4A_547/2009; KassGer ZH, Entscheid AA080146 vom 24.9.2010),<br />
ist bei grösseren Nachlässen notwendig (ZR 1992/93, Nr 64 E IV5c), bei kleineren<br />
Nachlässen genügt dagegen eine Ablage von Bankauszügen.<br />
3. Beginn der Abwicklung<br />
27 Zu Beginn der Tätigkeit kann es notwendig sein, dass der Willensvollstrecker<br />
Sicherungsvorkehren veranlasst (Siegelung [ZGB 552; BGE 60 II 24], Inventar [ZGB 553],<br />
Erbschaftsverwaltung [ZGB 554]) oder Sofortmassnahmen erlässt (Widerruf von Vollmachten<br />
[dazu ZR 1992/93, Nr 46 E 4c/bb], Umgang mit verderblicher Ware oder risikoreichen<br />
Wertpapieren, Sicherstellung gefährdeter Ansprüche, Erhebung von Mängelrügen,<br />
Unterbrechung der Verjährung usw). Dazu ist der Willensvollstrecker nur berechtigt, soweit<br />
er betroffen ist (BGE 5A_309/2009); keine Berechtigung besitzt der Willensvollstrecker zur<br />
Einlegung von Rechtsmitteln gegen Sicherungsmassnahmen (BOSON, RVJ 2010, 107), zur<br />
Beantragung der Erbenermittlung und zur Anfechtung der Erbbescheinigung (ZGRG 2010, 100 E<br />
2c/cc und aa) sowie zur Beantragung eines öffentlichen Inventars (ZGB 580 ff; AB-OW 1998 –<br />
1999, Nr 8). Der Antrag des Willensvollstreckers (und gleichzeitigen Erben) zur<br />
Ausstellung der Erbbescheinigung führt nicht zur Verwirkung der Ausschlagung (BGE 133 III<br />
1 E 3.3.2, Bem VÖLK, successio 2007, 131).<br />
28 Zu Beginn (vor Ausrichtung der Vermächtnisse; BGE 61 I 382, 383; N 49) hat der<br />
Willensvollstrecker dafür zu sorgen, dass die (fälligen) Schulden des Nachlasses bezahlt<br />
werden, insbesondere die Krankheits- und Todesfallkosten, aber auch Unterhaltsbeiträge und
die Erbschaftssteuern (BGE 101 II 47, 56; N 42). Nicht fällige und bestrittene Schulden<br />
sind nicht zu bezahlen, und es ist zu prüfen, ob nicht ein Erbe die Schulden im Rahmen der<br />
Erbteilung übernehmen kann (BREITSCHMID, Stellung, 129).<br />
29 Der Willensvollstrecker zieht fällige Guthaben ein (Ansprüche gegen den Arbeitgeber,<br />
Privat- und Sozialversicherungen, fällige Obligationen usw; BGE 105 II 104: Rückforderung<br />
einer Anweisung von CHF 100 000, welche kurz vor dem Tod ohne gültiges<br />
Schenkungsversprechen erfolgte; EGV-SZ 1971, 73 E 3).<br />
30 Zur laufenden Verwaltung gehört die Abwicklung von pendenten Geschäften (KARRER, BSK ZGB<br />
518 N 3 und 35a) und von Dauerverträgen (s auch N 32 ff): Auflösung des Haushalts, Kündigung<br />
des Mietvertrags, Entlassung des Hauspersonals, Einzug von Zinsen, Dividenden, Mieten,<br />
Lizenzen usw, aber auch die Fortführung von Zivilprozessen und Verwaltungsverfahren<br />
(N 80).<br />
31 Der Willensvollstrecker kann (und muss; ZR 1992/93, Nr 46 E 4d/aa) den Erben Vorschüsse<br />
gewähren (BJM 1963, 203) und hat dabei zu beachten, dass die Erben gleich behandelt werden<br />
(KARRER, BSK ZGB 518 N 46) und die Erbteilung in keiner Weise präjudiziert wird (PKG 2003,<br />
Nr. 35 E 3b). Er wird dazu entsprechende Vereinbarungen mit dem einzelnen Erben<br />
abschliessen. Als Alternative kann der Willensvollstrecker den Erben ein verzinsliches<br />
Darlehen gewähren (PKG 2003, Nr 35 E 3b).<br />
4. Betreuung des Nachlasses<br />
32 Der Willensvollstrecker muss für die Erhaltung des Nachlasses sorgen. Wenn in grösserem<br />
Umfang Wertschriften vorhanden sind, muss er sich beraten lassen und den Erben eine<br />
Anlagestrategie vorschlagen (wenn diese sich darüber nicht einigen, auch selbst festlegen;<br />
BGE 5P.440/2002 E 2.3), einen Vermögensverwaltungsvertrag abschliessen bzw fortführen und<br />
den Vermögensverwalter überwachen (KÜNZLE, in: FS Rey, 469 ff). Das Vermögen muss nicht in<br />
mündelsichere Papiere umgeschichtet werden (ZR 1992/93, Nr 64 E 6), sondern die<br />
Anlagestrategie des Erblassers darf fortgesetzt werden (BGE 5P.440/2002 E 2.3), sofern<br />
davon ausgegangen werden kann, dass die Abwicklung des Nachlasses innert spätestens ein<br />
bis drei Jahren abgeschlossen sein wird (KÜNZLE, successio 2009, 62), andernfalls hat sich<br />
der Willensvollstrecker an BVV2 49 ff zu orientieren (KÜNZLE, successio 2009, 63).<br />
33 Wenn sich im Nachlass Liegenschaften befinden, muss der Willensvollstrecker dafür<br />
sorgen, dass diese instand gehalten und entsprechend ihrer Beschaffenheit verwendet<br />
(vermietet oder durch die Erben benützt) werden können. Dazu gehören Unterhaltsarbeiten<br />
(EGV-SZ 1979, 76), die Kündigung bestehender (Rep 1973, 96) und der Abschluss neuer Mietund<br />
Pachtverträge (BGE 125 III 219: Erbenvertreter), das Inkasso der Mietzinse, die<br />
Ausweisung (RB TG 1998, Nr 3 E 2a) sowie die Beteiligung an öffentlich-rechtlichen<br />
Verfahren, wie Baubewilligungsverfahren oder Zonenplanungen (BGE 102 Ia 430, 432; SGK BZ<br />
2009, 2; AGVE 1994, 173). Neu-, Um- und Anbauten erfordern in der Regel die Zustimmung der<br />
Erben (Ausnahme: Dringlichkeit; LGVE 1979 III, Nr 21 E 6). Bei grösseren Beständen ist eine<br />
professionelle Betreuung notwendig (KARRER, BSK ZGB 518 N 30).<br />
34 Ein Unternehmen im Nachlass wird vom Willensvollstrecker in dem Sinne fortgeführt, als<br />
er die Eigentümerrechte (etwa Aktienstimmrecht) ausübt (BGE C 171/1967 E 4; Rep 1976, 229;<br />
ZR 1995, Nr 51) und die exekutiven Organe bestimmt und überwacht. Der Erblasser kann den<br />
Willensvollstrecker anweisen, wie er zu stimmen hat und insbesondere wem die<br />
