Eine gewagte Kreation: Original amerikansches ... - THA Heist Bobber

Orthopädische Skrupellosigkeit: Zwischen dem Schlagloch
und den Bandscheiben federt nur ein Schwingsattel
Lang, tief, schnörkellos: Die
Kleine aus Ohio lehnt wie
eine Kreuzung aus historischer
Harley und Werners
Flacheisen auf ihrem
Chrom-Seitenständer. Der Himmel
über dem Ruhrgebiet spiegelt sich in
hochglanzverchromten Spei chenfelgen
mit 21 Zoll vorne und 18
hinten, in einem klassischen Rundscheinwerfer
und einem tief montierten
Batteriekasten. Der Rest versinkt
in der klassischsten aller Fahrzeugfarben:
mattem Schwarz.
Das passt zur Reduzierung aufs
Wesentliche, die so einen Bobber
ausmacht. Genau wie der winzige
„Peanut“-Tank und der
Einzelsitz vor dem von
jeder Transportaufgabe
befreiten Heckfender.
Einfach eine coole Karre.
Erst auf den zweiten
Blick wird klar, dass
dieses Motorrad seine klassische
Schönheit einem Kunstgriff verdankt,
für den viele Harley-Fahrer
morden würden: dem Starrrahmen.
Ein gewagtes Konzept angesichts
heutiger Verkehrsinfrastruktur, aber
durchaus mit praktischen Vorteilen
gesegnet. Abgesehen davon, dass sich
der hintere Kotfügel betörend dicht
ans Hinterrad schmiegt, macht das
starr verschraubte Hinterrad
Kettendurchhang nahe zu
überflüssig. Da guckt die
Cruiser-Gilde neidisch.
Beim Blick auf den
Motor schleicht sich
Starrrahmen, freier
Heckfender, Peanut-
Tank, Chrom und
Mattschwarz – einfach
ein coole Karre
allerdings erste
Belustigung in
die Gesichter.
Denn was sich
unter einer
matt schwar zen
Tarnschicht
zwi schen den
Rahmenroh ren
versteckt, ist
von einem Big
Twin aus Milwaukee so weit weg wie
das Sauerland von den Rocky Mountains.
Ein 229er Eintopf ist eben nicht
ganz das Richtige, um bei den Cruiser-Kumpels
Eindruck zu schinden.
Zumal seine Abstammung auf Vorurteile
trifft. Lifan hat sich als ehemaliger
Honda-Zulieferer zwar einen
Namen im Motorenbau gemacht, aber
Made in China gilt trotzdem noch
lange nicht als Qua litätsprädikat.
Aber wen interessieren schnöde
Fakten wie die 16 PS Maximalleistung,
wenn ein Motorrad der harten
Cruiser-Szene so lässig die Zunge
rausstreckt wie „Tha Heist“? Was frei
übersetzt übrigens „Der Banküberfall“
heißt und genauso
mit dem Böse-Buben-
Image spielt wie das
übrige Motorrad.
Obwohl es auch als
Fluchtfahrzeug eine originelle
Wahl wäre. Also
runter vom Garagenhof und rauf auf
den Highway, der hier B1 heißt und
nicht nach Vegas oder Frisco, sondern
bloß nach Dortmund führt. Die Stiefel
nach vorn auf die Fußrasten und
meilenweit geradeaus, das kann sie
gut, die Kleine aus Cleveland.
Schwungvoll genommene Fahrbahnkanten
meißeln allerdings einen
grimmigen Zug ins Gesicht des
Bobber-Fahrers. Das sieht lässig aus,
resultiert aber aus der Skrupellosigkeit,
mit der der handbestickte, von
zwei Federn getragene Ledersattel
die Härte der Landstraße an den
Piloten weiterreicht. Keine Frage: Das
hier ist näher an „Born to be wild“
als manche Luxus-Harley.
Am besten spielt man sich den
Soundtrack auch gleich auf den
iPod und stopft sich die Ohrhörer
tief unter den Jethelm. Denn sein
kerniges Röhren hält der kleine
Chinese nicht bis in höhere Drehzahlen
durch. Mit steigenden Vibrationen
mischt sich ein Scheppern
in die Klangkulisse, das Pessimis ten
starr
MOTORRAD NEWS 3/2013 19