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Die Rechtsprechung des BGH zur Notwehr

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Neuere <strong>Rechtsprechung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>BGH</strong> <strong>zur</strong> <strong>Notwehr</strong>: Teil I 1<br />

A. Grundsätzliches<br />

1. ****<strong>BGH</strong> NStZ 2000, 414: Keine Garantenstellung<br />

für denjenigen, der sich in<br />

<strong>Notwehr</strong> gegen den Angriff eines Dritten<br />

erwehrt. Das Bestehen einer<br />

Garantenstellung aus vorangegangenem<br />

Verhalten setzt (u.a.) eine Pflichtwidrigkeit<br />

voraus. Es verbleibt u.U. eine Strafbarkeit<br />

nach § 323 c.<br />

2. ***<strong>BGH</strong> NStZ 2002, 313: <strong>Die</strong> durch <strong>Notwehr</strong><br />

gerechtfertige Tötung darf sich auch<br />

nicht mittelbar nachteilig für den Verteidiger<br />

auswirken, etwa dadurch, dass sie<br />

bei der Strafzumessung wegen eines<br />

verbleibenden rechtswidrigen (d.h. nicht<br />

durch <strong>Notwehr</strong> gerechtfertigten) Verhaltens<br />

berücksichtigt wird.<br />

B. <strong>Die</strong> <strong>Notwehr</strong>lage (<strong>Die</strong> Frage nach<br />

dem „Ob“ der <strong>Notwehr</strong>)<br />

1. ***<strong>BGH</strong> NJW 2000, 3079 [<strong>zur</strong> Frage der<br />

Gegenwärtigkeit <strong>des</strong> Angriffs]: Keine Gegenwärtigkeit<br />

<strong>des</strong> Angriffs , wenn der Täter<br />

an der früheren Berliner Mauer einen<br />

1 <strong>Die</strong> Kennzeichnung mit „*“ zeigt den Grad der<br />

Wichtigkeit der Entscheidung an (Bewertung<br />

von „*“ bis „*****“ mit aufsteigender Bedeutung).<br />

DDR-Grenzposten erschießt, weil er wegen<br />

<strong>des</strong> versuchten Grenzübertritts Repressalien<br />

<strong>des</strong> DDR-Regimes gegenüber<br />

seiner (<strong>des</strong> Täters) Familie befürchtet.<br />

Zur Frage <strong>des</strong> entschuldigenden Notstan<strong>des</strong><br />

nach § 35 I 1 StGB verweist der <strong>BGH</strong><br />

darauf, dass es dem Täter zuzumuten<br />

war, die Gefahr hinzunehmen (§ 35 I 2<br />

StGB).<br />

2. ****<strong>BGH</strong> NStZ 2000, 365: Der <strong>BGH</strong><br />

bejaht das Vorliegen eines gegenwärtigen<br />

Angriffs, wenn sich der Angreifer in drohender<br />

Haltung zwecks Aufnahme einer<br />

körperlichen Auseinandersetzung dem<br />

sich Verteitigenden annähert, da das Verhalten<br />

<strong>des</strong> Angreifers unmittelbar in eine<br />

Rechtsgutsverletzung hätte umschlagen<br />

können und damit das Verzögern der Verteidigungshandlung<br />

den Erfolg der Abwehr<br />

in Frage gestellt hätte.<br />

3. ***<strong>BGH</strong> NStZ 2003, 599, 600: Bei zeitlich<br />

aufeinander folgenden, wechselseitigen<br />

Angriffen der Beteiligten bedarf es <strong>zur</strong><br />

Prüfung der <strong>Notwehr</strong>lage einer Gesamtbetrachtung<br />

unter Einschluss <strong>des</strong> der Tathandlung<br />

vorausgegangenen Geschehens;<br />

auf ein <strong>Notwehr</strong>recht kann sich derjenige<br />

nicht berufen, der zuvor einen anderen<br />

rechtswidrig angegriffen hat, so<br />

dass dieser seinerseits aus <strong>Notwehr</strong> gehandelt<br />

hat.<br />

Zugleich verweist der <strong>BGH</strong> (a.a.O.) darauf,<br />

dass auf den sog. Putativnotwehrexzess<br />

§ 33 StGB nicht anwendbar sei.<br />

© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2004


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C. <strong>Die</strong> <strong>Notwehr</strong>handlung (<strong>Die</strong> Frage<br />

nach dem „Wie“ der <strong>Notwehr</strong>)<br />

I. Geeignetheit der <strong>Notwehr</strong>handlung<br />

****<strong>BGH</strong>St 48, 207 = NStZ 2003, 425 [u.a.<br />

<strong>zur</strong> Frage, ob die <strong>Notwehr</strong>handlung geeignet<br />