Unternehmensleitung zu übertragen ist (KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 186). Die gleichzeitige<br />
Tätigkeit als Verwaltungsrat kann zu Interessenkollisionen führen (ZR 1990, Nr 104; N 92).<br />
Die Anzeige der Überschuldung (OR 725) gehört nicht zu den Aufgaben des<br />
Willensvollstreckers (ZR 1995, Nr 51 E 4.3).<br />
5. Vertretung und Verfügung<br />
35 Die (externe) Vertretungs- und Verfügungsmacht umfasst alle Handlungen bzw Verfügungen,<br />
welche die Aufgabe des Willensvollstreckers mit sich bringen kann (PIOTET, SPR IV/1, 161;<br />
zu Einzelheiten s KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 202 u 210); sie ist gutgläubigen Dritten<br />
gegenüber fast unbeschränkt (Rep 1983, 54 E 1). Zum Verkauf von Liegenschaften s BGE 101<br />
II 47, 54; 97 II 11, 17; 74 I 423, 424; 61 I 382. Die Erben können in jedem Fall eine<br />
Versteigerung verlangen (ZGB 612 III). Der Willensvollstrecker bestimmt im Streitfall die
Art der Versteigerung (BGE 97 II 11, 20). Einen Freihandverkauf wird der<br />
Willensvollstrecker nur dann durchführen, wenn er einen Preis erzielen kann, der über dem<br />
Schätzwert liegt (BGE 108 II 535, 539). Nicht gedeckt sind unentgeltliche Verfügungen (ZR<br />
1988, Nr 129 E 3; mit Ausnahme der üblichen Trinkgelder, Gratifikationen und sonstigen<br />
kleinen Zuwendungen an das Personal), bloss moralische/sittliche Pflichten (BGE 48 II 308,<br />
312; anders DRUEY, § 14 N 35), Geschäfte durch Selbstkontrahieren oder Doppelvertretung (ZR<br />
1992/93, Nr 64 E 4b/b) und unerlaubte Handlungen.<br />
36 Die (interne) Vertretungs- und Verfügungsbefugnis ist beschränkt durch (i) das Gesetz,<br />
insbes die Teilungsregeln von ZGB 610 I (Naturalteilung) u ZGB 613 (Familienschriften,<br />
Erinnerungsstücke), (ii) das Prinzip der schonenden Rechtsausübung (BGE 108 II 535) und<br />
(iii) die konkreten Umstände des Einzelfalles. Sie kann durch Testament (weiter)<br />
beschränkt (Spezialexekution), aber auch erweitert werden. Der Willensvollstrecker muss<br />
keine Weisungen der Erben befolgen, wird sich einstimmigen Anliegen der Erben aber kaum<br />
entziehen können (gegen den Willen der Erben kann er etwa Schulden bezahlen [N 28] oder<br />
Vermächtnisse ausrichten [N 49]).<br />
37 Die Fähigkeiten (nicht Rechte; so aber KARRER, BSK ZGB 518 N 6) des Willensvollstreckers<br />
(N 35) sind in dem Sinne exklusiv, als die Erben von denjenigen Geschäften ausgeschlossen<br />
sind, welche dem Willensvollstrecker zustehen (BGE 118 Ia 44 E 5; 97 II 11, 15). Häufig<br />
überlässt der Willensvollstrecker den Erben aber gewisse Bereiche freiwillig (zB<br />
Mobilien). Nicht tangiert von der Exklusivität sind sodann folgende Rechte der Erben: (i)<br />
Beantragung von Sicherungsmassregeln (ZGB 551 ff; ZR 1958, Nr 112); (ii)<br />
Annahme/Ausschlagung der Erbschaft (ZR 1984, Nr 15 E 1b); (iii) Erhebung von<br />
Ungültigkeits- und Herabsetzungsklagen; (iv) freie Verfügung über den Erbteil (dazu BGE 97<br />
I 221).<br />
38 Wenn der Willensvollstrecker über den Nachlass verfügt, tut er dies im eigenen Namen<br />
(mit Wirkung für den Nachlass), wenn er Verträge abschliesst (Vertretung), tut er dies in<br />
fremdem Namen («als Willensvollstrecker im Nachlass X»).<br />
39 Der Erblasser kann dem Willensvollstrecker folgende Befugnisse nicht übertragen (N 1):<br />
(i) authentische Interpretation des Testaments (KARRER, BSK ZGB 518 N 19; anders WETZEL, 134,<br />
betr verfügbare Quote), (ii) Teilung nach eigenem Ermessen (BGE 81 II 22, 28: Bestimmung<br />
eines Vermächtnisnehmers).<br />
40 Bei Unklarheiten sollte der Willensvollstrecker – wenn möglich und sinnvoll –<br />
Rücksprache mit den Erben aufnehmen (s auch N 49).<br />
6. Steuern<br />
41 Der Willensvollstrecker wirkt in allen Kantonen bei der Aufnahme des Steuerinventars<br />
mit (ZWEIFEL, 188; zu Einzelheiten s KÜNZLE/LYK, StR 2010, 130 f). Nachträglich entdecktes<br />
Vermögen muss er innert zehn Tagen nachmelden (DBG 157 III). Die Verletzung der<br />
Deklarationspflicht ist strafbar (DBG 178; LGVE 2002 II, Nr 20). Das Berufsgeheimnis<br />
hindert den Willensvollstrecker nicht an einer Bekanntgabe (KARRER, BSK ZGB 518 N 33a).<br />
42 Bei der Einkommens- und Vermögenssteuer hat der Willensvollstrecker die noch offenen<br />
Einschätzungen des Erblassers zu erledigen (ZWEIFEL, 184). Soweit möglich hat er auch<br />
Rechtsmittel zu ergreifen und er haftet für die Bezahlung der Steuern in den meisten<br />
Kantonen (zu Einzelheiten s KÜNZLE/LYK, StR 2010, 127 f).<br />
43 Für Nachsteuern gelten entsprechende Regeln wie bei der Einkommens- und Vermögenssteuer<br />
(BGE 2C_629/2008 E 1.3; zu Einzelheiten s KÜNZLE/LYK, StR 2010, 183 f). Seit dem 1.1.2010<br />
gelten neue Regeln für eine vereinfachte Nachbesteuerung in Erbfällen (BG vom 20.3.2008<br />
über die Vereinfachung der Nachbesteuerung in Erbfällen und die Einführung der straflosen<br />
Selbstanzeige, SR 642.11). Der Willensvollstrecker kann neu selbst ein vereinfachtes<br />
Nachsteuerverfahren verlangen (DBG 153a IV u StHG 53 IV) und ist im Umgang mit Schwarzgeld<br />
somit nicht mehr von den Erben abhängig.<br />
44 Bei der Erbschaftssteuer ist der Willensvollstrecker in den meisten Kantonen am<br />
Verfahren beteiligt, weil es für die Steuerbehörden einfacher ist, und er haftet in den<br />
meisten Kantonen, weil er es in der Hand hat, die Zahlung der Erbschaftssteuer vor der<br />
Erbteilung selbst vorzunehmen (zu Einzelheiten s KÜNZLE/LYK, StR 2010, 187).
