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Vorstand und Verwaltungsrat<br />
<strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
Dr. Andreas Gauger<br />
Harald Knauss<br />
Dipl.-Biol. Günter Ickert<br />
Dr.Werner Lauterbach<br />
Dr.Michael Liebscher<br />
Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
Dr. Rolf A.Meyer<br />
<strong>INHALT</strong><br />
Editorial<br />
Das Ringen um ganzheitliche Erkenntnis<br />
am Beispiel von Paracelsus und Jacob Böhme<br />
Die 7 Künste <strong>de</strong>s Paracelsus –<br />
I<strong>de</strong>en einer mo<strong>de</strong>rnen, ganzheitlichen<br />
Schulung <strong>de</strong>s Menschen<br />
Zur <strong>Ges</strong>chichte <strong>de</strong>r<br />
Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
Rezension – Information<br />
(Andrew Weeks: Paracelsus – Böhme)<br />
Empfehlung<br />
(V.Weigel – Dr. Pfefferl)<br />
Angebot an Dresdner Gymnasien<br />
Maria Suutala<br />
(Zur <strong>Ges</strong>chichte <strong>de</strong>r Naturzerstörung – Frau und<br />
Tier in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Revolution)<br />
2<br />
4<br />
15<br />
33<br />
39<br />
40<br />
42<br />
44<br />
1
In <strong>de</strong>n ›Betrachtungen zum Menschen als theologisches Wesen‹ (1) zitiert Kurt Goldammer<br />
Paracelsus wie folgt: »Der Mensch legt <strong>de</strong>n Eckstein nit, allein Gott. Das ist:<br />
so er ein Menschen brauchen will zu einem Ding, ...so die Zeit kommt, so nimmt ihn<br />
Gott und macht aus ihm, das er aus ihm machen will.« Könnte <strong>de</strong>r Christ Paracelsus<br />
damit meinen, dass Gott in seiner Allwissenheit unter seinen <strong>Ges</strong>chöpfen – ungeachtet<br />
von Rasse, Kulturkreis o<strong>de</strong>r Weltanschauung – zu <strong>de</strong>m ihm rechten Zeitpunkt Menschenkin<strong>de</strong>r<br />
fin<strong>de</strong>t und anstößt, Werke zu tun, <strong>de</strong>ren Auswirkungen zunächst noch verborgen<br />
sind? Wenn <strong>de</strong>m so wäre, dann müsste in einem Menschen auch die Bereitschaft –<br />
bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst – vorhan<strong>de</strong>n sein, »so die Zeit kommt«, von Gott die betreffen<strong>de</strong><br />
Aufgabe nicht nur zu akzeptieren, son<strong>de</strong>rn auch nach besten Kräften zu lösen.<br />
Das o.a. Zitat rückte ins Bewusstsein, als bekannt wur<strong>de</strong>, dass Herr Professor Yuzo<br />
Okabe (Universität Tokio) nicht nur Schriften <strong>de</strong>s Hohenheimers ins Japanische überträgt<br />
(2), son<strong>de</strong>rn auch Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Universität Tokio in das Werk <strong>de</strong>s Paracelsus einführt.<br />
Während einer zweiten Begegnung mit Professor Okabe in Leipzig (Juli 2000)<br />
wur<strong>de</strong> ihm natürlich die Frage gestellt, welche Motive ihn bewegt haben, sich Paracelsus<br />
zuzuwen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ssen Werk interessierten Landsleuten zugänglich zu machen. In<br />
einer e-mail (06.09.2000) teilte uns Professor Okabe seine Antwort auch schriftlich mit,<br />
die wir mit seiner Erlaubnis nachfolgend wie<strong>de</strong>rgeben:<br />
»Was Paracelsus in Japan betrifft, so ist <strong>bei</strong> uns die Forschung über hermetische Traditionen<br />
(wie auch vielseitige christliche Traditionen im Abendland) natürlich sehr mangelhaft,<br />
obwohl zwei Biographien über Hohenheim vorliegen, eine von Professor Ohashi<br />
(medizingeschichtliches Seminar), eine von <strong>de</strong>m Germanisten Tanemura, <strong>de</strong>r auch sehr<br />
gute Biographien über Hil<strong>de</strong>gard von Bingen und die Rosenkreuzer geschrieben hat,<br />
und einige Paracelsus-Übersetzungen herausgegeben wor<strong>de</strong>n sind. Lei<strong>de</strong>r kenne ich neue<br />
Strömungen <strong>de</strong>r Paracelsus-Forschung in Japan nicht. Trotz<strong>de</strong>m bin ich überzeugt, dass<br />
die ostasiatische Kultur und Naturanschauung zu <strong>de</strong>n Paracelsus-Forschungen sicher<br />
<strong>bei</strong>tragen kann, weil Paracelsus verborgene, geistige Naturkräfte viel näher erfahren hat<br />
als die Europäer heutzutage (wir bezeichnen sie oft scherzhaft als ›aufgeklärte, aber sehr<br />
exotische Bewohner in Fernwest‹), geistige Naturkräfte, die die Ostasiaten sehr intim<br />
empfin<strong>de</strong>n und in <strong>de</strong>nen sie in <strong>de</strong>r Tat leben. Nicht nur das Konzept <strong>de</strong>r Natur, son<strong>de</strong>rn<br />
auch die Natur o<strong>de</strong>r die Landschaft selbst (wir nennen sie normalerweise ›lebendige,<br />
kräftige, einerseits sehr anmutige, aber an<strong>de</strong>rerseits grausame‹ Natur) ist zwischen Ost und<br />
West sehr unterschiedlich. Wir leben auf <strong>de</strong>m Lavaland und kennen <strong>de</strong>n festen Grundstein<br />
o<strong>de</strong>r Eckstein nicht. Wir leben so, als ob wir zwischen Himmel und Er<strong>de</strong> schwebten.<br />
Bitte sehen Sie sich einmal Fotos von japanischen Teehäusern an, die aus Holz und<br />
Papier bestehen: Ihre hölzernen Pfeiler stehen nur auf kleinen Steinen, und ein Teehaus<br />
scheint so, als ob es nicht auf <strong>de</strong>m Erdbo<strong>de</strong>n aufgebaut wäre, son<strong>de</strong>rn einige Zentimeter<br />
hoch schwebte. Wir glauben nicht an Gott als einzigen Gott, son<strong>de</strong>rn an Götter.<br />
Wie <strong>de</strong>m einzigen Gott eine einzige Welt entspricht, entsprechen Götter verschie<strong>de</strong>nen<br />
Welten, und zwar nicht nur wirklichen Welten, son<strong>de</strong>rn auch potentiellen Welten. Uns<br />
scheinen also die Geister z.B. in <strong>de</strong>n vier Elementen, die Paracelsus phantasievoll dargestellt<br />
hat, nicht so ganz fremd, weil wir sie als eine Art von genius loci fin<strong>de</strong>n können.«<br />
In <strong>de</strong>n <strong>Ges</strong>prächen mit Professor Okabe wur<strong>de</strong> in wachsen<strong>de</strong>r Erkenntnis <strong>de</strong>utlich,<br />
dass Menschen von einer Sendung überzeugt sein können, die sie zu entsprechen<strong>de</strong>m<br />
Han<strong>de</strong>ln drängt. Eben dieses Erleben veranlasst zum Nach-Denken; es hat etwas zu tun<br />
mit <strong>de</strong>m Auftrag <strong>de</strong>s Menschen. Der Hohenheimer äußert sich im »drit capitel. De compositione<br />
humana« seiner »Astronomia Magna« wie folgt (3): »...<strong>de</strong>r mensch sol on alle<br />
einred und aufzug sein ampt volbringen, darumb in got beschaffen hat und das nicht<br />
wi<strong>de</strong>rbellen o<strong>de</strong>r verachten. dan wo wir im liecht <strong>de</strong>r natur nit das volen<strong>de</strong>n, das got<br />
2<br />
EDITORIAL
durch uns haben wil, es muß ein rechnung darumb gegeben wer<strong>de</strong>n am jüngsten tag...<br />
also hat got <strong>de</strong>n menschen beschaffen, das seine unsichtbaren werk durch das sichtbar<br />
geschehen sollen, das ist, durch <strong>de</strong>n menschen. darumb beschicht solches durch das<br />
sichtbar, das dan die person <strong>de</strong>s menschen ist, durch welche götliche werk offenbar<br />
wer<strong>de</strong>n, das dan gottes wil ist.«<br />
Dem ist nichts hinzuzufügen, es sei <strong>de</strong>nn, man ordnet die For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />
seiner Ethik (Lehre vom sittlichen Wollen und Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Menschen!) zu und<br />
hält sie sich als Spiegel vor: Was ist mein »ampt«, für das ich Rechenschaft abzulegen<br />
habe vor Gott?<br />
Die Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft begeht in diesen Tagen ihr zehnjähriges Bestehen.<br />
Dieses Jubiläum ist uns Anlass zu großer Freu<strong>de</strong> und Dankbarkeit. Dass die<br />
Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft nach so kurzer Zeit einen geachteten und eben ihren<br />
Platz neben <strong>de</strong>n Schwestergesellschaften gefun<strong>de</strong>n hat, ist neben vielen sachlichen vor<br />
allem sehr bereichern<strong>de</strong>n persönlichen Kontakten zu <strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>nten wie Vorstandsmitglie<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r Internationalen und Schweizerischen Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft zu danken.<br />
Wir danken in ehren<strong>de</strong>m Ge<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>n verstorbenen Gründungsmitglie<strong>de</strong>rn für ihren<br />
rastlosen Einsatz in <strong>de</strong>r so schwierigen Anfangszeit: Herr OMR Dr. med.Wolfgang Klinger,<br />
erster Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft (gest. 2000), Frau Ursula<br />
Gul<strong>de</strong>, erste stellvertreten<strong>de</strong> Vorsitzen<strong>de</strong> (gest. 1999) sowie Herrn Prof.em.Dr.-Ing. Gottfried<br />
Heinicke, Mitbegrün<strong>de</strong>r (gest. 1993). Wir danken <strong>de</strong>m Urania-Vortragszentrum<br />
Dres<strong>de</strong>n und seinem <strong>Ges</strong>chäftsführer, Herrn Dipl.-Ing. Karl-Heinz Kloppisch, für eine<br />
hervorragen<strong>de</strong> Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>bei</strong> Vortragsveranstaltungen sowie Exkursionen. Nicht<br />
min<strong>de</strong>r herzlich danken wir <strong>de</strong>r Oberlausitzischen <strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften zu<br />
Görlitz und ihrem bisherigen Präsi<strong>de</strong>nten, Herrn Prof.Dr.phil habil.Ernst-Heinz Lemper,<br />
für ein anregen<strong>de</strong>s Miteinan<strong>de</strong>r, für die Vertiefung <strong>de</strong>r Erkenntnisse in <strong>de</strong>n Beziehungen<br />
zwischen Jakob Böhme und Paracelsus sowie für die Öffnung von Wegen in <strong>de</strong>n nie<strong>de</strong>rschlesischen<br />
Kulturkreis. Mit beson<strong>de</strong>rer Herzlichkeit jedoch danken wir allen unseren<br />
Mitglie<strong>de</strong>rn, ob in unserem Vaterland o<strong>de</strong>r im Ausland, für ihre Treue, für ihr Interesse<br />
an unseren Veranstaltungen und für die Spen<strong>de</strong>n, die unserer Ar<strong>bei</strong>t bisher eine sichere<br />
materielle Basis schufen.<br />
Am 24. März 2001 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>s zehnjährigen Bestehens <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft im Deutschen Hygiene-Museum zu Dres<strong>de</strong>n mit einer festlichen Jahreshauptversammlung<br />
gedacht. Wir gehen, gestützt auf das Vertrauen unserer Mitglie<strong>de</strong>r<br />
und auf das harmonische Verhältnis mit unseren Schwestergesellschaften, in froher<br />
Zuversicht an die Lösung <strong>de</strong>r vor uns liegen<strong>de</strong>n Aufgaben, <strong>de</strong>nn:<br />
»...<strong>de</strong>r mensch sol on alle einred und aufzug sein ampt volbringen,<br />
darumb in got beschaffen hat« (Paracelsus, XII/59)<br />
Vorstand und Verwaltungsrat<br />
<strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
(1) PARACELSUS: Vom Licht <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>s Geistes<br />
Eine Auswahl<br />
Hrg. Kurt Goldammer<br />
Philipp Reclam jun. Stuttgart 1984 S.154<br />
(2) »Manuskripte –Thesen – Informationen« Heft 15 – 1/2000 S. 27<br />
Hrg. Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
(3) PARACELSUS: Sämtliche Werke<br />
Hrg. Karl Sudhoff XII/59<br />
3
Vorab einige grundsätzliche Bemerkungen:<br />
1. Ich vertrete die These, dass Paracelsus<br />
und Böhme (*) als eigenständige Denker auf<br />
einen Weg <strong>de</strong>r Erkenntnis verwiesen, <strong>de</strong>r<br />
sich nicht mit <strong>de</strong>m »Weg« <strong>de</strong>r »Vielen« zu<br />
ihren Zeiten und in ihrem Lebensraum<br />
<strong>de</strong>ckt. <strong>Ges</strong>chichte und Zeit haben sich für<br />
Paracelsus und Böhme in ihrem bisherigen<br />
»Verlauf« ver-laufen – sie sind für <strong>bei</strong><strong>de</strong><br />
Denker zu korrigieren!<br />
Einen eigenen Weg suchen und beschreiten<br />
– dies ist eine Grundlage für wesentliches<br />
und damit beständiges Denken. Sowohl<br />
für Paracelsus als auch für Böhme<br />
war dieser Schritt wichtig. Die Deutlichkeit<br />
dieser Erfahrung ist für <strong>bei</strong><strong>de</strong> Denker v.a.<br />
aus ethischen <strong>Ges</strong>ichtspunkten gegeben.<br />
Paracelsus schreibt so 1533 in seiner kleinen<br />
Schrift: »Der Krieg als Sün<strong>de</strong>; insbeson<strong>de</strong>re<br />
<strong>de</strong>r weltanschauliche Krieg« (1):<br />
»Denn das Gebot muß <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n Christen gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n, das ist: seinem Rat muß gefolgt<br />
wer<strong>de</strong>n. Darum führt ihr sie mit euren Rechtssprüchen<br />
in die Fehle <strong>de</strong>r Gebote, als töten, steh-<br />
4<br />
Dr. Andreas Gauger<br />
DAS RINGEN UM GANZHEITLICHE ERKENNTNIS<br />
AM BEISPIEL VON PARACELSUS UND JACOB BÖHME<br />
»Ein Beitrag zu <strong>de</strong>n Merkmalen einer philosophia perennis«.<br />
Was haben uns Paracelsus (1493–1541) und Jacob Böhme (1575–1624) – zwei <strong>de</strong>r<br />
faszinierendsten <strong>Ges</strong>talten <strong>de</strong>r abendländischen Geistesgeschichte – heute noch zu<br />
sagen?<br />
Was mag es bringen, sich mit solchen Inhalten <strong>de</strong>r Vergangenheit zu beschäftigen?<br />
Es wird in <strong>de</strong>m Vortrag versucht, diesen Fragen etwas auf <strong>de</strong>n Grund zu gehen und da<strong>bei</strong><br />
v.a. die tiefe Menschlichkeit und die große spirituelle Sehnsucht in ihrem inneren Ringen<br />
und Lei<strong>de</strong>n zu erhellen.<br />
Die Nähe (<strong>de</strong>r zunächst schwierig zu erschließen<strong>de</strong>n Gedankenfülle) dieser Denker zu<br />
<strong>de</strong>n Grundfragen <strong>de</strong>s heutigen Daseins ist erstaunlich und nicht zufällig!<br />
Es ist evi<strong>de</strong>nt, dass das Thema hier nicht erschöpfend behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Vielmehr möchte ich grundsätzliche Gemeinsamkeiten in <strong>de</strong>r Anschauungswelt und in<br />
<strong>de</strong>r Wirkung dieser Anschauungen auf die Moral und Ethik dieser Denker aufzeigen.<br />
Daher wer<strong>de</strong> ich versuchen, folgen<strong>de</strong> Glie<strong>de</strong>rung mit Inhalt zu füllen:<br />
Vorbemerkungen allgemeiner Art<br />
1. Kurze Bemerkungen zu <strong>de</strong>n Lebensumstän<strong>de</strong>n (»Außen«) von Paracelsus und Böhme<br />
2. »Innerer Weg« dieser Denker<br />
3. Schlussfolgerungen und ihre Aktualität<br />
Vorbemerkungen<br />
len und frem<strong>de</strong>s Gut begehren; die drei ratet ihr<br />
durch euer Recht auf einmal zu brechen, und<br />
Gott muß in euren Räten zurücktreten.<br />
Also habt ihr <strong>de</strong>n Schlüssel zu <strong>de</strong>r Weisheit<br />
genommen, die Gottes ist und geht euren Weg;<br />
darum kommet ihr nicht zu Gott.«<br />
Und Böhme wird in seinem letzten<br />
Lebensjahr noch <strong>de</strong>utlicher, wenn er<br />
schreibt:<br />
»...Meister, ich kann nicht mehr ertragen, das<br />
mich irret; wie mag ich <strong>de</strong>n ...Weg... fin<strong>de</strong>n?<br />
Der Meister sprach: Wo <strong>de</strong>r Weg am härtesten<br />
ist, da gehe hin, und was die Welt wegwirft, <strong>de</strong>s<br />
nim dich an; und was sie thut, das thue du<br />
nicht: Wan<strong>de</strong>le <strong>de</strong>r Welt in allen Dingen zuwi<strong>de</strong>r,<br />
so kömmst du <strong>de</strong>n ...Weg zu ihr.<br />
35. ...die Welt liebet nur Trug und Eitelkeit,<br />
und wan<strong>de</strong>lt auf falschem Wege ... dann <strong>de</strong>r<br />
Weg zur Liebe Gottes ist <strong>de</strong>r Welt eine Thorheit,<br />
und aber <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Gottes eine Weisheit ...«<br />
(Vom übersinnlichen Leben, 34-35)<br />
2. Bei<strong>de</strong> waren und sind singuläre Denker –<br />
d.h., trotz ihrer historischen Einordnung
sind sie Phänomene <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>chichte, aber<br />
keine geschichtlichen Phänomene!<br />
Dieser Umstand muss notwendigerweise<br />
in <strong>de</strong>r Betrachtung berücksichtigt wer<strong>de</strong>n<br />
und daher a-historische Aspekte implizieren<br />
(als Ergänzung zu »bloß« historischen<br />
Aspekten, welche die Menschen durch die<br />
Dinge in Zeit und Raum erklärt, aber die<br />
subjektive Sicht <strong>de</strong>s Menschen auf diese<br />
Dinge ignoriert).<br />
Eigentümlicherweise zeigt es sich <strong>bei</strong><br />
dieser Betrachtung, dass subjektive Intuition<br />
und »historisches Ergebnis« in solchen<br />
Fällen oft nicht <strong>de</strong>ckungsgleich sind. Bei<strong>de</strong><br />
Seiten sind aber wichtig!<br />
Demgemäß betrachte ich zunächst (extrem<br />
verkürzt) das historische »Außen« <strong>de</strong>r zwei<br />
Denker, danach werfe ich einen (wie<strong>de</strong>r verkürzten)<br />
Blick auf ihr »Innen«, um schließlich<br />
im Vergleich wichtige Wesensmerkmale<br />
solcher Betrachtung zu erhellen.<br />
3. Ich wer<strong>de</strong> Begriffe verwen<strong>de</strong>n, die keine<br />
Ein<strong>de</strong>utigkeit im gegenwärtigen Sprachgebrauch<br />
erkennen lassen (und dies auch<br />
nicht haben können)!<br />
So wird <strong>de</strong>r Begriff »Mystik« erwähnt<br />
und da<strong>bei</strong> diejenige Erfahrungs-Erkenntnis<br />
von Gott gemeint, die sowohl das Bewusstsein<br />
vom Herkommen aus Gott für das<br />
Subjekt (Hinweg) als auch das Bewusstsein<br />
für das Ziel in Gott für das Subjekt (Rückweg)<br />
<strong>bei</strong>nhaltet.<br />
Außer<strong>de</strong>m wird von »Sophia«, d.h.<br />
»Weisheit«, die Re<strong>de</strong> sein. Diese »Weisheit«<br />
wird erstrebt von <strong>de</strong>r »Philo-Sophie«.<br />
Philo-Sophisch gibt es da<strong>bei</strong> drei Haupt-<br />
Möglichkeiten, diese Weisheit zu erlangen:<br />
1. Über eine Weisheit in <strong>de</strong>r Mensch-Erkenntnis<br />
(d.h.»Anthropo-Sophie«);<br />
2. Über eine Weisheit in <strong>de</strong>r Natur-<br />
Erkenntnis (d.h. »Kosmo-Sophie«) und<br />
3. Über eine Weisheit in <strong>de</strong>r Gott-Erkenntnis<br />
(d.h. »Theo-Sophie« i.e.S.)<br />
Die Summe dieser Weisheiten heiße ich<br />
All-Weisheit (»Pan-Sophie«) und diese ist,<br />
wenn sie das mystische Ziel in und aus<br />
Gott erreicht hat, eine »Theo-Sophie<br />
i.w.S.«!<br />
Der Begriff »Theosophie« (i.e.S.) wird<br />
von mir allgemein in <strong>de</strong>rjenigen Form gebraucht,<br />
<strong>de</strong>r zu Böhmes Lebenszeit üblich<br />
war. Am besten charakterisiert J.V. Andreä<br />
(1586–1654) <strong>de</strong>n Begriff »Theosophie«<br />
(i.e.S. – Anm. A.G.) in seiner »Christianopolis«<br />
(1619), wo diese begriffen wird als:<br />
»...eine Wissenschaft, die nichts zu erkennen<br />
sucht, was mit menschlicher Erfindung und Forschung<br />
zu tun hat, son<strong>de</strong>rn alles Gott verdankt.<br />
Wo die Natur aufhört, fängt sie an, und, vom<br />
höchsten göttlichen Geheimnis selbst belehrt,<br />
hütet sie fromm ihre Geheimnisse...« (2)<br />
Dieses mag als Vorbemerkung genügen<br />
und wir wen<strong>de</strong>n uns nun Paracelsus und<br />
Böhme zu:<br />
1. Kurze Bemerkungen zu <strong>de</strong>n Lebensumstän<strong>de</strong>n von Paracelsus und Böhme<br />
a) Paracelsus<br />
Paracelsus wur<strong>de</strong> 1493/94 als Theophrastus<br />
<strong>Bombastus</strong>(PhilippusAureolus)von Hohenheim<br />
in Einsie<strong>de</strong>ln geboren (und nannte<br />
sich selbst ab 1529 in astrologisch-politischen<br />
Broschüren »Paracelsus«). Er bekun<strong>de</strong>t<br />
eine hohe Achtung vor <strong>de</strong>r Autorität<br />
<strong>de</strong>s Vaters, mit <strong>de</strong>m er 1502 nach Villach<br />
übersie<strong>de</strong>lt. 1509 nahm er ein Studium in<br />
Wien auf und schloss es letztlich 1516 in<br />
Ferrara mit <strong>de</strong>r Promotion zum »doctor<br />
bey<strong>de</strong>r arzneyen« ab. Danach verdingte er<br />
sich in verschie<strong>de</strong>nen Kriegen als Feldarzt<br />
und wan<strong>de</strong>rte so bis 1524 durch ganz<br />
Europa; nach eigener Auskunft<br />
»...gen Granaten, gen Lizabon, durch Hispanien,<br />
durch England, durch <strong>de</strong>n Mark, durch<br />
Prüchsen, durch Litau, durch Poland, Ungern,<br />
Walachi, Sibenbürgen, Crabaten, Windisch<br />
mark, auch sonst an<strong>de</strong>re len<strong>de</strong>r ...« (X, 19f)<br />
Schließlich fin<strong>de</strong>t er sich wie<strong>de</strong>r in Villach<br />
ein. 1524 versucht er sich in Salzburg<br />
als Arzt nie<strong>de</strong>rzulassen, muss aber wegen<br />
seiner Sympathien mit aufständischen<br />
Bauern die Stadt wie<strong>de</strong>r verlassen. 1526 erwirbt<br />
er in Straßburg das Bürgerrecht und<br />
geht schließlich 1527, auf Empfehlung<br />
seines Patienten Erasmus von Rotterdam,<br />
als Stadtmedicus nach Basel.<br />
Seine starke Ablehnung <strong>de</strong>r vorherrschen<strong>de</strong>n<br />
scholastischen Medizin zwang<br />
ihn bereits 1528 zur Flucht aus Basel.<br />
Da die Ablehnung starrer Gedankengebil<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Institutionen zum Wesensmerk-<br />
5
mal eigenständiger Denker gehört, sei<br />
als Beispiel für Paracelsus nur auf jenes<br />
Flugblatt vom 5. Juni 1527 verwiesen, was<br />
er provokanterweise in Latein verfasste<br />
(damit es auch die »Gelehrten« richtig<br />
lesen). Dort heißt es z.B.: »...Da ganz allein<br />
die Medizin ...nur wenige <strong>de</strong>r Doktoren sie<br />
heute mit Glück ausüben, ...wollen wir sie von<br />
<strong>de</strong>n schwersten Irrtümern reinigen, nicht <strong>de</strong>n<br />
Regeln <strong>de</strong>r Alten zugetan, son<strong>de</strong>rn ausschließlich<br />
<strong>de</strong>njenigen, die wir aus <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r<br />
Dinge ...und in langer Übung und Erfahrung<br />
bewährt gefun<strong>de</strong>n haben. Wer weiß es <strong>de</strong>nn<br />
nicht, daß die meisten Ärzte heutiger Zeit zum<br />
größten Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kranken in übelster Weise<br />
daneben gegriffen haben, da sie allzu sklavisch<br />
am Wort <strong>de</strong>s Hippokrates, Galenos und<br />
Avicenna und an<strong>de</strong>rer geklebt haben, ...Wenns<br />
Gott gefällt, kann man auf diesem Wege wohl<br />
zu blen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Doktortiteln gelangen, wird aber<br />
niemals ein wahrer Arzt. Nicht Titel und Beredsamkeit,<br />
nicht Sprachenkenntnisse, nicht die<br />
Lektüre zahlreicher Bücher... sind Erfor<strong>de</strong>rnisse<br />
eines Arztes, son<strong>de</strong>rn die tiefste Kenntnis <strong>de</strong>r<br />
Naturdinge und Naturgeheimnisse...« (IV, 3)<br />
Solcherart Äußerungen wur<strong>de</strong>n und<br />
wer<strong>de</strong>n in menschlichen Gemeinschaften<br />
von <strong>de</strong>n »Machern« <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>ellschaft nicht<br />
gern gehört. Paracelsus floh von nun an,<br />
bis zu seinem To<strong>de</strong> 1541, quer durch Ober<strong>de</strong>utschland<br />
und fand seine Ruhe erst auf<br />
<strong>de</strong>m Salzburger Armenfriedhof.<br />
Der Nachwelt wur<strong>de</strong> er hauptsächlich<br />
durch seine zahlreichen Schriften bekannt,<br />
von <strong>de</strong>nen fast alle erst posthum verlegt<br />
wur<strong>de</strong>n. Zu seinen wichtigsten Werken<br />
zählen:<br />
Volumen Paramirum (1524); Herbarius,<br />
De minerabilis, Antimedicus (1527), Spitalbuch<br />
(1529); Paragranum, Paramirum,<br />
Von <strong>de</strong>n unsichtbaren Krankheiten (1531);<br />
Büchlein von <strong>de</strong>r Pest (1534); Astronomia<br />
Magna (1537); Kärntner Trilogie (1538).<br />
Die erste <strong>Ges</strong>amtausgabe erfolgte in 10<br />
Bän<strong>de</strong>n (1589–91) in Basel durch J. Huser.<br />
b) Jacob Böhme<br />
»Es ist <strong>de</strong>r selige Mann Jacob Böhme, im 1575.<br />
Jahre nach Christi unsers Herrn Geburt, zu<br />
Alt-Sei<strong>de</strong>nberg, einem gewesenen Marktflecken,<br />
ohngefehr an<strong>de</strong>rthalb Meilen von Görlitz in<br />
Ober-Lausitz, nach <strong>de</strong>n Gebirge zu, gelegen,<br />
6<br />
von seinem Vater Jacob und seiner Mutter<br />
Ursula, bey<strong>de</strong>n armen und geringen Bauers-<br />