gewesen ist, den Angriff „insgesamt“<br />

abzuwehren]: Soweit die h.M. das Erfordernis<br />

der Geeignetheit der <strong>Notwehr</strong>handlung<br />

erkennt, ist fraglich, ob es ausreichend<br />

ist, dass der sich Verteitigende den<br />

Angriff lediglich abschwächt bzw. nur einen<br />

von mehreren Angreifern abwehren<br />

kann (s. dazu u.a. S/S-Lenckner/Perron, §<br />

32, RN 35). Für die h.M. wäre in beiden<br />

Fällen die Geeignetheit der Verteidigung<br />

zu bejahen. Der <strong>BGH</strong> scheint <strong>zur</strong>ückhaltender,<br />

wenn er darauf abstellt, das zu<br />

fordern ist, dass die Rechtsgutsbeeinträchtigung<br />

durch die <strong>Notwehr</strong>handlung<br />

endgültig hätte beseitigt werden können.<br />

II. Merkmal der „Erforderlichkeit“<br />

1. ***<strong>BGH</strong>, Urt. v. 24.07.2001, Az.: 4 StR<br />

256/01 [www.bun<strong>des</strong>gerichtshof.de]:<br />

Der <strong>BGH</strong> hebt eine Entscheidung der Vorinstanz<br />

auf, die die <strong>Notwehr</strong> mit dem Hinweis<br />

darauf, dass ein Messerstich in die<br />

Brust eines unbewaffneten Angreifers kein<br />

relativ mil<strong>des</strong>tes Mittel mehr sei, um einen<br />

Angriff von sich abzuwehren, verneint hatte.<br />

Der <strong>BGH</strong> betont hingegen, dass die<br />

Erforderlichkeit im wesentlichen von der<br />

Art und dem Maß <strong>des</strong> Angriffs abhänge;<br />

grundsätzlich dürfe der Angegriffene das<br />

Abwehrmittel wählen, das eine sofortige<br />

und endgültige Beseitigung der Gefahr<br />

erwarten lasse.<br />

2. ***<strong>BGH</strong> NStZ 2002, 140: Der <strong>BGH</strong> verweist<br />

darauf, dass ich der Angegriffene auf<br />

einen Kampf mit ungewissem Ausgang<br />

nicht einlassen muss; die <strong>Notwehr</strong> schließt<br />

damit – einzelfallabhängig – ausnahmsweise<br />

auch den Einsatz eines lebensgefährlichen<br />

Mittels mit ein.<br />

3. ***<strong>BGH</strong> NStZ 2001, 591: Zur Frage der<br />

Erforderlichkeit eines (tödlich wirkenden)<br />

Schusses, wenn die vom Verteidiger benutzte<br />

Schusswaffe lediglich mit einer Patrone<br />

geladen ist.<br />

4. <strong>BGH</strong>, Urt. 25.11.2003, Az.: 1 StR<br />

308/03 [www.bun<strong>des</strong>gerichtshof.de]:<br />

Der <strong>BGH</strong> verweist darauf, dass die Abgabe<br />

eines Warnschusses vor Abgabe (tödlich<br />

wirkender) Schüsse nicht in allen zu<br />

Fällen zu fordern ist; zugleich zeigt die<br />

Entscheidung <strong>des</strong> <strong>BGH</strong>, dass auch die<br />

Abgabe mehrerer Schüsse dem Handeln<br />

<strong>des</strong> sich Verteidigenden nicht notwendigerweise<br />

die Erforderlichkeit nimmt.<br />

5. ****<strong>BGH</strong> NStZ 2001, 530: Der <strong>BGH</strong><br />

verneint die Erforderlichkeit, wenn der Angreifer<br />

sich anschickt, eine Schusswaffe<br />

aus dem Hosenbund zu ziehen, da hier<br />

zunächst einmal abzuwarten gewesen<br />

wäre, ob der Angreifer die Schusswaffe<br />

© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2004


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auch schussbereit macht. <strong>Die</strong>se durchaus<br />

fragliche Einschätzung bleibt im konkreten<br />

Fall für das Ergebnis bedeutungslos, da<br />

der <strong>BGH</strong> zugleich zu dem Ergebnis gelangt,<br />

dass das fehlende Bewusstsein hinsichtlich<br />

<strong>des</strong> Vorhandenseins eines weniger<br />

gefährlichen Abwehrmittels <strong>zur</strong> Annahme<br />

eines Erlaubnistatbestandsirrtums<br />

führe, verbunden mit der Folge <strong>des</strong> Vorsatzausschlusses<br />

nach § 16 I 1 StGB.<br />

6. ****<strong>BGH</strong> NStZ 2001, 590 [Abgabe eines<br />

sofortigen gezielten und tödlich wirkenden<br />

Schusses bei irrtümlicher Annahme der<br />

Voraussetzungen von § 32 StGB]<br />

© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2004

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