7. Auskunft<br />
45 Der Willensvollstrecker hat jedem Erben innert nützlicher Frist Auskunft über den Stand<br />
des Nachlasses und seine Tätigkeit zu geben und ihnen entsprechende Akteneinsicht bzw -<br />
edition zu gewähren (BGE 90 II 365, 372; 82 II 555, 567; ZR 1992/93 Nr 46 E 4a; BJM 1990,<br />
86). Die Auskunftspflicht gilt auch gegenüber provisorischen, enterbten und<br />
testamentarisch ausgeschlossenen gesetzlichen Erben, solange deren Status nicht endgültig<br />
geklärt ist (BREITSCHMID, Aufsicht, 174). Wie bei den Banken (BGE 135 III 599 E 3.1, Bem<br />
DORJEE-GOOD, successio 2010, 300, und Bem FARGNOLI, AJP 2010, 380) gehören<br />
Vermögensdispositionen an sich zu denjenigen Informationen, welche den Erben gegenüber<br />
offen zu legen sind. Wenn dem Willensvollstrecker aber Tatsachen aufgrund seiner früheren<br />
Tätigkeit als Anwalt des Erblassers bekannt sind, muss er diese grundsätzlich nicht<br />
offenbaren, weil der Erblasser sich auf die Vertraulichkeit verlassen können muss (RJN<br />
2005, 299) und die Erben (obwohl Rechtsnachfolger) nicht die neuen Geheimnisherren sind,<br />
welche den Rechtsanwalt von seinem Berufsgeheimnis befreien können (BGE 135 II 601 E 3.3).<br />
Der Anwalt darf solche Informationen nur dann preisgeben, wenn ein höheres Interesse die<br />
Offenbarung verlangt. Ein solches liegt nach der Rechtsprechung etwa vor, wenn die<br />
gerechte Verteilung der Erbschaft in Frage steht (ZR 1972, Nr 101 E 2). Mangelnde Auskunft<br />
stellt eine Pflichtverletzung (N 70 u 88) dar.<br />
46 Weiter gehend ist der Willensvollstrecker verpflichtet (von sich aus) die Erben zu<br />
informieren über geplante und vorgenommene Handlungen (BGE 108 II 535: Verkauf einer<br />
Liegenschaft; ZR 1985, Nr 140), den Stand der Erbschaft (Rep 1981, 123; s auch N 78 f) und<br />
wichtige Ereignisse (AB-SH 1997, 147: Zwangsversteigerung einer Liegenschaft). Er hat sie<br />
sodann auf Klagemöglichkeiten aufmerksam zu machen, insb die Ungültigkeitsklage (anders<br />
SGGVP 1957, Nr 85 E 1c), die Herabsetzungsklage (BGE 90 II 365, 373; ZR 1992/93, Nr 46;<br />
1956, Nr 12), die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen (BGE 82 II 555, 567) und die<br />
Teilungsklage (N 61). Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, unbeteiligte Verwandte auf<br />
potentielle Klagemöglichkeiten hinzuweisen (ZGRG 2010, 201 E 2c/cc).<br />
47 Die Erben haben gegenüber dem Willensvollstrecker Auskunft zu geben (ZGB 607 III, 610<br />
II iVm 518), auch über lebzeitige Vorgänge (BGE 5C.157/1993; s BREITSCHMID, Stellung, 166 f:<br />
Anweisung von CHF 4,7 Mio in sieben Jahren auf ein Haushaltskonto; BGE 90 II 365, 373; ZR<br />
1992/93, Nr 64 E 3f; PKG 1962, Nr 5 E 1: Vorbezüge). Der Willensvollstrecker kann diesen<br />
Anspruch klageweise durchsetzen (N 92).<br />
48 Banken, Vermögensverwalter und andere Dritte haben gegenüber dem Willensvollstrecker<br />
umfassend Auskunft zu erteilen, auch betr Transaktionen zu Lebzeiten des Erblassers<br />
(BGE 5P.104/1992, Bem BREITSCHMID, AJP 1993, 732: Lebzeitige Zuwendungen; BGE 89 II 87, 93:<br />
Sparheft) und zwar (ohne Anhaltspunkte) voraussetzungslos und ohne Vorauszahlungspflicht<br />
(ZR 2010, Nr 37 E 2.2 u 2.8). Grenze für diese Pflicht bildet die zehnjährige<br />
Aufbewahrungspflicht (OR 962 I).<br />
IV. Erbteilung<br />
1. Vermächtnisse<br />
49 Der Willensvollstrecker hat (nach Bezahlung der Schulden; N 28) die Vermächtnisse<br />
auszurichten (ZBGR 1942, 276 f) bzw dafür zu sorgen, dass die damit Beschwerten die<br />
Vermächtnisse ausrichten. Er benötigt dazu kein Einverständnis der Erben, wird aber gut<br />
beraten sein, vorab deren Stellungnahme einzuholen (s dazu Rep 1967, 172), um allfälligen<br />
Auseinandersetzungen vorzubeugen (N 92) bzw die eigene Haftung (N 70) auszuschliessen.<br />
2. Auflagen<br />
50 Der Willensvollstrecker kann auch persönlichkeitsbezogene Anordnungen vollstrecken (PKG<br />
1985, Nr 56 E 2), welche nicht in einer letztwilligen Verfügung festgelegt werden müssen<br />
(Patiententestament, ZGB 373) und (auch) als Auflage oder Bedingung (ZGB 482) formuliert<br />
sein können (BREITSCHMID, Einsatz, 41 f). Sie betreffen die medizinische Behandlung,<br />
Organspende, Obduktion, Begräbnis/Kremation (BGE 129 I 173), Trauerfeier, Umgang mit<br />
Privatakten usw. Der Willensvollstrecker hat auch dafür zu sorgen, dass Beschwerte ihre<br />
Auflagen vollziehen. Zur Stiftungserrichtung s ZGB 493 und BGE 5A.232/2010.