Leuten, guter Teutscher Art, aus christlich und<br />
unbeflecktem Ehebett gezeuget, auf diese Welt<br />
geboren...« (3)<br />
So berichtet <strong>de</strong>r erste Biograph und<br />
Böhme-Freund, A. von Franckenberg,<br />
von <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten und<br />
prägnantesten Persönlichkeit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />
Geisteslebens zwischen Reformation und<br />
Aufklärung.<br />
Kurz vor <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> (1624) <strong>de</strong>s Görlitzer<br />
Schuhmachers und »ersten <strong>de</strong>utschen<br />
Philosophen« (lt.Hegel) hieß es aber seitens<br />
<strong>de</strong>s kirchlichen »Vorgesetzten« Böhmes,<br />
<strong>de</strong>s Pastor primarius an <strong>de</strong>r Görlitzer<br />
Kirche Skt.Peter und Paul, Gregor Richter,<br />
auch:<br />
»So viel als Zeilen sind, so viel sind Gotteslästerungen<br />
in <strong>de</strong>s Schusters Büchern zu befin<strong>de</strong>n,<br />
welche greulich nach Schuster-Pech und<br />
Schwärtze stincken: Pfuy, pfuy! dieser <strong>Ges</strong>tanck<br />
sey ferne von uns. ...Denjenigen Orten hange<br />
grosse Straffe zu, da solche Gottes-Lästerung<br />
ungestraft möge erdacht, geschrieben, ausgesprengt<br />
und geglaubet wer<strong>de</strong>n ... Der Schuster<br />
ist <strong>de</strong>r Anti-Christ. ...Dein Dreck, O Schuster!<br />
hat unsere Stadt heftig besu<strong>de</strong>lt. ...Ach daß alle<br />
diejenigen mit dir weg müsten, welche <strong>de</strong>ine<br />
Schriften lesen.« (4)<br />
Was lag also zwischen <strong>de</strong>n Jahren 1575<br />
und 1624, die zu solch unterschiedlicher<br />
Auffassung über die Person Böhmes<br />
führten?<br />
Das erste gesicherte Datum nach <strong>de</strong>m<br />
Geburtsjahr ist <strong>de</strong>r 24. April 1599, <strong>de</strong>r Tag,<br />
an <strong>de</strong>m Jacob Böhme das Görlitzer Bürgerrecht<br />
als Schuhmachermeister erwarb.<br />
Der von Natur und Statur schwächliche<br />
Böhme besuchte bis dahin wahrscheinlich<br />
nicht nur die einfache Dorfschule (die sogenannte<br />
Küsterschule), son<strong>de</strong>rn auch die<br />
»Stadtschule« in Sei<strong>de</strong>nberg. Seine Ausbildung<br />
umfasste sicher mehr als »etwas lesen<br />
und schreiben«,wie Franckenberg berichtet,<br />
son<strong>de</strong>rn ebenfalls Elementarkenntnisse in<br />
Latein, Rechnen etc.<br />
Er erlernte das Schusterhandwerk und<br />
begab sich (wie damals üblich) auf Wan<strong>de</strong>rschaft.<br />
Bereits am 10. Mai 1599 heiratete er in<br />
Görlitz die Tochter eines wohlhaben<strong>de</strong>n
Fleischermeisters, Katharina Kuntzschmann,<br />
und hatte in <strong>de</strong>r Folge mit ihr vier<br />
Söhne.<br />
In Görlitz sowie auf <strong>de</strong>n Gütern seiner<br />
mäzenatenartigen Bewun<strong>de</strong>rer (vorwiegend<br />
schlesische Adlige, welche <strong>de</strong>m Gedankengut<br />
von C. Schwenckfeld (1489–1561),<br />
Paracelsus (1493–1541), Valentin Weigel<br />
(1533–1588) und an<strong>de</strong>ren (ähnlich umstrittenen)<br />
I<strong>de</strong>en aufgeschlossen gegenüberstan<strong>de</strong>n),verfasste<br />
dann Böhme jene Werke,<br />
die ihn in <strong>de</strong>r Welt bekannt wer<strong>de</strong>n ließen:<br />
von <strong>de</strong>r (abgebrochenen) Erstlingsschrift<br />
»Aurora« (1612) bis zu <strong>de</strong>r (ebenfalls abgebrochenen)<br />
»Betrachtung göttlicher Offenbarung,<br />
gestellet in 177 Fragen« (1624).<br />
Ausgangspunkt seiner schriftstellerischen<br />
Tätigkeit waren mehrere Visionen und<br />
Theophanien, die ihn zutiefst berührten<br />
und zur Reflexion drängten.<br />
Im Juli 1613 wur<strong>de</strong> er wegen seiner<br />
»Aurora« zum Rat <strong>de</strong>r Stadt zitiert, an seinen<br />
Leisten verwiesen, auf <strong>de</strong>n lutherischen<br />
Glauben geprüft und schließlich – <strong>bei</strong><br />
Androhung von ernster Strafe – darauf<br />
verpflichtet, künftig höchstens Schuhe,<br />
aber keineswegs solche Schriften zu produzieren.<br />
Da jedoch hatte Böhme bereits<br />
seine Schuhbank verkauft – wohl in <strong>de</strong>r<br />
Hoffnung, vom Han<strong>de</strong>l zu leben und die<br />
Schriftstellerei zu betreiben.<br />
Böhme hielt sich – trotz andauern<strong>de</strong>r<br />
pastoraler Schmähungen – fast 6 Jahre an<br />
das Schreibverbot. Erst das Jahr 1618<br />
brachte eine erneute Wen<strong>de</strong>. Der 30jährige<br />
Krieg begann und Böhme hatte in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren seine Erkenntnisse extrem<br />
verdichtet.<br />
Der Han<strong>de</strong>l – vorwiegend mit Garn und<br />
Le<strong>de</strong>r sowie <strong>de</strong>ren Produkten – ermöglichte<br />
ihm das Reisen (so v.a. nach Schlesien,<br />
Sachsen und Böhmen) und damit das<br />
Kennenlernen neuer I<strong>de</strong>en und Anschauungen.<br />
Seine grundsätzliche Meinung,<br />
welche eigentlich über seinem Leben und<br />
Werk zu stehen hätte, lautet:<br />
»Ich habe meine Wissenschaft nicht von<br />
Wahn o<strong>de</strong>r Meinungen, wie ihr; son<strong>de</strong>rn ich<br />
habe eine lebendige Wissenschaft in <strong>de</strong>r Beschaulichkeit<br />
und Empfindlichkeit: Ich darf<br />
keinen Doctor <strong>de</strong>r Schulen dieser Welt darzu;<br />
<strong>de</strong>nn von ihnen habe ichs nicht gelernet...<br />
54. Liebe Herren und Brü<strong>de</strong>r in Christo, seyd<br />
doch Schüler <strong>de</strong>r Weisheit Gottes...<br />
55. Was ists, daß ich ...verstün<strong>de</strong> nicht,<br />
was die Weisen haben gere<strong>de</strong>t ...wann ich nicht<br />
auch <strong>de</strong>nselben Geist habe, <strong>de</strong>n sie gehabt,...<br />
56. Zu solcher Erkentnis gehöret nicht Wähnen,<br />
und ...einen Hauffen Sprüche zusammen tragen:<br />
Das hat kein Heiliger o<strong>de</strong>r Weiser gethan;<br />
son<strong>de</strong>rn ein lebendiger Geist aus Gott, <strong>de</strong>r Mysterium<br />
schauen mag...« (Anti-Tilke II,53-56)<br />
Böhme setzt also seine Schau gegen die<br />
Dogmen <strong>de</strong>r gelehrten Meinungshüter.<br />
In <strong>de</strong>n knapp 7 Jahren von 1618–1624<br />
schrieb Böhme so wichtige Werke wie:<br />
Beschreibung <strong>de</strong>r drey Principien Göttliches<br />
Wesens (1619); Vom Dreyfachen<br />
Leben <strong>de</strong>s Menschen; Von <strong>de</strong>r Menschwerdung<br />
Jesu Christi; Mysterium Pansophicum<br />
(1620); Signatura rerum (1622);<br />
Von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>nwahl, Mysterium Magnum<br />
(1623); sowie verschie<strong>de</strong>ne Tractate seines<br />
»Weg zu Christo« (zwei dieser Tractate<br />
erschienen bereits 1624 unter diesem Titel<br />
im Druck).<br />
Neben seinen Werken sind es vor allem<br />
seine erhalten gebliebenen »Theosophischen<br />
Sendbriefe«, welche Aufschluss über<br />
das Leben <strong>de</strong>s Jacob Böhme geben.<br />
1624 wird Böhme erneut in Dres<strong>de</strong>n<br />
auf seinen Glauben geprüft, reist noch einmal<br />
nach Schlesien und kehrt von dieser<br />
Reise – bereits todkrank – am 7. November<br />
nach Görlitz zurück. Sein Leibarzt und<br />
Freund, <strong>de</strong>r Paracelsist Dr.Tobias Kober,<br />
pflegt <strong>de</strong>n Kranken, kann aber <strong>de</strong>ssen Tod<br />
am16./17.November 1624 nicht verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Die Kirche verweigerte Böhme ein<br />
or<strong>de</strong>ntliches Begräbnis. Das von Freun<strong>de</strong>n<br />
gestiftete Grabkreuz wird zunächst verwehrt<br />
und umgehend wie<strong>de</strong>r entfernt – <strong>de</strong>r<br />
Pöbel nochmals gegen <strong>de</strong>n toten Böhme<br />
aufgehetzt. Eines wur<strong>de</strong> durch das Verhalten<br />
gegen <strong>de</strong>n Toten sehr <strong>de</strong>utlich: Böhme<br />
hatte nicht nur einen persönlichen Gegner<br />
in <strong>de</strong>r Kirche (Richter), son<strong>de</strong>rn es waren<br />
<strong>de</strong>ren viele. Böhmes Leben und Werk lässt<br />
sich mit <strong>de</strong>r Theologie <strong>de</strong>r Kirche(n) nicht<br />
in Übereinstimmung bringen! Er war, ist<br />
und bleibt jemand, <strong>de</strong>r sich je<strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ologischen<br />
Zuordnung entzieht (aber umgekehrt<br />
von zahlreichen I<strong>de</strong>ologen missbraucht<br />
wur<strong>de</strong> und wird).<br />
7
c) Zusammenfassung zu 1.<br />
Rein äußerlich unterschei<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r Arzt<br />
und Mediziner Paracelsus sowie <strong>de</strong>r Schuhmacher<br />
Böhme also scheinbar erheblich.<br />
Hie <strong>de</strong>r weitgereiste und stolz auf Erfahrung<br />
und Wissen Seien<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mische<br />
Provokateur und bis an sein Lebensen<strong>de</strong><br />
Suchen<strong>de</strong>; dort <strong>de</strong>r bo<strong>de</strong>nständige Schuster<br />
und »Philosophus <strong>de</strong>r Einfältigen«, <strong>de</strong>r<br />
duldsame und <strong>de</strong>mütige, aber selbstbewusste<br />
Denker, <strong>de</strong>r aus Gott sprechen<strong>de</strong><br />
Theosoph und Mystiker.<br />
Dennoch weisen <strong>bei</strong><strong>de</strong> Persönlichkeiten<br />
wichtige Übereinstimmungen im äußeren<br />
Leben auf, die für ihre Entwicklung be<strong>de</strong>utsam<br />
wer<strong>de</strong>n sollten.<br />
Bei<strong>de</strong> waren in ihrer sozialen Haltung<br />
<strong>de</strong>m »kleinen Mann« verpflichtet. Paracelsus<br />
unterstützte die Bauernbewegung und<br />
war als Arzt v.a. <strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Bevölkerung<br />
verpflichtet – gemäß einem seiner<br />
sozial motivierten Grundsätze: »Du sollst<br />
<strong>de</strong>inen nächsten in seiner not helfen, und sei es<br />
an sabbath.« (vgl. IX,334)<br />
Böhme schreibt z.B.:<br />
»Wer war Habel? ein Schäfer: Wer war Henoch<br />
und Noa? einfältige Leute: Wer war Abraham,<br />
Isaac und Jacob? Viehehirten waren sie: Wer<br />
war Mose, <strong>de</strong>r theure Mann Gottes? ein Viehehirte:<br />
Wer war David, als ihn <strong>de</strong>s Herrn Mund<br />
berief? ein Schäfer. Wer waren die Propheten<br />
groß und klein? gemeine und geringe Leutlein;<br />
... man hielt sie nur für Narren. ...<br />
4. Nun wie kam unser König Jesus Christus in<br />
diese Welt? arm und in grossem Kummer und<br />
Elen<strong>de</strong>...<br />
5. Wer waren seine Apostel? arme, verachtete,<br />
ungelehrte Fischerknechte. Wer gläubete ihren<br />
Predigten? das arme, geringe Völklein.<br />
Die Hohen und Schriftgelehrten waren Christi<br />
Henkersknechte,...<br />
6. Wer ist je und allwege bey <strong>de</strong>r Kirche Christi<br />
am festesten gestan<strong>de</strong>n? das arme verachtete<br />
Völklein;... Wer hat die rechte reine christliche<br />
Lehre verfälschet, und je und allwege angefochten?<br />
die Schriftgelehrten, Päbste, Cardinäle,<br />
Bischöfe und grosse Hansen....<br />
7. Wer hat <strong>de</strong>s Pabsts Geldsucht, Abgötterey,<br />
Finanzen und Betrug in Teutschland aus <strong>de</strong>r<br />
Kirchen gefeget? ein armer verachteter Münch....<br />
8<br />
8. Was ist noch verborgen? die rechte Lehre<br />
Christi? nein, son<strong>de</strong>rn die Philosophia und <strong>de</strong>r<br />
tieffe Grund Gottes,...« (Aurora 9,3-8)<br />
Bei<strong>de</strong> schrieben <strong>de</strong>utsch. Sie hatten Verfolgung<br />
und Bestrafung wegen ihrer Äußerungen<br />
zu erlei<strong>de</strong>n und entwickelten ein<br />
eigenständiges »Selbst«. Deutlich war ihre<br />
Ablehnung von Autoritäten, Dogmen und<br />
Riten, welche in ihrer Beschränkung <strong>de</strong>r<br />
freien Entfaltung <strong>de</strong>s »Selbst« als unzeitgemäß<br />
empfun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n; <strong>bei</strong><strong>de</strong> griffen<br />
die Schulwissenschaften als unvollkommen<br />
an und entwickelten da<strong>bei</strong> eine ähnliche<br />
Sprache, ähnliche Gedanken und<br />
ethische Konsequenzen. Schließlich waren<br />
<strong>bei</strong><strong>de</strong> <strong>bei</strong> ihrem Tod verkannt, verachtet,<br />
verketzert und totgeschwiegen und lediglich<br />
im Bewusstsein einer kleinen, dafür<br />
aber sehr treuen (oft esoterischen) Anhängerschaft<br />
lebendig.<br />
Und noch eine Gemeinsamkeit hatten<br />
sie – nämlich in <strong>de</strong>m, was sie nicht waren:<br />
sie waren keine »Philosophen« im schulmäßigen<br />
Sinne, son<strong>de</strong>rn sie waren dies im<br />
eigentlichen Sinn (hatten ein aus <strong>de</strong>m Herzen<br />
kommen<strong>de</strong>s »Streben nach Weisheit«).<br />
Sie waren keine Reformatoren, nicht<br />
»Faust«, nicht Alchemie, Gnosis o<strong>de</strong>r<br />
Mystik – son<strong>de</strong>rn sie waren dies alles und<br />
doch wie<strong>de</strong>r nicht!<br />
Ihr Werk war keine Wissenschaft, kein<br />
»System«, keine Ethik – und <strong>de</strong>nnoch<br />
tiefste Erkenntnis und Wissenserweiterung,<br />
strukturelles und auf einem festen »metaphysischen<br />
Zentrum« (um einen Ausdruck<br />
Schopenhauers zu gebrauchen) beruhen<strong>de</strong>s<br />
Denken. Es war <strong>de</strong>r höchsten<br />
moralischen Norm (nämlich <strong>de</strong>r Gottes)<br />
verpflichtet und daher auf eine echte<br />
»Ethik« gerichtet.<br />
Bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r hier betrachteten Denker<br />
haben also, trotz – und dies sei ausdrücklich<br />
betont! – zahlreicher Unterschie<strong>de</strong> in<br />
ihrer Lebens-, Erfahrungs- und Gedankenwelt,<br />
wesentliche Gemeinsamkeiten, die<br />
sich auch im Kern ihrer »inneren« Entwicklung<br />
und Gedankenwelt wi<strong>de</strong>rspiegeln.<br />
Diese sollen im Folgen<strong>de</strong>n interessieren;<br />
wo<strong>bei</strong> ich mich aus Zeitgrün<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re<br />
auf 3 Punkte beschränken wer<strong>de</strong>:
1. Die Entwicklung einer »ternarisch«<br />
(»dialektisch«) strukturierten Denkart als<br />
Überwindung <strong>de</strong>r »Zweiwertigkeit«.<br />
(Sinn- und Wegsuche)<br />
2. Die Anwendung dieser Denkart in <strong>de</strong>n<br />
Analogbereichen »Makrokosmos« und<br />
»Mikrokosmos«. (Zielsuche)<br />
3. Die »pansophische« Zentrierung <strong>de</strong>r gewonnenen<br />
Erkenntnisse auf ein »Wesen«.<br />
(Sinn-, Weg- und Zielfindung)<br />
2. »Innerer Weg« von Paracelsus und Böhme<br />
a) Paracelsus<br />
Ausgehend von seinem Wahlspruch: »Es<br />
sei keiner eines an<strong>de</strong>rn Knecht, <strong>de</strong>r sein eigener<br />
Herr zu sein vermag!« (5) entwickelte Paracelsus<br />
eine eigene Lehre, die sich in seinen<br />
Frühwerken erst un<strong>de</strong>utlich, später <strong>de</strong>utlicher<br />
und am stringentesten in <strong>de</strong>r »Astronomia<br />
Magna o<strong>de</strong>r Philosophia sagax«<br />
(1538) zeigt.<br />
Die Grundtrinität <strong>de</strong>r Betrachtung bil<strong>de</strong>t<br />
das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r 3 Bereiche <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkerischen<br />
Wirklichkeit: Gott – Natur – Mensch. Sie<br />
müssen einan<strong>de</strong>r entsprechen und sich ergänzen.<br />
Demgemäß entwickelt Paracelsus 3 Philosophien:<br />
a) eine allgemeine, aus astronomischer<br />
und menschlicher Betrachtung gewonnene<br />
»philosophia communis« (o<strong>de</strong>r:<br />
gemeine Philosophie); b) eine »philosophia<br />
a<strong>de</strong>pta« (bzw. »sagax«) und letztlich<br />
c) eine »philosophia a<strong>de</strong>pta coelestis«.<br />
Die <strong>bei</strong><strong>de</strong>n ersten erhellen mit <strong>de</strong>m<br />
»Licht <strong>de</strong>r Natur« die Dinge <strong>de</strong>r Welt und<br />
<strong>de</strong>s Geistes, wo<strong>bei</strong> die Welt <strong>de</strong>s Geistes<br />
auch eines beson<strong>de</strong>ren »Licht <strong>de</strong>s Geistes«<br />
bedarf, um restlos erhellt zu wer<strong>de</strong>n. Dies<br />
ist für Paracelsus dann die höchste Form<br />
<strong>de</strong>r Erkenntnis, wo sich das »Licht <strong>de</strong>r<br />
Natur« und das »Licht <strong>de</strong>s Geistes« verbin<strong>de</strong>n.<br />
Solcherart Erkenntnis lässt die<br />
grundsätzliche Einheit von Gott – Natur<br />
(Himmel und Er<strong>de</strong>) – Mensch <strong>de</strong>utlich<br />
wer<strong>de</strong>n. So schreibt er z.B.: »Nichts ist im<br />
Himmel noch auf Er<strong>de</strong>n, das nicht im Menschen<br />
sei... Denn Gott, <strong>de</strong>r im Himmel ist, <strong>de</strong>r ist<br />
im Menschen. Denn wo ist <strong>de</strong>r Himmel als <strong>de</strong>r<br />
Mensch? – Wir sind auch Götter, darum,<br />
das wir seine kin<strong>de</strong>r sind; aber <strong>de</strong>r Vater selbst<br />
nicht...« (6)<br />
Den Ausgang seiner Erkenntnisse bil<strong>de</strong>te<br />
die Betrachtung und Erforschung <strong>de</strong>r<br />
5 »Entien« (im »Volumen medicinae Paramirum«<br />
1520).<br />
Da<strong>bei</strong> beziehen sich die ersten 3 als:<br />
- Ens astrorum (Ens astrale)<br />
- Ens veneni (Venenum = Gift)<br />
- Ens naturale (als »Mitte« <strong>de</strong>r Entien)<br />
auf <strong>de</strong>n Leib; sowie das<br />
- Ens spirituale und das<br />
- Ens Dei auf <strong>de</strong>n Geist.<br />
Interessanterweise kommt Paracelsus über<br />
diese Entien-Lehre zu einer 3 Prinzipien-<br />
Lehre, welche in <strong>de</strong>n drei (4) Traktaten <strong>de</strong>s<br />
»Opus Paramirum« (1531) entwickelt wird<br />
(han<strong>de</strong>ln über philosophia, astronomia, alchemia<br />
und die proprietas – Redlichkeit,<br />
Ethik)), die ich hier nur erwähne.<br />
Der Grundgedanke besteht darin, dass<br />
sich die 4 Elemente (Wasser, Feuer, Er<strong>de</strong>,<br />
Luft) dynamisch in 3 »Kräften <strong>de</strong>r Natur«<br />
zeigen und auflösen, welche Paracelsus –<br />
in Anlehnung an alchemistische Vorstellungen<br />
– mit<br />
- Mercurius (Quecksilber – Prinzip <strong>de</strong>r<br />
Flüchtigkeit)<br />
- Sulphur (Schwefel – Prinzip <strong>de</strong>r Brennbarkeit)<br />
und<br />
- Sal (Salz – Prinzip <strong>de</strong>r Rückständigkeit)<br />
bezeichnet.<br />
Da sich diese 3 Prinzipien in <strong>de</strong>r Welt und<br />
im Menschen, in <strong>de</strong>r Naturerkenntnis<br />
(Philosophie) und <strong>de</strong>r Astronomie (Astrologie)<br />
zeigen und fin<strong>de</strong>n lassen, ist es prinzipiell<br />
auch möglich, in <strong>de</strong>r Betrachtung<br />
<strong>de</strong>s EINEN eine Erkenntnis vom<br />
GANZEN zu haben. Mensch und Natur<br />
müssen ähnlich strukturiert sein – ebenso<br />
wie GOTT. Denn:<br />
»...diese drei machen <strong>de</strong>n ganzen menschen<br />
und sind <strong>de</strong>r mensch selbs und er ist sie; aus<br />
<strong>de</strong>nen und in <strong>de</strong>nen hat er al sein guts und böses<br />
betreffend <strong>de</strong>n physicum corpus... Darauf ist<br />
nun not, das die drei ding durch <strong>de</strong>n arzt wol<br />
sollen erkennet wer<strong>de</strong>n...« (IX,40)<br />
9
So kann <strong>de</strong>r Arzt, als wahrer A<strong>de</strong>pt, die<br />
Herstellung <strong>de</strong>r Heilmittel auch alchemisch<br />
betreiben (was wir heute Iatro-Chemie;<br />
also Arzt-Chemie heißen). Außer<strong>de</strong>m folgt<br />
aus dieser Analogie zwingend, dass in ein<br />
und <strong>de</strong>mselben Ding o<strong>de</strong>r Mittel »guts<br />
und böses« (vgl. auch VI, 246) enthalten<br />
sein muss, d.h. in je<strong>de</strong>m »corpus« und<br />
Leib muss »Gift gleich so wohl... als <strong>de</strong>r Balsam«<br />
(vgl. ebd.) enthalten sein; in je<strong>de</strong>m<br />
Arcanum (die z.T. geheimen Wirk-Mittel,<br />
z.B. Elixiere, Heilmittel etc.) fin<strong>de</strong>t sich<br />
dieses. Und so kommt er in <strong>de</strong>r »Astronomia<br />
Magna« zur Erklärung <strong>de</strong>s Wesens <strong>de</strong>r<br />
Philosophia a<strong>de</strong>pta:<br />
» ...so merkent am ersten ...das alle die<br />
irdische corpora über das, das sie von elementen<br />
haben, eine firmamentische kraft und tugent mit<br />
tragen, also wo ein elementisch corpus ist, da<br />
ist auch ein firmamentische eigenschaft, <strong>de</strong>r nun<br />
weiß, was firmamentisch ist im elementischen<br />
corpus, <strong>de</strong>r ist philosophus a<strong>de</strong>ptus ...zu gleicher<br />
weis wie ein schüler lernet von seinem schulmeister,<br />
also mag auch <strong>de</strong>r mensch lernen in<br />
a<strong>de</strong>pta philosophia durch die himmlischen<br />
praeceptores.« (XII, 97f)<br />
Erlernen und verstehen lässt sich diese<br />
Denkweise nur bis zu einem gewissen<br />
Gra<strong>de</strong>. Sie ist aber folgenreich für die Beziehungen<br />
und Analogien zwischen <strong>de</strong>m<br />
»Mikrokosmos« und <strong>de</strong>m »Makrokosmos«.<br />
Die Mikrokosmos-Makrokosmos-Lehre ist<br />
für das Verständnis von <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Denkens von Paracelsus äußerst wichtig.<br />
Sie geht auf ein hermetisches Prinzip<br />
(wie oben – so unten) zurück, das im ersten<br />
Satz <strong>de</strong>r »Tabula Smaragdina«, <strong>de</strong>r – neben<br />
<strong>de</strong>m gnostischen Poiman<strong>de</strong>r – alchemistischen<br />
Grundschrift <strong>de</strong>s »Corpus Hermeticum«.<br />
Zu ihrem genaueren Verständnis<br />
muss man schon eine »Weisheit« entwickelt,<br />
erkannt und erfahren haben, um<br />
dieses Prinzip »richtig« anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
»Also weiter ist auch zu wissen, das ...philosophia<br />
a<strong>de</strong>pta...vom menschen nicht zu<br />
lernen ist...dan <strong>de</strong>n verstant kan niemants<br />
schreiben...« (XII,193f)<br />
»...philosophia a<strong>de</strong>pta, die selbig weiß alle<br />
verborgene ding, alle heimlikeit, alle arcana <strong>de</strong>r<br />
natur ... wöllen wir nun lernen und erfaren,<br />
was himlisch, was firmamentisch ist in <strong>de</strong>n<br />
10<br />
irdischen corporibus...so müssen wir das lernen<br />
von <strong>de</strong>m philosopho a<strong>de</strong>pto...« (XII,195)<br />
Letztlich gelingt es nur <strong>de</strong>m Einzelnen,<br />
<strong>de</strong>m auf Gott vertrauen<strong>de</strong>n und Gott verstehen<strong>de</strong>n<br />
A<strong>de</strong>pten, diese so gewonnene<br />
All-Weisheit (Pan-Sophie) richtig zu begreifen<br />
und im ethischen Han<strong>de</strong>ln umzusetzen.<br />
Nur <strong>de</strong>r wahre A<strong>de</strong>pt ist wahrhaft<br />
Erkennen<strong>de</strong>r! »Es erkennt niemand Gott als<br />
allein <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r von Gott ist« (XII,326)<br />
Paracelsus meint, ein solcher A<strong>de</strong>pt zu<br />
sein. Er will mit seinen Erkenntnissen die<br />
Welt, die für ihn prinzipiell erkennbar ist,<br />
verän<strong>de</strong>rn. »Denn eine jegliche stun<strong>de</strong> gibt eine<br />
neue art, damit nichts auf <strong>de</strong>r welt gleich bleibt.«<br />
(VI,370)<br />
Man nannte ihn einen »Luther <strong>de</strong>r Medizin«<br />
(was er jedoch persönlich stets für sich<br />
zurückwies). Sein Weg weist bis in die Gegenwart.<br />
Begriffe wie Holismus, Ökologie,<br />
Ethik etc. sind eng mit seinem Namen verknüpft.<br />
Wenn ihm auch die mystische Dimension<br />
fehlt, die z.B. Böhme besaß, so ist<br />
doch sein »Weg« ein richtiger – nicht <strong>de</strong>m<br />
»Ver-Lauf« von <strong>Ges</strong>chichte und Zeit geschul<strong>de</strong>t,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r von Gott gewiesene.<br />
Die »philosophia a<strong>de</strong>pta« <strong>de</strong>s Paracelsus<br />
wur<strong>de</strong> fester Bestandteil <strong>de</strong>r »philosophia<br />
perennis«, weil sie dieser entsprach!<br />
b) Böhme<br />
Böhmes »innere« Entwicklung verlief<br />
ähnlich <strong>de</strong>rjenigen von Paracelsus, obwohl<br />
sie nicht aka<strong>de</strong>misch begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>.<br />
Böhmes Wahlspruch könnte daher eher<br />
lauten: Man muss nicht alles wissen, um<br />
