Herren Brüdern Mitschülern - Gwick.ch
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fuhr und wanderte, alle Sportwettkämpfe verfolgte<br />
und alle Resultate kannte. Und der viellei<strong>ch</strong>t mitten<br />
in der Na<strong>ch</strong>t aufbra<strong>ch</strong> und allein auf den Rigi<br />
mars<strong>ch</strong>ierte!<br />
Und da er daneben au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> Kantonalpräsident<br />
der S<strong>ch</strong>wyzer Pfadfinder war, hatte er Unterhaltungsabende<br />
zu organisieren, für die er Stücke<br />
s<strong>ch</strong>rieb und selber Rollen übernahm, gern au<strong>ch</strong><br />
Frauenrollen. Frauen, fand er ohnehin, seien au<strong>ch</strong><br />
für einen Mön<strong>ch</strong> eine unerlässli<strong>ch</strong>e Berei<strong>ch</strong>erung<br />
des Lebens.<br />
Nun unterzieht er si<strong>ch</strong> also den Riten, steht in<br />
Herrgottsfrühe auf und nimmt tägli<strong>ch</strong> an den<br />
gemeinsamen fünf Gebeten teil. Es muss ihm<br />
ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t gefallen sein, ihm, der nahezu ein<br />
Freigeist war, hätte ihn ni<strong>ch</strong>t der Glaube gehalten.<br />
Dessen Lieblingss<strong>ch</strong>riftsteller der ketzeris<strong>ch</strong>e<br />
Heinri<strong>ch</strong> Heine war. Und der in man<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>enfragen<br />
der Obrigkeit widerspra<strong>ch</strong>. Sarkastis<strong>ch</strong><br />
konnte er im Alter etwa sagen: «Eine Papstmesse<br />
mit 500'000 Leuten und ein Fußballspiel mit<br />
100'000 Zus<strong>ch</strong>auern sind si<strong>ch</strong> ähnli<strong>ch</strong>; sol<strong>ch</strong>e<br />
Hysterien bergen Gefahren.» Und dass «ein 80-<br />
jähriger zölibatärer Mön<strong>ch</strong>» den Eheleuten predigen<br />
müsse, «wie sie si<strong>ch</strong> im Bett zu verhalten<br />
haben», fand er «grotesk».<br />
Im Kloster war er Internatsleiter geworden und<br />
blieb jahrzehntelang ein Lehrer, der unzählige<br />
S<strong>ch</strong>üler begeisterte wenn er etwa s<strong>ch</strong>iefe Ebenen<br />
am Beispiel der Skipisten abhandelte. Und der sie<br />
vor den Kopf stieß mit seiner emotionalen Art.<br />
«Ein Exzentriker», sagt ein ehemaliger S<strong>ch</strong>üler,<br />
«aber glaubwürdig».<br />
Mit Vergnügen verfolgte Kassian, wie seine S<strong>ch</strong>üler<br />
flügge wurden und wie einer von ihnen zum<br />
S<strong>ch</strong>riftsteller heranwu<strong>ch</strong>s, au<strong>ch</strong> er Sohn eines<br />
Bundesrates: Thomas Hürlimann. Als dieser eine<br />
neue Fassung des «Welttheaters» s<strong>ch</strong>rieb, das auf<br />
dem Einsiedler Klosterplatz alle paar Jahre gegeben<br />
wird, fragte er seinen einstigen Lehrer um<br />
Mitwirkung an. So sorgte Kassian als Mentor, dass<br />
das Stück übers Leben hienieden ni<strong>ch</strong>t ganz so<br />
hoffnungslos herauskam, wie es von den Theaterma<strong>ch</strong>ern<br />
geplant war. Und übernahm 2000 als<br />
70-Jähriger darin no<strong>ch</strong> eine Rolle.<br />
«Von unglaubli<strong>ch</strong>er Spielfreude war er», sagt<br />
Regisseur Volker Hesse, und so engagierte er den<br />
Pater au<strong>ch</strong> für die Neuinszenierung 2007, wo<br />
Kassian die wi<strong>ch</strong>tige Figur der alten «Frau Welt»<br />
spielen sollte, die ges<strong>ch</strong>unden dem Ende entgegensieht.<br />
Und Kassian, dessen Körper selber gebre<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
geworden ist, gequält von Krankheiten<br />
und S<strong>ch</strong>merz, ma<strong>ch</strong>t wieder mit. Gibt in Kälte und