3. Güterrechtliche Auseinandersetzung<br />
51 Als Vorstufe zur Erbteilung ist die güterrechtliche Auseinandersetzung durchzuführen<br />
(ZGB 204 ff und 236 ff), nach welcher der Nachlass erst feststeht. In der Praxis ist dies<br />
nicht selten die kniffligere Aufgabe als die Erbteilung selbst, insbesondere wenn die<br />
Zuordnung von Gütern unklar bleibt. Der Willensvollstrecker hat keine<br />
Entscheidungsbefugnisse (ZR 1992/93, Nr 46 E 4c), sondern vertritt die Erben (JdT 1998,<br />
III 3) beim Abschluss einer Vereinbarung mit dem überlebenden Ehegatten.<br />
4. Vorbereitung der Teilung<br />
52 Für den Zweck der Teilung sind alle im Inventar (N 24) aufgeführten Gegenstände zu<br />
bewerten. Die Bewertung muss entweder den Verkehrswert wiedergeben oder – wenn keine<br />
Interessen von Dritten (wie Vermächtnisnehmern) betroffen sind – von den Erben akzeptiert<br />
werden. Für die Bewertung kann es sinnvoll sein, mit den Erben im Voraus das Verfahren<br />
festzulegen, etwa: (i) Begrenzung auf zwei Schätzungen, (ii) Bestimmung der beiden<br />
Schätzer, (iii) Vereinbarung, dass der Durchschnittswert der Schätzungen jedenfalls<br />
akzeptiert wird.<br />
53 Neben den im Inventar (N 24) aufgeführten Gegenständen muss der Willensvollstrecker auch<br />
Erbvorbezüge/Schenkungen erfassen (N 47) und die Erben auf mögliche Ausgleichs- und<br />
Herabsetzungsansprüche aufmerksam machen (N 46). Er hat sie auch auf Verjährungs- und<br />
Verwirkungsfristen (wie ZGB 521) hinzuweisen.<br />
54 Erbteilung ist Sache der Erben (BGE 102 II 197, 202; 97 II 11, 16; SGGVP 1957, Nr 85<br />
E 5), welche unabhängig vom letzten Willen des Erblassers eine beliebige Lösung<br />
vereinbaren können (N 58 f), bzw des Gerichts aufgrund einer Teilungsklage (N 61). Die davon<br />
abweichende frühere Lehre (ESCHER, ZK ZGB 518 N 17; TUOR, BK ZGB 518 N 16) ist überholt<br />
(BGE 108 II 535, 538).<br />
55 Es kann unter Umständen notwendig sein, (im Hinblick auf die Teilung) das<br />
Nachlassvermögen neu zu strukturieren (BGE 97 II 11, 17 u 20: Parzellierung einer<br />
Liegenschaft; nur mit Zustimmung der Erben sollte der Willensvollstrecker zum Zweck der<br />
Erbteilung liquidieren, etwa Liegenschaften veräussern).<br />
56 Der Willensvollstrecker erarbeitet baldmöglichst Vorschläge für die Teilung der<br />
Erbschaft (Bildung von Losen; ZGB 611, 634). Zu Beginn wird sich der Willensvollstrecker<br />
am Testament (insbes den Teilungsvorschriften) und den gesetzlichen Teilungsregeln (ZGB<br />
610 ff) orientieren (BGE 97 II 11, 16). Er muss sich nach den Wünschen der Erben erkundigen<br />
und diese soweit möglich in seine Vorschläge einarbeiten (BGE 115 II 323, 329; 108 II 535,<br />
538). Dabei hat er strikte auf Unparteilichkeit (BGE 85 II 597, 602) und Gleichbehandlung<br />
der Erben (ZGB 607 I) zu achten.<br />
57 Der Willensvollstrecker entwirft den Erbteilungsvertrag und vermittelt unter den Erben<br />
(BJM 2005, 80: er hat eine «rein dienende, vermittelnde und vorbereitende» Aufgabe). Die<br />
Erben bilden eine Gesamthandsgemeinschaft (ZGB 602) und müssen deshalb an Gesprächen über<br />
die Erbteilung (Erbenkonferenzen) teilnehmen (KARRER, BSK ZGB 518 N 53).<br />
58 Die Erben unterzeichnen den Erbteilungsvertrag (stillschweigende Annahme ist<br />
ausgeschlossen – ZGB 634 II) und bestimmen damit auch den Zeitpunkt der Teilung (anders<br />
ZGGVP 1981, 81). Die Einigung über einen Teilaspekt hindert die Erben vor Unterzeichnung<br />
des Gesamtvertrags nicht, wieder eine andere Meinung einzunehmen (BGE 115 II 323, 330).<br />
Die Erben können sich auch ohne Mitwirkung des Willensvollstreckers (früher) einigen<br />
(anders ZBGR 1981, 281) oder einen Aufschub der Teilung beschliessen.<br />
59 Die Teilung kommt (real) auch durch Entgegennahme von Losen zustande (ZGB 634 I; BGE 102<br />
II 197, 202).<br />
5. Durchführung der Teilung<br />
60 Der Willensvollstrecker vollzieht den von den Erben unterzeichneten Erbteilungsvertrag<br />
(N 58), der für den Willensvollstrecker verbindlich ist, es sei denn er sei rechtswidrig<br />
oder unsittlich (ZGRG 2010, 102 E 2c/bb). Kantonale Teilungsbehörden (ZGB 609 II) werden<br />
(auch entgegen kantonalem Recht) durch den Willensvollstrecker verdrängt (BGE 114 II 418,<br />
420; SGGVP 2001, Nr 99).
61 Gelingt es definitiv nicht, einen Erbteilungsvertrag zu vereinbaren, fordert der<br />
Willensvollstrecker die Erben auf, die Teilungsklage einzureichen. Die Erben können die<br />
Teilungsklage aber erst erheben, wenn der Willensvollstrecker mit seinem Teilungsplan<br />
gescheitert ist (ZGGVP 1981, 81). Der Willensvollstrecker kann diese Klage de lege lata<br />
selbst nicht einreichen (N 65).<br />
62 Wenn die Situation blockiert ist, weil weder eine Einigung zustande kommt (N 58 f) noch<br />
eine Teilungsklage eingereicht wird (N 61), kann der Willensvollstrecker nach herrschender<br />
Lehre (N 63) auch keine Teilungsvorschriften vollziehen (zur Übertragung von Grundstücken<br />
s BJM 2005, 79: Mitwirkung der Erben; BIBER, 64 f), was höchst unbefriedigend ist. Es gibt<br />
drei mögliche Szenarien:<br />
63 (i) Der Nachlass bleibt (vorläufig) ungeteilt. Dies ist die Lösung nach herrschender<br />
Meinung (BREITSCHMID, Stellung, 149 f; WOLF, 115). Subjektiv-partielle Erbteilungen (so<br />
WEIMAR, in: FS Engel, 455 ff) werden von der herrschenden Meinung ebenfalls abgelehnt<br />
(DRUEY, § 16 N 33).<br />
64 (ii) Revidierte Zürcher Praxis: Nach Ablauf einer vom Willensvollstrecker angesetzten,<br />
angemessenen Frist vollzieht der Willensvollstrecker seinen eigenen Teilungsplan (ZR 1961,<br />
Nr 84 E 7; BJM 1968, 27). Im Gegensatz zur alten Zürcher Praxis (ZR 1935, Nr 182) schafft<br />
der Willensvollstrecker damit keine endgültigen Verhältnisse. Den Erben steht es nach wie<br />
vor offen, gegen andere Erben vorzugehen, wenn sie der Ansicht sind, dass sie bei dieser<br />
Verteilung zu kurz gekommen sind. Die herrschende Meinung lehnt dieses Vorgehen ab<br />
(BREITSCHMID, Stellung, 149; KARRER, BSK ZGB 518 N 63; STEIN-WIGGER, AJP 2001, 1145). Es führt<br />
insbes bei der Übertragung von Liegenschaften zu Problemen, weil ein Beleg nach GBV 18<br />
fehlt.<br />
65 (iii) Der Willensvollstrecker ist zur Teilungsklage legitimiert (SUTTER-SOMM/CHEVALIER,<br />
successio 2007, 35 ff; KARRER, BSK ZGB 528 N 66). Diese Lösung wird von der herrschenden<br />
Meinung abgelehnt (BREITSCHMID, Stellung, 150), de lege ferenda aber begrüsst (EITEL, 164),<br />