ALLES zu wissen.<br />
Franckenberg berichtet über <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Umschwung folgen<strong>de</strong>rmaßen:<br />
»Unter<strong>de</strong>ssen, und nach<strong>de</strong>m er sich als<br />
ein getreuer Ar<strong>bei</strong>ter seiner eigenen Hand,<br />
im Schweiß seines Angesichts genehret, wird<br />
er ...Anno 1600...vom Göttlichen Lichte ergriffen,<br />
...durch einen...Anblick eines Zinnern<br />
Gefässes...« (7)<br />
Den 25jährigen Schuhmacher ließ diese<br />
Vision nicht mehr los. Schlagartig begriff<br />
er die Dualität in allen Dingen; <strong>bei</strong><strong>de</strong> Seiten<br />
<strong>de</strong>s Daseins; die Notwendigkeit von Leid,<br />
Bosheit, Finsternis und Disharmonie –
kurz: er begriff, dass nicht nur Güte, Liebe,<br />
Licht und Harmonie in <strong>de</strong>r von Gott geschaffenen<br />
Welt zu fin<strong>de</strong>n seien, son<strong>de</strong>rn<br />
dass es <strong>de</strong>s Zornes Gottes bedarf, um seine<br />
wirkliche <strong>Ges</strong>talt erkennen zu können.<br />
Was ihn nach seiner eigenen Aussage bis<br />
dahin bewegte, war die permanente Flucht<br />
vor <strong>de</strong>m Zorn Gottes und seine Angst<br />
vorm Dasein. Er schrieb selbst dazu später:<br />
»Ich suchte allein das Hertze Jesu Christi,<br />
mich darinnen zu verbergen vor <strong>de</strong>m grimmigen<br />
Zorn Gottes und <strong>de</strong>n Angriffen <strong>de</strong>s Teufels,...«<br />
(Sendbriefe 12,6)<br />
Das »Jammertal« Er<strong>de</strong>, in das er sich geworfen<br />
sah, machte ihm zunächst Angst.<br />
Gott allein konnte ihm helfen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />
Zorn Gottes war ja nur eine Seite. Böhme<br />
versuchte also, auch die an<strong>de</strong>re Seite zu<br />
erfahren. Und er tat es!<br />
Diesen Schlüsselpunkt seiner Entwicklung<br />
beschreibt Böhme selbst im 19. Kapitel<br />
<strong>de</strong>r »Aurora«, <strong>de</strong>m sogenannten »Durchbruchkapitel«.<br />
Er bekennt dort »ganz melancholisch und<br />
hochbetrübet« zu sein ob <strong>de</strong>r Sinnlosigkeit<br />
<strong>de</strong>s Weltlaufs und ob <strong>de</strong>r Nichtigkeit <strong>de</strong>s<br />
Menschenlebens, aber diese Anfechtung<br />
besiegte ihn nicht, son<strong>de</strong>rn er »erhub« seinen<br />
»Geist... ernstlich in Gott als mit einem<br />
grossen Sturme« und stürmte »hart wi<strong>de</strong>r Gott<br />
und aller Höllen Porten... bis in die innerste<br />
Geburt <strong>de</strong>r Gottheit.... Was aber für ein Triumphiren<br />
im Geiste gewesen, kan ich nicht schreiben<br />
o<strong>de</strong>r re<strong>de</strong>n: es läst sich auch mit nichts vergleichen<br />
als nur mit <strong>de</strong>ine, wo mitten im To<strong>de</strong> das<br />
Leben geboren wird, und vergleicht sich <strong>de</strong>r<br />
Auferstehung von <strong>de</strong>n Todten.« (vgl.Aurora;<br />
19,9-12)<br />
Nach 12 Jahren <strong>de</strong>s Ringens um die innere<br />
Dimension seiner Vision brachte Böhme<br />
diese Gedanken zu »Philosophia«,<br />
»Astrologia« und »Theologia« zu Papier.<br />
Es entstand eines <strong>de</strong>r eigentümlichsten,<br />
tiefsinnigsten, ursprünglichsten und be<strong>de</strong>utendsten<br />
Werke <strong>de</strong>r Weltliteratur: »Aurora,<br />
o<strong>de</strong>r Morgen-Röte im auffgange«.<br />
Böhme versuchte darin, <strong>de</strong>n »Zeit-Geist«<br />
möglichst vollständig »einzufangen«.<br />
Das Zeitalter <strong>de</strong>r Reformation hatte doch<br />
für viele Bereiche einen be<strong>de</strong>utsamen<br />
Wan<strong>de</strong>l in vielen Anschauungen provo-<br />
ziert. Der Mensch, die Natur, <strong>de</strong>r gesamte<br />
Kosmos und schließlich auch die Vorstellungen<br />
von »Gott« wur<strong>de</strong>n »neu« ent<strong>de</strong>ckt<br />
und interpretiert. Gera<strong>de</strong> das Gezänk <strong>de</strong>r<br />
verschie<strong>de</strong>nen christlichen Konfessionen<br />
um die »rechte Lehre«, wie es von Schulgelehrten<br />
und »Meister Klüglingen« betrieben<br />
wur<strong>de</strong>, waren <strong>de</strong>m empfindsamen und<br />
sehr spirituell veranlagten Böhme zuwi<strong>de</strong>r.<br />
Schon das 1. Kapitel <strong>de</strong>r »Aurora« zeigt<br />
einen schriftstellerischen Laien, <strong>de</strong>r von<br />
sich meint, zu wissen, wie sich die Sache<br />
verhält. Er beginnt also seinen »Erstling«<br />
mit <strong>de</strong>n Worten:<br />
»Wiewol Fleisch und Blut das Göttliche<br />
Wesen nicht ergreifen kann, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geist,<br />
wenn er von Gott erleuchtet und angezün<strong>de</strong>t<br />
wird: So man aber will von Gott re<strong>de</strong>n, was<br />
Gott sey, so muß man fleißig erwegen die Kräfte<br />
in <strong>de</strong>r Natur; darzu die gantze Schöpfung,<br />
Himmel und Er<strong>de</strong>n, sowol Sternen und Elementen,<br />
und die Creaturen, ...sowol auch die heiligen<br />
Engel, Teufel und Menschen, auch Himmel<br />
und Hölle.« (Aurora 1,1)<br />
Je<strong>de</strong>r Geist braucht (wie <strong>de</strong>r Körper) seine<br />
Nahrung. Diese geistige Nahrung suchte<br />
Böhme zunächst in Büchern und <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n<br />
Menschen.Was er fand war – »toten Geist«,<br />
Meinungen und Worthülsen, Buchstabenwissen<br />
und... – je<strong>de</strong>nfalls nicht viel Brauchbares.<br />
Die wirklichen und ihn weitertreiben<strong>de</strong>n<br />
I<strong>de</strong>en und Gedanken schöpfte er<br />
v.a. aus <strong>de</strong>r Bibel und: aus sich selbst!<br />
Er suchte und fand letztlich seinen eigenen<br />
Weg zu Gott und in das Herz Christi.<br />
Er verwarf die Meinungen <strong>de</strong>r Schulgelehrten,<br />
die Dogmen <strong>de</strong>r Kirche und die<br />
Riten <strong>de</strong>r Sekten als unbefriedigend. Seine<br />
Gedanken kreisten stetig um <strong>de</strong>n Menschen,<br />
um sich selbst, um die Natur, <strong>de</strong>n<br />
ganzen Kosmos und um Gott sowie <strong>de</strong>ssen<br />
Sohn, Jesus Christus.<br />
Und diese Gedanken hatten es in sich!<br />
Allein mit einer dualen Sicht konnte er<br />
sich die Dinge und die Welt letztlich nicht<br />
erklären. Sein »Weg« führte ihn in <strong>de</strong>r<br />
»Aurora« zunächst zur Lehre von 7 »Quellgeistern«<br />
– die ihn schließlich später (ähnlich<br />
Paracelsus) zu einer ternarischen Sicht<br />
und (dialektischen) Denkweise führte<br />
(sogar in dreifacher Dimension –<br />
11
da 1,2,3,vier,5,6,7 zunächst erst einmal<br />
3 Ternare bil<strong>de</strong>n). Dieser eigenständige<br />
Versuch wur<strong>de</strong> die Grundlage <strong>de</strong>s »philosophischen<br />
Systems« von Böhme.<br />
Während die »Aurora« nun zwar einen<br />
großen Entwurf, aber eine weniger gute<br />
Ausführung enthielt, beginnt die eigentliche<br />
Schaffensperio<strong>de</strong>, welche bis zu seinem<br />
Tod andauern sollte, mit <strong>de</strong>m 2. Hauptwerk<br />
– »Beschreibung <strong>de</strong>r drey Principien<br />
Göttliches Wesens«.<br />
»Das ist ein Schlüssel und Alphabet aller<br />
<strong>de</strong>rer, so meine Schriften begehren zu verstehen.«<br />
– schreibt Böhme selbst dazu (Sendbrief<br />
12,67). Und weiter heißt es:<br />
»Das han<strong>de</strong>lt von <strong>de</strong>r Schöpfung. Item, von<br />
<strong>de</strong>r ewigen Geburt <strong>de</strong>r Gottheit: Von <strong>de</strong>r Busse,<br />
von <strong>de</strong>r Rechtfertigung <strong>de</strong>s Menschen, und seinem<br />
Para<strong>de</strong>is-Leben, und von <strong>de</strong>m Falle. Item:<br />
von <strong>de</strong>r neuen Geburt, und Christi Testamenten,<br />
und vom gantzen menschlichen Heil, sehr<br />
nützlich zu lesen...« (ebd.)<br />
An<strong>de</strong>rs als Paracelsus, <strong>de</strong>m es vorwiegend<br />
um reine Naturerkenntnis und <strong>de</strong>ren Nutzen<br />
für <strong>de</strong>n »Arzt« ging, wen<strong>de</strong>t Böhme<br />
diese nun gewonnene Lehre von <strong>de</strong>n 3<br />
(Grund-)Prinzipien in allen Dingen sofort<br />
auch auf transzen<strong>de</strong>nte – und nicht nur<br />
auf die in <strong>de</strong>r Natur und im Menschen<br />
immanenten – Bereiche an.<br />
Böhme hat – schneller als sein Vorgänger<br />
– diese Lehre auf ihren wesentlichen<br />
Kern verdichtet. Die zwingen<strong>de</strong> Dialektik<br />
seines Denkens machte vor keinem Gegenstand<br />
halt.<br />
Dies wird auch in seinem nächsten Werk,<br />
Vom dreyfachen Leben <strong>de</strong>s Menschen<br />
(1620), sehr <strong>de</strong>utlich.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re das Zusammenspiel und<br />
die Wechselwirkung <strong>de</strong>r drei Prinzipien<br />
wird entwickelt und von allen Seiten in<br />
verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>r Betrachtung<br />
untersucht. Es ist <strong>de</strong>r dritte und letzte<br />
Versuch einer <strong>Ges</strong>amtschau, wo<strong>bei</strong> schon<br />
<strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>r pansophisch-panentheistische<br />
(»Panentheismus« be<strong>de</strong>utet eine konzentrierte,<br />
zum Theismus hingewandte Form<br />
<strong>de</strong>s »Pantheismus« (»Alles ist Gott«-Lehre))<br />
Duktus <strong>de</strong>utlich wird. Böhme geht da<strong>bei</strong><br />
»von oben«, d.h. aus <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>s<br />
Wesens Gottes, aus, untersucht <strong>de</strong>ssen<br />
12<br />
Entwicklung in <strong>de</strong>r geschaffenen Natur<br />
und kommt abschließend – gewissermaßen<br />
»von unten« – zur Stellung <strong>de</strong>s Menschen<br />
innerhalb dieser Schöpfung. Auch ihm ist<br />
die analoge Betrachtung von Mikro- und<br />
Makro-Kosmos immanent.<br />
»Der Jünger sprach: Was ist...<strong>de</strong>r Leib eines<br />
Menschen? Der Meister sprach: Er ist die sichtbare<br />
Welt, und ein Bild und Wesen alles <strong>de</strong>ssen<br />
was die Welt ist;...« (Vom übersinnlichen<br />
Leben, 44)<br />
Deutlich sichtbar wird ebenfalls <strong>bei</strong><br />
diesem Aufbau, dass es ihm nicht mehr<br />
»nur« um »Theologie«, »Kosmologie« (bzw.<br />
»Astrologie«) und »Philosophie« geht, son<strong>de</strong>rn<br />
um »Theo-Sophie«, »Kosmo-Sophie«<br />
und »Anthropo-Sophie« (also <strong>de</strong>r »Weisheit«<br />
von Gott, <strong>de</strong>m Kosmos und <strong>de</strong>s<br />
Menschen)!<br />
Böhme schreibt dazu, dieses Buch<br />
(Vom dreyfachen Leben <strong>de</strong>s Menschen):<br />
»...ist ein Schlüssel von oben und unten zu<br />
allen Geheimnissen, wohin sich nur das Hertze<br />
schwingen möge. Es zeiget allen Grund <strong>de</strong>r<br />
3 Principien, und...mag fast alle Fragen, so<br />
die Vernunft ersinnen kann, darinnen grün<strong>de</strong>n;<br />
Und ist das nöthigste, so euch wol dienen<br />
möchte, ihr wür<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zanck-Bücher bald überdrüßig<br />
wer<strong>de</strong>n, so ihr dis ins Gemüthe brächtet.«<br />
(12. Sendbrief,68)<br />
In rascher Folge wagte sich nun Böhme<br />
mit seinen Spekulationen an alle nur<br />
<strong>de</strong>nkbaren Gegenstän<strong>de</strong>. Die 3 Principien<br />
und <strong>de</strong>r Grundsatz »wie oben, so unten«<br />
mussten sich überall fin<strong>de</strong>n lassen – ja<br />
selbst das »Wesen <strong>de</strong>r Wesen« (GOTT)<br />
musste so beschaffen sein. Böhme verschmolz<br />
sein Selbst zunehmend mit <strong>de</strong>n<br />
Inhalten seiner Betrachtung, die sich in<br />
<strong>de</strong>r unendlichen Vielfalt zeigten. Er begegnete<br />
dieser »ALL-EINHEIT« in seiner<br />
»ALLEIN-HEIT«, d.h. als Mystiker. So<br />
bemerkt er u.a. in <strong>de</strong>r »Rechenschaft <strong>de</strong>s<br />
Schreibers«, welche <strong>de</strong>n Schriften in <strong>de</strong>r<br />
Ausgabe von 1730 vorangestellt wur<strong>de</strong>:<br />
1.»Gott hat mir das Wissen gegeben. Nicht ich,<br />
<strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>r Ich bin, weiß es, son<strong>de</strong>rn Gott weiß<br />
es in mir. ...So lei<strong>de</strong> ich nun und will nichts<br />
wissen, <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>r Ich bin, als ein Theil von <strong>de</strong>r<br />
äussern Welt, auf daß Er in mir wisse/was Er
wolle; ich bin nicht die Gebärerin im Wissen,<br />
son<strong>de</strong>rn mein Geist ist sein Weib, in <strong>de</strong>r Er das<br />
Wissen gebieret, nach <strong>de</strong>m Maß als Er will;<br />
...So Er nun gebieret, so thue nicht ichs, son<strong>de</strong>rn<br />
Er in mir; ich bin als todt im Gebären <strong>de</strong>r hohen<br />
Wissenheit, und Er ist mein Leben. Habe ich es<br />
doch we<strong>de</strong>r gesuchet noch gelernet. Er neiget sich<br />
zu meiner Ichheit, und meine Ichheit neiget sich<br />
in Ihn. ...ich lebe in Gott und Gott in mir,...<br />
4. ...ich, <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>r Ich bin, ...vermeinte, ich<br />
schrieb allein mir,... ist es nicht eure Gabe zu<br />
verstehen, so laßt mirs stehen; <strong>de</strong>nn ich verstehe<br />
es wohl, was ich geschrieben habe. ...<br />
6. Merket es doch, und wer<strong>de</strong>t sehen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />
Tag bricht an! Wer<strong>de</strong>t ihr meine Schriften lernen<br />
recht verstehen, so wer<strong>de</strong>t ihr von allem Zancke<br />
erlöset, und euch selber kennen lernen. Jedoch<br />
vermag es nicht eben <strong>de</strong>r Buchstabe, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />
lebendige Geist Christi allein. Der Weg ist euch<br />
treulich gewiesen. Nun thut, was ihr wollet:...<br />
9. Ich habe keine neue Lehre, son<strong>de</strong>rn nur die<br />
alte, welche in <strong>de</strong>r Bibel und im Reiche <strong>de</strong>r<br />
Natur zu fin<strong>de</strong>n ist; ich habe nur geschrieben,<br />
was die Natur und <strong>de</strong>r Mensch sey.«<br />
Paracelsus und Böhme waren zwei Menschen,<br />
welche in unterschiedlichen Zeiten<br />
und unterschiedlichen Räumen lebten.<br />
Bei<strong>de</strong> suchten »ihren«Weg <strong>de</strong>r Erkenntnis –<br />
ohne sich von gelten<strong>de</strong>r Autorität abhängig<br />
zu machen o<strong>de</strong>r sich dieser zu unterwerfen.<br />
Sie betrachteten die Natur, <strong>de</strong>n Menschen<br />
und Gott da<strong>bei</strong> sehr genau. Sie fan<strong>de</strong>n eine<br />
ungeheure Vielfalt <strong>de</strong>r Erscheinungen –<br />
sahen aber gleichzeitig das »Wesen« <strong>de</strong>r<br />
Dinge in ihrer Einheit. Sie überwan<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n Geist und die Geißel <strong>de</strong>s abendländischen<br />
Denkens: das aristotelische Diktum<br />
<strong>de</strong>s Satzes vom ausgeschlossenen Wi<strong>de</strong>rspruch<br />
(als Dritten). Sie fan<strong>de</strong>n durch die<br />
wi<strong>de</strong>rsprüchliche Vielheit und Zweiheit<br />
<strong>de</strong>n Weg zur ternarischen Einheit. (Sie<br />
zählten bis drei – was heute noch kein<br />
Computer vermag!) Bei<strong>de</strong> mussten für<br />
diese Erkenntnis zu Lebzeiten überdurchschnittlich<br />
lei<strong>de</strong>n und wur<strong>de</strong>n über ihren<br />
Tod hinaus bekämpft – eben weil ihr Denken<br />
stärker war, als das vieler ihrer Zeitge-<br />
3. Schlussfolgerungen und ihre Aktualität<br />
Und an<strong>de</strong>rswo heißt es: »Alles, was von<br />
Gott gere<strong>de</strong>t, geschrieben o<strong>de</strong>r gelehret wird,<br />
ohne die Erkentnis <strong>de</strong>r Signatur, das ist stumm<br />
und ohne Verstand, dann es kommt nur aus<br />
einem historischen Wahn,...daran <strong>de</strong>r Geist<br />
ohne Erkentniß stumm ist.« (Sign. 1,1)<br />
bzw.:<br />
»Klärer zu mel<strong>de</strong>n, ist nicht mein Fürhaben,<br />
es ist klar genung. Wer nicht will einen neuen in<br />
Gott gebornen Menschen dadurch suchen, und<br />
sich selber darzu machen, <strong>de</strong>r lasse meine Schriften<br />
mit frie<strong>de</strong>n.« (Signatura rerum 12,37)<br />
Böhmes Anspruch gipfelt in einer mystischen<br />
Ethik. Die Erkenntnisse sollen »zu«<br />
Gott führen und ein Han<strong>de</strong>ln »aus« Gott<br />
bewirken. Keinesfalls sollte man meinen,<br />
in bloß menschlicher und zeitlicher Erkenntnis<br />
<strong>de</strong>r »äußeren« Welt <strong>de</strong>n rechten<br />
Weg zu fin<strong>de</strong>n. Alle »<strong>Ges</strong>chichte« reduziert<br />
sich letztlich auf einen »historischen Wahn«.<br />
Alle Zeit hingegen strebt nach Ewigkeit<br />
in <strong>de</strong>r Unendlichkeit Gottes, alle Schöpfung<br />
nach »Wie<strong>de</strong>rgeburt« und Vere<strong>de</strong>lung.<br />
Böhme selbst wur<strong>de</strong> auf seinem »Weg« wesentlich.<br />
Und Wesenhaftes ist Bleiben<strong>de</strong>s.<br />
nossen. Sie dachten nicht i<strong>de</strong>ntisch, aber<br />
sie grün<strong>de</strong>ten ihre Gedanken letztlich auf<br />
die Weisheit Gottes.<br />
Nicht alle ihre Schlussfolgerungen waren<br />
gleich. Bei Paracelsus z.B. gibt es nur<br />
EINEN Ursprung <strong>de</strong>r Welt und ihrer <strong>Ges</strong>chichte<br />
sowie nur EIN Ziel: »Die Sterne<br />
zergehen nur einmal und kommen nimmer<br />
wie<strong>de</strong>r, das ist im End <strong>de</strong>r Welt.« (XIII,132)<br />
Für ihn treibt alles zur Offenbarung –<br />
irgendwann gibt es kein Mysterium<br />
Magnum mehr, wie z.B. für Böhme (dieser<br />
hat als Mystiker die I<strong>de</strong>ntität von »Ursprung«<br />
und »Ziel« erfahren). Aber schließlich<br />
sind die »letzten Dinge« so fern in<br />
<strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>chichte, dass diese selbst »Zeit-los«<br />
wird. Und da – nämlich in <strong>de</strong>r Unendlichkeit<br />
Gottes (die Böhme stärker als Paracelsus<br />
artikuliert) – treffen sich ihre Spekulationen<br />
wie<strong>de</strong>r.<br />
Wichtig waren und bleiben jedoch für<br />
<strong>bei</strong><strong>de</strong> folgen<strong>de</strong> Erfor<strong>de</strong>rnisse:<br />
13
• Schau auf alle Dinge in ihrer <strong>Ges</strong>amtheit<br />
(holistische Weltanschauung);<br />
• Erforsche die Natur und <strong>de</strong>n Menschen<br />
als analoge Schöpfungen Gottes nicht<br />
mit <strong>de</strong>r Ansicht einer beson<strong>de</strong>ren Auszeichnung<br />
und Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s einen<br />
gegenüber <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren (Ökologiegedanke);<br />
• Bestimme vor <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>n Zweck<br />
und überprüfe diesen mit <strong>de</strong>m Willen<br />
Gottes (mystische Ethik).<br />
Und so seien abschließend <strong>bei</strong><strong>de</strong> Denker<br />
in ihrem Beitrag zur »philosophia perennis«<br />
gewürdigt mit ihren eigenen Worten.<br />
Paracelsus schrieb tapfer: »Was ist aber das<br />
<strong>de</strong>n medicus reut? Nichts; dann er hat sein tag<br />
volbracht mit <strong>de</strong>n arcanis und hat in got und<br />
14<br />
in <strong>de</strong>r natur gelebt als ein gewaltiger Meister <strong>de</strong>s<br />
irdischen liechts.« (VIII,321)<br />
Und Böhme sagt:<br />
»Unser Gantzes Schreiben und Lehren langet<br />
nur dahin, wie wir uns müssen selber suchen,<br />
machen und endlich fin<strong>de</strong>n; ...daß wir ein<br />
Geist mit Gott sind, daß Gott in uns sey, und<br />
wir in Gott...« (Menschwerdung II; 10,7)<br />
In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass<br />
noch viele Einzelne ihren Weg suchen und<br />
fin<strong>de</strong>n.<br />
Paracelsus und Böhme waren und sind<br />
da<strong>bei</strong> Weg-Weise(r) – nicht jedoch <strong>de</strong>r Weg<br />
selbst.<br />
Den Schatz ihrer Erfahrungen muss je<strong>de</strong>r<br />
Einzelne für sich ent<strong>de</strong>cken, <strong>de</strong>uten und<br />
heben.<br />
Vortrag am 6.September 2000 im Deutschen Hygiene-Museum Dres<strong>de</strong>n<br />
Dr. Andreas Gauger · Joachimstraße 12B · D-10119 Berlin · Telefon 030/281 32 18<br />
ANMERKUNGEN UND LITERATURHINWEISE<br />
*) Zitate <strong>de</strong>s Paracelsus im Text erfolgen – wenn nicht<br />
an<strong>de</strong>rs angegeben – nach: Karl Sudhoff (Hrsg.):<br />
Paracelsus. Sämtliche Werke; 1.Abteilung,<br />
Band 1-14; München, Berlin 1922-33;<br />
angegeben sind Bandnummer und Seite<br />
Zitate aus Böhme erfolgen im Text nach:<br />
J.Böhme. Sämtliche Schriften; Faksimile-Neudruck<br />
<strong>de</strong>r Ausgabe von 1730 in 11 Bän<strong>de</strong>n;<br />
neu hrsg. von W.-E.Peuckert; Stuttgart-Bad Cannstatt<br />
1955-61; angegeben sind Titel, Kapitel, Absatz<br />
Anmerkungen im Text:<br />
1. vgl.: Zur Frie<strong>de</strong>nsi<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Reformationszeit;<br />
Texte von Erasmus, Paracelsus, Franck;<br />
Hrsg. von S.Wollgast; Berlin 1968; S. 62<br />
2. V.Andreae: Christianopolis (verschie<strong>de</strong>ne<br />
Ausgaben, z.B. Stuttgart 1975); Kap. 60<br />
3. Abraham von Franckenberg: Gründlicher und<br />
wahrhafter Bericht...; 1651; in: J. Böhme:<br />
Sämtliche Schriften; Bd.10; 2; S. 6f<br />
4. Gregor Richter: Judicium; in J. Böhme:<br />
Schutz-Re<strong>de</strong> gegen G.Richter;<br />
in: Böhme, SS; Bd.5; 2,10, 29,71,72<br />
5. E.Kaiser: Paracelsus mit Selbstzeugnissen und<br />
Bilddokumenten, Reinbek 1969, S. 44<br />
6. vgl. Paracelsus: Vom Licht <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>s<br />
Geistes. Eine Auswahl. Hrsg. Von K. Goldammer;<br />
1984, S.153f (dort Angaben zur Primärquelle)<br />
7. Abraham von Franckenberg: Gründlicher und<br />
wahrhafter Bericht...,1651; in:<br />
J. Böhme: Sämtliche Schriften; Bd. 10; Abs. 11<br />
Literaturangaben zu Paracelsus siehe v.a. <strong>bei</strong><br />
Ernst Kaiser (wie Anm.: 5); S.142-156 sowie<br />
Heinrich Schipperges: Paracelsus heute;<br />
Frankfurt/Main 1994 (Knecht); S.168-175<br />
Literatur zu Böhme v.a. in: Gerhard Wehr:<br />
J.Böhme mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten;<br />
Reinbek 1971; S.145-154 sowie<br />
Andreas Gauger: Jakob Böhme und das Wesen seiner<br />
Mystik; Berlin 1999; S. 259-281<br />
Andreas Gauger, Dr.phil., geb. am 25.09.1960 in<br />
Görlitz. Nach Abitur und Wehrdienst von 1982-1985<br />
Studium <strong>de</strong>r Mathematik, Physik und Pädagogik an<br />
<strong>de</strong>r TH Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Abbruch aus<br />
gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n; Mitar<strong>bei</strong>ter Kultur in<br />
Görlitz; 1986-1989: Studium <strong>de</strong>r Philosophie (zzgl.<br />
<strong>Ges</strong>chichte und ev. Theologie) an <strong>de</strong>r Martin-Luther-<br />
Universität Halle-Wittenberg; Exmatrikulation aus<br />
politischen Grün<strong>de</strong>n (im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n<br />
Ereignissen in China) und Produktionsbewährung;<br />
dann Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong>m Stadtkabinett für Kulturar<strong>bei</strong>t<br />
in Görlitz; 1990/91: Reimmatrikulation als Stu<strong>de</strong>nt<br />
an <strong>de</strong>r MLU Halle-Wittenberg; vorzeitiger Abschluss<br />
als Diplomphilosoph; 1991-1994: Stipendiat <strong>de</strong>r<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn (Grund- und Graduiertenför<strong>de</strong>rung)<br />
und Promotionsstu<strong>de</strong>nt an <strong>de</strong>r<br />
TU Dres<strong>de</strong>n; 1994/95: Projektleiter <strong>bei</strong>m Aufbaustab<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>smuseums Schlesien e.V. zu Görlitz; 1995:<br />
Promotion an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n; danach ar<strong>bei</strong>tslos,<br />
freie Tätigkeiten und Studien im In- und Ausland<br />
(Coaching, Projekthilfe, EDV-Jobs; Fortbildung zum<br />
Marketing- und Vertriebsassistenten für Buchhan<strong>de</strong>l<br />
und Verlage in Berlin; z.T. längere Aufenthalte u.a.<br />
in Israel, Südostasien und Lateinamerika); seit En<strong>de</strong><br />
1999 wissenschaflicher Projektleiter für die Oberlausitzische<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften zu<br />
Görlitz e.V. im Rahmen <strong>de</strong>r Jacob-Böhme-Ehrung<br />
<strong>de</strong>r Stadt Görlitz.