obwohl der Willensvollstrecker damit seine Vermittlerrolle (N 1 u 4) verlässt. Hier ist<br />
der Gesetzgeber gefragt.<br />
66 Der Grundbuchverwalter muss sich bei seiner Prüfung an die Verfügungsmacht (N 35) halten<br />
(LGVE 1988 I, Nr 6) und hat die Verfügungsbefugnis (N 36) nicht zu prüfen (BGE 74 I 423,<br />
425; 61 I 382, 383; BIBER, 60; allgemein ZGB 965 N 3 ff).<br />
6. Vergütung des Willensvollstreckers<br />
a. Bundesgerichtspraxis<br />
67 Das Honorar des Willensvollstreckers ist allein aufgrund von ZGB 517 III festzulegen<br />
(Vorrang des Bundesrechts; BGE 129 I 330). Die Vergütung ist angemessen, wenn nur die<br />
tatsächlich erbrachten (aber auch notwendigen Stunden) in Rechnung gestellt werden (zur<br />
Substanziierungspflicht s ZR 2001, Nr 27) und wenn der Stundensatz den Umständen des<br />
Einzelfalles gerecht wird, also unter Berücksichtigung der Komplexität (etwa ausländisches<br />
Recht), der Verantwortung (etwa Grösse des Nachlasses), der Ausbildung (etwa Fachanwalt)<br />
usw (BGE 78 II 123). Im Gegensatz zu <strong>Deutsch</strong>land (Empfehlungen des <strong>Deutsch</strong>en Notarvereins;<br />
s FLÜCKIGER, 239 ff), gibt es keine festen Obergrenzen. Bei grösseren Nachlässen ist ein<br />
Honorar über 3% allerdings selten. Der Willensvollstrecker hat eine Kostennote (Vergütung,<br />
Spesen, Auslagen) zu erstellen. Im Streitfall ist das Zivilgericht (N 92) zuständig (BGE 78<br />
II 123, 125). Der Willensvollstrecker trägt die Beweislast (BGE 4A_547/2009 E 4.2: «welche<br />
Vorrichtungen er wann, wofür und wie lange als Willensvollstrecker vorgenommen habe»).<br />
Wenn die Notwendigkeit seiner Tätigkeit bestritten wird, entfällt eine Schätzung seines<br />
Honorars (KassGer ZH, Entscheid AA080146 vom 27.9.2010).<br />
b. Tarife von Kantonen und Verbänden<br />
68 Honorarbestimmungen für den Willensvollstrecker sind in zahlreichen kantonalen Tarifen<br />
und Honorar-Richtlinien der Anwalts- und Notariatsverbände enthalten (s die<br />
Zusammenstellung bei FLÜCKIGER, 227 ff). Diese Richtlinien sind Ausdruck des Üblichen (OR<br />
394 III). Sie können aber – insbesondere für grössere Nachlässe – nicht tel quel<br />
übernommen werden; das Ergebnis ist immer auf Angemessenheit (N 67) zu überprüfen<br />
(Kontroll-Rechnung; BGE 129 I 330).
c. Festlegung durch den Erblasser<br />
69 Der Erblasser kann das Honorar im Testament festlegen; mangels Gerichtspraxis<br />
umstritten ist allerdings, ob zu tiefe bzw zu hohe Honorare nach oben bzw nach unten<br />
angepasst werden können/müssen, was in konsequenter Fortführung der Rechtsprechung<br />
(Kontroll-Rechnung, s N 68) der Fall ist. Ein zu hohes Honorar kann unter Umständen als<br />
Vermächtnis auszulegen sein (AppGer BS, Entscheid AZ-2006-28 vom 7.9.2007, E 2.2).<br />
7. Verantwortlichkeit<br />
70 Zivilrecht: Der Willensvollstrecker hat sein Amt getreulich und sorgfältig auszuführen<br />
(OR 398 II). Er hat dabei die ihm eigenen Sachkenntnisse anzuwenden und die ihm eigenen<br />
Berufspflichten zu beachten (ZR 1971, Nr 72: Anwalt). Bei einer schuldhaften Verletzung<br />
dieser Pflichten (BGE 5C.277/2000 E 4a; BVR 1984, 239 E 9) haftet er den Erben analog nach<br />
OR 398 ff (BGE 5C.311/2001; 101 II 47, 53 f) und OR 97 ff (Rep 1990, 190); mehrere<br />
Willensvollstrecker haften solidarisch (OR 403 II). Zur Klage legitimiert ist jeder<br />
einzelne Erbe (KGer GR, Entscheid ZF-08-21-25 vom 19.5.2008, E 2b). Kasuistik:<br />
BGE 5C.119/2004: Kurszerfall; BGE 108 II 539: Haus-Verkauf; KGer GR, Entscheid ZF-08-21-25<br />
vom 19.5.2008: fehlende Versicherungsdeckung; AB-SH 1997, 147: Zwangsverwertung einer<br />
Liegenschaft. Der Schadenersatzanspruch steht den Erben gesamthaft zu (BGE 52 II 195,<br />
199). Der Erblasser kann den Willensvollstrecker nicht von seiner Haftung befreien (KARRER,<br />
BSK ZGB 518 N 11). Zuständig ist das ordentliche Gericht (Rep 1982, 370; N 92) am Wohn- bzw<br />
Geschäftssitz des Willensvollstreckers. Die Verjährungsfrist beträgt idR zehn Jahre. Zur<br />
Vermeidung der Haftung s KÜNZLE, BK ZGB 517 - 518 N 438 ff. Zur Versicherbarkeit s FUHRER,<br />
107 ff.<br />
71 Strafrecht: Zu prüfen sind etwa ungetreue Geschäftsbesorgung (StGB 158; BGE<br />
6B_105/2008: Aushändigung von Schmuck) und Veruntreuung (StGB 138; BGE 6S.287/2003;<br />
6S.398/2004). Zum Steuerstrafrecht s N 43.<br />
8. Das Ende der Willensvollstreckung<br />
a. Gesetzliche Beendigungsgründe<br />
72 Die Willensvollstreckung kennt keine vom Gesetz bestimmte Dauer (SJ 1937, 330), der<br />
Erblasser kann die Dauer aber beschränken (KARRER, BSK ZGB 517 N 4).<br />
73 Die Willensvollstreckung darf nur dann auf Dauer angelegt werden, (i) wenn sie nicht<br />
die verfügbare Quote betrifft (BGE 87 II 355, 363; 51 II 49, 55), (ii) wenn sie mit dem<br />
Tod des betroffenen Erben endet oder (iii) wenn der Erbe (in einem Erbvertrag) zugestimmt<br />
hat.<br />
74 Die Willensvollstreckung erlischt (analog OR 405 I) mit dem Tod und der<br />
Handlungsunfähigkeit des Willensvollstreckers (BGE 113 II 121, 125) bzw der Auflösung/dem<br />
Erlöschen der als Willensvollstreckerin tätigen juristischen Person oder<br />
Personengemeinschaft (JUCHLER, 118). Im Falle der Rechtsnachfolge geht die<br />
Willensvollstreckung auf eine Rechtsnachfolgerin über (KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 377).<br />
b. Gewillkürte Beendigungsgründe<br />
75 Die Willensvollstreckung endet mit der Absetzung des Willensvollstreckers durch die<br />
Aufsichtsbehörde (N 90) oder das Gericht (N 92: Interessenkollision), mit der<br />
Ungültigerklärung des Testaments (ZGB 519) oder dem Auftauchen eines späteren Testaments<br />
mit einem anderen oder keinem Willensvollstrecker (JUCHLER, 115). Die Erben können den<br />
Willensvollstrecker nicht absetzen, auch nicht durch einstimmigen Beschluss (JUCHLER, 120<br />
f).<br />
76 Die Willensvollstreckung endet zudem mit der Erledigung des «Auftrags» (BGE 5P.59/2000<br />
E 3a: Vollzug des Erbteilungsvertrags; PKG 2003, Nr 34) oder der Erschöpfung des<br />
Nachlasses. Wenn nachträglich Erbgut auftaucht, lebt die Willensvollstreckung wieder auf.<br />
77 Der Willensvollstrecker kann jederzeit (LGVE 2002 I, Nr 47) kündigen (OR 404 I; BVR 1984,<br />
239; BREITSCHMID, Stellung, 156). Diese Erklärung ist an die zuständige kantonale Behörde<br />
(N 9) zu richten, nicht an die Erben. Wenn der Erblasser keinen Ersatz-Willensvollstrecker<br />
(N 7) ernannt hat, ist die Teilung nun von den Erben durchzuführen.