Harald Knauss<br />
DIE 7 KÜNSTE DES PARACELSUS -<br />
I<strong>de</strong>en einer mo<strong>de</strong>rnen, ganzheitlichen Schulung <strong>de</strong>s Menschen<br />
»Wir sollen mehr suchen und lernen, als<br />
uns die Schule und <strong>de</strong>r Schulbrauch gibt«(1).<br />
Dieses Motto von Paracelsus, <strong>de</strong>r ja sein<br />
ganzes Leben lang von unermüdlichem<br />
Forschergeist durchdrungen war, möchte<br />
ich meinem heutigen Vortrag voranstellen.<br />
Ich möchte versuchen, dass Paracelsus<br />
einmal seinen Sockel als <strong>Ges</strong>chichtsfigur<br />
verlässt und unter Ihnen als Zuhörer lebendig<br />
wird. Wenn wir von großen Menschen<br />
vergangener Tage sprechen, dann fallen<br />
wir ja gerne in die Rolle <strong>de</strong>s aktuellen<br />
Menschen, für <strong>de</strong>n jene »geschichtlichen«<br />
Menschen Stufen o<strong>de</strong>r Vorbereitung für<br />
unsere heutige Zeit waren, <strong>de</strong>ren Leistung<br />
erkannt und manchmal auch anerkannt<br />
wird. Aber letztendlich ist es für uns Vergangenheit,<br />
überholt und überwun<strong>de</strong>n.<br />
Lesen wir heute über Paracelsus, so wer<strong>de</strong>n<br />
wir über ihn in <strong>de</strong>n Lexika loben<strong>de</strong> Erwähnungen<br />
fin<strong>de</strong>n als Vorbereiter einer pharmakologisch<br />
chemischen Medizin, als<br />
Vorreiter mo<strong>de</strong>rner Diagnostik usw.. Alles<br />
richtig! Wir sollten aber be<strong>de</strong>nken, dass es<br />
gleichzeitig zu einer linearen, materiellen<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r menschlichen <strong>Ges</strong>chichte<br />
auch eine innere, zyklische Entwicklung<br />
gibt. Wir entwickeln uns äußerlich weiter<br />
und sind doch als Individuum in je<strong>de</strong>m<br />
Augenblick innerlich vollkommen. Dies ist<br />
das Paradoxon <strong>de</strong>s menschlichen Lebens<br />
und gleichzeitig <strong>de</strong>r Ausgangspunkt jeglicher<br />
spirituellen o<strong>de</strong>r esoterischen Lehre.<br />
Wenn ein Mensch eine große innere Erkenntnis<br />
über das Wesen dieser Dualität in<br />
seinem Leben erreicht, eine Integration erreicht,<br />
dann sprechen wir von einem weisen<br />
Menschen. Ein solcher war Paracelsus.<br />
Die wesentliche, seelische, innere Welt blieb<br />
stets die gleiche, durch alle Jahrtausen<strong>de</strong>,<br />
ansonsten könnten wir nicht die uralten<br />
heiligen Schriften o<strong>de</strong>r Schriften von<br />
Paracelsus heute noch als unübertroffene,<br />
aktuelle Lebensweisheit empfin<strong>de</strong>n.<br />
Die inneren Themen wie Liebe, Glauben,<br />
Leben, Tod, Sinn, Kreativität usw. bleiben<br />
<strong>bei</strong> allem Wan<strong>de</strong>l für die Menschen stets<br />
dieselben, während die materiellen Gegebenheiten<br />
und wissenschaftlichen Kenntnisse<br />
kommen und gehen, stetig durch<br />
Neues und An<strong>de</strong>res überholt wer<strong>de</strong>n. Der<br />
Mittelalter-Mensch hat genauso geliebt,<br />
gefühlt o<strong>de</strong>r gelitten, seinen Lebenskampf<br />
gefochten und nach Lebenssinn gesucht,<br />
wie wir es heute auch tun. Er ist vielleicht<br />
zu Pfer<strong>de</strong> geritten, wir sitzen heute im<br />
Flugzeug. Die äußere Welt ist eine vollkommen<br />
an<strong>de</strong>re und doch sind es <strong>bei</strong><strong>de</strong>s<br />
dieselben Menschen, mit <strong>de</strong>nselben<br />
Sehnsüchten und Wünschen. Paracelsus<br />
war sich dieser Dualität in <strong>de</strong>r menschlichen<br />
Welt sehr stark bewusst und sein<br />
ganzes Streben zielte darauf ab, diese Kluft<br />
zu schließen. Er gehörte zu jenen großen<br />
Menschen, die für eine Verbindung <strong>de</strong>r<br />
inneren Weisheit mit <strong>de</strong>r äußeren Wirklichkeit<br />
gekämpft haben. Dies macht ihn für<br />
uns heute so überaus lebendig und brandaktuell.<br />
Er for<strong>de</strong>rte äußere Bildung, also<br />
das Lernen und Wissen, gleichzeitig aber<br />
auch eine innere Bildung.<br />
Als ich mich für diesen Vortrag in das<br />
Leben <strong>de</strong>s Paracelsus eingelesen habe,<br />
wur<strong>de</strong> mir <strong>de</strong>r Zwiespalt seiner Zeit wie<strong>de</strong>r<br />
einmal so recht <strong>de</strong>utlich und wie ähnlich<br />
ihre Problematik <strong>de</strong>r unserer heutigen Zeit<br />
15
ist. Es begann in jener Zeit mit Kopernikus<br />
<strong>de</strong>r glänzen<strong>de</strong> Aufstieg <strong>de</strong>r Naturwissenschaften.<br />
Gleichzeitig war aber das alte spirituelle<br />
Weltverständnis noch stark verankert.<br />
Die alten Lehren sahen sich plötzlich<br />
einer großen Herausfor<strong>de</strong>rung gegenüber,<br />
nämlich sich beweisen und behaupten zu<br />
müssen. Und so begann damals, was bis<br />
heute krampfhaft andauert. Je<strong>de</strong> Erfahrung<br />
und Erkenntnis, die auf an<strong>de</strong>ren Prämissen<br />
beruht als auf naturwissenschaftlichen, rationalen<br />
Vorlagen, muss sich experimentell<br />
und seriell beweisen. Dies ist schlichtweg<br />
aber unmöglich, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong> innere Erfahrung<br />
unterliegt gänzlich an<strong>de</strong>ren <strong>Ges</strong>etzen<br />
als die <strong>de</strong>r äußeren Welt. Wie sagte <strong>de</strong>r<br />
Astronaut Armstrong nach <strong>de</strong>r Mondlandung:<br />
»Wir waren da oben, haben Gott<br />
aber dort nicht gefun<strong>de</strong>n«. Innere und<br />
äußere Welt sind verschie<strong>de</strong>ne Wirklichkeitsebenen.<br />
Wer Gott auf einem entfernten<br />
Planeten sucht, liegt total daneben.<br />
Paracelsus war diese Kluft schon ganz klar<br />
und sein Bestreben war, <strong>bei</strong><strong>de</strong> Seiten als<br />
wichtige Pfeiler menschlicher Erkenntnis<br />
zu vereinen. Und dies macht ihn für uns<br />
heute so hochaktuell in einer Zeit, in <strong>de</strong>r<br />
<strong>bei</strong><strong>de</strong> Wirklichkeiten immer weiter auseinan<strong>de</strong>rdriften.<br />
Der sich unglaublich rasant<br />
und verselbstständigen<strong>de</strong>n Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Technik steht eine immer größere Verunsicherung,<br />
ja innere Leere und Sinnlosigkeit<br />
im einzelnen Menschen gegenüber.<br />
Paracelsus war auch einer, <strong>de</strong>r nach Fortschritt<br />
rief, aber ihm war <strong>de</strong>r Mensch als<br />
seelisches Wesen, als Individuum, hinter<br />
<strong>de</strong>n Dingen wichtig. Er war nicht bestrebt,<br />
eine vom Menschen abgekoppelte Wissenschaft<br />
und Wirtschaft zu unterstützen.<br />
Wir wür<strong>de</strong>n heute sagen, er war Wissenschaftler<br />
und Esoteriker in einem. Er wollte<br />
keine Chemie, son<strong>de</strong>rn er war ein überzeugter<br />
Anhänger <strong>de</strong>r Al-Chemie. Die Alchemie<br />
braucht <strong>de</strong>n Menschen. Denn in-<br />
16<br />
<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mensch sich als Alchemist <strong>de</strong>m<br />
Werk, <strong>de</strong>r Produktion sozusagen, hingibt,<br />
sich selbst einbringt, verwan<strong>de</strong>lt und entwickelt<br />
er sich <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r Herstellung <strong>de</strong>s<br />
Produktes gleichsam selbst. Der Arzt, <strong>de</strong>r<br />
im Prozess <strong>de</strong>r Entstehung eines Heilmittels<br />
da<strong>bei</strong> ist, wird einen an<strong>de</strong>ren Bezug<br />
zur Heilkraft haben, als jener, <strong>de</strong>r aus vorgefertigten<br />
Dosen die Pillen entnimmt.<br />
Paracelsus wollte <strong>de</strong>n magischen Menschen,<br />
<strong>de</strong>r die Wesenskräfte <strong>de</strong>r Natur erkennt<br />
und im Einklang mit ihnen ar<strong>bei</strong>tet.<br />
In diesem Sinne sind die I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>s Paracelsus<br />
über die inneren, geheimen Wissenschaften<br />
das I<strong>de</strong>al jeglicher menschlichen<br />
Ar<strong>bei</strong>t. Material und Mensch, Materie und<br />
Sinnhaftigkeit kommen zusammen. Es<br />
entsteht materielles Gold durch <strong>de</strong>n alchemistischen<br />
Prozess und gleichzeitig erreicht<br />
<strong>de</strong>r Alchemist eine seelische Verwandlung,<br />
eine Erleuchtung. Bei<strong>de</strong> Teile sind wichtig<br />
da<strong>bei</strong>, die Materie und die Seele, bis sie<br />
sich zum Schluss gegenseitig selbst aufheben,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Erleuchtete braucht das<br />
Gold nicht mehr. Je<strong>de</strong>r Ar<strong>bei</strong>tsminister<br />
heute wäre froh, ein solches Patentrezept<br />
gegen die Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Paracelsus war ein ganzheitlicher Denker,<br />
aber auch das, was man heute als Quer<strong>de</strong>nker<br />
bezeichnet. Und er war äußerst<br />
unbequem. Er nahm kein Blatt vor <strong>de</strong>n<br />
Mund, re<strong>de</strong>te Dinge nicht schön im Rahmen<br />
einer Karriereplanung, war nicht zu<br />
faulen Kompromissen zu bewegen, also<br />
alles Eigenschaften, die konservative Kreise<br />
nicht gera<strong>de</strong> ruhig schlafen lassen. So bot<br />
er ein i<strong>de</strong>ales Angriffsziel und war zeitlebens<br />
ein Verfolgter.<br />
Auch heute noch fin<strong>de</strong>n Ärzte und<br />
Wissenschaftler eine fast inquisitorische<br />
Verfolgung, wenn sie es wagen, etwas gegen<br />
die vorherrschen<strong>de</strong> naturwissenschaftliche<br />
Auffassung zu vertreten. Die Metho<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Verfolgung sind auch heute noch ähn-
lich, bestehen in öffentlicher Diskreditierung,<br />
Missachtung, Verleumdung und beruflichem<br />
Aus. Paracelsus wollte eine Erneuerung<br />
<strong>de</strong>r Medizin, die er in schonungslosen,<br />
starken Worten for<strong>de</strong>rte. Diese Seite<br />
<strong>de</strong>s Paracelsus hebt <strong>de</strong>nn auch die heutige<br />
Naturwissenschaft stets heraus, wenn sie<br />
etwas Positives an ihm fin<strong>de</strong>n möchte.<br />
Gleichzeitig tat Paracelsus aber etwas anscheinend<br />
völlig Konträres, ja gera<strong>de</strong>zu<br />
Unverzeihliches, <strong>de</strong>nn gleichzeitig vertrat<br />
er eine magische Weltsicht. In dieser Hinsicht<br />
war er scheinbar gera<strong>de</strong>zu altmodisch,<br />
ja rückwärts orientiert, rückwärts ins Zeitalter<br />
<strong>de</strong>s Aberglaubens. Manche Biographen<br />
haben Paracelsus aus dieser seiner Haltung<br />
heraus ganz drastisch als Scharlatan o<strong>de</strong>r<br />
Autodidakten bezeichnet. Auch heute noch<br />
teilen sich die Lager. In dieser Kontroverse<br />
geht es nicht mehr um Paracelsus als Person<br />
allein, son<strong>de</strong>rn Paracelsus wird zum Symbol<br />
einer Lebenssicht und Lebenshaltung.<br />
Auf alle wesentlichen Fragen <strong>de</strong>s Lebens:<br />
Was ist eigentlich Leben? Wo kommt <strong>de</strong>r<br />
Mensch her und wo geht er hin? Was ist<br />
Heilung? Was ist das Wesentliche, das Ursächliche<br />
im Leben eines Menschen? Aus<br />
welcher Quelle kommt die Weisheit? Wie<br />
entsteht Inspiration?, kann nach Paracelsus<br />
die materielle Wissenschaft keine Antworten<br />
geben, <strong>de</strong>nn sie behan<strong>de</strong>lt Fragen <strong>de</strong>s<br />
Corpus, <strong>de</strong>r irdischen Materie, die <strong>de</strong>r Beschränkung<br />
und Vergänglichkeit unterliegt.<br />
Ganz in <strong>de</strong>r hermetischen Tradition geht<br />
Paracelsus von <strong>de</strong>r Zweiheit <strong>de</strong>s Menschen<br />
aus, nämlich <strong>de</strong>m äußeren, sichtbaren Körper<br />
und <strong>de</strong>m inneren, unsichtbaren Körper.<br />
In seinem VIII.Buch schreibt er:<br />
»Dem unsterblichen Körper <strong>de</strong>s Menschen<br />
hat Gott die Vernunft, die Sinne, die<br />
Weisheit, die Lehre, die Kunst, das Wesen<br />
etc. und alles gegeben, was über die Sterblichkeit<br />
ist. Der Mensch hat seine Hoheit<br />
und Weisheit nicht vom äußeren Körper.<br />
Denn alle Weisheit und Vernunft, die <strong>de</strong>r<br />
Mensch gebraucht, ist mit <strong>de</strong>m Körper als<br />
innerer Mensch ewig. So kann <strong>de</strong>r Mensch<br />
leben und nicht als äußerer. Denn <strong>de</strong>r innere<br />
Mensch ist ewig klarifiziert und wahrhaftig«<br />
(2).<br />
»Denn im Corpus ist <strong>de</strong>r Tod, ist auch<br />
<strong>de</strong>s Tods subiectum, und ist in ihm an<strong>de</strong>rs<br />
nichts we<strong>de</strong>r zu suchen noch zu fin<strong>de</strong>n,<br />
als <strong>de</strong>r Tod: Denn es mag zerstört wer<strong>de</strong>n<br />
in gar mancherlei Weg: Der spiritus aber<br />
nit, er bleibt allwegen ein Geist, und lebendig,<br />
ist auch <strong>de</strong>s Lebens subiectum, erhält<br />
auch sein eigen Corpus lebendig. Aber in<br />
<strong>de</strong>r Zerstörung <strong>de</strong>s Cörpers wird er davon<br />
abgeson<strong>de</strong>rt und geschei<strong>de</strong>n, und lasset<br />
<strong>de</strong>n Corpus tot liegen, und gehet wie<strong>de</strong>rumb<br />
dahin an <strong>de</strong>n Ort, von dannen es her<br />
ist kommen« (3).<br />
Paracelsus betrachtet also <strong>de</strong>n äußeren<br />
physischen Körper, <strong>de</strong>r endlich und begrenzt<br />
ist, gleichzeitig aber auch <strong>de</strong>n inwendigen<br />
Körper, <strong>de</strong>n Lichtkörper, <strong>de</strong>r<br />
ewig und unbegrenzt ist. Er schreibt »Es<br />
ist das Körperliche, das er hat, zu beachten,<br />
aber auch das Ewige, das er hat« (4).<br />
Für ihn ist die Seele ein Gast <strong>de</strong>s Körpers<br />
ähnlich <strong>de</strong>r östlichen Philosophie, die <strong>de</strong>n<br />
Körper als »Fahrzeug <strong>de</strong>r Seele« beschreibt.<br />
Der Lichtkörper, <strong>de</strong>r feinstoffliche Körper<br />
ist für ihn stets vollkommen, auch wenn in<br />
<strong>de</strong>r physischen Körperhülle ein Teil fehlen<br />
sollte. Es ist das innere, kosmische Wissen,<br />
Paracelsus bezeichnet dies als »Vernunft«,<br />
das von <strong>de</strong>r Geburt an im Menschen vorhan<strong>de</strong>n<br />
ist. Alles Wissen über die physische<br />
Welt, also auch die technischen Fertigkeiten<br />
usw., bezeichnet er als »Verstand«<br />
und kann erlernt wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Gedanken<br />
heraus entsteht seine Vorstellung<br />
von Erziehung und Ausbildung.<br />
»Ihr sollet euch merken, daß ein Kind<br />
keine Erziehung zur Vernunft braucht,<br />
<strong>de</strong>nn sie wird ihm nicht gegeben. Nur<br />
17
zum Verstand soll es erzogen wer<strong>de</strong>n, die<br />
Vernunft hat es selbst« (5).<br />
Alles liegt nach Paracelsus eigentlich<br />
schon im Menschen bereitet, aber es<br />
braucht <strong>de</strong>n Verstand, damit <strong>de</strong>r Mensch<br />
»weiß«. Paracelsus hat in dieser Hinsicht<br />
schon die Probleme <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n<br />
Zeiten, das Auseinan<strong>de</strong>rdriften zwischen<br />
analytischem und synthetischem Denken<br />
vorhergesehen und genial erkannt, dass<br />
es <strong>bei</strong><strong>de</strong> Seiten braucht, um wirkliche Erkenntnis<br />
zu gewinnen. Heute formulieren<br />
wir dieses Thema eher als Problem zwischen<br />
<strong>de</strong>r unterschiedlichen Erfahrungswirklichkeit<br />
unserer linken, analytischen Gehirnhälfte<br />
und rechten, kreativen Gehirnhälfte,<br />
wo<strong>bei</strong> unser Ausbildungssystem eine Dominanz<br />
<strong>de</strong>r analytischen Gehirnhälfte för<strong>de</strong>rt.<br />
Paracelsus schreibt in seinem VI.Buch<br />
über das Fundament <strong>de</strong>r Weisheit:<br />
»Also liegen da auch im Menschen alle<br />
Handwerke, alle Künste, aber nicht alle<br />
sind offenbar. –<br />
Das Lernen vom Menschen ist kein Lernen,<br />
es ist vorher im Menschen, es ist nur<br />
ein Erwecken und Ermahnen.–<br />
Darum hat ein Kind alle Möglichkeiten<br />
in sich. Wie du es erweckst, so hast du es.<br />
Erweckst du es mit einem Schuster, so wird<br />
er ein Schuster, erweckst du es mit einem<br />
Steinmetzen, so wird es ein Steinmetz... .<br />
Darum wird es so, weil alle Dinge in ihm<br />
sind. Was du in ihm weckst, das kommt<br />
hervor, die an<strong>de</strong>ren bleiben schlafend,<br />
wür<strong>de</strong>n sie nicht schon mit <strong>de</strong>m Fleisch<br />
und Blut geboren, nimmer wür<strong>de</strong>st du in<br />
sie bringen, was du kannst« (6).<br />
Und ganz typisch für das ganzheitliche,<br />
erhabene Denken <strong>de</strong>s Paracelsus und für<br />
die Beschei<strong>de</strong>nheit, die nur einem großen<br />
Geist entspringt, ist sozusagen die »Moral«,<br />
die er aus dieser Erkenntnis zieht.<br />
»Darum bist du mit ihnen ein Schüler.<br />
Du weckst die Schüler und sie auch dich,<br />
18<br />
das heißt ein an<strong>de</strong>rer kann dich lehren und<br />
auch in einem an<strong>de</strong>ren erwecken, was in dir<br />
schläft, ebensowohl wie in <strong>de</strong>n Schülern<br />
und Kin<strong>de</strong>rn« (7).<br />
Und hier nähern wir uns nun <strong>de</strong>m<br />
Thema meines heutigen Vortrages. Paracelsus<br />
stellt aufgrund seines Wissens um die<br />
körperliche und spirituelle Wirklichkeit<br />
<strong>de</strong>s Menschen <strong>de</strong>n Grundsatz auf, dass<br />
je<strong>de</strong>r Mensch innerlich ein vollkommenes<br />
Wissen besitzt. Das innere Wissen können<br />
wir mit <strong>de</strong>r Festplatte und <strong>de</strong>n Programmen<br />
eines Computers vergleichen, <strong>de</strong>r Verstand<br />
ist sozusagen die Maus, die diese Programme<br />
aktivieren und sichtbar machen<br />
kann. Das Problem entsteht dann, wenn<br />
sich die Maus sozusagen verselbstständigt,<br />
sprich wenn <strong>de</strong>r Mensch nur noch in die<br />
äußere Welt hört. Sobald die äußeren<br />
Sinne das wahrnehmen und umsetzen,<br />
was von innen kommt, wird <strong>de</strong>r Mensch<br />
weise.<br />
»Hab acht auf <strong>de</strong>inen inwendigen Garten.<br />
Denn je<strong>de</strong>r innere Mensch ist beschaffen,<br />
allein er höre mit <strong>de</strong>m äußeren auf<br />
sich selbst, so wird er lernen, daß ihm niemand<br />
lehren mag, und sich ein jeglicher<br />
ob ihm verwun<strong>de</strong>rn muß« (8).<br />
Viele Lebensberater wer<strong>de</strong>n diesen Satz<br />
bestätigen können, <strong>de</strong>nn die meisten Klienten<br />
wissen eigentlich innerlich die Lösung<br />
für ihr Problem, sie können es lediglich<br />
nicht klar fassen und formulieren.<br />
Das ist die Aufgabe, die ein Berater mit<br />
<strong>de</strong>m Klienten erar<strong>bei</strong>tet. Unser inneres<br />
Wissen ist unglaublich groß, nur hat es<br />
selten Chance, sich zu Wort zu mel<strong>de</strong>n.<br />
Oft haben wir ganz spontane Einfälle, die<br />
wir <strong>bei</strong>m analytischen Nach<strong>de</strong>nken darüber<br />
aber durch unsere Zweifel so weit zerlegen,<br />
dass wenig von ihnen übrigbleibt und wir<br />
sie als Träume, Verrücktheiten o<strong>de</strong>r Hirngespinste<br />
abtun. Unser analytisches Denken<br />
basiert ganz auf <strong>de</strong>r Essenz vergangener
Erfahrungen und <strong>de</strong>m daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />
Wertesystem, strebt also nach Bekanntem<br />
und nach Sicherheit. Es ist bestrebt<br />
alles zu vermei<strong>de</strong>n, was Schmerz hervorrufen<br />
könnte und schafft sich sogenannte<br />
Komfortzonen.Wie Sie wissen, neigen<br />
wir dazu, einen Muskel, <strong>de</strong>r schmerzt, zu<br />
schonen und möglichst nicht zu bewegen.<br />
Dies ist einer Heilung meist nicht för<strong>de</strong>rlich.<br />
Auch versuchen wir Situationen zu<br />
entgehen, in <strong>de</strong>nen emotionaler Schmerz<br />
eine Rolle spielen könnte. Unser inneres<br />
Wertesystem neigt dazu, alles zu umgehen,<br />
was irgendwie Schmerz erzeugen könnte.<br />
Eigentlich ist dies eine sinnvolle Einrichtung,<br />
die aber ins Gegenteil umschlägt,<br />
wenn sie anfängt, unsere Fähigkeiten zu<br />
limitieren. »Man kann doch nicht, weil...«<br />
o<strong>de</strong>r »Was sollen die Leute sagen...« o<strong>de</strong>r<br />
»Ich hab das doch nicht gelernt...« »Wer<br />
weiß, was da auf einen zukommt...« usw.<br />
sind Formulierungen, die wir verwen<strong>de</strong>n,<br />
weil wir das so in unserem Leben gelernt<br />
haben. Aber letztendlich beschränken wir<br />
damit uns selbst, die Unendlichkeit unseres<br />
Geistes und leugnen damit die Göttlichkeit<br />
in uns. Paracelsus formuliert <strong>de</strong>n Gedanken,<br />
dass je<strong>de</strong>r Mensch alle Wahrheit und<br />
alles Wissen latent in sich besitzt, was natürlich<br />
in einer konservativ struktuierten<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft mit ihren Hierarchien höchste<br />
Unruhe hervorrufen muss. »Wo kämen wir<br />
<strong>de</strong>nn hin, wenn je<strong>de</strong>r...« Wir kennen diese<br />
Sätze zur Genüge. Es könnte jemand Millionen<br />
Menschen heilen und doch könnte<br />
er für die <strong>Ges</strong>ellschaft nie ein anerkannter<br />
Arzt wer<strong>de</strong>n, wenn er nicht ein Medizinstudium<br />
absolviert hat. Paracelsus sagt,<br />
dass ein Arzt <strong>bei</strong><strong>de</strong>s braucht, lassen Sie es<br />
uns »handwerkliches« Wissen nennen und<br />
geistiges Wissen, wo<strong>bei</strong> er allerdings ganz<br />
klare Prioritäten setzt. Es gibt nach seiner<br />
Meinung keinen guten Arzt, wenn er nicht<br />
das innere, geistige Wissen erkennt.<br />
Paracelsus hat etwas gegen die Diktatur<br />
von Hochschulscheinen und Abgangszeugnissen,<br />
spricht dafür lieber über das<br />
Licht <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>s Geistes. Sein<br />
Motto könnte eher sein »Wer heilt, hat<br />
recht.« Auf die Frage, wo lernt man diese<br />
inneren Fähigkeiten, hat Paracelsus selbst<br />
eine Antwort gegeben:<br />
»Nun kommen alle Hantierungen aus<br />
einem Brunnen, alle Handwerke aus einem<br />
Brunnen, alle Künste aus einem Brunnen,<br />
und alle stammen von einem Brunnen.<br />
Dieser verteilt seine Äste wie <strong>de</strong>r Baum<br />
seine Birnen, und keine Birne kann sich<br />
abson<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, son<strong>de</strong>rn sie<br />
muß sagen, aus <strong>de</strong>m Baum, aus <strong>de</strong>m die<br />
an<strong>de</strong>ren sind, sei sie auch« (9)<br />
»...<strong>de</strong>nn nichts ist aus uns, wir sind<br />
nicht unser selbst, son<strong>de</strong>rn Gottes sind wir.<br />
Warum müssen wir durch ihn erproben,<br />
was in uns ist. Sein ist es, nicht unser, er<br />
hat uns <strong>de</strong>n Leib gemacht und das Leben<br />
gegeben und die Weisheit dazu. Aus ihm<br />
kommen nun alle Dinge« (10).<br />
Das äußere Wissen ohne eine innere<br />
geistige Haltung ist für Paracelsus nichts.<br />
Er hat Achtung vor dieser göttlichen Kraft,<br />
die das Universum und das Leben geschaffen<br />
hat, und verachtet die »kleinen Lichter«,<br />
jene Menschen, die sich wun<strong>de</strong>r was auf<br />
sich und ihr Können einbil<strong>de</strong>n. Viele Wissenschaftler<br />
heute unterschei<strong>de</strong>n sich in<br />
keiner Weise von <strong>de</strong>n Gelehrten zur Zeit<br />
<strong>de</strong>s Paracelsus. Auch sie glauben alles im<br />
Griff zu haben, auf alles eine Antwort zu<br />
wissen. Sie verlassen sich auf ihre Messwerte<br />
und Apparate, tun alles ab, was sich<br />
nicht durch serielle Experimente beweisen<br />
lässt. Das Individuelle verschwin<strong>de</strong>t damit,<br />
<strong>de</strong>nn die individuelle Wahrnehmung<br />
weicht einer Normwahrnehmung. In<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r Mensch heute sich ganz auf die materielle<br />
Wirklichkeit stützt, wird er abhängig<br />
von dieser. Wie sagt Paracelsus: Nur <strong>de</strong>r<br />
19
corpus ernährt <strong>de</strong>n corpus und dieser ist<br />
sterblich. Es ist nicht mehr ein Gott, eine<br />
kosmische Kraft, die Pflanzen wachsen<br />
lässt, die die Menschen ernährt, es sind<br />
Ciba Geigy o<strong>de</strong>r Bayer. Paracelsus stand<br />
an einer Schnittstelle menschlicher Entwicklung,<br />
die sich heute aktueller <strong>de</strong>nn<br />
je wie<strong>de</strong>r auftut. Er scheint eine Ahnung<br />
gehabt zu haben, was <strong>de</strong>m Menschen<br />
geschieht, wenn er es nicht schafft, <strong>bei</strong><strong>de</strong><br />
Welten zusammenzubringen. Die Zeit <strong>de</strong>s<br />
Paracelsus war das Vorspiel für heute und<br />
<strong>de</strong>shalb ist, meiner Meinung nach, sein<br />
Konflikt auch unser Konflikt.<br />
Eine stetig beschleunigen<strong>de</strong> Entwicklung<br />
äußerer technischer Möglichkeiten und<br />
Verän<strong>de</strong>rungen steht heute einem gleichzeitigen<br />
Schwin<strong>de</strong>n einer geistigen Gründung<br />
<strong>de</strong>s Menschen gegenüber. Das Problem<br />
da<strong>bei</strong> ist, dass all die faszinieren<strong>de</strong>n<br />
und unbestreitbar großartigen technischen<br />
Möglichkeiten im En<strong>de</strong>ffekt ein illusionäres<br />
Feuerwerk sind. Denn sobald wir selbst<br />
mit <strong>de</strong>n wesentlichen Grundfragen <strong>de</strong>s<br />
Lebens konfrontiert wer<strong>de</strong>n, wenn wir unglücklich<br />
sind, krank wer<strong>de</strong>n, sterben o<strong>de</strong>r<br />
auch nicht mehr Fuß fassen können, spielen<br />
technisch brilliante Erfindungen, spielt<br />
alles Materielle keine Rolle mehr, wären<br />
wir bereit, Hab und Gut zu opfern. In <strong>de</strong>n<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Dingen im Leben kann<br />
uns die Materie nicht helfen. Wir sind<br />
draußen aus <strong>de</strong>r großen Welt, sind ganz<br />
auf uns selbst zurückgeworfen und wer<strong>de</strong>n<br />
plötzlich mit etwas konfrontiert, wo es für<br />
uns nichts Festhaltbares gibt, wo wir vielleicht<br />
zunächst innere Leere empfin<strong>de</strong>n,<br />
da sich ein großes dunkles Loch vor uns<br />
auftut, das uns Angst macht. Ich möchte<br />
nicht wissen, was passieren wür<strong>de</strong>, wenn<br />
für eine Woche einmal keine Fernseh- und<br />
Radioprogramme liefen, wenn Menschen<br />
plötzlich mit <strong>de</strong>r Stille konfrontiert wür<strong>de</strong>n.<br />
Schon heute än<strong>de</strong>rt sich unsere Vor-<br />
20<br />
stellung vom Leben ganz dramatisch. Ein<br />
Musiker ist mit 28 Jahren schon zu alt für<br />
eine Karriere, für die Opernbühne kann<br />
man sogar ein jugendlicheres Alter ansetzen.<br />
Menschen, die <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r steten Verwandlung<br />
<strong>de</strong>r Computerprogramme nicht<br />
mehr mithalten können, wer<strong>de</strong>n im Beruf<br />
aussortiert. Junge, clevere Leute belegen<br />
die Stellen, bis auch sie schnell zu alt wer<strong>de</strong>n.<br />
Und man muss sich das vorstellen<br />
angesichts einer stetig steigen<strong>de</strong>n Lebenserwartung.<br />
Angesichts einer Überfülle <strong>de</strong>s<br />
Materiellen, dazu gehören auch Informationen,<br />
und einer gleichzeitigen inneren<br />
Leere ist die Sinnkrise vorprogrammiert.<br />
Für mich ist es daher wenig erstaunlich,<br />
dass trotz unseres mo<strong>de</strong>rnen Lebensstandards<br />
so wenige Menschen wirklich glücklich<br />
sind mit ihrem Leben, viele orientierungslos<br />
dahintreiben und die Nachfrage<br />
nach Therapie unendlich ist. Wir sind<br />
heute entwurzelt, weil wir nur auf einem<br />
Bein stehen, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r äußeren Welt.<br />
Paracelsus wusste dies und hat <strong>de</strong>shalb so<br />
viel Nachdruck auf die Suche nach <strong>de</strong>m<br />
inneren Wissen gelegt. Denn im inneren<br />
Wissen ist Halt und Stabilität, es ist <strong>de</strong>r<br />
Mittelpunkt o<strong>de</strong>r die Nabe, um die sich<br />
das Weltenrad dreht. Im äußeren Wissen<br />
fin<strong>de</strong>n wir dagegen stete Verän<strong>de</strong>rung, ein<br />
steter Wechsel zwischen Aufbau – Blüte –<br />
Zerfall. Das innere Wissen <strong>bei</strong>nhaltet die<br />
ewigen, grundlegen<strong>de</strong>n Kräfte <strong>de</strong>s Menschen,<br />
gleich welche Ar<strong>bei</strong>t er macht, welches<br />
Studium er treibt und welches Leben<br />
er lebt. Deshalb bezeichnete er diese Kräfte<br />
als Künste.<br />
Und wie fin<strong>de</strong>t man nun dieses innere<br />
Wissen und wie lernt man die 7 Künste?<br />
Paracelsus hat uns einen Weg hinterlassen:<br />
»Der Vater (Gott) vermag alles durch<br />
seine Weisheit und Kunst. Also sollen nun<br />
auch wir alles vermögen, nichts soll uns<br />
wi<strong>de</strong>rstehen, we<strong>de</strong>r die Magie noch die
Zaubersprüche, die Superstitiones, die<br />
Nigromantia, die Chiromantia. Denn diese<br />
Dinge sind alle von Gott und sind seine<br />
Künste. Können wir das nicht, so sind wir<br />
in dieser Beziehung nicht erweckt und<br />
schlafen noch« (11).<br />
Die Namen dieser Künste wer<strong>de</strong>n vielen<br />
Zuhörern sofort eine Gänsehaut geben.<br />
Gutmeinen<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n sie in die esoterische<br />
Ecke abtun, an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n sie als Spinnerei,<br />
Humbug und primitiven Aberglauben<br />
abtun. Wie kann es sein, dass ein eigentlich<br />
zukunftsorientierter, mo<strong>de</strong>rner Mensch<br />
wie Paracelsus von Magie, Zauber o<strong>de</strong>r<br />
Totenbeschwörung spricht, ja sie zur hohen<br />
Kunst gar erhebt? Es bedarf einer Begriffsklärung,<br />
<strong>de</strong>nn auch die magischen Wissenschaften<br />
haben eine Materialisierung erlebt,<br />
was zu einer Verzerrung ihres wirklichen<br />
Wesens geführt hat. Spricht man heute<br />
von <strong>de</strong>r Nigromantie, so <strong>de</strong>nkt je<strong>de</strong>r sogleich<br />
an abstruse Schwarze Messen und<br />
seltsame Geisterbeschwörungen. Viele Anwendungen<br />
<strong>de</strong>r Volksmagie sind eine Verzerrung<br />
<strong>de</strong>r ursprünglichen Absicht und<br />
in ihrer mil<strong>de</strong>n Form kurios, können sich<br />
aber auch im völlig Abstrusen verlieren.<br />
Man <strong>de</strong>nke nur, welchen Grausamkeiten<br />
Tiere unterworfen wur<strong>de</strong>n im Namen einer<br />
solchen Volks-Magie. Noch heute haben<br />
wir in China einen großen Boom solcher<br />
Art »magischer« Volksmedizin, die Tiger,<br />
Nashörner und an<strong>de</strong>re Tiere in ihrem Bestand<br />
ganz existentiell bedroht. Solche<br />
Praktiken stehen <strong>de</strong>n westlichen Tierversuchen<br />
in nichts nach. Aber von diesen<br />
<strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nten Auswüchsen geht Paracelsus<br />
nicht aus. Das versteht er nicht unter<br />
Magie. Er versucht das Wesentliche hinter<br />
ihr zu ent<strong>de</strong>cken. Sie ist für ihn <strong>de</strong>r Weg<br />
zur Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r inneren, himmlischen<br />
Welten. Betrachtet man seine Ausführungen<br />
näher, versucht hinter seine Worte zu<br />
schauen, so lehrt Paracelsus nichts als <strong>de</strong>n<br />
Weg zur ewigen Weisheit, natürlich in <strong>de</strong>n<br />
Worten seiner Zeit. Sein Weg <strong>de</strong>r Ausbildung<br />
for<strong>de</strong>rt die Verbindung zwischen<br />
faktischer Wissensvermittlung und gleichzeitiger<br />
seelischer Bildung. Und in dieser<br />
Hinsicht sind ihm sogenannte esoterische<br />
Metho<strong>de</strong>n das Richtige und er bezeichnet<br />
diese Art <strong>de</strong>r Schulung zu Recht als »Künste«.<br />
Es sind Tätigkeiten, die <strong>de</strong>n inneren Menschen<br />
schulen, die Selbsterkenntnis und<br />
Reifung mit sich bringen. Dass es gera<strong>de</strong><br />
sieben Künste sind, ist natürlich kein Zufall.<br />
Es gab die 7 freien Künste im Mittelalter,<br />
die noch die Studienzeit von Paracelsus<br />
bestimmten, und es gab die 7 Schritte<br />
<strong>de</strong>r Transmutation in <strong>de</strong>r Alchemie.<br />
Überhaupt ist diese Zahl stets als Zahl <strong>de</strong>r<br />
Schöpfung, <strong>de</strong>r zyklischen Erneuerung und<br />
jeglicher Periodizität betrachtet wor<strong>de</strong>n.<br />
Ich möchte im Folgen<strong>de</strong>n die 7 Künste<br />
<strong>de</strong>s Paracelsus vorstellen, um Ihnen einen<br />
Eindruck zu geben, was wirklich in diesen<br />
Künsten steckt, dass sie nicht irgen<strong>de</strong>ine<br />
abgehobene unrealistische I<strong>de</strong>e sind, son<strong>de</strong>rn<br />
ganz pragmatisch sind. Man muss<br />
stets vor Augen halten, dass Paracelsus sowohl<br />
Philosoph, vor allem aber auch Pragmatiker<br />
war. Und so möchte ich Ihnen die<br />
pragmatische Seite <strong>de</strong>r Künste vorstellen<br />
und wie sie uns heute helfen können,<br />
unser etwas einseitiges Ausbildungssystem<br />
zu revolutionieren.<br />
21
Schon <strong>bei</strong>m Begriff »Astrologie« <strong>de</strong>nkt<br />
je<strong>de</strong>r an die tägliche Zeitung mit ihren<br />
Horoskopen. Da<strong>bei</strong> gehörte die Astrologie<br />
einst zu <strong>de</strong>n königlichen Wissenschaften<br />
und wur<strong>de</strong> sogar noch in diesem Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
an einigen Hochschulen gelehrt. Astrologie<br />
hat mit <strong>de</strong>n himmlischen Kräften zu<br />
tun, mit <strong>de</strong>n Energien <strong>de</strong>s Weltenraums,<br />
mit elektromagnetischen Fel<strong>de</strong>rn. Es war<br />
die uralte innere Erkenntnis, dass es grundlegen<strong>de</strong><br />
kosmische Kräfte gibt, die alles<br />
Leben prägen. Heute sprechen Naturwissenschaftler<br />
von Informationsfel<strong>de</strong>rn und<br />
morphogenetischen Fel<strong>de</strong>rn, die Psychologen<br />
von Archetypen. Diese Energien sah<br />
man auch in <strong>de</strong>n Planeten verkörpert. Der<br />
Himmel ist die Ursache für alle Erscheinungen<br />
dieser Er<strong>de</strong>, ist ihre Matrix. In ihm<br />
sind die Urbil<strong>de</strong>r aller Kräfte, die auf Er<strong>de</strong><br />
und Mensch einwirken. Paracelsus vergleicht<br />
das Verhältnis zwischen Kosmos<br />
und Mensch mit einem Apfel. Der Kosmos<br />
umgibt die Er<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n Menschen, wie<br />
das Fruchtfleisch <strong>de</strong>n Apfelkern umgibt.<br />
Der Kern ist <strong>de</strong>r Mensch. Er ist das Zentrum,<br />
auf das die kosmischen Kräfte hinwirken,<br />
und da <strong>de</strong>r Mensch aus ihnen geschaffen<br />
ist, reagiert er auf sie. Solange<br />
<strong>de</strong>r Mensch unbewusst dahinlebt, machen<br />
diese Einflüsse mit ihm, was sie wollen.<br />
Er wird regiert von ihnen und sie erregen<br />
Emotionen in ihm, von <strong>de</strong>nen er nicht<br />
weiß, wo sie herkommen. Wer sich selbst<br />
erkennt, also <strong>de</strong>r Weise, ist nicht mehr<br />
Spielball dieser Kräfte, son<strong>de</strong>rn kann sie<br />
frei nutzen. »Der Weise beherrscht das<br />
<strong>Ges</strong>tirn«, sagt Paracelsus.<br />
Die Astrologie erklärt also <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />
<strong>de</strong>r inneren Kräfte, so dass <strong>de</strong>r<br />
Weg zur Selbsterkenntnis geför<strong>de</strong>rt wird.<br />
Paracelsus lobt die Astrologie als wichtiges<br />
Instrument, innere Anlagen zu erkennen<br />
22<br />
Die erste Kunst<br />
Die Astrologie · Ganzheitliches Denken<br />
Ziel: Vernetztes Denken<br />
und <strong>de</strong>n rechten Lebensweg zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Und wer eine innere Ordnung in seinem<br />
Leben erkennt, <strong>de</strong>r wird die Zusammenhänge<br />
<strong>de</strong>r Welt erkennen.<br />
Ursprünglich erkannte man sieben verschie<strong>de</strong>ne<br />
kosmische Kräfte als bestimmend<br />
für das Leben und brachte diese in<br />
Verbindung mit <strong>de</strong>n Planeten. Die Planeten<br />
sind also energetischeQualitäten und archetypische<br />
Muster. Alles was sich verdichtet,<br />
konzentriert, sich verlangsamt, sich <strong>de</strong>r<br />
Er<strong>de</strong> zuneigt, alles was begrenzt sah man<br />
z.B.in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Saturn wi<strong>de</strong>rgespiegelt.<br />
Wir wür<strong>de</strong>n das heute als Schwerkraft bezeichnen.<br />
Und damit besitzt alles Schwere,<br />
wie z.B. ein Stein, das Metall Blei (<strong>de</strong>nken<br />
Sie an das Senkblei o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gangregler<br />
<strong>de</strong>r Uhren), die Dunkelheit etc., eine vorwiegend<br />
saturnale Qualität. In <strong>de</strong>r menschlichen<br />
Psyche entspricht dies <strong>de</strong>m melancholischen<br />
Temperament, entspricht einer<br />
Haltung, die mit Ruhe, Meditation,Schwerfälligkeit,<br />
Introvertiertheit usw. zu tun hat.<br />
Alle Pflanzen mit dunkler Farbe o<strong>de</strong>r<br />
Bäume die sich <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zuneigen, galten<br />
damit ebenfalls <strong>de</strong>m Saturn zugehörig. –<br />
Sie sehen, was wir in <strong>de</strong>r Astrologie wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n,<br />
ist die hohe Kunst <strong>de</strong>r inneren<br />
Entsprechungslehre, ähnlich <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n<br />
5 Elementen in <strong>de</strong>r chinesischen Philosophie,<br />
die sie vielleicht aus <strong>de</strong>r Akupunktur<br />
kennen. Aufgrund dieser Lehre war die<br />
Signaturenlehre überhaupt erst möglich. –<br />
Noch ein Beispiel eines Planeten, um die<br />
Dinge klar wer<strong>de</strong>n zu lassen. Alles was<br />
dynamisch, hitzig, explosiv, eruptiv, spannungsgela<strong>de</strong>n,<br />
antriebsstark, anregend,<br />
beschleunigend ist, bezeichnete man als<br />
Kraft <strong>de</strong>s Mars. Heute wür<strong>de</strong>n wir diese<br />
Kraft als Dynamik, Beschleunigungskraft<br />
o<strong>de</strong>r Spannkraft bezeichnen. Damit gehörte<br />
z.B. die Feuer-Hitze, <strong>de</strong>r Dorn o<strong>de</strong>r
Nagel, die Waffe, das Metall Eisen o<strong>de</strong>r<br />
die Farbe Rot zum Planeten Mars. Im Menschen<br />
entspricht dies <strong>de</strong>m cholerischen<br />
Temperament, entspricht z.B. einer hohen<br />
inneren Spannkraft, Kampfbereitschaft,<br />
Durchsetzungswillen und Aktivitätsdrang.<br />
Alle Pflanzen, die brennen (wie z.B. Nesseln)<br />
o<strong>de</strong>r die stechen (Dornsträucher),<br />
galten <strong>de</strong>m Mars zugehörig.<br />
Sie ersehen daraus, welch faszinieren<strong>de</strong><br />
Zusammenhänge entstehen, und diese Art<br />
Erkenntnis for<strong>de</strong>rte Paracelsus. Der Mensch<br />
kann mithilfe <strong>de</strong>r Astrologie erkennen,<br />
was in seinem Leben geschieht und er<br />
kann mit ihrer Hilfe lernen, im Einklang<br />
mit <strong>de</strong>n Energien zu leben und sie weise<br />
zu nutzen.<br />
Paracelsus übernimmt auch die damals<br />
gängige Vorstellung, dass die göttliche Kraft<br />
zuerst auf das <strong>Ges</strong>tirn und seinen Planeten<br />
einwirkt. Dann erst wirkt diese Energie als<br />
planetarische Kraft auf die Wesen <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
ein. Wenn etwas abstirbt o<strong>de</strong>r vergeht auf<br />
dieser Er<strong>de</strong>, zeigt sich für Paracelsus dies<br />
vorher im Ursprung, nämlich in <strong>de</strong>r Planetenkraft,<br />
die schwach wird. Pflanzen und<br />
Tiere reagieren viel schneller auf die Planetenkräfte<br />
als <strong>de</strong>r Mensch, weshalb <strong>de</strong>r kluge<br />
Mensch aus <strong>de</strong>ren Verhalten seine eigene<br />
Zukunft erkennen kann. Auch dies hat <strong>de</strong>r<br />
Himmelsschöpfer laut Paracelsus so eingerichtet,<br />
dass <strong>de</strong>m Menschen Erkenntnis<br />
daraus erwachse. In <strong>de</strong>r Tat ist das, was wir<br />
aktuell auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> von einem Planeten<br />
aus wahrnehmen, seine Vergangenheit.<br />
Lange bevor eine negative Entwicklung<br />
<strong>de</strong>n Menschen erreicht, ist sie schon im<br />
Planeten sichtbar. Voraussetzung für dieses<br />
Denken war die allen Kulturen gemeinsame<br />
Weisheit, dass es eine Urquelle gibt,<br />
aus <strong>de</strong>r alles Sein entspringt und wohin es<br />
wie<strong>de</strong>r zurückkehrt. Materie galt nicht als<br />
toter Stoff, son<strong>de</strong>rn als dichteste Form<br />
jener Energie, die aus dieser Urquelle ent-<br />
stammt. Somit stand je<strong>de</strong>s Leben im Bezug<br />
zur Urquelle, wie auch im Bezug zueinan<strong>de</strong>r.<br />
Daraus ergeben sich Kräfteverhältnisse,<br />
Proportionen. Diese Verhältnisse<br />
aufzu<strong>de</strong>cken, war die Aufgabe <strong>de</strong>r Astrologie.<br />
Sie untersuchte die Entfaltung von<br />
Leben in Zeit und Raum. Paracelsus versteht<br />
unter <strong>Ges</strong>tirn schon damals nicht nur<br />
<strong>de</strong>n astronomisch zu erfassen<strong>de</strong>n Planeten,<br />
son<strong>de</strong>rn spricht vom inneren <strong>Ges</strong>tirn. Damit<br />
meint er die inneren Kräfte, die ein<br />
Wesen bewegen. Er vertritt die Auffassung,<br />
dass jemand, <strong>de</strong>r Horoskope erstellt und<br />
keine Ahnung vom <strong>Ges</strong>tirn <strong>de</strong>s Schicksals<br />
o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n <strong>Ges</strong>tirnen <strong>de</strong>r 4 Elemente<br />
hat, eine völlig be<strong>de</strong>utungslose Ar<strong>bei</strong>t tut.<br />
Es gilt, ihm Zugang zum Wesen dieser unsichtbaren<br />
Kräfte zu schaffen, die die Welt<br />
bewegen.<br />
Die Astrologie lehrt für ihn mehr die<br />
Sinnzusammenhänge und entspricht <strong>de</strong>m,<br />
was wir heute als ganzheitliches Denken<br />
bezeichnen. Lesen wir Astrologiebücher,<br />
so haben wir eine Unmenge an Details<br />
und Fakten, aber kein Mensch kann daraus<br />
allein eine vernünftige Horoskop<strong>de</strong>utung<br />
erstellen, wie die Computerhoroskope ja<br />
zeigen. Es gilt das faktische Wissen <strong>de</strong>r<br />
Astrologie zu studieren, aber dann gilt es<br />
die inneren Zusammenhänge zu erkennen<br />
und eine ganzheitliche Betrachtungsweise<br />
zu entwickeln. Dies kann man in <strong>de</strong>r Beschäftigung<br />
mit <strong>de</strong>r Astrologie erlernen.<br />
Es ist die Fähigkeit z.B., die ein guter Arzt<br />
hat, wenn er <strong>de</strong>n Patienten in allen Details<br />
sieht, daraus aber sich ein ganzheitliches<br />
Bild machen kann und die Zusammenhänge<br />
erkennt. Die Astrologie wird heute<br />
hauptsächlich im psychologischen, beraten<strong>de</strong>n<br />
Bereich genutzt, mit gutem Erfolg.<br />
Aber viele an<strong>de</strong>re Aspekte <strong>de</strong>r Astrologie<br />
wer<strong>de</strong>n noch viel zu wenig in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
berücksichtigt. Die Astrologie lehrt<br />
die größeren Zusammenhänge, zeigt das<br />
23
Netz, das die Dinge dieser Er<strong>de</strong> zusammenhält.<br />
In <strong>de</strong>r Beschäftigung mit ihr können<br />
wir im besten Sinne vernetztes Denken<br />
lernen. Im Zuge <strong>de</strong>r fortschreiten<strong>de</strong>n Glo-<br />
Das Wort Magie hat für uns heute viele<br />
Be<strong>de</strong>utungen. Paracelsus dürfte unter ihr<br />
die anima mundi verstan<strong>de</strong>n haben, die<br />
Weltseele, die mithilfe von Schwingung<br />
bewirkt, dass sich aus <strong>de</strong>r Ursubstanz, <strong>de</strong>r<br />
Urmatrix, die vielfältigen Erscheinungsformen<br />
<strong>de</strong>r irdischen Welt herauskristallisieren.<br />
Vergleichbar ist dies <strong>de</strong>r En<strong>de</strong>ckung<br />
<strong>de</strong>s Physikers Chladni, <strong>de</strong>r Staub o<strong>de</strong>r Sand<br />
auf eine Metallplatte gab und mit einem<br />
Bogen dieselbe anstrich. Je<strong>de</strong>r Ton erzeugte<br />
ein an<strong>de</strong>res geometrisches Muster. Der<br />
Forscher Hans Jenny setzte diese Forschungen<br />
in <strong>de</strong>n 50er Jahren fort und bezeichnete<br />
dieses Gebiet als »Kymatik«. Die Schwingungen<br />
<strong>de</strong>r Töne bewirken eine Ordnung<br />
<strong>de</strong>r Moleküle, was eine bestimmte Struktur<br />
und Form hervorruft und gleichzeitig<br />
muss eine Resonanzfähigkeit, eine Wahrnehmungsfähigkeit<br />
vorhan<strong>de</strong>n sein, die<br />
auf die Schwingungen reagiert. Je<strong>de</strong>s Ding,<br />
je<strong>de</strong> Substanz hat also Empfindung und<br />
trägt eine bestimmte Schwingung in sich.<br />
Von nichts an<strong>de</strong>rem geht die Magie aus.<br />
Sie ist sozusagen eine Schwingungs-Wissenschaft.<br />
Sie erforscht, welchem Ding welche<br />
Schwingung innewohnt und wie Schwingung<br />
übertragen wer<strong>de</strong>n kann. Aus diesem<br />
Grund ist die Tonkunst auch immer eine<br />
zutiefst magische Kunst gewesen. Für uns<br />
heute fällt die Bioenergetik, Resonanztherapie<br />
und die Schwingungsmedizin unter<br />
diese Kunst. Sie nimmt mithilfe verschie<strong>de</strong>ner<br />
Metho<strong>de</strong>n die Eigenschwingung<br />
24<br />
Die zweite Kunst<br />
Die Magie · Die Bio-Energetik<br />
Ziel: Selbstverwandlung<br />
balisierung, <strong>de</strong>s Zusammenwachsens <strong>de</strong>r<br />
Weltteile, im sprunghaften Ansteigen von<br />
Wissensfakten, ist diese Fähigkeit dringend<br />
nötig.<br />
eines Klienten auf und kann sie verän<strong>de</strong>rn.<br />
Auch die Ar<strong>bei</strong>t mit Blüten-Essenzen fällt<br />
darunter.<br />
Paracelsus kannte diese Kunst auch. Nach<br />
alter Überlieferung übertrug er bestimmte<br />
Schwingungen auf Steine, Bil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />
Gemmen. Verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n da<strong>bei</strong> Zeichen,<br />
Buchstaben, Namen, Formen o<strong>de</strong>r<br />
Pflanzen. Sie dienten dann als Schutzamulette.<br />
Für Paracelsus steckten in allen<br />
Dingen spezifische Energien, in Buchstaben,<br />
Lauten und Namen. Diese zu kennen<br />
und in Wirkung zu versetzen, war für ihn<br />
die Aufgabe <strong>de</strong>s Magiers. Dies war alte<br />
kabbalistische Tradition und noch heute<br />
gibt es in Indien die Kunst <strong>de</strong>s Mantrams,<br />
also magische Worte, die bestimmte Energien<br />
anregen o<strong>de</strong>r abschwächen. Paracelsus<br />
schätzte die Magie sehr hoch ein. Zwischen<br />
einem Heiligen und einem Magier gab es<br />
für ihn nur einen Unterschied: <strong>de</strong>r Heilige<br />
wirkt allein durch Gott,während <strong>de</strong>r Magier<br />
mit <strong>de</strong>m Wissen um die Natur <strong>de</strong>r Dinge<br />
wirkt. Vor allem in <strong>de</strong>r Heilkunst hielt Paracelsus<br />
diese Kunst für wichtig, da Krankheit<br />
für ihn durch falsche Strahlung, durch<br />
<strong>de</strong>n Einfluss falscher Energien erzeugt<br />
wur<strong>de</strong>. Mittel zu fin<strong>de</strong>n, die die richtige<br />
Schwingung wie<strong>de</strong>r herstellen o<strong>de</strong>r über<br />
Hän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Gedanken positive Energien<br />
übertragen, das waren die Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Magie. Ein Gedanke, <strong>de</strong>n Samuel Hahnemann<br />
dann so erfolgreich in seiner Homöopathie<br />
ausgear<strong>bei</strong>tet hat. Magie war also
stets die Wissenschaft von <strong>de</strong>n Energien<br />
und <strong>de</strong>ren Handhabung. Der Schüler, <strong>de</strong>r<br />
sich in richtiger Weise mit Magie beschäftigt,<br />
kommt nicht umhin, dass er sich im<br />
Laufe <strong>de</strong>s Prozesses selbst verän<strong>de</strong>rt, seine<br />
Energien neu strukturiert. Es gleicht <strong>de</strong>m<br />
Werk <strong>de</strong>s Alchemisten, <strong>de</strong>r zwar <strong>de</strong>n Stein<br />
o<strong>de</strong>r das Gold sucht, in <strong>de</strong>m aber die Selbstverwandlung<br />
zu einem höheren Menschenbild<br />
hin das eigentliche Ziel ist. Der »lapis«,<br />
<strong>de</strong>r Stein, ist die Seele. Das Werk <strong>de</strong>s Schülers<br />
<strong>de</strong>r Magie fängt stets <strong>bei</strong> ihm selbst an. Er<br />
muss erkennen, dass die persönliche Schwingung<br />
Ergebnisse anzieht, die auf diese ausgesandte<br />
Schwingung resonieren. So wird<br />
jemand, <strong>de</strong>r selbst mit sich uneins ist, stets<br />
disharmonische, unzufrie<strong>de</strong>ne Ergebnisse<br />
anziehen, <strong>de</strong>r zornige Mensch wird stets<br />
Konflikte anziehen. Seine eigene Schwingung<br />
in <strong>de</strong>r Welt erkennen, sie in eine<br />
höhere Schwingung zu verwan<strong>de</strong>ln, ist<br />
<strong>de</strong>r Weg.<br />
Die Voraussetzung für diese Kunst ist das<br />
alte Wissen, dass es verschie<strong>de</strong>ne Ebenen<br />
<strong>de</strong>r Wirklichkeit gibt. Für einen Träumer ist<br />
sein Traum eine absolut reale Welt, auch in<br />
körperlicher Hinsicht, was sich spätestens<br />
dann beweist, wenn jemand schweißgeba<strong>de</strong>t<br />
und mit rasen<strong>de</strong>m Puls aus einem<br />
Traum hochschreckt. O<strong>de</strong>r umgekehrt kann<br />
die irdische Wirklichkeit in extremen emotionalen<br />
Situationen, also durch übergroße<br />
Freu<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r übergroßen Schmerz, unwirklich<br />
wer<strong>de</strong>n. Wir sprechen dann z.B. von<br />
einem »Alptraum«. Hier mischen sich zwei<br />
<strong>de</strong>r Wirklichkeitsebenen menschlichen<br />
Erlebens. Der Harmoniker Hans Kayser<br />
fragte sich zu Beginn dieses Jahrhun<strong>de</strong>rts,<br />
Die dritte Kunst<br />
Die Divinatio · Die Sensitivitätsschulung<br />
Ziel: Erweiterte Wahrnehmung<br />
Gera<strong>de</strong> heute fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r<br />
Energetik wie<strong>de</strong>r ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />
Interesse. Bio-Energetische Heil- und<br />
Messverfahren, die Möglichkeit energetisch<br />
Informationen auf Trägersubstanzen zu<br />
übertragen, Homöopathie usw. erleben<br />
heute wie<strong>de</strong>r einen großen Aufschwung.<br />
Und ihnen gehört die Zukunft. Denn<br />
schon heute ist es z.B. in <strong>de</strong>r Medizin nicht<br />
mehr möglich, sehr viele Krankheiten<br />
genau zu diagnostizieren, <strong>de</strong>nken wir z.B.<br />
nur an <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Allergien, <strong>de</strong>r psychosomatischen<br />
und chronischen Erkrankungen.<br />
Die meisten Ärzte wären froh,<br />
sie hätten in ihrer Praxis mal wie<strong>de</strong>r klare<br />
Krankheitsbil<strong>de</strong>r, z.B. ein Knochenbruch,<br />
wie es ihre Vorgänger noch kannten. Die<br />
richtigen Informationen zu bekommen,<br />
wird zunehmend wichtiger in neuerer Zeit.<br />
Energien richtig nutzen, sich selbst auch<br />
abschirmen zu können gegen energetische<br />
Einflüsse, wer<strong>de</strong>n zukünftige Themen sein.<br />
wie wohl die menschliche Welt aussehen<br />
wür<strong>de</strong>, wenn statt <strong>de</strong>m Tastsinn (man<br />
<strong>de</strong>nke an Be-Griff) z.B. <strong>de</strong>m Hörsinn absolute<br />
Priorität eingeräumt wor<strong>de</strong>n wäre,<br />
wenn <strong>de</strong>r Mensch nicht in einer abtastbaren,<br />
anfassbaren, begreiflichen Welt leben<br />
wür<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn allein in einer klingen<strong>de</strong>n.<br />
Die »Divinatio« <strong>de</strong>s Paracelsus han<strong>de</strong>lt<br />
genau von solchen unterschiedlichen<br />
Wirklichkeiten und ihrer Wahrnehmung.<br />
Paracelsus versteht unter Divinatio zunächst<br />
die Fähigkeit, Dinge zu erfahren,<br />
die nicht im Bereich <strong>de</strong>s Wissens, <strong>de</strong>r<br />
Erfahrung und <strong>de</strong>s analytisch logischen<br />
Denkens liegen. Es ist für ihn die Fähigkeit,<br />
über die direkte Inspiration mithilfe<br />
25
himmlischer Kräfte, Dinge in Erfahrung zu<br />
bringen. Anstatt Himmel verwen<strong>de</strong>n wir<br />
heute Begriffe wie »unbewusste Ebene«<br />
o<strong>de</strong>r Überselbst. Es ist die spontane Erkenntnis<br />
von Dingen, ihre Eingebung.<br />
Auch Wahrträume gehören für Paracelsus<br />
hierher. Für uns heute fällt dies in <strong>de</strong>n Bereich<br />
<strong>de</strong>r Kreativität und <strong>de</strong>r supranormalen<br />
Wahrnehmung. Wir wissen, dass große<br />
Werke und Erfindungen <strong>de</strong>r Menschheit<br />
meist über solche Eingebungen erfolgt<br />
sind. Natürlich haben viele solcher genialen<br />
Menschen vorher Wissen gesammelt,<br />
hart nach einer Lösung gesucht. Der Durchbruch<br />
zur Lösung kam aber meist unerwartet,<br />
z.B. durch einen Traum. Aber es<br />
gibt viele, die nach keiner Lösung für ein<br />
Problem suchten und doch Eingebungen<br />
hatten. Insbeson<strong>de</strong>re ist dies im künstlerischen<br />
Bereich <strong>de</strong>r Fall, wo es nicht um Lösungen<br />
geht, son<strong>de</strong>rn um Inspiration und<br />
schöpferische Kraft. Aber ich möchte auch<br />
an solche Versuche unter wissenschaftlichen<br />
Bedingungen erinnern, in <strong>de</strong>nen Menschen<br />
unter Hypnose o<strong>de</strong>r in Trance ihnen frem<strong>de</strong><br />
Sprachen sprechen konnten o<strong>de</strong>r als unmusikalische<br />
Menschen plötzlich recht gut<br />
Klavier spielen konnten. Auch die Versuche<br />
mit Telepathie stehen hierfür, in <strong>de</strong>nen<br />
Menschen Dinge wahrnehmen konnten<br />
von Personen, die tausen<strong>de</strong> Kilometer entfernt<br />
waren. Diese Kraft ermöglicht es uns<br />
auch, im entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Augenblick das<br />
Richtige zu tun. Sensitivität schult das<br />
Wahrnehmungsvermögen. Es gilt offen zu<br />
sein für das ganze Meer an Informationen,<br />
das an uns heranbraust. Es gilt zu unterschei<strong>de</strong>n<br />
und das Wirkliche und Wichtige<br />
auszuwählen. Durch die herkömmliche<br />
Ausbildung machen wir die Türen unseres<br />
Wahrnehmungsvermögens zu. Wir lernen<br />
in bestimmten Kategorien und Schubla<strong>de</strong>n,<br />
sozusagen auf einer flachen Ebene,<br />
zu <strong>de</strong>nken und diese bestimmen dann<br />
26<br />
unsere Wahrnehmung. Zu vielen Wahrnehmungen<br />
sagt unser Verstand, »das ist<br />
Blödsinn«, »Träume sind Schäume« usw..<br />
Sensitivität sagt, dass je<strong>de</strong> Wahrnehmung<br />
an sich richtig ist, dass oft aber die Deutung<br />
falsch ist. Wahrnehmung und das Deuten<br />
<strong>de</strong>r Wahrnehmung lehrt die Sensitivität.<br />
Paracelsus beschreibt, dass die »Divinatio«<br />
oft eine Sache <strong>de</strong>r ganz »einfachen«<br />
Menschen ist, da die gebil<strong>de</strong>ten, ja manchmal<br />
verbil<strong>de</strong>ten Menschen, spontane Eingebungen<br />
als »Einbildung« abtun. Sie achten<br />
nicht darauf und Paracelsus schreibt<br />
dazu: »Allein man merke darauf und verachte<br />
sie nicht, wie es <strong>de</strong>nn einem weisen<br />
Manne geziemt, nichts zu verachten,<br />
son<strong>de</strong>rn die Dinge mit Weisheit zu ermessen«<br />
(12).<br />
Es gibt für Paracelsus sechs Arten <strong>de</strong>r<br />
»Divinatio« o<strong>de</strong>r Sensitivität. Sie kann<br />
über <strong>de</strong>n Schlafzustand geschehen, also<br />
über das Träumen. »Also wird viel durch<br />
<strong>de</strong>n Traum diviniert, man achtet seiner<br />
nicht, bis es geschehen ist« (12). Die zweite<br />
Art bezeichnet er als »Phantasia«, worunter<br />
er versteht, sich von Bil<strong>de</strong>rn und Figuren<br />
inspirieren zu lassen. Paracelsus erwähnt<br />
dazu ein Beispiel:» So stehen manchmal<br />
seltsame Figuren am Himmel, die aussehen<br />
als ob sie Geister wären« (12). Im Gras zu<br />
liegen und die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wolken zu beobachten<br />
und zu <strong>de</strong>uten, war eine Grundübung<br />
<strong>de</strong>r Schulung <strong>de</strong>r einstigen Seher.<br />
Eine weitere Art nennt er »Speculatio«:<br />
»So nimmt sich einer vor, über ein Ding<br />
nachzu<strong>de</strong>nken, was für ein En<strong>de</strong> es<br />
nehmen wer<strong>de</strong>, und <strong>bei</strong> diesem Nach<strong>de</strong>nken<br />
fin<strong>de</strong>t er wirklich das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Dinges« (12).<br />
Die weiteren Arten <strong>de</strong>r Divinatio gehen<br />
direkt über das seelische Erleben, das er als<br />
»Animus« bezeichnet, über die Sinne, als<br />
»Sensus« bezeichnet und über die innere<br />
Stimme, als »Vox« bezeichnet (13).