c. Rechenschaft<br />
78 Der Willensvollstrecker hat die notwendigen Aufzeichnungen zu führen (N 26), welche es<br />
ihm ermöglichen, am Ende seiner Tätigkeit (und bei längerer Dauer am Ende jedes Jahres; s<br />
ZR 1992/93, Nr 64 E IV5c) Rechenschaft über seine Tätigkeit abzulegen (ZR 1995, Nr 64 E<br />
3b; ZR 1985, Nr 140). Die blosse Abgabe von Bankauszügen genügt häufig nicht (ZR 1984, Nr<br />
59 E 5b); diese müssen vielmehr in einem Bericht verarbeitet (konsolidiert) und<br />
gegebenenfalls ergänzt und kommentiert werden. Der Erblasser kann den Willensvollstrecker<br />
nicht von der Rechenschaftspflicht befreien (KARRER, BSK ZGB 518 N 11), wohl aber die<br />
Erben, welche dafür Honorar bezahlen müssen (N 67 ff).<br />
79 Ganz am Ende steht die Déchargeerteilung an den Willensvollstrecker und die<br />
Schlussabrechnung, aus welcher auch die Erträge (Einnahmen und Ausgaben, inkl Honorar mit<br />
Auslagen des Willensvollstreckers) und die erfolgte Teilung ersichtlich sind (BREITSCHMID,<br />
Stellung, 156).<br />
V. Zuständigkeiten und Verfahren<br />
1. Prozessführungsbefugnis<br />
80 Der Willensvollstrecker ist bei Aktiv- und Passivprozessen des Nachlasses zur<br />
Prozessführung legitimiert (BGE 133 III 421 E 1; 116 II 131, 133; 94 II 141, 142 mwH),<br />
auch bei unerledigten Prozessen des Erblassers (KGer ZH, Entscheid AA060140 vom 4.9.2007 E<br />
II; ZR 1977, Nr 66 E 3c). Die Prozessführungsbefugnis ist umfassend und verdrängt<br />
diejenige der Erben (BGE 116 II 131 E 3b). Der Willensvollstrecker handelt in<br />
Parteistellung (BGE 4A_290/2008 E 1), im eigenen Namen (BGE 84 II 241, 245) und in<br />
Prozessstandschaft (BGE 129 V 113, 117; EITEL, 139 ff). Zum Gerichtsstand s ZPO 28 II.<br />
81 Bei Zwangsvollstreckungsmassnahmen (insbes Betreibungen) für und gegen den Nachlass ist<br />
der Willensvollstrecker ausschliesslich aktiv- und passivlegitimiert (BGE 133 III 421 E 1;<br />
107 III 7 E 1). Beim Vorhandensein eines Willensvollstreckers müssen die Erben nicht<br />
einzeln angegeben werden (BGE 80 III 7, 14; 53 II 202 E 4; XY als Willensvollstrecker im<br />
Nachlass Z). Die Betreibung gegen den Willensvollstrecker ist auf das Vermögen des<br />
Nachlasses begrenzt (BGE 116 III 4, 6). Zur Aberkennungsklage s ZR 1943, Nr 40. Zum<br />
Widerspruchsverfahren s BGE 7B.159/2005.<br />
82 Bei den erbrechtlichen Verfahren ist zu differenzieren (EITEL, 152 ff): Zur<br />
Ungültigkeitsklage (ZGB 519 ff) ist der Willensvollstrecker nur (aktiv/passiv)<br />
legitimiert, wenn seine eigene Stellung betroffen ist (BGE 132 III 315; 5P.202/2004; 85 II<br />
597, 601). Bei der Herabsetzungsklage (ZGB 522 ff) ist er weder aktiv noch passiv<br />
legitimiert (BGE 86 II 340, 342; 85 II 597, 601), es sei denn, eine<br />
Dauerwillensvollstreckung wird angefochten (BGE 97 II 11 E 1). Zur Erbschaftsklage (ZGB<br />
598 ff) ist der Willensvollstrecker gegenüber Dritten legitimiert (SJ 1981, 63), nicht<br />
aber gegenüber den Erben (BGE 77 II 122, 125: Klage nach ZGB 518 II; s auch ZGB 598 – 600<br />
N 9). Zur Teilungsklage (ZGB 604) ist er nach herrschender Lehre nicht legitimiert (N 61 u<br />
65). Der Willensvollstrecker ist aktivlegitimiert zur Klage auf Vollziehung von Auflagen<br />
(BGE 66 III 61, 65; dazu N 50) und zur Herabsetzung eines Vermächtnisses (KARRER, BSK ZGB<br />
518 N 82), passivlegitimiert bei der Ausrichtung von Vermächtnissen (BGE 105 II 253, 261 E<br />
2e) und der Durchführung der Teilung (BGE 85 II 597 E 3). Zur Rückerstattung eines<br />
Vermächtnisses (OR 62) s BGE 130 III 547. Der Willensvollstrecker ist bei Massnahmen zur<br />
Sicherung des Erbganges vereinzelt legitimiert, soweit er betroffen ist (zu Einzelheiten s<br />
KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 472 u 484).<br />
83 Der Willensvollstrecker ist immer dann legitimiert, wenn Klagen seine eigene Stellung,<br />
seinen «Auftrag», betreffen (KARRER, BSK ZGB 518 N 87): (i) Auslegung der im Testament<br />
festgelegten Aufgaben (N 28 ff) und Befugnisse (N 35 ff; BGE 51 II 49, 53); (ii)<br />
Besitzergreifung gegenüber den Erben (N 19) und Dritten (N 82); (iii) Auskunftserteilung<br />
durch die Erben (N 47) und Dritte (N 48); (iv) Durchsetzung von Verwaltungs- und<br />
Verfügungshandlungen; (v) Vergütung (N 67 ff). Bei der Absetzungsklage wegen<br />
Interessenkollision (N 92) ist der Willensvollstrecker passivlegitimiert (BJM 1990, 85 f).