Die vierte Kunst<br />
Die Nigromantia · Die Medialität<br />
Ziel: Kommunikation außerhalb von Zeit und Raum<br />
Paracelsus bemüht sich die Begrifflichkeit<br />
hier ganz klar zu stellen, da auch damals<br />
diese Kunst schon als Totenbeschwörung<br />
in Verruf geraten war. Er bemerkt, dass<br />
diese Kunst früher »Schwarze Kunst« genannt<br />
wur<strong>de</strong>, da man sie hauptsächlich im<br />
Dunkeln ausübte. Mit Verstorbenen Kontakt<br />
aufzunehmen, sei eine völlig natürliche<br />
Angelegenheit und nichts Beson<strong>de</strong>res,<br />
so Paracelsus, da <strong>de</strong>r Mensch mit <strong>de</strong>m Tod<br />
seinen physischen Körper ablege, aber in<br />
seinem si<strong>de</strong>risch-astralen Körper weiterlebe.<br />
So habe die Nigromantia auch nichts<br />
Schrecken<strong>de</strong>s, da sie ja nicht mit <strong>de</strong>m toten<br />
Körper ar<strong>bei</strong>tet, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r Person,<br />
die auf <strong>de</strong>r feinstofflichen Ebene ganz natürlich<br />
weiterlebt. Die Fähigkeit, mit Wesen<br />
Kontakt aufzunehmen, die nicht an einen<br />
irdischen Körper gebun<strong>de</strong>n sind, also z.B.<br />
auch Naturgeister, fällt für Paracelsus ebenfalls<br />
unter die Nigromantia.<br />
Für viele Menschen heute ist sie sicherlich<br />
die zweifelhafteste Kunst, hat sie doch<br />
durch abstruse okkulte Praktiken gestörter<br />
Menschen gelitten, wie auch unter <strong>de</strong>r verdrehten<br />
Vorstellung <strong>de</strong>r Kirchen über <strong>de</strong>n<br />
Tod. Viele Menschen glauben auch heute<br />
noch, sie liegen bis zum Tag <strong>de</strong>r Auferstehung<br />
im Sarg. Sterben und Tod sind sehr<br />
vorbelastete Themen, so muss natürlich<br />
die Kommunikation mit Verstorbenen<br />
noch weit mehr irritieren. Manchen Menschen<br />
macht die Vorstellung, dass die physisch<br />
Toten gar noch unsichtbar anwesend<br />
sein können, noch weit mehr Stress, als<br />
die Angst vor <strong>de</strong>m Tod. In <strong>de</strong>n östlichen<br />
Län<strong>de</strong>rn ist <strong>de</strong>r Umgang mit <strong>de</strong>n Verstorbenen<br />
und Ahnen weitaus natürlicher als<br />
im Westen.<br />
Aber auch im Westen gibt es eine Art<br />
dieser Kunst, nämlich in <strong>de</strong>r Medialität,<br />
wie sie in England gelehrt wird. Dort ist es<br />
<strong>de</strong>r Spiritualismus, <strong>de</strong>r lehrt, dass alles auf<br />
dieser Er<strong>de</strong> beseelt ist und dass <strong>de</strong>r physische<br />
Tod nur eine Übergangsform in ein<br />
an<strong>de</strong>res Dasein ist. Viele Menschen suchen<br />
heute in England Medien auf. Ihre Ausbildung<br />
wird zum größten Teil strengen<br />
Kriterien unterzogen. Medien wer<strong>de</strong>n<br />
meist aufgesucht, um in Kontakt zu Verstorbenen<br />
zu treten, um <strong>de</strong>ren Hilfe und<br />
Rat fürs eigene Leben zu bitten. Auch die<br />
Polizei nutzt die Gabe solcher Menschen,<br />
zum Teil mit spektakulärem Erfolg.Während<br />
<strong>de</strong>s Weltkrieges waren Medien die Zuflucht<br />
vieler verzweifelter Eltern, <strong>de</strong>ren Söhne als<br />
vermisst galten. Ich habe selbst jahrelang<br />
in England Kurse mit Medien besucht und<br />
kann die Seriosität und Präzision in <strong>de</strong>r<br />
Ar<strong>bei</strong>t dieser Menschen,wie ich sie kennengelernt<br />
habe, nur bewun<strong>de</strong>rn.<br />
Die Nigromantia beschäftigt sich mit<br />
<strong>de</strong>r Trennung <strong>de</strong>s si<strong>de</strong>rischen Körpers, wir<br />
bezeichnen dies heute als Astralkörper,<br />
vom physischen Körper. Es ist auch im irdischen<br />
Leben eine ganz natürliche Fähigkeit<br />
<strong>de</strong>s Menschen. Künstler könnten ohne<br />
diese Fähigkeiten nicht zu ihren Inspirationen<br />
und Visionen kommen. Aus <strong>de</strong>n Zitaten<br />
vieler berühmter Komponisten gibt es<br />
zahlreiche Belege, in <strong>de</strong>nen sie Komponieren<br />
als somnambulen, medialen, trancehaften<br />
Zustand bezeichnen. Komponisten<br />
wie Wagner, Mahler o<strong>de</strong>r Brahms sprechen<br />
gar direkt von <strong>de</strong>m Gefühl, dass jemand<br />
an<strong>de</strong>res im Raum anwesend war und ihre<br />
Hand geführt habe. Bruckner hatte regelrechte<br />
Visionen, in <strong>de</strong>nen er mit Engeln<br />
kommunizierte, ebenfalls übrigens Robert<br />
Schumann. Ich will diese Dinge anführen,<br />
damit Sie erkennen können, dass diese<br />
Künste keine Seifenblase sind, son<strong>de</strong>rn<br />
ganz reale, enorme Energien <strong>bei</strong>nhalten.<br />
27
Interessanterweise erwähnt Paracelsus<br />
auch eine ganz beson<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>r Nigromantia:<br />
die Clausura nigromantica.<br />
»...daß sie <strong>de</strong>rjenige beherrscht, welcher in<br />
einen Menschen hineingreifen kann, ohne<br />
ihn zu verletzen, das ist, ohne daß eine sichtbare<br />
Öffnung da wäre« (14). Was heute mit<br />
großem Interesse auch wissenschaftlich verfolgt<br />
wird, ist genau diese Kunst, die manche<br />
philippinischen und brasilianischen<br />
Heiler beherrschen, die ohne Verletzung<br />
und Blutung operieren können. Auch zur<br />
Zeit <strong>de</strong>s Paracelsus scheint es das schon<br />
gegeben zu haben.<br />
Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n letzten Monaten erleben<br />
wir das Aufblühen eines Interesses, das für<br />
Paracelsus auch unter Nigromantia fällt,<br />
nämlich die Kommunikation mit Tieren.<br />
Das Buch »Der Pfer<strong>de</strong>flüsterer« bricht alle<br />
Rekor<strong>de</strong> und viele Menschen möchten<br />
lernen, mit ihren Tieren zu re<strong>de</strong>n.<br />
»Nichts gibt es, was die Natur nicht gekennzeichnet<br />
hätte. Durch diese Zeichnung<br />
kann man erkennen, was dadurch bezeichnet<br />
ist. – Wie ihr sehet, daß je<strong>de</strong>s Kraut<br />
in <strong>de</strong>r Form wächst, die seiner Natur entspricht,<br />
so erhält auch <strong>de</strong>r Mensch die<br />
Form, die seiner Natur entspricht« (15).<br />
Nach Paracelsus ist das »Signatum« die<br />
Kunst, aus <strong>de</strong>r äußeren Erscheinungsform<br />
eines Wesens auf seine inneren Qualitäten<br />
zu schließen. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Heilpflanzenkun<strong>de</strong><br />
war diese Kunst mit am wichtigsten.<br />
Das aus dieser Kunst entstan<strong>de</strong>ne Wissen<br />
über die Heilwirkung <strong>de</strong>r Pflanzen konnte<br />
in <strong>de</strong>n meisten Fällen heute auch in wissenschaftlicher<br />
Hinsicht nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Kunst <strong>de</strong>s Signatum ist ebenfalls wich-<br />
28<br />
Nigromantia ist nach Paracelsus generell<br />
die Kunst, mit »Systemen« zu kommunizieren,<br />
die an<strong>de</strong>rs ausgerichtet sind, als die<br />
<strong>de</strong>s alltagsbewussten Menschen. Dies setzt<br />
natürlich voraus, dass man die Beseeltheit<br />
aller Wesen anerkennt, das Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />
unterschiedlicher energetischer Körperebenen<br />
und anerkennt, dass es Dinge gibt,<br />
die außerhalb unserer Raum- und Zeitwahrnehmung<br />
existieren. Beschäftigt man<br />
sich mit dieser Kunst, so ist es unausweichlich,<br />
dass man zu einem übergeordneten<br />
Sinn im Leben fin<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r sich nicht erschöpft<br />
im Erreichen kurzfristiger materieller<br />
Ziele. Und gera<strong>de</strong> heute, wo alle Menschen<br />
das Gefühl haben, dass die Zeit rast,<br />
dass Menschen nach <strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>ichtspunkt<br />
gesellschaftlicher Erfor<strong>de</strong>rnisse mit 40 Lebensjahren<br />
schon zum alten Eisen gehören,<br />
brauchen wir mehr <strong>de</strong>nn je einen neuen<br />
Sinnbezug zum Leben.<br />
Die fünfte Kunst<br />
Die Zeichen<strong>de</strong>utung · Die Signaturenlehre<br />
Ziel: Erkenntnisvermögen und Unterscheidungsfähigkeit<br />
tig, um das Wesen eines Menschen zu erkennen.<br />
»Der Bildner <strong>de</strong>r Natur ist so kunstreich,<br />
daß er die Form nach <strong>de</strong>m Gemüte<br />
schmie<strong>de</strong>t« (16). Deshalb sind die Chiromantie,<br />
die Kunst aus <strong>de</strong>n Handlinien zu<br />
lesen, und die Physiognomik in <strong>de</strong>n Augen<br />
von Paracelsus sehr wichtig. Gera<strong>de</strong> diese<br />
Fähigkeiten sind heute nicht mehr allzuhäufig<br />
vertreten. Manche Heilpraktiker<br />
sind darauf noch spezialisiert.<br />
Chiromantie, Physiognomik, Beobachtung<br />
<strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n und Mimik sind die<br />
praktischen Formen <strong>de</strong>r Kunst <strong>de</strong>r Zeichen<strong>de</strong>utung.<br />
Aber hinter ihrem einfachen<br />
Namen verbirgt sich eigentlich eine sehr<br />
hohe spirituelle Kunst. Paracelsus sagt, dass<br />
es göttlicher Wille ist, dass die Dinge sich
irgendwann offenbaren müssen. Auf dreifache<br />
Weise können sie offenbar wer<strong>de</strong>n:<br />
1. durch die Zeichen <strong>de</strong>r Natur – 2. in<strong>de</strong>m<br />
sich das Wesen selbst offenbart – 3.wenn<br />
Gott es offenbart. Hier haben wir einen<br />
ethischen Anspruch, <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> die Wissenschaften<br />
heute beherzigen sollten. Ent<strong>de</strong>cken<br />
und Forschen gehören zum göttlichen<br />
Willen und sind an sich nichts<br />
Schlechtes. Aber ob und wann etwas offenbart<br />
wird, dies sollte von einem höheren<br />
<strong>Ges</strong>ichtspunkt abhängen. Deshalb sollte<br />
nach Paracelsus jemand erst die Zeichen<br />
erkennen lernen, seine eigenen Zeichen als<br />
Akt <strong>de</strong>r Selbsterkenntnis und die Zeichen<br />
<strong>de</strong>r Zeit, bevor er Dinge offenbart. Be<strong>de</strong>nken<br />
wir, welche Folgen manche Forschungsergebnisse<br />
heute haben, Folgen für Generationen,<br />
da muss man <strong>bei</strong> aller wissenschaftlicher<br />
Freiheit doch fragen, ob es<br />
nicht sinnvoll ist, erst die eigene mensch-<br />
»Ich heiße sie Artes Incertae (ungewisse<br />
Künste) entsprechend <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong>, in<br />
<strong>de</strong>m sie sich zu meinen Zeiten befin<strong>de</strong>n.<br />
Wären sie noch so wie <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n Alten und<br />
wären die Jungen wie die Alten, so wollte<br />
ich sie Artes Certae (gewisse Künste)<br />
heißen« (17).<br />
Zunächst versteht Paracelsus darunter<br />
die Fähigkeit <strong>de</strong>r Vorfahren, aus <strong>de</strong>n Elementen<br />
heraus »Prophezeiungen« zu lesen.<br />
Er führt dazu die Geomantie an, die vor<br />
allem auch mit <strong>de</strong>r Wünschelrute ar<strong>bei</strong>tet,<br />
und die für Ortsgründungen, Hausbau<br />
und Bergbau eine wichtige Rolle spielte.<br />
Heute erleben wir einen Wie<strong>de</strong>raufgang<br />
<strong>de</strong>r Geomantie, vor allem auch in <strong>de</strong>r<br />
populären östlichen Form <strong>de</strong>s Feng Shui.<br />
Die sechste Kunst<br />
Ungewisse Kunst · Mentale Techniken<br />
Ziel: Konzentration<br />
liche Reife zu för<strong>de</strong>rn, bevor man Dinge<br />
unverantwortlich in die Welt setzt.<br />
Und noch etwas steckt nach Paracelsus<br />
in <strong>de</strong>r Signatur, nämlich die richtige Benennung<br />
<strong>de</strong>r Dinge. »Die Kunst Signata<br />
lehrt, einem je<strong>de</strong>n die rechten Namen<br />
geben nach <strong>de</strong>n ihm angeborenen Eigenschaften«<br />
(16). Aus zeitlichen Grün<strong>de</strong>n<br />
kann ich nicht ausführlicher darauf eingehen,<br />
aber die Benennung und Namensgebung<br />
war in frühen Zeiten ein magischer<br />
Akt. Der Name eines Ortes o<strong>de</strong>r einer<br />
Familie war nicht einfach ein Akt einer<br />
nominalistischen Bestimmung o<strong>de</strong>r Benennung,<br />
son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> mit kosmischen<br />
Energien in Verbindung gebracht. Namensgebung<br />
ist in diesem Sinne für Paracelsus<br />
keine einfache Begriffsfestlegung, son<strong>de</strong>rn<br />
muss aus <strong>de</strong>m tiefen Wissen um das Wesen<br />
entstehen.<br />
Des Weiteren erwähnt er die Möglichkeit,<br />
aus Feuer,Wasser und Luft Prophezeiungen<br />
zu gewinnen. Es sind heute fast vergessene<br />
Orakelkünste, von <strong>de</strong>nen es noch einige<br />
im Volksbrauch gibt.<br />
Diese ungewissen Künste beruhen nach<br />
Paracelsus auf <strong>de</strong>r Fähigkeit zur Imagination<br />
und auf <strong>de</strong>m Glauben. Paracelsus sagt,<br />
dass <strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r einen starken Glauben<br />
hat, sein inneres <strong>Ges</strong>tirn und damit<br />
sein Schicksal verän<strong>de</strong>rn kann. Er nennt<br />
sie ungewisse Kunst, da nichts greifbar ist<br />
und <strong>de</strong>r Ausgangspunkt Unsicherheit und<br />
Ungewissheit ist. Allein <strong>de</strong>r Glaube ermöglicht<br />
die Verwirklichung. »Wie also <strong>de</strong>r<br />
Glaube ist, so ist die Vorstellung,... so ist<br />
das <strong>Ges</strong>tirn, so das Werk« (18), sagt Paracel-<br />
29
sus. Die Schulung fin<strong>de</strong>t mithilfe <strong>de</strong>r Elemente<br />
statt und könnte als Seher-Schulung<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Gelesen wird z.B. aus<br />
<strong>de</strong>r Bewegung <strong>de</strong>s Wassers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung<br />
im Feuer. So soll das menschliche<br />
Denken geschult wer<strong>de</strong>n, flüchtige Dinge<br />
festzuhalten. Was Paracelsus hier anführt,<br />
Diese Kunst ist die heutige vorherrschen<strong>de</strong><br />
und besteht in <strong>de</strong>r Erforschung <strong>de</strong>r materiellen<br />
Welt. Es ist mir wichtig hervorzuheben,<br />
dass Paracelsus die Naturwissenschaften<br />
ebenfalls als Kunst betrachtet. Es geht<br />
Paracelsus und auch mir nicht darum, diese<br />
und ihre Erfolge abzuwerten. Im Gegenteil,<br />
Erforschung, Erfindung, Konstruktion<br />
usw. sind eine Kunst. Wichtig in <strong>de</strong>r heutigen<br />
Zeit, in <strong>de</strong>r wir uns fast ausschließlich<br />
auf diese 7. Kunst beschränken, ist es zu<br />
be<strong>de</strong>nken, dass es weitere 6 Künste gibt.<br />
Und dies gibt einer zukünftigen Ausbildung<br />
und Studium völlig neue Perspektiven.<br />
Stellen Sie sich doch einmal eine Hochschule<br />
vor, die alle Künste lehrt. Stellen<br />
Sie sich die Reife vor, mit <strong>de</strong>r Menschen<br />
eine solche Ausbildung abschließen und<br />
ihren Weg in die Welt beginnen. Wir brauchen<br />
heute in diesem Dickicht unentwirrbarer<br />
Einzelinformationen und Details<br />
wie<strong>de</strong>r Menschen mit einer visionären,<br />
ganzheitlichen, ja vielleicht prophetischen<br />
Sicht, damit die Entwicklung auf dieser<br />
Er<strong>de</strong> nicht einem Zug <strong>de</strong>r Lemminge<br />
gleicht, son<strong>de</strong>rn eine Wen<strong>de</strong> zum Besseren<br />
nimmt.<br />
In <strong>de</strong>n 7 Künsten haben wir eigentlich<br />
die grundlegen<strong>de</strong>n Fähigkeiten <strong>de</strong>s Menschen<br />
dargestellt, die fast alle unabhängig<br />
von Zeit und Raum sind und seit Jahrtau-<br />
30<br />
Die siebte Kunst<br />
Die Manualis · Die technische Welt<br />
Ziel: Nachahmung<br />
fällt heute in <strong>de</strong>n Bereich Bewusstseins-<br />
Schulung, worunter auch das Positive Denken<br />
fällt. Diese Schulungen beruhen auf<br />
<strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>etz, dass Energie <strong>de</strong>m Gedanken<br />
folgt. Kann man an diesem Gedanken festhalten,<br />
so kann man <strong>de</strong>ssen Verwirklichung<br />
erreichen.<br />
sen<strong>de</strong>n angewandt wer<strong>de</strong>n. Meiner persönlichen<br />
Erfahrung nach sind dies die wesentlichen<br />
Lernbereiche für je<strong>de</strong>n Menschen,<br />
die ihn auch unabhängig machen von<br />
äußeren Bedingungen, die sich ja stetig<br />
verän<strong>de</strong>rn. Es schult die inneren Sinne <strong>de</strong>s<br />
Menschen. »Wissen« und »Fakten« sind<br />
heute eine vergängliche Substanz. Eine<br />
Theorie wird heute als genial und bahnbrechend<br />
gefeiert und übermorgen schon<br />
als unhaltbar und unbrauchbar abgesetzt,<br />
um einer neuen I<strong>de</strong>e Platz zu machen.<br />
Hetzen wir diesen vergänglichen Werten<br />
hinterher, so altert unser Nervensystem<br />
schneller als uns lieb ist. Eine <strong>de</strong>r wichtigsten<br />
inneren Erfahrungen, die man heute<br />
machen kann, ist die, dass <strong>de</strong>r Kosmos zu<br />
je<strong>de</strong>m Augenblick vollkommen ist, dass<br />
uns zu je<strong>de</strong>m Augenblick die richtigen Informationen<br />
zur Verfügung stehen. Nur<br />
müssen wir unsere Fähigkeiten wie<strong>de</strong>r<br />
schulen, dies zu erkennen und anzunehmen.<br />
Nicht Detailwissen wird in Zukunft<br />
wichtig sein, son<strong>de</strong>rn ein ganzheitliches<br />
Erfassen <strong>de</strong>r Dinge, die Zusammenschau<br />
<strong>de</strong>r Dinge, wie sie die Astrologie lehrt.<br />
Nicht die materiellen Substanzen und<br />
Aspekte <strong>de</strong>s Lebens wer<strong>de</strong>n die Priorität in<br />
<strong>de</strong>r Zukunft haben, son<strong>de</strong>rn die energetischen.<br />
Nicht die einseitige För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />
analytischen Denkens unserer linken Ge-
hirnhälfte wird in Zukunft wichtig sein,<br />
son<strong>de</strong>rn Inspirationen und Eingebungen,<br />
wie sie die Sensitivität ermöglicht. Für die<br />
totale Ausbeutung <strong>de</strong>r Lebewesen dieser<br />
Er<strong>de</strong> wird es keine Zukunft geben, son<strong>de</strong>rn<br />
nur für die Kommunikation <strong>de</strong>s Menschen<br />
mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Bewusstseinsebenen<br />
dieses Planeten; eine Fähigkeit, die über<br />
Medialität entwickelt wird. Die Zeichen<br />
<strong>de</strong>s Lebens auf dieser Er<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>uten, wird<br />
zu einer neuen Sinngebung führen. Mentale<br />
Techniken zur Bewusstseinsschulung,<br />
neue Lerntechniken feiern heute schon<br />
große Erfolge, ohne dass das herkömmliche<br />
Ausbildungssystem bereit ist, dies<br />
anzuerkennen. Schulen wir uns in diesen<br />
Künsten, so können wir mit allen Verän<strong>de</strong>rungen<br />
Schritt halten, da wir eine innere<br />
Leitlinie haben, nämlich unsere inneren<br />
Fähigkeiten. Und die veralten nicht, sind<br />
ewig zeitlos und helfen uns weit über<br />
unsere irdische Zeitspanne hinaus. Die<br />
Schulung dieser Kräfte sollte die Grundlage<br />
<strong>de</strong>r Ausbildung sein und erst an zweiter<br />
Stelle sollten die Fachinformationen<br />
stehen.<br />
Dass es schon I<strong>de</strong>en in dieser Hinsicht<br />
gibt, zeigt <strong>de</strong>r Ehlers-Verlag mit seiner Zeitschrift<br />
und seinen Kursen. Endlich gibt es<br />
damit ein Forum für diejenigen, die <strong>de</strong>m<br />
antiquierten Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r etablierten<br />
Systeme entkommen möchten und<br />
<strong>de</strong>ssen Opfer viele Quer- und Zukunfts<strong>de</strong>nker<br />
sind. Erkenntnis und Forschung<br />
sollte für alle Menschen offen sein, nicht<br />
nur für die studierten Fachspezialisten.<br />
Je<strong>de</strong>r Mensch sollte in <strong>de</strong>n Diskurs über<br />
solche Themen eintreten dürfen, sollte<br />
Themen vorschlagen können, <strong>de</strong>nn wir<br />
alle sind später davon betroffen, was heute<br />
die Herren, meist sind es solche, in <strong>de</strong>n<br />
Fachgremien über unsere Köpfe hinweg<br />
beschließen. Es sollte zum Nach<strong>de</strong>nken<br />
anregen, dass viele spektakuläre Erkennt-<br />
nisse nicht von <strong>de</strong>n Nachbetern irgendwelchen<br />
Wissens kommen, son<strong>de</strong>rn von<br />
Außenseitern und sogenannten Laien.<br />
In Deutschland ist es im Verhältnis zu<br />
Amerika ungemein auffällig, dass alles in<br />
Fachgebiete, Fachkreise eingeteilt ist, die<br />
wie<strong>de</strong>rum aus einzelnen Lobbys bestehen,<br />
die sich alle untereinan<strong>de</strong>r nicht grün sind.<br />
Deutschland ist ein Land <strong>de</strong>r Verwaltungsbereiche<br />
gewor<strong>de</strong>n,wo die Luft zum Atmen<br />
knapp, <strong>de</strong>r Freiraum für kreatives Leben<br />
eng gewor<strong>de</strong>n ist. Je<strong>de</strong> Lobby hütet eifersüchtig<br />
ihr Revier und ihren Markt. Es<br />
sollte allein die menschliche Leistung (die<br />
Betonung liegt auf menschlich und nicht<br />
auf Leistung!) zählen und nicht das irgendwann<br />
erworbene Diplom o<strong>de</strong>r ein irgendwann<br />
erworbener Titel. Die Schulung <strong>de</strong>s<br />
Menschlichen sollte alle Priorität haben<br />
vor <strong>de</strong>m Fachwissen. Stellen Sie sich doch<br />
einmal die Tagesnachrichten im Fernsehen<br />
vor, die natürlich über die Ereignisse <strong>de</strong>s<br />
Tages informieren, in <strong>de</strong>nen aber auch<br />
Menschen vorgestellt wer<strong>de</strong>n, die an diesem<br />
Tag sich durch eine beson<strong>de</strong>re menschliche<br />
Leistung ausgezeichnet haben. Dies<br />
wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zuschauer positiver für sein<br />
Leben stimulieren als Gewalt, kapitalorientierter<br />
Sport o<strong>de</strong>r seichtes Show-Entertainment.<br />
Wie sagte unser aller Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt<br />
doch so schön: »Es muss ein Ruck<br />
durch unsere <strong>Ges</strong>ellschaft gehen.« Es wäre<br />
schön, wenn solche Herrschaften sich nicht<br />
nur in schönen Worten verlieren wür<strong>de</strong>n<br />
und darin vorangingen. Aber das müssen<br />
wir wohl selbst in die Hand nehmen.<br />
31
1 Paracelsus IV/538 Konkordanzzwischen<br />
Aschner und Sudhoff<br />
(XII/169)<br />
2 ebenda III/901 (I/299)<br />
3 Kayser S. 265<br />
4 Paracelsus III/904 (I/303)<br />
5 ebenda III/902 (I/301)<br />
6 ebenda IV/372 (XIII/298-299)<br />
7 ebenda IV/372 (XIII/299)<br />
8 Kayser S. 57<br />
PARACELSUS: Sämtliche Werke (Bän<strong>de</strong> I-IV)<br />
Hrg.: Bernhard Aschner<br />
Verlag von Gustav Fischer<br />
Jena 1926–1932<br />
32<br />
ANMERKUNGEN<br />
LITERATUR<br />
9 Paracelsus IV/366 (XIII/291-292)<br />
10 ebenda IV/367 (XIII/293)<br />
11 ebenda IV/399 (XIII/330)<br />
12 ebenda IV/487 (XII/104-105)<br />
13 ebenda IV/485 (XII/103)<br />
14 ebenda IV/471 (XII/86)<br />
15 ebenda IV/475 (XII/91)<br />
16 ebenda IV/476 (XII/92)<br />
17 ebenda IV/477 (XII/93-94)<br />
18 ebenda IV/785 (XII/475)<br />
KAYSER, Hans: Schriften Theophrasts von Hohenheim<br />
genannt Paracelsus<br />
Insel-Verlag Leipzig 1924<br />
Autor:<br />
Harald Knauss 16, rue Talmattrain<br />
F-67280 Oberhaslach
Günter Ickert<br />
ZUR GESCHICHTE DER<br />
DEUTSCHEN BOMBASTUS- GESELLSCHAFT<br />
Im Sommer 1929 erging <strong>de</strong>r Aufruf zur<br />
Gründung einer Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
mit <strong>Ges</strong>chäftsstelle in München.<br />
Der »Aufruf zum Beitritt« wur<strong>de</strong> u.a.<br />
von <strong>de</strong>n Gründungsmitglie<strong>de</strong>rn<br />
Bernhard Aschner, Wien<br />
Hans Hofmann-Montanus, Salzburg<br />
Hermann Kerschensteiner, München<br />
Erwin Guido Kolbenheyer, Tübingen<br />
Ferdinand Sauerbruch, Berlin<br />
Friedrich Strunz, Wien<br />
Karl Sudhoff, Leipzig<br />
unterschrieben.<br />
Bereits am 20.11.1929 betrug die Mitglie<strong>de</strong>rzahl<br />
177. In <strong>de</strong>n Städten Berlin,<br />
Breslau, Frankfurt, Wien, Salzburg und<br />
München wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wunsch nach Gründung<br />
von Ortsgruppen geäußert. In Berlin<br />
entstand eine spagyrische Ar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft<br />
unter Leitung von Dr. med. Kröner.<br />
Das erste Heft <strong>de</strong>r Zeitschrift »Acta Paracelsica«<br />
wur<strong>de</strong> für Ostern 1930 angekündigt.<br />
Die in dieser Zeit herausgegebene<br />
<strong>Ges</strong>amtausgabe <strong>de</strong>r Werke Paracelsi seitens<br />
Prof. Sudhoffs wur<strong>de</strong> durch Subskription<br />
von Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
unterstützt. Im Frühjahr 1930 wur<strong>de</strong> zur<br />
1.<strong>Ges</strong>amttagung aufgerufen, die nach<br />
München einberufen wur<strong>de</strong> und mit einem<br />
Besuch Salzburgs verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
Regierungsrat Hans Hofmann-Montanus<br />
plante in Salzburg die Einrichtung eines<br />
Paracelsus-Museums. Pfingsten 1932 wur<strong>de</strong><br />
das 5.Heft <strong>de</strong>r »Acta Paracelsica« ausgeliefert.<br />
Alle diese verheißungsvollen Aktivitäten<br />
wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Machtantritt <strong>de</strong>r<br />
Nationalsozialisten (30.01.1933) unterbun<strong>de</strong>n.<br />
Das Paracelsus-Bild im sogenannten<br />
»III. Reich« wur<strong>de</strong> weitgehend geprägt<br />
durch die Paracelsus-Trilogie <strong>de</strong>s Schrift-<br />
stellers Erwin Guido Kolbenheyer (1878-<br />
1962), die ab 1917 erschien. Das von<br />
Kolbenheyer dargestellte Bild ist nicht<br />
durchgehend wissenschaftlich fundiert.<br />
Es wird gut erzählt, trägt aber einen unverkennbar<br />
<strong>de</strong>utsch-völkischen Einschlag. In<br />
seiner Ge<strong>de</strong>nkre<strong>de</strong> zum 400.To<strong>de</strong>stag <strong>de</strong>s<br />
Hohenheimers 1941 schil<strong>de</strong>rte Kolbenheyer<br />
das Leben eines »<strong>de</strong>utschen Genies«,<br />
fühlte er sich berufen, die »Ehre seines<br />
An<strong>de</strong>nkens« wie<strong>de</strong>rherzustellen. Paracelsus<br />
habe sich stets als »Stellvertreter seines<br />
Volkes« gefühlt. Kolbenheyer sprach vom<br />
Wirken <strong>de</strong>s Hohenheimers in <strong>de</strong>r »völkisch-revolutionären«<br />