2. Aufsicht<br />
84 Der Verweis in ZGB 518 I zielt auf eine Behörde (KARRER, BSK ZGB 518 N 1; anders GIGER,<br />
in: FS Heini, 132: ordentliches Gericht; zur zuständigen kantonalen Behörde s KÜNZLE, BK<br />
ZGB 517 – 518 N 514) am letzten Wohnsitz des Erblassers (ZGB 518 I iVm 595 III u SchlT 54;<br />
Rep 1973, 98). Die Aufsicht ist zwingend (KARRER, BSK ZGB 518 N 10 u 97). Daneben kann ein<br />
Willensvollstrecker unter der Aufsicht einer Berufsorganisation stehen (LGVE 1994 I, Nr 30:<br />
Anwaltskammer), allerdings nur wegen der (gleichzeitigen) Verletzung von Berufspflichten<br />
(BGE 2C_257/2010 E 3.1; 5A_61/2010 E 2.2: Aufsicht über Notare ist nicht zuständig für<br />
Honoraransprüche; BGE 2C.518/2009 E 4.2: Vertretung kollidierender Interessen).<br />
85 Die Aufsichtsbehörde kann von Amtes wegen eingreifen (BGE 5C.77/1988 E 2; 90 II 376 E 3;<br />
anders BRACHER, 146), wird üblicherweise aber aufgrund einer Beschwerde tätig.<br />
Aktivlegitimiert sind (je einzeln) die gesetzlichen und eingesetzten Erben (BGE 66 II 148,<br />
150), die provisorischen Erben (ZR 1992/93, Nr 64 E III1a), die testamentarisch<br />
ausgeschlossenen Erben während der Anfechtungsfrist (dazu ZR 1986, Nr 14 E 3a; nicht aber<br />
die virtuellen Erben, s dazu ZR 1996, Nr 34), die Vermächtnisnehmer (BGE 90 II 376 E 3),<br />
die Erbschaftsgläubiger (BVR 1996, 505 E 3b) und Erbgangsgläubiger. Passivlegitimiert ist<br />
der Willensvollstrecker (BGE 90 II 376, 383), so lange er im Amt ist (KARRER, BSK ZGB 518<br />
N 100).<br />
86 Nach KARRER (BSK ZGB 518 N 101) kann der Willensvollstrecker der Aufsichtsbehörde Fragen<br />
vorlegen (nach dem Muster des Probate Court). Dies wäre sehr zu begrüssen, ist im<br />
geltenden Recht aber nicht vorgesehen (offen gelassen in PKG 2003, Nr 35).<br />
87 Die Aufsichtsbehörde besitzt Kognitionsbefugnis für das formelle Vorgehen des<br />
Willensvollstreckers (ZR 1995, Nr 8: Verkauf einer Eigentumswohnung; ZGGVP 1983/84, 196;<br />
ZR 1977, Nr 101), während materielle Fragen vom Zivilgericht (N 92) beurteilt werden.<br />
Gegenstand der Beschwerde sind getroffene, beabsichtigte oder unterlassene Handlungen des<br />
Willensvollstreckers.<br />
88 Inhalt der Beschwerde an die Aufsichtsbehörde kann sein: (i) rechtliche<br />
(Handlungsunfähigkeit bis Konkurs) oder tatsächliche Unfähigkeit (Krankheit bis<br />
Abwesenheit) (BGE 90 II 376, 379), (ii) Untätigkeit (Verzögerung bis Inaktivität; LGVE<br />
2006 III, Nr 10 E 3), (iii) Unangemessenheit einer Massnahme (unzweckmässig bis<br />
willkürlich; BGE 97 II 20 E 4), (iv) mangelhafte Information (RVJ 2005, 242 E 1a) und (v)<br />
sonstige grobe Pflichtverletzungen (Parteilichkeit usw; BGE 90 II 379 E 3). Zur<br />
Interessenkollision s N 92.<br />
89 Die Aufsichtsbehörde kann sachdienliche Massnahmen anordnen: (i) Aufschluss über die<br />
Tätigkeit verlangen, (ii) Empfehlungen aussprechen (LGVE 1995 I, Nr 46), (iii) Weisungen<br />
(Ge- und Verbote) erteilen (LGVE 2006 III, Nr 11 E 8: Teilungsvertrag beim Grundbuch<br />
anzumelden; ZR 1992/93, Nr 64: Inventar zu erstellen) und (iv) andere sachdienliche<br />
Massnahmen (LGVE 1979 III, Nr 21 E 2) erlassen. Sie kann (v) auch vorsorgliche<br />
(sachdienliche) Massnahmen erlassen, wie eine Grundbuchsperre oder Sperre von Bankkonten<br />
(LGVE 2008, I Nr 38) und die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln entziehen (BGE<br />
5A_502/2008: Vollzug der Erbteilung nach fehlendem Entzug).<br />
90 Die Aufsichtsbehörde kann (daneben) disziplinarische Massnahmen anordnen: (i) Verweis<br />
(LGVE 1995 I, Nr 46), (ii) Ermahnung (BGE 5P.199/2003), (iii) Verwarnung, (iv)<br />
Ordnungsbusse, (v) Androhung der Bestrafung nach StGB 292 (ZR 1992/93, Nr 46 E 1.dα) oder<br />
– bei wiederholter und/oder grober Pflichtverletzung, fehlender Vertrauenswürdigkeit,<br />
Unfähigkeit und länger dauernder Verhinderung (s BGE 5A_111/2008) oder Gefährdung des<br />
Nachlassvermögens – (als ultima ratio; ZR 1992/93, Nr 46 E 5c) (vi) die Absetzung (BGE 90 II<br />
376, 383; 66 II 148, 150). Die Aufsichtsbehörde kann auch (vii) vorsorgliche<br />
(disziplinarische) Massnahmen ergreifen, wie die vorübergehende Suspendierung (BGE<br />
5A_574/2009 E 1.1; BREITSCHMID, Aufsicht, 154; anders KARRER, BSK ZGB 518 N 102).<br />
91 Verfahren: Es wird ein summarisches Verfahren angewendet (BGE 108 Ia 308 E 2a), dessen<br />
Regeln von der Praxis entwickelt wurden (zu Einzelheiten s KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 553<br />
ff). ZPO 248 ff kommen nicht zur Anwendung. Zu den Rechtsmitteln (ein oder zwei kantonale<br />
Rechtsmittel) und der Beschwerde in Zivilsachen (BGE 5A_643/2007) s KÜNZLE, BK ZGB 517–
518 N 559 ff. Der Rechtsweg von Zwischenentscheiden folgt der Hauptsache (BGE 5A.574/2009<br />
E 1.2). Die Gerichtskosten (BGE 5A_815/2009 E 3.2) und Parteikosten (BGE<br />
5A_114+126+127/2008 E 8.2) sind grundsätzlich von den Beteiligten zu tragen.<br />
3. Zivilstreitigkeiten im ordentlichen Verfahren<br />
92 Das ordentliche Verfahren wird angewendet bei: (i) Ungültigkeitsklage (Ernennung; N 6);<br />
(ii) Herabsetzungsklage (Dauervollstreckung; N 73); (iii) Vollzug der Erbteilung (LGVE<br />
2006 III, Nr 10 E 3; N 60 ff); (iv) Honorar (N 67 ff); (v) Auskunftserteilung (N 45); (vi)<br />
Haftung (N 70); (vii) Prüfung, ob Handlungen des Willensvollstreckers durch letztwillige<br />
Verfügungen gedeckt sind; (viii) Absetzung des Willensvollstreckers wegen<br />