Zeit <strong>de</strong>r Reformation<br />
und versuchte, Brücken zu schlagen zur<br />
»völkisch-revolutionären« NS-Zeit.<br />
In Ge<strong>de</strong>nkartikeln zum 400.To<strong>de</strong>stag<br />
wird Paracelsus als aus <strong>de</strong>r »heimatlichen<br />
Er<strong>de</strong>« und aus <strong>de</strong>m »Blute kommend«<br />
beschrieben, das auch »unser Blut« sei.<br />
Hippokrates und Paracelsus wür<strong>de</strong>n erst<br />
»heute, in nationalsozialistischen Gedankenkreisen<br />
lebend«, wie<strong>de</strong>r verstan<strong>de</strong>n.<br />
Der Hohenheimer sei »durch und durch<br />
<strong>de</strong>utsch«, und in <strong>de</strong>r »<strong>de</strong>utschen Geistesgeschichte«<br />
stün<strong>de</strong> er auch neben Friedrich<br />
Nietzsche.<br />
Dieses Paracelsus-Bild vermittelte auch<br />
ein Spielfilm <strong>de</strong>r Bavaria-Filmgesellschaft<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r Ehrungen zum 400.To<strong>de</strong>sund<br />
450.Geburtstag mit Werner Krauss als<br />
Hauptdarsteller. Ungeachtet aller künstlerischen<br />
Leistungen war dies ein <strong>de</strong>utlich<br />
nationalsozialistischer Film. Krauss war<br />
übrigens in <strong>de</strong>m Veit-Harlan-Film »Jud<br />
Süß« <strong>de</strong>r Hauptdarsteller und avancierte<br />
mit dieser Rolle zum nationalsozialistischen<br />
Para<strong>de</strong>schauspieler.<br />
Die in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Fachliteratur<br />
veröffentlichten seriösen Ar<strong>bei</strong>ten über<br />
Leben, Werk und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />
konnten das durch die national-<br />
33
sozialistische Propaganda in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />
erzeugte Paracelsus-Bild kaum beeinflussen.<br />
Im Schlusswort ihres 1941 erschienen<br />
Buches »Paracelsus und wir«<br />
(Müllersche Verlagshandlung, Planegg vor<br />
München) zitiert die Autorin Martha Stills-<br />
Fuchs aus Alfred Rosenbergs »Mythus <strong>de</strong>s<br />
20.Jahrhun<strong>de</strong>rts« und formt ein abstruses<br />
Paracelsus-Bild. Fellmeth und Kothe<strong>de</strong>r<br />
haben in ihrem Buch »Paracelsus Theophrast<br />
von Hohenheim« (Wissenschaftliche<br />
Verlagsanstalt Stuttgart 1993) zum Paracelsus-Bild<br />
im Dritten Reich einen Beitrag<br />
von Udo Benzenhöfer veröffentlicht, auf<br />
<strong>de</strong>n hier verwiesen wer<strong>de</strong>n soll. Selten<br />
wur<strong>de</strong> Paracelsus so verzerrt dargestellt<br />
wie im Dritten Reich und so hemmungslos<br />
durch eine I<strong>de</strong>ologie vergewaltigt.<br />
Zum Paracelsus-Bild in <strong>de</strong>r DDR liegt<br />
noch keine wissenschaftliche Analyse vor.<br />
Während <strong>de</strong>r 40jährigen Existenz dieses<br />
Staates erschienen folgen<strong>de</strong> Ar<strong>bei</strong>ten, die<br />
sich direkt o<strong>de</strong>r indirekt mit <strong>de</strong>m Hohenheimer<br />
beschäftigten:<br />
LÖTHER, Rolf:<br />
Paracelsus<br />
in: Gropp, R.O. und Fiedler,<br />
F.: Von Cusanus bis Marx.<br />
Deutsche Philosophie aus fünf<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rten.<br />
Leipzig 1965 S.31-36<br />
LEMPER, Ernst-Heinz:<br />
Görlitz und <strong>de</strong>r Paracelsismus<br />
in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie<br />
1970 Heft 18 S.347-360<br />
WOLLGAST, Siegfried<br />
und R. LÖTHER (Hrg):<br />
Paracelsus – Das Licht <strong>de</strong>r Natur<br />
Auswahl philosophischer Schriften<br />
Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1973<br />
LEMPER, Ernst-Heinz:<br />
Jakob Böhme – Leben und Werk<br />
Union-Verlag Berlin 1976<br />
34<br />
(mit Bezügen zum Einfluss Paracelsi<br />
auf J.Böhme)<br />
TRILLITZSCH, Winfried:<br />
Der <strong>de</strong>utsche Renaissance-Humanismus<br />
Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1981<br />
KÄSTNER, Ingrid:<br />
Paracelsus<br />
Biographien hervorragen<strong>de</strong>r Naturwissenschaftler,Techniker<br />
und Mediziner<br />
Band 82<br />
B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig<br />
1985<br />
Die in Dres<strong>de</strong>n herausgegebene, <strong>de</strong>r<br />
Ost-CDU nahestehen<strong>de</strong> Tageszeitung<br />
»Union« veröffentlichte in <strong>de</strong>r Beilage<br />
18/1965 einen aus <strong>de</strong>r Zeitschrift »medicamentum«<br />
übernommenen Artikel von<br />
Dr. Erich Koch über Paracelsus sowie im<br />
Juni 1974 von Bernt Karger-Decker über<br />
»Medizinisch-Chemisch-Chirurgische<br />
Opera <strong>de</strong>s Paracelsus«.<br />
In <strong>de</strong>r vom Zentralrat <strong>de</strong>r FDJ herausgegebenen<br />
Kin<strong>de</strong>rzeitschrift »Atze« (Heft<br />
9/1972) wur<strong>de</strong> eine Bildgeschichte über<br />
Paracelsus veröffentlicht, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Hohenheimer<br />
als »erfolgreicher Arzt, Pionier <strong>de</strong>r<br />
mo<strong>de</strong>rnen Medizin« und Helfer <strong>de</strong>r Bedrängten<br />
vorgestellt wur<strong>de</strong>.<br />
Rosemarie Schu<strong>de</strong>r (geb.1928) veröffentlichte<br />
<strong>de</strong>n Roman »Paracelsus und <strong>de</strong>r<br />
Garten <strong>de</strong>r Lüste« (Rütten und Loening,<br />
Berlin 1972). Sie behan<strong>de</strong>lt die Baseler Zeit<br />
<strong>de</strong>s Paracelsus, zugleich »verschränkt mit<br />
Inspirationen aus und um Hieronymus<br />
Bosch und seine Bil<strong>de</strong>rwelt«.<br />
Veröffentlichungen von Prof. Dr. Otto<br />
Prokop, Direktor <strong>de</strong>s Instituts für gerichtliche<br />
Medizin an <strong>de</strong>r Humboldt-Universität<br />
Berlin, wie z.B.<br />
Medizinischer Okkultismus, Paramedizin,<br />
VEB Gustav Fischer Jena 1964<br />
Der mo<strong>de</strong>rne Okkultismus,<br />
Gustav Fischer Stuttgart 1987
stellten so etwas wie die offizielle Meinung<br />
<strong>de</strong>r DDR zur Medizin dar und verwarfen<br />
alles, was nicht in sozialistische Hochschulmedizin<br />
passte. Von Toleranz zu an<strong>de</strong>ren<br />
Therapien und philosophischen Ansichten<br />
war nichts zu spüren. So wur<strong>de</strong> z.B. ein<br />
Anfang 1989 von einem Mitbegrün<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r späteren Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
zur Veröffentlichung im »medicamentum«<br />
an das Kombinat GERMED<br />
eingereichtes Manuskript über therapeutische<br />
Prinzipien <strong>de</strong>s Paracelsus wegen<br />
»ten<strong>de</strong>nziös« angelegter Ausführungen und<br />
»anzuzweifeln<strong>de</strong>r naturphilosophischer<br />
Betrachtungsweisen« zurückgewiesen und<br />
<strong>de</strong>r Autor mit einem generellen Veröffentlichungsverbot<br />
belegt.<br />
Die o.g.Veröffentlichungen von in <strong>de</strong>r<br />
DDR leben<strong>de</strong>n Autoren waren nicht in<br />
<strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>n Paracelsus-Missbrauch <strong>de</strong>s<br />
Dritten Reiches zu rehabilitieren. Der<br />
Hohenheimer wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r offiziellen<br />
DDR totgeschwiegen – die wenigen<br />
Veröffentlichungen erreichten nur einen<br />
kleinen Kreis ohnehin informierter Leser –<br />
bzw. als paramedizinischer und nicht ins<br />
Weltbild <strong>de</strong>r DDR passen<strong>de</strong>r Außenseiter<br />
abqualifiziert (Prokop).<br />
Nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> vom Herbst 1989 kam es<br />
zu Kontakten mit Prof. Dr.Wollgast (S. 34)<br />
mit <strong>de</strong>m Ziel, die Chancen für die Gründung<br />
einer <strong>de</strong>m Hohenheimer verpflichteten<br />
wissenschaftlichen <strong>Ges</strong>ellschaft zu erkun<strong>de</strong>n.<br />
Zu unserer großen Überraschung<br />
war es nach 1945 auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r damaligen<br />
Bun<strong>de</strong>srepublik nicht zu einer<br />
Wie<strong>de</strong>r- bzw. Neugründung <strong>de</strong>r 1933 untergegangenen<br />
Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft gekommen<br />
und auch 1990/91 war solches<br />
offensichtlich nicht vorgesehen. So kam es<br />
im Sommer 1991 zur Gründung <strong>de</strong>r <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft.<br />
Den Gründungsmitglie<strong>de</strong>rn<br />
war klar, dass es im Hinblick auf<br />
die inzwischen jahrzehntelange erfolgreiche<br />
Ar<strong>bei</strong>t <strong>de</strong>r Schweizerischen wie Internationalen<br />
Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft sowie die<br />
Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Missbrauch <strong>de</strong>s<br />
Hohenheimers im Dritten Reich und das<br />
Totschweigen in <strong>de</strong>r DDR kein direktes<br />
Fortsetzen <strong>de</strong>r Ar<strong>bei</strong>t <strong>de</strong>r 1929 gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft geben konnte, son<strong>de</strong>rn<br />
ein völliger Neuanfang gewagt wer<strong>de</strong>n<br />
musste. Auch hatten die Gründungsmitglie<strong>de</strong>r<br />
zunächst keine gesamt<strong>de</strong>utschen<br />
Ambitionen, son<strong>de</strong>rn wollten in Dres<strong>de</strong>n<br />
gemeinsam mit <strong>de</strong>m Urania-Vortragszentrum<br />
durch Vorträge das sechs Jahrzehnte<br />
währen<strong>de</strong> Informations<strong>de</strong>fizit hinsichtlich<br />
Leben,Werk und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Paracelsus<br />
abbauen. Dazu sollte auch das Periodikum<br />
»Manuskripte-Thesen-Informationen«<br />
<strong>bei</strong>tragen, <strong>de</strong>ssen erstes Heft im Mai 1992<br />
erschien. Vorrangiges Ziel <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>ellschaft<br />
war die Vorbereitung eines würdigen Ge<strong>de</strong>nkens<br />
an <strong>de</strong>n 500.Paracelsus-Geburtstag<br />
im Jahre 1993. Am 18.September 1993<br />
wur<strong>de</strong> im Landhaus, <strong>de</strong>m Stadtmuseum<br />
Dres<strong>de</strong>ns, eine Paracelsus-Ausstellung mit<br />
einer Ansprache <strong>de</strong>s Dezernenten für <strong>Ges</strong>undheit<br />
und Soziales <strong>de</strong>r Stadt Dres<strong>de</strong>n<br />
in Vertretung <strong>de</strong>s Oberbürgermeisters<br />
eröffnet. Anwesend waren eine Delegation<br />
aus Einsie<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Oberlausitzischen<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften,<br />
Prof. Dr. Lemper, sowie Dr. Frenzel vom<br />
Sächsischen Staatsministerium für <strong>Ges</strong>undheit,<br />
Soziales und Familie. Diese Ausstellung<br />
fand in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit eine große<br />
Resonanz. Die <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft<br />
wur<strong>de</strong> zur Festsitzung <strong>de</strong>s Kumpfmühler<br />
Kollegiums anlässlich <strong>de</strong>s 500.Paracelsus-<br />
Geburtstages nach Regensburg eingela<strong>de</strong>n<br />
und beteiligte sich neben Prof. Dr. Schipperges<br />
an <strong>de</strong>n <strong>bei</strong><strong>de</strong>n Festvorträgen.<br />
Auf Einladung <strong>de</strong>s Festkomitees <strong>de</strong>r Stadt<br />
Einsie<strong>de</strong>ln weilte eine Delegation <strong>de</strong>r<br />
<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft zum Festakt am<br />
6.11.1993 im Geburtsort <strong>de</strong>s Hohenheimers.<br />
Zum Abschluss <strong>de</strong>r Ausstellung<br />
35
im Dresdner Stadtmuseum veranstaltete<br />
die <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft am 17.11.1993<br />
im Haus <strong>de</strong>r Bildung und Kultur zu Dres<strong>de</strong>n<br />
einen Festakt mit einem Grußwort <strong>de</strong>s<br />
Sächsischen Staatsministers für <strong>Ges</strong>undheit,<br />
Soziales und Familie sowie Festvorträgen<br />
von Frau Dr. Kästner, Karl-Sudhoff-<br />
Institut <strong>de</strong>r Universität Leipzig, Prof. Dr.<br />
Lemper (Görlitz) und Prof. Dr.Wollgast<br />
(Dres<strong>de</strong>n). Diesem Festakt wohnten etwa<br />
400 Personen <strong>bei</strong>, auch aus <strong>de</strong>n alten<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Die Aktivitäten um <strong>de</strong>n<br />
500.Paracelsus-Geburtstag wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb<br />
so ausführlich dargestellt, weil die<br />
<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft nicht nur zu <strong>de</strong>n<br />
<strong>bei</strong><strong>de</strong>n Schwestergesellschaften in Zürich<br />
und Salzburg, son<strong>de</strong>rn auch zu verschie<strong>de</strong>nen<br />
Universitäten und Institutionen<br />
Kontakte knüpfte und ihre Mitglie<strong>de</strong>rzahl<br />
erheblich vergrößerte. Innerhalb von drei<br />
Jahren war die <strong>Ges</strong>ellschaft auch in einer<br />
Reihe <strong>de</strong>r alten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r präsent und<br />
hatte <strong>de</strong>n Rahmen regionalen Wirkens<br />
gesprengt. Im Mai 1995 entschie<strong>de</strong>n die<br />
Mitglie<strong>de</strong>r die Umbenennung in Deutsche<br />
<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft.<br />
Konfrontiert mit <strong>de</strong>r historischen Schuld<br />
zweier totalitärer Regime auf <strong>de</strong>utschem<br />
Bo<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren Folgen sowie im Hinblick<br />
auf die Ar<strong>bei</strong>ts- und Forschungsbereiche<br />
<strong>de</strong>r Internationalen und Schweizerischen<br />
Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft entschied sich die<br />
Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft, die<br />
Ethik <strong>de</strong>s Christen Paracelsus in <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />
ihres Wirkens zu stellen,ohne ihre<br />
Informationspflicht zum paracelsischen<br />
<strong>Ges</strong>amtwerk zu vernachlässigen. Die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r zurückliegen<strong>de</strong>n Jahre hat gezeigt,<br />
dass die DBG mit ihrer Zuwendung<br />
zur paracelsischen Ethik eine Art Schlussstein<br />
in das Wirkungsgefüge <strong>de</strong>r <strong>bei</strong><strong>de</strong>n<br />
Schwestergesellschaften einfügte, <strong>de</strong>r das<br />
wechselseitige Geben und Nehmen offensichtlich<br />
befruchtet. Wir meinen, dass die<br />
Ethik <strong>de</strong>s Hohenheimers gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />
36<br />
gegenwärtigen Zeit notwendiger <strong>de</strong>nn je<br />
ist, weil – Zitat <strong>de</strong>s verstorbenen Baseler<br />
Physikochemikers Prof. Dr. Thürkauf –<br />
»nur Liebestaten sinnvoll« sind; »eine Tat,<br />
die keine Liebestat ist, ist sinnlos, und<br />
wenn sie noch so zweckvoll ist. Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> wird die mo<strong>de</strong>rne Naturwissenschaft<br />
täglich zweckvoller und täglich sinnloser.«<br />
Das Generalthema <strong>de</strong>s II. Dresdner<br />
Symposiums <strong>de</strong>r DBG verwies mit einem<br />
Paracelsus-Zitat auf die gleiche Problematik:<br />
»dan kunst und werkschaft müssen<br />
aus <strong>de</strong>r liebe entspringen, sonst ist nichts<br />
volkommens da« (XI/146). Der Christ<br />
Paracelsus sah seine Weltanschauung nicht<br />
an als Auslöser philosophischer Debatten<br />
o<strong>de</strong>r Streitgespräche um Spitzfindigkeiten.<br />
Dem Hohenheimer ging es nicht ums<br />
Missionieren, son<strong>de</strong>rn um das <strong>bei</strong>spielhafte<br />
Vorleben christlicher Nächstenliebe – »<strong>de</strong>r<br />
aber die liebe nit sucht in seinem schatz<br />
(Herz – GI), <strong>de</strong>r hoffet leer stro« (Abt. II,<br />
Supplement, Wiesba<strong>de</strong>n 1973, S.7). Die<br />
DBG will in diesem Sinne wirken und<br />
bekennt mit Paracelsus: »Darumb schreib<br />
ich <strong>de</strong>n christen ein lehr einer christlichen<br />
policei (= Sozial- und Staatslehre – GI).<br />
dann alle lehr, regiment, gebott, kunst usw.<br />
sollen auf <strong>de</strong>n eckstein Christum gesetzt<br />
sein« (ebenda S.6).<br />
Von Anfang an kam es <strong>de</strong>r DBG darauf<br />
an, all ihr Wirken unter Einbeziehung<br />
<strong>de</strong>r interessierten und zu interessieren<strong>de</strong>n<br />
Öffentlichkeit zu vollziehen. Das Wirken<br />
<strong>de</strong>s Hohenheimers spielte sich stets »coram<br />
omnibus« ab, und Ethik ist im Sinne eines<br />
immanenten Bildungsauftrages »unter die<br />
Leute« zu bringen. Das erfor<strong>de</strong>rte von Anfang<br />
an die schwierige Verknüpfung von<br />
Wissenschaftlichkeit mit Allgemeinverständlichkeit<br />
sowohl in <strong>de</strong>n Vortragsveranstaltungen<br />
als auch im Periodikum. Die<br />
relativ hohe Zahl von ca. 250 Mitglie<strong>de</strong>rn<br />
aus allen Bevölkerungsschichten und<br />
nahezu allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn sowie (Einzel-
personen) aus <strong>de</strong>m Ausland scheinen, wie<br />
auch die Akzeptanz unseres Periodikums<br />
und <strong>de</strong>r Symposien <strong>bei</strong> »Laien« wie Wissenschaftlern,<br />
darauf hinzu<strong>de</strong>uten, dass<br />
Wissenschaftlichkeit Allgemeinverständlichkeit<br />
nicht ausschließen muss.<br />
Ihren Bildungsauftrag verwirklicht die<br />
DBG durch<br />
– öffentliche Vorträge im Deutschen<br />
Hygiene-Museum zu Dres<strong>de</strong>n in Form<br />
von Gemeinschaftsveranstaltungen mit<br />
<strong>de</strong>m Urania-Vortragszentrum Dres<strong>de</strong>n.<br />
Seit März 1992 fan<strong>de</strong>n 24 solcher Vorträge<br />
statt mit einer durchschnittlichen<br />
Teilnehmerzahl von 90 Personen. Die<br />
Referenten kamen aus Deutschland,<br />
Österreich, <strong>de</strong>r Schweiz, Frankreich und<br />
<strong>de</strong>n USA.<br />
– das Periodikum »Manuskripte-Thesen-<br />
Informationen«, von <strong>de</strong>m bisher 16 Hefte<br />
erschienen.Vorträge wie Periodikum<br />
sollen über die gesamte Bandbreite<br />
paracelsischen Wirkens informieren.<br />
– die Symposien. Nach <strong>de</strong>m Festakt von<br />
1993 fand das I. Dresdner Symposium<br />
im September 1996, das II. im Mai 1999<br />
statt. Der Dreijahresrhythmus <strong>de</strong>r Symposien<br />
soll <strong>bei</strong>behalten wer<strong>de</strong>n, damit<br />
eine zu dichte Folge nicht das Interesse<br />
lähmt. Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Symposien<br />
wird <strong>de</strong>zidiert die Ethik <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />
stehen. Die im Grußwort Herrn<br />
Prof. Dr. Harrers zum II. Symposium<br />
<strong>de</strong>r DBG zum Ausdruck gebrachte hohe<br />
Wertschätzung, mit diesen Symposien<br />
»das Beziehungsgefüge zwischen <strong>de</strong>r<br />
Persönlichkeit <strong>de</strong>s Hohenheimers und<br />
seinem Wirken als Arzt, Naturforscher,<br />
Philosoph und Theologe sichtbar zu<br />
machen«, verleiht uns Mut, auf <strong>de</strong>m<br />
eingeschlagenen Weg zu bleiben. Die<br />
Dresdner Symposien <strong>de</strong>r DBG sollen<br />
eine Tradition wer<strong>de</strong>n, die auch <strong>de</strong>r<br />
Kulturstadt Dres<strong>de</strong>n zur Ehre gereicht.<br />
Das III.Dresdner Symposium <strong>de</strong>r DBG<br />
fin<strong>de</strong>t am 11.Mai 2002 wie<strong>de</strong>rum im<br />
Haus <strong>de</strong>r Kirche statt.<br />
Nach <strong>de</strong>r Konsolidierung ihres Fundaments<br />
– eine zehn Jahre alte wissenschaftliche<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft steht ja erst am Beginn<br />
ihrer Entwicklung und Profilierung –<br />
wer<strong>de</strong>n wir uns auch <strong>de</strong>n sächsischen<br />
Paracelsisten<br />
Valentin Weigel (1533-1588),<br />
Christoph Weickhardt (Weigels Kantor),<br />
Georg Forberger (Mittweida, Herausgeber<br />
paracelsischer Schriften, 16. Jhd.),<br />
Christoph Büttner (Annaberg-Buchholz,<br />
Pharmazeut im Dienste Kurfürst Augusts<br />
von Sachsen, 1526–1586, und <strong>de</strong>ssen<br />
Leibarzt) und JoachimTanckius (Professor<br />
<strong>de</strong>r Poesie sowie <strong>de</strong>r Anatomie und<br />
Chirurgie, 1593 und 1599 Rektor an <strong>de</strong>r<br />
Leipziger Universität) – sh. MTI<br />
Nr. 5-1/1994, S.23f. –<br />
zuwen<strong>de</strong>n. Eine ausgezeichnete Basis für<br />
dieses Wirken erar<strong>bei</strong>teten sowohl u.a.<br />
Herr Dr. Pfefferl (Marburg) als auch<br />
Herr Prof. Dr. Benzenhöfer (Hannover),<br />
Herr Dr.Telle (Nürtingen) und<br />
Herr Prof. Dr.Wollgast (Dres<strong>de</strong>n).<br />
Im Herbst 1999 versandte die DBG mit<br />
Genehmigung <strong>de</strong>s Regional-Schulamtes<br />
Dres<strong>de</strong>n Informationsposter über Leben,<br />
Werk und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Hohenheimers<br />
an Gymnasien in Dres<strong>de</strong>n und Umgebung<br />
mit <strong>de</strong>m Angebot zu entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Vorträgen. In 11 Veranstaltungen zwischen<br />
März und Juni 2000 nutzten 11. Klassen<br />
dieses Angebot, um ergänzend zum Literaturunterricht<br />
über das Thema »Goethe–<br />
Faust–Paracelsus–Magie« durch ein Mitglied<br />
<strong>de</strong>s Verwaltungsrates informiert zu<br />
wer<strong>de</strong>n und in tiefgründigen Debatten<br />
über Paracelsus und weltanschauliche Probleme<br />
Auskunft zu erhalten. An diesen Vorträgen<br />
nahmen etwa 500 Gymnasiasten<br />
und ca. 40 Lehrer teil, und das Echo war<br />
37
schon berührend – Saat auf Hoffnung!<br />
Die christliche Ethik <strong>de</strong>s <strong>Bombastus</strong><br />
Paracelsus verbin<strong>de</strong>t Wissenschaftler wie<br />
»Laien«, <strong>Ges</strong>tan<strong>de</strong>ne und Suchen<strong>de</strong>.<br />
Die geistige Verwandtschaft Jakob Böhmes<br />
mit Bombast von Hohenheim ist auch<br />
Gegenstand <strong>de</strong>s Wirkens <strong>de</strong>r Oberlausitzischen<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften zu<br />
Görlitz, die am 21.04.1779 von Karl Gottlob<br />
Anton (<strong>Ges</strong>chichte, Rechtskun<strong>de</strong>, Sprachen)<br />
und Adolf Traugott von Gersdorf<br />
(Philosophie, Physik, Botanik, Ökonomie)<br />
gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Die unmittelbar nach<br />
Gründung <strong>de</strong>r DBG gesuchten und seit<strong>de</strong>m<br />
engen Kontakte zur Oberlausitzischen<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>r Wissenschaften wirken<br />
sich för<strong>de</strong>rnd auf <strong>bei</strong><strong>de</strong> <strong>Ges</strong>ellschaften aus,<br />
auch durch wechselseitig in Dres<strong>de</strong>n wie<br />
Görlitz gehaltene Vorträge. Durch die<br />
Zusammenar<strong>bei</strong>t mit <strong>de</strong>r Görlitzer <strong>Ges</strong>ellschaft<br />
kann auch <strong>de</strong>r schlesisch-böhmischlausitzische<br />
Kulturraum in die Ar<strong>bei</strong>t <strong>de</strong>r<br />
DBG einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die zurückliegen<strong>de</strong>n zehn Jahre haben die<br />
Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft in Aufgaben<br />
und Verantwortung geführt, von<br />
<strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r Gründungsphase die kühnsten<br />
Träume weit entfernt waren. Wir danken<br />
das in erster Linie unseren Mitglie<strong>de</strong>rn,<br />
ohne <strong>de</strong>ren i<strong>de</strong>elle wie finanzielle Unterstützung<br />
diese Entwicklung unmöglich gewesen<br />
wäre. Wir danken diesen guten Weg<br />
<strong>de</strong>r Akzeptanz und <strong>de</strong>r Unterstützung seitens<br />
<strong>de</strong>r Schwestergesellschaften, <strong>de</strong>r Internationalen<br />
Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft und <strong>de</strong>r<br />
Schweizerischen Paracelsus-<strong>Ges</strong>ellschaft,<br />
<strong>de</strong>ren Präsi<strong>de</strong>nten – Herrn Prof. Dr. Pöldinger<br />
und Herrn Dr. Ganten<strong>bei</strong>n – wir diesen<br />
Dank hier persönlich übermitteln können.<br />
In diesem Zusammenhang gilt unser Dank<br />
auch <strong>de</strong>r Oberlausitzischen <strong>Ges</strong>ellschaft<br />
<strong>de</strong>r Wissenschaften und ihrem damaligen<br />
Präsi<strong>de</strong>nten, Herrn Prof. Dr. Lemper,<br />
sowie <strong>de</strong>m Kumpfmühler Kollegium in<br />
38<br />
Regensburg mit seinem ehrwürdigen Inspirator<br />
Dr. Max Josef Zilch. Nicht zuletzt<br />
und nicht min<strong>de</strong>r herzlich sei <strong>de</strong>m Urania-<br />
Vortragszentrum Dres<strong>de</strong>n mit Herrn<br />
Prof. Dr. Heinrich, <strong>de</strong>m Vorsitzen<strong>de</strong>n, und<br />
Herrn Dipl.-Ing. Kloppisch, <strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>chäftsführer,<br />
gedankt, die uns selbstlos wenige<br />
Monate nach <strong>de</strong>r Gründung in ihr Programmheft<br />
und in das Hygiene-Museum<br />
aufnahmen und uns dadurch halfen, überraschend<br />
schnell in <strong>de</strong>n Blickpunkt <strong>de</strong>r<br />
Dresdner Öffentlichkeit zu gelangen. Noch<br />
eines weiteren Dresdners sei hier in Dankbarkeit<br />
gedacht: Herrn Prof. Dr.Wollgasts,<br />
<strong>de</strong>r bereits zum Festakt 1993 im Haus <strong>de</strong>r<br />
Bildung und Kultur als Vortragen<strong>de</strong>r zum<br />
Gelingen jener Veranstaltung <strong>bei</strong>trug und<br />
<strong>bei</strong><strong>de</strong> bisherigen Symposien mit Vorträgen<br />
bereicherte – herzlichen Dank!<br />
»Unsichtbar« und »unleiblich« wie die<br />
Kraft in <strong>de</strong>r Arznei wird <strong>de</strong>r Hohenheimer<br />
auch heute unter uns weilen und spüren,<br />
dass unser Dank vor allem an<strong>de</strong>ren Dank<br />
ihm gilt, seinem Leben und Wirken.<br />
»so gott ein solche reichtumb zufuegt (d.h.<br />
viel Wissen und Können – GI), so soll<br />
<strong>de</strong>r mensch, <strong>de</strong>r si hat...reichlich austeilen<br />
<strong>de</strong>nen, dohin es gehört« (II.Abt. Bd.II<br />
S.3). In diesem Sinne, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s <strong>Bombastus</strong><br />
Paracelsus, will die Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft das zweite Jahrzehnt ihrer<br />
Ar<strong>bei</strong>t beginnen.
Andrew Weeks: Paracelsus.<br />
Speculative Theory and the Crisis of the<br />
Early Reformation.<br />
State University of New York Press. 1997.<br />
238 Seiten, ausführliches Quellen- und<br />
Namensverzeichnis mit 174 Ergänzungsnotizen,<br />
Broschur, Frontispiz:<br />
Paracelsusbild von Hirschvogel;<br />
Herausgegeben von David Appelbaum in<br />
SUNY Series in Western Esoteric Traditions.<br />
Andrew Weeks: Boehme.<br />
An Intellectual Biography of the Seventeenth-Century<br />
Philosopher and Mystic.<br />
State University of New York Press. 1991.<br />
268 Seiten, ausführliches Quellen- und<br />
Namensverzeichnis und Ergänzungsnotizen,<br />
fester Einband, Frontispiz:<br />
Ausschnitt einer Karte <strong>de</strong>r Oberlausitz<br />
von 1495; mit Dank an die Archivare und<br />
Bibliothekare in Bloomington, Middlebury,<br />
Urbana,Wien,Wolfenbüttel und Görlitz<br />
für Unterstützung <strong>de</strong>r Böhme-Forschung.<br />
Professor Andrew Weeks steht in brieflichem<br />
Kontakt mit <strong>de</strong>m Vorstand <strong>de</strong>r<br />
Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft e.V.<br />
Er hat eine Professur für <strong>de</strong>utsche Sprache<br />
an <strong>de</strong>r Illinois State University. Motiv<br />
seiner Lehre über Paracelsus, Böhme und<br />
auch Hil<strong>de</strong>gard von Bingen ist seine<br />
Stellung als »amerikanischer Germanist, <strong>de</strong>r<br />
zwischen <strong>de</strong>n weniger zugänglichen <strong>de</strong>utschen<br />
Autoren und <strong>de</strong>m englischsprechen<strong>de</strong>n Publikum<br />
vermitteln möchte«.<br />
Aus dieser Position heraus lehrt er seine<br />
Stu<strong>de</strong>nten und Leser ein gründliches Weltbild<br />
<strong>de</strong>r Jahrzehnte <strong>de</strong>r Reformation und<br />
<strong>de</strong>s Barock. Weeks bin<strong>de</strong>t das Leben seiner<br />
Titel-Personen ein in das damalige Zeitgeschehen<br />
und stellt Verknüpfungen zu<br />
Zeitgenossen dar.<br />
Die Glie<strong>de</strong>rungspunkte seines Buches<br />
über Paracelsus lauten: Die Doppel<strong>de</strong>utigkeit<br />
<strong>de</strong>s Paracelsus. Pest und Erlösung. Bauernkrieg<br />
und Bil<strong>de</strong>rstürmerei. Die Befreiung von gött-<br />
Werner Lauterbach<br />
REZENSION – INFORMATION<br />
lichen Vorstellungen. Die Reise <strong>de</strong>r Medizin. Die<br />
Welt als Spiegel. Die Beleuchtung <strong>de</strong>r Theorie.<br />
Als interessante Thematik stellt <strong>de</strong>r Autor<br />
»seinen« Paracelsus zwischen Luther und<br />
Faust, »zwischen <strong>de</strong>n Reformator und <strong>de</strong>n<br />
Scharlatan«. Während im Lebensweg <strong>de</strong>s<br />
Paracelsus geklärte und ungeklärte Fahrten<br />
und Reisen durch verschie<strong>de</strong>ne Län<strong>de</strong>r<br />
anklingen, ist Böhmes Leben auf die<br />
Lausitz beschränkt. So erklärt Weeks einleitend<br />
im Böhmebuch recht gründlich die<br />
geschichtliche Situation in <strong>de</strong>r Oberlausitz,<br />
auch für Leser, die mit <strong>de</strong>r sächsischen<br />
<strong>Ges</strong>chichte vertraut sind, hochinteressant<br />
dargestellt. Es folgen die Kapitel: Die Entstehung<br />
von Böhmes Visionen. Die zweifache<br />
Aurora. Die drei Welten. Die Feuer-Welt.<br />
Der Spiegel <strong>de</strong>r Finsternis. Der Wille zur Offenbarung.<br />
Böhmes letztes Jahr. Nach Weeks<br />
Meinung sind <strong>de</strong>utsche Rezeptionen –<br />
speziell <strong>bei</strong> Böhme – häufig zu einseitig<br />
durch »erbauliche« o<strong>de</strong>r gar »nationalistische«<br />
Vorstellungen geprägt. Er wür<strong>de</strong><br />
sie gern mit <strong>de</strong>m Begriff »Alltagswelt«<br />
(aber ohne i<strong>de</strong>ologische Färbung wie <strong>bei</strong><br />
Kuczynski) verar<strong>bei</strong>ten. Für ihn sind<br />
»Böhmes Sprache und Bil<strong>de</strong>rschatz eine<br />
<strong>de</strong>r großen poetischen Leistungen <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Literatur«. Diese Wertung<br />
haben wir <strong>bei</strong> einem <strong>de</strong>utschen Autor über<br />
<strong>de</strong>n Philosophen auf <strong>de</strong>m Schusterschemel<br />
noch nicht gelesen! Zum Internationalen<br />
Wissenschaftlichen Symposium vom<br />
27. bis 30. Oktober 2000 in Görlitz hat dies<br />
Prof.Weeks überzeugend vorgetragen.<br />
Nachbemerkung:<br />
Interessant ist für uns ein Einblick in das<br />
Quellenverzeichnis. Es zeigt, welche Maßstäbe<br />
Weeks seiner Forschung zugrun<strong>de</strong><br />
legt. Er verweist im Buch über Paracelsus<br />
auf 200 Titel in <strong>de</strong>utscher Sprache, 45 in<br />
Englisch, 6 in Französisch.<br />
Für <strong>bei</strong><strong>de</strong> Bücher wäre eine Übersetzung<br />
in die <strong>de</strong>utsche Sprache sehr wünschenswert.<br />
39
VALENTIN WEIGEL: Gebetbuch (Büchlein<br />
vom Gebet). Vom Gebet. Vom Beten<br />
und Nichtbeten. Hrsg. und eingeleitet<br />
von Horst Pfefferl, Stuttgart-Bad Cannstatt<br />
1999.<br />
(= Valentin Weigel – Sämtliche Schriften.<br />
Begrün<strong>de</strong>t von Will-Erich Peuckert und<br />
Winfried Zeller, Neue Edition, Hrsg. von<br />
Horst Pfefferl, Band 4.)<br />
Ich schlage <strong>de</strong>n in rotes Leinen gebun<strong>de</strong>nen<br />
Band auf, durchblättere die ersten<br />
Seiten und wer<strong>de</strong> von Faksimiles jahrhun<strong>de</strong>rtealter<br />
Handschriften und gedruckter<br />
Titelseiten gefesselt. Es ist <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>r<br />
72seitigen und damit erfreulich umfangreichen<br />
Einleitung. Mit wissenschaftlicher<br />
Akribie wer<strong>de</strong>n darin die <strong>de</strong>m Buch zugrun<strong>de</strong><br />
liegen<strong>de</strong>n Handschriften und<br />
Drucke beschrieben und damit alle <strong>de</strong>rzeit<br />
bekannten überlieferten Quellen verbal<br />
für die Zukunft gesichert.<br />
Die Neugier auf das Buch selbst ist<br />
geweckt. Der Herausgeber <strong>de</strong>r Neuen Edition<br />
konnte sich auf eine wie<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>ckte<br />
Handschrift von 1606 stützen und das<br />
»Gebetbuch« damit weiter als bisher an<br />
das Original heranführen. Dieses ist nur<br />
durch vier alte Druckausgaben zwischen<br />
1612 und 1700 bekannt sowie durch die<br />
Übernahme <strong>de</strong>s ersten Teils in Johann<br />
Arndts Schrift »Vom wahren Christentum«.<br />
So wur<strong>de</strong> es zu »Weigels wirkungsreichster<br />
Erbauungsschrift«, die nachhaltig »zur Verinnerlichung<br />
<strong>de</strong>s Gebets in <strong>de</strong>r protestantischen<br />
Frömmigkeitsgeschichte« <strong>bei</strong>getragen<br />
hat (S. XLIX). Weigel unterrichtet die<br />
»Einfelttigen«, wie sie das richtige Beten<br />
erlernen können, wo<strong>bei</strong> er eine eigene<br />
Propä<strong>de</strong>utik (Vorbereitung, Heranführung<br />
an eine Wissenschaft) entwickelt. Eine<br />
konzentrierte Inhaltszusammenfassung,<br />
umfangreiche Informationen über Weigels<br />
Quellen und seine Rezeption <strong>bei</strong> Arndt<br />
sowie inhaltliche Zusammenhänge<br />
40<br />
Michael Liebscher<br />
EMPFEHLUNG<br />
zwischen <strong>de</strong>m Gebetbuch und <strong>de</strong>n im<br />
Anhang befindlichen Texten »Vom Gebet«<br />
und »Vom Beten und Nichtbeten« vervollständigen<br />
die Einleitung. Während <strong>de</strong>r<br />
Lektüre wer<strong>de</strong> ich häufig hierher zurückblättern<br />
und dann feststellen, dass sich<br />
damit gut ar<strong>bei</strong>ten lässt.<br />
Die Lektüre <strong>de</strong>s Gebetbuches (Büchlein<br />
vom Gebet) selbst wie auch <strong>de</strong>r Anhangstexte<br />
fasziniert mich mehrfach. Zum ersten<br />
sind die Gedanken von Innerlichkeit, Hingabe<br />
an <strong>de</strong>n Gegenstand, Originalität und<br />
Bildhaftigkeit geprägt und zum zweiten<br />
eröffnen Sprache und Schreibung höchst<br />
anschauliche Blicke in die Historie unserer<br />
(sächsischen) Sprache.<br />
Valentin Weigels Zielsetzung für <strong>de</strong>n<br />
Leser seines Gebetbuches ist, dass dieser<br />
»nun Christum mitt allen seinen himlischen<br />
güettern« in sich fin<strong>de</strong> »vnd Adam...getödtt<br />
wer<strong>de</strong>« (S. 6). Er meint damit das Umorientieren<br />
von äußeren Werten auf innere. Zu<br />
Christus fin<strong>de</strong> aber nur, wer bete. Dieses<br />
zu lernen formuliert er acht Vorbetrachtungen<br />
und empfiehlt zu <strong>de</strong>ren Verinnerlichung:<br />
»üebe dich dorinnen früe und abends,<br />
sueche die Zeügknus <strong>de</strong>r Schrifft, das du selber<br />
sehest, wie gründlich vnd Wahrhaftig dises<br />
büechlein sej geschriben, dorauff laß <strong>de</strong>in Vatter<br />
Vnser fliessen vnd gee an <strong>de</strong>inen berueff.« (S. 6)<br />
Je<strong>de</strong> Vorbetrachtung soll eine Woche lang,<br />
<strong>bei</strong> Schlaflosigkeit auch nachts, wie<strong>de</strong>rholt<br />
wer<strong>de</strong>n. Weigel führt jeweils zunächst vielfältige<br />
Bibelstellen an, aus <strong>de</strong>nen er dann<br />
entsprechen<strong>de</strong> Lehren ableitet und beschließt<br />
die Betrachtung immer mit einem<br />
sehr innigen Gebet.<br />
Auch in <strong>de</strong>n weiterführen<strong>de</strong>n Kapiteln,<br />
die vom Absterben <strong>de</strong>s äußeren und Erwecken<br />
<strong>de</strong>s inneren Menschen (Adam und<br />
Christus) han<strong>de</strong>ln bzw. recht umfangreich<br />
vom Vaterunser, greift Weigel vielfach die<br />
Vorbetrachtungsgedanken wie<strong>de</strong>r auf und<br />
festigt sie so <strong>bei</strong>m Leser – eine durchaus<br />
mo<strong>de</strong>rne Didaktik!
In diesen Teilen fin<strong>de</strong>n sich bereits aus<br />
früheren Schriften wie »Gnothi seauton«<br />
bekannte Gedanken und Passagen, aber<br />
auch oft Bezüge zu Martin Luther, Sebastian<br />
Franck, Meister Eckhart, Johannes<br />
Tauler o<strong>de</strong>r Paracelsus.<br />
Wenige Beispiele Weigelscher Gedanken<br />
sollen einen kleinen Einblick vermitteln.<br />
So befin<strong>de</strong>t er sich durchaus in mystischer<br />
Tradition: »Vnser geist o<strong>de</strong>r gemüett Jst wie ein<br />
Wasser darüber <strong>de</strong>r Geist Gottes Ohne Vnterlaß<br />
schwebet, sobald es still wirdt vnd von keinem<br />
Windt noch Zeitlichen gedancken hin vnd wi<strong>de</strong>r<br />
bewegt, alßbald blicket Gott ein vnd spricht sein<br />
kreftiges Wortt Jnn solches stilles Wasser« (S.34).<br />
»Es ist zu beClagen, wie wir vnß selber hin<strong>de</strong>rn<br />
mit vnserm hin und her lauffen, mit großer<br />
Sorg und Vleiß. Könten wir still sein vnd in gott<br />
ruhen wir hetten genug.« (S.171)<br />
In Übereinstimmung mit Luther wen<strong>de</strong>t<br />
er sich gegen die Werkgerechtigkeit: »was<br />
woltestu mitt <strong>de</strong>inen stincken<strong>de</strong>n Werckhen o<strong>de</strong>r<br />
frömmigkeit von Gott erwerben o<strong>de</strong>r erlangen?<br />
gar nichts, es Müessen sich trollen alle Werckheiligen<br />
vnd Müessen für Jhme schweigen alle<br />
Creaturn.« (S.44)<br />
Sehr <strong>de</strong>utlich stellt er sich gegen die Institutionalisierung<br />
<strong>de</strong>s Glaubens: »Wie ein<br />
seelig ding Jst es vmb ein Menschen <strong>de</strong>r do im<br />
Reich Gottes ist, dann er hatt <strong>de</strong>n Schatz Jn Jme<br />
vnd <strong>de</strong>r rechte Priester Jst In Ihme er sej an welchem<br />
Ortt <strong>de</strong>r gantzen Weldtt er welle.« (S.55)<br />
»Einen Trefflichen Trost hatt ein Christ er sej wo<br />
er welle dass er die Absolution bej sich habe«,<br />
<strong>de</strong>nn »Christus, <strong>de</strong>r Jst in Jm.« (S.56)<br />
Nicht mü<strong>de</strong> wird Weigel, die Gleichheit<br />
vor Gott zu betonen: »Verfluecht sej <strong>de</strong>r<br />
Mensch <strong>de</strong>r do sagen darff, Gott hab einen lieber<br />
dann <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn, ein solcher verschmeht die<br />
göttliche Mayestet, Macht Gott strachs Partheyisch<br />
vnd zum Anseher <strong>de</strong>r Person.« (S.38)<br />
Weigel bezeichnet sich selbst als<br />
»liebhaber <strong>de</strong>r Warheitt, welche Warheitt nichts<br />
Jst alß die Lebendige Erkantnuß Ihesu Christj«<br />
(S.120). Trotz<strong>de</strong>m lässt jener Gebetsausruf:<br />
»Erleuchte Mich weitter du wahres liecht, so<br />
werd Jch kein verfüerer, kein ketzer, kein verfelscher<br />
<strong>de</strong>r schrifft sein« (S.106), innere Kämpfe<br />
ahnen, o<strong>de</strong>r ist er eine Reaktion auf Vorwürfe<br />
seitens <strong>de</strong>r Kirche?<br />
Als von paracelsischem Gedankengut<br />
geprägt erweist sich die Auffassung, dass<br />
<strong>de</strong>r Mensch <strong>bei</strong> seiner Erschaffung aus »leib<br />
und geist« von Gott »alle göttliche Weißheitt<br />
vnd seligkeitt« empfing, aufgrund <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong><br />
aber »verblen<strong>de</strong>t vnd vnwissendtt« (S.76f.) gewor<strong>de</strong>n<br />
sich dieser »Natürliche[n] vnd Übernatürliche[n]güetter«<br />
nicht mehr erinnern<br />
könnte. »Darum befilcht Er vns zu beten nicht<br />
seinethalben/son<strong>de</strong>rn vns damitt zue erinnern,<br />
erweckhen vnd zue ermuntern« (S.88).<br />
Als letztes Beispiel mag jenes in seiner<br />
Schlichtheit ergreifen<strong>de</strong> Bild stehen:<br />
»Die Sonne leuchtet guetten vnd Bösen zue<br />
gleich, <strong>de</strong>r sich aber verburget vnnter die Er<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>m leuchtet sie nicht, O<strong>de</strong>r welcher sich vnter<br />
ein dach o<strong>de</strong>r baum verbürgett wirt auch<br />
nicht überleuchtet O<strong>de</strong>r auch erwärmet von<br />
<strong>de</strong>r Sonnen... Dise alle sollen <strong>de</strong>r Sonnen die<br />
schuldtt nicht geben son<strong>de</strong>r Jnen selbst dass<br />
sie sich nicht zue Jr wen<strong>de</strong>n vnd vnter Jr still<br />
sitzen.« (S.93)<br />
Weiterhin fasziniert <strong>de</strong>r umfangreiche<br />
Anmerkungsapparat, <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r<br />
zum Verlassen <strong>de</strong>s Originaltextes und<br />
zum Nachspüren <strong>de</strong>r angeführten Informationen<br />
und Quellen, vor allem <strong>de</strong>r<br />
Bibel, verleitet. So sind Bibelstellen, auf<br />
die <strong>de</strong>r Text teilweise nur ungefähr verweist,<br />
durchweg präzise benannt, auch<br />
wer<strong>de</strong>n vielfältige Parallelstellen angeführt,<br />
ja selbst solche mit etwas weiter<br />
entferntem Bezug. Auch sind wichtige<br />
Zitate Martin Luthers, Sebastian Francks<br />
o<strong>de</strong>r von Predigttexten wie<strong>de</strong>rgegeben,<br />
so dass die Anmerkungen <strong>de</strong>n Text sofort<br />
inhaltlich aussagekräftig und nachvollziehbar<br />
in einen umfassen<strong>de</strong>ren Kontext<br />
stellen.<br />
41
Nicht zuletzt beeindruckt auch die Präzision<br />
<strong>de</strong>s Schriftsatzes, in <strong>de</strong>m alphabetische<br />
und numerische In<strong>de</strong>xzuweisung,<br />
Kursivsetzung teilweise einzelner Buchstaben,<br />
Schriftgröße und -art, Son<strong>de</strong>rzeichen<br />
sowie klare graphische Trennung <strong>de</strong>s<br />
textkritischen und Anmerkungsapparates<br />
einen beachtlichen optischen Beitrag zur<br />
effektiven Texterfassung leisten.<br />
Abschließend ist festzustellen, dass sowohl<br />
das Gebetbuch als auch die <strong>bei</strong><strong>de</strong>n kompilatorischen<br />
Schriften <strong>de</strong>s Anhangs, »Vom<br />
Gebet« und »Vom Beten und Nichtbeten«,<br />
Satzungsgemäße Aufgabe <strong>de</strong>r Deutschen<br />
<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft ist es, ȟber die<br />
aus <strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>amtwerk <strong>de</strong>s Arztes, Naturforschers,<br />
Sozialethikers und Laientheologen<br />
Theophrastus <strong>Bombastus</strong> von Hohenheim<br />
(Paracelsus) gewonnenen und noch zu gewinnen<strong>de</strong>n<br />
Erkenntnisse zu informieren,<br />
insbeson<strong>de</strong>re über die seinem Wirken<br />
zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Ethik aus christlicher<br />
Nächstenliebe« (Satzung <strong>de</strong>r Deutschen<br />
<strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft e.V.vom 6.5.1995).<br />
Ganz dieser Aufgabe verpflichtet sind<br />
die seit zwei Jahren verstärkten Aktivitäten,<br />
beson<strong>de</strong>rs Jugendliche mit <strong>de</strong>r faszinieren<strong>de</strong>n<br />
Gedankenwelt <strong>de</strong>s Hohenheimers in<br />
Berührung zu bringen. Sie begannen mit<br />
<strong>de</strong>m Zusen<strong>de</strong>n inhaltlich und graphisch<br />
hochwertiger Informationsposter an Gymnasien<br />
in Dres<strong>de</strong>n und seiner Umgebung<br />
und wur<strong>de</strong>n fortgesetzt mit <strong>de</strong>m Anbieten<br />
eines Vortrages zum Thema »Goethe–<br />
Faust–Paracelsus–Magie«, <strong>de</strong>r schließlich<br />
von Herrn Dipl.-Biol. Ickert mehrfach vor<br />
insgesamt ca.500 Dresdner Gymnasiasten<br />
42<br />
die fortführend Weigels Gedanken verar<strong>bei</strong>ten,<br />
aber auch an<strong>de</strong>re mystisch orientierte<br />
Texte <strong>bei</strong>spielsweise von Johannes<br />
Tauler und Meister Eckhart einbeziehen,<br />
in ihrer herausragen<strong>de</strong>n Qualität die Lust<br />
auf mehr erwecken, auf eigenes Nach-<br />
Denken und Nach-Han<strong>de</strong>ln. In diesem<br />
Sinne kann ich diesem 4. Band <strong>de</strong>r Neuen<br />
Edition nur wünschen, dass auf seiner<br />
Grundlage die Weigelschen Gedanken<br />
wie<strong>de</strong>r einem breiteren Leserkreis zugänglich<br />
wür<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn »<strong>de</strong>r Mensch Mueß<br />
kurzumben erwecket wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m Schatz er<br />
Mueß es erkennen vnd Jn Jhme fin<strong>de</strong>n« (S.104).<br />
INFORMATIONEN<br />
Angebot <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<strong>Ges</strong>ellschaft an Dresdner Gymnasien<br />
gehalten wer<strong>de</strong>n konnte. Die Orientierung<br />
auf studienvorbereiten<strong>de</strong> Bildungseinrichtungen<br />
ergab sich aus <strong>de</strong>m intellektuellen<br />
Anspruch <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s, was geeignete<br />
Kontakte auch zu Mittelschulen jedoch<br />
keinesfalls ausschließen darf.<br />
Ein neues und vertiefen<strong>de</strong>s Projekt soll<br />
nun ins Leben gerufen wer<strong>de</strong>n.<br />
Ansatzpunkt ist die Möglichkeit <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>ren<br />
Lernleistung, die seit <strong>de</strong>m Schuljahr<br />
1999/2000 freiwillig von Gymnasiasten<br />
erbracht und in die Bewertung <strong>de</strong>r<br />
Abiturprüfung einbezogen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
In ihrem Rahmen sucht sich <strong>de</strong>r angehen<strong>de</strong><br />
Abiturient unter Mitwirkung eines Vertreters<br />
von Schule, Hochschulen, Instituten,<br />
Unternehmen, Kirchen, Verbän<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
Vereinen ein Thema, das einem Unterrichtsfach<br />
zugeordnet wer<strong>de</strong>n kann, und<br />
welches er dann relativ selbständig wissenschaftlich<br />
bear<strong>bei</strong>tet. Als Ergebnis legt er<br />
eine schriftliche, etwa 15seitige Dokumentation<br />
vor, die in einem Kolloquium zu<br />
verteidigen ist. Betreut wird die Ar<strong>bei</strong>t ent-
we<strong>de</strong>r von einem Fachlehrer <strong>de</strong>r Schule<br />
o<strong>de</strong>r von einem externen Experten unter<br />
Beteiligung eines geeigneten Lehrers.<br />
Das Kultusministerium sieht <strong>de</strong>n Wert<br />
einer <strong>de</strong>rartigen Ar<strong>bei</strong>t in <strong>de</strong>r Erhöhung<br />
<strong>de</strong>r Studierfähigkeit, in <strong>de</strong>r Gewinnung<br />
einer größeren Klarheit über eigenes Ar<strong>bei</strong>tsverhalten<br />
sowie über Breite und Tiefe<br />
eigener Interessen und in <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
kooperativer Fähigkeiten.<br />
Aus Sicht <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bombastus</strong>-<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft bietet die Beson<strong>de</strong>re Lernleistung<br />
eine hervorragen<strong>de</strong> Möglichkeit, sich<br />
auf einem Spezialgebiet über <strong>de</strong>n allgemeinen<br />
Lehrplan hinaus gründliche Kenntnisse<br />
anzueignen.<br />
Deshalb wird die Deutsche <strong>Bombastus</strong>-<br />
<strong>Ges</strong>ellschaft <strong>de</strong>n Gymnasien einen breit<br />
gefächerten Themenkatalog anbieten und<br />
damit die Voraussetzung schaffen, dass<br />
interessierte und intelligente junge Leute<br />
auf diesem Wege einen Zugang zu<br />
Theophrastus Bombast von Hohenheim<br />
bekommen und gleichzeitig interessante<br />
Themen im Sinne »noch zu gewinnen<strong>de</strong>r<br />
Erkenntnisse« (Satzung) vertieft bear<strong>bei</strong>tet<br />
wer<strong>de</strong>n können. Da das Projekt langfristig<br />
konzipiert ist, kann sich die Betreuung<br />
und Mitwirkung <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>ren Lernleistung<br />
zu einer öffentlichkeitswirksamen<br />
Möglichkeit <strong>de</strong>r Information und Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
über und mit Paracelsus<br />
sowie seinen I<strong>de</strong>en entwickeln.<br />
Folgen<strong>de</strong> Rahmenthemen wur<strong>de</strong>n im<br />
Mai 2001 <strong>de</strong>n Gymnasien angeboten und<br />
können dann individuell modifiziert<br />
wer<strong>de</strong>n:<br />
1. Elemente <strong>de</strong>s paracelsischen Weltbil<strong>de</strong>s<br />
in <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst seit <strong>de</strong>r Renaissance<br />
(Kunsterziehung, Ethik, Religion,<br />
<strong>Ges</strong>chichte)<br />
2. Anwendung und Erfolge paracelsischer<br />
Heilweisen <strong>bei</strong> Medizinern und Heilpraktikern<br />
– eine empirische Untersuchung<br />
(Biologie)<br />
3. Heilpflanzen <strong>bei</strong> Paracelsus und ihr<br />
gegenwärtiges Vorkommen in Sachsen<br />
(Biologie, Geographie)<br />
4. Heilpflanzen <strong>bei</strong> Paracelsus und ihre<br />
gegenwärtige pharmazeutische<br />
Verwendung (Biologie, Geographie)<br />
5. Künstlerische <strong>Ges</strong>taltung einer Plastik<br />
zum Thema »Der Mensch als<br />
Mikrokosmos« (auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
wichtiger paracelsischer Schriften)<br />
(Kunsterziehung)<br />
6. Goethes Faust und Paracelsus –<br />
Vergleich ihres Magieverständnisses<br />
(Deutsch)<br />
7. Soziale Theorien <strong>bei</strong> Paracelsus –<br />
Utopie o<strong>de</strong>r Lösungsansatz?<br />
(<strong>Ges</strong>chichte, Gemeinschaftskun<strong>de</strong>)<br />
43
Maria Suutala: Zur <strong>Ges</strong>chichte <strong>de</strong>r Naturzerstörung<br />
– Frau und Tier in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Revolution, Lang, Frankfurt<br />
am Main, 1999 (Europäische Studien zur<br />
I<strong>de</strong>en- und Wissenschaftsgeschichte.<br />
Bd.7); 270 Seiten, 15 Abb., br. DM 79,–<br />
ISBN 3-631-35298-0<br />
Die Autorin ist Dozentin im Fachbereich<br />
I<strong>de</strong>en- und Wissenschaftsgeschichte an <strong>de</strong>r<br />
Universität Oulu, Finnland, wo sie 1990<br />
an <strong>de</strong>r humanistischen Fakultät ihre Dissertation<br />
»Tier und Mensch im Denken <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Renaissance« vorlegte. Die Autorin<br />
sieht die gegenwärtige ökologische<br />
Krise als Folge <strong>de</strong>r »Naturbeherrschung«<br />
durch <strong>de</strong>n Menschen, <strong>de</strong>ren I<strong>de</strong>e schon in<br />
<strong>de</strong>r Renaissance, in <strong>de</strong>n hermetischen<br />
Schriften und in <strong>de</strong>r biblischen Genesis<br />
auftauchte.Während jedoch in <strong>de</strong>r Renaissance<br />
die Natur noch als leben<strong>de</strong>r Organismus<br />
gesehen wur<strong>de</strong>, stellten Natur und<br />
Tiere für Descartes (1596–1650) leblose<br />
Automaten dar. Francis Bacon (1561–1626)<br />
vertrat eine religiös fundierte, grenzenlose<br />
Herrschaft über die Natur. Die Söhne <strong>de</strong>r<br />
Erkenntnis sollten in die Gebärmutter<br />
(Zellkern, Atomkern! »matrix« <strong>bei</strong> Paracelsus,<br />
RM) <strong>de</strong>r Natur hineindrängen.<br />
Margaret Cavendish sprach in diesem Zusammenhang<br />
von <strong>de</strong>r Natur als einer vergewaltigten<br />
Frau. Auch die Autorin sieht<br />
als Parallele zur Naturbeherrschung die<br />
Herrschaft <strong>de</strong>s Mannes über die Frau. Ausgehend<br />
vom Sün<strong>de</strong>nfall wur<strong>de</strong> die weibliche<br />
Sexualität als tierisch und gefährlich<br />
angesehen. Mitleid mit <strong>de</strong>n Tieren, z.B.<br />
<strong>bei</strong> Tierexperimenten, wur<strong>de</strong> als weibisch<br />
abgetan. Im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt erreichten Verbrennung<br />
<strong>de</strong>r tierischen Frauen und Tierquälereien<br />
durch Vivisektion einen traurigen<br />
Höhepunkt. Die für die Renaissance<br />
44<br />
Dr. Rolf A.Meyer<br />
MARIA SUUTALA<br />
typische I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s zum bösen Tier gefallenen<br />
Menschen lebte weiter <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n Rosenkreuzern<br />
und im Pietismus. Margaret<br />
Cavendish (1623–1673) unterschied sich<br />
vom männlichen Denken, in<strong>de</strong>m sie die<br />
Herrschaft <strong>de</strong>s Menschen über die Natur<br />
ablehnte. Für sie ist die Natur eine Frau,<br />
<strong>de</strong>r eine innere Herrschaftslosigkeit eigen<br />
ist. Nur eine praktisch orientierte Wissenschaft<br />
hält sie für gut: Ein Mikroskop<br />
macht einen Bettler nicht satt. Cavendish<br />
hatte es schwer in ihrer Zeit. So benötigte<br />
sie zur Publikation ihrer Bücher die Erlaubnis<br />
ihres Mannes. Ihre Kin<strong>de</strong>rlosigkeit<br />
wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r <strong>Ges</strong>ellschaft als Folge ihrer<br />
intellektuellen Tätigkeit angesehen.<br />
Die Verfasserin schreibt konsequent vom<br />
ökofeministischen Standpunkt aus. Ihre<br />
Thesen bieten Anlass zu einer weiteren<br />
Diskussion über unser heutiges Naturverhältnis,<br />
insbeson<strong>de</strong>re auch über unseren<br />
Umgang mit <strong>de</strong>n Tieren und die damit<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>n ethischen Fragen.<br />
Das Buch ist mit aufschlussreichen zeitgenössischen<br />
Abbildungen versehen, u.a.<br />
mit Darstellung einer Frau, <strong>de</strong>ren <strong>Ges</strong>chlechtsteile<br />
vom Teufel besetzt sind, und<br />
mit Darstellungen von Vivisektionen am<br />
Tier. Wünschenswert wäre ein Personenregister.<br />
Viele <strong>de</strong>r besprochenen I<strong>de</strong>en gehen<br />
auf Paracelsus zurück, <strong>de</strong>r für die Autorin<br />
die zentrale <strong>Ges</strong>talt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Naturphilosophie<br />
und Mystik im 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
darstellt und <strong>de</strong>r die neuplatonischhermetische<br />
Tradition <strong>de</strong>r italienischen<br />
Renaissance nördlich <strong>de</strong>r Alpen verbreitet<br />
hat. Mehr darüber fin<strong>de</strong>t sich im ersten<br />
Buch von Maria Suutala: Tier und Mensch<br />
im Denken <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Renaissance,<br />
Helsinki 1990, ISBN-951-8915-34-2.