Interessenkollisionen (BGE 2C_517/2009: Notar des früheren Testaments als Anwalt der<br />
Erben; BGE 5A_111/2008: Stiftungsrat; BGE 90 II 376, 385; N 34, 75 u 83), sobald<br />
nachteilige Folgen zu erwarten sind; eine ungünstige Konstellation alleine genügt nicht<br />
(BGE 5P.341/2000).<br />
VI. Internationale Nachlässe<br />
93 Für internationale Verhältnisse kann auf IPRG 86 – 88 (Zuständigkeit) und IPRG 90 – 91<br />
(anwendbares Recht) sowie die Staatsverträge mit Italien (SR 0.142.114.541), den USA<br />
(0.142.113.361), Grossbritannien und Irland (SR 0.142.113.671), dem Iran (0.142.114.362),<br />
Griechenland (SR 0.142.113.721), Portugal (SR 0.142.116.541) und Japan (0.142.114.631)<br />
verwiesen werden. Das LugÜ ist nicht anwendbar. Im Verhältnis zur EU wird künftig die<br />
Erbrechtsverordnung zu beachten sein (s Entwurf vom 14.10.2009, KOM [2009] 154 endg).<br />
94 Der Willensvollstrecker bewegt sich an der Grenze zwischen dem Eröffnungs- und dem<br />
Erbstatut. Unter das Eröffnungsstatut fallen etwa: Form und Frist der Annahme, Ausstellung<br />
des Willensvollstreckerzeugnisses inkl Verfahren der Absetzung und des Ersatzes, örtlicher<br />
Umfang der Befugnisse, vorsorgliche Massnahmen. Dem Erbstatut unterstehen Erbschaftserwerb<br />
(durch Erben oder Vollstrecker) inkl Umfang des Nachlasses, die Frage, ob ein Vollstrecker<br />
ernannt werden kann bzw muss, Person des Ernennenden, Person des Vollstreckers, Inhalt und<br />
Wirkung der Annahme, Aufgabe des Vollstreckers (Rechte und Pflichten) inkl Umfang der<br />
Befugnisse (gemäss Gesetz bzw Testament), Zulässige Dauer der Vollstreckung, Möglichkeit<br />
des Widerrufs/der Absetzung/des Ersatzes, Verhältnis zu den Erben («Auftrag») inkl<br />
Verantwortlichkeit (zu Einzelheiten s KÜNZLE, BK ZGB 517 – 518 N 74 f).<br />
1. Tätigkeit des Willensvollstreckers im Ausland<br />
95 Wenn der Willensvollstrecker im Ausland tätig werden will, um dort über Mobilien zu<br />
verfügen, kann er dies grundsätzlich tun, muss sich zT aber um zusätzliche Ausweispapiere<br />
kümmern (SIEHR, 271 ff): In <strong>Deutsch</strong>land muss er einen Fremdrechts-<br />
Testamentsvollstreckerausweis erwerben, während er in Frankreich, Italien und Spanien mit<br />
dem schweizerischen Ausweis auskommen sollte. In England und Wales muss der<br />
Willensvollstrecker einen Grant of Probate beantragen, in den USA muss er um Ancillary<br />
Letters of Administration nachsuchen.<br />
96 Wenn der Willensvollstrecker im Ausland über Immobilien verfügen will, muss er sich in<br />
Frankreich und den Ländern des Common Law (wegen der lex rei sitae) als Exécuteur<br />
Testamentaire bzw Executor ernennen lassen, während er in <strong>Deutsch</strong>land, Italien und Spanien<br />
nach den obigen Regeln (N 95) vorgehen kann (SIEHR, 284).<br />
2. Willensvollstrecker eines ausländischen Erblassers<br />
in der Schweiz<br />
97 Wenn ein deutscher Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in der Schweiz verstirbt,<br />
entsteht wegen der (aus deutscher Sicht) fehlenden Rechtswahlmöglichkeit ein Konflikt. Der<br />
Willensvollstrecker kann in <strong>Deutsch</strong>land nur mit einem Eigenrechts-<br />
Testamentsvollstreckerausweis tätig werden (SIEHR, 286 f).<br />
98 Wenn ein italienischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in der Schweiz verstirbt,<br />
entsteht wegen des Staatsvertrags (Niederlassungs- und Konsularvertrag vom 22.7.1868<br />
zwischen der Schweiz und Italien (SR 0.142.114.541) kein Konflikt, weil beide Länder das<br />
Heimatrecht anwenden. Der Vollstrecker wird sein Amt als Esecutore Testamentario antreten
(SIEHR, 287).<br />
3. Tätigkeit von ausländischen Vollstreckern in der Schweiz<br />
99 Im Ausland eingesetzte Vollstrecker unterstehen gewöhnlich dem ausländischen<br />
(materiellen) Recht. Wenn diese in der Schweiz tätig werden wollen und ihre Rechtsstellung<br />
von derjenigen des Willensvollstreckers stark abweicht, müssen sie den schweizerischen<br />
Verhältnissen angepasst werden (sog modifizierte Wirkungserstreckung). Dies gilt<br />
insbesondere für den Executor des Common Law, der sein Eigentum in der Schweiz (wegen ZGB<br />
560) nicht ausüben kann. Während der deutsche Testamentsvollstrecker nur geringfügig<br />
angepasst werden muss, sind bei den Vollstreckern der Niederlande (Executele) und von<br />
Schweden (Testamentsexekutor) stärkere Anpassungen notwendig, bei denjenigen von Belgien<br />
(Exécuteur Testamentaire), Frankreich (Exécuteur Testamentaire), Italien (Executore<br />
Testamentario), Österreich (Testaments-Exekutor) und Spanien (Albacea) gar erhebliche<br />
Anpassungen (KÜNZLE, Nachlässe, 307 ff).<br />
100 Um sich in der Schweiz legitimieren zu können, muss der ausländische Vollstrecker<br />
entweder einen schweizerischen Ausweis (Erbbescheinigung, N 16) bei der zuständigen<br />
Behörde ausstellen oder seinen ausländischen Ausweis in der Schweiz vollstreckbar erklären<br />
lassen (Exequaturverfahren; IPRG 28; zu den zuständigen Behörden s KÜNZLE, BK ZGB N 112<br />
Vorbem 517–518). Die Ausweise des Executor der verschiedenen Länder des Common Law dürften<br />
sich regelmässig dafür eignen, auch der (Eigenrechts-)Testamentsvollstreckerausweis aus<br />
<strong>Deutsch</strong>land, während bei den meisten übrigen Staaten des Civil Law die Ausstellung eines<br />
schweizerischen Ausweises im Vordergrund steht (KÜNZLE, Nachlässe, 307 ff).